Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Mai 2016 - 4 StR 147/16

bei uns veröffentlicht am25.05.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 147/16
vom
25. Mai 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:250516B4STR147.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 25. Mai 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 28. Oktober 2015, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch gemäß § 111i Abs. 2 StPO aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit schwerem Raub, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und vier Monaten verurteilt. Ferner hat es festgestellt, dass der Angeklagte – und der nicht revidierende Mitangeklagte – aus den Taten 33.126 Euro erlangt haben und „die Kammer nur deshalb nicht auf Verfall bzw. den Verfall von Wertersatz erkannt hat, weil dem Ansprüche der – im Einzelnen nachfolgend aufgeführten – Verletzten im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen“.
2
Hiergegen richtet sich die mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründete Revision des Beschwerdeführers. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. a) Die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 344 Abs. 2 StPO) hat aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 4. April 2016 genannten Gründen keinen Erfolg.
4
b) Schuld- und Strafausspruch des angefochtenen Urteils halten rechtlicher Überprüfung stand; die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
5
2. Keinen Bestand hat jedoch die Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO.
6
a) Das Landgericht hat die Summe des vom Angeklagten – und seinem Mitangeklagten – durch die Taten jeweils Erlangten durch eine Addition der jeweils erlangten Bargeldsummen sowie des Wertes der entwendeten Schmuckgegenstände ermittelt und die so errechnete Gesamtsumme abzüglich des Wertes der an den Geschädigten H. zurückgelangten Schmuckstücke als den Betrag bezeichnet, der bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 111i Abs. 5 StPO dem Auffangrechtserwerb des Staates unterliegt. Jedoch hat der Tatrichter auch im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung die Regelung des § 73c Abs. 1 StGB zu beachten (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschluss vom 3. November 2015 – 4 StR 403/15, wistra 2016, 152 mwN). Deren Prüfung ist hier rechtsfehlerhaft unterblieben. Dafür, dass die Voraussetzungen des § 73c StGB im vorliegenden Fall nicht zu erörtern gewesen wären, bieten die Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten keinen Anhalt.
7
b) Der neue Tatrichter wird sich daher mit den Voraussetzungen für die Anwendung von § 73c Abs. 1 StGB auseinanderzusetzen haben (vgl. zur Systematik von § 73c Abs. 1 StGB BGH, Urteile vom 26. März 2009 – 3 StR 579/08, NStZ 2010, 86 f., und vom 26. März 2015 – 4 StR 463/14, NStZ-RR 2015, 176 ff.). Da dem Landgericht bei seiner Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO insoweit lediglich ein Wertungsfehler unterlaufen ist, können die zugehörigen Feststellungen aufrecht erhalten bleiben.
8
c) Eine Erstreckung der Aufhebung auf den nicht revidierenden Mitangeklagten B. gemäß § 357 StPO ist nicht geboten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Vorschrift des § 357 StPO zwar grundsätzlich auch auf identische sachlich-rechtliche Fehler bei Verfallsentscheidungen anzuwenden. Dies gilt jedoch nicht, soweit der Rechtsfehler lediglich in der Nichterörterung der Härtevorschrift des § 73c StGB besteht, da die Frage, ob wegen einer unbilligen Härte oder aufgrund einer Ermessensentscheidung von einer Verfallsentscheidung abzusehen ist, auf individuellen Erwägungen beruht (vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. Januar 2008 – 5 StR 365/07, NStZ 2008, 565, 567 mwN). So liegt es hier.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Mai 2016 - 4 StR 147/16

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Mai 2016 - 4 StR 147/16

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafgesetzbuch - StGB | § 73 Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern


(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an. (2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einzieh

Strafprozeßordnung - StPO | § 357 Revisionserstreckung auf Mitverurteilte


Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu

Strafgesetzbuch - StGB | § 73c Einziehung des Wertes von Taterträgen


Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht
Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Mai 2016 - 4 StR 147/16 zitiert 6 §§.

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Strafprozeßordnung - StPO | § 111i Insolvenzverfahren


(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an de

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Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Mai 2016 - 4 StR 147/16 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Jan. 2008 - 5 StR 365/07

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 579/08 vom 26. März 2009 in der Strafsache gegen wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. März 2009, an

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 463/14 vom 26. März 2015 in der Strafsache gegen wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. März 2015, an der teilgenommen haben:

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 579/08
vom
26. März 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. März
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 7. Mai 2007 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung des Verfalls von Wertersatz abgesehen worden ist. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat davon abgesehen, den Verfall von Wertersatz anzuordnen. Hiergegen richtet sich die vom Generalbundesanwalt vertretene, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das wirksam beschränkte Rechtsmittel hat Erfolg.
2
Nach den Feststellungen war der zum Zeitpunkt der Verkündung des landgerichtlichen Urteils 63 Jahre alte Angeklagte Mitglied einer Bande, die Haschisch - und Marihuanatransporte erheblichen Umfangs von den Niederlanden nach England und in andere europäische Länder organisierte und durchführte.
In dem Zeitraum von Ende 2004 bis Anfang 2005 wurden mit drei Fahrten insgesamt 135 kg zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmte Betäubungsmittel nach England verbracht und an unbekannt gebliebene Abnehmer übergeben. Mit einer vierten Fahrt wurden im Februar 2005 weitere 241,80 kg Haschisch aus den Niederlanden über Oldenburg und Bremen nach Dänemark transportiert. Das Rauschgift wurde vor der Auslieferung von der dänischen Polizei sichergestellt.
3
1. Das Landgericht hat den Verfall von Wertersatz (§§ 73, 73 a StGB) nicht angeordnet und dies mit dem Vorliegen einer unbilligen Härte im Sinne des § 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB begründet. Zwar sei davon auszugehen, dass aus den Drogengeschäften nach dem Bruttoprinzip ein Umsatz von mindestens 135.000 € erzielt worden sei. Es müsse jedoch berücksichtigt werden, dass der Angeklagte über einen sichergestellten und gepfändeten Bargeldbetrag in Höhe von 2.250 € hinaus über kein nennenswertes Vermögen mehr verfüge. Er habe infolge des fehlgeschlagenen Haschischtransportes nach Dänemark selbst 60.000 € als "Entschädigung" gezahlt, so dass er durch die Drogentransporte insgesamt einen beträchtlichen Verlust erlitten habe. In Anbetracht seines fortgeschrittenen Alters sei nicht zu erwarten, dass er nach seiner Haftentlassung noch Erwerbsaussichten habe; er werde entweder von einer Rente oder von Sozialleistungen leben müssen. Daher werde durch die Vollziehung einer Verfallsanordnung seine Resozialisierung wesentlich erschwert.
4
2. Diese Erwägungen vermögen die Ablehnung der Anordnung des Wertersatzverfalls nicht zu rechtfertigen.
5
a) Die Voraussetzungen des § 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB sind bereits deshalb nicht rechtsfehlerfrei dargetan, weil das Landgericht unter Verkennung des systematischen Zusammenhangs zwischen den verschiedenen Alternativen des § 73 c Abs. 1 StGB das Vorliegen einer unbilligen Härte unzureichend begründet hat.
6
aa) Zwar ist die Anwendung der Härtevorschrift des § 73 c StGB Sache des Tatrichters. Die Gewichtung der für das Vorliegen einer unbilligen Härte im Sinne des § 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB maßgeblichen Umstände ist daher der inhaltlichen revisionsrechtlichen Überprüfung nicht zugänglich. Mit der Revision kann jedoch eine rechtsfehlerhafte Auslegung des Tatbestandsmerkmals "unbillige Härte" beanstandet werden. Eine solche ist etwa gegeben, wenn die Bejahung dieses Merkmals auf Umstände gestützt wird, die bei seiner Prüfung nicht zum Tragen kommen können (vgl. BGH wistra 2003, 424, 425; 2009, 23, 24).
7
bb) So liegt der Fall hier. Das Landgericht hat die Annahme einer unbilligen Härte wesentlich darauf gestützt, dass der Wert des vom Angeklagten aus den Straftaten Erlangten mittlerweile nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden sei. Diese Begründung wird dem systematischen Verhältnis nicht gerecht, in welchem die Regelungen des § 73 c Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 1. Alt. StGB zueinander stehen. Nach § 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB ist der Verfall beim Vorliegen einer unbilligen Härte zwingend ausgeschlossen, während § 73 c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB für den Fall, dass der Wert des Erlangten im Vermögen des Betroffenen ganz oder teilweise nicht mehr vorhanden ist, die Möglichkeit eröffnet , insoweit nach pflichtgemäßen Ermessen von einer Verfallsanordnung abzusehen. Da die tatbestandlichen Voraussetzungen, welche nach Satz 2 der Vorschrift ein Absehen vom Verfall nach pflichtgemäßem Ermessen ermöglichen , nicht zugleich einen zwingenden Ausschlussgrund nach § 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB bilden können, folgt aus der Systematik der Norm, dass das Nichtmehrvorhandensein des Wertes des Erlangten im Vermögen des Betroffenen jedenfalls für sich genommen keine unbillige Härte darstellen kann, son- dern dem Anwendungsbereich des § 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB unterfällt (vgl. BGH NStZ 2000, 589, 590; Schmidt in LK 12. Aufl. § 73 c Rdn. 7).
8
Für das Vorliegen einer unbilligen Härte bedarf es daher zusätzlicher Umstände, welche die hohen Voraussetzungen des Tatbestandsmerkmals belegen. Eine unbillige Härte im Sinne des § 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB kommt nach ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa BGHR StGB § 73 c Härte 7, 11) nur dann in Betracht, wenn die Anordnung des Verfalls schlechthin ungerecht wäre und das Übermaßverbot verletzen würde. Die Auswirkungen des Verfalls müssen mithin im konkreten Einzelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen. Es müssen besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine außerhalb des Verfallszwecks liegende zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen auch unter Berücksichtigung des Zwecks des Verfalls nicht zugemutet werden kann. Eine unbillige Härte liegt demnach nicht schon dann vor, wenn der Verfallsbetrag nicht beigetrieben werden kann oder der Betroffene vermögenslos geworden und unfähig ist, die Mittel für seinen Unterhalt und den seiner Familie aufzubringen (vgl. Schmidt aaO Rdn. 7). Nach diesen Maßstäben ausreichend gravierende Umstände lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Allein die vagen Erwägungen, der Angeklagte verfüge über kein "nennenswertes" Vermögen und müsse nach seiner Entlassung von einer Rente oder Sozialleistungen leben, genügen auch unter Berücksichtigung des Resozialisierungsgedankens hierfür nicht.
9
b) Auch auf § 73 c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB kann das Absehen von der Anordnung des Wertersatzverfalls nach den bisherigen Feststellungen nicht gestützt werden. Die Ausübung des dem Tatrichter durch diese Vorschrift eingeräumten Ermessens erfordert zunächst die Feststellung des Wertes des aus der Straftat Erlangten, um diesem sodann den Wert des noch vorhandenen Vermögens gegenüber stellen zu können (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 104, 105; Fischer, StGB 56. Aufl. § 73 c Rdn. 5; Schmidt aaO Rdn. 10). Hieran fehlt es.
10
aa) Die Urteilsgründe lassen bereits ausreichende Feststellungen dazu vermissen, in welcher Höhe der Angeklagte aus den Rauschgiftgeschäften etwas erlangt hat. "Erlangt" im Sinne der § 73 Abs. 1 Satz 1, § 73 a Satz 1 StGB ist ein Vermögensvorteil nur dann, wenn der Tatbeteiligte die faktische Verfügungsgewalt über den Gegenstand erworben hat (vgl. BGH NStZ 2003, 198 f.). Mit der pauschalen Angabe, aus den Betäubungsmittelgeschäften sei ein Umsatz von mindestens 135.000 € erzielt worden, wird dieser Umstand nicht belegt. Die bloße Annahme mittäterschaftlichen Handelns vermag die fehlenden Darlegungen des tatsächlichen Geschehens hierzu nicht zu ersetzen; denn eine Zurechnung nach den Grundsätzen der Mittäterschaft gemäß § 25 Abs. 2 StGB mit der Folge einer gesamtschuldnerischen Haftung kommt nur dann in Betracht , wenn sich die Beteiligten darüber einig waren, dass dem Angeklagten zumindest Mitverfügungsgewalt über die jeweiligen Erlöse habe zukommen sollen (vgl. BVerfG StV 2004, 409, 411; BGH NStZ 2003, 198 f.) und er diese auch tatsächlich hatte (BGH NStZ-RR 2007, 121). Feststellungen hierzu hat das Landgericht nicht getroffen.
11
bb) Den Gründen des landgerichtlichen Urteils lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, dass zum Zeitpunkt des tatrichterlichen Urteils der Wert des aus den Straftaten Erlangten in dem Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden war. Dies setzt konkrete tatrichterliche Feststellungen dazu voraus, in welchem Umfang und zu welchem Zweck das Erlangte ausgegeben wurde (vgl. BGH wistra 2009, 23, 25; Schmidt aaO Rdn. 12). Die in diesem Zusammenhang vom Landgericht angestellte Erwägung, der Angeklagte habe anlässlich des fehlgeschlagenen Rauschgiftgeschäfts "60.000 € als Entschädigung der Lieferanten oder Abnehmer gezahlt" und dadurch insgesamt bei den Drogenge- schäften einen beträchtlichen Verlust erlitten, entbehrt einer tragfähigen tatsächlichen Grundlage. Die Feststellungen des Urteils belegen eine solche Zahlung , deren nähere Umstände auch die betreffende mehrdeutige Passage der Urteilsgründe offen lässt, nicht.
12
Den Urteilsgründen kann auch im Übrigen nicht entnommen werden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dem Angeklagten die aus den Drogengeschäften erzielten Erlöse ohne Zufluss eines Gegenwertes oder einer sonstigen Gegenleistung abhanden kamen. Die für die Eröffnung der Markthalle in Bremen erforderlichen finanziellen Mittel brachte der Angeklagte nach den Feststellungen jedenfalls nicht aus dem aus dem Betäubungsmittelhandel Erlangten , sondern aus dem Erlös für den Verkauf seines Lokals auf. Bei der Bewertung des Vermögens des Angeklagten hat das Landgericht zudem die ausdrücklich getroffene Feststellung nicht berücksichtigt, der Zeuge E. habe an "J. " und den Angeklagten auf deren nachdrückliches Verlangen 8.000 € als "Strafsumme" für das fehlgeschlagene Geschäft übergeben. Schließlich hat die Strafkammer nicht in die Betrachtung einbezogen, dass bei dem Angeklagten 2.250 € sichergestellt worden sind. Die Strafkammer durfte jedoch nicht allein deshalb von einer Verfallsanordnung absehen, um dem Verurteilten - sei es auch für Zwecke der Resozialisierung - vorhandene Vermögenswerte zu erhalten ; denn dies wäre mit dem Sinn und Zweck des Verfalls nicht zu vereinbaren (vgl. BGH NStZ 1995, 495).
13
Über den Wertersatzverfall ist nach alldem insgesamt neu zu verhandeln und zu entscheiden. Der Senat weist abschließend auf die Möglichkeit hin, den Umfang und Wert des Erlangten gemäß § 73 b StGB zu schätzen, sowie darauf , dass nach § 73 c Abs. 1 StGB die Anordnung des Verfalls auf einen Teil des Erlangten beschränkt werden kann (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 75; BGH, Beschl. vom 12. Dezember 2008 - 2 StR 479/08). Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 463/14
vom
26. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. März
2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung –
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 17. März 2014 aufgehoben , soweit das Landgericht eine Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 StPO unterlassen hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges in 23 Fällen, gewerbsmäßigen Bandendiebstahls in zwei Fällen, Betruges in vier Fällen, Diebstahls in zwei Fällen, gewerbsmäßiger Hehlerei und wegen versuchten Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen das Urteil richtet sich die wirksam auf das Unterlassen einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. Soweit infolge der Beschränkung der Revision von Bedeutung hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte erlangte – in sechs Fällen als Alleintäter, im Übrigen als Mittäter mit nicht bzw. erfolglos revidierenden Mitangeklagten – durch die abgeurteilten Betrugs-, Diebstahls- und Hehlereitaten Gegenstände, insbesondere Lastkraftwagen, Pkws und Baumaschinen, im Wert von fast einer Million Euro. Noch während des erstinstanzlichen Verfahrens ordnete das Landgericht im Dezember 2013 zur Sicherung der den Verletzten aus den Taten erwachsenen zivilrechtlichen Ansprüche den dinglichen Arrest in das Vermögen des Angeklagten in Höhe von 921.803 € an. Daraufhin wurden beim Angeklagten 2.580 € Bargeld sowie eine Armbanduhr im Wert von 1.500 € gepfändet.
4
Nach den zu seinen persönlichen Verhältnissen getroffenen Feststellungen scheiterte der Angeklagte im Jahr 2010 mit dem Versuch, sein vor der Verbüßung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe in der Mobilfunkbranche betriebenes Unternehmen wieder aufzubauen. Seitdem ging er keiner beruflichen Tätigkeit mehr nach und bestritt seinen Lebensunterhalt „zumeist“ von Sozialleistungen. Der Angeklagte ist „hoch verschuldet“ und hat 2010 den „Offenbarungseid“ (UA S. 99) abgeleistet. Er ist verheiratet, aber mit einer anderen Frau liiert, und verfügt – über das gepfändete Geld sowie die Armbanduhr hinaus – über keine weiteren Vermögensgegenstände. Die aus den „Taten erhaltenen Erlöse von … mindestens 30.000 €“ – gemeint sind damit ersichtlich die Gelder, die durch den Verkauf der durch die Taten erlangten Gegenstände vereinnahmt wurden – hat der Angeklagte bis zu seiner Festnahme vollständig ausgegeben, um die Kosten seines Lebensunterhalts zu decken bzw. seinen Lebensstandard zu verbessern.
5
2. Das Landgericht hat von der Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO abgesehen, weil diese „eine unbillige Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 S. 1 StGB darstellen“ würde. Denn sie würde die „Resozialisierung des Angeklagten gefährden und gegen das Übermaßverbot verstoßen“. Dem gepfändeten Geld sowie dem Wert der Armbanduhr stünden Verbindlichkeiten „in weitaus größerer Höhe gegenüber“; ein titulierter Anspruch gegen ihn über knapp eine Million Euro würde zu einer weiteren Verschlechterung seiner Situation und insbesondere dazu führen, dass er in absehbarer Zeit keinerlei Einkommen oberhalb der Pfändungsfreigrenze für sich behalten dürfte. Dies würde ihm jede Motivation nehmen, nach seiner Inhaftierung in das legale Erwerbsleben zurückzukehren. Unverhältnismäßig wäre die Anordnung, weil nicht zu erwarten sei, dass der Angeklagte jemals in der Lage sein werde, eine Forderung von knapp einer Million Euro zu bedienen.
6
3. Die Staatsanwaltschaft ist der Ansicht, dass Umstände, die die Anwendung von § 73c StGB rechtfertigen könnten, im Urteil nicht festgestellt seien. Jedenfalls seien hinsichtlich des vorhandenen – nunmehr gepfändeten – Vermögens die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht gegeben, so dass mindestens hinsichtlich dieses Betrages eine Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO hätte getroffen werden müssen.

II.


7
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
8
1. Ob der Tatrichter eine Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO trifft, steht zwar in seinem Ermessen („kann“; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 111i Rn. 8 mwN) und unterliegt daher nur der eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung (BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 – 5 StR 306/12, BGHSt 58, 152). Auch die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung gebotene Berücksichtigung des § 73c Abs. 1 StGB (dazu BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39; Beschlüsse vom 1. März 2011 – 4 StR 30/11; vom 8. August 2013 – 3 StR 179/13, NStZ-RR 2014, 44) ist Sache des Tatrichters. Daraus folgt aber nicht, dass Auslegung und Anwendung (bzw. Nichtanwendung) dieser Vorschriften jeglicher Kontrolle durch das Revisionsgericht entzogen wären; sie unterliegen vielmehr – wie jede andere Gesetzesanwendung auch – der Überprüfung auf Rechtsfehler hin (§ 337 Abs. 1 StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2014 – 1 StR 336/13).
9
2. Auf dieser Grundlage kann das Absehen von einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO durch die Strafkammer keinen Bestand haben, da das Landgericht den Regelungsgehalt des § 73c StGB rechtsfehlerhaft nicht hinreichend beachtet hat.
10
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich aus dem systematischen Verhältnis zwischen der bei „unbilliger Härte“ zwingend zum Ausschluss der Verfallsanordnung führenden Regelung in § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB einerseits und der Ermessensvorschrift in § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB andererseits, dass regelmäßig zunächst auf der Grundlage letztgenannter Vorschrift zu prüfen ist, ob von einer Anordnung des Verfalls oder Wertersatzverfalls abgesehen werden kann; denn die tatbestandlichen Voraussetzungen, welche nach Satz 2 der Vorschrift ein Absehen vom Verfall nach pflichtgemäßem Ermessen ermöglichen, können nicht zugleich einen zwingenden Ausschlussgrund nach § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB bilden. Daher kann das Nichtmehrvorhandensein des Wertes des Erlangten im Vermögen des Betroffenen jedenfalls für sich genommen keine unbillige Härte darstellen, sondern unterfällt dem Anwendungsbereich des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB. Nach dieser Vorschrift kann eine Verfallsanordnung unterbleiben, soweit das Erlangte oder dessen Wert zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden sind. Es ist deshalb zunächst festzustellen, was der Angeklagte aus der Tat „erlangt“ hat, sodann ist diesem Betrag der Wert seines noch vorhandenen Vermögens gegenüberzustellen. Wenn hiernach auch ein Gegenwert des Erlangten im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden ist, kann der Tatrichter von einer Verfallsanordnung absehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Februar 2014 – 1 StR 336/13; vom 26. Juni 2014 – 3 StR 83/14; Urteil vom 26. März 2009 – 3 StR 579/08, NStZ 2010, 86; vgl. auch BGH, Urteil vom 27. Oktober 2011 – 5 StR 14/11, NJW 2012, 92).
11
Maßgebend für die Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB ist neben der Gesamthöhe des Erlangten und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen insbesondere der Grund, aus welchem das Erlangte bzw. dessen Wert sich nicht mehr im Vermögen des Angeklagten befindet. Hierbei können etwa das „Verprassen“ der erlangten Mittel oder ihre Verwen- dung für Luxus und zum Vergnügen gegen die Anwendung der Härtevorschrift sprechen; andererseits kann ihr Verbrauch in einer Notlage oder zum notwendigen Lebensunterhalt des Betroffenen und seiner Familie als Argument für eine positive Ermessensentscheidung dienen (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2014 – 2 StR 134/14; Urteil vom 18. September 2013 – 5 StR 237/13). Ferner darf bei dieser Entscheidung das Resozialisierungsinteresse nach der Haftentlassung des Angeklagten Berücksichtigung finden (vgl. BGH, Urteile vom 10. Oktober 2002 – 4 StR 233/02, BGHSt 48, 40, 41; vom 18. September 2013 – 5 StR 237/13, wistra 2013, 462, 463).
12
Die Annahme einer „unbilligen Härte“ im Sinn des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB setzt dagegen nach ständiger Rechtsprechung eine Situation voraus, nach der die Anordnung des Verfalls das Übermaßverbot verletzen würde, also schlechthin „ungerecht“ wäre. Die Auswirkungen müssen im konkreten Ein- zelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen. Es müssen daher besondere Umstände vorliegen, auf Grund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen auch unter Berücksichtigung des Zwecks des Verfalls nicht zugemutet werden kann (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2014 – 2 StR 134/14). Dabei kann – wie ausgeführt – das Nichtvorhandensein des Erlangten bzw. eines Gegenwertes im Vermögen des von der Verfallsanordnung Betroffenen nach der inneren Systematik des § 73c Abs. 1 StGB für sich genommen regelmäßig keine unbillige Härte begründen (BGH, Beschluss vom 13. Februar 2014 – 1 StR 336/13). Auch kann allein das Resozialisierungsinteresse bei tatsächlich vorhandenen Vermögenswerten ein völliges Absehen von der Verfallsanordnung oder der Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO regelmäßig nicht rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2009 – 3 StR 579/08, NStZ 2010, 86).
13
b) Daran gemessen begegnet die Entscheidung des Landgerichts, von einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO abzusehen, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
14
aa) Denn die Strafkammer hat es unterlassen, wie geboten, zunächst die Voraussetzungen des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB zu prüfen sowie – falls es diese als gegeben erachtet – die Ermessensentscheidung nach dieser Vorschrift zu treffen. Sie hat vielmehr sogleich rechtsfehlerhaft auf die nachgeordnete Frage des Vorliegens einer unbilligen Härte im Sinn des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB abgestellt und das Absehen von der Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO ausdrücklich (nur) darauf gestützt, dass die Anordnung „eine unbillige Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 S. 1 StGB darstellen“ würde (UA S. 99).
15
bb) Hinzu kommt das Folgende:
16
(1) Das Landgericht hat nicht hinreichend belegt, dass der Angeklagte aus den Straftaten tatsächlich Gegenstände im Wert von fast einer Million Euro erlangt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vermögenswert aus der Tat erlangt im Sinn des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen ist, er an ihm also unmittelbar aus der Tat (tatsächliche, aber nicht notwendig rechtliche) Verfügungsmacht gewonnen und dadurch einen Vermögenszuwachs erzielt hat. Bei mehreren Tätern und/oder Teilnehmern genügt insofern, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt hatten (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39; vgl. ferner Beschlüsse vom 1. März 2011 – 4 StR 30/11; vom 9. Februar 2010 – 3 StR 17/10, NStZ 2010, 390). Hierzu stellt die Strafkammer zwar fest, dass der Angeklagte sechs der Taten als Alleintäter begangen hat, bei 28 der bei ihm insgesamt abgeurteilten 34 Taten hat es dagegen Mittäterschaft angenommen. Ob der Angeklagte in jedem dieser Fälle Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand und damit tatsächlich Gegenstände „im Wert von fast einer Million Euro erlangt hat“ (UA S. 99), hat es dagegen nicht erörtert und liegt nach den getroffenen Feststellungen auch nicht ausnahmslos auf der Hand.
17
(2) Soweit das danach Erlangte im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden ist (vgl. zu dieser Feststellung BGH, Urteil vom 26. März 2009 – 3 StR 579/08, NStZ 2010, 86, 87), ist in die Ermessensentscheidung gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB einzubeziehen, dass es bei einer innerhalb etwa eines Jahres erlangten Tatbeute „im Wert von fast einer Million Euro“ nicht na- heliegt, dass diese nur zum notwendigen Lebensunterhalt des Betroffenen verwendet wurde. Dies gilt selbst dann, wenn berücksichtigt wird, dass der von seiner Ehefrau getrennt lebende, kinderlose Angeklagte und/oder seine Mittäter die erlangten Gegenstände weit unter Wert veräußert haben und ihm in diesem etwa einem Jahr letztlich nur „mindestens 30.000 EUR“ verblieben (UA S. 68).
18
(3) Insbesondere hinsichtlich des – nach Ansicht der Strafkammer zwar nur „allenfalls“ – noch im Vermögen des Angeklagten vorhandenen Wertes des Erlangten, also des gepfändeten Bargeldes und der Armbanduhr, ist es selbst angesichts der Ausführungen des Landgerichts nicht naheliegend, dass eine unbillige Härte im Sinn des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB gegeben ist, dass also auch insofern die Auswirkungen einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen und besondere Umstände vorliegen, auf Grund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine außerhalb des Verfallszwecks liegende zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen nicht zugemutet werden kann.
19
3. Dem Senat ist es verwehrt, die gebotene Entscheidung gemäß § 111i Abs. 2 StPO selbst zu treffen. Selbst wenn – wie hier – naheliegt, dass diese Feststellung zumindest die sichergestellten Vermögenswerte betrifft, darf das Revisionsgericht insbesondere die gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB dem Tatrichter überantwortete Ausübung des Ermessens nicht durch eigenes Ermessen ersetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2013 – 1 StR 548/13).
20
Einer Aufhebung der vom Landgericht getroffenen Feststellungen bedarf es nicht; ergänzende – den bisherigen nicht widersprechende – Feststellungen können getroffen werden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 353 Rn. 12, 21).
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Bender

(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.

(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.

(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.

5 StR 365/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 10. Januar 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2008

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten M. K. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. September 2006, soweit es ihn betrifft, gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten M. K. und die Revisionen der Angeklagten T. , E. und Vaske werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, hinsichtlich des Angeklagten T. mit der Maßgabe, dass er des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist.
Die Angeklagten T. , E. und V. haben die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu tragen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision des Angeklagten M. K. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. K. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer anderweitigen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und zehn Monaten verurteilt; zudem hat es gegen ihn den Verfall von Wertersatz in Höhe von 1,8 Mio. Euro angeordnet. Den Angeklagten T. hat das Landgericht wegen unerlaubten Handeltreibens (ausweislich der Urteilsgründe: in nicht geringer Menge) in zwei Fällen, davon in einem Fall bandenmäßig handelnd , zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt; daneben hat es gegen ihn den Verfall von Wertersatz von 100.000 Euro angeordnet. Gegen die Angeklagten E. und V. hat es jeweils wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Freiheitsstrafen von sechs Jahren (E. ) sowie sechs Jahren und sechs Monaten (V. ) verhängt.
2
Die Angeklagten wenden sich gegen ihre Verurteilung mit jeweils auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Das Rechtsmittel des Angeklagten M. K. hat hinsichtlich des Ausspruchs über den Verfall von Wertersatz einen Teilerfolg. Im Übrigen sind die Revisionen der Angeklagten aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Die Anordnung des Verfalls von Wertersatz gegen den Angeklagten M. K. in Höhe von 1,8 Mio. Euro kann keinen Bestand haben.
4
a) Allerdings beschwert es den Angeklagten M. K. nicht, dass das Landgericht bei der Bestimmung des aus den Taten Erlangten im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB unzutreffende Maßstäbe angelegt hat. Den Urteilsfeststellungen ist mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Wert des Erlangten den vom Landgericht angenommenen Betrag von 1,8 Mio. Euro erheblich überschritten hat.
5
aa) Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden die im Rahmen der verfahrensgegenständlichen Taten aus der Karibik nach London ver- brachten Kokainmengen vom Angeklagten M. K. zusammen mit den Nichtrevidenten G. und B. in London verkauft (UA S. 17, 22, 23, 26). Anschließend wurden die in britischen Pfund erzielten Verkaufserlöse in DM, bei den späteren Taten in Euro getauscht und dann an die Tatteilnehmer entsprechend ihrem Anteil ausgezahlt (UA S. 17). Die Größe der Anteile bestimmte sich danach, wie viele Kokainpäckchen die einzelnen Beteiligten im Rahmen der arbeitsteilig durchgeführten Transporte auf eigene Rechnung nach London befördern ließen (UA S. 16). Das Landgericht hat den Verkaufserlös pro verkauftem Kilogramm Kokain mit 20.000 britischen Pfund geschätzt (§ 73b StGB). Es hat einen Umrechnungskurs zur Tatzeit pro britisches Pfund von 1,50 Euro angenommen. Hieraus hat es für den Angeklagten M. K. , der „insgesamt mindestens 60 kg Kokain auf eigene Rechnung verkauft“ hat (UA S. 52), ohne die Anschaffungskosten für das Rauschgift in Abzug zu bringen, einen „Gewinn“ von 1,8 Mio. Euro errechnet. In dieser Höhe hat es gemäß § 73a StGB Verfall von Wertersatz angeordnet.
6
bb) Diese Ausführungen enthalten Unklarheiten. Ihnen ist nicht eindeutig zu entnehmen, worin das Landgericht jeweils das „aus der Tat Erlangte“ im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB gesehen hat. Der Umstand, dass das Landgericht die nach dem Umtausch der Verkaufserlöse in DM bzw. Euro dem Angeklagten M. K. zugeflossenen Beträge als Wertersatz im Sinne des § 73a StGB angesehen hat, deutet darauf hin, dass das Landgericht lediglich den Teil der Verkaufserlöse, der dem Angeklagten zustand, als „Erlangtes“ angesehen hat. Hierfür spricht auch, dass die Strafkammer außer Betracht gelassen hat, dass der Angeklagte im Fall 5 der Urteilsgründe lediglich 100.000 DM erhielt (UA S. 22), obwohl 10 kg für seine Rechnung transportiert worden waren. Hinzu kommt, dass das Landgericht bei der Verfallsanordnung nicht berücksichtigt hat, dass im Fall 8 der Urteilsgründe aufgrund eines Überfalls auf die Wechselstube „die der Gruppierung gehörenden Gelder“ in Höhe von mindestens 370.000 britischen Pfund „verloren gingen“ (UA S. 26). Demgegenüber deuten zwei weitere Umstände darauf hin, dass das Landgericht lediglich die dem Angeklagten M. K. tatsächlich zugeflossenen, bereits umgetauschten Geldbeträge als „Erlangtes“ im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB angesehen hat. Zum einen bezeichnet es den „Gewinn“ als Verfallsgegenstand (UA S. 52). Zum anderen legt es der Umrechnung des Verkaufserlöses nicht den Umrechnungskurs zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung zugrunde (vgl. BGHSt 4, 305), sondern schätzt den Umrechnungskurs zum Umtauschzeitpunkt.
7
cc) Gleichwohl beschwert es den Angeklagten M. K. trotz dieser Unklarheiten nicht, dass das Landgericht den Wert des Verfallsgegenstandes mit 1,8 Mio. Euro bestimmt hat. Denn die rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen belegen, dass der tatsächliche Wert des vom Angeklagten durch die Taten „Erlangten“ im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erheblich über diesem Betrag liegt. Das „Erlangte“ besteht hier nicht nur in dem Verkaufserlös für das auf Rechnung des Angeklagten verkaufte Kokain, sondern im Gesamterlös des im Rahmen der mittäterschaftlich begangenen Taten an die Erwerber verkauften Rauschgifts.
8
Bei einem Betäubungsmittelgeschäft ist ein Vermögensvorteil erlangt, wenn der Tatbeteiligte die faktische Verfügungsgewalt über den Erlös erworben hat (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 121 m.w.N.; vgl. zum Problem der Gesamtschuld kritisch Schmidt, Gewinnabschöpfung im Straf- und Bußgeldverfahren 2006 Rdn. 260 f.). Dies trifft hier hinsichtlich des Angeklagten M. K. für die gesamten unter seiner Beteiligung erzielten Verkaufserlöse zu. Es spielt daher für die Bestimmung des Erlangten keine Rolle, welchem Tatbeteiligten welcher Anteil an den Erlösen letztlich verbleiben sollte. Die Mitverfügungsgewalt ist für den Angeklagten M. K. durch die festgestellten Umstände zu den jeweils gemeinsam mit den Nichtrevidenten G. und B. vereinnahmten Erlösen bei Durchführung der Verkäufe des in London eingetroffenen Kokains noch hinreichend klar belegt. Ein Vertretungsfall im Sinne des § 73 Abs. 3 StGB (vgl. BVerfG StV 2004, 409, 411; BGH, Beschluss vom 13. November 1996 – 3 StR 482/96) liegt bei der hier vorliegenden gemeinschaftlichen arbeitsteiligen Veräußerung des Rauschgifts nicht vor.
9
b) Die Verfallsanordnung gegen den Angeklagten M. K. kann aber deswegen keinen Bestand haben, weil das Landgericht die Voraussetzungen der Härtevorschrift des § 73c StGB nicht erörtert hat. Hierauf konnte vorliegend nicht verzichtet werden, da sich aus den Urteilsgründen gewichtige Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich die vom Landgericht als Verfallsbetrag zugrundegelegte Summe von 1,8 Mio. Euro zum Zeitpunkt der Entscheidung wertmäßig nicht mehr im Vermögen des Angeklagten M. K. befunden hat (§ 73c Abs. 1 Satz 2 1. Alternative StGB): Die den anderen Tatbeteiligten zustehenden Erlösanteile waren – was bei § 73c StGB anders als bei der Bestimmung des Erlangten erheblich ist – ersichtlich an diese ausgekehrt worden; im Fall 5 der Urteilsgründe erhielt der Angeklagte M. K. zur eigenen Verwendung letztlich nur 100.000 DM (UA S. 22); im Fall 8 der Urteilsgründe gingen „der Gruppierung“ vom Veräußerungserlös wegen eines Überfalls auf die Wechselstube 370.000 britische Pfund verloren und standen einer Auskehrung an die Tatbeteiligten nicht mehr zur Verfügung.
10
Einer Aufhebung der Feststellungen zur Höhe des Erlangten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB bedarf es nicht, da der Rechtsfehler bei der Ermittlung des Erlangten den Angeklagten nicht beschwert. Es bedarf aber neuer tatrichterlicher Prüfung, ob – ausgehend von einem vom Angeklagten erlangten Erlös von 1,8 Mio. Euro – eine Verfallsanordnung in dieser Höhe für den Angeklagten M. K. eine unbillige Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB bedeuten würde oder ob in Ausübung des durch § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB eingeräumten Ermessens von einem Verfall ganz oder teilweise abgesehen werden soll. Dabei wird der neue Tatrichter insbesondere zu prüfen haben, ob der Angeklagte entreichert ist oder ob das Erlangte noch in seinem Vermögen vorhanden ist (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 7).
11
2. Eine Erstreckung der Aufhebung des angefochtenen Urteils auf die Verfallsanordnungen gegen die Nichtrevidenten B. , G. und Ba. gemäß § 357 StPO ist nicht geboten. Zwar ist die Vorschrift des § 357 StPO grundsätzlich auch auf identische sachlichrechtliche Fehler bei Verfallsentscheidungen anzuwenden (vgl. BGHR StGB § 73 Gewinn 2; BGH, Beschlüsse vom 22. Dezember 2004 – 2 StR 498/04 –, vom 13. Februar 2004 – 3 StR 501/03 – und vom 9. Juli 2002 – 5 StR 30/02). Dies gilt jedoch nicht, soweit der Rechtsfehler lediglich in der Nichterörterung der Härtevorschrift des § 73c StGB besteht. Die Frage, ob wegen einer unbilligen Härte (§ 73c Abs. 1 Satz 1 StGB) oder aufgrund einer Ermessensentscheidung (§ 73c Abs. 1 Satz 2 StGB) von einer Verfallsentscheidung abzusehen ist, beruht auf individuellen Erwägungen (vgl. zu § 64 StGB: BGHR StPO § 357 Erstreckung 4; BGH NStZ-RR 1999, 15), deren Beantwortung ganz wesentlich von den persönlichen Verhältnissen des jeweils Betroffenen abhängt.
12
Damit folgt der Senat nicht dem Antrag des Generalbundesanwalts, gemäß § 357 StPO auch die Verfallsanordnungen der Nichtrevidenten B. , G. und Ba. aufzuheben. Auch insoweit entscheidet er durch Beschluss. § 349 Abs. 5 StPO steht dem nicht entgegen (vgl. BGHR StPO § 349 Abs. 5 Entscheidung 1).
3. Die Schuldspruchkorrektur hinsichtlich des Angeklagten T. entspricht der zutreffenden rechtlichen Würdigung in den Urteilsgründen. Das
Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen (vgl. Kuckein in KK-StPO, 5. Aufl. § 358 Rdn. 18).
Basdorf Gerhardt Raum Brause Jäger