Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Sept. 2015 - 4 StR 184/15

bei uns veröffentlicht am09.09.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR184/15
vom
9. September 2015
in der Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 9. September 2015 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 6. November 2014 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass er im Fall II. 2 der Urteilsgründe lediglich wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung verurteilt ist und dass fünf Jahre der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen vor der Vollstreckung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu vollziehen sind. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Einbeziehung von Strafen aus zwei anderen Urteilen wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls (Fall II. 1 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und gegen ihn wegen erpresserischen Menschenraubes in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung (Fall II. 2 der Urteilsgründe), in einem Fall in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpres- sung (Fall II. 4 der Urteilsgründe) und in einem Fall in Tateinheit mit Raub (Fall II. 3 der Urteilsgründe) eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verhängt. Es hat außerdem die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet und ausgesprochen , dass fünf Jahre der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen „vor der Vollstre- ckung der freiheitsentziehenden Maßregeln zu vollziehen“ sind. Die auf die all- gemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt lediglich zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Schuldspruchänderung und der Klarstellung des Maßregelausspruchs.
2
1. Die Verurteilung wegen erpresserischen Menschenraubes gemäß § 239a Abs. 1 StGB im Fall II. 2 der Urteilsgründe hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
3
a) Des erpresserischen Menschenraubes macht sich schuldig, wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung gemäß § 253 StGB auszunutzen, oder wer die durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt. Im Hinblick auf den Anwendungsbereich klassischer Delikte mit Nötigungselementen wie § 177, §§ 249 ff., §§ 253 ff. StGB ist der Tatbestand des § 239a Abs. 1 StGB im Zwei-Personen-Verhältnis allerdings, insbesondere für Fälle des Sichbemächtigens, einschränkend auszulegen. Der Täter muss durch eine Entführung oder in sonstiger Weise die physische Herrschaftsgewalt über das Opfer gewinnen, dadurch eine stabile Bemächtigungslage schaffen und entweder von vornherein beabsichtigen, diese Lage zu einer Erpressung auszunutzen, oder die zu anderen Zwecken hergestellte Verfügungsgewalt über das Opfer zu einer Erpressung ausnutzen. Dabei muss der stabilisierten Be- mächtigungslage mit Blick auf die erstrebte Erpressung eine eigenständige Bedeutung zukommen. Damit ist – insbesondere in Abgrenzung zu den Raubdelikten – indes lediglich gemeint, dass sich über die in jeder mit Gewalt oder Drohungen verbundenen Nötigungshandlung liegende Beherrschungssituation hinaus eine weiter gehende Drucksituation auf das Opfer gerade auch aus der stabilen Bemächtigungslage ergeben muss. Der erforderliche funktionale Zusammenhang liegt insbesondere dann nicht vor, wenn sich der Täter des Opfers durch Nötigungsmittel bemächtigt, die zugleich unmittelbar der beabsichtigten Erpressung dienen, wenn also Bemächtigungs- und Nötigungsmittel zusammenfallen (vgl. BGH, Urteil vom 31. August 2006 – 3 StR 246/06, NStZ 2007, 32 mwN; Urteil vom 2. Februar 2012 – 3 StR 385/11, NStZ-RR 2012, 173, 174).
4
b) Die Strafkammer konnte im Fall II. 2 der Urteilsgründe keine sicheren Feststellungen zum Tathergang treffen, weil der Geschädigte J. bei der Tat schwer verletzt wurde und eine retrograde Amnesie mit fast komplettem Gedächtnisverlust bezüglich des Tatgeschehens erlitt. Er wurde mehrfach mit der Faust ins Gesicht geschlagen, höchstwahrscheinlich, um von ihm die PIN zu der von den Tätern vorgefundenen ec-Karte zu erfahren oder eventuell auch erst, nachdem er die PIN offenbart hatte, um ihn handlungsunfähig zu machen und zu gewährleisten, dass er nicht zeitnah die Polizei verständigen oder die ec-Karte sperren lassen konnte. Bei der rechtlichen Würdigung hat das Landgericht hierzu ausgeführt, der Angeklagte und möglicherweise ein Mittäter hätten sich des Geschädigten in Erpressungsabsicht bemächtigt, indem sie in sein Haus eindrangen und dem Geschädigten eine Flucht aufgrund seiner Gehbehinderung und seiner körperlichen Unterlegenheit nicht möglich gewesen sei. Der Täter habe dem Zeugen J. sodann unter dem Eindruck nicht näher bekannter Mittel – eventuell habe bereits die von der Bemächtigungslage ausge- hende Gefahr und die dadurch begründete Sorge des Zeugen J. um Leib und Leben ausgereicht – klar gemacht, dass er nun jedenfalls Auskunft über die PIN geben müsse, was der Zeuge dann auch getan habe. Dies habe dem Tatplan entsprochen, so dass der Täter vorsätzlich und mit der Absicht gehandelt habe, die Bemächtigungslage und die Sorge des Zeugen J. um sein Wohl für die Erpressung auszunutzen.
5
c) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des erpresserischen Menschenraubes werden von diesen Feststellungen und Annahmen nicht hinreichend belegt. Es besteht danach zwar die Möglichkeit, dass sich die Täter entsprechend ihrem allgemeinen Tatplan zunächst des Zeugen durch einfache körperliche Überlegenheit bemächtigt haben; sicher festgestellt ist dies jedoch nicht. Denn der allgemeine Tatplan wurde nicht in allen Fällen umgesetzt; im Fall II. 1 der Urteilsgründe ist es bei einem Wohnungseinbruchsdiebstahl verblieben , obwohl die Geschädigte L. zum Tatzeitpunkt anwesend war. Es bleibt sonach offen, ob die Täter sich zunächst des Zeugen J. bemächtigt haben und aufgrund dieser Bemächtigungslage die PIN für die ec-Karte preisgegeben wurde, oder ob sie ihn sofort durch den Einsatz von Schlägen genötigt haben, die PIN mitzuteilen. Zwar hatten die Täter spätestens durch die massive Gewaltanwendung eine andauernde physische Herrschaft über ihr Opfer erlangt. Die Preisgabe der PIN erfolgte bei dieser Sachverhaltsvariante jedoch möglicherweise bereits im unmittelbaren, engen Zusammenhang mit der Begründung der Beherrschungssituation, so dass eine stabile Bemächtigungslage als Basis einer Erpressung zu diesem Zeitpunkt noch nicht hergestellt war (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2014 – 4 StR 522/13).
6
2. Der Senat lässt die Verurteilung wegen erpresserischen Menschenraubes im Fall II. 2 der Urteilsgründe entfallen, weil eine neue Verhandlung keine weitere Aufklärung verspricht.
7
Die Einzelstrafe kann trotz der Änderung des Schuldspruchs bestehen bleiben. Ausweislich der (insoweit zutreffenden) rechtlichen Würdigung durch die Strafkammer hat sich der Angeklagte in diesem Fall der besonders schweren räuberischen Erpressung nach §§ 255, 253, 250 Abs. 2 Nr. 3a StGB schuldig gemacht. Der Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB entspricht dem des § 239a StGB. Die Verwirklichung von zwei Tatbeständen hat das Landgericht dem Angeklagten nicht erschwerend angelastet.
8
3. Der Maßregelausspruch war dahin klarzustellen, dass sich der Vorwegvollzug der Gesamtfreiheitsstrafen lediglich auf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bezieht (§ 67 Abs. 2 Satz 2 StGB).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Sept. 2015 - 4 StR 184/15

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Strafgesetzbuch - StGB | § 250 Schwerer Raub


(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

Strafgesetzbuch - StGB | § 67 Reihenfolge der Vollstreckung


(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen. (2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vol

Strafgesetzbuch - StGB | § 253 Erpressung


(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten
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Strafgesetzbuch - StGB | § 255 Räuberische Erpressung


Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

Strafgesetzbuch - StGB | § 239a Erpresserischer Menschenraub


(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung ges

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(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 385/11
vom
2. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen räuberischer Erpressung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
2. Februar 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Menges
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten F. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten T. ,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 13. Mai 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel und die den Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen "gemeinschaftlicher" gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und räuberischer Erpressung schuldig gesprochen. Den Angeklagten F. hat es deswegen unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Osnabrück vom 27. November 2008 zur Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, den Angeklagten T. unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 2. Juni 2009 zu einer solchen von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.
2
Die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft , die vom Generalbundesanwalt nur teilweise vertreten wird, wendet sich mit der Sachbeschwerde gegen dieses Urteil und erstrebt die Verurteilung der Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubes gemäß § 239a Abs. 1 StGB sowie wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a StGB. Des weiteren beanstandet die Beschwerdeführerin die Strafzumessung. Die Revisionen der Angeklagten rügen allgemein die Verletzung materiellen Rechts.
3
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die Revisionen der Angeklagten sind begründet.
4
Nach den wesentlichen Feststellungen des Landgerichts veranlasste der Angeklagte F. den Geschädigten A. , der nach der Überzeugung des Angeklagten zuvor ihn und seinen Cousin bestohlen hatte, unter dem Vorwand, gemeinsam Drogen konsumieren zu wollen, ihn in der Nacht zum 4. September 2008 nach D. in die Wohnung des Angeklagten T. zu fahren. Diesem kündigte der Angeklagte F. sein Kommen telefonisch an und sagte hierbei, "er bringe jemanden mit, der zur Rede gestellt werden solle und zu bestrafen sei". In der Wohnung des Angeklagten T. , der auf die telefonische Nachricht des Mitangeklagten geäußert hatte, dieser könne kommen, versetzte F. dem Geschädigten einen Faustschlag, so dass dieser zu Boden ging, schlug weiter mit Händen und Fäusten auf dessen Kopf und Oberkörper ein und trat ihn mit Füßen. Der Angeklagte T. beteiligte sich "in nicht genau feststellbarer Weise" an den Gewalttätigkeiten und "unterstützte auch verbal die Misshandlungen" durch den Mitangeklagten. Der Geschädigte erlitt blutende Wunden am Kopf und im Nackenbereich sowie am Oberkörper und hatte aufgrund der Schläge starke Kopfschmerzen. Während der Misshandlungen oder danach wurde A. von F. an Händen und Füßen gefesselt, wobei die Hände hinter dem Rücken zusammengebunden wurden.
5
Auf Vorhalt der Entwendung verschiedener Kleidungsstücke aus der Wohnung des Cousins des Angeklagten F. gab der Geschädigte aus Angst vor weiteren Misshandlungen - wahrheitsgemäß - die Mitnahme der Sachen zu. Daraufhin wurde der Zeuge A. gezwungen, in einem Telefonat - vermutlich mit dem Onkel des Angeklagten F. - den Diebstahl einzuräumen und um Verzeihung zu bitten, wobei F. damit drohte, den Zeugen "fertig zu machen" und ihn auf grausame Art zu töten, "falls der Vater ihm nicht verzeihe". Während des gesamten Geschehens in der Wohnung wurde der Geschädigte vielfach beschimpft, beleidigt und gedemütigt. Der Angeklagte T. fertigte von Teilen des Geschehens Bild- und Videoaufnahmen.
6
Die Angeklagten fragten den Geschädigten sodann, "wie viel er ihnen schulde, um seine Missetat zu begleichen". Der stark eingeschüchterte Zeuge A. wies "schließlich" aus Angst vor weiteren Misshandlungen auf die Möglichkeit hin, Geld von seinem Konto abzuheben. Dies griffen die Angeklagten auf und fassten den Entschluss, den Geschädigten in O. Geld abheben und an sie "als Entschädigung für den Diebstahl und dessen Bestreiten auszahlen zu lassen". Weil der Geschädigte körperlich nicht in der Lage war, sein Fahrzeug selbst zu führen, veranlasste der Angeklagte T. eine Bekannte , der er lediglich sagte, er wolle einem Freund ein paar Sachen ins Gefängnis bringen, den Pkw des Geschädigten zu steuern. Nachdem die Angeklagten die Spuren der Misshandlungen an dem Geschädigten und seiner Kleidung so gut es ging beseitigt sowie ihm an Stelle des ausgezogenen blutigen Hemdes eine Jacke übergezogen und eine Baseballkappe aufgesetzt hatten, fuhren die vier Personen - der Angeklagte F. und der Geschädigte hinten sitzend - zunächst zur Justizvollzugsanstalt O. . Dort wurde der Pkw in deren Nähe abgestellt und alle Insassen stiegen aus. Während sich die Angeklagten zur Justizvollzugsanstalt begaben und die Fahrerin an einem Kiosk Zigaretten holte, blieb der Geschädigte etwa zwanzig Minuten lang alleine in der Nähe seines Fahrzeugs zurück. Danach ging die Fahrt weiter in die Innenstadt von O. , wo der Geschädigte sowie der Angeklagte F. das Auto verließen und sich zur Filiale der Bank begaben, bei der A. sein Konto hatte. Dort sollte der Geschädigte, der nach wie vor unter dem Eindruck der massiven Körperverletzungen und Drohungen stand und vor den Angeklagten Angst hatte, nach deren Weisung einen größeren Geldbetrag von seinem Konto abheben. Nachdem der Versuch, sich am Automaten Geld auszahlen zu lassen , gescheitert war, und der Geschädigte auch am Bankschalter, den er zunächst alleine aufgesucht hatte, kein Geld bekommen hatte, ging er mit dem Angeklagten F. zusammen noch einmal dorthin und erhielt - nachdem F. mit dem Bankangestellten gesprochen hatte - 500 € ausbezahlt, die er weisungsgemäß an den Angeklagten F. übergab.
7
I. Revision der Staatsanwaltschaft
8
Das Landgericht hat die Tat nicht als erpresserischen Menschenraub gemäß § 239a Abs. 1 StGB bewertet. Dies hat es damit begründet, die Angeklagten hätten zum Zeitpunkt der Fesselung, des "Sich-bemächtigens" des Zeugen A. , (noch) nicht die Absicht gehabt, dessen Sorge um sein Wohl zu einer Erpressung auszunutzen (§ 239a Abs. 1 Halbsatz 1 StGB); vielmehr hätten sie sich erst im Verlaufe des Geschehens dazu entschlossen, den Zeugen zur Herausgabe von Geld zu veranlassen. Auch der Tatbestand des § 239a Abs. 1 Halbsatz 2 StGB sei nicht erfüllt. Die Angeklagten hätten die von ihnen geschaffene Bemächtigungslage nicht zu einer Erpressung ausgenutzt. Zur Verwirklichung dieses Tatbestandes sei ein funktioneller Zusammenhang dergestalt erforderlich, dass nach der Vorstellung des Täters die Erpressung während der Dauer der Zwangslage realisiert werden soll. Zwar setze das Vorliegen einer Bemächtigungslage nicht voraus, dass eine Schutz- oder Fluchtmöglichkeit für das Tatopfer gänzlich ausgeschlossen sei. Vorliegend sei indes zu berücksichtigen, dass die Angeklagten während des 20 Minuten dauernden Aufenthalts bei der Justizvollzugsanstalt den Zeugen bei dem Fahrzeug zurückgelassen hätten, so dass für diesen durchaus die Möglichkeit zur Flucht bestanden habe.
9
1. Die Begründung, mit der das Landgericht die Begehung eines erpresserischen Menschenraubes gemäß § 239a Abs. 1 StGB durch die Angeklagten verneint hat, hält der rechtlichen Prüfung nicht stand.
10
a) Des erpresserischen Menschenraubes macht sich schuldig, wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung gemäß § 253 StGB auszunutzen, oder wer die durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt. Im Hinblick auf den Anwendungsbereich klassischer Delikte mit Nötigungselementen wie § 177, §§ 249 ff., §§ 253 ff. StGB ist der Tatbestand des § 239a Abs. 1 StGB im Zwei-Personen-Verhältnis allerdings, insbesondere für Fälle des Sichbemächtigens, einschränkend auszulegen. Der Täter muss durch eine Entführung oder in sonstiger Weise die physische Herrschaftsgewalt über das Opfer gewinnen, dadurch eine stabile Bemächtigungslage schaffen und entweder von vornherein beabsichtigen, diese Lage zu einer Erpressung auszunutzen, oder die zu anderen Zwecken hergestellte Verfügungsgewalt über das Opfer zu einer Erpressung ausnutzen. Dabei muss der stabilisierten Bemächtigungslage mit Blick auf die erstrebte Erpressung eine eigenständige Bedeutung zukommen. Damit ist - insbesondere in Abgrenzung zu den Raubdelikten - indes lediglich gemeint, dass sich über die in jeder mit Gewalt oder Drohungen verbundenen Nötigungshandlung liegende Beherrschungssituation hinaus eine weitergehende Drucksituation auf das Opfer gerade auch ausder stabilen Bemächtigungslage ergeben muss. Der erforderliche funktionale Zusammenhang liegt insbesondere dann nicht vor, wenn sich der Täter des Opfers durch Nötigungsmittel bemächtigt, die zugleich unmittelbar der beabsichtigten Erpressung dienen, wenn also Bemächtigungs- und Nötigungsmittel zusammenfallen (vgl. BGH, Urteil vom 31. August 2006 - 3 StR 246/06, NStZ 2007, 32 mwN).
11
b) Danach ist die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten sich des Geschädigten zunächst nicht in Erpressungsabsicht bemächtigt, indem sie ihn in die Wohnung des Mitangeklagten T. lockten, dort misshandelten und fesselten, rechtlich nicht zu beanstanden; denn nach den Feststellungen hat dies der Angeklagte F. - mit Einverständnis seines Tatgenossen - getan, um den Geschädigten zur Rede zu stellen und zu bestrafen. Dass die Angeklagten von vornherein beabsichtigten, die geplante Bestrafung des Geschädigten über die körperlichen Misshandlungen und Demütigungen hinaus auch mit einer Geldforderung zu bewirken, lässt sich den bisherigen Feststellungen nicht entnehmen.
12
c) Indes kommt es entgegen der Ansicht des Landgerichts auf der Grundlage des festgestellten Lebenssachverhaltes in Betracht, dass die Angeklagten die durch anhaltende physische Gewalt über das Opfer gekennzeichnete , über längere Zeit bestehende und auch infolge der Fesselung mit einer Sta- bilisierung verbundene Bemächtigungslage zu einer Erpressung ausgenutzt haben, indem sie - ihrem nunmehr gefassten Entschluss, Geld von dem Geschädigten zu fordern, folgend - den Geschädigten nach dessen Misshandlung und Fesselung in der Wohnung fragten, "wie viel er ihnen schulde, um seine Missetat zu begleichen", damit von ihm (konkludent) die Herausgabe von Geld verlangten und dieses Verlangen durch die Aufrechterhaltung der Fesselung oder die mit dieser Forderung konkludent verbundenen Drohung weiterer Misshandlungen durchzusetzen suchten. Damit könnte der Tatbestand des erpresserischen Menschenraubes gemäß § 239a Abs. 1 Halbsatz 2 StGB (Ausnutzungsvariante ) bereits zu diesem Zeitpunkt verwirklicht worden sein; denn diese Tatbestandsalternative ist bereits dann vollendet, wenn der Täter (während der Bemächtigungslage und unter Ausnutzung derselben) den Versuch einer Erpressung begeht (vgl. BGH, Urteil vom 31. August 2006 - 3 StR 246/06, NStZ 2007, 32, 33; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 239a Rn. 12, 14), also unmittelbar zur Nötigung einer Person ansetzt, durch welche dem Vermögen der genötigten (oder einer anderen) Person in (rechtswidriger) Bereicherungsabsicht noch während des Andauerns der Bemächtigungslage ein Vermögensnachteil zugefügt werden soll. Dies wäre etwa der Fall, wenn die Angeklagten davon ausgegangen wären, dass der Geschädigte Geld bei sich hatte und herausgeben könnte. Bereits dann wäre der erforderliche funktionale und zeitliche Zusammenhang zwischen der Bemächtigungslage und der beabsichtigten Erpressung gegeben, so dass es im Hinblick darauf nicht mehr von Bedeutung wäre, ob angesichts der fehlenden Bewachung des Geschädigten während des Zwischenhaltes in der Nähe der Justizvollzugsanstalt die zuvor bestehende Bemächtigungslage beendet war. Ob dieAngeklagten davon ausgingen, dass A. Geld bei sich hatte, kann dem Urteil zwar nicht entnommen werden, liegt indes angesichts des Umstands, dass F. ihn unter dem Vorwand, gemeinsam Drogen konsumieren zu wollen, zu der Fahrt nach D. ver- anlasste, nicht fern. Dass in diesem Fall der Bemächtigungslage die im sogenannten Zwei-Personen-Verhältnis von der Rechtsprechung geforderte eigenständige Bedeutung zukam (BGH, Beschluss vom 22. November 1994 - GSSt 1/94, BGHSt 40, 350, 359; vgl. BGH aaO; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 239a Rn. 7 mwN), ist - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - nicht zweifelhaft. Die Feststellung, dass der Geschädigte auf die Möglichkeit der Geldabhebung "aus Angst vor weiteren Misshandlungen" hinwies, steht dem nicht entgegen.
13
2. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft hat auch Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten erbracht (§ 301 StPO; dazu unten II. 1.).
14
II. Revisionen der Angeklagten
15
1. Das Urteil des Landgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, soweit die Angeklagten jeweils wegen räuberischer Erpressung verurteilt worden sind.
16
Das Landgericht hat insoweit angenommen, die Angeklagten hätten den Geschädigten gewaltsam und durch die konkludente Drohung mit weiteren Misshandlungen gegen seinen Willen dazu veranlasst, Geld von seinem Konto abzuheben und an den Angeklagten F. zu übergeben. A. sei zu diesem Zeitpunkt aufgrund der vorangegangenen Gewalttätigkeiten und Drohungen seitens der Angeklagten offenkundig stark eingeschüchtert gewesen und habe Angst vor ihnen gehabt. Die Feststellungen des Landgerichts tragen den Schuldspruch wegen räuberischer Erpressung nicht, da insoweit offen bleibt, durch welche Gewalthandlungen oder Drohungen die Angeklagten ihr Opfer vorsätzlich zur Herausgabe des Geldes genötigt haben.
17
a) Der Erpressung macht sich schuldig, wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern (§ 253 Abs. 1 StGB). Bei der räuberischen Erpressung muss der Vermögensnachteil Ergebnis einer das Opfer nötigenden Gewaltausübung oder einer Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben durch den Täter sein (§ 255 StGB; vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2011 - 3 StR 318/10, NStZ 2012, 95, 96). Zwischen dem Einsatz des Nötigungsmittels und dem erlangten Vorteil muss - wie beim Raub - ein finaler Zusammenhang bestehen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 2006 - 3 StR 3/06, NStZ 2006,

508).


18
b) Nach den bisherigen Feststellungen haben sich die Angeklagten erst nach den Misshandlungen und der Fesselung des Geschädigten entschlossen, von diesem Geld zu fordern. Als finale Nötigungsmittel könnten daher nur eine nach diesem Zeitpunkt erfolgte Gewaltanwendung oder eine (konkludente) Drohung mit der Anwendung weiterer, Leib oder Leben des Opfers gefährdende Handlungen in Betracht kommen. Dass die Angeklagten - über die fortdauernde Fesselung hinaus (vgl. insoweit beim Raub: Fischer, aaO, § 249 Rn. 10 ff.) - danach ihr Opfer weiter körperlich misshandelt hätten, kann den Feststellungen nicht entnommen werden. Weiterhin ergeben die Urteilsgründe nicht, welche konkrete Handlung der Angeklagten das Landgericht als deren konkludente Drohung mit weiteren Misshandlungen des Geschädigten ansieht. Nach den bisherigen Feststellungen käme dafür allenfalls - neben der Aufrechterhal- tung der Fesselung - die Frage der Angeklagten an den Geschädigten in Betracht , "wie viel er ihnen schulde, um seine Missetat zu begleichen" (s. oben I. 1.c)). Solches lässt sich den bisherigen Feststellungen indes nicht hinreichend sicher entnehmen; weiterhin fehlen Feststellungen dazu, dass die Angeklagten mit dieser Frage bzw. der Aufrechterhaltung der Fesselung zugleich in diesem Sinne drohen wollten.
19
2. Dies führt auf die Revisionen der Angeklagten zur Aufhebung des gesamten Urteils einschließlich der - für sich rechtsfehlerfreien - tateinheitlichen Verurteilungen der Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung.
20
III. Der neue Tatrichter wird zu prüfen haben, ob die Angeklagten sich des erpresserischen Menschenraubes gemäß § 239a Abs. 1 StGB schuldig gemacht haben, indem sie nach ihrer Rückkehr von der Justizvollzugsanstalt den Geschädigten mit seinem Auto in die Innenstadt von O. und dort zur Filiale der Bank in der Absicht verschleppten, ihn im Beisein des Angeklagten F. Geld abheben und an sie auszahlen zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2006 - 3 StR 366/06, BGHR StGB § 239a Abs. 1 Sichbemächtigen 10).
21
Im Übrigen geben die Verletzungen des Geschädigten, die ihm durch die Angeklagten beigebracht wurden, Anlass zu der Prüfung, ob sich die Angeklagten - wie die Beschwerdeführerin und der Generalbundesanwalt annehmen - einer besonders schweren räuberischen Erpressung gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a StGB schuldig gemacht haben. Dabei wird zu beachten sein, dass dieser Qualifikationstatbestand voraussetzt, das Opfer werde bei der Tat körperlich schwer misshandelt. Das Vorliegen dieses Merkmals könnte im Hinblick darauf zweifelhaft sein, dass sich die Angeklagten auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen erst nach Abschluss der körperlichen Misshandlungen dazu entschlossen haben, von ihrem Opfer Geld zu fordern (vgl. Fischer, aaO, § 250 Rn. 26 mwN).
Becker Hubert Schäfer Mayer Menges

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 S t R 5 2 2 / 1 3
vom
11. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: erpresserischen Menschenraubes u.a.
zu 2.: Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Februar 2014 nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 12. April 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte M. wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten und den Angeklagten K. wegen Beihilfe zum erpresserischen Menschenraubin Tateinheit mit räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der letztgenannten Freiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Ferner hat das Landgericht eine Adhäsionsentscheidung getroffen.
2
Mit ihren Revisionen beanstanden die Angeklagten jeweils allgemein die Verletzung sachlichen Rechts. Die Rechtsmittel haben Erfolg und führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

I.


3
Die tateinheitliche Verurteilung der Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubes bzw. wegen Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Strafvorschrift in den Urteilsgründen nicht hinreichend belegt.
4
1. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
5
Am Tattag, dem 4. Oktober 2011, verschafften sich beide Angeklagte sowie die gesondert verfolgten Zeugen Kr. und Ka. Zugang zur Wohnung des Geschädigten, des Zeugen Z. in Herne. Wahrheitswidrig behauptete die Angeklagte M. zunächst, in der Nacht sei „die Staatsanwaltschaft“ bei ihr gewesen, da er, der Geschädigte, Spionage betrieben habe. Sie forderte ihn zur Herausgabe seiner Ausweise und zur Preisgabe seiner „wahren Identität“auf; der gesondert verfolgte Zeuge Ka. verlieh dieser Forderung Nachdruck, indem er mit seiner Faust in die Rippen des Geschädigten schlug. Die Angeklagte M. nahm sodann den Ausweis und das Mobiltelefon des Geschädigten an sich, ferner sein Portemonnaie mit Krankenversicherungskarte , Führerschein, Fahrzeugschein, EC-Karte und etwas Bargeld sowie seinen Autoschlüssel. Der Geschädigte ließ dies geschehen, weil er aufgrund der Schläge und der Drohungen keine Möglichkeiten zur Abwehr sah. Spätestens jetzt erkannte der Angeklagte K. , dass der Geschädigte mit Gewalt und Drohungen zur Herausgabe von Gegenständen genötigt werden sollte und dass seine, des Angeklagten Anwesenheit und sein Verhalten dazu beitrugen, den Druck auf den Geschädigten aufrechtzuerhalten und im Zusammenspiel mit den anderen Tatbeteiligten die Tat der Angeklagten M. ermöglichten. Nachdem sich der Geschädigte auf Geheiß der Angeklagten M. auf ein Sofa gesetzt hatte, verabreichte sie ihm Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht und gegen das Ohr, zwei Tritte mit dem Knie zwischen die Beine sowie einen Sprühstoß aus einer Haarspray-Dose ins Gesicht und warf ihm vor, er misshandele seine Frau, sperre sie ein und halte sie finanziell kurz. Sie forderte den Geschädigten auf, im Internet einen Kreditantrag bei einer Bank über 5.000 Euro auszufüllen. Der Geschädigte kam der Forderung nach, trennte jedoch unbemerkt die Internet -Verbindung, so dass es zu keinem Vertragsabschluss kam. Unter fortwährender Wiederholung ihrer Vorwürfe durchwühlte die Angeklagte M. die Aktentasche des Geschädigten und forderte ihn auf, die Sachen seiner Frau einzupacken und am nächsten Tag die 5.000 Euro aus dem Bankkredit bei ihr vorbei zu bringen. Sollte er danach nicht jeden Monat 500 Euro an sie zahlen, werde sie mit ihren Begleitern wieder kommen. Anschließend trugen der Angeklagte K. sowie die Zeugen Kr. und Ka. die in Kartons und Taschen gepackten Sachen der Ehefrau des Geschädigten sowie einen Drucker zum Auto des Zeugen Kr. . Ferner nahmen sie den Ausweis, das Portemonnaie , den Autoschlüssel, das Mobiltelefon und die Aktentasche des Geschädigten mit sich. Nach insgesamt etwa zwei Stunden verließen sie die Wohnung des Geschädigten und fuhren in die Wohnung der AngeklagtenM. zurück. Bei einer zwei Tage später durchgeführten polizeilichen Durchsuchung wurden das Mobiltelefon, der Fahrzeugschlüssel, die Fahrzeugpapiere, der Ausweis und die Aktentasche des Geschädigten Z. sowie der Drucker in der Wohnung der Angeklagten M. sichergestellt.
6
2. Diese Feststellungen belegen die Tatbestandsvoraussetzungen des erpresserischen Menschenraubes im Sinne von § 239a Abs. 1 StGB weder unter dem Gesichtspunkt des Entführens- oder Bemächtigungstatbestandes (Abs. 1 Halbs. 1) noch unter dem Gesichtspunkt des Ausnutzungstatbestandes (Abs. 1 Halbs. 2).
7
a) In der Variante des Entführens bzw. Sichbemächtigens im Zwei-Personen -Verhältnis ist § 239a Abs. 1 StGB nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dahin einschränkend auszulegen, dass der Täter durch die Anwendung von Gewalt oder durch Drohungen gegen das Opfer eine stabile Bemächtigungslage schaffen und beabsichtigen muss, diese Lage für sein weiteres Vorgehen auszunutzen. Aus dieser Bemächtigungslage muss sich über die in jeder mit Gewalt verbundenen Nötigungshandlung liegende Beherrschungssituation hinaus eine weiter gehende Drucksituation auf das Opfer ergeben. Der erforderliche funktionale Zusammenhang liegt dann nicht vor, wenn sich der Täter des Opfers durch Nötigungsmittel bemächtigt, die zugleich unmittelbar der beabsichtigten Erpressung dienen, wenn also Bemächtigungsund Nötigungsmittel zusammenfallen (BGH [GS], Beschluss vom 22. November 1994 – GSSt 1/94, BGHSt 40, 350, 359; Urteil vom 31. August 2006 – 3 StR 246/06, BGHR StGB § 239a Sichbemächtigen 9, Tz. 8 mwN).
8
Gemessen daran sind die Voraussetzungen des erpresserischen Menschenraubes bis zur vollendeten Wegnahme von Ausweis, Mobiltelefon, Portemonnaie und Autoschlüssel des Geschädigten im vorliegenden Fall nach den Feststellungen nicht hinreichend dargetan. Durch die bis dahin erfolgte Gewalt- anwendung, ausgeführt von dem anderweitig verfolgten Zeugen Ka. durch Faustschläge in die Rippen des Geschädigten, unter deren Eindruck dieser die Wegnahme der genannten Gegenstände duldete, hatten die Angeklagten zwar eine andauernde physische Herrschaft über ihr Opfer erlangt. Die Wegnahme erfolgte jedoch bereits im unmittelbaren, engen Zusammenhang mit der dadurch entstandenen Beherrschungssituation, so dass, entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts, eine stabile Bemächtigungslage als Basis einer weiteren Erpressung zu diesem Zeitpunkt noch nicht hergestellt war.
9
b) Auch die Voraussetzungen des Ausnutzungstatbestandes im Sinne von § 239a Abs. 1 Halbs. 2 StGB sind nicht belegt.
10
Diese Tatvariante liegt vor, wenn sich der Täter nach einer von ihm selbst oder ihm zurechenbar von einem Mittäter geschaffenen Bemächtigungssituation entschließt, diese zu einer Erpressung auszunutzen (SSW-StGB/ Schluckebier, 2. Aufl., § 239a Rn. 14). Da der Tatbestand der Erpressung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den des Raubes mit umfasst, vermag die vom Landgericht in diesem Zusammenhang festgestellte, im weiteren Geschehensverlauf in der Wohnung des Geschädigten erfolgte Wegnahme des Druckers und der Aktentasche eine Strafbarkeit wegen erpresserischen Menschenraubes grundsätzlich zu begründen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2007 – 3 StR 459/07, NStZ-RR 2009, 16, 17 mwN). Jedoch hat das Landgericht diese Tatbestandsalternative nicht in den Blick genommen und keine Feststellungen dazu getroffen, ob gerade die von den Tätern geschaffene Bemächtigungslage den Raub ermöglichte und ob die Angeklagten diese Verknüpfung auch subjektiv herstellten. Es kommt hinzu , dass den Urteilsgründen ein vollendeter Raub nicht entnommen werden kann. Es ist weder festgestellt, in wessen Eigentum der mitgenommene Drucker stand, noch, ob sich die Angeklagten die ihrem Opfer weggenommene Aktentasche und darin befindliche Sachen zueignen wollten oder die Aktentasche nur an sich nahmen, weil sie darin Bargeld oder andere wertvolle Gegenstände vermuteten (zur st. Rspr. vgl. Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 494/12, NStZ-RR 2013, 309 mwN).

II.


11
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Gegebenenfalls wird der neue Tatrichter das Geschehen unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Nötigung zu würdigen haben.
VRi‘inBGH Sost-Scheible ist Cierniak Franke urlaubsbedingt an der Unterschrift gehindert. Cierniak
Mutzbauer Bender

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung (§ 253) auszunutzen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat wenigstens leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(4) Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wenn der Täter das Opfer unter Verzicht auf die erstrebte Leistung in dessen Lebenskreis zurückgelangen läßt. Tritt dieser Erfolg ohne Zutun des Täters ein, so genügt sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu erreichen.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.