Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2014 - 4 StR 254/13

bei uns veröffentlicht am29.01.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR254/13
vom
29. Januar 2014
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––-
MRK Art. 6 Abs. 1
Der Grundsatz des fairen Verfahrens gebietet es, den Angeklagten vor einer
Verständigung gemäß § 257c StPO, deren Gegenstand die Verhängung einer
zur Bewährung auszusetzenden Freiheitsstrafe ist, auf konkret in Betracht
kommende Bewährungsauflagen gemäß § 56b Abs. 1 Satz 1 StGB hinzuweisen.
BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 – 4 StR 254/13 – LG Arnsberg
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführerin am 29. Januar 2014 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 18. Dezember 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Betrugs in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Verfahrensrüge Erfolg.
2
1. Die Angeklagte rügt zu Recht, das Landgericht habe ihren Anspruch auf ein faires Verfahren verletzt (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK), weil ihr vor einer Verständigung über eine Bewährungsstrafe kein Hinweis auf die Anordnung einer Bewährungsauflage nach § 56b Abs. 1 Satz 1 StGB erteilt worden ist.
3
a) Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
4
Am 18. Dezember 2012 kam es zwischen den Verfahrensbeteiligten und dem Landgericht zu einer Verständigung gemäß § 257c StPO. Darin stellte das Landgericht der Angeklagten für den Fall eines Geständnisses eine Strafuntergrenze von einem Jahr und zehn Monaten und eine Strafobergrenze von zwei Jahren Freiheitsstrafe, jeweils mit Strafaussetzung zur Bewährung, in Aussicht. Weder im Rahmen der Verständigung noch bei den Vorgesprächen über ihr Zustandekommen wurden mögliche Bewährungsauflagen erörtert.
5
Nachdem sich die Angeklagte geständig eingelassen hatte, beantragte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in seinem Schlussvortrag, die Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren zu verurteilen, deren Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen und ihr aufzuerlegen, 300 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten. In ihrem sich anschließenden Schlussvortrag wies die Verteidigerin der Angeklagten darauf hin, dass sie über den Antrag der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf die Bewährungsauflage verwundert sei, da im Rahmen der verfahrensbeendenden Absprache über Bewährungsauflagen nicht gesprochen worden und diese Auflage deshalb überraschend sei. Sie gehe davon aus, dass eine solche nicht verhängt werde.
6
Die Strafkammer verkündete sodann das oben bezeichnete Urteil sowie einen Bewährungsbeschluss, in dem u.a. Folgendes angeordnet wurde: Der Angeklagten „wird die Auflage erteilt, 300 Stunden gemeinnützige Arbeit und zwar im Umfang von mindestens 50 Stunden binnen jeweils eines halben Jahres nach näherer Weisung des Bewährungshelfers ab- zuleisten. Eine Umwandlung der Auflage in eine Zahlungsauflage bei Aufnahme einer Arbeitstätigkeit bleibt vorbehalten.“
7
Die Beschwerdeführerin sieht in dem Verfahren der Strafkammer einen Verstoß gegen § 257c StPO sowie den Grundsatz des fairen Verfahrens und macht hierzu geltend, die Strafkammer habe die Bewährungsauflage zum Gegenstand der getroffenen verfahrensbeendenden Absprache machen müssen. Sie hätte die verfahrensbeendende Absprache nicht getroffen, wenn eine solche Bewährungsauflage zuvor angesprochen worden wäre.
8
b) Die Verfahrensrüge ist zulässig und begründet.
9
Die Beschwerdeführerin ist in ihrem Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) verletzt.
10
aa) Aus dessen Gewährleistung ergibt sich, dass der Angeklagte vor einer Verständigung gemäß § 257c StPO, deren Gegenstand die Verhängung einer zur Bewährung auszusetzenden Freiheitsstrafe ist, auf konkret in Betracht kommende Bewährungsauflagen hingewiesen werden muss, die nach § 56b Abs. 1 Satz 1 StGB der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen und deren Erteilung Voraussetzung für die in Aussicht gestellte Strafaussetzung ist (vgl. OLG Saarbrücken, NJW 2014, 238, 239; OLG Köln, NJW 1999, 373, 374; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 257c Rn. 12; MüKoStGB/Groß, 2. Aufl., § 56b Rn. 35; Hubrach in LK-StGB, 12. Aufl., § 56b Rn. 30; SK-StPO/Frisch, 4. Aufl., § 305a Rn. 13; aA OLG Dresden, NStZ-RR 2007, 267; Stree/Kinzig in Schönke/ Schröder, StGB, 28. Aufl., § 56b Rn. 33; Kaetzler, wistra 1999, 253, 255).
11
Die Verständigung im Strafverfahren ist nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn durch eine vorherige Belehrung sichergestellt ist, dass der Angeklagte vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung informiert ist. Nur in diesem Fall ist gewährleistet, dass er autonom darüber entscheiden kann, ob er von seiner Freiheit, die Aussage zu verweigern , Gebrauch macht oder sich auf eine Verständigung einlässt (BVerfG, NJW 2013, 1058, 1071; vgl. auch BT-Drucks. 16/12310, S. 14, 15). Diese Grundsätze erfordern es, dass das Gericht vor einer Verständigung offenlegt, dass es die Verhängung einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe allein nicht für ausreichend hält, sondern zur Verwirklichung der Genugtuungsfunktion des Strafverfahrens Bewährungsauflagen in Betracht zieht. Denn nur wenn der Angeklagte über den gesamten Umfang der Rechtsfolgenerwartung bei der Verständigung informiert ist, kann er autonom eine Entscheidung über seine Mitwirkung treffen (OLG Saarbrücken, NJW 2014, 238, 239).
12
Bewährungsauflagen sind Bestandteil dieser Rechtsfolgenerwartung. Sie dienen gemäß § 56b Abs. 1 Satz 1 StGB der Genugtuung für das begangene Unrecht und stellen damit eine strafähnliche Sanktion dar (Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, aaO, § 56b Rn. 1, 2; Arloth, NStZ 1990, 148, 149). Erst die Kenntnis des Umstandes, dass ihm neben der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe weitere Maßnahmen mit Vergeltungscharakter drohen, die – wie im Fall von Zahlungs- oder Arbeitsauflagen, die in Zahlungsauflagen umgewandelt werden können – eine erhebliche Belastung darstellen können, versetzt den Angeklagten in die Lage, von seiner Entscheidungsfreiheit, ob er auf das Angebot des Gerichts eingehen möchte, auf einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage Gebrauch zu machen.
13
bb) Diesen Anforderungen hat die Strafkammer nicht entsprochen. Die Angeklagte wurde erstmals durch den Schlussvortrag des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft mit der Auffassung eines Verfahrensbeteiligten konfrontiert , dass die Verhängung einer Bewährungsauflage erforderlich sei. Das Gericht hat darauf vor Erlass des Bewährungsbeschlusses nicht hingewiesen.
14
cc) Auf den Umstand, dass die verhängte Bewährungsauflage dem Inhalt der getroffenen Verständigung nicht widersprach, weil sich diese zu der Frage der Bewährungsauflage nicht verhielt, kommt es aus den vorgenannten Gründen ebenso wenig an wie auf die Frage, ob die Angeklagte auf das Ausbleiben von Bewährungsauflagen vertrauen durfte (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 26. Februar 2007 – 1 Ws 24/07, Rn. 6, 7 [juris]). Denn der Verfahrensfehler besteht nicht in einem Widerspruch des Bewährungsbeschlusses zur Absprache, sondern in der fehlenden Offenlegung des gesamten Umfangs der Rechtsfolgenerwartung vor Zustandekommen der Verständigung. Adressat dieser aus dem Recht auf ein faires Verfahren folgenden Offenlegungsverpflichtung ist allein das Gericht. Sie entfällt deshalb auch nicht durch die Mitwirkung eines Verteidigers – mag diesem auch die grundsätzliche Möglichkeit der Verhängung von Bewährungsauflagen bekannt gewesen sein.
15
Hinzu kommt, dass die Verhängung von Bewährungsauflagen gemäß § 56b StGB im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts steht. Dass der Bewährungsbeschluss Auflagen enthalten werde, musste sich der Angeklagten daher nicht als selbstverständlich aufdrängen.
16
2. Auf dem dargelegten Rechtsfehler beruht das Urteil der Strafkammer.
17
An dem Beruhenszusammenhang fehlt es nur, wenn feststeht, dass ein rechtsfehlerfreies Verfahren zu demselben Ergebnis geführt hätte (BGH, Urteil vom 15. November 1968 – 4 StR 190/68, BGHSt 22, 278, 280; Franke in LR-StPO, 26. Aufl., § 337 Rn. 180 mwN). Der Senat kann indes nicht ausschließen , dass die Angeklagte von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht hätte, wenn sie vor dem Zustandekommen der Verständigung darauf hingewiesen worden wäre, dass zur Genugtuung für das begangene Unrecht die Erteilung einer Bewährungsauflage gemäß § 56b StGB in Betracht kommt, und dass in diesem Fall das Urteil anders ausgefallen wäre (vgl. BVerfG, NJW 2013, 1058, 1067, 1071; BGH, Urteil vom 7. August 2013 – 5 StR 253/13, NStZ 2013, 728). Eine Fallkonstellation, in der ausnahmsweise ein Beruhen des Urteils auf der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren bei Zustandekommen einer Verständigung ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH, aaO; vgl. auch BVerfG, NJW 2013, 1058, 1071, Tz. 127), liegt hier nicht vor.
18
3. Einer Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 GVG im Hinblick auf den Beschluss des 2. Strafsenats vom 17. Februar 1995 (2 StR 29/95, BGHR StPO vor § 1/faires Verfahren, Vereinbarung 6) bedarf es nicht. Die Entscheidung des 2. Strafsenats, wonach die Angeklagte aufgrund einer getroffenen „Einigung“ nicht habe darauf vertrauen können, dass die Strafkammer davon absehen werde, ihr im Rahmen eines Bewährungsbeschlusses die Zahlung eines Geldbetrages aufzuerlegen, ist vor Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung von verfahrensbeendenden Absprachen im Strafverfahren (Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009, BGBl. I S. 2353) und vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 2013, in der Mindestanforderungen an eine verfassungskonforme Ausgestaltung solcher Absprachen formuliert worden sind (BVerfG, NJW 2013, 1058), ergangen. Durch diese Gesetzesänderung und die Entscheidung des Bundesverfas- sungsgerichts ist die Entscheidung vom 17. Februar 1995 insoweit überholt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216, 224; vom 9. September 1997 – 1 StR 730/96, BGHSt 43, 237, 239; vom 26. September 2002 – 1 StR 111/02, NJW 2003, 74, 75; KK-StPO/Hannich, 7. Aufl., § 132 GVG, Rn. 8).
19
4. Die Aufhebung des Urteils entzieht zugleich dem Bewährungsbeschluss vom 18. Dezember 2012 die Grundlage. Die von der Beschwerdeführerin zugleich mit der Revision erhobene Beschwerde gegen den Bewährungsbeschluss ist daher gegenstandslos (KK-StPO/Zabeck, 7. Aufl., § 305a Rn. 17).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Bender Quentin

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2014 - 4 StR 254/13

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2014 - 4 StR 254/13

Referenzen - Gesetze

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Strafprozeßordnung - StPO | § 257c Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten


(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä
Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2014 - 4 StR 254/13 zitiert 7 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Strafprozeßordnung - StPO | § 257c Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten


(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 132


(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate. (2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Sena

Strafgesetzbuch - StGB | § 56b Auflagen


(1) Das Gericht kann dem Verurteilten Auflagen erteilen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen. Dabei dürfen an den Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. (2) Das Gericht kann dem Verurteilten auferlegen, 1.

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2014 - 4 StR 254/13 zitiert oder wird zitiert von 12 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2014 - 4 StR 254/13 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Sept. 2002 - 1 StR 111/02

bei uns veröffentlicht am 26.09.2002

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 111/02 vom 26. September 2002 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. September 2002 beschlossen :

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Aug. 2013 - 5 StR 253/13

bei uns veröffentlicht am 07.08.2013

5 StR 253/13 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 7. August 2013 in der Strafsache gegen wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. A
10 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2014 - 4 StR 254/13.

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Jan. 2014 - 1 StR 302/13

bei uns veröffentlicht am 15.01.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 S t R 3 0 2 / 1 3 vom 15. Januar 2014 in der Strafsache gegen wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Januar 2014 b

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Apr. 2015 - 1 StR 182/14

bei uns veröffentlicht am 29.04.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 S t R 1 8 2 / 1 4 vom 29. April 2015 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung hier: Antrag auf Pauschvergütung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Verteidigers und nach Anhörung des

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Feb. 2018 - 5 StR 600/17

bei uns veröffentlicht am 06.02.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 600/17 vom 6. Februar 2018 in der Strafsache gegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2018:060218B5STR600.17.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf A

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Jan. 2018 - 1 StR 368/17

bei uns veröffentlicht am 09.01.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 368/17 vom 9. Januar 2018 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u.a. ECLI:DE:BGH:2018:090118B1STR368.17.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der.

Referenzen

(1) Das Gericht kann dem Verurteilten Auflagen erteilen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen. Dabei dürfen an den Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(2) Das Gericht kann dem Verurteilten auferlegen,

1.
nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen, wenn dies im Hinblick auf die Tat und die Persönlichkeit des Täters angebracht ist,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen oder
4.
einen Geldbetrag zugunsten der Staatskasse zu zahlen.
Eine Auflage nach Satz 1 Nr. 2 bis 4 soll das Gericht nur erteilen, soweit die Erfüllung der Auflage einer Wiedergutmachung des Schadens nicht entgegensteht.

(3) Erbietet sich der Verurteilte zu angemessenen Leistungen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen, so sieht das Gericht in der Regel von Auflagen vorläufig ab, wenn die Erfüllung des Anerbietens zu erwarten ist.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Das Gericht kann dem Verurteilten Auflagen erteilen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen. Dabei dürfen an den Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(2) Das Gericht kann dem Verurteilten auferlegen,

1.
nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen, wenn dies im Hinblick auf die Tat und die Persönlichkeit des Täters angebracht ist,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen oder
4.
einen Geldbetrag zugunsten der Staatskasse zu zahlen.
Eine Auflage nach Satz 1 Nr. 2 bis 4 soll das Gericht nur erteilen, soweit die Erfüllung der Auflage einer Wiedergutmachung des Schadens nicht entgegensteht.

(3) Erbietet sich der Verurteilte zu angemessenen Leistungen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen, so sieht das Gericht in der Regel von Auflagen vorläufig ab, wenn die Erfüllung des Anerbietens zu erwarten ist.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Das Gericht kann dem Verurteilten Auflagen erteilen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen. Dabei dürfen an den Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(2) Das Gericht kann dem Verurteilten auferlegen,

1.
nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen, wenn dies im Hinblick auf die Tat und die Persönlichkeit des Täters angebracht ist,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen oder
4.
einen Geldbetrag zugunsten der Staatskasse zu zahlen.
Eine Auflage nach Satz 1 Nr. 2 bis 4 soll das Gericht nur erteilen, soweit die Erfüllung der Auflage einer Wiedergutmachung des Schadens nicht entgegensteht.

(3) Erbietet sich der Verurteilte zu angemessenen Leistungen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen, so sieht das Gericht in der Regel von Auflagen vorläufig ab, wenn die Erfüllung des Anerbietens zu erwarten ist.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

(1) Das Gericht kann dem Verurteilten Auflagen erteilen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen. Dabei dürfen an den Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.

(2) Das Gericht kann dem Verurteilten auferlegen,

1.
nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen, wenn dies im Hinblick auf die Tat und die Persönlichkeit des Täters angebracht ist,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen oder
4.
einen Geldbetrag zugunsten der Staatskasse zu zahlen.
Eine Auflage nach Satz 1 Nr. 2 bis 4 soll das Gericht nur erteilen, soweit die Erfüllung der Auflage einer Wiedergutmachung des Schadens nicht entgegensteht.

(3) Erbietet sich der Verurteilte zu angemessenen Leistungen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen, so sieht das Gericht in der Regel von Auflagen vorläufig ab, wenn die Erfüllung des Anerbietens zu erwarten ist.

5 StR 253/13

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 7. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. August
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. Dezember 2012 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Beihilfe zur in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge begangenen unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die gegen die- ses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt, bleibt ohne Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts unterstützte der Angeklagte gemeinsam mit dem Mitangeklagten E. und dem gesondert verfolgten , bereits rechtskräftig verurteilten Zeugen K. ihm nicht bekannte Haupttäter bei der Abwicklung eines Geschäfts über ungefähr 100 Kilogramm Kokain. Gegen eine in Aussicht gestellte Beteiligung an der E. von dessen Kontaktmann versprochenen Entlohnung fuhr der Angeklagte den Mitangeklagten E. und den Zeugen K. zweimal nachDresden. Dort wirkte der Angeklagte an der Anmietung einer geeigneten Halle für den Empfang der in Kraftfahrzeugmotoren versteckten Kokainlieferung und einer Scheinwohnung für den Zeugen K. zwecks Anmeldung eines vorge- täuschten Autoteile-Handelsgewerbes mit. Dabei wusste er zwar, dass es sich um eine Kokainlieferung größeren Umfangs handelte, verfügte hinsichtlich der tatsächlichen Liefermenge aber nicht über nähere Informationen. Das inzwischen auf dem Schiffswege aus Uruguay nach Bremerhaven transportierte Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 65 % Kokainhydrochlorid wurde bei einer Zollkontrolle vollständig sichergestellt.
3
2. Die auf eine Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO gestützte Verfahrensrüge ist im Ergebnis unbegründet.
4
a) Der Rüge liegt folgendes Geschehen zugrunde:
5
Am 15. Hauptverhandlungstag teilte der Vorsitzende mit, dass am Vortage auf Initiative des Verteidigers des Angeklagten, Rechtsanwalt Ve. , ein Vorgespräch zwischen diesem, der Staatsanwältin und der Strafkammer über die Frage einer Verständigung „auf der Basis einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren“ stattgefunden habe. Nach Erörterung der Sach- undRechts- lage und einer Unterbrechung von etwas mehr als einer halben Stunde teilte der Vorsitzende Folgendes mit: „Die Kammer schlägt dem Angeklagten V. für den Fall, dass er ein glaubhaftes Geständnis ablegt, sämtliche noch nicht beschiedenen Beweisanträge zurücknimmt, keine neuen Beweisanträge zur Schuldfrage stellt und auf die Herausgabe sämtlicher sichergestellter Gegenstände und die Rückzahlung sämtlicher sichergestellter Gelder verzichtet , die Verhängung einer Freiheitsstrafe zwischen sechs Jahren und sechs Jahren und sechs Monaten vor“.
6
Nach erneuter Erörterung der Sach- und Rechtslage stimmten der Angeklagte , sein Verteidiger und die Vertreterin der Staatsanwaltschaft dem Vorschlag zu. Sodann wurde dem Angeklagten eine Belehrung gemäß § 257c Abs. 4 und 5 StPO erteilt. Anschließend erklärte der Verteidiger des Angeklagten die Rücknahme sämtlicher bislang noch nicht beschiedener Beweisanträge. Am folgenden Verhandlungstag, eine Woche später, ließ sich der Angeklagte durch eine schriftlich vorbereitete Verteidigererklärung, die der Verteidiger dem Gericht und der Staatsanwaltschaft einen Tag zuvor vorzulegen zugesagt hatte, erneut zur Sache ein. Dabei räumte er nunmehr entgegen seiner früheren Einlassung ein, vor der ersten Fahrt nach Dresden von E. über dessen Gespräche mit seinem Kontaktmann sowie darüber informiert worden zu sein, dass die in Dresden vorzunehmenden organisatorischen Maßnahmen der Vorbereitung einer größeren Kokainlieferung – und nicht dem illegalen Handel mit Autoteilen – dienten. Ferner habe E. ihm in Aussicht gestellt, dass er von dessen sich auf 10.000 € belaufendem Anteil etwas abbekomme. Die Höhe seines Anteils sei nicht abschließend vereinbart gewesen, da nicht von vornherein klar gewesen sei, wie oft er zur Vorbereitung nach Dresden würde mitfahren können. Tatsächlich habe er drei- bis viertausend Euro erhalten.
7
Die Strafkammer wertete diese Einlassung, zu der sich der Angeklagte ergänzend äußerte, als Geständnis im Sinne der getroffenen Verständigung und verurteilte ihn auf dieser Grundlage, wobei es seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten unter anderem auf dessen Geständnis stützte.
8
b) Die Revision rügt im Ausgangspunkt zutreffend, dass die Vorschrift des § 257c Abs. 5 StPO dadurch verletzt wurde, dass der Vorsitzende der Strafkammer es unterlassen hat, den Angeklagten bereits bei Unterbreitung des Verständigungsvorschlags über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts an die Verständigung zu belehren.
9
aa) § 257c Abs. 5 StPO sieht vor, dass der Angeklagte vor der Verständigung über die Voraussetzungen und Folgen der nach § 257c Abs. 4 StPO möglichen Abweichung des Gerichts von dem in Aussicht gestellten Ergebnis zu belehren ist. Hiermit wollte der Gesetzgeber die Fairness des Verständigungsverfahrens sichern und zugleich die Autonomie des Angeklagten in weitem Umfang schützen. Unter anderem durch die Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO soll ferner einer Gefährdung der Selbstbelastungsfreiheit Rechnung getragen werden, die mit der Aussicht auf eine das Gericht bindende Zusage einer Strafobergrenze und der dadurch begründeten Anreiz - und Verlockungssituation einhergeht (BVerfG NJW 2013, 1058 Rn. 99; BGH, Beschlüsse vom 19. August 2010 – 3 StR 226/10, BGHR StPO § 257c Abs. 5 Belehrung 1, und vom 11. April 2013 – 1 StR 563/12, StraFo 2013, 286). Mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens ist eine Verständigung regelmäßig nur dann zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist. Der grundlegenden Bedeutung der Belehrungspflicht für die Fairness des Verfahrens und die Selbstbelastungsfreiheit ist nur dann Rechnung getragen, wenn der Angeklagte vor dem Eingehen einer Verständigung , deren Bestandteil das Geständnis ist, vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung an der Verständigung informiert ist. Nur so ist gewährleistet , dass er autonom darüber entscheiden kann, ob er von seiner Freiheit, die Aussage zu verweigern, (weiterhin) Gebrauch macht oder sich auf eine Verständigung einlässt (BVerfG aaO, Rn. 125).
10
bb) Eine Heilung des Verstoßes ist nicht eingetreten. Sie hätte hier eine rechtsfehlerfreie Wiederholung des von dem Verfahrensfehler betroffenen Verfahrensabschnitts vorausgesetzt. Dafür hätte es – wie der Generalbundesanwalt in der Revisionshauptverhandlung zutreffend ausgeführt hat – eines ausdrücklichen Hinweises auf den Fehler und auf die daraus folgende gänzliche Unverbindlichkeit der Zustimmung des Angeklagten bedurft sowie einer Nachholung der versäumten Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO und der erneuten Einholung einer nunmehr verbindlichen Zustimmungserklärung. Dem entspräche eine von der Verteidigung in Erwägung gezogene qualifizierte Belehrung.
11
c) Indes liegt – entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts – ein vom Bundesverfassungsgericht konzedierter Ausnahmefall vor, in dem aufgrund konkreter Feststellungen die Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis ausgeschlossen werden kann, weil der Angeklagte dieses auch bei ordnungsgemäßer Belehrung abgegeben hätte (BVerfG aaO, Rn. 127).
12
aa) Freilich ist ein Ausschluss des Beruhens des Urteils auf diesem Verfahrensfehler im Hinblick auf die in einer Verständigung ohne vorherige Belehrung liegende Verletzung des Angeklagten in seinem Recht auf ein faires Verfahren und in seiner Selbstbelastungsfreiheit nur in eng begrenzten Ausnahmefällen denkbar, auch eingedenk des gesetzgeberischen Zieles einer wirksamen vollumfänglichen Kontrolle verständigungsbasierter Urteile (vgl. hierzu Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/12310, S. 9; BVerfG aaO, Rn. 94 bis 97). Bleibt die unter Verstoß gegen die Belehrungspflicht zustande gekommene Verständigung bestehen und fließt das auf der Verständigung basierende Geständnis in das Urteil ein, beruht das Urteil regelmäßig auf dem Unterlassen der Belehrung und der hiermit einhergehenden Grundrechtsverletzung.
13
bb) Indes ist hier anders als in den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen, in denen eine Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO gänzlich fehlte, eine solche, wenngleich verspätet, vor Ablegung des Geständnisses erfolgt, und zwar unmittelbar nach der allseitigen Zustimmung zum gerichtlichen Verständigungsvorschlag. Dadurch war der Angeklagte über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelten Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichts vom in Aussicht gestellten Ergebnis unterrichtet. In Kenntnis dieses Umstands hat er das in das Urteil eingeflossene Geständnis abgelegt, und zwar nach einer ihm verbleibenden weiteren Überlegungsfrist von einer Woche. Er stand durchgehend im Beistand seines – notwendigen – Verteidigers. Dieser hatte dieVerständigung selbst initiiert. An der Gestaltung des Geständnisses hat der Verteidiger – ersichtlich im Einvernehmen mit dem Angeklagten – durch die von ihm gefertigte Verteidigerschrift wesentlich mitgewirkt. Bei alledem ist eine die Selbstbelastungsfreiheit des Angeklagten berührende Drucksituation auszuschließen. Im Üb- rigen liegt denkbar fern, dass der Verteidiger die Initiative zur Verständigung ohne Information seines Mandanten über deren Konsequenzen ergriffen hätte.
14
cc) Unter diesen besonderen Umständen ist davon auszugehen, dass der Angeklagte, bevor er seine Mitwirkungshandlungen vornahm, vollen Umfangs über die Tragweite seiner Mitwirkung an der Verständigung informiert war und autonom darüber entscheiden konnte, ob er von seiner Freiheit, an seiner bisherigen Einlassung festzuhalten und gegebenenfalls darüber hinaus die Aussage zu verweigern, Gebrauch machen wollte (vgl. BVerfG aaO, Rn. 125 f.). Schließlich war auch schon der in dem Verständigungsvorschlag enthaltenen Formulierung „… für den Fall, dass er einglaubhaftes Geständnis ablegt …“ ein klarer Hinweis darauf zu entnehmen, dass die Entschei- dung hierüber ebenso wie über die Vornahme der weiteren Mitwirkungshandlungen weiterhin beim Angeklagten lag.
15
3. Die Rüge einer Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO kann ebenfalls keinen Erfolg haben. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet, weil sich das Landgericht angesichts des vom Angeklagten bereits vor der Verständigung eingeräumten, mit den Schilderungen des Mitangeklagten und des Zeugen K. in Einklang stehenden äußeren Geschehensablaufs und der erheblichen für eine Kenntnis des Angeklagten von dem Kokaingeschäft sprechenden Indizien – insbesondere des engen Verhältnisses zum Mitangeklagten E. – zu weiteren Beweiserhebungen über den Wahrheitsgehalt des substantiierten Geständnisses nicht gedrängt sehen musste.
16
4. Die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Basdorf Schneider Dölp Berger Bellay

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 111/02
vom
26. September 2002
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. September 2002 beschlossen
:
Der Senat beabsichtigt zu entscheiden:
Die audiovisuelle Vernehmung von Vertrauenspersonen der Poli-
zei oder Verdeckten Ermittlern gemäß § 247a StPO kann mit einer
die Identifizierung des Vernommenen verhindernden technischen
Veränderung der Bild- und Tonübertragung stattfinden,
wenn der Vernehmung sonst eine Sperrerklärung der zuständigen
Stelle entgegenstünde.
Er fragt im Hinblick auf den Beschluß des Großen Senats für
Strafsachen vom 17. Oktober 1983 - BGHSt 32, 115, 124f. - bei
den anderen Strafsenaten an, ob sie dieser Auffassung zustimmen.

Gründe:


I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Beschwerdeführer die Verletzung formellen und sachlichen Rechts.
1. Nach den Feststellungen stand der Angeklagte zusammen mit dem Mitangeklagten K. wegen des Verkaufs von ca. 1 kg Heroin mit einer sich D. nennenden und als Drogenaufkäufer auftretenden Vertrauensperson (VP) der Polizei in Verbindung; nachdem bereits ca. 100 g Heroin an D. übergeben worden waren, wurde der Angeklagte vor der Übergabe weiterer 850 g festgenommen. Er räumt den äußeren Ablauf des Tatgeschehens im wesentlichen ein, macht jedoch geltend, die 850 g Heroin hätten dem D. nicht wirklich verkauft werden sollen, vielmehr hätte diesem nur der entsprechende Kaufpreis "abgelinkt" werden sollen; außerdem habe er nur dem Mitangeklagten K. Hilfsdienste geleistet. 2. Die Strafkammer stützt ihre Überzeugung von dem angenommenen Umfang des Geschäfts und von der Täterschaft des Angeklagten in erster Linie auf die Angaben der VP D. und zweier Verdeckter Ermittler (VE). Diese drei Personen standen der Kammer wegen Sperrerklärungen des Ministeriums des Innern zunächst nicht als Zeugen zur Verfügung, so daß sie deren polizeiliche Führungs- und Vernehmungsbeamte eingehend vernommen hat. Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung hat die Kammer die VP und die beiden VE mit Einverständnis der Verteidigung und nunmehr auch des Ministeriums des Innern in folgender Weise gemäß § 247a StPO vernommen: Den Zeugen wurde gestattet, unter ihrem Decknamen auszusagen und Angaben zu ihrer Person im übrigen gemäß § 68 Abs. 3 StPO zu verweigern. Die Übertragung der Vernehmung wurde in der Weise modifiziert, daß über die Linse der am Vernehmungsort eingesetzten Kamera eine Plastikfolie gelegt und die Übertragung der Stimmen der Zeugen durch technische Maßnahmen (Graphic Equalizer) in den Höhen und Tiefen begrenzt wurde. Hierdurch wurde das Erkennen der Gesichtszüge und der Stimmen der Zeugen hinreichend verhindert,
ohne daß die Beobachtung von Mimik und Gestik sowie von Tonfall und Stimmfärbung in erheblicher Weise beeinträchtigt war. Ohne die Modifizierung der Bild- und Tonübertragung hätte das Ministerium des Innern an seinen Sperrerklärungen festgehalten. 3. Der Angeklagte beanstandet mit einer Verfahrensrüge die Modifizierung der Bild- und Tonübertragung der Vernehmungen als "unrichtig". Der Senat erwägt, die Revision - die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge und die weiteren Verfahrensrügen hat keinen Rechtsfehler ergeben - auch insoweit zu verwerfen. Die Verfahrensrüge scheitert zwar nicht daran, daß der Beschwerdeführer sein Einverständnis zu der vom Landgericht gewählten Verfahrensweise erklärt hatte. Ihm ging es ersichtlich darum, sein Fragerecht (vgl. Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK) so gut wie möglich ausüben zu können. Daß er unter den hier gegebenen Umständen die ihn am wenigsten einschränkenden Erkenntnismöglichkeiten akzeptierte, hindert ihn nicht daran, mit der Revision geltend zu machen, daß er bei "richtiger" Durchführung des Verfahrens nach § 247a StPO bessere Verteidigungsmöglichkeiten gehabt hätte. Auf einem etwaigen Gesetzesverstoß könnte das Urteil auch beruhen, obwohl das Landgericht in seiner Beweiswürdigung ausgeführt hat, seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten ergebe sich nicht aus den Videovernehmungen , weil es bereits nach den Aussagen der polizeilichen Führungs - und Vernehmungsbeamten der Zeugen zu einer hinreichenden Überzeugungsbildung in der Lage gewesen sei. Das Landgericht hat nämlich die Videovernehmungen in umfangreicher Weise inhaltlich bewertet, so daß der Senat eine Auswirkung auf die Überzeugungsbildung gleichwohl nicht auszuschließen vermag.
Die Rüge ist nach Auffassung des Senats jedoch unbegründet, weil die von dem Landgericht vorgenommenen Veränderungen der Bild- und Tonübertragung rechtlich zulässig waren. Soweit der Große Senat für Strafsachen mit Beschluß vom 17. Oktober 1983 festgestellt hat, daß "das geltende Recht eine Beweisaufnahme unter optischer oder akustischer Abschirmung nicht vor(sieht)" (BGHSt 32, 115, 124f.), erscheint dies dem Senat wegen durchgreifend geänderter Rechtslage als überholt. Er hält es allerdings für geboten, vor einer entsprechenden eigenen Entscheidung dem Großen Senat die Frage zur Entscheidung wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 4 GVG vorzulegen. Dies würde sich für den Senat indessen erübrigen, wenn die anderen Strafsenate seiner Auffassung zustimmen (vgl. Franke in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 132 GVG Rdn. 43 m.w.N.).

II.

1. Aufgrund der mit optischer und akustischer Abschirmung vorgenommenen audiovisuellen Vernehmung der VP und der beiden VE hat das Landgericht , dem sonst für die Beweiswürdigung lediglich die Bekundungen der polizeilichen Führungs- und Vernehmungsbeamten zur Verfügung gestanden hätten , die unmittelbaren Tatzeugen als Beweismittel in die Hauptverhandlung eingebracht. Diese stellen das verfassungsrechtlich geforderte (vgl. BVerfGE 57, 250, 285) bestmögliche und sachnähere Beweismittel dar. Die Vernehmung der polizeilichen Führungs- und Vernehmungsbeamten ist wie auch die Verlesung polizeilicher Vernehmungsprotokolle ein Rückgriff auf Beweissurrogate, die die gerichtliche Wahrheitsermittlung und die Verteidigungsrechte einschränken , wenn - was in der gerichtlichen Praxis notgedrungen zunehmend geschieht - auf sie zurückgegriffen wird. Die Wahrung der Anonymität der unmittelbaren Tatzeugen und die Verwendung sachferner Beweismittel schränkt
die Aufklärungsmöglichkeiten des Gerichts ein. Auch das Korrektiv der "vorsichtigen Beweiswürdigung" (vgl. BGHSt 17, 382; vgl. auch BVerfGE 57, 250, 290; BGHSt 33, 83, 88; 33, 178, 181) ändert an dieser so eingeschränkten Tatsachengrundlage nichts. Demgegenüber verschafft das hier praktizierte Verfahren sowohl dem Gericht als auch den übrigen Verfahrensbeteiligten bessere Erkenntnismöglichkeiten: Die Vernehmung des unmittelbaren Tatzeugen einschließlich des Verhörs (§ 69 Abs. 2 StPO) durch die Verfahrensbeteiligten kann diesen - anders als die Vernehmung der Verhörspersonen - verläßlicher vermitteln, ob der Tatzeuge zutreffende Wahrnehmungen gemacht hat und ob er diese korrekt wiedergibt. Auf diese Weise werden das Gericht und die übrigen Verfahrensbeteiligten bei zuverlässigen Belastungszeugen eher zur Überzeugung von der Richtigkeit der Bekundungen des unmittelbaren Zeugen kommen, als dies aufgrund der Angaben der Zeugen vom Hörensagen möglich ist. Ebenso läßt sich auch die etwaige Unzuverlässigkeit der Angaben der Belastungszeugen verläßlicher beurteilen als aufgrund des vermittelten "stimmigen und eindeutigen" Aussageinhalts, wie ihn der Vernehmungsbeamte empfunden hat und wiedergibt. Entsprechendes gilt für Entlastungszeugen. Dies verdeutlicht, daß der entscheidende Vorteil gegenüber der Heranziehung der Beweissurrogate mit der dann folgerichtig aus Rechtsgründen gebotenen besonders vorsichtigen Beweiswürdigung ("forensische Wahrheit") darin besteht, daß alle Verfahrensbeteiligten auf eine breitere Tatsachengrundlage zurückgreifen können, wenn sie sich ihre Überzeugung von der materiellen Wahrheit verschaffen oder prüfen müssen, ob vernünftige Zweifel angebracht sind. Die audiovisuelle Vernehmung der Gewährsperson in Verbindung mit deren optischer und akustischer Verfremdung ist daher das bessere Beweis-
mittel sowohl unter dem Gesichtspunkt der Wahrheitsfindung als auch unter dem der Verteidigungsmöglichkeiten. Sie führt als gangbare Alternative zur völligen Sperrung des Zeugen zu einer sinnvollen Konkordanz zwischen Wahrheitsermittlung, Verteidigungsinteressen und Zeugenschutz (in diesem Sinne bereits Diemer in KK 4. Aufl. § 247a Rdn. 14; Weider StV 2000, 48). 2. Der Beschluß des Großen Senats vom 17. Oktober 1983 (BGHSt 32, 115) steht dieser Verfahrensweise nicht mehr entgegen. Die Gesetzeslage hat sich insoweit grundlegend geändert. Für den Großen Senat war bei seiner Absage an die optische und akustische Abschirmung eines Zeugen entsprechend der seinerzeitigen strafprozessualen Regelung ausschlaggebend, daß die Glaubwürdigkeitsprüfung des Zeugen seine volle Individualisierung zwingend erfordere (aaO S. 128); gemäß § 68 Satz 2 StPO aF - eingefügt durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 (BGBl. 1978 I S. 1645) - konnte ihm lediglich gestattet werden, seinen Wohnort nicht anzugeben. Den Verfahrensbeteiligten sollte in keinem Fall die Möglichkeit genommen werden, die Glaubwürdigkeit des Zeugen zu prüfen, indem sie etwa Erkundigungen über ihn einholen. Der Gesetzgeber hat inzwischen neue Wertentscheidungen getroffen. Das Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (BGBl. 1992 I S. 1302) hat es mit dem neuen § 68 Abs. 3 StPO dem Zeugen ermöglicht, im Falle seiner Gefährdung Angaben zu seiner Person ganz zu verweigern; er kann nunmehr auch dann als Zeuge zur Verfügung stehen, wenn seine Identität vollständig verborgen bleibt. Weiterhin hat die Einführung der audiovisuellen Vernehmung des gefährdeten Zeugen gemäß § 247a StPO durch das Zeugenschutzgesetz (BGBl. 1998 I S. 820) den Verzicht auf die körperliche Anwesenheit des Zeu-
gen in der Hauptverhandlung ermöglicht und damit bereits aufgrund der Bildund Tonübertragung zu einem nur eingeschränkten unmittelbaren Eindruck von ihm geführt. Gegenüber der vollen Individualisierbarkeit und Erkennbarkeit des in der Hauptverhandlung zu hörenden Zeugen hat mithin der im Interesse einer wirksamen Bekämpfung moderner Kriminalitätsformen erforderliche Zeugenschutz Vorrang erhalten. Mit diesen gesetzlichen Änderungen geht auch eine geänderte Einschätzung dessen einher, was die Glaubwürdigkeitsprüfung eines Zeugen entscheidend ausmacht. Unter der Geltung des § 68 StPO aF stand die Frage nach einer allgemeinen Glaubwürdigkeit des Zeugen im Sinne einer dauerhaften personalen Eigenschaft im Vordergrund. Seine Identität sollte voll gewahrt werden, um die Einholung von Erkundigungen über ihn - seinen "Leumund" - zu ermöglichen. Heute geht es bei der Glaubwürdigkeitsprüfung mehr um die Analyse des Aussageinhalts, d.h. um eine methodische Beurteilung, ob auf ein bestimmtes Geschehen bezogene Angaben einem tatsächlichen Erleben des Zeugen entsprechen (vgl. z.B. BGHSt 45, 164). Dem wird eine abschirmende Videovernehmung für den Fall, daß der Zeuge sonst in der Hauptverhandlung überhaupt nicht zur Verfügung stünde, eher gerecht. 3. Daß das Gesetz die optische und akustische Abschirmung des audiovisuell zu vernehmenden Zeugen nicht ausdrücklich vorsieht, macht diese nicht unzulässig. Entscheidend für die Zulässigkeit dieser in der Strafprozeßordnung nicht geregelten Verfahrensweise kann vielmehr nur sein, ob sie mit den Grundsätzen des Verfahrensrechts und den Wertvorstellungen unserer Rechtsordnung im Einklang steht. Die Beweisaufnahme ist stets in einer Form durchzuführen, die - unter Beachtung der Belange des Zeugen - dem im Gesetz grundsätzlich vorgese-
henen Verfahren am nächsten kommt (vgl. BGH NStZ 1993, 292). Ist die unmittelbare Vernehmung des Zeugen wegen einer Sperrerklärung der Innenverwaltung nicht möglich, läßt das Gesetz Beweissurrogate wie die Verlesung polizeilicher Vernehmungsprotokolle gemäß § 251 Abs. 2 StPO (vgl. BGHSt 33, 83) oder die Vernehmung der polizeilichen Führungsbeamten der Gewährsperson als Zeugen vom Hörensagen (vgl. BGHSt 33, 178, 181) zu. Wenn aber die völlige Ersetzung der Vernehmung der unmittelbaren Wahrnehmungsperson verfahrensrechtlich möglich ist, dann muß dies erst recht für deren Vernehmung unter optischer und akustischer Abschirmung gelten. Denn es handelt sich dann trotz der Abschirmung immer noch um eine unmittelbare Vernehmung , der ein höherer Beweiswert zukommt als den bloßen Beweissurrogaten. 4. Die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) hat der Verwertung des Wissens anonym gehaltener Zeugen durch Beweissurrogate erhebliche Grenzen gesetzt (z.B. EGMR StV 1990, 481 - Kostovski ./. Niederlande -; StV 1991, 193 - Windisch ./. Österreich -; NJW 1992, 388 - Lüdi ./. Schweiz -; StV 1997, 617 - van Mechelen ./. Niederlande -; StraFo 2002, 160 - Visser ./. Niederlande -). Die Auslegung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK) durch den EGMR ist bei der Anwendung des deutschen Strafprozeßrechts zu berücksichtigen (BGHSt 45, 321, 328f.; 46, 93, 97). Die zugrundeliegenden Entscheidungen des EGMR betreffen zwar nicht unmittelbar die deutsche Gesetzeslage und tragen auch Besonderheiten der jeweiligen Fälle Rechnung, doch sind die in ihnen aufgezeigten Grundsätze eines fairen Verfahrens auch in Fällen der vorliegenden Art einschlägig. Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR (vgl. z.B. EGMR NJW 1992, 3088, 3089) bestimmt sich die Zulässigkeit von Beweismitteln in erster
Linie nach innerstaatlichem Recht, dessen Auslegung den nationalen Gerich- ten vorbehalten bleibt. Der EGMR prüft aber, ob das Verfahren in seiner Gesamtheit gesehen den in Art. 6 Abs. 1 MRK niedergelegten fair-trialGrundsätzen gerecht wird, wobei das Verfahren bei der Vernehmung eines anonymen Zeugen besonders an der Spezialvorschrift des Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK gemessen wird. Wird eine Verurteilung allein oder maßgeblich auf die Erkenntnisse einer VP oder eines VE gestützt, so spielt nach der Rechtsprechung des EGMR eine entscheidende Rolle, ob und wie die Gewährsperson von der Verteidigung befragt werden konnte. Deren Bekundungen müssen hiernach zwar nicht zwingend in der Hauptverhandlung gemacht werden, um als Beweise verwertet werden zu können. Die Verteidigungsrechte sind dann jedoch nur gewahrt, wenn die Verteidigung eine angemessene und geeignete Gelegenheit erhält, die Glaubwürdigkeit der Gewährsperson überhaupt in Frage zu stellen und sie zu befragen, sei es in dem Stadium der Ermittlungen oder zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens (so schon EGMR StV 1990, 481, 482). War dies nicht möglich, so kann die Beschränkung des Fragerechts der Verteidigung auch nicht adäquat durch eine "zurückhaltende Beweiswürdigung" (siehe die Nachweise oben unter Nr. 1) ausgeglichen werden (EGMR StV 1990, 481, 482). Auch die Vernehmung der polizeilichen Verhörsperson als Zeuge vom Hörensagen in der Hauptverhandlung und die Möglichkeit ihrer Befragung durch die Verteidigung kann danach unzureichend sein (vgl. EGMR StV 1991, 193, 194); denn die VP und VE, die keine persönlichen Aussagen in der Hauptverhandlung machen, sind und bleiben ebenfalls Belastungszeugen im Sinne des Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK (EGMR NJW 1992, 388, 389; BGH NStZ 1993, 292), so daß auch ihnen gegenüber das Fragerecht des Angeklagten garantiert bleibt. Die Behinderung der Verteidigung durch die fehlende Möglichkeit einer Befra-
gung der VP oder VE könnte dann kompensiert sein, wenn die aus dieser Quelle herrührenden Informationen nicht als alleinige oder maßgebliche Urteilsgrundlagen , sondern nur zur Abrundung des sonstigen Beweisergebnisses herangezogen werden (EGMR StV 1990, 481, 483; BGH NStZ 2000, 265). Mit seinem Urteil in dem Fall van Mechelen (StV 1997, 617; ebenso neuestens EGMR StraFo 2002, 160 - Visser ./. Niederlande -) hat der EGMR die Grenzen noch deutlich enger gezogen. Hier wurden die anonymen Zeugen - es handelte sich um Polizeibeamte - von einem Untersuchungsrichter vernommen , der ihre Identität kannte und sie für glaubwürdig hielt. Die Angeklagten und die Verteidiger waren zwar im Vernehmungsraum nicht anwesend, konnten jedoch in einem anderen Raum durch akustische Übermittlung mithören und von dort aus die Zeugen befragen. Der EGMR hielt selbst diese Verfahrensweise nicht für einen ausreichenden Ausgleich für die Beschränkung der Verteidigung und nahm einen Konventionsverstoß an. Er hat mithin eine Verfahrensweise - unmittelbare Befragung der VE durch einen Richter, akustische Teilnahme an der Befragung durch Angeklagte und Verteidiger - beanstandet , die sogar noch sachnäher ist und die Rechtsstellung der Angeklagten mehr stärkt als die Verwendung von Beweissurrogaten wie die Verlesung von polizeilichen Vernehmungsprotokollen und die Vernehmung polizeilicher Verhörspersonen. Hiernach bliebe, um auf das Wissen des VE nicht ganz zu verzichten , nur eine abgeschirmte Vernehmung möglich, die der Verteidigung eine unmittelbare Konfrontation mit dem Zeugen eröffnet und es ihr damit insbesondere erlaubt, die Reaktion des Zeugen auf direkte Fragen zu beobachten.

III.

Nach alledem bestehen gegen eine audiovisuelle Vernehmung besonders gefährdeter Zeugen unter optischer und akustischer Abschirmung - die
selbstverständlich in geringstmöglichem Umfang zu erfolgen hat - nicht nur keine rechtlichen Bedenken. Eine solche Verfahrensweise erscheint im Hinblick auf die Auslegung des Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK durch den EGMR sogar geboten, weil hiernach das Wissen dieser Zeugen nicht wirksam in eine Hauptverhandlung eingebracht werden kann, wenn dem Angeklagten nicht die Möglichkeit einer unmittelbaren Konfrontation mit ihnen eingeräumt wird. Viele andere europäische Staaten wie auch der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag erfüllen bereits diesen Standard (vgl. den rechtsvergleichenden Überblick bei Schlüchter in Festschrift für Hans Joachim Schneider 1998, S. 445, 457ff.). Angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten einer leichten Veränderung von Fernsehaufnahmen entfallen auch Bedenken, die unter dem Gesichtspunkt der Würde der Gerichtsverhandlung gegen die Vernehmung verkleideter , maskierter oder z.B. hinter einer Wand versteckter Zeugen geltend gemacht wurden (vgl. z.B. Bruns MDR 1984, 177, 179). Der Umstand allein, daß das Gesicht des Zeugen auf dem Bildschirm nicht scharf zu sehen ist und seine Stimme etwa wie die aus einem Telefonhörer klingt, beeinträchtigt weder die Würde des Gerichts noch die anderer Verfahrenbeteiligter. Schäfer Nack Wahl Schluckebier Kolz