Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Sept. 2019 - 4 StR 348/19

bei uns veröffentlicht am25.09.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 348/19
vom
25. September 2019
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:250919B4STR348.19.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 25. September 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 21. Februar 2019 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) soweit der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe verurteilt worden ist;
b) im Gesamtstrafenausspruch;
c) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen , soweit dieser 16.500 Euro übersteigt.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten zweifachen Mordes in Tateinheit mit zweifachem erpresserischen Menschenraub, mit zweifacher besonders schwerer räuberischer Erpressung und mit zweifacher gefähr- licher Körperverletzung sowie wegen Wohnungseinbruchdiebstahls zu „lebens- langer Freiheitsstrafe“ verurteilt und die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 46.500 Euro angeordnet. Seine hiergegen gerichtete Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

I.


2
Die Verurteilung wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub, besonders schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung in jeweils zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen kann nicht bestehen bleiben, weil die Urteilsgründe unklare und teilweise widersprüchliche Angaben zum Zeitpunkt der Fassung des Tötungsvorsatzes enthalten, die zu einer unterschiedlichen rechtlichen Bewertung führen.
3
1. Nach den zu Fall II. 1 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen drang der Angeklagte zusammen mit zwei bisher nicht ermittelten Mittätern am Abend des 26. November 2016 in das Einfamilienhaus der zu diesem Zeitpunkt jeweils 84 Jahre alten Eheleute R. ein. Gegen 1.00 Uhr stürmten zwei der Täter in das Schlafzimmer der in ihrem Bett liegenden Geschädigten. Dort schlugen sie jeweils heftig auf die Eheleute ein, um diese einzuschüchtern und erwarteten Widerstand zu brechen. Dabei versetzten sie beiden Geschädigten mehrere wuchtige Schläge gegen den Kopf, insbesondere den Gesichtsbereich, und würgten sie. Etwas später kam der dritte Täter hinzu. Der Angeklagte und seine Mittäter fesselten nun beide Eheleute, indem sie ihnen mitgeführte Kabelbinder um die Hand- und Fußgelenke legten und diese so fest zusammenzogen , dass sie in das Gewebe eindrückten. Sodann forderte der Wortführer der drei Täter R. dazu auf, die Schlüssel zu einem im Keller des Hauses befindlichen Tresor auszuhändigen oder deren Aufbewahrungsort zu nennen. R.
verweigerte sich diesem Ansinnen vehement, weil in dem Tresor Waffen und Munition lagerten. Der Angeklagte und seine Mittäter wandten daraufhin erneut erhebliche Gewalt gegen R. an, um seinen Willen zu brechen. Dazu versetzten sie ihm Schläge und Tritte gegen den Kopf, den Hals-, Schulter- und Brustbereich sowie die rechte Körperseite. Der verletzte R. gab unter dem Eindruck der Misshandlungen und aus Angst um sein Leben und das Leben seiner Ehefrau den Aufbewahrungsort der Schlüssel preis. Der Angeklagte und seine Mittäter „sicherten“ daraufhin die Fesselung, indem sie die Kabelbinder noch einmal so fest wie möglich nachzogen und um diese herum „großzügig“ und in mehreren Lagen Gewebeklebeband fest verklebten. Darüber hinaus verklebten sie beiden Geschädigten die Münder mit Gewebeklebeband, wobei sie den gesamten Kopf im Bereich des Mundes umwickelten. Sodann begaben sich der Angeklagte und seine Mittäter in den Keller, öffneten den Tresor mit den erlangten Schlüsseln und entnahmen daraus unter anderem 30.000 Euro Bargeld, verschiedene Wertsachen und die dort gelagerten Kurzwaffen nebst Munition.
4
Anschließend ließen sie die Eheleute R. in völlig hilfloser Lage zurück. Dabei war ihnen bewusst, dass die Geschädigten aufgrund der Misshandlungen „potentiell lebensgefährlich verletzt“ und psychisch angegriffen waren.Der Angeklagte und seine Mittäter nahmen zumindest billigend in Kauf, dass die Eheleute R. nicht rechtzeitig gefunden werden könnten und infolge ihrer Verletzungen versterben würden. Ihnen war klar, dass die Geschädigten ohne Hilfe Dritter „erbärmlich aus dem Leben scheiden würden“. Dies war ihnen jedoch gleichgültig. Der Tod der Geschädigten kam dem Angeklagten und seinen Mittätern als mögliche Folge der Tat gelegen, um unmittelbare Tatzeugen der vorangegangenen Raubtat auszuschalten und die Entdeckung ihrer Täterschaft zu verhindern (UA 7).
5
Die Strafkammer hat einen versuchten Mord in zwei tateinheitlichen Fällen (zur Verdeckung einer Straftat und grausam) durch ein aktives Tun angenommen. Zur Begründung hat sie in der rechtlichen Würdigung ausgeführt, dass der Angeklagte „entschlossen“ gewesen sei, die Eheleute R. zu töten, als er sie gemeinsam mit seinen Mittätern „knebelte und zurückließ“. Dabei ha- be sein „subjektives Vorstellungsbild“aufgrund der geschaffenen Lage den „si- cheren Todeseintritt" eingeschlossen (UA 28).
6
2. Diese Urteilsgründe bieten keine verlässliche Grundlage für die Verurteilung wegen eines durch ein aktives Tun begangenen versuchten Tötungsdeliktes.
7
a) Bei einem Erfolgsdelikt muss der Täter im Zeitpunkt der zum Taterfolg führenden Handlung einen Vorsatz haben, der auf alle tatsächlichen Umstände bezogen ist, die die Merkmale des gesetzlichen Tatbestands erfüllen (§ 16 Abs. 1 StGB). Ein der erfolgsursächlichen Handlung nachfolgender Vorsatz (sog. dolus subsequens) ist bedeutungslos (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2019 – 2 StR 377/18, NStZ 2019, 468, 469; Urteil vom 1. März 2018 – 4 StR 399/17, NJW 2018, 1621, 1622; Beschluss vom 7. September 2017 – 2 StR 18/17, NStZ 2018, 27; Beschluss vom 14. Juni 1983 – 4 StR 298/83, NStZ 1983, 452 mwN). Sowohl die dazu getroffenen Feststellungen und Wertungen (vgl.BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2008 – 2 StR 424/08 Rn. 2; Wenske in MünchKommStPO , 1. Aufl., § 267 Rn. 86 mwN) als auch die sie tragende Beweiswürdigung müssen dabei in sich widerspruchsfrei sein.
8
b) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht. Denn sie belegen nicht, dass der Angeklagte zu einem Zeitpunkt, in dem er aktiv auf den Geschädigten einwirkte, mit Tötungsvorsatz handelte. Insoweit bestehen Unklarheiten und nicht auflösbare Widersprüche.
9
Nach den Ausführungen der Strafkammer in der rechtlichen Würdigung handelte der Angeklagte nicht erst beim Zurücklassen der Geschädigten mit Tötungsvorsatz. Vielmehr soll er auch schon bei deren Knebelung „entschlossen“ gewesen sein, „diese zu töten“ (Tötungsabsicht) und mit einem „sicheren Todeseintritt“ gerechnet haben (UA 28). Dies entspricht aber weder hinsichtlich der Vorsatzart noch in Bezug auf den Vorsatzzeitpunkt den zuvor hierzu getroffenen Feststellungen. Danach knebelten der Angeklagte und seine Mittäter die Eheleute R. , noch bevor sie den Tresor mit dem abgepressten Schlüssel öffneten und dessen Inhalt an sich brachten. Erst als sie die Eheleute ohne weitere aktive Einwirkung in ihrer hilflosen Lage zurückließen, war ihnen bewusst, dass die Geschädigten „potentiell lebensgefährlich verletzt“ waren, wobei sie deren Versterben in Kauf nahmen (UA 7). Dies zugrunde gelegt, hätte der Angeklagte bei der letzten ihm zurechenbaren, gegen die körperliche Integrität der Geschädigten gerichteten aktiven Handlung (Knebelung) noch keinen Tötungsvorsatz gehabt. Erst bei dem Zurücklassen der hilflosen Geschädigten hätte ein lediglich bedingter Tötungsvorsatz vorgelegen. Von dieser Abfolge scheint die Strafkammer (zunächst) auch in der zugehörigen Beweiswürdigung ausgegangen zu sein, wenn sie hierzu anführt, dass der Angeklagte und seine Mittäter einen Tötungsvorsatz erst später fassten, nachdem sie „in Besitz des Schlüs- sels gelangt waren und den Tresor geöffnet hatten“ (UA 19). Soweit sie allerdings nachfolgend darauf abgehoben hat, dass der Angeklagte und seine Mittä- ter durch die zusätzliche Knebelung „eine weitere Gefahrenlage für das Leben ihrer Opfer“ geschaffen hätten und darin eine „Betätigung des entsprechenden Tatentschlusses im Sinne eines unmittelbaren Ansetzens“ zu sehen sei (UA 19 mit UA 28), steht auch dies in einem nicht auflösbaren Spannungsverhältnis zu der zuvor festgestellten zeitlichen Abfolge (Knebelung vor der Tresoröffnung; [bedingter] Tötungsvorsatz erst danach gefasst). Denn dabei wird erneut vo- rausgesetzt, dass bereits zum Zeitpunkt der Knebelung ein Tötungsvorsatz vorlag.
10
Angesichts dieser Widersprüche und Unklarheiten ist eine revisionsrechtliche Überprüfung des Schuldspruchs wegen eines versuchten Tötungsdeliktes durch aktives Tun nicht möglich. Die hierzu getroffenen Feststellungen tragen allenfalls die Annahme einer versuchten Tötung durch ein Unterlassen von Rettungsbemühungen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 9. Februar 2017 – 3 StR 415/16, NStZ 2017, 342, 344 f. mwN).
11
3. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Aufhebung betrifft auch die tateinheitlich erfolgte Verurteilung wegen erpresserischen Menschenraubs, besonders schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung in jeweils zwei tateinheitlichen Fällen. Der damit verbundene Wegfall der Einzelstrafe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Auch konnte die Einziehungsentscheidung, soweit sie sich auf diesen Fall bezieht, nicht bestehen bleiben. Hinsichtlich der Zurückverweisung macht der Senat von § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Fall StPO Gebrauch und verweist die Sache an das Landgericht – Schwurgericht – Dortmund zurück.
12
Der neue Tatrichter wird zu beachten haben, dass die strafrechtliche Würdigung eines Unterlassens von Rettungsbemühungen seitens des Angeklagten im Anschluss an den verübten Überfall nicht unabhängig von der neu vorzunehmenden tatrichterlichen Bewertung des Überfalls selbst erfolgen kann. Sollte der neue Tatrichter zu der Feststellung eines bei der Vornahme der für die Wegnahme kausalen Verletzungshandlungen bestehenden Tötungsvorsatzes gelangen, wäre insoweit für eine Strafbarkeit wegen versuchten Verdeckungsmordes durch Unterlassen kein Raum mehr, denn in diesem Fall würde es dann an der Verdeckung einer anderen Tat fehlen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 2017 – 3 StR 415/16, NStZ 2017, 342, 344 f.; Urteil vom 28. April 2016 – 4 StR 563/15 mwN).

II.


13
Die Verurteilung wegen Wohnungseinbruchdiebstahls im Fall II. 2 der Urteilsgründe und die dafür verhängte Einzelstrafe sowie der hierauf bezogene Teil der Einziehungsentscheidung weisen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 349 Abs. 2 StPO).

Sost-Scheible Roggenbuck Bender Quentin Feilcke

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 16 Irrtum über Tatumstände


(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt. (2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt.

(2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den Tatbestand eines milderen Gesetzes verwirklichen würden, kann wegen vorsätzlicher Begehung nur nach dem milderen Gesetz bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 377/18
vom
24. April 2019
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:240419U2STR377.18.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 30. Januar 2019 in der Sitzung am 24. April 2019, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Prof. Dr. Eschelbach, Zeng, Meyberg,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung und bei der Verkündung, Rechtsanwalt in der Verhandlung, Rechtsanwalt als Vertreter von Rechtsanwalt bei der Verkündung als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung und bei der Verkündung als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung als Vertreter des Nebenklägers,
Amtsinspektorin in der Verhandlung, Justizangestellte bei der Verkündung als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Marburg vom 23. Februar 2018 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es den Angeklagten H. betrifft, im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer und mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wenden sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zuungunsten des Angeklagten H. eingelegten und auf den Strafausspruch beschränkten Revision die Verletzung materiellen Rechts. Die Rechtsmittel haben Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts erkannten die zur Tatzeit 19-jährigen Angeklagten, beide Anhänger des FC Schalke 04, am 2. Juli 2017 gegen 1.50 Uhr auf einem Volksfest in G. den Nebenkläger als einen Anhänger von Borussia Dortmund, kamen auf ihn zu, schlugen heftig auf ihn ein und traten ihn, nachdem er zu Boden gegangen war, mehrfach gegen Körper und Kopf. Zwei Zeugen, die auf die Auseinandersetzung aufmerksam geworden waren und dazwischen gingen, gelang es, die auf den Nebenkläger schlagenden und tretenden Angeklagten wegzuziehen.
3
Der Nebenkläger konnte sich aufrappeln und zu seinem in einiger Entfernung wartenden Begleiter laufen. Die beiden Angeklagten folgten ihm und kamen, nachdem einer von ihnen „Scheiß Dortmunder!“ gerufen hatte, erneut auf den Nebenkläger zu, ohne sich von ihnen in den Weg stellenden Zeugen aufhalten zu lassen. Beide Angeklagten gingen sodann weiter mit Schlägen und Tritten auf den Nebenkläger los, wobei der Angeklagte H. diesen so im Gesicht traf, dass er taumelte. Der Angeklagte B. versetzte dem taumeln- den Tatopfer aus dem Stand einen heftigen Tritt gegen den Brustkorb, so dass dieser ohne jede stützende oder schützende Bewegung „wie eine Bahnschran- ke“ auf den Boden fiel,deutlich hörbar mit dem Hinterkopf auf der Straße aufschlug und sogleich begann, am ganzen Körper zu krampfen. Dem Angeklagten B. war es gleichgültig, ob der Nebenkläger infolge des voraussehbaren und gewollten Sturzes auf das Straßenpflaster schwerwiegende oder auch tödliche Verletzungen am Kopf erleiden würde. Noch während eine in wenigen Metern Entfernung stehende Zeugin auf den Nebenkläger zueilte, um Hilfe zu leisten , trat der Angeklagte H. das Tatopfer einmal mit voller Wucht „wie einen Fußball“ gegen dessen Kopf, der nach links geschleudert wurde. Der An- geklagte H. nahm dabei billigend in Kauf, dass der erkennbar bereits schwer Verletzte an dem Tritt sterben könnte, was ihm egal war.
4
Beide Angeklagten, welche die Möglichkeit erkannt hatten, dass der Nebenkläger an den Verletzungen versterben könnte, was sie jeweils in Kauf nahmen, liefen sodann in unterschiedliche Richtungen davon, konnten aber wenig später ergriffen werden. Die Angeklagten waren zur Tatzeit stark alkoholisiert , ihre Steuerungsfähigkeit aber nicht erheblich vermindert. Der Nebenklä- ger sollte alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu einem „feindlichen“ Fußballver- ein durch die Schläge und Tritte und ohne Rücksicht auf dessen Gesundheit abgestraft werden und aus keinem anderen Grund als der hasserfüllten Abneigung gegen Anhänger dieses „feindlichen“ Clubs verletzt werden, wobei die Angeklagten den Tod ihres Opfers billigend in Kauf nahmen.
5
Durch die Schläge und Tritte erlitt der Nebenkläger unter anderem eine Fraktur der Schädelkalotte vom Schläfenbein bis zum Scheitelbein mit Blutungen zwischen harter Hirnhaut und Schädelknochen sowie unter der harten Hirnhaut. Seine Verletzungen wären ohne sofortige Notoperation tödlich verlaufen. Er lag drei Wochen im künstlichen Koma, seine Schädeldecke musste zu- nächst teilweise entfernt und konnte erst im Dezember 2017 wiedereingesetzt werden. Dauerhafte, nicht reversible Folge seiner Verletzungen ist eine organische Persönlichkeitsstörung mit erheblichen Einschränkungen im kognitiven und affektiven Bereich (u.a. Aphasie, Wortfindungsstörungen, verlangsamtes Verstehen komplexer Fragen, herabgesetzte Konzentrationsfähigkeit). Bleibend sind ferner eine Narbe, die im derzeit von Haaren bedeckten Teil des Schädels von der rechten Wange in Höhe des Ohres in einem Dreiviertelkreis über die gesamte rechte Kopfhälfte reicht, sowie ein Versatz im Bereich des wieder eingesetzten Teils der Schädeldecke.

II.

6
Die Rechtsmittel der Angeklagten sind begründet und führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an eine andere Jugendkammer des Landgerichts.
7
1. Die Ausführungen im angefochtenen Urteil, wonach die Angeklagten ein Versterben des Tatopfers „nach ihrer jeweils letzten Tathandlung“ für mög- lich hielten, lassen besorgen, dass sich das Landgericht den Blick für den zutreffenden zeitlichen Anknüpfungspunkt in Bezug auf den Tatvorsatz verstellt hat.
8
a) Voraussetzung für die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat ist nach § 16 Abs. 1 StGB, dass der Täter die Umstände, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören, bei ihrer Begehung kennt. Dementsprechend muss der Vorsatz im Zeitpunkt der zum Taterfolg führenden Handlung vorliegen; fasst der Täter den Vorsatz erst später (dolus subsequens), kommt eine Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat nicht in Betracht (vgl. Senat, Beschlüsse vom 7. September 2017 − 2 StR 18/17, NStZ 2018, 27 f.; vom 14. Juni 1983 – 4 StR 298/83, NStZ 1983, 452; MünchKomm-StGB/Schneider, 3. Aufl., § 212 Rn. 5 mwN). Folglich macht sich wegen eines vorsätzlichen Delikts nur strafbar, wer ab Entstehen des Tatentschlusses noch eine Handlung vornimmt, die in der vorgestellten oder für möglich gehaltenen Weise den tatbestandlichen Erfolg – bei Tötungsdelikten den Todeserfolg – herbeiführt (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2018 – 4 StR 399/17, NJW 2018, 1621, 1622).
9
b) Dass dies bei beiden Angeklagten, insbesondere auch beim Angeklagten B. zutrifft, lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Vielmehr nimmt die Strafkammer für ihre Annahme vom Vorliegen eines Tötungsvorsatzes ausdrücklich Bezug auf das wahrnehmbare „Geräusch beim Aufschlag“ und die danach einsetzendenKrämpfe beim Tatopfer. Sie stellt somit ab auf Ereignisse, welche sich erst nach dem vom Angeklagten B. geführten Tritt gegen den Nebenkläger ereigneten. Ihre weiteren Erwägungen stützt die Strafkammer auf „entsprechende Wahrnehmungen“, die die Ange- klagten machen konnten, „bevor sie die Flucht ergriffen“,die Angeklagten also nicht ausschließbar erst nach Abschluss ihrer jeweiligen, zeitlich aufeinanderfolgenden Tatbeiträge (Tritt des Angeklagten B. gegen die Brust vor dem Sturz bzw. Tritt des Angeklagten H. gegen den Kopf nach dem Sturz) machen konnten oder gemacht haben.
10
2. Auch im Übrigen begegnen die Beweiserwägungen zur inneren Tatseite durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11
a) Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche , nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Ziels willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfindet (Willenselement), mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (vgl. nur BGH, Urteile vom 27. Juli 2017 − 3 StR 172/17,NStZ 2018, 37; vom 11. Oktober 2016 − 1 StR 248/16, NStZ 2017, 25; vom 14. August 2014 − 4 StR 163/14, NStZ 2015, 266jeweils mwN). Ob der Täter nach diesen rechtlichen Maßstäben bedingt vorsätzlich gehandelt hat, ist in Bezug auf beide Elemente im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend zu prüfen und durch tatsächliche Feststellungen zu belegen (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2016 – 5 StR 498/15, NStZ-RR 2016, 204; Senat, Urteil vom 16. September 2015 − 2 StR 483/14, NStZ 2016, 25). Die Prüfung, ob Vorsatz oder (bewusste) Fahrlässigkeit vorliegt, erfordert bei Körperverletzungs- und Tötungsdelikten insbesondere dann, wenn das Tatgericht allein oder im Wesentlichen aus äußeren Umständen auf die innere Einstellung eines Angeklagten zur Tat schließen muss, eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. insbesondere zur Würdigung des voluntativen Vorsatzelements BGH, Urteile vom 14. Januar 2016 – 4 StR 84/15, NStZ-RR 2016, 79, 80; vom 13. Januar 2015 – 5 StR 435/14, NStZ 2015, 216 f.; vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, juris Rn. 29, BGHSt 57, 183, 188; vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, juris Rn. 34, NStZ 2011, 699, 701 f.; vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f. jeweils mwN), wobei schon eine Gleichgültigkeit gegenüber dem zwar nicht erstrebten, wohl aber hingenommenen Tod des Opfers die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes rechtfertigt (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2016 – 5 StR 498/15, NStZ-RR 2016, 204 mwN). In diese Gesamtschau sind insbesondere die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen (BGH, Urteile vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, juris Rn. 7; vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, NStZ 2013, 581, 582 mwN).
12
Zwar liegt es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit des Todes des Tatopfers rechnet und – weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt – einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630; BGH, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 5 StR 300/92, NStZ 1992, 587, 588). Die Gefährlichkeit der Tathandlung und der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts sind jedoch keine allein maßgeblichen Kriterien für die Entscheidung, ob ein Angeklagter mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat; vielmehr kommt es auch bei in hohem Maße gefährlichen Handlungen auf die Umstände des Einzelfalls an (vgl. Senat, Beschluss vom 26. April 2016 − 2 StR 484/14, NStZ 2017, 22, 23; BGH, Urteil vom 25. November 2010 − 3 StR 364/10, NStZ 2011, 338, 339). Nach alledem ist es bei der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes – nicht anders als sonst bei der Würdigung der Beweise – aus revisionsrechtlicher Sicht erforderlich, aber auch ausreichend, sämtliche objektiven und subjektiven, für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände des Einzelfalles in eine individuelle Gesamtschau einzubeziehen und zu bewerten (BGH, Urteile vom 27. Juli 2017 − 3 StR 172/17, NStZ 2018, 37; vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, NStZ-RR 2013, 242, 243).
13
b) Den sich hieraus ergebenden Anforderungen werden die Beweiserwägungen der Strafkammer zur inneren Tatseite nicht in vollem Umfang gerecht. Sie lassen besorgen, dass das Erfordernis einer individuellen Gesamtwürdigung nicht hinreichend beachtet wurde.
14
Angesichts der zum äußeren Tatablauf festgestellten Aufeinanderfolge voneinander abgrenzbarer, jeweils nur von einem der Angeklagten geführten und in Ausführung und Gefährlichkeit unterschiedlich zu gewichtender Handlungen hätte hier die innere Tatseite eines jeden Angeklagten individuell in den Blick genommen werden müssen, zumal die Strafkammer hinsichtlich des Angeklagten H. ausführt, dieser habe den Nebenkläger „endgültig nie- dermachen“ wollen, wohingegen Beweggrund für den Angeklagten B. gewesen sei, durch seinen Tritt das Tatopfer „zu Boden zu strecken“.Letzteres belegt einen Tötungsvorsatz nicht. Ausgehend hiervon bleibt unerörtert, ob der Angeklagte B. nach dem von ihm ausgeführten Trittdenjenigen des Angeklagten H. gegen den Kopf des am Boden liegenden Tatopfers – entgegen seiner insoweit vorsatzkritischen Einlassung, sogleich die Flucht ergriffen zu haben – noch wahrnehmen und billigen konnte und ob diese Handlung des Angeklagten H. noch von einem gemeinsamen Tatplan getragen war. Zu diesen Erörterungen, die die Urteilsgründe vermissen lassen, hätte sich die Strafkammer umso mehr gedrängt sehen müssen, als sie auch zum Nachttatverhalten , welches sie (für sich genommen rechtsfehlerfrei) in den Blick nimmt, lediglich Feststellungen zu Äußerungen des Angeklagten H. („Leid tut es mir halt gar nicht“, „D. jagen und vernichten“, „Wir schlachten D. “) getroffen hat.
15
Ein solche individuelle Gesamtwürdigung wird hier auch nicht dadurch entbehrlich, dass die Strafkammer einen „Vernichtungswillen der Angeklagten“ annimmt, welcher „durch die Fortsetzung des Angriffs nun deutlich zutage“ getreten sei. Diese Formulierung und die Annahme, einen „für die Beurteilung des inneren Tatgeschehens relevanten Einschnitt im Ablauf“ habe es nicht gege- ben, zeigen, dass die Strafkammer von einem von Anfang bei beiden Angeklag- ten bestehenden „Vernichtungswillen“ ausgeht. Dies wird indes nicht ohne Wei- teres durch die Erwägung belegt, eine bereits zu Beginn des Geschehens an den Tag gelegte Brutalität zeige eine Bereitschaft der Angeklagten, „auch sehr ernsthafte Folgen“ in Kaufzu nehmen. Die weitere Erwägung, die Angeklagten hätten mit ihren jeweiligen Tritten zum Ende des Geschehens „die passenden, sicher wirksamen Mittel“ eingesetzt, „um ihr Werk zu vollenden“, erweist sich demzufolge als zirkulär, da eine nicht belegte Annahme (von Beginn an bestehender Vernichtungswille beider Angeklagten) vorausgesetzt wird, um eben diese zu belegen. Zudem nimmt die Strafkammer (lediglich) bedingten Tötungsvorsatz an. Der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter hat kein Tötungsmotiv im engeren Sinne, weil er den tödlichen Erfolg nicht erstrebt, sondern seinen Eintritt lediglich in Kauf nimmt. Ein „Vernichtungswille“ weist aber sowohl als konkreter Handlungsantrieb als auch als Tötungsmotiv (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 − 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 445) auf einen direkten Tötungsvorsatz hin. Dieser Widerspruch wird in den Urteilsgründen nicht aufgelöst.
16
3. Dies nötigt zur Aufhebung des Schuldspruchs und entzieht damit auch dem Strafausspruch die Grundlage. Der Senat hebt das Urteil gegen beide Angeklagte insgesamt auf, um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie eigene Feststellungen zu ermöglichen. Da angesichts der Einlassung der Angeklagten zur zeitlichen Abfolge der Gewalteinwirkungen bis zur Flucht und deren Wahrnehmbarkeit dem Tathergang für die Prüfung der inneren Tatseite besondere Bedeutung zukommen könnte, sieht der Senat im konkreten Fall auch davon ab, Feststellungen, etwa zum objektiven Tatgeschehen, bestehen zu lassen.
17
Der neue Tatrichter wird auch Gelegenheit haben zu prüfen, ob sich die Tat als spontane, unüberlegte und in affektiver Erregung („wie besessen“) aus- geführte Handlung erweist und wie dies gegebenenfalls zu würdigen ist (vgl. nur BGH, Urteile vom 3. Dezember 2015 – 4 StR 387/15, NStZ 2016, 668, 669; vom 14. August 2014 – 4 StR 163/14, NStZ 2015, 266, 267 f.) und ob die Angeklagten aufgrund ihrer Alkoholisierung – unabhängig von deren Bewertung unter dem Gesichtspunkt des § 21 StGB – die von ihrem Handeln ausgehende Lebensgefahr für das Opfer unzutreffend beurteilt haben könnten oder ob – im Gegenteil – diese geeignet war, bei den Angeklagten die Hemmschwelle für besonders gravierende Gewalthandlungen herabzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 − 3 StR 172/17, NStZ 2018, 37; Senat, Urteile vom 17. Juli 2013 – 2 StR139/13, NStZ-RR 2013, 343; vom 17. Juli 2013 – 2 StR 176/13, NStZRR 2013, 341 f., jeweils mwN).

III.

18
Die wirksam auf den Strafausspruch betreffend den Angeklagten H. beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat ebenfalls Erfolg.
19
Die Strafkammer hat auf den zur Tatzeit 19-jährigen Angeklagten H. rechtsfehlerfrei Jugendstrafrecht angewandt (§ 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG) und die Verhängung einer Jugendstrafe – ebenfalls rechtsfehlerfrei – mit der Schwere seiner Schuld im Sinne von § 17 Abs. 2 JGG begründet. Sie verabsäumt es indes, das konkrete Maß an Schuld aufgrund einer im Vergleich zum Mitangeklagten B. differenzierten Betrachtung in den Blick zu nehmen. Auch für die nach jugendspezifischen Kriterien (vgl. Senat, Urteil vom 20. April 2016 – 2 StR 320/15, NJW 2016, 2050, 2051) zu bestimmende Schwere der Schuld ist maßgeblicher Anknüpfungspunkt die innere Tatseite. Dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat kommt nur insofern Bedeutung zu, als hieraus Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und das Maß der persönlichen Schuld gezogen werden können. Entscheidend ist, inwieweit sich die charakterliche Haltung, die Persönlichkeit und die Tatmotivation des jugendlichen oder heranwachsenden Täters in der Tat in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 4. August 2016 – 4 StR 142/16, NStZ 2017, 648 mwN).
20
Die Strafkammer hat zwar gesehen, dass der im Jugendstrafrecht vorrangig zu berücksichtigende Erziehungsgedanke nicht bedeutet, dass die Erziehungswirksamkeit als einziger Gesichtspunkt bei der Strafzumessung heranzuziehen ist; vielmehr sind daneben auch andere Strafzwecke, bei Kapitaldelikten und qualifizierten Verbrechenstatbeständen namentlich der Sühnegedanke und das Erfordernis eines gerechten Schuldausgleichs, zu beachten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 4. August 2016 – 4 StR 142/16, Rn. 13, 14, NStZ 2017, 648, 649 mwN), die auch eine fünf Jahre übersteigende Jugendstrafe, die sich allein erzieherisch nicht begründen lässt, rechtfertigen können (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 1995 – 1 StR 634/95, NStZ 1996, 232). Der Senat vermag jedoch nicht auszuschließen, dass die Strafkammer dies bei der konkreten Strafzumessung betreffend den Angeklagten H. hinreichend bedacht und sich dies zu dessen Gunsten ausgewirkt hat.
Franke Krehl Eschelbach Zeng Meyberg

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 399/17
vom
1. März 2018
BGHSt: ja zu I und II
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––
Zur Bedeutung der Eigengefährdung für das Vorliegen von bedingtem Tötungsvorsatz
bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr.
BGH, Urteil vom 1. März 2018 – 4 StR 399/17 – LG Berlin
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:010317U4STR399.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 1. Februar 2018 in der Sitzung am 1. März 2018, an denen teilgenommen haben :
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Bender, Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – und Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt und Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten N. ,
Rechtsanwältin – in der Verhandlung – als Vertreterin der Nebenklägerin K. ,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter des Nebenklägers M. W. ,
der Nebenkläger M. W. in Person – in der Verhandlung –,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter des Nebenklägers P. W. ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. Februar 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Zudem hat es den Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, ihre Führerscheine eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihnen lebenslang keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revisionen.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils befuhren die Angeklagten in der Nacht zum 1. Februar 2016 gegen 0.30 Uhr mit ihren hochmotorisierten Fahrzeugen den Kurfürstendamm in Berlin in derselben Richtung. Beifahrerin im Fahrzeug des Angeklagten N. war die Nebenklägerin K. . An der Kreuzung am Adenauerplatz kamen sie bei rotem Ampelsignal nebeneinander zum Stehen.
3
Der Angeklagte H. , der die Beifahrerin im Fahrzeug des Angeklagten N. wahrnahm, signalisierte durch laute Motorgeräusche, dass er zu einer Wettfahrt bereit sei. Die Angeklagten unterhielten sich kurz und verabredeten durch Gesten und das Spiel mit dem Gaspedal spontan ein Autorennen entlang des Kurfürstendamms und der Tauentzienstraße. Ziel sollte ein Kaufhaus an der Ecke Tauentzienstraße und Nürnberger Straße sein, wobei die An- geklagten bis dorthin elf ampelgeregelte Kreuzungen zu überqueren und eine Strecke von zweieinhalb Kilometern zurückzulegen hatten.
4
Der Angeklagte H. fuhr daraufhin „unter Missachtung roter Ampeln“ mit stark überhöhter Geschwindigkeit los, um möglichst schnell und vor dem Angeklagten N. das Ziel zu erreichen. Der Angeklagte N. nahm, nachdem er zunächst noch an zwei roten Ampeln angehalten hatte, unter deut- licher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und ebenfalls „unter Überfahren von roten Ampeln“ die Verfolgung auf, um vor dem Angeklagten H. das Ziel zu erreichen. Er holte den Angeklagten H. spätestens in Höhe der U-Bahn-Station Uhlandstraße ein. Zwei Fußgängerinnen, die sich auf einer dort gelegenen Mittelinsel des Kurfürstendamms befanden und gerade die Fahrbahn queren wollten, sprangen hinter das Geländer des U-Bahn-Eingangs zurück, um nicht von den Fahrzeugen der Angeklagten erfasst zu werden.
5
Beide Fahrzeuge hatten zu dieser Zeit eine Geschwindigkeit von deutlich über 100 km/h erreicht. Die Kurve am Breitscheidplatz befuhren die Angeklagten im Bereich der Kurvengrenzgeschwindigkeit. Die in der Kurve an der Kreuzung Tauentzienstraße und Rankestraße liegende Lichtzeichenanlage überfuhren beide bei rotem Ampelsignal.
6
Am Kurvenausgang beschleunigte der Angeklagte H. sein Fahrzeug, um den nun vor ihm fahrenden Angeklagten N. wieder einzuholen, und erreichte hierbei eine Geschwindigkeit von 100 bis 150 km/h. Der Angeklagte N. fuhr auf der linken, der Angeklagte H. auf der rechten der beiden für den Durchgangsverkehr vorgesehenen Fahrspuren auf die für sie Rotlicht zeigende Ampel an der Kreuzung Tauentzienstraße und Nürnberger Straße zu.
Beide Angeklagten fuhren bei rotem Ampelsignal in den Kreuzungsbereich ein, der Angeklagte N. mit einem Vorsprung von wenigen Metern und einer Geschwindigkeit von 139 bis 149 km/h, der Angeklagte H. mit einer Geschwindigkeit von mindestens 160 bis 170 km/h.
7
„Spätestens jetzt“ war beiden Angeklagten bewusst, dass ein die Nürn- berger Straße befahrender, bei grüner Ampelphase berechtigt in die Kreuzung einfahrender Fahrzeugführer und etwaige Mitinsassen bei einer Kollision nicht nur verletzt, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit zu Tode kommen würden. Die körperliche Schädigung anderer – auch der Nebenklägerin K. als Beifahrerin im Fahrzeug des Angeklagten N. – war ihnen gleichgültig; sie überließen es dem Zufall, ob es zu einem Zusammenstoß mit einem oder mehreren Fahrzeugen im Kreuzungsbereich kommen würde. Die Schädigung bzw. den Tod anderer Verkehrsteilnehmer sowie im Nahbereich der Kreuzung aufhältiger Personen durch herumfliegende Trümmerteile der beteiligten Fahrzeuge nahmen sie billigend in Kauf.
8
In der Kreuzung kollidierte der Angeklagte H. – „absolut unfähig noch zu reagieren“ – mitdem Fahrzeug des Geschädigten W. , der aus der Nürnberger Straße in Fahrtrichtung der Angeklagten von rechts kommend regelkonform bei grünem Ampelsignal in den Kreuzungsbereich eingefahren war. Das von dem Angeklagten H. gesteuerte Fahrzeug drehte sich nach links und kollidierte sodann mit dem neben ihm fahrenden Pkw des Mitangeklagten , bevor es mit einer Geschwindigkeit von 140 km/h gegen eine Hochbeeteinfassung stieß. Auch das von dem Angeklagten N. gesteuerte Fahrzeug kollidierte frontal mit einer Hochbeeteinfassung.
9
Der Geschädigte W. , dessen Fahrzeug durch die Wucht des Aufpralls durch die Luft geschleudert worden war, zog sich schwere Verletzungen zu und verstarb noch am Unfallort. Die Beifahrerin im Fahrzeug des Angeklagten N. wurde erheblich verletzt. Der Kopf einer Fußgängerin wurde von vorbeifliegenden Fahrzeugteilen nur um wenige Zentimeter verfehlt. Die Angeklagten wurden leicht verletzt.
10
2. Das Landgericht hat angenommen, dass sich die Angeklagten – jeweils als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) – wie folgt strafbar gemacht haben: bezüglich des Geschädigten W. wegen Mordes mit gemeingefährlichen Mitteln (§ 211 Abs. 2 StGB); bezüglich der Beifahrerin im Fahrzeug des Angeklagten N. wegen gefährlicher Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs sowie mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB); zudem wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung durch Nichtbeachtung der Vorfahrt und durch zu schnelles Fahren an einer Kreuzung gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2 a) und d) StGB.

II.


11
Die Rechtsmittel der Angeklagten haben bereits mit der Sachrüge Erfolg, so dass es einer Entscheidung über die erhobenen Verfahrensrügen nicht mehr bedarf. Das Urteil weist in mehrfacher Hinsicht durchgreifende sachlich-rechtliche Mängel auf.
12
1. Bereits die Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts.
13
Voraussetzung für die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat ist nach § 16 Abs. 1 StGB, dass der Täter die Umstände, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören, bei ihrer Begehung kennt. Dementsprechend muss der Vorsatz im Zeitpunkt der zum Taterfolg führenden Handlung vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 1985 – 3 StR 300/85, StV 1986, 59; Beschluss vom 7. September 2017 – 2 StR 18/17, NStZ 2018, 27; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 15 Rn. 3; MüKo-StGB/Schneider, 3. Aufl., § 212 Rn. 5). Fasst der Täter den Vorsatz erst später (dolus subsequens), kommt eine Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteile vom 30. April 1997 – 2 StR 550/96, BGHR StGB § 15 Vorsatz 5; vom 23. Oktober 1985 – 3 StR 300/85, aaO; Beschlüsse vom 7. September 2017 – 2 StR 18/17, aaO; vom 14. Juni 1983 – 4 StR 298/83, NStZ 1983, 452; Fischer, aaO, § 15 Rn. 3). Aus der Notwendigkeit , dass der Vorsatz bei Begehung der Tat vorliegen muss, folgt, dass sich wegen eines vorsätzlichen Delikts nur strafbar macht, wer ab Entstehen des Tatentschlusses noch eine Handlung vornimmt, die in der vorgestellten oder für möglich gehaltenen Weise den tatbestandlichen Erfolg – bei Tötungsdelikten den Todeserfolg – herbeiführt. Dass dies auf die Tat der Angeklagten zutrifft, lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Im Gegenteil:
14
Das Landgericht hat einen bedingten Tötungsvorsatz erst – wie sich aus der Wendung „Spätestens jetzt (…)“ aufUA 25 ergibt – für den Zeitpunkt festgestellt , als die Angeklagten bei Rotlicht zeigender Ampel in den Bereich der Kreuzung Tauentzienstraße/Nürnberger Straße einfuhren. Aus dieser Feststellung , die auch an anderer Stelle des Urteils keine Modifizierung findet, vielmehr mehrfach bestätigt wird (etwa auf UA 60), folgt zugleich, dass sich das Landgericht nicht die Überzeugung verschafft hat, dass die Angeklagten den Tod eines anderen Verkehrsteilnehmers als Folge ihrer Fahrweise schon vor dem Einfahren in den Kreuzungsbereich als möglich erkannten und billigend in Kauf nah- men. Hatten die Angeklagten indes den Tötungsvorsatz erst beim Einfahren in den Kreuzungsbereich gefasst, könnte ihre Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts nach den dargestellten Grundsätzen nur dann Bestand haben, wenn sie nach diesem Zeitpunkt noch eine Handlung vornahmen, die für den tödlichen Unfall ursächlich war, oder eine gebotene Handlung unterließen, bei deren Vornahme der Unfall vermieden worden wäre.
15
Feststellungen zu einem solchen unfallursächlichen Verhalten, das vom Tötungsvorsatz der Angeklagten getragen war, hat das Landgericht nicht getroffen. Vielmehr hat es sowohl bei der Darstellung des Sachverhalts als auch an weiteren Stellen des Urteils ausgeführt, dass die Angeklagten beim Einfahren in den Kreuzungsbereich bereits keine Möglichkeit zur Vermeidung der Kollision mehr besaßen: So hat es etwa bezüglich des AngeklagtenH. festgestellt, er sei zu diesem Zeitpunkt „absolut unfähig“ gewesen, „noch zu reagieren“ (UA 26). Auch an anderer Stelle des Urteils hat es darauf verwiesen, „die Angeklagten [hätten] sich durch ihr Verhalten, insbesondere ihre Geschwindigkeit, jeglicher Reaktionsmöglichkeit beraubt“ (UA 58) und „bei Einfahrt in den Kreuzungsbereich“ sei „ein Vermeidungsverhalten (…) auch objektiv nicht mehr möglich“ gewesen (UA 60).Die für den Unfall maßgeblichen Umstände, insbesondere die bereits erreichte Kollisionsgeschwindigkeit sowie das Einfahren in den Kreuzungsbereich trotz roten Ampelsignals, lagen danach bereits vor bzw. waren unumkehrbar in Gang gesetzt, als die Angeklagten – nach den Feststellungen – den Tötungsvorsatz fassten. Ein unfallursächliches Verhalten der Angeklagten , das zeitlich mit der Fassung des Tötungsvorsatzes zusammenfiel oder nachfolgte, ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Dass der Tötungsvorsatz ab einem Zeitpunkt vorlag, als die tödliche Kollision bereits nicht mehr zu verhindern war, ist für die Annahme eines vorsätzlichen Tötungsdelikts rechtlich bedeutungslos.
16
2. Zudem halten die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz angenommen hat, auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. BGH, Urteile vom 12. Januar 2017 – 1 StR 360/16, juris Rn. 10; vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401, 403; vom 20. Juni 2013 – 4 StR 159/13, juris Rn. 19) rechtlicher Überprüfung nicht stand.
17
a) In rechtlicher Hinsicht ist nach ständiger Rechtsprechung bedingter Tötungsvorsatz gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement) (vgl. BGH, Urteile vom 27. Juli 2017 – 3 StR 172/17, NStZ 2018, 37, 38; vom 8. Dezember 2016 – 1 StR 351/16, NStZ 2017, 277, 279; vom 7. Juli 2016 – 4 StR 558/15, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 67; vom 14. August 2014 – 4 StR 163/14, NJW 2014, 3382, 3383; vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186). Bewusste Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten (vgl. BGH, Urteile vom 14. Januar 2016 – 4 StR 72/15, NStZ 2016, 211, 215; vom 30. April 2014 – 2 StR 383/13, StV 2015, 300, 301; vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186; vom 16. Oktober 2008 – 4 StR 369/08, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 63).
18
b) Ob der Täter nach diesen rechtlichen Maßstäben bedingt vorsätzlich gehandelt hat, ist in Bezug auf beide Elemente im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend zu prüfen und durch tatsächliche Feststellungen zu belegen (vgl. BGH, Urteile vom 7. Juli 2016 – 4 StR 558/15, aaO; vom 19. April 2016 – 5 StR 498/15, aaO; vom 16. September 2015 – 2 StR 483/14, NStZ 2016, 25,

26).


19
Die Prüfung, ob Vorsatz oder (bewusste) Fahrlässigkeit vorliegt, erfordert insbesondere bei Tötungs- oder Körperverletzungsdelikten eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, wobei es vor allem bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements regelmäßig erforderlich ist, dass sich der Tatrichter mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und dessen psychische Verfassung bei der Tatbegehung, seine Motivation und die für das Tatgeschehen bedeutsamen Umstände – insbesondere die konkrete Angriffsweise – mit in Betracht zieht (vgl. BGH, Urteile vom 14. Januar 2016 – 4 StR 84/15, NStZ-RR 2016, 79, 80; vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f.; vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, aaO, 186 f.). Dabei ist die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung wesentlicher Indikator sowohl für das Wissens- als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes (vgl. BGH, Urteile vom 14. Januar 2016 – 4 StR 84/15, aaO, 80; vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, NStZ-RR 2013, 242, 243; Beschluss vom 26. April 2016 – 2 StR 484/14, NStZ 2017, 22, 23). Die Gefährlichkeit der Tathandlung und der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts sind jedoch keine allein maßgeblichen Kriterien für die Entscheidung, ob ein Angeklagter mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat; vielmehr kommt es auch bei in hohem Maße gefährlichen Handlungen auf die Umstände des Einzelfalles an (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 1986 – 2 StR 311/86, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 1 – Willenselement; Beschluss vom 7. März 2006 – 4 StR 25/06, NStZ 2006, 446). Dabei hat der Tatrichter die im Einzelfall in Betracht kommenden, einen Vorsatz in Frage stellenden Umstände in seine Erwägungen einzubeziehen (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2014 – 2 StR 54/14, NStZ 2015, 516, 517; Beschlüsse vom 10. Juli 2007 – 3 StR 233/07, NStZ-RR 2007, 307; vom 27. August 2013 – 2 StR 148/13, NStZ 2014, 35).
20
c) Diesen Anforderungen werden die Beweiserwägungen der Strafkammer nicht gerecht, da sich das angefochtene Urteil mit einem wesentlichen vorsatzkritischen Gesichtspunkt, der möglichen Eigengefährdung der Angeklagten im Fall einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug, nicht in rechtlich tragfähiger Weise auseinandergesetzt hat.
21
aa) In Fällen einer naheliegenden Eigengefährdung des Täters – wie hier – ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: Zwar gibt es keine Regel, wonach es einem Tötungsvorsatz entgegensteht, dass mit der Vornahme einer fremdgefährdenden Handlung auch eine Eigengefährdung einhergeht (vgl. BGH, Urteile vom 20. Juni 2000 – 4 StR 162/00, NStZ 2000, 583, 584; vom 20. Dezember 1968 – 4 StR 489/68, VerkMitt 1969, Nr. 44). Bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr, die nicht von vornherein auf die Verletzung einer anderen Person oder die Herbeiführung eines Unfalls angelegt sind, kann aber eine vom Täter als solche erkannte Eigengefährdung dafür sprechen, dass er auf einen guten Ausgang vertraut hat (vgl. BayObLG, NJW 1955, 1448, 1449 für den alkoholisierten Autofahrer; Roxin, AT I, 4. Aufl., § 12 Rn. 23 ff.; ders., FS Rudolphi, 2004, 243, 255; Frisch, Vorsatz und Risiko, 1983, S. 219; Jäger, JA 2017, 786, 788; Walter, NJW 2017, 1350 f.). Dementsprechend muss sich der Tatrichter beim Vorliegen einer solchen Konstellation einzelfallbezogen damit auseinandersetzen, ob und in welchem Umfang aus Sicht des Täters aufgrund seines Verhaltens eine Gefahr (auch) für seine eigene körperliche Integrität drohte. Hierfür können sich wesentliche Indizien aus den objektiven Tatumständen ergeben, namentlich dem täterseitig genutzten Verkehrsmittel und den konkret drohenden Unfallszenarien. So kann es sich etwa unterschiedlich auf das Vorstellungsbild des Täters zu seiner Eigengefährdung auswirken, ob er sich selbst in einem Pkw oder auf einem Motorrad befindet und ob Kollisionen mit Fußgängern oder Radfahrern oder mit anderen Pkw oder gar Lkw drohen.
22
bb) Bei ihrer Würdigung des Geschehens hat die Strafkammer dem Gesichtspunkt einer möglichen unfallbedingten Eigengefährdung bereits im Ansatz jegliches Gewicht abgesprochen, indem sie davon ausgegangen ist, dass sich die Angeklagten in ihren Fahrzeugen sicher gefühlt hätten.
23
(1) Das Landgericht hat die Annahme eines solchen Sicherheitsgefühls der Angeklagten jedoch bereits für sich genommen nicht tragfähig begründet, da es hierbei rechtsfehlerhaft maßgeblich auf einen nicht existierenden Erfahrungssatz zurückgegriffen hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1954 – 5 StR 416/54, BGHSt 7, 82, 83; Beschluss vom 8. September 1999 – 2 StR 369/99, BGHR StPO § 261 Erfahrungssatz 6; Meyer-Goßner/Schmitt, 60. Aufl., § 337 Rn. 31).
24
Das angefochtene Urteil geht von der Hypothese aus, dass mit den Angeklagten vergleichbare Verkehrsteilnehmer regelmäßig kein Eigenrisiko in Rechnung stellten. Hierzu wird ausgeführt, dass „sportlich genutzte Fahrzeuge der in Rede stehenden Art“ ein „besonderes Gefühl der Sicherheit“ vermittelten; „die Fahrer solcher Fahrzeuge“ fühlten sich in ihren „tonnenschweren, stark be- schleunigenden und mit umfassender Sicherheitstechnik ausgestatteten Autos geschützt, stark und überlegen wie in einem Panzer oder in einer Burg“ und blendeten „jegliches Risiko für sich selbst“ aus. Einen Erfahrungssatz, nach dem sich ein bestimmter Typ Autofahrer in einer bestimmten Art von Kraftfahrzeug grundsätzlich sicher fühlt und jegliches Risiko für die eigene Unversehrt- heit ausblendet, gibt es indes nicht. Ein entsprechendes Vorstellungsbild ist konkret auf die Angeklagten bezogen zudem nicht belegt. Gerade angesichts der vorliegend objektiv drohenden Unfallszenarien – Kollisionen an einer innerstädtischen Kreuzung mit anderen Pkw oder, wie die Urteilsgründe mitteilen, sogar mit Bussen bei mindestens 139 bzw. 160 km/h – versteht sich dies auch nicht von selbst.
25
(2) Zudem liegen dem angefochtenen Urteil widersprüchliche Annahmen bezüglich der durch die Angeklagten vorgenommenen Gefahreinschätzung zugrunde. Während die Strafkammer einerseits davon ausgeht, dass die Angeklagten sich selbst in ihren Fahrzeugen sicher gefühlt und keinerlei Eigenrisiko in Rechnung gestellt hätten, hat sie andererseits ausgeführt, dass beide Angeklagten mit dem Vorsatz bezüglich einer Körperverletzung der Nebenklägerin K. , und zwar einer solchen mittels eines gefährlichen Werkzeugs und mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB), gehandelt bzw. sogar „in Kauf“ genommen hätten, dass sie „tödliche Verletzungen erleiden könnte“ (UA 72). Da sich die Nebenklägerin bei der Tatbegehung auf dem Beifahrersitz neben dem Angeklagten N. befand, hat das Landgericht bezüglich der Insassen desselben Fahrzeuginnenraums zwei einander widersprechende Gefahreinschätzungen vorgenommen. Die – nichtnaheliegende – Annahme, die Angeklagten hätten ihre eigene Gefährdung und die der Nebenklägerin unterschiedlich bewertet, wird von der Strafkammer nicht erläutert.
26
3. Was den Angeklagten N. betrifft, könnte das Urteil im Übrigen schon deshalb keinen Bestand haben, weil die Erwägungen, auf die das Landgericht die Annahme stützt, der Angeklagte N. habe sich des mittäterschaftlich begangenen Mordes schuldig gemacht, rechtlicher Nachprüfung nicht standhalten. Die vom Landgericht vorgenommene Prüfung mittäterschaftlichen Verhaltens greift zu kurz, da die gebotene tatbestandsbezogene Prüfung der Voraussetzungen mittäterschaftlicher Begehung – die hier auf das Vorliegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts gerichtet sein musste – unterblieben ist.
27
a) Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB setzt einen gemeinsamen Tatentschluss voraus, auf dessen Grundlage jeder Mittäter einen objektiven Tatbeitrag leisten muss (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. September 2017 – 2 StR 161/17, NStZ-RR 2018, 40; vom 4. April 2017 – 3 StR 451/16, juris Rn. 7). Der gemeinsame Tatplan muss nicht ausdrücklich geschlossen sein, vielmehr genügt eine konkludente Übereinkunft; diese kann auch – in Erweiterung des ursprünglichen Tatplans – im Rahmen arbeitsteiliger Tatausführung getroffen werden (BGH, Urteile vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 360/11, NStZ-RR 2012, 77, 78; vom 15. Januar 1991 – 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 292; vom 9. März 1994 – 3 StR 711/93, NStZ 1994, 394; Beschluss vom 18. Mai 1995 – 5 StR 139/95, BGHSt 41, 149, 151). Bezugspunkt des Tatentschlusses bzw. des Tatplans ist gemäß § 25 Abs. 2 StGB jedoch stets die Straftat. Ein mittäterschaftlich begangenes Tötungsdelikt setzt daher voraus, dass der gemeinsame Tatentschluss auf die Tötung eines Menschen durch arbeitsteiliges Zusammenwirken gerichtet ist. Für die Annahme eines mittäterschaftlich begangenen Tötungsdelikts reicht es deshalb nicht aus, dass sich die Täter lediglich zu einem gemeinsamen Unternehmen entschließen, durch das ein Mensch zu Tode kommt.
28
b) Vorliegend fehlt es bereits an der Feststellung eines durch die Angeklagten gefassten gemeinsamen Tatentschlusses, der eine bedingt vorsätzliche Tötung eines anderen Verkehrsteilnehmers umfasste. Festgestellt und belegt hat die Strafkammer lediglich, dass sich die Angeklagten bei ihrem Zusammen- treffen am Adenauerplatz auf „die Durchführung eines spontanen Autorennens geeinigt“ (UA 47) haben. Ferner hat das Landgericht darauf verwiesen, der An- geklagte N. habe durch sein Fahrverhalten bei stetig steigender Geschwindigkeit konkludent zum Ausdruck gebracht, dass er mit dem Angeklagten H. „ein gemeinsames Rennen fahren und sich auf ein Kräftemessen ein- lassen“ wollte (UA 49).Aus diesen Ausführungen lässt sich indes lediglich die Verabredung und gemeinsame Durchführung eines illegalen Straßenrennens entnehmen. Weder für den Zeitpunkt der Rennverabredung noch für den nachfolgenden Rennverlauf hat das Landgericht eine – zumindest konkludente – Erweiterung des gemeinsamen Tatentschlusses festgestellt und belegt. Viel- mehr hat es insoweit nur darauf verwiesen, dass „ein Kräftemessen mittels eines Autorennens/Stechens naturgemäß ein von einer gemeinsamen Tatherrschaft getragenes Verhalten“ (UA 49) darstellt. Die erforderliche Anknüpfung dieser Erwägungen an ein vorsätzliches Tötungsdelikt findet sich im Rahmen der Prüfung der Mittäterschaft nicht. Dass die Angeklagten den Entschluss gefasst hätten, einen anderen durch gemeinschaftliches Verhalten zu töten, lässt sich dem Urteil an keiner Stelle entnehmen.

III.


29
1. Die Ausführungen der Revisionsführer zu dem vom Landgericht eingeholten verkehrspsychologischen Gutachten geben Anlass zu folgenden Bemerkungen :
30
Die Feststellung, ob ein Angeklagter vorsätzlich gehandelt hat, ist Tatfrage und obliegt allein dem Tatrichter (vgl. BGH, Urteile vom 3. Dezember2015 – 4 StR 367/15, NStZ 2016, 668, 669 f.; vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, NStZ 2013, 581, 583; vom 13. Dezember 2005 – 1 StR 410/05, NJW 2006, 386 f.; LK-StGB/Vogel, 12. Aufl., § 15 Rn. 63). Diese Prüfung hat stets einzelfallbezogen zu erfolgen und lässt eine generalisierende Betrachtung – etwa in Gestalt von Rechts- oder Erfahrungssätzen, denen zufolge bei einem bestimmten Personenkreis oder einer bestimmten Vorgehensweise grundsätzlich eine vorsätzliche Tatbegehung zu bejahen oder zu verneinen sei – nicht zu (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2015 – 4 StR 367/15, aaO, 669 f.; Beschlüsse vom 7. März 2006 – 4 StR 25/06, NStZ 2006, 446; vom 14. Januar 2003 – 4 StR 526/02, NStZ 2003, 369, 370; LK-StGB/Vogel, aaO, § 15 Rn. 67; vgl. auch zur geringen Bedeutung allgemeiner statistischer Aussagen im Rahmen von Prognoseentscheidungen BGH, Beschlüsse vom 17. Februar 2016 – 2 StR 545/15, StV 2016, 720, 722; vom 30. März 2010 – 3 StR 69/10, NStZ-RR 2010, 203, 204). Dies gilt auch für den im angefochtenen Urteil und seitens der Revisionen in Bezug genommenen Personenkreis der „Raser“ bzw. „die Angehörigen der Raserszene“ ; auch dieser Personenkreis ist im Hinblick auf die Frage des Vorlie- gens oder auch des Fehlens eines (Tötungs-)Vorsatzes einer kategorialen Zuordnung über den Einzelfall hinaus nicht zugänglich.
31
2. Sollte der neue Tatrichter wiederum zur Annahme eines vorsätzlichen Tötungsdelikts gelangen, gilt mit Blick auf mögliche Mordmerkmale das Folgende :
32
a) Bezüglich des Mordmerkmals der Verwendung eines gemeingefährlichen Mittels wird eine konsistente Gesamtbewertung der subjektiven Tatseite vorzunehmen sein. Soweit in dem angefochtenen Urteil im Zusammenhang mit dem Tötungsvorsatz ausgeführt wird, mögliche Gedanken der Angeklagten an die Zerstörung der eigenen Fahrzeuge seien im „Adrenalinrausch“ und im „Kick“ des Rennens „untergegangen“, zugleich aber angenommen wird, die Angeklag- ten hätten die Tötung von Personen durch umherfliegende Trümmerteile der beteiligten Fahrzeuge – also auch des eigenen Fahrzeugs – billigend in Kauf genommen, lässt sich dies nicht ohne Weiteres miteinander in Einklang bringen.
33
b) Gegebenenfalls wird auch das Mordmerkmal der Heimtücke zu erörtern sein, wobei allerdings das hierfür erforderliche Ausnutzungsbewusstsein einer eingehenden Prüfung bedarf (vgl. BGH, Urteile vom 15. November 2017 – 5 StR 338/17, NStZ 2018, 97, 98; vom 29. Januar 2015 – 4 StR 433/14, NStZ 2015, 392, 393; vom 11. November 1986 – 1 StR 367/86, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 1; vom 30. Januar 1990 – 1 StR 688/89, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 11; und vom 25. Oktober 1984 – 4 StR 615/84, NStZ 1985, 216).
34
3. Der Senat weist darauf hin, dass sich das gesamteRenngeschehen – entgegen der Auffassung der Strafkammer (UA 65) – als eine prozessuale Tat darstellt.
35
4. Hinsichtlich der Vorbelastung der Angeklagten mit straßenverkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten wird der neue Tatrichter gegebenenfalls Gelegenheit haben, sich mit einer möglichen Tilgungsreife und einer daraus folgenden Unverwertbarkeit einzelner Registereintragungen auseinanderzusetzen. Dabei sind die tatsächlichen Voraussetzungen der Verwertbarkeit im Urteil so festzustellen, dass eine revisionsrechtliche Überprüfung möglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 1993 – 4 StR 627/92, NJW 1993, 3081, 3084; MüKo-StVR/Koehl, § 29 StVG Rn. 5).
36
5. Bei der Bemessung einer möglichen Sperrfrist nach § 69a StGB sind auch die Dauer und die Wirkungen des Strafvollzugs infolge einer Freiheitsstrafe zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 1997 – 4 StR 271/97, NStZ-RR 1997, 331, 332).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 18/17
vom
7. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
ECLI:DE:BGH:2017:070917B2STR18.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 7. September 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 10. Oktober 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
2
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.

3
Nach den Feststellungen trafen sich der Angeklagte und der Geschädigte in unregelmäßigen Abständen zum gemeinsamen Konsum von Alkohol. Im Rahmen einer solchen Zusammenkunft in der Nacht vom 24. auf den 25. März 2016 wollte sich der erheblich alkoholisierte, homosexuell veranlagte Geschädigte dem Angeklagten sexuell nähern und griff diesem in den Genitalbereich. Dies empfand der ebenfalls stark angetrunkene Angeklagte (Tatzeit-BAK mindestens 2,4 und höchstens 2,8 Promille) als massive Grenzverletzung, die ihn erzürnte und emotional stark aufwühlte. Aus diesem Grund schlug er dem Geschädigten auf die Lippe. Infolge des Schlages gegen den Kopf und der damit einhergehenden Erregung des Geschädigten stieg Speisebrei aus dem Magen auf. Da der Würgereflex des Geschädigten aufgrund der hohen Alkoholisierung ausblieb, kam es infolge des Schlages zu einer Aspiration des Speisebreis. Der Geschädigte fiel hin und begann zu röcheln. Wenige Minuten später regte er sich nicht mehr und verstarb infolge Erstickens. Der Angeklagte, der den Todeseintritt nicht erkannt hatte, zog dem Geschädigten nun die Hose herunter und durchtrennte mit einem Messer dessen Penis.
4
Das Landgericht hat angenommen, der Schlag auf die Lippe und die Durchtrennung des Penis stellten sich als „einheitliches Geschehen“ dar, da beide Handlungen als Reaktion auf die Erregung über die sexuelle Annäherung zu verstehen seien und auf dem „einheitlichen Entschluss“ des Angeklagten basierten, den Geschädigten körperlich zu züchtigen. Diese Wertung stützt es auf Spontanäußerungen des Angeklagten unmittelbar nach der Tat, wonach „das Ganze passiert“ sei, weil der Geschädigte ihm „an die Eier“ gegangen sei, woraufhin er ihn geschlagen und ihm „die Eier abgeschnitten“ habe. Im Hinblick auf die Durchtrennung des Penis habe der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt. Dass der Tod des Geschädigten tatsächlich nicht infolge dieser Handlung, sondern durch den Schlag ausgelöst wurde, stelle „eine un- wesentliche Abweichung des vorgestellten Kausalverlaufs vom tatsächlich ein- getretenen“ dar. Davon ausgehend hat das Landgericht die Tat als vollendeten Totschlag gewürdigt.

II.

5
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg.
6
Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich wegen Totschlags strafbar gemacht, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Dies führt zur Aufhebung des Urteils.
7
1. Gemäß § 16 Abs. 1 StGB muss der Tatvorsatz im Zeitpunkt der zum Taterfolg führenden Handlung vorliegen. Ein der Handlung nachfolgender Vorsatz (sog. dolus subsequens) ist bedeutungslos (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 15 Rn. 4a). Daher tritt eine Strafbarkeit wegen vollendeter Vorsatztat nur ein, wenn die vom Vorsatz getragene Handlung den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeigeführt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 1983 – 4 StR 298/83, NStZ 1983, 452 mwN).
8
Gegen diesen Grundsatz verstößt das Landgericht, indem es die nach seiner Würdigung mit bedingtem Tötungsvorsatz vorgenommene (postmortale) Penisamputation und den für den Tod ursächlichen Schlag auf die Lippe des Geschädigten miteinander verknüpft.
9
2. Eine solche Verknüpfung wird auch nicht durch eine Gesamtbetrachtung des Geschehensablaufs zulässig (BGH aaO). Die vom Landgericht angenommene Abweichung des vorgestellten vom tatsächlich eingetretenen Kausalverlauf setzt voraus, dass der Täter vor seiner zum Erfolg führenden Handlung – hierdem Faustschlag auf die Lippe – bereits zur Tötung des Geschädigten entschlossen war; an entsprechenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite hinsichtlich der Wirkungen des Schlages fehlt es hier jedoch gerade.
10
Die Annahme des Landgerichts, nach der Vorstellung des Angeklagten habe ein einheitliches, von vornherein auf eine mit bedingtem Tötungsvorsatz durchgeführte „Brandmarkung“ des Geschädigten gerichtetes Tatgeschehen vorgelegen, bei dem der objektiv todesursächliche Faustschlag ohne wesentliche Zwischenschritte in die Amputation des Penis einmünden sollte, ist nicht tragfähig begründet. Für die Frage, ob der Angeklagte schon im Zeitpunkt des Schlages zu der späteren Amputation entschlossen war, kommt – anders als vom Landgericht angenommen – den Spontanäußerungen des Angeklagten keine nennenswerte Beweisbedeutung zu. Ein solcher Schluss liegt auch im Hinblick auf das objektive Tatgeschehen keineswegs auf der Hand. Denn danach lag zwischen dem Faustschlag und der Amputationshandlung eine Zeit- spanne von zumindest „wenigen Minuten“, in welcher der Geschädigte liegend erstickte, ohne dass währenddessen weitere Tathandlungen des Angeklagten festgestellt sind. Mit dieser Lücke im Geschehensablauf, die die Annahme eines von Beginn an auf die Amputation gerichteten Vorsatzes in Frage stellen konnte , setzt das Landgericht sich nicht auseinander. RiBGH Dr. Eschelbach ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Appl Appl Zeng Grube Schmidt
2
1. Das Urteil kann nicht bestehen bleiben, weil es hinsichtlich der Angeklagten S. keine geschlossene und für das Revisionsgericht nachvollzieh- bare Darstellung des verwirklichten strafbaren Verhaltens enthält. Eine solche geschlossene Darstellung des Sachverhaltes, der das Tatgeschehen bildet, ist für die revisionsrechtliche Überprüfung des Urteils erforderlich. Sie muss erkennen lassen, welche Tatsachen der Richter als seine Feststellungen über die Tat seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde legt. Fehlt sie oder ist sie in wesentlichen Teilen unvollständig oder widersprüchlich, so ist dies ein Mangel des Urteils , der auf die Sachrüge zu dessen Aufhebung führt (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 3, geschlossene Darstellung). So verhält es sich hier.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 415/16
vom
9. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen Raubes mit Todesfolge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:090217U3STR415.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Februar 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Spaniol, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berg, Hoch als beisitzende Richter, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger für die Angeklagte R. , Rechtsanwälte als Verteidiger für den Angeklagten Ra. , Rechtsanwalt als Verteidiger für den Angeklagten S. , Rechtsanwalt für die Nebenklägerin,
Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 17. Februar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten des Raubes mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Totschlag durch Unterlassen schuldig gesprochen und wie folgt verurteilt: die Angeklagte R. zu einer Jugendstrafe von neun Jahren ; den Angeklagten Ra. zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren; den Angeklagten C. zu einer Jugendstrafe von acht Jahren; den Angeklagten S. zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten sowie den Angeklagten K. zu einer Jugendstrafe von acht Jahren. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten, vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision die Verletzung materiellen Rechts. Die Revisionen der Angeklagten wenden sich mit verfahrensrechtlichen Bean- standungen und der Sachrüge gegen ihre Verurteilungen. Alle Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg, die Revision der Staatsanwaltschaft auch zu Gunsten der Angeklagten (§ 301 StPO); die von den Angeklagten geltend gemachten Verfahrensbeanstandungen sind deshalb nicht entscheidungserheblich.
2
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen beabsichtigten die Angeklagten, das Opfer, einen zum Tatzeitpunkt 81 Jahre alten alleinstehenden Mann, in dessen Wohnhaus zu überfallen, um insbesondere aus dem in dem Anwesen befindlichen Tresor Wertgegenstände zu entwenden. Sie vereinbarten , dass zunächst die Angeklagten C. und S. das Wohnhaus betreten und das Opfer festhalten bzw. fesseln sowie ihm den Tresorschlüssel abnehmen sollten. C. sollte das Opfer auch "boxen" und ihn bewachen. Die Angeklagten R. , K. und Ra. sollten nachrücken und die erwarteten Wertgegenstände aus dem Tresor holen. Der Erlös sollte unter allen Angeklagten aufgeteilt werden. Die Angeklagten fuhren mit einem PKW in die Nähe des Wohnhauses; Ra. hatte zuvor das erforderliche Benzin bezahlt. R. ermittelte, dass das Opfer anwesend war. Daraufhin näherten sich die Angeklagten dem Wohnhaus. C. und S. drangen durch die geöffnete Eingangstür in den Flur ein. C. brachte das Opfer dort bäuchlings zu Boden und schlug auf dieses ein. S. schloss die Eingangstür und ließ die Rollläden des Küchenfensters herunter. R. , Ra. und K. warteten vor der Eingangstür und konnten dort die Schläge gegen das Opfer und dessen Stöhnen hören. Kurze Zeit später öffnete S. die Haustür und R. trat ein. Zu diesem Zeitpunkt kniete C. auf dem Rücken des Opfers, dem er einen Schal vor den Mund gespannt hatte, zog an den Enden des Schals und überstreckte damit den Kopf des Opfers nach hinten. S. durchsuchte das Obergeschoss des Gebäudes, wohin sich ebenfalls R. mit dem zwischenzeitlich erlangten Tresorschlüssel be- gab. Unmittelbar danach betrat auch K. das Haus. Demgegenüber drehte Ra. vor der Eingangstür um und lief zu dem Fahrzeug zurück, da ihm Bedenken in Bezug auf die Tat gekommen waren und er mit dieser nichts mehr zu tun haben wollte. Als K. das Gebäude betrat, schlug C. auf Kopf und Oberkörper des Opfers ein. Auch K. schlug mit den Fäusten zu und trat dem Opfer in die Seite. Sodann begab er sich in das Obergeschoss und durchsuchte mit S. und R. die dortigen Räume sowie den mittlerweile geöffneten Tresor. Dort befanden sich jedoch wider Erwarten keine Wertgegenstände. K. übergab dem S. eine zufällig aufgefundene Packung Zigaretten, die dieser einsteckte, und kehrte in das Erdgeschoss zurück. Dort hielt C. das Opfer mit einem Arm in einem Würgegriff und schlug mit der freien Faust auf dieses ein. R. gab dem Geschädigten nach ihrer Rückkehr in das Erdgeschoss mittels eines von ihr mitgeführten Elektroschockgerätes mehrere Stromschläge ins Gesicht. S. schlug nach seiner Rückkehr aus dem Obergeschoss ebenfalls mindestens einmal mit der Faust auf das Opfer ein. Dieses stöhnte nunmehr nur noch leise. Entweder C. oder K. nahm die Armbanduhr des Opfers an sich. Durch die Einwirkungen auf das Opfer entstanden im Flur, am Kücheneingang und am Treppenaufgang des Erdgeschosses erhebliche Blutspuren. Sodann verließen R. , S. , K. und C. gemeinsam das Wohnhaus, wobei K. den blutverschmierten Schal mitnahm. Das Opfer lag zu diesem Zeitpunkt regungslos - offensichtlich schwer verletzt, möglicherweise auch bereits tot - auf dem Fußboden des Flurs. Während der Vornahme der Verletzungshandlungen hielten alle Angeklagten es "durchaus für möglich", dass das hochbetagte Opfer durch den Einsatz der erheblichen körperlichen Gewalt zu Tode kommen könnte. Die Strafkammer hat jedoch nicht feststellen können, dass sie den Tod des Opfers billigend in Kauf nahmen.
3
Sodann rannten R. , S. , K. und C. zu dem abgestellten PKW, in dem Ra. auf dem Fahrersitz saß und auf sie wartete. Dieser steuerte sodann das Fahrzeug, mit dem die Angeklagten fluchtartig den Tatort verließen. Sie bewerteten den Raubüberfall als misslungen. Ra. wurde berichtet, dass C. , K. und S. das Opfer geschlagen hatten und R. diesem mehrfach ein Elektroschockgerät an den Hals gehalten hatte. C. war ob einer möglichen Tötung des Opfers schockiert und äußerte: "Was habe ich da getan? Aber diesem Mann ist nix passiert, ne? Ist der Mann noch am Leben, ne?" Zudem berichtete er den anderen Angeklagten , er komme damit nicht klar, wenn das Opfer tot sein sollte. Daraufhin entgegnete R. auf Deutsch: "Ach nein, der war noch am Leben." Zu Ra. sagte sie hingegen auf Romani: "Ich glaub, der war tot." Die Angeklagten warfen bei der Tat getragene, blutverschmierte Kleidung und das Elektroschockgerät aus dem Fenster. Spätestens ab Verlassen des Hauses war C. , R. , K. und S. klar, dass das Opfer aufgrund der ihm zugefügten Verletzungen ohne unverzügliche medizinische Hilfe versterben würde. Ra. war dies nach den Erzählungen der Mitangeklagten ebenfalls bewusst. Gleichwohl verständigte niemand den Rettungsdienst oder leitete ähnliche Maßnahmen ein, obwohl dies möglich gewesen wäre.
4
Das Opfer wurde unmittelbar nach der Tat durch Zeugen entdeckt und nach Durchführung von Reanimationsmaßnahmen in ein Krankenhaus eingeliefert , wo sein Tod festgestellt wurde. Todesursächlich war eine stumpfe Gewalteinwirkung gegen den Hals, entweder in Form des Würgegriffs oder des Überstreckens des Kopfes nach hinten, die u.a. eine Fraktur des 6. Halswirbelkörpers bewirkte und zum Ersticken führte.
5
I. Revision der Staatsanwaltschaft
6
Das Urteil hält sachlichrechtlicher Prüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand.
7
1. Die Ausführungen des Landgerichts zur subjektiven Tatseite während des Geschehens in dem Wohnhaus sind nicht einheitlich; sie tragen bereits deshalb die Ablehnung des Tötungsvorsatzes nicht.
8
In den Feststellungen hat die Strafkammer ausgeführt, alle Angeklagten hätten es für möglich gehalten, dass das Opfer durch den Einsatz der erheblichen körperlichen Gewalt zu Tode kommen könnte, dies aber nicht billigend in Kauf genommen. Ähnliche Formulierungen hat sie in der rechtlichen Würdigung gebraucht. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat sie demgegenüber dargelegt, die Angeklagten hätten erst nach Abschluss der letzten Handlung erkannt, dass diese und gegebenenfalls die davor vorgenommenen zum Tode des Opfers führen könnten. Aufgrund dieser unterschiedlichen Formulierungen ist den Urteilsgründen in ihrer Gesamtheit nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu entnehmen , für welchen Zeitpunkt das Landgericht angenommen hat, die Angeklagten hätten den Eintritt des Todes des Opfers als möglich angesehen.
9
2. Ausgehend von den getroffenen Feststellungen ist die Beweiswürdigung zum Tötungsvorsatz der Angeklagten durchgreifend rechtsfehlerhaft. Im Einzelnen:
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a) Die unterschiedlichen Feststellungen zum Tötungsvorsatz der Angeklagten R. , C. , K. und S. für die Zeit bis zum Verlassen des Hauses und für die Zeit danach werden durch die Beweiswürdigung nicht getragen.
11
aa) Die in den Feststellungen gebrauchten Formulierungen weisen die Annahme des Landgerichts aus, die Angeklagten hätten bis zum Verlassen des Hauses nicht zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt, da das insoweit notwendige Willenselement nicht habe festgestellt werden können. Die Angeklagten hätten es zwar für möglich gehalten, dass das Opfer aufgrund der Gewalteinwirkungen verstirbt; sie hätten dies jedoch nicht billigend in Kauf genommen. Dies ergebe sich insbesondere aus Art und Intensität der Körperverletzungshandlungen , die keine derart gefährlichen Handlungen darstellten, bei denen regelmäßig mit dem Tod des Opfers gerechnet werden müsse. Daneben sprächen auch die Äußerungen der Angeklagten während der Rückfahrt gegen einen Tötungsvorsatz zum Zeitpunkt der Vornahme der Verletzungshandlungen. Demgegenüber hat die Strafkammer für die Zeit nach dem Verlassen des Hauses festgestellt, dass allen Angeklagten klar war - sie mithin wussten -, dass das Opfer aufgrund der ihm zugefügten Verletzungen ohne unverzügliche medizinische Hilfe versterben würde und somit einen dolus directus 2. Grades (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 15 Rn. 7) angenommen. Dies folge daraus, dass C. , S. , K. und R. in dem Wohnhaus anwesend gewesen seien und den Zustand des Opfers unmittelbar beobachtet hätten, sowie aus den Gesprächen, welche die Angeklagten nach dem Überfall in dem Kraftfahrzeug führten.
12
bb) Diese Ausführungen tragen die unterschiedlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht.
13
(1) Soweit das Landgericht für den ersten Handlungsabschnitt den bedingten Tötungsvorsatz verneint hat, gilt:
14
(1.1) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt, weiter, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Vor Annahme eines bedingten Vorsatzes müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens- als auch das Willenselement, umfassend geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles, in welche vor allem die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen sind. Kann das Tatgericht auf der Grundlage dieser Gesamtbewertung aller Umstände Zweifel am Vorliegen des bedingten Vorsatzes nicht überwinden, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen; denn die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatgericht übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Das Revisionsgericht ist demgegenüber auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen stellt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326). Gleichermaßen allein Sache des Tatgerichts ist es, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten. Diese Grundsätze gelten auch bei der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes. Dort ist es - nicht anders als sonst bei der Würdigung der Beweise - aus revisionsrechtlicher Sicht erforderlich, aber auch ausreichend, sämtliche objektiven und subjektiven, für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände des Einzelfalles in eine individuelle Gesamtschau einzubeziehen und zu bewerten (vgl. BGH, Urteile vom 20. September 2012 - 3 StR 140/12, NStZ-RR 2013, 75, 76 f.; vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45 /13, NStZ 2013, 581, 582 f.; vgl. aus neuerer Zeit BGH, Urteil vom 8. Dezember 2016 - 1 StR 344/16, juris Rn. 18 jew. mwN), wobei freilich etwa keine Widersprüche zu Tage treten dürfen.
15
(1.2) Bei Anwendung dieser Maßstäbe hält die Beweiswürdigung rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat zwar - im Ansatz zutreffend - im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau bei der Prüfung des Vorsatzes während des Geschehens in dem Anwesen auch die Äußerungen der Angeklagten während der Flucht in den Blick genommen. Es hat jedoch nicht nachvollziehbar dargelegt, wieso es bei insoweit gleicher Beweisgrundlage zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt ist. Die Tatsachenbasis - das Geschehen in dem Haus - und die Kenntnis der Angeklagten hiervon änderten sich nicht, nachdem diese das Anwesen verlassen hatten; die an dem Opfer verübten Gewalthandlungen dauerten an, bis die Angeklagten aus dem Haus gingen. Der Inhalt der in dem Kraftfahrzeug geführten Gespräche gibt im Wesentlichen ihren Eindruck von dem bisherigen objektiven Tatgeschehen und ihre subjektive Einstellung hierzu wieder. Es ist deshalb durchgreifend widersprüchlich anzunehmen , die Angeklagten hätten während des Geschehens in dem Haus den Tod des Opfers als Folge der Gewalthandlungen lediglich für möglich gehalten, aber nicht billigend in Kauf genommen, während der Fahrt in dem PKW jedoch um den möglichen Todeseintritt gewusst. Dieser in dem Wechsel bei der Bewertung des subjektiven Tatbestands liegende Widerspruch wird in den Urteilsgründen an keiner Stelle, weder in den Feststellungen, noch in den Ausführungen zur Beweiswürdigung oder denjenigen zur rechtlichen Bewertung des Geschehens , aufgelöst. Auf die weiteren Einwendungen der Revision und des Generalbundesanwalts gegen die Bewertung der sonstigen Indizien durch die Strafkammer kommt es somit nicht mehr an.
16
(2) Aus dem dargestellten Rechtsfehler folgt auch, dass das Urteil nicht bestehen bleiben kann, soweit das Landgericht für den zweiten Handlungsabschnitt einen Tötungsvorsatz der Angeklagten in Form des dolus directus 2. Grades angenommen hat. Insoweit weist die Beweiswürdigung denselben, unaufgelösten Widerspruch auf. Es erklärt sich nicht, wieso das Landgericht auf derselben Tatsachengrundlage, die für die Bewertung des Geschehens in dem Anwesen vorliegt, nunmehr für den Zeitraum während der Flucht zu anderen, den Angeklagten nachteiligen Feststellungen zum subjektiven Tatbestand gelangt ist. Durch diesen Rechtsfehler sind die Angeklagten beschwert; die Revision der Staatsanwaltschaft wirkt insofern zu ihren Gunsten (§ 301 StPO).
17
b) Hinsichtlich des Angeklagten Ra. hat das Landgericht den Tötungsvorsatz für den Zeitraum bis zum Verlassen des Hauses durch die übrigen Angeklagten ohne Rechtsfehler verneint. Der insoweit bezüglich der anderen Angeklagten aufgezeigte Rechtsfehler betrifft den Angeklagten Ra. nicht. Dieser betrat das Wohnhaus nicht und erlangte von den dortigen Vorgängen erst im Nachhinein Kenntnis. Soweit das Landgericht festgestellt hat, dass die Angeklagten bei der Planung der Tat vor Betreten des Gebäudes keinen Tötungsvorsatz gefasst hatten, wird ein Rechtsfehler weder von der Revision geltend gemacht, noch ist er sonst ersichtlich.
18
Den Angeklagten Ra. betrifft gleichwohl der sich zu seinen Lasten auswirkende Rechtsfehler in der Beweiswürdigung zu dem Tötungsvorsatz während der Flucht in gleicher Weise wie die anderen Angeklagten (§ 301 StPO). Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte Ra. durch die übrigen Angeklagten über das Geschehen in dem Haus informiert. Aufgrund dessen hat die Strafkammer bei der Bewertung der für die subjektive Tatseite bedeutsamen Indizien zwischen den Angeklagten nicht weiter differenziert und eine gemeinsame Bewertung vorgenommen. Ihre Ausführungen können deshalb nicht aufgespalten werden in einen Teil, der lediglich die Angeklagten R. , C. , K. und S. betrifft und einen weiteren, hiervon unabhängigen Teil, der lediglich den Angeklagten Ra. erfasst; sie sind insoweit vielmehr insgesamt rechtsfehlerhaft.
19
3. Ein weiterer, sich zu Gunsten aller Angeklagten auswirkender Rechtsfehler liegt darin, dass die Strafkammer hinsichtlich der von ihr angenommenen versuchten Tötung durch Unterlassen das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht nicht erörtert hat. Hierzu wäre sie auf der Grundlage der von ihr getroffenen Feststellungen gehalten gewesen. Danach lag es nahe, dass die Angeklagten ihnen mögliche und zumutbare Rettungsbemühungen, etwa in Form der Benachrichtigung eines Rettungsdienstes, deshalb nicht vornahmen, weil sie das Risiko einer Überführung vermeiden wollten.
20
II. Revisionen der Angeklagten
21
Die Rechtsmittel aller Angeklagten haben mit der Sachrüge aufgrund des dargelegten, sich zu ihren Lasten auswirkenden Beweiswürdigungsfehlers zum Vorliegen des Tötungsvorsatzes während der Flucht vom Tatort Erfolg.
22
III. Die aufgezeigten Rechtsfehler bedingen die Aufhebung aller Feststellungen , auch derjenigen, die zum objektiven Tatgeschehen getroffen worden sind. Diese sind in der vorliegenden Fallkonstellation eng mit denjenigen zur subjektiven Tatseite verknüpft. Dem neuen Tatgericht ist es deshalb zu ermöglichen , insgesamt einheitliche, widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen. Die Sache muss somit insgesamt neu verhandelt und entschieden werden.
23
IV. Es besteht entgegen der Auffassung der Verteidigung kein Anlass, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen. Allein die Größe des Landgerichts Krefeld und das öffentliche Interesse an dem Verfahren begründen nicht die Besorgnis, eine andere Strafkammer dieses Landgerichts könne das Verfahren nicht in sachgerechter Weise bewältigen.
24
V. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
25
1. Sollte auch das neue Tatgericht Schlüsse aus dem serologischen und DNA-analytischen Gutachten des Hessischen Landeskriminalamts vom 21. September 2015 ziehen wollen (vgl. UA 78), wird es bei der Darstellung der Ergebnisse die einschlägigen Anforderungen der Rechtsprechung zu beachten haben (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 2016 - 4 StR 558/15, juris Rn. 10; Beschluss vom 12. April 2016 - 4 StR 18/16, juris Rn. 4; Urteil vom 24. März 2016 - 2 StR 112/14, NStZ 2016, 490, 491 f.; Beschluss vom 19. Januar 2016 - 4 StR 484/15, NStZ-RR 2016, 118 f.; Urteil vom 5. Juni 2014 - 4 StR 439/13, NStZ 2014, 477 ff.; Urteil vom 21. März 2013 - 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212,

217).

26
2. Zu dem Verhältnis der beiden Sachverhaltsabschnitte zueinander hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt: "Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird insoweit allerdings zu bedenken haben, dass die strafrechtliche Würdigung des Unterlassens von Rettungsbemühungen seitens der Angeklagten im Anschluss an den verübten Überfall nicht unabhängig von der neu vorzunehmenden tatrichterlichen Bewertung des Überfalls selbst erfolgen kann. Sollte der neue Tatrichter bei allen oder zumindest bei einzelnen Angeklagten zur Feststellung eines bei der Vornahme der Verletzungshandlungen bestehenden Tötungsvorsatzes gelangen…, wäre insoweit für eine Strafbarkeit wegen versuchten Verdeckungsmordes durch Unterlassen kein Raum mehr. Dabei kann offenbleiben, ob in dieser Fallkonstellation bereits keine Pflicht zur Erfolgsabwendung besteht oder es sich bei dem Verhältnis von Begehungs- zum nachfolgenden Unterlassungsunrecht um eine Konkurrenzfrage handelt. Jedenfalls würde es dann an der Verdeckung einer anderen Tat fehlen (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2016 - 4 StR 563/15 m.w.N.)."
27
3. Das neue Tatgericht wird bei der Beurteilung der subjektiven Tatseite gegebenenfalls die unterschiedliche Art und Intensität der Beteiligung der einzelnen Angeklagten an dem objektiven Tatgeschehen in den Blick zu nehmen haben.
28
4. Die Rüge, die polizeilichen Einlassungen der Angeklagten unterlägen einem Verwertungsverbot nach § 136a StPO, bewertet der Senat vorläufig wie folgt: Eine die Strafverfolgungsbehörden im vorliegenden Fall treffende Verpflichtung , einen richterlichen Haftbefehl zu beantragen, ohne die Ergebnisse der Ermittlungsmaßnahmen abzuwarten, die am 28. und 29. Januar 2015 durchgeführt wurden, ergibt sich weder aus der Strafprozessordnung, noch aus der Verfassung oder der Europäischen Menschenrechtskonvention. Es ist nicht als sachwidrig zu beurteilen, dass die Strafverfolgungsbehörden die Entscheidung , einen Haftbefehl zu beantragen, erst trafen, nachdem die Angeklagten Gelegenheit gehabt hatten, sich zur Sache einzulassen; eine bewusste Umgehung des Richtervorbehalts ist deshalb nicht ersichtlich. Im Übrigen bedeutet die aus Art. 104 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 GG, § 128 Abs. 1 Satz 1 StPO folgende Pflicht, den Festgenommenen unverzüglich, spätestens am Tage nach der Festnahme einem Richter vorzuführen, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. September 2009 - 2 BvR 2520/07, juris Rn. 22 mwN). Ein derartiger sachlicher Grund ist jedenfalls in der Regel u.a. dann anzunehmen, wenn der Beschuldigte sich nach seiner Festnahme durch die Polizei bei dieser nach ordnungsgemäßer Belehrung zu seiner Person und zur Sache einlässt; denn hieraus können sich sowohl für den dringenden Tatverdacht als auch für die Frage, ob ein Haftgrund anzunehmen ist, wesentliche, dem Festgenommenen unter Umständen günstige Gesichtspunkte ergeben, die bei den Entscheidungen über die Beantragung und Anordnung der Untersuchungshaft zu berücksichtigen sind (vgl. im Übrigen schon BGH, Urteil vom 17. November 1989 - 2 StR 418/89, NJW 1990, 1188). Es begründet auch regelmäßig keinen Verstoß gegen Art. 104 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 GG, § 128 Abs. 1 Satz 1 StPO, wenn dem einlassungsbereiten Festgenommenen vor der Vorführung beim Richter Angaben von Mitbeschuldigten vorgehalten werden. Becker Schäfer Spaniol Berg Hoch

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 563/15
vom
28. April 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:280416U4STR563.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. April 2016, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible, Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Mutzbauer, Bender als beisitzende Richter, Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin des Generalbundesanwalts, Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten S. , der Angeklagte S. in Person, Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger des Angeklagten G. , Rechtsanwältin – in der Verhandlung – als Verteidigerin des Angeklagten F. , Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter der Nebenklägerin, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Siegen vom 5. Juni 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) soweit die Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen versuchten Mordes durch Unterlassen verurteilt worden sind (Fall II.3 der Urteilsgründe);
b) in den Strafaussprüchen gegen die Angeklagten S. und G. und
c) im Gesamtstrafenausspruch gegen den Angeklagten F. .
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die Revisionen der Angeklagten G. und F. werden verworfen.
4. Die Angeklagten G. und F. tragen die durch ihre Revisionen entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerin, der Angeklagte F. darüber hinaus die Kosten seines Rechtsmittels. Hinsichtlich des Angeklagten G. wird von einer Auferlegung von Kosten und Auslagen im Übrigen abgesehen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, des versuchten Mordes durch Unterlassen, der Brandstiftung und der Sachbeschädigung schuldig gesprochen und den Angeklagten F. zu der Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren, den Angeklagten G. unter Einbeziehung eines früheren Urteils zu der Jugendstrafe von fünf Jahren sowie den Angeklagten S. zu der Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
2
Mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten, vom Generalbundesanwalt nur teilweise vertretenen Revisionen wendet sich die Staatsanwaltschaft jeweils mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts gegen die Schuldsprüche wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung im Fall II.3 der Urteilsgründe und erstrebt insoweit Verurteilungen auch wegen jeweils tateinheitlich begangenen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer und versuchten Mordes durch aktives Tun. Des Weiteren beanstandet die Beschwerdeführerin die Höhe der gegen den Angeklagten S.
verhängten Jugendstrafe und den Gesamtstrafenausspruch gegen den Angeklagten F. . Die Verurteilungen der Angeklagten wegen Sachbeschädigung und Brandstiftung werden von der Staatsanwaltschaft ausweislich der Revisionsbegründungen nicht angegriffen. Die Revisionen der Angeklagten G. und F. richten sich jeweils mit der Sachbeschwerde gegen ihre Verurteilungen. Während sich die Rechtsmittel der Angeklagten als unbegründet erweisen, haben die Revisionen der Staatsanwaltschaft Erfolg.

II.


3
Nach den Feststellungen verbrachten die Angeklagten ab Oktober 2014 gemeinsam viel Zeit in der vom Angeklagten G. angemieteten Wohnung. Da G. mit der Zahlung der Miete und der Kaution für die Wohnung in Rückstand war, weshalb die Kündigung des Mietverhältnisses drohte, überlegten die Angeklagten, was sie tun könnten, um die Schulden des G. zu tilgen. Diese Überlegungen führten zu der Idee, einen Taxifahrer zu überfallen. Die Angeklagten besprachen, wie ein solcher Überfall ablaufen könnte und wem welche Aufgabe zukommen solle. Sie überlegten, den Taxifahrer abzulenken, wobei die Fahrertür aufgemacht und in der Verwirrung die Geldbörse vom Angeklagten G. an sich genommen werden sollte. Für den Fall, dass dies nicht möglich wäre, sollte gedroht oder Gewalt angewendet werden. Im Zuge dieser Diskussionen suchten die Angeklagten nach geeigneten Tatwerkzeugen. Nachdem der Angeklagte S. ein HDMI-Kabel inder Wohnung entdeckt, es dem Bruder des Angeklagten G. aus Spaß zu Demonstrationszwecken um den Hals gelegt und etwas zugezogen hatte, wodurch dieser in Luftnot geraten war, entschieden die Angeklagten, das Kabel einzusetzen, um den Taxifahrer bewegungsunfähig zu machen. Für den Fall, dass es nicht gelänge, den Fahrer abzulenken, sollte ein Schlagstock mit rechtwinklig aufgesetztem Griffstück, den der Angeklagte G. in seiner Wohnung hatte, zum Einsatz kommen, um damit zu drohen oder durch einen Schlag zu bewirken, dass der Fahrer die Gesichter der Angeklagten vergisst. Den Angeklagten war bewusst, dass sie ihrem Opfer Schmerzen und Angst zufügen würden; dass jemand zu Tode kommen könnte, bedachten sie nicht.
4
Der Versuch der Angeklagten, ihr Vorhaben noch in derselben Nacht umzusetzen und einen Taxifahrer zu überfallen, scheiterte, weil kein Taxi anhielt. Anschließend kehrten die Angeklagten zunächst in die Wohnung des G. zurück, die sie in den frühen Morgenstunden wieder verließen , weil sie aus Frustration entschieden hatten, dass in dieser Nacht noch etwas passieren müsse. Im Folgenden fassten sie den Entschluss, den Pavillon und die Weihnachtsdekoration vor einem Café in Brand zu setzen. Zu diesem Zweck gab der Angeklagte S. dem Angeklagten F. sein Sturmfeuerzeug. Während G. , der ein eigenes Feuerzeug hatte, ein Loch in die Außenhaut des Pavillons brannte, besprühte der Angeklagte F. die Dekoration mit einem mitgebrachten Deodorant und zündete sie an (II.1 der Urteilsgründe). Sodann begaben sich die Angeklagten in den Hof des in der Nähe gelegenen Pfarrzentrums, wo der Angeklagte F. , ohne mit den anderen darüber gesprochen zu haben, eine etwa zur Hälfte mit Papier gefüllte Papiermülltonne vor eine unmittelbar vor dem Gebäude stehende Holzhütte schob. F. öffnete den Deckel der Tonne und zündete das darin entsorgte Papier an. Mit dieser Aktion wollte er erreichen, dass das Feuer auf die Hütte übergreift. Zu diesem Zweck hatte er sich wieder das Sturmfeuerzeug vom Angeklagten S. geben lassen, der das Vorgehen des F. billigte. Der Angeklagte G. , der selbst versucht hatte, mit seinem Feuerzeug Feuer zu legen, war mit der Vorgehensweise ebenfalls einverstan- den. Als das Papier in der Tonne brannte, entfernten sich die Angeklagten. Durch das Feuer, das von der durch einen Passanten alarmierten Feuerwehr gelöscht werden konnte, wurde die Hütte zerstört (II.2 der Urteilsgründe).
5
Am folgenden Abend begaben sich die Angeklagten in die Stadt, um ihren Plan, einen Taxifahrer zu überfallen, ins Werk zu setzen, wobei der Angeklagte S. das HDMI-Kabel und der Angeklagte F. den Schlagstock mit sich führte. Nachdem sie am Bahnhof kein Taxi bekommen hatten, suchten die Angeklagten G. und F. eine Spielhalle auf und ließen sich von der Aufsicht telefonisch ein Taxi bestellen, das 30 Minuten später eintreffen sollte. Die bis dahin verbleibende Zeit warteten die Angeklagten gemeinsam vor der Spielhalle.
6
Als die Nebenklägerin gegen 23.45 Uhr mit dem von ihr gesteuerten Taxi vorfuhr, setzten sich – entsprechend des zuvor abgesprochenen Tatplans – der Angeklagte S. auf die Rücksitzbank links hinter die Nebenklägerin, der Angeklagte F. mit dem in der Kleidung verborgenen Schlagstock rechts neben S. und der Angeklagte G. auf den Beifahrersitz. F. gab als Fahrtziel die Ortschaft A. , Richtung Sportplatz an. Während der Fahrt sprachen die Angeklagten untereinander über Belanglosigkeiten, um Normalität vorzutäuschen. Der Angeklagte F. , der sich zeitweise mit der Nebenklägerin unterhielt, fragte diese auch nach dem Fahrpreis. Um die Nebenklägerin in Sicherheit zu wiegen, gab er sodann dem Plan entsprechend dem Angeklagten G. 10 Euro sichtbar nach vorne. In A. angekommen fuhr die Nebenklägerin durch den Ort hindurch und an dem letzten Haus des Dorfes vorbei, ehe der Angeklagte F. meinte, sie könne jetzt anhalten. Die Nebenklägerin fuhr anschließend noch eine kleine Steigung in Richtung Sportplatz hoch, um dort das Auto zu wenden. Zu diesem Zweck setzte sie das Taxi auf einem kleinen Schotterstück etwas zurück. In diesem Moment, als sie gerade vorwärts fahren und anhalten wollte, ging alles ganz schnell. Der Angeklagte S. , der schon mindestens zehn Minuten das Kabel auf seinem Schoß liegen hatte und nervös auf das Zeichen, dass es losgehen solle, wartete, wertete einen Blick des Angeklagten F. als Startzeichen , obwohl das Taxi erst im Anhaltevorgang war. Das zuvor verabredete Zeichen , ein Anstoßen von F. , wartete er nicht mehr ab. Er legte der Nebenklägerin das HDMI-Kabel für sie nicht vorhersehbar um den Hals und zog schnell und fest zu. Die Nebenklägerin, die von dem Angriff völlig überrascht war, versuchte ihre Hände unter das Kabel zu bringen, was ihr auch gelang. Nachdem einer der Angeklagten, die mit der Gegenwehr der Nebenklägerin so nicht gerechnet hatten, gesagt hatte: „Das klappt so nicht“, stieß der Angeklagte F. mit der kurzen Seite des Schlagstocks mindestens zweimal kräftig in Richtung des Hinterkopfes der Nebenklägerin. Während der erste Stoß gegen die Kopfstütze ging, traf der zweite Stoß die Nebenklägerin rechts am Hinterkopf in Höhe des Ohrs, die daraufhin sofort bewusstlos wurde. In der aufgewühlten Atmosphäre und der Ungewissheit, ob der Widerstand der Nebenklägerin schon ganz gebrochen war, forderte F. den Angeklagten G. auf, wie geplant ebenfalls zu schlagen. G. , der vom Beifahrersitz aus die Reaktionen der Nebenklägerin anders als die anderen genau wahrnahm und erkannte, dass es keines Einwirkens mehr bedurfte, um den Raub zu beenden, zögerte zunächst, kam dann aber der wiederholten Aufforderung nach und schlug der bewusstlosen Nebenklägerin mindestens zweimal mit der Faust gegen die rechte Wange. Der Angeklagte S. zog das Kabel weiterhin fest zu, wobei durch die Strangulation weder eine tiefe Strangfurche noch Stauungsblutungen hervorgerufen wurden. Die Strangulation und der Treffer mit dem Schlagstock waren konkret nicht lebensbedrohlich. Die Nebenklägerin blieb bewusstlos; die Angeklagten hörten laute Atemgeräusche, die ihnen zeigten , dass sie atmete.
7
Da die Angeklagten nunmehr erkannten, dass die Lage gesichert war, wies F. den Angeklagten S. an, das Fahrzeug zu verlassen. S. ließ zu diesem Zweck zunächst ein Ende des Kabels los, das F. ergriff. Entsprechend machten sie es mit dem zweiten Kabelende. So sicherten sie die Spannung des Kabels, um bei einem Erwachen der Nebenklägerin reagieren zu können. Sie fürchteten, dass die Nebenklägerin wieder zu Bewusstsein kommt, bevor sie flüchten könnten. Während F. , der auf der Rücksitzbank verharrte, das Kabel festhielt und nicht locker ließ, den Druck auf den Hals der Nebenklägerin aber nicht verstärkte, begab sich der zwischenzeitlich ausgestiegene Angeklagte G. zur Fahrertür des Taxis, wo er die Geldbörse der Nebenklägerin mit knapp 300 Euro Bargeld an sich nahm und einsteckte. Den Angeklagten wurden nach der Hektik ihrer Handlungen die Not der Nebenklägerin und ihr Ringen nach Luft bewusst. Dass sie jemanden verletzen würden, hatten sie bewusst in Kauf genommen, wie aber eine bewusstlose und leidende Person aussieht, hatten sie nicht bedacht.
8
Dem Drängen des Angeklagten G. , nun endlich zu flüchten , folgend, stieg der Angeklagte F. ebenfalls aus dem Fahrzeug aus. Gemeinsam rannten die Angeklagten davon, nicht weil sie glaubten, schon von einem Dritten entdeckt zu werden, sondern weil sie damit rechneten, dass die Nebenklägerin aufwacht, oder aber fürchteten, dass sie stirbt. F. , der hinter den anderen Angeklagten lief, rief den beiden zu, dass sie einen Rettungswagen rufen müssen. Der Gedanke, dass die Nebenklägerin ohne ihre Hilfe und ohne weiteres Zutun versterben könnte, reifte bei den Angeklagten zur konkreten Möglichkeit. Während sie darüber diskutierten, einen Notarzt zu ru- fen, schauten sie zurück in Richtung des Taxis. Im Gespräch wurde ihnen klar, dass die Nebenklägerin noch nicht wieder losgefahren war. Der Angeklagte F. kam nun auf den Gedanken, dass die Nebenklägerin sich an ihrem Speichel oder an sonstigen Flüssigkeiten, die sie hochwürgen könnte, verschlucken und ersticken könnte. Da G. und S. fürchteten, durch einen Notruf identifiziert und überführt werden zu können, entschieden sie gemeinsam , die Nebenklägerin sich selbst zu überlassen und mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Mobiltelefon keinen Notruf abzusetzen. Sie liefen weiter in den Wald hinein und nahmen den Tod der Nebenklägerin billigend in Kauf. Der Angeklagte F. trug die Entscheidung bewusst mit, auch er wollte nicht „erwischt“ werden. Noch im Wald teilten sie die Beute, die Geldbörse und Papiere der Nebenklägerin sowie das Kabel und den Schlagstock warfen sie weg.
9
Die Nebenklägerin erwachte nach ca. sieben Minuten aus der Bewusstlosigkeit. Ihr Hals schmerzte; sie hatte eingenässt, konnte nicht richtig schlucken und glaubte, innerlich verbrennen zu müssen, weshalb sie ausstieg und sich auf den Teer legen wollte, um sich zu kühlen. Als sie realisierte, was ihr geschehen war, setzte sie sich panisch zurück ins Fahrzeug und fuhr in die Ortschaft , von wo aus sie mit ihrem Mobiltelefon die Polizei rief (II.3 der Urteilsgründe ).
10
Das Landgericht hat die Angeklagten im Fall II.3 der Urteilsgründe jeweils des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und des versuchten Verdeckungsmordes durch Unterlassen schuldig gesprochen. Eine Strafbarkeit der Angeklagten auch wegen tateinheitlich begangenen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer nach § 316a Abs. 1 StGB hat es verneint, weil ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs, die an diesem abgelegenen Ort ohnehin zweifelhaft erschienen, von den Angeklagten weder geplant noch gewollt gewesen sei.

III.


11
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind in vollem Umfang begründet. Die Beschwerdeführerin beanstandet zu Recht, dass das Landgericht eine Verurteilung der Angeklagten jeweils auch wegen tateinheitlich begangenen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer mit rechtlich unzutreffenden Erwägungen verneint hat. Dies führt zur Aufhebung der Verurteilungen im Fall II.3 der Urteilsgründe, der Strafaussprüche bei den Angeklagten S. und G. sowie des gegen den Angeklagten F. ergangenen Gesamtstrafenausspruchs.
12
1. Die Strafvorschrift des § 316a Abs. 1 StGB setzt voraus, dass bei dem auf Leib, Leben oder Entschlussfreiheit des Fahrers eines Kraftfahrzeugs verübten Angriff die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausgenutzt werden. Danach ist erforderlich, dass der tatbestandsmäßige Angriff gegen das Tatopfer als Kraftfahrzeugführer unter Ausnutzung der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs begangen wird. In objektiver Hinsicht ist dies der Fall, wenn der Führer eines Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt des Angriffs in einer Weise mit der Beherrschung seines Kraftfahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist, dass er gerade deswegen leichter zum Angriffsobjekt eines Überfalls werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 28. Juni 2005 – 4 StR 299/04, BGHSt 50, 169, 172; vom 25. September 2007 – 4 StR 338/07, BGHSt 52, 44, 46). Befindet sich das Fahrzeug beim Verüben des Angriffs in Bewegung, liegt diese Voraussetzung regelmäßig vor, weil dem Führer eines sich fortbewegenden Kraftfahrzeugs die Gegenwehr gegen den Angriff infolge der Beanspruchung durch das Lenken des Fahrzeugs wegen der damit verbundenen Konzentration auf die Verkehrslage und die Fahrzeugbedienung erschwert ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2012 – 4 StR 244/12, NStZ 2013, 43; Urteil vom 23. April 2015 – 4 StR 607/14, NStZ 2015, 653, 654 m. krit. Anm. Sowada, StV 2016, 292, 294). Subjektiv ist ausreichend, dass sich der Täter – entsprechend dem Ausnutzungsbewusstsein bei der Heimtücke nach § 211 Abs. 2 StGB – in tatsächlicher Hinsicht der die Abwehrmöglichkeiten des Tatopfers einschränkenden besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs bewusst ist. Nicht erforderlich ist hingegen, dass er eine solche Erleichterung seines Angriffs zur ursächlichen Bedingung seines Handelns macht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Juni 2005 – 4 StR 299/04 aaO; vom 25. September 2007 – 4 StR 338/07 aaO).
13
2. An diesen Maßstäben gemessen halten die Erwägungen, mit denen das Landgericht ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs verneint hat, einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
14
Nach den Feststellungen fand der mit dem Kabel geführte Angriff des Angeklagten S. auf die Nebenklägerin zu einem Zeitpunkt statt, als das Taxi noch rollte und die Nebenklägerin infolgedessen mit der Bedienung des Fahrzeugs befasst war. Damit liegen – entgegen der Bedenken des Landgerichts – objektiv die Voraussetzungen für ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs vor, ohne dass es darauf ankommt, dass sich die Tat an einem einsamen Ort ohne weiteres Verkehrsaufkommen ereignete. Soweit die Jugendkammer in subjektiver Hinsicht darauf verweist, dass ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs von den Angeklagten nicht geplant worden sei, stellt sie auf einen unzutreffenden Beurteilungszeitpunkt ab. Denn für die subjektive Tatseite maßgeblich ist nicht ein früherer Tatplan, sondern die konkrete subjektive Vorstellung der Täter bei Ausübung des Angriffs. Schließlich hat die Jugendkammer nicht bedacht, dass für die subjektive Erfüllung des Tatbestandsmerkmals nicht erforderlich ist, dass der Täter sich durch die verkehrsspezifischen Umstände zielgerichtet einen Vorteil für sein Angriffsvorhaben verschaffen will. Es reicht vielmehr aus, dass er die sich aus den besonderen Verhältnissen des Straßenverkehrs ergebenden tatsächlichen Umstände in der Weise erkennt, dass er sich bewusst ist, ein hierdurch in seinen Abwehrmöglichkeiten beeinträchtigtes Tatopfer anzugreifen.
15
3. Der Umstand, dass der Angeklagte S. mit seinem noch vordem Anhalten des Taxis verübten Angriff auf die Nebenklägerin von dem gemeinsamen Tatplan abwich, schließt nicht aus, sein Vorgehen den Angeklagten G. und F. im Wege der (sukzessiven) Mittäterschaft zuzurechnen.
16
Zwar kann einem Mittäter das Handeln eines anderen Mittäters, das über das gemeinsam Gewollte hinausgeht, nicht zugerechnet werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Zurechnung keine ins Einzelne gehende Vorstellung von den Handlungen des anderen Tatbeteiligten erfordert. Regelmäßig werden die Handlungen des anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Falles gerechnet werden musste, vom Willen des Mittäters umfasst , auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat. Ebenso ist er für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich, wenn er mit der Handlungsweise seines Tatgenossen einverstanden oder sie ihm zumindest gleichgültig war (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 5. August 2010 – 3 StR 210/10; vom 26. April 2012 – 4 StR 51/12, NStZ 2012, 563; vom 19. März 2013 – 5 StR 575/12, NStZ 2013, 400). Sukzessive Mittäterschaft kommt in Betracht, wenn ein Täter in Kenntnis und mit Billigung des bisher Ge- schehenen – selbst bei Abweichungen vom ursprünglichen Tatplan in wesentlichen Punkten – in eine bereits begonnene Ausführungshandlung eintritt und er sich mit dem anderen vor Beendigung der Tat zu gemeinschaftlicher weiterer Ausführung verbindet. Sein Einverständnis bezieht sich dann auf die Gesamttat mit der Folge, dass ihm die gesamte Tat zugerechnet werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2007 – 1 StR 301/07, NStZ 2008, 280, 281; vom 14. Februar 2012 – 3 StR 446/11, NStZ 2012, 379, 380; vom 22. Mai 2013 – 2 StR 14/13, NStZ-RR 2014, 73; Urteil vom 14. Januar 2016 – 4 StR 72/15, NStZ 2016, 211, 214 Rn. 20). Angesichts dessen, dass der AngeklagteS. mit seinem geringfügig zeitlich vorgezogenen Angriff auf das Tatopfer nur unwesentlich von der gemeinsamen Tatplanung abwich und die Angeklagten im Folgenden den Überfall wie verabredet arbeitsteilig durchführten, liegt es danach nicht fern, dass der Angriff auf die noch mit der Bedienung des in Bewegung befindlichen Taxis befasste Nebenklägerin auch vom Wollen der Angeklagten G. und F. umfasst war oder sich jedenfalls deren Vorsatz sukzessiv auf dieses Vorgehen erstreckte.
17
4. Die Schuldsprüche wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung haben damit keinen Bestand. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils ist indes auch auf die Verurteilungen jeweils wegen tatmehrheitlich begangenen versuchten Mordes durch Unterlassen zu erstrecken , weil die strafrechtliche Würdigung des Unterlassens von Rettungsbemühungen seitens der Angeklagten im Anschluss an den verübten Überfall nicht unabhängig von der neu vorzunehmenden tatrichterlichen Bewertung des Überfalls selbst erfolgen kann. Sollte der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter zur Feststellung eines mit Tötungsvorsatz begangenen Überfalls der Angeklagten auf die Nebenklägerin gelangen, wäre für eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen versuchten Verdeckungsmordes durch Unterlassen kein Raum. Dabei kann offenbleiben, ob in dieser Fallkonstellation bereits keine Pflicht zur Erfolgsabwendung besteht (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 1995 – 1 StR 465/95, NStZ-RR 1996, 131) oder es sich bei dem Verhältnis von Begehungszum nachfolgenden Unterlassungsunrecht um eine Konkurrenzfrage handelt (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 13 Rn. 57 mwN; Kudlich in Satzger/ Schluckebier/Widmaier, StGB, 2. Aufl., § 13 Rn. 22 mwN). Jedenfalls fehlte es an der Verdeckung einer anderen Tat (vgl. BGH, Urteile vom 12. Dezember 2002 – 4 StR 297/02, NStZ 2003, 312, 313; vom 14. Dezember 2006 – 4 StR 419/06, NStZ-RR 2007, 111; Beschluss vom 21. April 2009 – 1 StR 73/09, NStZ-RR 2009, 239).

IV.


18
Die Revisionen der Angeklagten G. und F. bleiben ohne Erfolg.
19
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen hat aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 16. Dezember 2015 genannten Gründen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

V.


20
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass auch bei der Anwendung von Jugendstrafrecht die Erwägungen zur Strafzumessung nicht mit solchen zur Strafaussetzung zur Bewährung vermischt werden dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2008 – 2 StR 85/08, NStZ 2008, 693; Radtke in MüKo-StGB, 2. Aufl., § 21 JGG Rn. 3 mwN).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.