Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Sept. 2019 - 4 StR 383/19

bei uns veröffentlicht am25.09.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 383/19
vom
25. September 2019
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:250919B4STR383.19.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts, zu Ziff. 2. auf dessen Antrag, am 25. September 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 18. März 2019 im Adhäsionsausspruch aufgehoben. Von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag wird abgesehen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die im Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt der Adhäsionskläger.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und ihn „aufgrund seines Anerkenntnisses“ verurteilt , an den Adhäsionskläger für die ihm beigebrachte Körperverletzung 820 Euro nebst Zinsen zu zahlen.
2
Dagegen richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat lediglich zum Adhäsionsausspruch Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Der Adhäsionsausspruch hat keinen Bestand. Das Landgericht war rechtlich gehindert, gegen den Angeklagten ein Anerkenntnisurteil gemäß § 406 Abs. 2 StPO zu erlassen, weil die von Amts wegen zu prüfenden Sachurteilsvoraussetzungen (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 7. November 2018 – 4 StR 353/18, GSZ 2019, 80, 81; BGH, Beschluss vom 10. November 2009 – XI ZB 15/09, NJW-RR 2010, 275; Zöller/Feskorn, ZPO, 32. Aufl., § 307 Rn. 5) nicht vorlagen. Da der Adhäsionskläger mit Schriftsatz vom 20. Februar 2019 lediglich einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe angebracht, aber nach deren Bewilligung den erforderlichen, den Anforderungen des § 404 Abs. 1 StPO genügenden Adhäsionsantrag nicht gestellt hatte, wurde ein Prozessrechtsverhältnis zwischen dem Angeklagten und dem Adhäsionskläger nicht begründet (vgl. Senat, Beschlüsse vom 9. August 1988 – 4 StR 342/88, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Antragstellung 1; vom 11. Oktober 2016 – 4 StR 352/16, StV 2017, 509; vom 18. Juli 2018 – 4 StR 170/18, StraFo 2018, 483).
4
2. Es entspricht pflichtgemäßem Ermessen, dem Adhäsionskläger als Folge der Absehensentscheidung die im Adhäsionsverfahren entstandenen Kosten und Auslagen aufzuerlegen (§ 472a StPO).

Sost-Scheible Roggenbuck Bender
Feilcke Paul

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Sept. 2019 - 4 StR 383/19

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Sept. 2019 - 4 StR 383/19

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 406 Entscheidung über den Antrag im Strafurteil; Absehen von einer Entscheidung


(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die

Strafprozeßordnung - StPO | § 404 Antrag; Prozesskostenhilfe


(1) Der Antrag, durch den der Anspruch geltend gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlußvorträge gestellt werden. Er muß den Gegenstand und Grund des
Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Sept. 2019 - 4 StR 383/19 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Strafprozeßordnung - StPO | § 472a Kosten und notwendige Auslagen bei Adhäsionsverfahren


(1) Soweit dem Antrag auf Zuerkennung eines aus der Straftat erwachsenen Anspruchs stattgegeben wird, hat der Angeklagte auch die dadurch entstandenen besonderen Kosten und die notwendigen Auslagen des Antragstellers im Sinne der §§ 403 und 404 zu tr

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die Entscheidung kann sich auf den Grund oder einen Teil des geltend gemachten Anspruchs beschränken; § 318 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Das Gericht sieht von einer Entscheidung ab, wenn der Antrag unzulässig ist oder soweit er unbegründet erscheint. Im Übrigen kann das Gericht von einer Entscheidung nur absehen, wenn sich der Antrag auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Antragstellers zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet. Der Antrag ist insbesondere dann zur Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet, wenn seine weitere Prüfung, auch soweit eine Entscheidung nur über den Grund oder einen Teil des Anspruchs in Betracht kommt, das Verfahren erheblich verzögern würde. Soweit der Antragsteller den Anspruch auf Zuerkennung eines Schmerzensgeldes (§ 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) geltend macht, ist das Absehen von einer Entscheidung nur nach Satz 3 zulässig.

(2) Erkennt der Angeklagte den vom Antragsteller gegen ihn geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise an, ist er gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen.

(3) Die Entscheidung über den Antrag steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Das Gericht erklärt die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar; die §§ 708 bis 712 sowie die §§ 714 und 716 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er anderweit geltend gemacht werden. Ist über den Grund des Anspruchs rechtskräftig entschieden, so findet die Verhandlung über den Betrag nach § 304 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung vor dem zuständigen Zivilgericht statt.

(4) Der Antragsteller erhält eine Abschrift des Urteils mit Gründen oder einen Auszug daraus.

(5) Erwägt das Gericht, von einer Entscheidung über den Antrag abzusehen, weist es die Verfahrensbeteiligten so früh wie möglich darauf hin. Sobald das Gericht nach Anhörung des Antragstellers die Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Antrag für nicht gegeben erachtet, sieht es durch Beschluss von einer Entscheidung über den Antrag ab.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 353/18
vom
7. November 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs
ECLI:DE:BGH:2018:071118B4STR353.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 7. November 2018 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 24. April 2018 wird als unbegründet verworfen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dadurch im Adhäsionsverfahren entstandenen Kosten und notwendigen Auslagen des Adhäsionsklägers zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 97 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und hiervon drei Monate für vollstreckt erklärt. Zudem hat es die Einziehung eines Betrags in Höhe von 67.145 Euro als Wertersatz angeordnet und den Angeklagten verurteilt, an den Adhäsionskläger 335.000 Euro nebst Zinsen zu zahlen.
2
1. Das auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Rechtsmittel des Angeklagten hat aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 20. August 2018 zum Schuld- und Rechtsfolgenausspruch keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
2. Auch die Verurteilung des Angeklagten zur Zahlung von Schadensersatz „gemäß seinem wirksamen prozessualen Anerkenntnis“ hält rechtlicher Nachprüfung stand, obwohl „der dem Anerkenntnis zugrunde liegende Schaden (…) zum Teil auf den gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 StPO vorläufig ein- gestellten Taten des Angeklagten (…) beruht“ und „der Angeklagte insoweit nicht im Sinne des § 406 Abs. 1 Satz 1 StPO schuldig gesprochen“ wurde.
4
a) Dem liegt folgendes Geschehen zugrunde:
5
Unter Bezugnahme auf die vom Amtsgericht Ibbenbüren zugelassene und zunächst vor diesem verhandelte Anklageschrift der Staatsanwaltschaft beantragte der Adhäsionskläger, den Angeklagten zur Zahlung von 335.000 Euro, die der Angeklagte im Zeitraum von August 2008 bis Januar 2013 betrügerisch von ihm erlangt habe, nebst Zinsen zu verurteilen. In der Hauptverhandlung vom 5. August 2014 erkannte der Angeklagte den Anspruch an. Im Mai 2015 verwies das Amtsgericht die Sache an das Landgericht Münster. Dieses stellte das Verfahren im April 2018 gemäß § 154 Abs. 2 StPO hinsichtlich der vor dem 21. Juli 2011 liegenden Betrugstaten ein. Die der strafrechtlichen Verurteilung zugrunde liegenden 97 Betrugstaten betreffen Zahlungen des Adhäsionsklägers im Zeitraum vom 21. Juli 2011 bis zum 24. Januar 2013 in Höhe von 67.145 Euro. Nach den Urteilsfeststellungen erschlich sich der Angeklagte auch die weiter gehenden Zahlungen in dem von der Verfahrenseinstellung umfassten Zeitraum jeweils durch Täuschung des Adhäsionsklägers.
6
b) Der Verurteilung des Angeklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 335.000 Euro nebst Zinsen gemäß seinem Anerkenntnis steht nicht entgegen, dass das Landgericht den Angeklagten – abweichend von § 406 Abs. 1 Satz 1 StPO – nicht wegen sämtlicher Straftaten schuldig gesprochen hat, die der Adhäsionsentscheidung zugrunde liegen. Die Teileinstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO schränkte die durch § 406 Abs. 2 StPO angeordnete Verpflichtung des Landgerichts nicht ein, den Angeklagten gemäß seinem zuvor erklärten Anerkenntnis zu verurteilen.
7
aa) Nach § 406 Abs. 2 StPO ist der Angeklagte gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen, wenn er den vom Antragsteller gegen ihn geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise anerkennt. Diese Vorschrift ist gegenüber § 406 Abs. 1 Satz 1 StPO die speziellere Regelung. Weder mit ihrem Zweck noch dem Dispositionsrecht des Angeklagten ist es zu vereinbaren, seine Verurteilung gemäß dem Anerkenntnis davon abhängig zu machen, dass der Tatrichter – abweichend vom zivilverfahrensrechtlichen Prüfungsmaßstab (§ 307 ZPO; vgl. dazu BGH, Beschluss vom 10. November 2009 – XI ZB 15/09, NJW-RR 2010, 275 Rn. 15) – den dem anerkannten Anspruch zugrunde liegenden strafrechtlichen Sachverhalt (§ 264 StPO) weiter aufklärt oder den Angeklagten entweder schuldig spricht oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung unterwirft (vgl. BT-Drucks. 15/1976, S. 17; BGH, Beschlüsse vom 9. Oktober 2013 – 4 StR 364/13, NStZ-RR 2014, 371 Rn. 16; vom 15. Januar 2014 – 4 StR 432/13, Rn. 4; vom 21. Januar 2014 – 2 StR 434/13, Rn. 12 f.; AG BerlinTiergarten , Urteil vom 23. März 2011 – 34 Js 5355/10, NStZ-RR 2011, 383; Schneckenberger in Weiner/Ferber, Handbuch des Adhäsionsverfahrens, 2. Aufl., Rn. 163; aA OLG Koblenz, Beschluss vom 9. Juli 2014 – 2 OLG 3 Ss 198/13, Rn. 12; SK-StPO/Velten, 4. Aufl., § 406 Rn. 11; Bahnson, Das Adhäsionsverfahren nach dem Opferrechtsreformgesetz 2004, 2008, S. 98 f.; vgl. auch Klein, Das Adhäsionsverfahren nach der Neuregelung durch das Opferrechtsreformgesetz , 2007, S. 251). Gegenüber einem Anerkenntnis des Angeklagten – als Ausdruck der Parteiautonomie und der im Zivilprozess geltenden Disposi- tionsmaxime – kommt der strafrechtlichen Bewertung in der Regel keine Bedeutung zu (vgl. BT-Drucks. 15/1976, S. 15 und 17; BGH, Beschluss vom 21. Januar 2014 – 2 StR 434/13, Rn. 12 mwN; Schneckenberger in Weiner/Ferber, Handbuch des Adhäsionsverfahrens, 2. Aufl., Rn. 163). Jedenfalls wenn – wie hier – die Gefahr widersprüchlicher zivil- und strafrechtlicher Entscheidungen nicht besteht, bedarf es auch mit Blick auf § 406a Abs. 3 StPO keiner einschränkenden Auslegung des § 406 Abs. 2 StPO (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Januar 2014 – 4 StR 532/13, Rn. 4; vom 21. Januar 2014 – 2 StR 434/13, Rn. 13; LR-StPO/Hilger, 26. Aufl., § 406 Rn. 33; offen lassend Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 406 Rn. 4).
8
bb) Da die Parteien über den sachlich-rechtlichen Anspruch, nicht aber über die Prozessvoraussetzungen disponieren können, hat das Gericht bei einem Anerkenntnis des Adhäsionsanspruchs zu prüfen, ob die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2009 – XI ZB 15/09, NJW-RR 2010, 275 Rn. 15; Zöller/Feskorn, ZPO, 32. Aufl., § 307 Rn. 5). Gegen die Zulässigkeit des Adhäsionsantrags zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses – und damit gegen eine Verurteilung gemäß dem Anerkenntnis im Sinne des § 406 Abs. 2 StPO – bestehen hier keine Bedenken.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 15/09
vom
10. November 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Der Antrag, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, enthält nicht zugleich einen
Antrag auf Verlängerung einer laufenden Berufungsbegründungsfrist.

b) Ist die Berufung unzulässig, weil die Berufungsbegründungsfrist nicht gewahrt ist,
so darf im Berufungsverfahren ein Anerkenntnisurteil jedenfalls dann nicht ergehen
, wenn das Anerkenntnis nach Versäumung der Berufungsbegründungsfrist
erklärt worden ist.
BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - XI ZB 15/09 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Wiechers und die Richter Dr. Joeres, Dr. Ellenberger, Maihold und Dr. Matthias
am 10. November 2009

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Kläger gegen den Beschluss des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 12. März 2009 wird als unzulässig verworfen. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 20.135,96 €.

Gründe:

I.

1
Die Parteien streiten um die von den Klägern begehrte Rückabwicklung eines zur Finanzierung einer Fondsbeteiligung gewährten Darlehens.
2
Gegen das Urteil des Landgerichts, mit dem die Klage abgewiesen worden ist, haben die Kläger, denen dieses Urteil am 29. August 2007 zugestellt worden ist, am 26. September 2007 Berufung eingelegt. Auf Antrag der Kläger und mit Zustimmung der Beklagten hat das Berufungsgericht am 10. Oktober 2007 nach § 251 ZPO das Ruhen des Verfahrens angeordnet. In dem Beschluss ist ausdrücklich auf "§ 251 Satz 2 ZPO" hingewiesen worden.
3
Mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2008 haben die Kläger die Berufung begründet. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 15. Januar 2009 Teilanerkenntnis erklärt und im Übrigen die Zurückweisung der Berufung beantragt. In Höhe des nicht anerkannten Teils haben die Kläger unter dem 27. Januar 2009 die Klage zurückgenommen. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19. Februar 2009 das Teilanerkenntnis widerrufen, die Ansicht vertreten, das Anerkenntnis sei wirkungslos, und die Verwerfung der Berufung beantragt.
4
Nach entsprechendem Hinweis hat das Berufungsgericht mit Beschluss vom 12. März 2009 die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Berufung sei von den Klägern nicht innerhalb der bis zum 29. Oktober 2007 laufenden Frist begründet worden. Nach § 251 Satz 2, § 233 ZPO habe die Anordnung des Ruhens des Verfahrens den Lauf der Begründungsfrist nicht beeinflusst. Entgegen der Auffassung der Kläger enthalte deren Antrag auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens vom 9. Oktober 2007 keinen stillschweigenden Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist. Dafür liefere der Wortlaut des Antrags keinen Anhalt. Zudem sei nicht erkennbar, dass der wirkliche Wille der Kläger damals dahin gegangen sei, auch eine Verlängerung der Begründungsfrist zu beantragen. Die Unzulässigkeit der Berufung schließe den Erlass eines Anerkenntnisurteils aus. Es entspreche ständiger Rechtsprechung, dass einer Entscheidung im Rechtsmittelverfahren zwingend die Prüfung der Rechtsmittelvoraussetzungen vorauszugehen habe.

II.

5
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (vgl. BGHZ 151, 42, 43; 151, 221, 223; 155, 21, 22), sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs weder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) noch zur Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) erforderlich.
6
1. Der Beschluss des Berufungsgerichts geht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung davon aus, dass die Frist zur Begründung der Berufung nicht eingehalten und deswegen die Berufung der Beklagten unzulässig ist. Das Berufungsgericht hat dabei entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Ansicht weder die für die Auslegung von Prozesserklärungen geltenden Regeln missachtet, noch das Recht der Kläger auf effektiven Rechtsschutz oder auf rechtliches Gehör (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip ; vgl. BVerfG, NJW 2003, 281) verletzt.
7
a) Die Berufung der Kläger ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der in § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO bestimmten Frist begründet worden ist. Die Anordnung des Ruhens des Verfahrens hat den Lauf dieser Frist nach § 251 Satz 2, § 233 ZPO nicht beeinflusst.
8
b) Der Verwerfung der Berufung steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht nicht über eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist entschieden hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Februar 1988 - IVb ZB 19/88, NJWRR 1988, 581 und vom 5. April 2001 - VII ZB 37/00, NJW-RR 2001, 931). Das Berufungsgericht ist vielmehr zu Recht davon ausgegangen, dass die Kläger keinen solchen Antrag gestellt haben. Insbesondere ist deren Antrag auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens nicht zugleich als Antrag auf Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung auszulegen.
9
aa) Bei Auslegung einer Prozesserklärung darf eine Partei nicht am buchstäblichen Sinn ihrer Wortwahl festgehalten werden, sondern es ist davon auszugehen, dass sie mit ihrer Prozesshandlung das erreichen will, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH, Urteile vom 24. November 1999 - XII ZR 94/98, NJW-RR 2000, 1446, vom 17. Mai 2000 - VIII ZR 210/99, WM 2000, 1512, 1514 und vom 16. September 2008 - VI ZR 244/07, NJW 2009, 751, Tz. 11; Beschlüsse vom 30. April 2003 - V ZB 71/02, NJW 2003, 2388, vom 2. Juli 2004 - V ZR 290/03, NJW-RR 2005, 371, 372 und vom 24. März 2009 - VI ZB 89/08, MDR 2009, 760). Dabei bestimmen allerdings, was die Rechtsbeschwerde übersieht, nicht allein die tatsächlichen Interessen der erklärenden Partei das Verständnis der abgegebenen Erklärung. Vielmehr müssen sich diese aus den im Zeitpunkt der Erklärung äußerlich in Erscheinung tretenden Umständen ersehen lassen. Maßgebend ist unter Beachtung der durch die gewählte Formulierung gezogenen Auslegungsgrenzen der objektiv zum Ausdruck kommende Wille des Erklärenden (BGH, Beschlüsse vom 15. März 2006 - IV ZB 38/05, NJW-RR 2006, 862, Tz. 13, vom 30. Mai 2007 - XII ZB 82/06, NJW 2007, 3640, Tz. 26 und vom 24. März 2009 - VI ZB 89/08, MDR 2009, 760).
10
bb) Nach diesen Grundsätzen eröffnet, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, bereits der Wortlaut des Antrags der Kläger keinen Raum für eine Auslegung als doppelte Prozesserklärung, die sowohl auf die Anordnung des Ruhens des Verfahrens als auch auf die Verlängerung der Be- rufungsbegründungsfrist gerichtet ist. Weder der Antrag noch die Mitteilung der Zustimmung der Klägerseite weisen irgendeinen Bezug auf die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf.
11
Zudem war auch aus den sonstigen Umständen weder für das Berufungsgericht noch für die Beklagte erkennbar, dass die Kläger mit ihrem Schriftsatz vom 9. Oktober 2007 nicht nur das Ruhen des Verfahrens, sondern zudem eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist begehrten. Zu diesem Zeitpunkt konnte nämlich die am 29. Oktober 2007 ablaufende Frist für die Berufungsbegründung , worauf die Beschwerdeerwiderung zutreffend hinweist, ohne Schwierigkeiten noch eingehalten werden. Es mag zwar damals ein Interesse der Kläger bestanden haben, aus Kostengründen zunächst von einer Begründung der Berufung abzusehen. Dies hat jedoch weder in dem Schriftsatz der Klägervertreter vom 9. Oktober 2007 noch in sonstigen Äußerungen einen Niederschlag gefunden.
12
cc) Das Berufungsgericht befindet sich damit - worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung ebenfalls zutreffend hinweist - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, so dass auch aus diesem Grund die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird ein Antrag auf Ruhen des Verfahrens für sich genommen nicht zugleich als Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist für eine Berufung aufgefasst (vgl. Beschluss vom 28. September 2000 - V ZB 35/00, NJW-RR 2001, 572; zustimmend MünchKommZPO/Gehrlein, 3. Aufl., § 251 Rn. 16; Musielak/ Stadler, ZPO, 6. Aufl., § 251 Rn. 5; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 251 Rn. 9). Diesen Grundsatz hat das Berufungsgericht, das bei seiner Würdigung auch die Umstände des vorliegenden Falles bedacht hat, seiner Entscheidung zugrunde gelegt.
13
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht nach § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung zulässig, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts , trotz eines Teilanerkenntnisses durch die Beklagte die Berufung der Kläger insgesamt als unzulässig zu verwerfen, eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufwirft.
14
Das Berufungsgericht ist vielmehr der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gefolgt, nach der im Rechtsmittelverfahren ein Anerkenntnisurteil nicht ergehen darf, wenn das Rechtsmittel unzulässig ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 1993 - IX ZR 51/93, WM 1994, 608, 609). Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage ist jedenfalls für den hier entscheidungserheblichen Fall eines Anerkenntnisses nach Eintritt der Unzulässigkeit des Rechtsmittels geklärt.
15
Mit einem Anerkenntnis kann der Beklagte zwar über den sachlichrechtlichen Anspruch disponieren, so dass es dem Gericht verwehrt ist, den ihm ursprünglich vorgelegten Streitstoff zu überprüfen (vgl. BGHZ 10, 333, 335; BGH, Urteil vom 20. März 2001 - VI ZR 325/99, NJW 2001, 3414). Die Parteien können jedoch grundsätzlich nicht über Prozess- und Rechtsmittelvoraussetzungen verfügen, so dass diese auch im Falle eines Anerkenntnisses vom Gericht zu prüfen sind (vgl. BGH, Urteile vom 25. November 1993 - IX ZR 51/93, WM 1994, 608, 609 und vom 30. März 2001 - VI ZR 325/99, NJW 2001, 3414). Die Literatur teilt ganz überwiegend diesen Standpunkt der Rechtsprechung (Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 307 Rn. 48; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 307 Rn. 4; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl., § 307 Rn. 10; Wieczorek/Schütze/Rensen, ZPO, 3. Aufl., § 307 Rn. 19; aA Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 16. Aufl., § 131 Rn. 55).
16
Das Reichsgericht äußert sich - anders als die Rechtsbeschwerde meint - in einer älteren Entscheidung (RGZ 165, 85 ff.), die ein Verzichtsurteil betrifft, nicht zu dessen Erlass trotz Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Vielmehr war in dem vom Reichsgericht zu beurteilenden Sachverhalt die Berufung bei Erklärung eines teilweisen Verzichts zulässig, so dass sich das Reichsgericht (RGZ 165, 85, 86 ff.) mit der - für die vorliegende Rechtsbeschwerde bedeutungslosen - Frage zu befassen hatte, ob die Berufung nachträglich unzulässig wird, wenn der nach Erklärung eines Teilverzichts verbleibende Streitwert die Berufungssumme nicht mehr erreicht.
17
Das Teilanerkenntnis der Beklagten enthob damit das Berufungsgericht nicht der Notwendigkeit, alle prozessualen Urteilsvoraussetzungen zu prüfen. Die im Zeitpunkt der Erklärung des Anerkenntnisses bereits beistehende Unzulässigkeit der Berufung stand dem Erlass eines Anerkenntnisurteils entgegen.
18
3. Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist ist zum einen im Berufungsverfahren nicht beantragt worden und kommt - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - nach § 233 ZPO zudem sachlich nicht in Betracht, da die Versäumung der Begründungsfrist auf einem schuldhaften Versehen der Prozessbevollmächtigten der Kläger beruht (§ 85 Abs. 2 ZPO). Diese haben ersichtlich die Regelung des § 251 Satz 2 ZPO übersehen, obwohl das Berufungsgericht darauf in seinem Beschluss vom 10. Oktober 2007 ausdrücklich hingewiesen hat.
Wiechers Joeres Ellenberger Maihold Matthias
Vorinstanzen:
LG Mannheim, Entscheidung vom 21.08.2007 - 9 O 429/06 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 12.03.2009 - 17 U 169/07 (08) -

(1) Der Antrag, durch den der Anspruch geltend gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlußvorträge gestellt werden. Er muß den Gegenstand und Grund des Anspruchs bestimmt bezeichnen und soll die Beweismittel enthalten. Ist der Antrag außerhalb der Hauptverhandlung gestellt, so wird er dem Beschuldigten zugestellt.

(2) Die Antragstellung hat dieselben Wirkungen wie die Erhebung der Klage im bürgerlichen Rechtsstreit. Sie treten mit Eingang des Antrages bei Gericht ein.

(3) Ist der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt, so wird der Antragsteller von Ort und Zeit der Hauptverhandlung benachrichtigt. Der Antragsteller, sein gesetzlicher Vertreter und der Ehegatte oder Lebenspartner des Antragsberechtigten können an der Hauptverhandlung teilnehmen.

(4) Der Antrag kann bis zur Verkündung des Urteils zurückgenommen werden.

(5) Dem Antragsteller und dem Angeschuldigten ist auf Antrag Prozeßkostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen, sobald die Klage erhoben ist. § 121 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gilt mit der Maßgabe, daß dem Angeschuldigten, der einen Verteidiger hat, dieser beigeordnet werden soll; dem Antragsteller, der sich im Hauptverfahren des Beistandes eines Rechtsanwalts bedient, soll dieser beigeordnet werden. Zuständig für die Entscheidung ist das mit der Sache befaßte Gericht; die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 352/16
vom
11. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:111016B4STR352.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11. Oktober 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 10. Februar 2016 im Adhäsionsausspruch aufgehoben; von einer Entscheidung im Adhäsionsverfahren wird abgesehen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerinnen zu tragen. Die dem Beschwerdeführer im Adhäsionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Adhäsionsklägerin; die insoweit entstandenen gerichtlichen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen Körperverletzung, Hausfriedensbruchs und Entziehung Minderjähriger in Tateinheit mit Freiheitsberaubung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Des Weiteren hat es den Angeklagten verurteilt, an die Adhäsionsklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000 € nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg. Im Übrigen erweist sich die Revision als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 27. Juli 2016 zum Adhäsionsausspruch ausgeführt: „Die Adhäsionsentscheidung hat hingegen keinen Bestand.
Der im Hauptverhandlungstermin am 3. Februar 2016 verlesene schriftsätzliche Antrag vom 25. Januar 2016 (vgl. Bl. 25 f., 42 ff. PB) enthielt die ledigliche Ankündigung von Zahlungsanträgen ‚nach bewilligter Prozesskostenhilfe ‘. Nachdem sodann im Hauptverhandlungstermin am 10. Februar 2016 der Nebenklägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Nebenklägervertreterin bewilligt wurde (Bl. 55 PB), erfolgte bis zum Beginn der Schlussvorträge keine weitere Antragstellung.
Dass die Nebenklägervertreterin in ihrem zuvor gestellten Antrag auf Prozesskostenhilfe die Stellung eines Entschädigungsantrages angekündigt hat, kann das von § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO ausdrücklich verlangte - und vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfende - Stellen des Antrages selbst nicht ersetzen (BGH, Beschluss vom 14. November 1989 - 5 StR 522/89; Zabeck in KK-StPO, 7. Aufl., § 404 Rn. 1, 3). Das Prozesskostenhilfeverfahren einschließlich der Bewilligung der Prozesskostenhilfe hat weder zur Rechtshängigkeit der Anträge aus dem Schriftsatz vom 25. Januar 2016 geführt noch die Regelung in § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO gegenstandslos gemacht (BGH, Beschluss vom 23. Juli 2015 - 3 StR 194/15; Senat, Beschluss vom 9. August 1988 - 4 StR 342/88).“
3
Dem schließt sich der Senat an.
4
Der geringfügige Erfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Die Entscheidung über die ausscheidbaren Auslagen für das Adhäsionsverfahren folgt aus § 472a Abs. 2 StPO.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 170/18
vom
18. Juli 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:180718B4STR170.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu 1. a) und 3. auf dessen Antrag – und des Beschwerdeführers am 18. Juli 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO beschlossen :
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 14. November 2017
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte bezüglich der Tat im Zusammenhang mit der Inbrandsetzung des Hauses F. Straße in der Gemeinde M. des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, jeweils in fünf tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, sowie in weiterer Tateinheit mit schwerer Brandstiftung schuldig ist;
b) aufgehoben aa) im Schuldspruch und Strafausspruch (1) soweit der Angeklagte wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden ist mit den zugehörigen Feststellungen; (2) soweit der Angeklagte wegen Brandstiftung an dem Bauwagen der Nebenklägerin verurteilt worden ist; insoweit bleiben die Feststellungen aufrechterhalten;
bb) in den Einzelstrafaussprüchen mit den jeweils zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte schuldig ist (1) des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, jeweils in fünf tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, sowie in weiterer Tateinheit mit schwerer Brandstiftung ; (2) der Brandstiftung an dem Pkw der Nebenklägerin ; (3) der Sachbeschädigung an der Kutsche der Nebenklägerin; cc) im Gesamtstrafenausspruch, im Maßregelausspruch und hinsichtlich der getroffenen Adhäsionsentscheidungen , jeweils mit den zugehörigen Feststellungen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung und mit gefährlicher Körperverletzung, wegen Brandstiftung in zwei Fällen, wegen Sachbeschädigung und wegen Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Ferner hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis eine Sperrfrist von einem Jahr festgesetzt. Zudem hat es Adhäsionsentscheidungen zugunsten von drei Adhäsionsklägern getroffen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die nicht ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte und die Nebenklägerin lebten seit 2015 als Paar in dem mit drei Wohnungen ausgestatteten Haus F. Straße in der Gemeinde M. . Der Angeklagte und die Nebenklägerin nutzten eine der beiden im Obergeschoss gelegenen Wohnungen. Die andere Wohnung im Obergeschoss wurde von der Zeugin S. S. und ihrem Sohn, dem Zeugen B. S. , genutzt. Die Zeugin K. lebte in der einzigen Wohnung im Untergeschoss.
4
Zu Beginn des Jahres 2017 beendete die Nebenklägerin die Beziehung zu dem Angeklagten. Der Angeklagte bezog auf dem Nachbargrundstück ein Zimmer im Haus der Familie Ka. . Aufgrund der örtlichen Nähe kam es weiterhin zu fast täglichen Kontakten zwischen der Nebenklägerin und dem Angeklagten. Dieser zeigte sich eifersüchtig und vermutete zunächst ein Verhältnis zwischen der Nebenklägerin und dem Zeugen B. S. . Als in der Folge der Zeuge Ba. bei der Nebenklägerin einzog, ging der Angeklagte trotz anderslautender Beteuerungen der Nebenklägerin ebenfalls von einer intimen Beziehung aus.
5
Am Abend des 4. März 2017 gegen 22:00 Uhr beobachte der Angeklagte , wie sich die Nebenklägerin und der Zeuge Ba. auf dem Balkon ihrer Wohnung in aufgeheiterter Stimmung unterhielten, wobei es zu Körperkontakten kam. Der Angeklagte war enttäuscht und verärgert, da er seine Vermutung einer intimen Beziehung bestätigt sah. Gegen 23:00 Uhr begab er sich außer Haus, wobei er zwei Flaschen Wodka mitnahm, von denen er in der Folge in erheblicher Menge trank.
6
Im Laufe der Nacht fasste er den Entschluss, sich an der Nebenklägerin und deren mutmaßlichen Liebhabern – den Zeugen Ba. und B. S. – durch Inbrandsetzung ihrer Wohnungen zu rächen. Gegen 5:30 Uhr verschaffte er sich Zugang zu dem Haus F. Straße . Dort vergoss er im ersten Obergeschoss Benzin und entzündete dieses. Hierdurch kam es zu Flammenbildung und Rauchentwicklung. Am unteren Ende der in das erste Obergeschoss führenden Holztreppe verteilte und entzündete der Angeklagte weiteres Benzin. Zudem setzte er außerhalb des Hauses den Pkw der Nebenklägerin in Brand, ebenso wie eine ihr gehörende Kutsche und einen ihr gehörenden Bauwagen , der zur Aufbewahrung von Reitutensilien diente.
7
Die Zeugin K. bemerkte den Brand im Treppenhaus zeitnah und konnte das Haus noch rechtzeitig verlassen. Die vier Bewohner des ersten Obergeschosses mussten dagegen durch die herbeigerufene Feuerwehr vom Balkon gerettet werden. Sämtliche Hausbewohner erlitten gesundheitliche Beeinträchtigungen durch das eingeatmete Rauchgas.
8
Zur subjektiven Tatseite hat das Landgericht festgestellt, dass dem Angeklagten bewusst war, dass er für alle Hausbewohner eine lebensbedrohliche Situation schuf. Bezüglich der Nebenklägerin, des Zeugen Ba. sowie des Zeugen B. S. wollte er dies auch. Den Tod der ZeuginnenK. und S. S. nahm er jedenfalls billigend in Kauf.
9
Nachdem er die Brände gelegt hatte, fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw davon – „wahrscheinlich“ in Richtung S-Bahnhof L. . Nunmehr bemühte er sich um ein Alibi, indem er verschiedenen Personen Mitteilungen machte über vermeintliche Unternehmungen in der vergangenen Nacht. Hierbei trank er weiter von dem mitgeführten Alkohol. Schließlich trat er mit dem Pkw den Heimweg an, wobei ihm bewusst war, dass er aufgrund des zuvor genossenen Alkohols fahruntüchtig war. Da er an seiner Wohnanschrift infolge der von ihm auf dem Nachbargrundstück gelegten Brände Polizeikräfte vermutete und er nicht die Fahrerlaubnis verlieren wollte, hielt er kurz hinter L. an, stellte sein Fahrzeug auf einem Waldweg ab und bat um 7:27 Uhr seinen Mitbewohner J. Ka. , ihn dort abzuholen. Dieser informierte jedoch die vor Ort anwesenden Polizeikräfte, so dass der Angeklagte kurze Zeit später im Bereich des Abstellortes seines Fahrzeuges festgenommen wurde. Dem Angeklagten um 8:41 Uhr und 9:11 Uhr entnommene Blutproben wiesen Blutalkoholkonzentrationen von 1,69 ‰ bzw. 1,59 ‰ aus.

II.


10
1. Der Schuldspruch hat keinen Bestand, soweit der Angeklagte wegen Brandstiftung an dem Bauwagen der Nebenklägerin gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB und wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 StGB verurteilt worden ist. Im Übrigen hält der Schuldspruch rechtlicher Nachprüfung stand.
11
a) Die Verurteilung wegen Brandstiftung an dem Bauwagen der Nebenklägerin unterliegt der Aufhebung, da sich aus den Feststellungen nicht ergibt, dass es sich bei dem in Brand gesetzten Bauwagen, wie von der Strafkammer angenommen, um eine Hütte im Sinne des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB handelte.
12
Hütten sind Bauwerke, bei denen an die Größe, Festigkeit und Dauerhaftigkeit geringere Anforderungen gestellt werden als bei Gebäuden, die aber dennoch ein selbstständiges, unbewegliches Ganzes bilden, das eine nicht völlig geringfügige Bodenfläche bedeckt und ausreichend abgeschlossen ist (vgl. RGSt 17, 179, 184; RGSt 73, 204, 205 f.; BayObLG, NJW 1989, 2704; LK-StGB/Wolff, 12. Aufl., § 306 Rn. 25; MüKo-StGB/Radtke, 2. Aufl., § 306 Rn. 25; NK-StGB/Kargl, 5. Aufl., § 306 Rn. 3). Ein Bauwagen ist daher nur dann als Hütte von § 306 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 StGB erfasst, wenn er durch sein Eigengewicht auf dem Boden ruht, nicht jedoch, wenn er mit Rädern ausgestattet und jederzeit bewegbar ist (vgl. OLG Karlsruhe, NStZ 1981, 482; hierauf Bezug nehmend BGH, Beschluss vom 31. Mai 2005 – 5 StR 182/05; vgl. auch Fischer, StGB, 65. Aufl., § 306 Rn. 3a; Heine/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 306 Rn. 4; MüKo-StGB/Radtke, aaO, § 306 Rn. 25).
13
Da das angefochtene Urteil keine näheren Feststellungen zur Beschaffenheit des Bauwagens enthält und insbesondere unklar bleibt, ob der Bauwagen durch das Vorhandensein von Rädern mobil war, sind die Voraussetzungen einer Hütte im Sinne des § 306 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 StGB nicht ausreichend dargetan. Da hierzu aber noch – ergänzende – Feststellungen getroffen werden können, ist die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die zu dieser Tat rechtsfehlerfrei getroffenen objektiven und subjektiven Feststellungen können bestehen bleiben.
14
b) Auch die Verurteilung des Angeklagten wegen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 StGB – die Strafkammer ist ersichtlich von einer vorsätzlichen Tatbegehung ausgegangen, was im Tenor hätte zum Ausdruck gebracht werden müssen (BGH, Beschluss vom 8. Juni 1995 – 4 StR 189/95, DAR 1996, 175; Fischer, aaO, § 316 Rn. 42) – hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, da sich für die hierzu getroffenen Feststellungen kein Beleg findet.
15
In dem angefochtenen Urteil fehlt es an jeglicher Beweiswürdigung dazu, dass und zu welchem Zeitpunkt die Trunkenheitsfahrt stattgefunden hat. Ausführungen dazu, auf welcher Tatsachengrundlage die Strafkammer zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Angeklagte sein Fahrzeug noch kurz vor seiner Festnahme führte und somit ein die Fahruntüchtigkeit in Frage stellender Nachtrunk nicht stattgefunden hatte, enthält das Urteil nicht. Erörterungsbedarf bestand insoweit schon deshalb, weil es nach den Feststellungen jedenfalls nicht fernlag, dass sich der Angeklagte nach den Brandlegungen zeitnah an den Ort seiner späteren Festnahme begab, er dort weiteren Alkohol – mit Auswirkungen auf die Bewertung der Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit – zu sich nahm und sein Fahrzeug bis zu der Festnahme nicht mehr führte.
16
c) Im Übrigen begegnet der Schuldspruch keinen durchgreifenden Bedenken.
17
aa) Dies gilt auch für die Annahme tatmehrheitlichen Handelns des Angeklagten in Bezug auf die vier Brandlegungen. Nach den Feststellungen wurden die Brände nacheinander und unabhängig voneinander gelegt, so dass unter den gegebenen Umständen die Annahme von Tatmehrheit tragfähig belegt ist.
18
bb) Bezüglich der durch die Inbrandsetzung des Hauses F. Straße begangenen Delikte des versuchten Mordes und der gefährlichen Körperverletzung ist lediglich aufgrund der Betroffenheit von fünf Tatopfern im Schuldspruch das Vorliegen von gleichartiger Tateinheit zum Ausdruck zu bringen (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 2005 – 4 StR 168/05, NStZ 2006, 167, 169).
19
2. Soweit die Schuldsprüche Bestand haben, unterliegen die Strafaussprüche insgesamt der Aufhebung.
20
a) Hinsichtlich der gegen den Angeklagten wegen der Tat im Zusammenhang mit der Inbrandsetzung des Hauses F. Straße verhängten Einzelfreiheitsstrafe von sechs Jahren ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer einen zu großen Schuldumfang zugrunde gelegt hat. Das Landgericht hat das Vorliegen zweier Mordmerkmale – Heimtücke und Einsatz eines gemeingefährlichen Mittels – straferschwerend berücksichtigt. Zwar begegnet die Annahme von Heimtücke keinen rechtlichen Bedenken, so dass der Schuldspruch wegen versuchten Mordes nicht in Frage steht. Die Annahme einer Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel wird von den Urteilsgründen mit Blick auf die hierfür erforderliche Gefährdung einer unbestimmten Mehrzahl von Menschen jedoch nicht getragen.
21
aa) Das Mordmerkmal der Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel ist erfüllt, wenn der Täter ein Tötungsmittel einsetzt, das in der konkreten Tatsituation eine unbestimmte Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil er die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat (vgl. BGH, Urteile vom 16. August 2005 – 4 StR 168/05, NStZ 2006, 167, 168; vom 1. September 1992 – 1 StR 487/92, BGHSt 38, 353, 354; vom 4. Februar 1986 – 5 StR 776/85, BGHSt 34, 13, 14). Dabei ist nicht allein auf die abstrakte Gefährlichkeit eines Mittels abzustellen, sondern auf seine Eignung und Wirkung in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des Täters (vgl. BGH, Urteile vom 16. August 2005; vom 1. September 1992; jeweils aaO). Von dem Mordmerkmal tatbestandlich nicht erfasst wird eine „schlichte“ Mehrfachtötung; eine solche liegt jedenfalls dann vor, wenn sich der Täter mit Tötungsabsicht gegen eine bestimmte Anzahl von ihm individualisierter Opfer richtet (vgl. BGH, Urteile vom 16. August 2005 – 4 StR 168/05, NStZ 2006, 167, 168; vom 16. März 2006 – 4 StR 594/05, NStZ 2006, 503, 504; vom 14. Januar 2010 – 4 StR 450/09, NStZ-RR 2010, 373, 374; Eser/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, aaO, § 211 Rn. 29; SK-StGB/ Sinn, 9. Aufl., § 211 Rn. 61; Rengier, Strafrecht – Besonderer Teil II, 19. Aufl., § 4 Rn. 47c; Zieschang, FS Puppe, 2011, S. 1301, 1318 ff.).
22
bb) Nach den Feststellungen wollte der Angeklagte den Tod der Nebenklägerin sowie der Zeugen B. S. und Ba. , während er den Tod der Zeuginnen S. S. und K. jedenfalls billigend in Kauf nahm. In diesem Sinne verhält sich auch die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite des Angeklagten.
23
In der rechtlichen Würdigung zum Tötungsvorsatz führt die Strafkammer – hiervon abweichend – aber aus, dass der Angeklagte den Tod „jedenfalls der Bewohner der im ersten Obergeschoss liegenden Wohnungen“ gewollt habe; aus dem Umstand, dass er die in das erste Obergeschoss führende Treppe entzündet habe, um den dortigen vier Bewohnern die Fluchtmöglichkeit zu nehmen, sei direkter Tötungsvorsatz zu folgern gewesen.
24
Dieser Widerspruch wird in den Urteilsgründen nicht aufgelöst. Die Reichweite der Tötungsabsicht des Angeklagten ist somit unklar, so dass nicht auszuschließen ist, dass jedenfalls bezüglich aller im ersten Obergeschoss aufhältigen Personen eine dem Mordmerkmal nicht unterfallende versuchte („schlichte“) Mehrfachtötung vorlag. Die Urteilsgründe bieten auch keinen An- halt dafür, dass der Angeklagte damit rechnete und billigte, dass sich neben den üblichen Bewohnern zur Tatzeit weitere Menschen in dem Haus aufhielten oder dass das Feuer auf Nachbargebäude überzugreifen drohte, was die Annahme des Mordmerkmals hätte rechtfertigen können. Die Gefährdung nur einer weiteren, nicht als Tatopfer anvisierten Person, der Zeugin K. , reicht zur Begründung der Gemeingefährlichkeit indes nicht aus, da sich hieraus gerade nicht eine – über die versuchte Mehrfachtötung hinausgehende – Gefährdung einer unbestimmten Mehrzahl von Personen ergibt.
25
b) Soweit der Angeklagte gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 4 Var. 1 StGB wegen der Brandstiftung an dem Pkw der Nebenklägerin zu einer Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden ist, hat der Strafausspruch ebenfalls keinen Bestand, da es insoweit im angefochtenen Urteil an jeglichen tatbezogenen Strafzumessungserwägungen fehlt. Sowohl bei der Ablehnung eines minder schweren Falles gemäß § 306 Abs. 2 StGB als auch bei der konkreten Strafzumessung hat die Strafkammer lediglich pauschal auf die Strafzumessungs- erwägungen, die sie zu dem versuchten Mord angestellt hat, verwiesen. Die dortigen Ausführungen sind aber überwiegend auf das versuchte Tötungsdelikt zugeschnitten und ohne Bezug zu dem Brandstiftungsdelikt. Dagegen bleiben bezüglich der Brandstiftung am Pkw der Nebenklägerin relevante Strafzumessungsgesichtspunkte unerörtert, wie etwa die Schadenshöhe (vgl. BeckOKStGB /von Heintschel-Heinegg, Stand: 1. Mai 2018, § 306 Rn. 46; LK-StGB/ Wolff, aaO, § 306 Rn. 50; zum Schutzzweck der Norm zuletzt BGH, Beschluss vom 22. Mai 2018 – 4 StR 598/17 mwN).
26
c) Zudem hat die wegen der Sachbeschädigung an der Kutsche der Nebenklägerin (§ 303 Abs. 1 StGB) verhängte Einzelstrafe von 90 Tagessätzen keinen Bestand, da auch hier jegliche tatbezogenen Strafzumessungserwägungen fehlen und nur pauschal festgehalten wird, dass die Strafe „nach Abwä- gung aller Umstände“ für tat- und schuldangemessen gehalten worden ist.
27
3. Die teilweise Aufhebung der Schuldsprüche und der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich. Die Aufhebung des Schuldspruchs nach § 316 Abs. 1 StGB führt auch zur Aufhebung der Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB.
28
4. Die Adhäsionsentscheidungen haben insgesamt keinen Bestand.
29
a) Soweit das Landgericht eine Adhäsionsentscheidung zugunsten der Nebenklägerin getroffen hat, mangelt es bereits an dem nach § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO erforderlichen Adhäsionsantrag, was von Amts wegen zu beachten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Juni 2017 – 2 StR 536/16, StraFo 2017, 285; vom 16. Dezember 2008 – 4 StR 542/08, NStZ 2009, 586; KK-StPO/Zabeck, 7. Aufl., § 404 Rn. 1).
30
aa) Dieser Adhäsionsentscheidung liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
31
Die Nebenklägerin hat zunächst schriftsätzlich einen Adhäsionsantrag „unter der Bedingung der Bewilligung ratenfreier Prozesskostenhilfe“ gestellt und dabei auf einen anliegenden „Antragsentwurf“ verwiesen. Am vorletzten Hauptverhandlungstag ist der Nebenklägerin – unter Beiordnung von Rechtsanwalt Fe. – Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Hieran anschließend ist ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls die Sach- und Rechtslage erörtert worden, wobei der Verteidiger für den Angeklagten erklärt hat, der Anspruch der Nebenklägerin werde dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Weitere Erklärungen der Nebenklägerin oder ihres Vertreters zum Adhäsionsverfahren ergeben sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll nicht.
32
bb) Damit liegt ein ordnungsgemäß gestellter Adhäsionsantrag nicht vor. Wird nämlich ein solcher unter der Bedingung der Prozesskostenhilfebewilligung angebracht, so ist nach erfolgter Bewilligung gleichwohl noch eine Antragstellung gemäß § 404 Abs. 1 StPO erforderlich; allein das Prozesskostenhilfeverfahren führt noch nicht zur Rechtshängigkeit der Adhäsionsanträge (BGH, Beschlüsse vom 6. Juni 2017 – 2 StR 536/16, aaO; vom 23. Juli 2015 – 3 StR 194/15; vom 9. August 1988 – 4 StR 342/88, BGHR StPO § 404 Antragstellung 1; jeweils mwN).
33
Der Adhäsionsantrag der Nebenklägerin ist indes unmissverständlich unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt worden, was sich auch aus dem Verweis auf einen bloßen „Antragsentwurf“ ergibt. Nachdem durch das Gericht Prozesskostenhilfe gewährt worden war, ist eine Antragstellung ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls nicht mehr erfolgt. Ein sol- cher Antrag wäre gemäß § 273 Abs. 1 Satz 1 StPO zu protokollierengewesen (BeckOK-StPO/Ferber, Stand: 1. Juni 2018, § 404 Rn. 5; KK-StPO/Zabeck, aaO, § 404 Rn. 5). Die bloße Erörterung der Sach- und Rechtslage ersetzt die erforderliche Antragstellung nicht.
34
b) Die Anträge der Adhäsionskläger S. S. und B. S. genügen nicht den Zulässigkeitsanforderungen gemäß § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO, da beide Adhäsionskläger nur beantragt haben, den Angeklagten zu einer Schmerzensgeldzahlung zu verurteilen, ohne den begehrten Betrag näher einzugrenzen.
35
Ein Adhäsionsantrag hat jedoch inhaltlich den Anforderungen an eine Zivilklage (§ 253 ZPO) zu genügen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 2016 – 2 StR 585/15, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Antragstellung 9; KK-StPO/Zabeck, aaO, § 404 Rn. 5; LR-StPO/Hilger, 26. Aufl., § 404 Rn. 1). Wenn der Umfang der beantragten Geldleistung im richterlichen Ermessen steht, muss zwar kein konkreter Betrag geltend gemacht werden; das Bestimmtheitsgebot verlangt aber zumindest die Angabe einer Größenordnung, um das Gericht und den Gegner darüber zu unterrichten, welchen Umfang der Streitgegenstand haben soll (vgl. BGH, Urteile vom 13. Oktober 1981 – VI ZR 162/80, NJW 1982, 340; vom 30. April 1996 – VI ZR 55/95, BGHZ 132, 341, 350; Beschlüsse vom 14. März 2018 – 4 StR 516/17, NStZ-RR 2018, 223, 224; vom 25. August 2016 – 2 StR 585/15, aaO; BeckOK-StPO/Ferber, aaO, § 404 Rn. 1). Deshalb fehlt es an der von § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO geforderten Bestimmtheit, wenn – wie hier – der Adhäsionskläger keine Angaben zur Größenordnung des begehrten Schmerzensgeldes macht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. März 2018 – 4 StR 516/17, und vom 25. August 2016 – 2 StR 585/15 , jeweils aaO).
36
c) Der Senat verweist die Sache auch bezüglich des Adhäsionsverfahrens zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück. Zwar soll regelmäßig eine Zurückverweisung allein zur Entscheidung über einen Adhäsionsantrag unterbleiben; in diesen Fällen soll vielmehr von einer Entscheidung über die Entschädigung des Verletzten ganz abgesehen werden (st. Rspr.; vgl. Beschlüsse vom 27. März 1987 – 2 StR 106/87, NStZ 1988, 237, 238; vom 29. Juli 2003 – 4 StR 222/03, juris Rn. 5; vom 7. Juli 2010 – 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 337). Jedoch hebt der Senat das Urteil auch im Übrigen teilweise auf und verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Damit hat das neue Tatgericht Gelegenheit – nach entsprechender Antragstellung –, auch über den zivilrechtlichen Teil der Sache neu zu entscheiden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. März 2018 – 4 StR 516/17, aaO; vom 14. September 2017 – 4 StR 177/17, NStZ-RR 2018, 24, 25).

III.


37
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
38
1. Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, bei der Strafzumessung und der Bestimmung des Schuldumfangs bezüglich des versuchten Tötungsdelikts auch das Vorliegen des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe in den Blick zu nehmen (vgl. zu einer aus Eifersucht erfolgten Tötung BGH, Urteile vom 22. März 2017 – 2 StR 656/13; vom 1. März 2012 – 3 StR 425/11, NStZ 2012, 691, 692; Beschluss vom 21. Dezember 2000 – 4 StR 499/00, StV 2001, 571; vgl. zur Tötung des „Nebenbuhlers“ BGH, Beschluss vom 6. Mai 2014 – 5 StR 99/14, juris Rn. 13). Diesbezüglich sind ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, zulässig.
39
2. Bezüglich der Inbrandsetzung des Bauwagens wird für den Fall des Nichtvorliegens einer Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB darauf hingewiesen , dass es für die Annahme einer Sachbeschädigung sowohl an einem Strafantrag als auch an der Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses fehlt (§ 303c StGB).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Quentin Feilcke

(1) Soweit dem Antrag auf Zuerkennung eines aus der Straftat erwachsenen Anspruchs stattgegeben wird, hat der Angeklagte auch die dadurch entstandenen besonderen Kosten und die notwendigen Auslagen des Antragstellers im Sinne der §§ 403 und 404 zu tragen.

(2) Sieht das Gericht von der Entscheidung über den Adhäsionsantrag ab, wird ein Teil des Anspruchs dem Antragsteller nicht zuerkannt oder nimmt dieser den Antrag zurück, so entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen, wer die insoweit entstandenen gerichtlichen Auslagen und die insoweit den Beteiligten erwachsenden notwendigen Auslagen trägt. Die gerichtlichen Auslagen können der Staatskasse auferlegt werden, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten.