Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Sept. 2019 - 4 StR 384/19

bei uns veröffentlicht am24.09.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 384/19
vom
24. September 2019
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:240919B4STR384.19.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 24. September 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 16. April 2019 im Adhäsionsausspruch aufgehoben. Von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag wird abgesehen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die im Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Adhäsionsklägerin.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in sechs Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Kindes, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, ihn im Übrigen freigesprochen und festgestellt , dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin sämtliche im- materiellen Schäden aus den zu ihrem Nachteil abgeurteilten Taten zu ersetzen.
2
Dagegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat lediglich zum Adhäsionsausspruch Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Der Adhäsionsausspruch hat keinen Bestand. Es fehlt bereits an einem rechtzeitig gestellten Adhäsionsantrag. Im Übrigen wäre der gestellte Feststellungsantrag in Ermangelung eines Rechtsschutzbedürfnisses auch unzulässig.
4
a) Gemäß § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO kann der Adhäsionsantrag schriftlich , in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlussvorträge , gestellt werden.
5
An einem schriftlichen Adhäsionsantrag fehlt es. Bei dem Schriftsatz vom 6. April 2019 handelte es sich lediglich um einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 404 Abs. 5 StPO. Dieser begründet noch kein wirksames Prozessrechtsverhältnis. Hierfür muss der Adhäsionskläger nach der Bewilligung der Prozesskostenhilfe einen den Anforderungen des § 404 Abs. 1 StPO genügenden (weiteren) Antrag stellen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 9. August 1988 – 4 StR 342/88, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Antragstellung 1; vom 11. Oktober 2016 – 4 StR 352/16, StV 2017, 509; vom 18. Juli 2018 – 4 StR 170/18, StraFo 2018, 483).
6
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Adhäsionsklägerin nach der Bewilligung der Prozesskostenhilfe in der Hauptverhandlung mündlich einen solchen Adhäsionsantrag gestellt hat, ist dieser nicht rechtzeitig angebracht worden , weil die Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt bereits ihren Schlussantrag gestellt hatte.
7
b) Im Übrigen wäre der Feststellungsantrag auch unzulässig gewesen. Ihm hätte das Rechtsschutzbedürfnis (§ 406 Abs. 1 Satz 3 Alternative 1 StPO, § 256 ZPO) gefehlt. Die Adhäsionsklägerin hat allein die Feststellung beantragt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, ihr immateriellen Schadensersatz zu leisten. Ein rechtliches Interesse an der Feststellung einer Schadensersatzpflicht kann der Verletzte jedoch nur vorweisen, wenn er geltend machen kann, dass ihm zwar ein Schaden entstanden, er aber nicht in der Lage ist, ihn zu beziffern (vgl. Senat, Beschluss vom 5. Mai 2015, 4 StR 605/14, NStZ-RR 2015, 319 [Ls]). Ein solches Interesse an der bloßen Feststellung eines immateriellen Schadensersatzanspruchs kann dem Antrag nicht entnommen werden.
8
2. Es entspricht pflichtgemäßem Ermessen, der Adhäsionsklägerin die Kosten und Auslagen für den sowohl verspätet als auch ansonsten nicht in zulässiger Weise gestellten Adhäsionsantrag aufzuerlegen (§ 472a StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Bender
Quentin Feilcke

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Sept. 2019 - 4 StR 384/19

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Sept. 2019 - 4 StR 384/19

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Zivilprozessordnung - ZPO | § 256 Feststellungsklage


(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

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(1) Der Antrag, durch den der Anspruch geltend gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlußvorträge gestellt werden. Er muß den Gegenstand und Grund des

Strafprozeßordnung - StPO | § 472a Kosten und notwendige Auslagen bei Adhäsionsverfahren


(1) Soweit dem Antrag auf Zuerkennung eines aus der Straftat erwachsenen Anspruchs stattgegeben wird, hat der Angeklagte auch die dadurch entstandenen besonderen Kosten und die notwendigen Auslagen des Antragstellers im Sinne der §§ 403 und 404 zu tr
Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Sept. 2019 - 4 StR 384/19 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


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Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Juli 2018 - 4 StR 170/18

bei uns veröffentlicht am 18.07.2018

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Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Antrag, durch den der Anspruch geltend gemacht wird, kann schriftlich oder mündlich zu Protokoll des Urkundsbeamten, in der Hauptverhandlung auch mündlich bis zum Beginn der Schlußvorträge gestellt werden. Er muß den Gegenstand und Grund des Anspruchs bestimmt bezeichnen und soll die Beweismittel enthalten. Ist der Antrag außerhalb der Hauptverhandlung gestellt, so wird er dem Beschuldigten zugestellt.

(2) Die Antragstellung hat dieselben Wirkungen wie die Erhebung der Klage im bürgerlichen Rechtsstreit. Sie treten mit Eingang des Antrages bei Gericht ein.

(3) Ist der Antrag vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt, so wird der Antragsteller von Ort und Zeit der Hauptverhandlung benachrichtigt. Der Antragsteller, sein gesetzlicher Vertreter und der Ehegatte oder Lebenspartner des Antragsberechtigten können an der Hauptverhandlung teilnehmen.

(4) Der Antrag kann bis zur Verkündung des Urteils zurückgenommen werden.

(5) Dem Antragsteller und dem Angeschuldigten ist auf Antrag Prozeßkostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen, sobald die Klage erhoben ist. § 121 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gilt mit der Maßgabe, daß dem Angeschuldigten, der einen Verteidiger hat, dieser beigeordnet werden soll; dem Antragsteller, der sich im Hauptverfahren des Beistandes eines Rechtsanwalts bedient, soll dieser beigeordnet werden. Zuständig für die Entscheidung ist das mit der Sache befaßte Gericht; die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 352/16
vom
11. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:111016B4STR352.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11. Oktober 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 10. Februar 2016 im Adhäsionsausspruch aufgehoben; von einer Entscheidung im Adhäsionsverfahren wird abgesehen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerinnen zu tragen. Die dem Beschwerdeführer im Adhäsionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Adhäsionsklägerin; die insoweit entstandenen gerichtlichen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen Körperverletzung, Hausfriedensbruchs und Entziehung Minderjähriger in Tateinheit mit Freiheitsberaubung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Des Weiteren hat es den Angeklagten verurteilt, an die Adhäsionsklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000 € nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg. Im Übrigen erweist sich die Revision als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 27. Juli 2016 zum Adhäsionsausspruch ausgeführt: „Die Adhäsionsentscheidung hat hingegen keinen Bestand.
Der im Hauptverhandlungstermin am 3. Februar 2016 verlesene schriftsätzliche Antrag vom 25. Januar 2016 (vgl. Bl. 25 f., 42 ff. PB) enthielt die ledigliche Ankündigung von Zahlungsanträgen ‚nach bewilligter Prozesskostenhilfe ‘. Nachdem sodann im Hauptverhandlungstermin am 10. Februar 2016 der Nebenklägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Nebenklägervertreterin bewilligt wurde (Bl. 55 PB), erfolgte bis zum Beginn der Schlussvorträge keine weitere Antragstellung.
Dass die Nebenklägervertreterin in ihrem zuvor gestellten Antrag auf Prozesskostenhilfe die Stellung eines Entschädigungsantrages angekündigt hat, kann das von § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO ausdrücklich verlangte - und vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfende - Stellen des Antrages selbst nicht ersetzen (BGH, Beschluss vom 14. November 1989 - 5 StR 522/89; Zabeck in KK-StPO, 7. Aufl., § 404 Rn. 1, 3). Das Prozesskostenhilfeverfahren einschließlich der Bewilligung der Prozesskostenhilfe hat weder zur Rechtshängigkeit der Anträge aus dem Schriftsatz vom 25. Januar 2016 geführt noch die Regelung in § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO gegenstandslos gemacht (BGH, Beschluss vom 23. Juli 2015 - 3 StR 194/15; Senat, Beschluss vom 9. August 1988 - 4 StR 342/88).“
3
Dem schließt sich der Senat an.
4
Der geringfügige Erfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Die Entscheidung über die ausscheidbaren Auslagen für das Adhäsionsverfahren folgt aus § 472a Abs. 2 StPO.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 170/18
vom
18. Juli 2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:180718B4STR170.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu 1. a) und 3. auf dessen Antrag – und des Beschwerdeführers am 18. Juli 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO beschlossen :
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 14. November 2017
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte bezüglich der Tat im Zusammenhang mit der Inbrandsetzung des Hauses F. Straße in der Gemeinde M. des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, jeweils in fünf tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, sowie in weiterer Tateinheit mit schwerer Brandstiftung schuldig ist;
b) aufgehoben aa) im Schuldspruch und Strafausspruch (1) soweit der Angeklagte wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden ist mit den zugehörigen Feststellungen; (2) soweit der Angeklagte wegen Brandstiftung an dem Bauwagen der Nebenklägerin verurteilt worden ist; insoweit bleiben die Feststellungen aufrechterhalten;
bb) in den Einzelstrafaussprüchen mit den jeweils zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte schuldig ist (1) des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, jeweils in fünf tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, sowie in weiterer Tateinheit mit schwerer Brandstiftung ; (2) der Brandstiftung an dem Pkw der Nebenklägerin ; (3) der Sachbeschädigung an der Kutsche der Nebenklägerin; cc) im Gesamtstrafenausspruch, im Maßregelausspruch und hinsichtlich der getroffenen Adhäsionsentscheidungen , jeweils mit den zugehörigen Feststellungen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung und mit gefährlicher Körperverletzung, wegen Brandstiftung in zwei Fällen, wegen Sachbeschädigung und wegen Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Ferner hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis eine Sperrfrist von einem Jahr festgesetzt. Zudem hat es Adhäsionsentscheidungen zugunsten von drei Adhäsionsklägern getroffen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die nicht ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte und die Nebenklägerin lebten seit 2015 als Paar in dem mit drei Wohnungen ausgestatteten Haus F. Straße in der Gemeinde M. . Der Angeklagte und die Nebenklägerin nutzten eine der beiden im Obergeschoss gelegenen Wohnungen. Die andere Wohnung im Obergeschoss wurde von der Zeugin S. S. und ihrem Sohn, dem Zeugen B. S. , genutzt. Die Zeugin K. lebte in der einzigen Wohnung im Untergeschoss.
4
Zu Beginn des Jahres 2017 beendete die Nebenklägerin die Beziehung zu dem Angeklagten. Der Angeklagte bezog auf dem Nachbargrundstück ein Zimmer im Haus der Familie Ka. . Aufgrund der örtlichen Nähe kam es weiterhin zu fast täglichen Kontakten zwischen der Nebenklägerin und dem Angeklagten. Dieser zeigte sich eifersüchtig und vermutete zunächst ein Verhältnis zwischen der Nebenklägerin und dem Zeugen B. S. . Als in der Folge der Zeuge Ba. bei der Nebenklägerin einzog, ging der Angeklagte trotz anderslautender Beteuerungen der Nebenklägerin ebenfalls von einer intimen Beziehung aus.
5
Am Abend des 4. März 2017 gegen 22:00 Uhr beobachte der Angeklagte , wie sich die Nebenklägerin und der Zeuge Ba. auf dem Balkon ihrer Wohnung in aufgeheiterter Stimmung unterhielten, wobei es zu Körperkontakten kam. Der Angeklagte war enttäuscht und verärgert, da er seine Vermutung einer intimen Beziehung bestätigt sah. Gegen 23:00 Uhr begab er sich außer Haus, wobei er zwei Flaschen Wodka mitnahm, von denen er in der Folge in erheblicher Menge trank.
6
Im Laufe der Nacht fasste er den Entschluss, sich an der Nebenklägerin und deren mutmaßlichen Liebhabern – den Zeugen Ba. und B. S. – durch Inbrandsetzung ihrer Wohnungen zu rächen. Gegen 5:30 Uhr verschaffte er sich Zugang zu dem Haus F. Straße . Dort vergoss er im ersten Obergeschoss Benzin und entzündete dieses. Hierdurch kam es zu Flammenbildung und Rauchentwicklung. Am unteren Ende der in das erste Obergeschoss führenden Holztreppe verteilte und entzündete der Angeklagte weiteres Benzin. Zudem setzte er außerhalb des Hauses den Pkw der Nebenklägerin in Brand, ebenso wie eine ihr gehörende Kutsche und einen ihr gehörenden Bauwagen , der zur Aufbewahrung von Reitutensilien diente.
7
Die Zeugin K. bemerkte den Brand im Treppenhaus zeitnah und konnte das Haus noch rechtzeitig verlassen. Die vier Bewohner des ersten Obergeschosses mussten dagegen durch die herbeigerufene Feuerwehr vom Balkon gerettet werden. Sämtliche Hausbewohner erlitten gesundheitliche Beeinträchtigungen durch das eingeatmete Rauchgas.
8
Zur subjektiven Tatseite hat das Landgericht festgestellt, dass dem Angeklagten bewusst war, dass er für alle Hausbewohner eine lebensbedrohliche Situation schuf. Bezüglich der Nebenklägerin, des Zeugen Ba. sowie des Zeugen B. S. wollte er dies auch. Den Tod der ZeuginnenK. und S. S. nahm er jedenfalls billigend in Kauf.
9
Nachdem er die Brände gelegt hatte, fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw davon – „wahrscheinlich“ in Richtung S-Bahnhof L. . Nunmehr bemühte er sich um ein Alibi, indem er verschiedenen Personen Mitteilungen machte über vermeintliche Unternehmungen in der vergangenen Nacht. Hierbei trank er weiter von dem mitgeführten Alkohol. Schließlich trat er mit dem Pkw den Heimweg an, wobei ihm bewusst war, dass er aufgrund des zuvor genossenen Alkohols fahruntüchtig war. Da er an seiner Wohnanschrift infolge der von ihm auf dem Nachbargrundstück gelegten Brände Polizeikräfte vermutete und er nicht die Fahrerlaubnis verlieren wollte, hielt er kurz hinter L. an, stellte sein Fahrzeug auf einem Waldweg ab und bat um 7:27 Uhr seinen Mitbewohner J. Ka. , ihn dort abzuholen. Dieser informierte jedoch die vor Ort anwesenden Polizeikräfte, so dass der Angeklagte kurze Zeit später im Bereich des Abstellortes seines Fahrzeuges festgenommen wurde. Dem Angeklagten um 8:41 Uhr und 9:11 Uhr entnommene Blutproben wiesen Blutalkoholkonzentrationen von 1,69 ‰ bzw. 1,59 ‰ aus.

II.


10
1. Der Schuldspruch hat keinen Bestand, soweit der Angeklagte wegen Brandstiftung an dem Bauwagen der Nebenklägerin gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB und wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 StGB verurteilt worden ist. Im Übrigen hält der Schuldspruch rechtlicher Nachprüfung stand.
11
a) Die Verurteilung wegen Brandstiftung an dem Bauwagen der Nebenklägerin unterliegt der Aufhebung, da sich aus den Feststellungen nicht ergibt, dass es sich bei dem in Brand gesetzten Bauwagen, wie von der Strafkammer angenommen, um eine Hütte im Sinne des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB handelte.
12
Hütten sind Bauwerke, bei denen an die Größe, Festigkeit und Dauerhaftigkeit geringere Anforderungen gestellt werden als bei Gebäuden, die aber dennoch ein selbstständiges, unbewegliches Ganzes bilden, das eine nicht völlig geringfügige Bodenfläche bedeckt und ausreichend abgeschlossen ist (vgl. RGSt 17, 179, 184; RGSt 73, 204, 205 f.; BayObLG, NJW 1989, 2704; LK-StGB/Wolff, 12. Aufl., § 306 Rn. 25; MüKo-StGB/Radtke, 2. Aufl., § 306 Rn. 25; NK-StGB/Kargl, 5. Aufl., § 306 Rn. 3). Ein Bauwagen ist daher nur dann als Hütte von § 306 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 StGB erfasst, wenn er durch sein Eigengewicht auf dem Boden ruht, nicht jedoch, wenn er mit Rädern ausgestattet und jederzeit bewegbar ist (vgl. OLG Karlsruhe, NStZ 1981, 482; hierauf Bezug nehmend BGH, Beschluss vom 31. Mai 2005 – 5 StR 182/05; vgl. auch Fischer, StGB, 65. Aufl., § 306 Rn. 3a; Heine/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 306 Rn. 4; MüKo-StGB/Radtke, aaO, § 306 Rn. 25).
13
Da das angefochtene Urteil keine näheren Feststellungen zur Beschaffenheit des Bauwagens enthält und insbesondere unklar bleibt, ob der Bauwagen durch das Vorhandensein von Rädern mobil war, sind die Voraussetzungen einer Hütte im Sinne des § 306 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 StGB nicht ausreichend dargetan. Da hierzu aber noch – ergänzende – Feststellungen getroffen werden können, ist die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die zu dieser Tat rechtsfehlerfrei getroffenen objektiven und subjektiven Feststellungen können bestehen bleiben.
14
b) Auch die Verurteilung des Angeklagten wegen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 StGB – die Strafkammer ist ersichtlich von einer vorsätzlichen Tatbegehung ausgegangen, was im Tenor hätte zum Ausdruck gebracht werden müssen (BGH, Beschluss vom 8. Juni 1995 – 4 StR 189/95, DAR 1996, 175; Fischer, aaO, § 316 Rn. 42) – hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, da sich für die hierzu getroffenen Feststellungen kein Beleg findet.
15
In dem angefochtenen Urteil fehlt es an jeglicher Beweiswürdigung dazu, dass und zu welchem Zeitpunkt die Trunkenheitsfahrt stattgefunden hat. Ausführungen dazu, auf welcher Tatsachengrundlage die Strafkammer zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Angeklagte sein Fahrzeug noch kurz vor seiner Festnahme führte und somit ein die Fahruntüchtigkeit in Frage stellender Nachtrunk nicht stattgefunden hatte, enthält das Urteil nicht. Erörterungsbedarf bestand insoweit schon deshalb, weil es nach den Feststellungen jedenfalls nicht fernlag, dass sich der Angeklagte nach den Brandlegungen zeitnah an den Ort seiner späteren Festnahme begab, er dort weiteren Alkohol – mit Auswirkungen auf die Bewertung der Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit – zu sich nahm und sein Fahrzeug bis zu der Festnahme nicht mehr führte.
16
c) Im Übrigen begegnet der Schuldspruch keinen durchgreifenden Bedenken.
17
aa) Dies gilt auch für die Annahme tatmehrheitlichen Handelns des Angeklagten in Bezug auf die vier Brandlegungen. Nach den Feststellungen wurden die Brände nacheinander und unabhängig voneinander gelegt, so dass unter den gegebenen Umständen die Annahme von Tatmehrheit tragfähig belegt ist.
18
bb) Bezüglich der durch die Inbrandsetzung des Hauses F. Straße begangenen Delikte des versuchten Mordes und der gefährlichen Körperverletzung ist lediglich aufgrund der Betroffenheit von fünf Tatopfern im Schuldspruch das Vorliegen von gleichartiger Tateinheit zum Ausdruck zu bringen (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 2005 – 4 StR 168/05, NStZ 2006, 167, 169).
19
2. Soweit die Schuldsprüche Bestand haben, unterliegen die Strafaussprüche insgesamt der Aufhebung.
20
a) Hinsichtlich der gegen den Angeklagten wegen der Tat im Zusammenhang mit der Inbrandsetzung des Hauses F. Straße verhängten Einzelfreiheitsstrafe von sechs Jahren ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer einen zu großen Schuldumfang zugrunde gelegt hat. Das Landgericht hat das Vorliegen zweier Mordmerkmale – Heimtücke und Einsatz eines gemeingefährlichen Mittels – straferschwerend berücksichtigt. Zwar begegnet die Annahme von Heimtücke keinen rechtlichen Bedenken, so dass der Schuldspruch wegen versuchten Mordes nicht in Frage steht. Die Annahme einer Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel wird von den Urteilsgründen mit Blick auf die hierfür erforderliche Gefährdung einer unbestimmten Mehrzahl von Menschen jedoch nicht getragen.
21
aa) Das Mordmerkmal der Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel ist erfüllt, wenn der Täter ein Tötungsmittel einsetzt, das in der konkreten Tatsituation eine unbestimmte Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil er die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat (vgl. BGH, Urteile vom 16. August 2005 – 4 StR 168/05, NStZ 2006, 167, 168; vom 1. September 1992 – 1 StR 487/92, BGHSt 38, 353, 354; vom 4. Februar 1986 – 5 StR 776/85, BGHSt 34, 13, 14). Dabei ist nicht allein auf die abstrakte Gefährlichkeit eines Mittels abzustellen, sondern auf seine Eignung und Wirkung in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des Täters (vgl. BGH, Urteile vom 16. August 2005; vom 1. September 1992; jeweils aaO). Von dem Mordmerkmal tatbestandlich nicht erfasst wird eine „schlichte“ Mehrfachtötung; eine solche liegt jedenfalls dann vor, wenn sich der Täter mit Tötungsabsicht gegen eine bestimmte Anzahl von ihm individualisierter Opfer richtet (vgl. BGH, Urteile vom 16. August 2005 – 4 StR 168/05, NStZ 2006, 167, 168; vom 16. März 2006 – 4 StR 594/05, NStZ 2006, 503, 504; vom 14. Januar 2010 – 4 StR 450/09, NStZ-RR 2010, 373, 374; Eser/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, aaO, § 211 Rn. 29; SK-StGB/ Sinn, 9. Aufl., § 211 Rn. 61; Rengier, Strafrecht – Besonderer Teil II, 19. Aufl., § 4 Rn. 47c; Zieschang, FS Puppe, 2011, S. 1301, 1318 ff.).
22
bb) Nach den Feststellungen wollte der Angeklagte den Tod der Nebenklägerin sowie der Zeugen B. S. und Ba. , während er den Tod der Zeuginnen S. S. und K. jedenfalls billigend in Kauf nahm. In diesem Sinne verhält sich auch die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite des Angeklagten.
23
In der rechtlichen Würdigung zum Tötungsvorsatz führt die Strafkammer – hiervon abweichend – aber aus, dass der Angeklagte den Tod „jedenfalls der Bewohner der im ersten Obergeschoss liegenden Wohnungen“ gewollt habe; aus dem Umstand, dass er die in das erste Obergeschoss führende Treppe entzündet habe, um den dortigen vier Bewohnern die Fluchtmöglichkeit zu nehmen, sei direkter Tötungsvorsatz zu folgern gewesen.
24
Dieser Widerspruch wird in den Urteilsgründen nicht aufgelöst. Die Reichweite der Tötungsabsicht des Angeklagten ist somit unklar, so dass nicht auszuschließen ist, dass jedenfalls bezüglich aller im ersten Obergeschoss aufhältigen Personen eine dem Mordmerkmal nicht unterfallende versuchte („schlichte“) Mehrfachtötung vorlag. Die Urteilsgründe bieten auch keinen An- halt dafür, dass der Angeklagte damit rechnete und billigte, dass sich neben den üblichen Bewohnern zur Tatzeit weitere Menschen in dem Haus aufhielten oder dass das Feuer auf Nachbargebäude überzugreifen drohte, was die Annahme des Mordmerkmals hätte rechtfertigen können. Die Gefährdung nur einer weiteren, nicht als Tatopfer anvisierten Person, der Zeugin K. , reicht zur Begründung der Gemeingefährlichkeit indes nicht aus, da sich hieraus gerade nicht eine – über die versuchte Mehrfachtötung hinausgehende – Gefährdung einer unbestimmten Mehrzahl von Personen ergibt.
25
b) Soweit der Angeklagte gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 4 Var. 1 StGB wegen der Brandstiftung an dem Pkw der Nebenklägerin zu einer Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden ist, hat der Strafausspruch ebenfalls keinen Bestand, da es insoweit im angefochtenen Urteil an jeglichen tatbezogenen Strafzumessungserwägungen fehlt. Sowohl bei der Ablehnung eines minder schweren Falles gemäß § 306 Abs. 2 StGB als auch bei der konkreten Strafzumessung hat die Strafkammer lediglich pauschal auf die Strafzumessungs- erwägungen, die sie zu dem versuchten Mord angestellt hat, verwiesen. Die dortigen Ausführungen sind aber überwiegend auf das versuchte Tötungsdelikt zugeschnitten und ohne Bezug zu dem Brandstiftungsdelikt. Dagegen bleiben bezüglich der Brandstiftung am Pkw der Nebenklägerin relevante Strafzumessungsgesichtspunkte unerörtert, wie etwa die Schadenshöhe (vgl. BeckOKStGB /von Heintschel-Heinegg, Stand: 1. Mai 2018, § 306 Rn. 46; LK-StGB/ Wolff, aaO, § 306 Rn. 50; zum Schutzzweck der Norm zuletzt BGH, Beschluss vom 22. Mai 2018 – 4 StR 598/17 mwN).
26
c) Zudem hat die wegen der Sachbeschädigung an der Kutsche der Nebenklägerin (§ 303 Abs. 1 StGB) verhängte Einzelstrafe von 90 Tagessätzen keinen Bestand, da auch hier jegliche tatbezogenen Strafzumessungserwägungen fehlen und nur pauschal festgehalten wird, dass die Strafe „nach Abwä- gung aller Umstände“ für tat- und schuldangemessen gehalten worden ist.
27
3. Die teilweise Aufhebung der Schuldsprüche und der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich. Die Aufhebung des Schuldspruchs nach § 316 Abs. 1 StGB führt auch zur Aufhebung der Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB.
28
4. Die Adhäsionsentscheidungen haben insgesamt keinen Bestand.
29
a) Soweit das Landgericht eine Adhäsionsentscheidung zugunsten der Nebenklägerin getroffen hat, mangelt es bereits an dem nach § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO erforderlichen Adhäsionsantrag, was von Amts wegen zu beachten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Juni 2017 – 2 StR 536/16, StraFo 2017, 285; vom 16. Dezember 2008 – 4 StR 542/08, NStZ 2009, 586; KK-StPO/Zabeck, 7. Aufl., § 404 Rn. 1).
30
aa) Dieser Adhäsionsentscheidung liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
31
Die Nebenklägerin hat zunächst schriftsätzlich einen Adhäsionsantrag „unter der Bedingung der Bewilligung ratenfreier Prozesskostenhilfe“ gestellt und dabei auf einen anliegenden „Antragsentwurf“ verwiesen. Am vorletzten Hauptverhandlungstag ist der Nebenklägerin – unter Beiordnung von Rechtsanwalt Fe. – Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Hieran anschließend ist ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls die Sach- und Rechtslage erörtert worden, wobei der Verteidiger für den Angeklagten erklärt hat, der Anspruch der Nebenklägerin werde dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Weitere Erklärungen der Nebenklägerin oder ihres Vertreters zum Adhäsionsverfahren ergeben sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll nicht.
32
bb) Damit liegt ein ordnungsgemäß gestellter Adhäsionsantrag nicht vor. Wird nämlich ein solcher unter der Bedingung der Prozesskostenhilfebewilligung angebracht, so ist nach erfolgter Bewilligung gleichwohl noch eine Antragstellung gemäß § 404 Abs. 1 StPO erforderlich; allein das Prozesskostenhilfeverfahren führt noch nicht zur Rechtshängigkeit der Adhäsionsanträge (BGH, Beschlüsse vom 6. Juni 2017 – 2 StR 536/16, aaO; vom 23. Juli 2015 – 3 StR 194/15; vom 9. August 1988 – 4 StR 342/88, BGHR StPO § 404 Antragstellung 1; jeweils mwN).
33
Der Adhäsionsantrag der Nebenklägerin ist indes unmissverständlich unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt worden, was sich auch aus dem Verweis auf einen bloßen „Antragsentwurf“ ergibt. Nachdem durch das Gericht Prozesskostenhilfe gewährt worden war, ist eine Antragstellung ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls nicht mehr erfolgt. Ein sol- cher Antrag wäre gemäß § 273 Abs. 1 Satz 1 StPO zu protokollierengewesen (BeckOK-StPO/Ferber, Stand: 1. Juni 2018, § 404 Rn. 5; KK-StPO/Zabeck, aaO, § 404 Rn. 5). Die bloße Erörterung der Sach- und Rechtslage ersetzt die erforderliche Antragstellung nicht.
34
b) Die Anträge der Adhäsionskläger S. S. und B. S. genügen nicht den Zulässigkeitsanforderungen gemäß § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO, da beide Adhäsionskläger nur beantragt haben, den Angeklagten zu einer Schmerzensgeldzahlung zu verurteilen, ohne den begehrten Betrag näher einzugrenzen.
35
Ein Adhäsionsantrag hat jedoch inhaltlich den Anforderungen an eine Zivilklage (§ 253 ZPO) zu genügen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 2016 – 2 StR 585/15, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Antragstellung 9; KK-StPO/Zabeck, aaO, § 404 Rn. 5; LR-StPO/Hilger, 26. Aufl., § 404 Rn. 1). Wenn der Umfang der beantragten Geldleistung im richterlichen Ermessen steht, muss zwar kein konkreter Betrag geltend gemacht werden; das Bestimmtheitsgebot verlangt aber zumindest die Angabe einer Größenordnung, um das Gericht und den Gegner darüber zu unterrichten, welchen Umfang der Streitgegenstand haben soll (vgl. BGH, Urteile vom 13. Oktober 1981 – VI ZR 162/80, NJW 1982, 340; vom 30. April 1996 – VI ZR 55/95, BGHZ 132, 341, 350; Beschlüsse vom 14. März 2018 – 4 StR 516/17, NStZ-RR 2018, 223, 224; vom 25. August 2016 – 2 StR 585/15, aaO; BeckOK-StPO/Ferber, aaO, § 404 Rn. 1). Deshalb fehlt es an der von § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO geforderten Bestimmtheit, wenn – wie hier – der Adhäsionskläger keine Angaben zur Größenordnung des begehrten Schmerzensgeldes macht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. März 2018 – 4 StR 516/17, und vom 25. August 2016 – 2 StR 585/15 , jeweils aaO).
36
c) Der Senat verweist die Sache auch bezüglich des Adhäsionsverfahrens zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück. Zwar soll regelmäßig eine Zurückverweisung allein zur Entscheidung über einen Adhäsionsantrag unterbleiben; in diesen Fällen soll vielmehr von einer Entscheidung über die Entschädigung des Verletzten ganz abgesehen werden (st. Rspr.; vgl. Beschlüsse vom 27. März 1987 – 2 StR 106/87, NStZ 1988, 237, 238; vom 29. Juli 2003 – 4 StR 222/03, juris Rn. 5; vom 7. Juli 2010 – 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 337). Jedoch hebt der Senat das Urteil auch im Übrigen teilweise auf und verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Damit hat das neue Tatgericht Gelegenheit – nach entsprechender Antragstellung –, auch über den zivilrechtlichen Teil der Sache neu zu entscheiden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. März 2018 – 4 StR 516/17, aaO; vom 14. September 2017 – 4 StR 177/17, NStZ-RR 2018, 24, 25).

III.


37
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
38
1. Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, bei der Strafzumessung und der Bestimmung des Schuldumfangs bezüglich des versuchten Tötungsdelikts auch das Vorliegen des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe in den Blick zu nehmen (vgl. zu einer aus Eifersucht erfolgten Tötung BGH, Urteile vom 22. März 2017 – 2 StR 656/13; vom 1. März 2012 – 3 StR 425/11, NStZ 2012, 691, 692; Beschluss vom 21. Dezember 2000 – 4 StR 499/00, StV 2001, 571; vgl. zur Tötung des „Nebenbuhlers“ BGH, Beschluss vom 6. Mai 2014 – 5 StR 99/14, juris Rn. 13). Diesbezüglich sind ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, zulässig.
39
2. Bezüglich der Inbrandsetzung des Bauwagens wird für den Fall des Nichtvorliegens einer Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB darauf hingewiesen , dass es für die Annahme einer Sachbeschädigung sowohl an einem Strafantrag als auch an der Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses fehlt (§ 303c StGB).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Quentin Feilcke

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR605/14
vom
5. Mai 2015
in der Strafsache
gegen
wegen fahrlässiger Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 5. Mai 2015 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 1. Juli 2014, soweit es den Angeklagten betrifft, in Ziffer 3 des Tenors dahin geändert, dass festgestellt ist, dass der Angeklagte als Gesamtschuldner verpflichtet ist, dem Nebenkläger sämtliche künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus der Tat vom 28. Mai 2013 zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind. Von einer Entscheidung über den im Adhäsionsverfahren angebrachten Feststellungsantrag im Übrigen wird abgesehen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels, die dem Neben- und Adhäsionskläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen und die im Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Danach hat es den Angeklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 130.000 Euro nebst Zinsen verurteilt und festgestellt, dass der Angeklagte als Gesamtschuldner verpflichtet ist, dem Nebenkläger sämtliche materiellen und weiteren immateriellen Schäden aus Anlass der Tat vom 28. Mai 2013 zu ersetzen, soweit etwaige Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge und mehrere Verfahrensbeanstandungen gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zu einer Änderung der Adhäsionsentscheidung ; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der im Rahmen der Adhäsionsentscheidung getroffene Feststellungsausspruch hält rechtlicher Überprüfung nur teilweise stand.
3
Entfallen muss die Feststellung, dass der Angeklagte als Gesamtschuldner verpflichtet ist, dem Adhäsionskläger die bereits entstandenen materiellen Schäden zu erstatten. Insofern hat der Adhäsionskläger weder geltend gemacht noch ist aus seinem Vortrag ansonsten ersichtlich, welche Schäden bereits entstanden sein könnten und warum er nicht in der Lage ist, diese Schäden schon jetzt zu beziffern. Für die Feststellungsklage mangelt es daher insoweit an dem erforderlichen Feststellungsinteresse (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2013 – 4 StR 471/13, StV 2014, 269 mwN; vom 13. August 2014 – 4 StR 211/14; vom 24. Februar 2015 – 4 StR 444/14).
4
2. Die weitere Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
5
Zu den Verfahrensrügen ist ergänzend zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts anzumerken:
6
Die Verfahrensbeschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die Verwertung der über die Vernehmung des Polizeibeamten KHK G. in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben des Angeklagten und seiner Tochter anlässlich einer polizeilichen Befragung beanstandet, ist nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechend ausgeführt. Da sich das Revisionsvorbringen weder zu den Begleitumständen noch zum Verlauf der Befragung der in der Küche des Tatanwesens anwesenden Personen verhält, kann der Senat nicht prüfen, ob der die Befragung vornehmende Polizeibeamte wegen seines gegenüber dem Angeklagten an den Tag gelegten Verhaltens oder aufgrund eines sich aus dem Verlauf der Befragung ergebenden Tatverdachts gegen den Angeklagten (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 – 1 StR 3/07, BGHSt 51, 367, 370 ff.; Beschlüsse vom 18. Juli 2007 – 1 StR 280/07, NStZ 2008, 48; vom 9. Juni 2009 – 4 StR 170/09, BGHR StPO § 136 Belehrung 16; Diemer in KK-StPO, 7. Aufl., § 136 Rn. 4 mwN) verpflichtet war, diesen als Beschuldigten zu behandeln und ihn nach § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO über sein Schweigerecht zu belehren. Hinsichtlich der beanstandeten Verwertung möglicher Äußerungen der Tochter des Angeklagten ist die Rüge deshalb unzulässig, weil es schon an der Behauptung einer konkreten Äußerung der Tochter fehlt. Die in diesem Zusammenhang erhobene Aufklärungsrüge ist mangels Bezeichnung der versäumten Beweiserhebung sowie konkreter Angabe zu dem erwarteten Beweisergebnis (vgl. Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 344 Rn. 51 mwN) ebenfalls nicht zulässig ausgeführt.
7
Im Übrigen beruht das Urteil nicht auf der Verwertung der Angaben des Zeugen KHK G. . Denn die Strafkammer hat die sichere Überzeugung von der Richtigkeit der den Angeklagten belastenden Einlassung des Mitangeklagten auf der Grundlage anderweitiger Beweisergebnisse gewonnen und die Ausführungen zu den Bekundungen des Zeugen lediglich ergänzend angefügt.
8
3. Der nur geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Beschwerdeführer teilweise von den durch sein Rechtsmittel veranlassten Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4, § 472a Abs. 2 StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Bender Quentin

(1) Soweit dem Antrag auf Zuerkennung eines aus der Straftat erwachsenen Anspruchs stattgegeben wird, hat der Angeklagte auch die dadurch entstandenen besonderen Kosten und die notwendigen Auslagen des Antragstellers im Sinne der §§ 403 und 404 zu tragen.

(2) Sieht das Gericht von der Entscheidung über den Adhäsionsantrag ab, wird ein Teil des Anspruchs dem Antragsteller nicht zuerkannt oder nimmt dieser den Antrag zurück, so entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen, wer die insoweit entstandenen gerichtlichen Auslagen und die insoweit den Beteiligten erwachsenden notwendigen Auslagen trägt. Die gerichtlichen Auslagen können der Staatskasse auferlegt werden, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten.