Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Feb. 2016 - 4 StR 412/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:170216B4STR412.15.0
bei uns veröffentlicht am17.02.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 412/15
vom
17. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:170216B4STR412.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 17. Februar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 12. Mai 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) im Fall II. 2 der Urteilsgründe (Verurteilung wegen besonders schweren Raubes),
b) in den Aussprüchen über die Gesamtstrafe und die Vollstreckungsreihenfolge , soweit der Vorwegvollzug von einem Jahr und zehn Monaten der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gemeinschaftlichen be- sonders schweren Raubes, besonders schweren Raubes, schweren Raubes, schwerer räuberischer Erpressung und versuchter gemeinschaftlicher beson- ders schwerer räuberischer Erpressung“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und acht Monaten verurteilt. Es hat ferner die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und einen Vorwegvollzug der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
1. Der Generalbundesanwalt hält die Beweiswürdigung im Fall II. 2 der Urteilsgründe für durchgreifend rechtsfehlerhaft; die Darstellung und Auseinandersetzung mit den den Angeklagten belastenden Indizien im Zusammenhang mit seiner Identifizierung durch den Geschädigten seien lückenhaft (§ 261 StPO). Dem kann sich der Senat – jedenfalls im Ergebnis – nicht verschließen.
3
Ob die Annahme einer hinreichend sicheren Identifizierung vor dem Hintergrund des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe schon deshalb einer tragfähigen Grundlage entbehrt, weil sich der Geschädigte bei der Wahllichtbildvorlage lediglich zu 60% sicher war, kann letztlich dahinstehen. Entsprechendes gilt, soweit der Generalbundesanwalt die Erwägungen der Strafkammer zum Beweiswert des wiederholten Wiedererkennens als unzureichend beanstandet. Jedenfalls lassen die Urteilsgründe, soweit der Zeuge zur Begrün- dung der Wiedererkennung auf die markante Augenpartie des Angeklagten verwiesen hat, eine genauere Wiedergabe seiner Bekundungen vermissen, ferner eine Darlegung der Gesichtspunkte, die für die Folgerung des Landgerichts maßgebend waren, es liege diesbezüglich tatsächlich eine Übereinstimmung vor. Bei der Würdigung einer zusammenfassenden Wertung eines Zeugen, wie sie das Landgericht hier in Bezug auf die Identifizierung des Angeklagten vorgenommen hat, kommt es auch auf die dieser Wertung zugrundeliegenden, von dem Zeugen mehr oder weniger substantiierten Tatsachen an, hier also darauf, welche äußeren Merkmale für das Wiedererkennen maßgebend waren (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1991 – 3 StR 178/91). Dies wäre hier umso mehr erforderlich gewesen, als der von dem Geschädigten beobachtete, hier in Betracht kommende Täter eine Kappe trug und sich ein Tuch vor den Mund gebunden hatte. Die Urteilsgründe sind auch deshalb lückenhaft, weil nicht mitgeteilt wird, ob und gegebenenfalls welche Angaben der Zeuge zu der festgestellten Fehlstellung der Nase des Angeklagten gemacht hat.
4
2. Dem Antrag des Generalbundesanwalts, im Hinblick auf den Fall II. 2 der Urteilsgründe nach § 154 Abs. 2 StPO zu verfahren, folgt der Senat nicht; das Landgericht hat hier die Einsatzstrafe von sechs Jahren verhängt. Er hebt die Verurteilung in diesem Fall auf und verweist die Sache an das Landgericht zurück.
5
Mit der Aufhebung ist auch den Aussprüchen über die Gesamtstrafe und die Anordnung über die Dauer des Vorwegvollzugs die Grundlage entzogen. Die Sache bedarf daher insoweit ebenfalls neuer Verhandlung und Entscheidung.

II.


6
Im Übrigen hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Feb. 2016 - 4 StR 412/15

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Feb. 2016 - 4 StR 412/15

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Feb. 2016 - 4 StR 412/15 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

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Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.