Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Juli 2019 - 4 StR 489/18

bei uns veröffentlicht am02.07.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 489/18
vom
2. Juli 2019
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:020719B4STR489.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu 1. a), 1. b) aa) und 2. auf dessen Antrag – und des Beschwerdeführers am 2. Juli 2019 gemäß § 154 Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen :
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 30. April 2018 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall III.1.a der Urteilsgründe verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
b) das vorgenannte Urteil, soweit es diesen Angeklagten betrifft, aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig ist; bb) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung (Tat III.1.a der Urteilsgründe; Einzelstrafe: sechs Monate Freiheitsstrafe) und wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen (Tat III.2 der Urteilsgründe; Einzelstrafe: zwei Jahre und vier Monate Freiheitsstrafe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Während die Verfahrensbeanstandung aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht in zulässiger Weise erhoben ist, führt das Rechtsmittel zur Einstellung des Verfahrens hinsichtlich der Tat III.1.a der Urteilsgründe und hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Senat stellt das Verfahren, soweit der Angeklagte im Fall III.1.a der Urteilsgründe verurteilt worden ist, auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO aus verfahrensökonomischen Gründen ein.
3
Die Teileinstellung des Verfahrens führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und zum Wegfall der für die Tat III.1.a verhängten Einzelstrafe sowie der Gesamtstrafe.
4
2. Mit Blick auf die Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen (Tat III.2 der Urteilsgründe) hat der Schuldspruch Bestand. Hingegen unterliegt der Strafausspruch zu dieser Tat der Aufhebung, weil die Begründung, mit der das Landgericht bei der Straf- rahmenwahl das Vorliegen der Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB verneint hat, rechtlicher Prüfung nicht standhält.
5
a) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen wurden durch die vom Angeklagten gemeinsam mit seinen mitangeklagten Brüdern verübte Tat die Geschädigten R. und W. verletzt. Ein drittes Mitglied der gegnerischen Gruppe, C. , konnte hingegen fliehen und blieb unverletzt. In der Strafzumessung hat das Landgericht ausgeführt, ein TäterOpfer -Ausgleich gemäß § 46a Nr. 1 StGB sei nicht zustande gekommen. Zwar hätten die Zeugen R. , W. und der weitere Geschädigte J. die Entschuldigung des Angeklagten und dessen Geldzahlung angenommen , jedoch habe der Zeuge C. die Leistungen des Angeklagten nicht als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert.
6
b) Damit hat die Strafkammer an das Vorliegen des vertypten Strafmilderungsgrundes nach § 46a Nr. 1 StGB einen unzutreffenden Maßstab angelegt.
7
Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt: „Sinddurch eine Straftat Rechtsgüter mehrerer Personen verletzt, muss zwar nach ständiger Rechtsprechung hinsichtlich jedes Geschädigten zumindest eine Variante des § 46a StGB erfüllt sein (vgl. etwa BGH, Urteil vom 7. Februar 2018 – 5 StR 535/17, NStZ 2018, 276 mwN). Jedoch ist Verletzter oder Geschädigter im Sinne dieser Regelung – nur – die Person, die als direkte Folge der strafbaren Handlung oder Unterlassung einen Schaden erlitten hat. Der strafzumessungsrelevante Ausgleich, der nach § 46a StGB zu einer Milderung der Strafe führen kann, knüpft schon nach dem Wortlaut der Norm an die als Folge der Straftat entstandene Beziehung zwischen dem Täter und dem Träger des verletzten Rechtsguts an. So sind etwa auch Hinterbliebene nicht ‚Verletzte‘ im Sinne des Täter-Opfer-Ausgleichs (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Juni 2018 – 4 StR 144/18 Rn. 7). Dafür sprechen auch der Wille des Gesetz- gebers, der sich begrifflich an die in § 10 Abs. 1 Nr. 7 JGG enthaltene Definition angelehnt hat, sowie Sinn und Zweck der Vorschrift, die im Hinblick auf den im Einzelfall in Betracht kommenden Personenkreis zu unbestimmt zu werden drohte, würde jeder von einer Straftat nur mittelbar Betroffene vom Kreis der Verletzten erfasst (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Juni 2018 – 4 StR 144/18). Nach Maßgabe dessen kam es auf die unterbliebene Aussöhnung mit dem von der Tat nicht unmittelbar betroffenen C. nicht an.Im Hinblick auf die durch die gefährliche Körperverletzung Geschädigten hat das Landgericht die Voraussetzungen eines erfolgreichen Täter-OpferAusgleichs demgegenüber als gegeben angesehen, so dass eine Strafrahmenverschiebung nach § 46a Nr. 1 StGB möglich gewesen wäre.“
8
Dem tritt der Senat bei. Der Strafausspruch hat keinen Bestand, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass er auf dem aufgezeigten Rechtsfehler bei der Strafrahmenwahl beruht.
9
Eine eigene Strafzumessungsentscheidung des Senats gemäß § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO kommt in dieser Konstellation nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Februar 2019 – 4 StR 2/19, juris Rn. 6; vom 18. Mai 2010 – 3 StR 140/10, NStZ 2010, 714).
10
3. Der Senat verweist die Sache entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer zurück, da ein die Zuständigkeit des Schwurgerichts begründender Tatvorwurf nicht mehr besteht (vgl. BGH, Urteil vom 7. September 1994 – 2 StR 264/94, NJW 1994, 3304, 3305, insoweit in BGHSt 40, 251 nicht abgedruckt; Beschluss vom 15. März 2011 – 5 StR 44/11, juris Rn. 5; MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 354 Rn. 42).
Sost-Scheible Cierniak Quentin
RiBGH Dr. Paul ist im Urlaub und daher gehindert zu unterschreiben. Feilcke Sost-Scheible

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Juli 2019 - 4 StR 489/18

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

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Hat der Täter 1. in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder2. in einem Fall, in welchem die
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 535/17
vom
7. Februar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:070218U5STR535.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Februar 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander, Prof. Dr. König, Dr. Berger, Prof. Dr. Mosbacher
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 18. Juli 2017 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt und Ratenzahlung bewilligt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten und auf den Strafausspruch beschränkten Revision. Das mit der Sachrüge geführte und vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts gab der zur Tatzeit 22 Jahre alte Angeklagte, der zuvor Alkohol und Marihuana konsumiert hatte, am späten Abend des 19. November 2015 von einer Telefonzelle aus bei einem PizzaLieferservice unter falschem Namen und Angabe einer nicht auf ihn zugelassenen Rufnummer eine Bestellung auf. Gegen Mitternacht brachte der als Bote eingesetzte Zeuge B. mit seinem Fahrrad die bestellten Waren im Wert von etwa 30 Euro zu dem vom Angeklagten als Lieferadresse benannten Haus. Dessen Eingänge liegen auf der von der Straße abgewandten Rückseite des Gebäudes. Der Zeuge stellte sein Fahrrad vor dem Hauseingang ab, in dessen Nähe der Angeklagte mit zwei Begleitern saß. Eine der drei Personen erklärte, dass die Bestellung für sie sei, woraufhin der Zeuge die Waren übergab und in Erwartung der Zahlung seine Geldbörse hervorholte. Der Angeklagte nahm nunmehr aus seiner Jackentasche eine Reizgassprühdose, hielt sie circa 10 cm vor das Gesicht des Geschädigten und gab einen Sprühstoß ab, um sich ohne deren Bezahlung im Besitz der gelieferten Waren zu erhalten. Der Sprühstoß traf den Geschädigten insbesondere in die Augen und in den Mund. Weiterhin im Besitz seiner Geldbörse wandte er sich ab. Obwohl er kaum noch sehen konnte, gelang es ihm, sein Fahrrad zu erreichen und zu fliehen. Er erlitt Schmerzen und Reizungen im Gesicht, die am nächsten Tag vollständig abgeklungen waren. Weil er befürchtete, ein solcher Vorfall könne sich wiederholen, gab er seine Nebentätigkeit bei dem Pizza-Service auf.
3
Der Angeklagte hat nach Beginn der Hauptverhandlung dem Geschädigten B. 500 Euro Schmerzensgeld gezahlt und sich bei ihm entschuldigt; dieser hat die Entschuldigung angenommen.
4
2. Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung einen minder schweren Fall im Sinne von § 250 Abs. 3 StGB schon aufgrund der allgemeinen Strafzumessungserwägungen angenommen. Strafmildernd hat es hierbei insbesondere den verhältnismäßig geringen Vermögensschaden sowie den Umstand berücksichtigt, dass es sich bei dem eingesetzten Reizgas um ein unterdurchschnittlich gefährliches Werkzeug gehandelt habe. Zudem hat es zu Gunsten des Angeklagten gewertet, dass die durch das Reizgas verursachten körperlichen Symptome des Geschädigten am nächsten Tag wieder abgeklun- gen seien und der Angeklagte ein „strafbegründendes“ Geständnis abgelegt habe. Weiterhin sah es als strafmildernde Gesichtspunkte an, dass der bisher unbestrafte Angeklagte durch den Konsum von Alkohol und Marihuana bei der Tatbegehung enthemmt gewesen sei und sich sechs Tage in Untersuchungshaft befunden habe. Anschließend hat das Landgericht den Strafrahmen weiter gemäß §§ 46a Nr. 1, 49 Abs. 1 StGB gemildert, da sich der Angeklagte bei dem Geschädigten B. entschuldigt und ihm ein Schmerzensgeld gezahlt habe.

II.


5
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Der Strafausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
6
1. Das Landgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB erfüllt seien und dieser vertypte Strafmilderungsgrund deshalb zugunsten des Angeklagten bei der Strafrahmenwahl zu berücksichtigen sei. Denn es reicht insofern nicht aus, dass ein Ausgleich nur in Bezug auf einen von mehreren Geschädigten gegeben ist. Sind durch eine Straftat Rechtsgüter mehrerer Personen verletzt, muss nach ständiger Rechtsprechung hinsichtlich jedes Geschädigten zumindest eine Variante des § 46a StGB erfüllt sein (vgl. BGH, Urteile vom 5. März 2014 – 2 StR 496/13, BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 10, und vom 22. Juni 2017 – 4 StR 151/17, NStZ-RR 2017, 306; MüKoStGB/Maier, 3. Aufl., § 46a Rn. 12, 26). Hier ist der Inhaber des Pizza-Lieferservices, dem ein Vermögensschaden zumindest in Höhe der erbeuteten Waren entstanden ist, neben dem Geschädigten B. ein weiteres Opfer der Tat. Aus dem Urteil ergibt sich nicht, dass auch im Hinblick auf seine Person eine Variante des § 46a StGB vorliegt.
7
2. Der deshalb fehlerhaft bestimmte Strafrahmen bedingt die Aufhebung des Strafausspruchs. Der Senat kann angesichts des festgestellten Tatbildes nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne den Rechtsfehler von einer Anwendung des gemäß § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Ausnahmestrafrahmens nach § 250 Abs. 3 StGB abgesehen und auf eine höhere Strafe erkannt hätte. Bei dieser Sachlage muss er nicht entscheiden, ob – wofür vieles spricht – sich die außerordentlich milde Strafe von ihrer Bestimmung gelöst hat, gerechter Schuldausgleich zu sein.
Mutzbauer Sander König
Berger Mosbacher

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

7
1. Gemäß § 46a Nr. 1 StGB kann die Strafe gemildert werden, wenn der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt hat. Schon der Wortlaut der Vorschrift legt ein Verständnis dahin, dass auch die Hinterbliebenen eines durch einfahrlässiges oder vorsätzliches Tötungsdelikt zu Tode gekommenen Tatopfers in ihren Anwendungsbereich einbezogen sein könnten, nicht nahe. Das ergibt sich zwar nicht allein aus der Verwendung der ohne nähere Eingrenzung und erkennbar synonym verwendeten Begriffe „Verletzter“ bzw. „Opfer“ (zum Wortlaut vgl.

(1) Weisungen sind Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Der Richter kann dem Jugendlichen insbesondere auferlegen,

1.
Weisungen zu befolgen, die sich auf den Aufenthaltsort beziehen,
2.
bei einer Familie oder in einem Heim zu wohnen,
3.
eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle anzunehmen,
4.
Arbeitsleistungen zu erbringen,
5.
sich der Betreuung und Aufsicht einer bestimmten Person (Betreuungshelfer) zu unterstellen,
6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen,
7.
sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich),
8.
den Verkehr mit bestimmten Personen oder den Besuch von Gast- oder Vergnügungsstätten zu unterlassen oder
9.
an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen.

(2) Der Richter kann dem Jugendlichen auch mit Zustimmung des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters auferlegen, sich einer heilerzieherischen Behandlung durch einen Sachverständigen oder einer Entziehungskur zu unterziehen. Hat der Jugendliche das sechzehnte Lebensjahr vollendet, so soll dies nur mit seinem Einverständnis geschehen.

7
1. Gemäß § 46a Nr. 1 StGB kann die Strafe gemildert werden, wenn der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt hat. Schon der Wortlaut der Vorschrift legt ein Verständnis dahin, dass auch die Hinterbliebenen eines durch einfahrlässiges oder vorsätzliches Tötungsdelikt zu Tode gekommenen Tatopfers in ihren Anwendungsbereich einbezogen sein könnten, nicht nahe. Das ergibt sich zwar nicht allein aus der Verwendung der ohne nähere Eingrenzung und erkennbar synonym verwendeten Begriffe „Verletzter“ bzw. „Opfer“ (zum Wortlaut vgl.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

6
Eine eigene Strafzumessungsentscheidung gemäß § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO – wie vom Generalbundesanwalt beantragt – kommt in dieser Konstellation nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2010 – 3 StR 140/10, NStZ 2010, 714).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 140/10
vom
18. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag - am 18. Mai
2010 gemäß §§ 44, 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 19. November 2009 auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.
Damit ist der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 21. Januar 2010, mit dem die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil im Strafausspruch aufgehoben, jedoch bleiben die Feststellungen aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht bei der Bemessung der Strafe gegen das Rückwirkungsverbot (§ 2 Abs. 1 StGB) verstoßen hat.
3
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb der Angeklagte am 2. April 2009 auf Veranlassung eines Bestellers 798 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 114,7 Gramm THC zu einem Preis von 2.550 Euro. Für die geplante Weitergabe war ihm eine Provision in Höhe von 300 bis 400 Euro zugesagt worden, von der er 200 Euro erhielt. Bei der Anfahrt zum Übergabeort und dem Abtransport des Rauschgifts mit seinem PKW führte er in den Seitenfächern von Fahrer- und Beifahrertüre zwei Teleskopschlagstöcke und ein Reizgasspray griffbereit mit sich.
4
b) Dieses Tatgeschehen hat das Landgericht unter Berücksichtigung des Milderungsgrundes aus § 31 BtMG und einer Vielzahl weiterer für den Angeklagten sprechender Tatsachen rechtsfehlerfrei als minder schweren Fall des bewaffneten Handeltreibens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Sinne des § 30 a Abs. 3 BtMG bewertet.
5
Bei der Bestimmung der verhängten Freiheitsstrafe von drei Jahren ist das Landgericht indes von einem unzutreffenden Strafrahmen ("von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe") ausgegangen.
6
Nach § 2 Abs. 1 StGB bestimmt sich die Strafe grundsätzlich nach dem zur Tatzeit geltenden Gesetz; ändert sich dieses vor der Entscheidung, ist das mildeste Gesetz anzuwenden (§ 2 Abs. 3 StGB).
7
Die zur Tatzeit im April 2009 geltende Fassung des § 30 a Abs. 3 BtMG sah für minder schwere Fälle des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln noch eine Strafrahmenobergrenze von fünf Jahren vor. Erst durch Art. 5 Nr. 7 des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 (BGBl I 1990, 2010), in Kraft seit 23. Juli 2009, wurde die Strafandrohung auf bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe erhöht. Daher hätte das Landgericht seiner Strafzumessung weiterhin eine Strafrahmenobergrenze von lediglich fünf Jahren zugrunde legen müssen.
8
2. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO kam im Hinblick darauf, dass der Strafzumessung ein anderer Strafrahmen zugrunde zu legen ist, nicht in Betracht (BGH StV 2008, 176; StraFo 2010, 159). Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Strafausspruch können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Im Rahmen der neuen Strafzumessung sind ergänzende Feststellungen möglich, sofern sie den bisher getroffenen nicht widersprechen.
Becker Pfister RiBGH von Lienen befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Ri'in BGH Sost-Scheible befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Hubert

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

5
3. Der Senat verweist die Sache entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück (vgl. BGH, Urteil vom 7. September 1994 – 2 StR 264/94, NJW 1994, 3304, 3305, insoweit in BGHSt 40, 251 nicht abgedruckt; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 354 Rn. 42). Denn der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung ist in Rechtskraft erwachsen, womit der die Zuständigkeit des Schwurgerichts begründende Tatvorwurf des versuchten Totschlags weggefallen ist.