Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Mai 2014 - 4 StR 503/13

bei uns veröffentlicht am06.05.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 S t R 5 0 3 / 1 3
vom
6. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Mai 2014 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 31. Mai 2013 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat dieses Urteil mit den Feststellungen – mit Ausnahme derjenigen zu den einzelnen sexuellen Handlungen zum Nachteil der Nebenklägerin – aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt.
2
Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sein Rechtsmittel bleibt erfolglos.

I.


3
Die Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts (§ 244 Abs. 3 Satz 2 Fall 3 StPO) ist jedenfalls unbegründet. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 9. Dezember 2013.

II.


4
Auch die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der vom Beschwerdeführer erhobenen Sachrüge hat keinen ihn benachteiligenden Rechtsfehler ergeben.
5
Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht angenommen hat, die Nebenklägerin sei dem Angeklagten im Tatzeitraum in seiner Eigenschaft als Lehrer zur Erziehung und zur Ausbildung im Sinne von § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB anvertraut gewesen.
6
Dazu hat das Landgericht Folgendes festgestellt:
7
1. Der Angeklagte war von 2000 bis zu seiner Suspendierung vom Dienst am 11. März 2011 an einer Realschule in Nordrhein-Westfalen als Sport- und Erdkundelehrer tätig. Seit dem Jahr 2002 bildete er im Rahmen eines zusätzlichen, von ihm im Einvernehmen mit der Schulleitung eingerichte- ten freiwilligen Schulsanitätsdienstes Schüler und Schülerinnen ab der Klassenstufe 7 zu Schulsanitätern aus. Dabei handelte es sich um ein Angebot der Schule außerhalb des Regelunterrichts in Form einer Arbeitsgemeinschaft. Die freiwillige Teilnahme daran wurde u.a. im Zeugnis unter der Rubrik „Angaben zum außerunterrichtlichen Engagement“ vermerkt. Auf der Grundlage eines entsprechenden Beschlusses der Schulkonferenz stellte die Schule für die Durchführung des Schulsanitätsdienstes einen Raum im Schulgebäude zur Verfügung, der mit einer Liege sowie einem Ersten-Hilfe-Schrank mit entsprechenden Materialien ausgestattet war. Im Schulsekretariat wurde über den Schulsanitätsdienst eine Akte geführt. Der Angeklagte war als Leiter des Schulsanitätsdienstes für die Beschaffung der Erste-Hilfe-Materialien zuständig, rechnete angefallene Kosten gegenüber der Schule ab, kümmerte sich allgemein um die Sachausstattung und warb um Sponsoren. Ferner war er Ansprechpartner für die Schulleitung in allen Angelegenheiten des Schulsanitätsdienstes und steuerte in Zusammenarbeit mit der Schulleiterin dessen personelle Zusammensetzung, indem er beispielsweise einen bestimmten Schüler zur Verbesserung des Sozialverhaltens in den Sanitätsdienst aufnahm. Als Ausgleich für die Leitung des Sanitätsdienstes erhielt der Angeklagte Ermäßigungsstunden.
8
2. Voraussetzung für die Aufnahme in den Schulsanitätsdienst war die Absolvierung eines Erste-Hilfe-Kurses mit anschließendem Wissenstest, der vom Angeklagten in gewissen zeitlichen Abständen veranstaltet wurde. An jedem Schultag waren zwei Schüler zum Schulsanitätsdienst eingeteilt und wurden im Bedarfsfall über schuleigene Funksprechgeräte zum Einsatzort gerufen. Auch die Durchführung des täglichen Sanitätsdienstes lag in der Verantwortung des Angeklagten. Der ihm zugeteilte Klassenraum für seine regulären Unterrichtsstunden lag unmittelbar gegenüber dem Schulsanitätsraum. So konnten die eingesetzten Schulsanitäter bei Unsicherheiten in der Behandlung eines Falles oder bei Uneinigkeit untereinander mit ihm Rücksprache halten und taten dies auch. Über jeden Einsatz hatten die eingesetzten Schulsanitäter ein Protokoll zu verfassen, das der Angeklagte mit ihnen regelmäßig besprach. Stichprobenartig überwachte der Angeklagte auch die Berechtigung der im Schulsanitätsraum anwesenden Schülerinnen und Schüler in den Pausen.
9
3. Die im Tatzeitraum (22. Oktober 2010 bis 4. März 2011) überwiegend 14 und zuletzt 15 Jahre alte Nebenklägerin besuchte die Realschule, wurde indes vom Angeklagten weder als Klassen- noch als Fachlehrer unterrichtet, auch nicht vertretungsweise. Sie absolvierte bei dem Angeklagten erstmals von April bis Juli 2009 einen Erste-Hilfe-Kurs und wurde danach in den Schulsanitätsdienst aufgenommen. Weil ihr diese Tätigkeit gut gefiel und sie ihre Kenntnisse verbessern wollte, wiederholte sie den Kurs – ebenfalls beim Angeklagten – im Zeitraum zwischen Februar und April 2010. Bei einem weiteren vom Angeklagten veranstalteten Erste-Hilfe-Kurs von September 2010 bis Februar 2011 assistierte sie dem Angeklagten auf freiwilliger Basis. Daneben war die Nebenklägerin auch im Tatzeitraum regelmäßig als Schulsanitäterin tätig. Während ihrer Einsätze nahm sie die Möglichkeit der Rücksprache mit dem Angeklagten öfters wahr, da sie meinte, er könne medizinisch problematische Situationen aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung gut einschätzen. In einem Fall, in dem eine Schülerin oft Bauchweh zu haben vorgab und bei der der Verdacht bestand, sie simuliere, nahm sie regelmäßig Kontakt zum Angeklagten auf, ebenso bei Meinungsverschiedenheiten mit den anderen Schulsanitätern. Auf Bitten des Angeklagten übernahm sie einige Zeit nach ihrer Aufnahme in den Schulsanitätsdienst zusätzlich die Erstellung der Dienstpläne hinsichtlich der einzusetzenden Schülerinnen und Schüler, wobei der Angeklagte ihr vor allem zu Beginn dieser Tätigkeit Ratschläge für die Zusammensetzung der einzelnen Teams erteilte.
10
4. Infolge der Trennung ihrer Mutter von ihrem Stiefvater, mit dem sie ein sehr enges Vertrauensverhältnis verbunden hatte, entwickelte die Nebenklägerin seit Februar 2009 eine massive Essstörung und magerte erheblich ab. Im Sommer 2010 aß sie fast nichts mehr und begann, sich durch Ritzen selbst zu verletzen. Zwischen dem Angeklagten, der ihre schlechte Verfassung bemerkt und ihr seine Hilfe angeboten hatte, und der Nebenklägerin, die sich daraufhin dem Angeklagten zuwandte und ihm rückhaltlos von ihren privaten Problemen berichtete, entstand in der Folgezeit eine enge persönliche Beziehung, in der es nach dem Austausch bloßer Zärtlichkeiten in der Zeit vom 22. Oktober 2010 bis zum 4. März 2011 zu den hier abgeurteilten sexuellen Handlungen kam. Der Angeklagte gab der Nebenklägerin in einem Fall einen Zungenkuss, veranlasste sie in drei Fällen dazu, bei ihm den Oralverkehr auszuführen und führte in acht Fällen den vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr durch, in einem Fall zusätzlich den Analverkehr.

III.


11
1. Die Annahme eines Obhutsverhältnisses zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin im Sinne des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB wird durch die im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen hinreichend belegt.
12
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert ein solches Obhutsverhältnis eine Beziehung zwischen Täter und Opfer, aus der sich für den Täter das Recht und die Pflicht ergibt, Erziehung, Ausbil- dung oder Lebensführung des Schutzbefohlenen und damit dessen geistigsittliche Entwicklung zu überwachen und zu leiten, wobei sich die Begriffe der Erziehung, der Ausbildung und der Betreuung in der Lebensführung in ihrem Bedeutungsgehalt überschneiden (vgl. nur BGH, Beschluss vom 31. Januar 1967 – 1 StR 595/65, BGHSt 21, 196, 199 ff.; Senatsbeschluss vom 26. Juni 2003 – 4 StR 159/03, NStZ 2003, 661). Ein die Anforderungen der Vorschrift erfüllendes Anvertrautsein setzt ein den persönlichen, allgemein menschlichen Bereich umfassendes Abhängigkeitsverhältnis des Jugendlichen zu dem jeweiligen Betreuer im Sinne einer Unter- und Überordnung voraus (BGH, Beschluss vom 21. April 1995 – 3 StR 526/94, BGHSt 41, 137, 139). Ob ein solches Verhältnis besteht und welchen Umfang es hat, ist regelmäßig nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalles zu beurteilen (BGH, Urteil vom 5. November 1985 – 1 StR 491/85, BGHSt 33, 340, 344; Urteil vom 10. Juni 2008 – 5 StR 180/08, BGHR StGB § 174 Abs. 1 Obhutsverhältnis 11). Der konkreten Feststellung eines Missbrauchs des Obhutsverhältnisses bedarf es dabei nicht; im Hinblick auf dessen soziale Funktion wird die Missbräuchlichkeit vielmehr unwiderlegbar vermutet (BT-Drucks. 6/3521, S. 21; vgl. dazu SSW-StGB/ Wolters, 2. Aufl., § 174 Rn. 5).
13
b) Schon mit Blick darauf, dass dieses Abhängigkeitsverhältnis den persönlichen , allgemein menschlichen Bereich umfassen muss, wird es im Verhältnis eines Lehrers zu seinen Schülern, insbesondere an größeren Schulen mit nur schwer überschaubarem Lehrerkollegium, nicht schon durch die bloße Zugehörigkeit zu derselben Schule konstituiert, sondern regelmäßig erst mit der Zuweisung eines Schülers zu einem bestimmten Lehrer, der dadurch die in § 174 Abs. 1 StGB vorausgesetzten Pflichten übernimmt (BGH, Urteil vom 30. Oktober 1963 – 2 StR 357/63, BGHSt 19, 163, 166; anders noch für den Leiter einer Schule: BGH, Urteil vom 24. November 1959 – 5 StR 518/59, BGHSt 13, 352, 355). Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 25. April 2012 (NStZ 2012, 690) ausgeführt hat, ist die für das Anvertrautsein erforderliche Obhutsbeziehung im Lehrer-Schüler-Verhältnis aber nicht auf die Erteilung von (verbindlichem) Regelunterricht etwa durch den Klassen- oder Fachlehrer beschränkt, mag sie sich in diesem Falle auch von selbst verstehen und keiner weiteren Darlegung bedürfen (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juni 2003 – 4 StR 159/03, NStZ 2003, 661). Sie kann auch unabhängig davon zu bejahen sein, etwa bei Aufsichtstätigkeiten oder im Rahmen besonderer Veranstaltungen der Schule, zu denen auch die Durchführung einer von den Schulbehörden genehmigten, nicht zum regulären Unterricht zählenden Arbeitsgemeinschaft gehören kann. Ob ergänzende Lehrleistungen außerhalb des Regelunterrichts die Annahme eines Obhutsverhältnisses im Sinne von § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB rechtfertigen, hat der Tatrichter auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung zu beurteilen, in die alle für die rechtliche Bewertung bedeutsamen Umstände einzubeziehen sind. Es muss sich dabei am Schutzzweck der Vorschrift orientieren , wonach Minderjährige und daher regelmäßig noch nicht ausgereifte Menschen vor sexuellen Übergriffen durch Autoritätspersonen bewahrt werden sollen , denen sie durch einen Vertrauensbeweis überantwortet und damit gewissermaßen in die Hand gegeben sind (vgl. BGH, Urteil vom 5. November1985 – 1 StR 491/85, BGHSt 33, 340, 344).
14
2. Gemessen daran war die Nebenklägerin dem Angeklagten im Tatzeitraum im Sinne von § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB anvertraut. Zwischen ihm und der Nebenklägerin bestand ein über das bloße öffentlich-rechtliche Schulverhältnis, das gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 SchulG NRW bereits durch die Aufnahme des Schülers in eine Schule zustande kommt, hinausgehendes Abhängigkeitsverhältnis.
15
a) Bei dem vom Angeklagten geleiteten Schulsanitätsdienst, an dem die Nebenklägerin im Tatzeitraum regelmäßig teilnahm, handelte es sich um eine von der Schulkonferenz genehmigte und in Letztverantwortung der Schule durchgeführte Veranstaltung in Ergänzung zum verpflichtenden Regelunterricht. Nach der im Tatzeitraum für die allgemeinbildenden Schulen des Landes Nordrhein-Westfalen bestehenden (und noch fortgeltenden) Rechtslage gehörte es zu den pädagogischen Aufgaben der Lehrkräfte, das Sicherheitsbewusstsein der Schülerinnen und Schüler zu wecken und zu fördern (RdErl. d. Kultusministeriums NRW vom 29. Dezember 1983 zu Unfallverhütung u.a., Ziff. 1, GABl. 1984, S. 70). Die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten für das Handeln in Notfällen diente „im Rahmen einer kontinuierlichen Gesamterzie- hung“ (Präambel RdErl. d. Kultusministeriums NRW vom 24. Mai 1976 zur Grundausbildung in Erster Hilfe, GABl. NW S. 278) der Befähigung zu selbständigem Handeln (RdErl. vom 24. Mai 1976 aaO, Ziff. 1.3). Damit bezweckte der vom Angeklagten ins Leben gerufene und verantwortlich geleitete Sanitätsdienst nicht nur die Sicherung eines möglichst störungsfreien Unterrichtsbetriebs in medizinischen Notfällen. Er stand auch unmittelbar im Dienste des Bildungs - und Erziehungsauftrags der Schule, der nicht nur die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten umfasste, sondern auch die Aufgabe beinhaltete, den Schülerinnen und Schülern Werthaltungen nahezubringen und ihre Bereitschaft zu sozialem und verantwortungsbewusstem Handeln zu wecken (§ 2 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 SchulG NRW).
16
Dass der Schulsanitätsdienst nicht in Form einer regelmäßig wiederkehrenden Unterweisung der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler im Klassenverband oder in einem Kurs erfolgte, steht der Annahme eines Obhutsverhältnisses zwischen dem Angeklagten und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern dieses Dienstes – somit auch der Nebenklägerin – hier nicht entgegen.
Der Aufgabenbereich des Angeklagten erschöpfte sich auch nicht in rein organisatorischen Tätigkeiten für den Schulsanitätsdienst. Vielmehr war schon die Aufnahme in diesen Dienst von der erfolgreichen Absolvierung eines ErsteHilfe -Kurses abhängig, der vom Angeklagten mehrmals im Schuljahr jeweils in einem Zeitraum von mehreren Wochenveranstaltet wurde. Ferner ermöglichte ihm die Schulleitung die notwendigen Einwirkungs- und Überwachungsmöglichkeiten in Bezug auf die täglich als Sanitäter eingesetzten Schülerinnen und Schüler, indem ihm u.a. ein Klassenraum unmittelbar gegenüber dem Sanitätsraum für seine regulären Unterrichtsstunden zur Verfügung stand. Auf diese Weise war seine Erreichbarkeit für die Schulsanitäter vor allem in Notfällen gewährleistet und der Angeklagte war in der Lage, ihnen die im Einzelfall erforderliche Anleitung und Unterstützung zu geben. Daneben war er so auch in der Lage, die Berechtigung der Personen zu überprüfen, die sich – vor allem in den Pausen – im Sanitätsraum aufhielten.
17
b) Nach den Feststellungen bestand das Obhutsverhältnis auch gerade im Verhältnis zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin.
18
Bereits vor dem hier in Rede stehenden Tatzeitraum hatte sie den ErsteHilfe -Kurs beim Angeklagten zweimal erfolgreich absolviert. Im Tatzeitraum war sie als seine freiwillige Helferin bei einem erneuten Erste-Hilfe-Kurs und als regelmäßige Teilnehmerin des täglich durchgeführten Sanitätsdienstes nicht nur in die routinemäßigen Abläufe und den daraus entstehenden Kontakt mit dem Angeklagten eingebunden, etwa bei der Besprechung der von ihr gefertigten Einsatzprotokolle. Sie hielt während des Dienstes vielmehr häufig Rücksprache mit dem Angeklagten, um von seiner Erfahrung bei der Einschätzung problematischer Situationen zu profitieren. Daher zog sie ihn auch bei einer bestimmten Schülerin, die die Schulsanitäter häufig in Anspruch nahm und im Verdacht stand zu simulieren, regelmäßig zu Rate. Ferner wandte sie sich an ihn bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Schulsanitätern. Auf Bitten des Angeklagten übernahm sie nach einiger Zeit zusätzlich die Erstellung der Dienstpläne für die Tageseinteilung, wobei sie zu Beginn dieser Tätigkeit Hilfestellung des Angeklagten bei der Zusammensetzung der einzelnen Teams erhielt.
19
Diese Umstände belegen nicht nur, dass die Nebenklägerin auch während des Tatzeitraums eng in den vom Angeklagten geleiteten Schulsanitätsdienst eingebunden war, sondern verdeutlichen auch, dass sie den Angeklagten in diesem Zusammenhang als Autoritätsperson wahrnahm und sich dessen Ratschlägen und Weisungen unterordnete.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Franke Mutzbauer

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Mai 2014 - 4 StR 503/13

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Mai 2014 - 4 StR 503/13

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafgesetzbuch - StGB | § 174 Sexueller Mißbrauch von Schutzbefohlenen


(1) Wer sexuelle Handlungen 1. an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,2. an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsver
Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Mai 2014 - 4 StR 503/13 zitiert 5 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

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(1) Wer sexuelle Handlungen 1. an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,2. an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsver

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Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juni 2003 - 4 StR 159/03

bei uns veröffentlicht am 26.06.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 159/03 vom 26. Juni 2003 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 2

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Wer sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2

1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder
2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 159/03
vom
26. Juni 2003
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 26. Juni 2003 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Münster vom 9. Dezember 2002 1. im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte im Fall 3 der Urteilsgründe des (vollendeten) sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen schuldig ist, 2. mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in den Fällen 14 bis 25 der Urteilsgründe wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen in 24 Fällen und wegen versuchten sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Nachprüfung des Urteils hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben, soweit er in den Fällen 1 bis 13 der Urteilsgründe verurteilt worden ist. Insbesondere belegen die Urteilsgründe, daß der Angeklagte , der zu den Tatzeiten Konrektor an der Schule des Tatopfers und gleichzeitig ihr Klassenlehrer war, die Taten – wie in § 174 Abs. 1 Nr. 2 StGB gefordert – im Rahmen eines Obhutsverhältnisses und unter Mißbrauch einer mit dem Erziehungs- und Betreuungsverhältnis verbundenen Abhängigkeit der Schutzbefohlenen begangen hat. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen in der Stellungnahme des Generalbundesanwalts Bezug genommen werden. Allerdings hat das Landgericht im Fall 3 der Urteilsgründe, in welchem es zwar nicht zu dem vom Angeklagten angestrebten Geschlechtsverkehr mit dem Tatopfer, wohl aber zu anderen sexuellen Handlungen an diesem kam, zu Unrecht („versehentlich“, vgl. UA 11) lediglich eine Versuchstat angenommen. Der Senat ändert daher den Schuldspruch entsprechend ab. Die insoweit verhängte Einzelstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe kann jedoch bestehen bleiben , da ausgeschlossen werden kann, daß das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Bewertung als vollendete Tat auf eine geringere Strafe erkannt hätte.

2. Keinen Bestand kann hingegen die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen 14 bis 25 der Urteilsgründe haben.
Nach den insoweit getroffenen Feststellungen kam es in den Monaten Mai bis August 2001 in weiteren zwölf Fällen zwischen dem Angeklagten und dem Tatopfer zum Geschlechtsverkehr. Die einzelnen Tattage konnten nicht näher konkretisiert werden. Der letzte Geschlechtsverkehr fand in den Sommerferien 2001, die vom 5. Juli bis 18. August 2001 dauerten, „vor der Urlaubsreise des Angeklagten“ statt. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Geschädigte die Schule, an der der Angeklagte tätig war, bereits verlassen, um an einer anderen Schule ihre Schulausbildung fortzusetzen.
Mit Ausscheiden des Tatopfers aus der Schule des Angeklagten und mit der damit verbundenen Beendigung des bis dahin bestehenden LehrerSchüler -Verhältnisses ist bereits das Vorhandensein eines Obhutsverhältnisses im Sinne des § 174 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht belegt. Zwar war der Angeklagte , worauf das Landgericht ergänzend ebenfalls abgestellt hat, auch Tennistrainer der Geschädigten. Voraussetzung für das Vorliegen eines Obhutsverhältnisses ist jedoch, daß ein Verhältnis besteht, kraft dessen einer Person das Recht und die Pflicht obliegen, die Lebensführung des Jugendlichen und damit dessen geistig-sittliche Entwicklung zu überwachen und zu leiten (std. Rspr., vgl. nur BGHR StGB § 174 Abs. 1 Obhutsverhältnis 1 und 2). Dies versteht sich bei einer Tätigkeit als Tennistrainer nicht von selbst (zum Fußballtrainer vgl. BGHSt 17, 191, 192/193), sondern hätte vielmehr näherer Darlegung bedurft. Gleiches gilt für die vom Angeklagten weiterhin wahrgenommene Tätigkeit als Nachhilfelehrer, zumal den Urteilsfeststellungen nicht entnommen
werden kann, ob der Angeklagte der Geschädigten auch nach ihrem Ausscheiden aus der Schule, an der er unterrichtete, noch Nachhilfeunterricht erteilt hat.
3. Der aufgezeigte Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung des Urteils in den Fällen 14 bis 25, da die Urteilsgründe weder den genauen Zeitpunkt des Ausscheidens der Geschädigten aus der Schule mitteilen noch mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennen lassen, welche der der Verurteilung zugrunde liegenden einzelnen sexuellen Handlungen davor oder danach begangen worden sind. Bei Anwendung des Zweifelssatzes kann daher auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen letztlich nicht ausgeschlossen werden, daß die für den Tatzeitraum „Mai bis August 2001“ ausgeurteilten Taten zu einem Zeitpunkt begangen worden sind, in welchem die Geschädigte die Schule des Angeklagten schon verlassen hatte und das aufgrund des Lehrer-SchülerVerhältnisses bestehende Obhutsverhältnis bereits beendet war. Die Sache bedarf daher insoweit der erneuten Verhandlung und Entscheidung.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

(1) Wer sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2

1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder
2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 159/03
vom
26. Juni 2003
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 26. Juni 2003 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Münster vom 9. Dezember 2002 1. im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte im Fall 3 der Urteilsgründe des (vollendeten) sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen schuldig ist, 2. mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in den Fällen 14 bis 25 der Urteilsgründe wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen in 24 Fällen und wegen versuchten sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Nachprüfung des Urteils hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben, soweit er in den Fällen 1 bis 13 der Urteilsgründe verurteilt worden ist. Insbesondere belegen die Urteilsgründe, daß der Angeklagte , der zu den Tatzeiten Konrektor an der Schule des Tatopfers und gleichzeitig ihr Klassenlehrer war, die Taten – wie in § 174 Abs. 1 Nr. 2 StGB gefordert – im Rahmen eines Obhutsverhältnisses und unter Mißbrauch einer mit dem Erziehungs- und Betreuungsverhältnis verbundenen Abhängigkeit der Schutzbefohlenen begangen hat. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen in der Stellungnahme des Generalbundesanwalts Bezug genommen werden. Allerdings hat das Landgericht im Fall 3 der Urteilsgründe, in welchem es zwar nicht zu dem vom Angeklagten angestrebten Geschlechtsverkehr mit dem Tatopfer, wohl aber zu anderen sexuellen Handlungen an diesem kam, zu Unrecht („versehentlich“, vgl. UA 11) lediglich eine Versuchstat angenommen. Der Senat ändert daher den Schuldspruch entsprechend ab. Die insoweit verhängte Einzelstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe kann jedoch bestehen bleiben , da ausgeschlossen werden kann, daß das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Bewertung als vollendete Tat auf eine geringere Strafe erkannt hätte.

2. Keinen Bestand kann hingegen die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen 14 bis 25 der Urteilsgründe haben.
Nach den insoweit getroffenen Feststellungen kam es in den Monaten Mai bis August 2001 in weiteren zwölf Fällen zwischen dem Angeklagten und dem Tatopfer zum Geschlechtsverkehr. Die einzelnen Tattage konnten nicht näher konkretisiert werden. Der letzte Geschlechtsverkehr fand in den Sommerferien 2001, die vom 5. Juli bis 18. August 2001 dauerten, „vor der Urlaubsreise des Angeklagten“ statt. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Geschädigte die Schule, an der der Angeklagte tätig war, bereits verlassen, um an einer anderen Schule ihre Schulausbildung fortzusetzen.
Mit Ausscheiden des Tatopfers aus der Schule des Angeklagten und mit der damit verbundenen Beendigung des bis dahin bestehenden LehrerSchüler -Verhältnisses ist bereits das Vorhandensein eines Obhutsverhältnisses im Sinne des § 174 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht belegt. Zwar war der Angeklagte , worauf das Landgericht ergänzend ebenfalls abgestellt hat, auch Tennistrainer der Geschädigten. Voraussetzung für das Vorliegen eines Obhutsverhältnisses ist jedoch, daß ein Verhältnis besteht, kraft dessen einer Person das Recht und die Pflicht obliegen, die Lebensführung des Jugendlichen und damit dessen geistig-sittliche Entwicklung zu überwachen und zu leiten (std. Rspr., vgl. nur BGHR StGB § 174 Abs. 1 Obhutsverhältnis 1 und 2). Dies versteht sich bei einer Tätigkeit als Tennistrainer nicht von selbst (zum Fußballtrainer vgl. BGHSt 17, 191, 192/193), sondern hätte vielmehr näherer Darlegung bedurft. Gleiches gilt für die vom Angeklagten weiterhin wahrgenommene Tätigkeit als Nachhilfelehrer, zumal den Urteilsfeststellungen nicht entnommen
werden kann, ob der Angeklagte der Geschädigten auch nach ihrem Ausscheiden aus der Schule, an der er unterrichtete, noch Nachhilfeunterricht erteilt hat.
3. Der aufgezeigte Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung des Urteils in den Fällen 14 bis 25, da die Urteilsgründe weder den genauen Zeitpunkt des Ausscheidens der Geschädigten aus der Schule mitteilen noch mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennen lassen, welche der der Verurteilung zugrunde liegenden einzelnen sexuellen Handlungen davor oder danach begangen worden sind. Bei Anwendung des Zweifelssatzes kann daher auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen letztlich nicht ausgeschlossen werden, daß die für den Tatzeitraum „Mai bis August 2001“ ausgeurteilten Taten zu einem Zeitpunkt begangen worden sind, in welchem die Geschädigte die Schule des Angeklagten schon verlassen hatte und das aufgrund des Lehrer-SchülerVerhältnisses bestehende Obhutsverhältnis bereits beendet war. Die Sache bedarf daher insoweit der erneuten Verhandlung und Entscheidung.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

(1) Wer sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2

1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder
2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.