Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2012 - 5 StR 181/12

bei uns veröffentlicht am19.06.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 181/12

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 19. Juni 2012
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Juni 2012

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 15. Dezember 2011 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen schuldig gesprochen und ihn unter Einbeziehung der durch das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 2. November 2010 wegen Unterhaltspflichtverletzung in zwei Fällen verhängten Einzelfreiheitsstrafen von jeweils zwei Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt sowie angeordnet, dass von der Gesamtfreiheitsstrafe drei Monate als vollstreckt gelten. Vom Vorwurf weiterer sechs Fälle des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen hat es den Angeklagten freigesprochen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils, soweit er verurteilt worden ist.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts besuchte die am 6. Juni 1997 geborene Nebenklägerin, Tochter aus der ersten Ehe des Angeklagten , diesen an einem Wochenende im September 2008 gemeinsam mit ih- rem Bruder in seiner Wohnung. Zu dieser Zeit befand sich die zweite Ehefrau des Angeklagten in Marokko. Während der Junge im Wohnzimmer an seinem Computer beschäftigt war, legten sich der Angeklagte und seine Tochter im Elternschlafzimmer im Doppelbett schlafen. Als diese bereits eingeschlafen war, schob der Angeklagte seine Hand unter ihre Unterwäsche und berührte sie mit seinen Fingern im Scheidenbereich. Als sie wach wurde, zog er seine Hand schnell zurück.
3
Von dem Vorwurf, die Nebenklägerin im Tatzeitraum Juni 2006 bis Februar 2010 in mindestens fünf weiteren Fällen in seinen jeweiligen Wohnungen unter ihrer Oberbekleidung an den Brüsten berührt zu haben, wobei sie in mindestens drei dieser Fälle das erigierte Glied des Angeklagten an ihren Schenkeln spürte, hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen , da es unter Berücksichtigung der grundsätzlich für glaubhaft erachteten Angaben der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung „nicht die erforder- liche Konkretisierung vornehmen“ konnte (UA S. 25). Darüber hinaus hat die Jugendschutzkammer den Angeklagten auch von dem weiteren Vorwurf freigesprochen , im Tatzeitraum Januar 2008 bis Januar 2010 anlässlich eines spielerischen Gerangels sein bedecktes Geschlechtsteil an der Scheide der ebenfalls bekleideten Geschädigten gerieben zu haben, da sie sich aufgrund der Hauptverhandlung nicht mit hinreichender Sicherheit überzeugen konnte, „dass dieser Vorfall so stattgefunden hat. Zugunsten des Angeklagten konnte nicht ausgeschlossen werden, dass die Nebenklägerin dieses Verhalten des Angeklagten falsch interpretiert haben kann“ (UA S. 9).
4
Im Ergebnis seiner Prüfung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin hat das Landgericht „keinerlei Zweifel daran, dass sich die Tathandlung sowie die übrigen sexuellen Übergriffe des Angeklagten zum Nach- teil der Nebenklägerin so abspielten wie im Sachverhalt festgestellt“ (UA S. 18). Es weicht damit von der Beurteilung der aussagepsychologischen Gutachterin ab, die – entgegen ihrem schriftlichen Gutachten – „im Hinblick auf das Aussagematerial der Nebenklägerin im Rahmen der Hauptverhand- lung“ (UAS. 18) nicht mehr zu dem Ergebnis gelangte, dass deren Bekundungen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erlebnisfundiert seien. In der Hauptverhandlung habe sich die „Qualität des Aussagematerials“ reduziert.
5
2. Die Beweiswürdigung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat seine Überzeugung vom Tathergang und der Täterschaft des die Taten bestreitenden Angeklagten alleine auf die Angaben der Nebenklägerin gestützt. Es weist zwar auf die besonderen, an diese Beweiskonstellation zu stellenden Anforderungen hin (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. April 1987 – 3 StR 141/87 – und vom 18. Juni 1997 – 2 StR 140/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 1 und 14); gleichwohl genügen die Urteilsgründe diesen Anforderungen nicht. Sie machen vielmehr nicht in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise deutlich, dass die Jugendschutzkammer alle zur Beeinflussung der Entscheidung geeigneten Umstände in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise in die Überzeugungsbildung einbezogen hat.
6
a) Zwar ist das Tatgericht nicht gehalten, einem Sachverständigen zu folgen. Kommt es aber zu einem anderen Ergebnis, so muss es sich konkret mit den Ausführungen des Sachverständigen auseinandersetzen, um zu belegen , dass es über das bessere Fachwissen verfügt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 – 1 StR 190/01). Es muss insbesondere auch dessen Stellungnahme zu den Gesichtspunkten wiedergeben, auf die es seine abweichende Auffassung stützt (BGH, Urteil vom 20. Juni 2000 – 5 StR 173/00, NStZ 2000, 550). Aus den im Urteil wiedergegebenen Ausführungen der Sachverständigen wird deutlich, weshalb sie von einer Reduzierung der „Qualität des Aussagematerials“ in der Hauptverhandlung ausgegangen ist, aufgrund derer sie nicht mehr an ihrer Einschätzung im schriftlichen Gutachten festhalten könne (UA S. 19). Die Mutmaßung der Sachverständigen, das Aussageverhalten der Nebenklägerin könne „aufgrund des großen Zeitintervalls“ zwischen polizeilicher Vernehmung und Exploration einerseits und Hauptverhandlung andererseits oder mit dem schwierigen Lebensabschnitt erklärbar sein, in dem sich die Nebenklägerin befinde, ändert nichts an der – ineinem unaufgelösten Widerspruch zitierten – Wertung der Sachverstän- digen, dass die Reduktion des Aussagematerials mit gutachterlichen Methoden nicht durch Vergessensprozesse erklärt werden könne.
7
Die Jugendschutzkammer stellt dieser Würdigung der Sachverständigen eine eigene Beweiswürdigung gegenüber, ohne sich dabei aber mit der von der Sachverständigen festgestellten Reduzierung der Aussagequalität der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung auseinanderzusetzen. Jedenfalls in den Fällen, in denen die Aussage des Tatopfers das einzige Beweismittel ist, hat das Tatgericht eine besonders sorgfältige Beweiswürdigung unter Berücksichtigung der aussagepsychologischen Glaubwürdigkeitskriterien vorzunehmen (Brause, NStZ 2007, 505, 506). Das Landgericht beruft sich insoweit darauf, dass es anders als die Sachverständige die Frage der Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin nicht aufgrund aussagepsychologischer Instrumentarien zu entscheiden habe, sondern nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 261 StPO). Indes hatte das Landgericht dabei aussagepsychologische Glaubwürdigkeitskriterien zu beachten; es hat diese in verschiedenen Bereichen auch selbst angewendet. Bei seiner Prüfung, die demnach substantiell denselben Kriterien zu folgen hatte wie diejenige der Sachverständigen, musste es sich mit deren Einwänden auseinandersetzen.
8
b) Das Landgericht stützt seine Beweiswürdigung vor allem auf das sachliche und keine überschießende Belastungstendenz zeigende Aussageverhalten der Geschädigten, das Fehlen von Falschbelastungsmotiven, die spontane Offenbarung des Geschehens zunächst gegenüber Freundinnen und die Schilderung „sehr origineller Details“ (UA S. 21, 23). Insoweit werden allerdings nur zwei Details genannt, die gerade nicht den Verurteilungsfall betreffen. Überdies bezieht sich eines dieser Details (der Angeklagte habe anlässlich eines sexuellen Übergriffs ihr gegenüber geäußert, nicht er, sondern der Fuß der zwischen den beiden im Bett liegenden kleinen Halbschwester habe sie im Genitalbereich berührt) auf einen Vorfall, bei dem sich – jedenfalls nach der nachvollziehbaren Auffassung der Sachverständigen, der das Landgericht insoweit nicht widerspricht – nicht ausschließen lässt, dass es hier zu einer Fehlinterpretation der Nebenklägerin gekommen ist. Darüber hinaus sind die Schilderungen der Nebenklägerin zu diesem Vorfall an verschiedenen Stellen des Urteils unterschiedlich wiedergegeben („sie habe dann bemerkt, dass ihr Vater mit seinem Penis sie in ihrem Genitalbe- reich berührt habe“, UA S. 16; anlässlich eines Vorfalls, bei dem sie mit dem Angeklagten und ihrer kleinen Halbschwester im Ehebett lag, habe sie „et- was festes“ an ihrem Oberschenkel gespürt, was sie als den Penis des Angeklagten interpretierte, UA S. 25). Ob insoweit eine Inkonstanz der Angaben der Nebenklägerin vorlag, mit der sich das Urteil hätte auseinandersetzen müssen, bleibt unklar.
9
c) Die Jugendschutzkammer befasst sich mit verschiedenen Mängeln der Zeugenaussage (Probleme bei der zeitlichen Einordnung der Taten, Widersprüche hinsichtlich des Tatorts) und erklärt diese – ohne Rücksicht auf die Einschätzung der Sachverständigen – im Ergebnis mit Vergessens- und Verschmelzungsprozessen. Die von der Nebenklägerin abgegebene inkonstante Schilderung hinsichtlich eines Eindringens des Angeklagten mit dem Finger in ihre Scheide führt die Jugendschutzkammer auf Schwierigkeiten der Nebenklägerin hinsichtlich sexueller Begrifflichkeiten zurück. Indes befasst sich das Urteil in keiner Weise mit der Bekundung der Mutter der Nebenklägerin , diese habe ihr unter anderem mitgeteilt, der Angeklagte habe „sein ‚Ding‘ bei ihr reingemacht“ (UA S. 13). Eine solche Darstellung der Ne- benklägerin gegenüber ihrer Mutter wäre kaum mit mangelnden Begrifflichkeiten zu erklären. Die Beweiswürdigung der Jugendschutzkammer ist mithin auch insoweit lückenhaft.
10
d) Ohne dass dies den Angeklagten für sich beschwert, bleibt die Beweiswürdigung auch in ihrer Gesamtheit widersprüchlich, weil kaum erklärlich ist, weshalb das Landgericht bei seiner insgesamt positiven Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin hinsichtlich der weiteren Tatvorwürfe nicht zu Mindestfeststellungen gelangt ist, die insoweit einer umfassenden Freisprechung entgegengestanden hätten.
11
3. Das angefochtene Urteil war demnach insgesamt aufzuheben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. Wenngleich der Teilfreispruch Bestand hat, wird das neue Tatgericht allein zur Überprüfung des einzigen verbleibenden Anklagevorwurfs den Wahrheitsgehalt der belastenden Angaben der Nebenklägerin in ihrer Gesamtheit zu überprüfen haben. Die Aufhebung umfasst notwendigerweise auch die Kompensationsentscheidung, für die das Urteil keinerlei Begründung gibt.
Basdorf Schaal Schneider Dölp Bellay

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2012 - 5 StR 181/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2012 - 5 StR 181/12

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2012 - 5 StR 181/12 zitiert 4 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Referenzen - Urteile

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Bundesgerichtshof Urteil, 12. Juni 2001 - 1 StR 190/01

bei uns veröffentlicht am 12.06.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 190/01 vom 12. Juni 2001 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Juni 2001, an der teilgenommen haben: Richter am Bun

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juni 2000 - 5 StR 173/00

bei uns veröffentlicht am 20.06.2000

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES 5 StR 173/00 URTEIL vom 20. Juni 2000 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Juni 2000, an der teilgenommen haben: Richterin Dr.
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2012 - 5 StR 181/12.

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Sept. 2017 - 4 StR 45/17

bei uns veröffentlicht am 14.09.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 45/17 vom 14. September 2017 in der Strafsache gegen wegen Verdachts der Vergewaltigung ECLI:DE:BGH:2017:140917U4STR45.17.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14.

Bundesgerichtshof Urteil, 29. Sept. 2016 - 4 StR 320/16

bei uns veröffentlicht am 29.09.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 320/16 vom 29. September 2016 in der Strafsache gegen wegen des Verdachts des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a. ECLI:DE:BGH:2016:290916U4STR320.16.0 Der 4. Strafsenat des Bundes

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Dez. 2014 - 4 StR 381/14

bei uns veröffentlicht am 02.12.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 S t R 3 8 1 / 1 4 vom 2. Dezember 2014 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 190/01
vom
12. Juni 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
12. Juni 2001, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Nack
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Hebenstreit,
Schaal,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 29. November 2000 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts München I zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


Der Angeklagte wurde vom Vorwurf freigesprochen, seine am 26. August 1976 geborene Tochter, die Nebenklägerin, am 11. Juli 1989 zu Handverkehr und am 22. Juli 1989 zu Mundverkehr veranlaßt zu haben, sowie insgesamt elfmal - dreimal vor dem 14. Geburtstag, fünfmal zwischen dem 14. und dem 18. Geburtstag und dreimal im Dezember 1994 - mit ihr Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Ursprünglich lagen ihm 142 Sexualdelikte zur Last. Nachdem er hiervon am 27. März 1998 freigesprochen worden war, der Senat dieses Urteil auf Revision der Nebenklägerin aber aufgehoben hatte (Urteil vom 29. September 1998 - 1 StR 420/98 -, teilweise abgedruckt in NStZ-RR 1999, 275), war das
Verfahren am 12. August 1999 gemäß § 154 Abs. 2 StPO auf die genannten Vorwürfe beschränkt worden. Die Revision der Nebenklägerin hat erneut Erfolg.

I.

Die Revision ist in vollem Umfang zulässig. Die Strafkammer geht allerdings davon aus, gegebenenfalls seien die Vorgänge vor dem 14. Geburtstag (nur) gemäß § 176 StGB zu bestrafen, die Vorgänge zwischen dem 14. und dem 18. Geburtstag (nur) gemäß § 174 StGB und die Vorgänge nach dem 18. Geburtstag (nur) gemäß § 173 StGB. Ersichtlich im Hinblick auf den Freispruch ist dies nicht näher ausgeführt. Strebte die Nebenklägerin nur solche Verurteilungen an, wäre die Revision hinsichtlich der Vorwürfe vom Dezember 1994 unzulässig, § 400 Abs. 1 StPO, da § 173 StGB, anders als §§ 176, 174 StGB, kein nebenklagefähiges Delikt ist, § 395 Abs. 1 StPO. 1. Die Nebenklägerin wendet sich gegen die Annahme, ihre Angaben seien insgesamt keine taugliche Verurteilungsgrundlage. Ausweislich der Urteilsgründe behauptet sie auch Gewaltanwendungen und entsprechende Drohungen. Solche Nötigungsmittel sind teilweise näher geschildert, so habe der Angeklagte ihr am 11. Juli 1989 Schläge angedroht und am 22. Juli 1989 habe er ihren Kopf an den Haaren "herauf- und heruntergezogen"; bei einem Geschlechtsverkehr im Winter 1989/90 habe sie vergeblich versucht, ihn von sich "herunterzuwerfen". Auch sonst bezeichnet sie Geschlechtsverkehr als Vergewaltigung. Hinzu kommt: Zu einem nicht klar mitgeteilten Zeitpunkt, möglicherweise 1993, haben mehrere Ä rzte unabhängig voneinander Verletzungsspuren bei ihr festgestellt, der Angeklagte räumt insoweit "gewalttätige Züchtigungen"
ein. In der Nacht vom 10. auf 11. Dezember schrieb sie, s ie werde seit Juli 1989 vom Angeklagten mißbraucht, zuletzt dreimal seit dem 5. Dezember. Wörtlich heißt es u.a.: "Mir graust ... und wenn ich es nicht mache gibt es Dresche". Träfe all dies zu, käme nicht nur eine Verurteilung nach den genannten Bestimmungen sondern tateinheitlich auch eine Verurteilung wegen der nebenklagefähigen Delikte Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung in Betracht, da früher angewandte Nötigungsmittel später fortgewirkt haben können (vgl. nur BGH StV 1994, 127 m.w.N). 2. Die Strafverfolgung ist auch nicht (wirksam) gemäß § 154 a StPO auf die von der Strafkammer genannten Delikte beschränkt, was der Senat andernfalls bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision von Amts wegen zu beachten hätte. Eine entsprechende Verfahrensbeschränkung vor der Zulassung der Nebenklage wäre mit der uneingeschränkt erfolgten Zulassung gemäß § 397 Abs. 2 Satz 2 StPO wieder entfallen; danach wäre sie nur mit ausdrücklich und klar erteilter Zustimmung der Nebenklage wirksam (vgl. BGHR StPO § 400 Abs. 1 Satz 1 Zulässigkeit 1; Rieß in Löwe/Rosenberg StPO 24. Aufl. § 154 a Rdn. 26; Hilger in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 402 Rdn. 1; Schoreit in KK 4. Aufl. § 154 a Rdn. 4 m.w.N.). In dem Beschluß vom 12. August 1999 ist jedoch weder § 154 a StPO als Rechtsgrundlage angegeben, noch ist ersichtlich, daß die Nebenklage jemals eine Stellungnahme zu diesem Beschluß abgegeben hätte. Daher führt auch der Verfahrensverlauf nicht zu einer (teilweisen) Unzulässigkeit der Revision.

II.

Der Tatverdacht beruht nur auf den Angaben der Nebenklägerin.
1. Nach der Bewertung der Strafkammer fehlen jedoch teilweise "räumlich -zeitliche Verknüpfungen und Interaktionsschilderungen", nicht alle Angaben seien detailreich, vielfach seien sie nur "allgemein". Konkretere Schilderungen seien demgegenüber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht klar bewiesen oder für sich genommen unglaubhaft. Wie auch der Senat in seinem Urteil vom 29. September 1998 dargelegt habe, könne einem Zeugen, dessen Angaben teilweise unglaubhaft seien, auch im übrigen nicht ohne weiteres gefolgt werden. Angesichts des Aussageverhaltens der Nebenklägerin und des Fehlens objektiver Umstände, die geeignet seien, ihre Angaben zu schützen, sei der Angeklagte daher freizusprechen. 2. Wird der Angeklagte freigesprochen, weil das Gericht Zweifel an seiner Täterschaft nicht überwinden kann, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht die Beweisergebnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Demgegenüber kann ein Urteil keinen Bestand haben, wenn die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft ist. Dies ist etwa der Fall, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht berücksichtigt oder naheliegende Schlußfolgerungen nicht erörtert, widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewißheit überspannte Anforderungen gestellt sind (ständ. Rspr.; vgl. nur BGH wistra 1999, 338, 339 m.w.N.). Das angefochtene Urteil weist derartige Mängel auf.

III.

Soweit die Strafkammer die Angaben der Nebenklägerin wegen fehlender zeitlicher Präzision und Detailarmut für nicht glaubhaft hält, legt sie schon im Ansatz einen rechtsfehlerhaften Maßstab an; auch ist zu besorgen, daß sie dabei zugleich die Bedeutung des hier wesentlichen Verfahrensablaufs nicht bedacht hat. 1. Die Nebenklägerin behauptet, zwischen ihrem 13. und 19. Lebensjahr vielfach sexuell mißbraucht worden zu sein. Sind derartige Behauptungen, zumal nach weiteren Jahren, zu überprüfen, kann schon wegen dem naheliegend immer wieder ähnlichen Ablauf des eigentlichen Tatgeschehens nicht für jeden einzelnen Vorgang eine zeitlich exakte und detailreiche Schilderung erwartet werden. Ebensowenig kann erwartet werden, daß jedes als solches erinnerliche Detail auch einem zeitlich exakt fixierten Vorgang zugeordnet werden kann (vgl. nur BGHSt 40, 44, 46). Mögen solche Angaben auch nicht immer ohne weiteres hinlänglich zu konkretisieren sein (vgl. BGHSt 42, 107 ff), so sind sie aber nicht schon allein wegen solcher Ungenauigkeiten falsch. 2. In diesem Zusammenhang hat die Strafkammer auch verkannt, daß der von ihr ausdrücklich herangezogene Hinweis des Senats im Urteil vom 29. September 1998 eine wesentlich andere Fallgestaltung betraf:
a) Dem Freispruch vom 27. März 1998 lag zu Grunde, daß sich die Angaben der Nebenklägerin zu drei näher geprüften Einzelfällen wegen konkreter und detaillierter Alibiangaben der Zeugin G. , der Ehefrau des Angeklagten und Mutter der Nebenklägerin, als falsch erwiesen hätten und daher auch die dann nicht weiter geprüften Angaben der Nebenklägerin zu den übrigen Fällen unglaubhaft seien.
Der Angabe der Nebenklägerin, sie sei, erstmals überhaupt, 1989 am Nachmittag des Geburtstags des Angeklagten in der Wohnung mißbraucht worden, hätte G. entgegengesetzt, an diesem Nachmittag sei die Nebenklägerin im Kinderhort gewesen. Außerdem hätte in der Wohnung damals eine Geburtstagsfeier stattgefunden, bei der mehrere Gäste dem Angeklagten gratuliert hätten, was weitere Zeugen detailiert bestätigten. Die Strafkammer hatte jedenfalls als erwiesen angesehen, daß die Nebenklägerin im Kinderhort war, und war daher ihren nicht konkret dargelegten Zweifeln an der Geburtstagsfeier nicht weiter nachgegangen.
b) Da der Aufenthalt im Kinderhort (auch schon) aus anderem Grunde nicht rechtsfehlerfrei festgestellt war, hatte der Senat dieses Urteil aufgehoben. Zugleich hatte er darauf hingewiesen, daß ein absichtlicher Versuch zur Irreführung des Gerichts vorläge und kein erklärliches Versehen, wenn es keine Geburtstagsfeier gegeben hätte. Dies sei gegebenenfalls auch bei der Würdigung anderer Aussagen von G. (die übrigen Zeugen der Geburtstagsfeier hatten sonst keine Angaben gemacht) erkennbar zu bedenken.
c) Ein Versuch, das Gericht absichtlich in die Irre zu führen, kann die Annahme nahe legen, nach Art und Tendenz vergleichbare Angaben des selben Zeugen dienten nur dem selben Zweck. Eine teilweise nur ungenaue Schilderung langjährigen sexuellen Mißbrauchs kann aber im Rahmen der Gesamtbewertung einer Aussage nicht mit ausgeschmückten Lügen - z.B. über eine Geburtstagsfeier, die in Wahrheit nicht stattgefunden hat - gleichgesetzt werden. 3. Die Strafkammer hat auch die Verfahrensbeschränkung (vor I.) nicht klar erkennbar bedacht.

a) So waren etwa für die Zeit zwischen dem 14. und dem 18. Geburtstag (noch) fünf Vorfälle zu prüfen. Hätte die Nebenklägerin nur diese Vorfälle behauptet , würde es sich um eher vereinzelte Vorfälle handeln, über die dementsprechend nicht nur "allgemeine Angaben", sondern eine jedenfalls einigermaßen genaue Schilderung erwartet werden könnte.
b) Tatsächlich war dem Angeklagten aber etwa zur Last gelegt worden, mit der Nebenklägerin zwischen ihrem 14. Geburtstag und seiner (verhältnismäßig kurzen) Inhaftierung am 24. Februar 1993 etwa alle 14 Tage Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, wobei Tatort entweder das Bade- oder das Schlaf- oder das Wohnzimmer gewesen sei. Nach der Verfahrensbeschränkung ging es noch um je einen Vorfall in jedem dieser Zimmer, wobei diese Vorfälle innerhalb des genannten Zeitraums zeitlich nicht näher eingegrenzt waren. Die Nebenklägerin hat ihre ursprünglichen Angaben - Geschlechtsverkehr etwa alle 14 Tage - wiederholt. Diese Angaben sind in zeitlicher Hinsicht jedenfalls wesentlich präziser als der Beschränkungsbeschluß.
c) Im übrigen hat - dies hatte der Senat als Verfahrensvoraussetzung von Amts wegen zu prüfen - nach der Verfahrensbeschränkung auch für die Zeit zwischen dem 14. und 18. Geburtstag eine noch hinreichend konkrete Verfahrensgrundlage vorgelegen. Es ist aber zu besorgen, daß die Strafkammer durch die sehr weitgehende Verfahrensbeschränkung nicht nur den Gesamtumfang der ursprünglichen Vorwürfe für die Würdigung des Gesamtergebnisses der Beweisaufnahme aus den Augen verloren hat; darüber hinaus kann durch die nachhaltige Verwischung der zuvor wesentlich klareren zeitlichen Konturen auch konkretes Verteidigungsvorbringen erschwert werden (vgl. BGHSt 42, 107, 109). Dies kann sich zwar auf den Freispruch nicht ausgewirkt
haben, im weiteren Verlauf des Verfahrens wird diesem Gesichtspunkt aber Rechnung zu tragen sein (vgl. BGHSt 40, 44, 48; 44, 155, 157).

IV.

Bei einer Beweislage wie hier kann die Entstehung der Beschuldigung (sog. Aussagegenese) bedeutsam sein (ständ. Rspr.; vgl. d. Nachw. b. Kleinknecht /Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 261 Rdn. 11). Dies gilt zunächst für die erste Anschuldigung überhaupt. Führt diese zu keiner Ä nderung der Verhältnisse , können spätere Beschuldigungen ebenso bedeutsam sein, zumal wenn sie gegenüber Personen erfolgten, denen die früheren Behauptungen nicht bekannt waren. Dies gilt insbesondere auch für die Umstände der Strafanzeige, wenn Beschuldigungen gegenüber Privatpersonen nicht ohne weiteres zeitnah zu behördlichen Ermittlungen geführt haben. Die Strafkammer weist auf die Bedeutung der Aussageentstehung hin. Ihre Feststellungen dazu sind aber lückenhaft. Soweit Feststellungen getroffen sind, sind sie (mit einer Ausnahme; vgl. hierzu VII 2 b, c) allenfalls inzident gewürdigt. Dies hängt offenbar damit zusammen, daß sie die Strafkammer im Rahmen der Aussagen zu einzelnen Taten mitteilt, die sie schon anderweitig, jedoch nicht rechtsfehlerfrei, als widerlegt ansieht. 1. Die Strafkammer geht offenbar davon aus, erste Beschuldigungen seien am 15. April 1993 gegenüber der Mutter geäußert worden. Nach den Urteilsfeststellungen ist aber nicht auszuschließen, daß es sich hierbei nicht um die erste Beschuldigung gehandelt hat. Der Angeklagte wurde zwischenzeitlich rechtskräftig zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, weil er am 17. März 1998 eine mit der Nebenklägerin
etwa gleichaltrige Zeugin dazu überredet hatte, in der (ersten) Hauptverhandlung unter Eid falsch auszusagen. Der Zusammenhang bleibt unklar. Die Strafkammer verweist zu den jener Verurteilung zu Grunde liegenden Feststellungen entgegen § 267 StPO nur auf den Akteninhalt (vgl. demgegenüber nur Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O. § 267 Rdn. 2 m.w.N.). Auch im übrigen ergeben die Urteilsgründe keinen klaren Zusammenhang zwischen dieser Zeugin und einer wesentlichen Beweisfrage. Da erfahrungsgemäß erste Anschuldigungen oder zumindest Andeutungen Jugendlicher, sexuell motiviertem Verhalten Erwachsener ausgesetzt zu sein, nicht selten gegenüber Gleichaltrigen erfolgen, ist dies auch hier nicht auszuschließen. Wäre es so, könnte die von der Strafkammer allein angestellte Erwägung, auch ein Unschuldiger könne aus Angst vor Strafe zum Meineid anstiften, Feststellung und Würdigung der Angaben der Nebenklägerin gegenüber dieser Zeugin nicht ersetzen. 2. Die Strafkammer hat geprüft, ob der Angeklagte die Nebenklägerin zwischen Mai und September 1993 zweimal vergewaltigt hat (der tatsächliche Umfang der Beschuldigungen war auch für diesen Zeitraum nicht unerheblich höher). Sie hält diese Angaben nicht nur wegen ihrer Allgemeinheit für unglaubhaft. Auf ihre Bewertung "strahlen" vielmehr auch die Feststellungen zu einem zwar "erwähnenswerten" aber "fragwürdigen" Suizidversuch der Nebenklägerin vom 15. April 1993 aus. Die Annahme der Fragwürdigkeit des Suizidversuchs beruht teilweise auch darauf, wie sich die Nebenklägerin in diesem Zeitraum gegenüber Ä rzten und einem Therapeuten geäußert hat. Offenbar deshalb hielt die Strafkammer eine Prüfung für entbehrlich, ob unabhängig von dem Suizidversuch die Ä ußerungen der Nebenklägerin Rückschlüsse auf Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Beschuldigungen zulassen.

a) In der Nacht des 15. April 1993 schluckte die Nebenklägerin sämtliche erreichbaren Tabletten, bekam Magenkrämpfe und rief den Notarzt. Dann weckte sie die Mutter und sagte, sie habe einen Suizidversuch begangen, weil sie fürchte, vom Angeklagten schwanger zu sein. Sie wurde in ein Krankenhaus eingeliefert, wo ihr Magen ausgepumpt wurde. Die Nebenklägerin war "um den 15. April" 1993 bei Dr. K. in hausärztlicher Behandlung, ohne etwas von sexuellem Mißbrauch zu erwähnen. Er hatte - ob damals oder zu anderer Zeit wird nicht deutlich - Verletzungsspuren bei der Nebenklägerin festgestellt, die auf "gewalttätige Züchtigungen" zurückgeführt werden, die auch der Angeklagte einräumt. Verletzungen waren auch - zu ebenfalls nicht mitgeteilter Zeit - in einem Krankenhaus festgestellt worden, in dem die Nebenklägerin offenbar aus anderem Grunde war; an sexuellen Mißbrauch dachte dort niemand. Am 19. April 1993 suchte sie den Frauenarzt Dr. B. auf und fragte, ob sie schwanger sein könne, obwohl sie am 12. April ihre Regelblutung gehabt habe. Von einem Suizidversuch erwähnte sie nichts. Am 26. April suchte sie ihn erneut auf und fragte nach Hilfsmöglichkeiten bei sexuellem Mißbrauch. Dr.B. verwies sie an den Therapeuten ( ) Fi. , bei dem sie "daraufhin" vom 8. April bis 11. Mai in Behandlung war. Beim zweiten Besuch am 26. April gab sie an, vom Angeklagten vergewaltigt worden zu sein. Nachdem sie "zunächst" als Begründung für ihren Suizidversuch angegeben hatte, ihr Freund habe sie verlassen, erklärte sie "nun" der Grund sei die Vergewaltigung durch den Angeklagten. Im weiteren Verlauf schilderte sie dem Therapeuten dann im einzelnen vielfachen sexuellen Mißbrauch durch den Angeklagten.
b) Die Strafkammer geht davon aus, der Suizidversuch könne sowohl eine Verzweiflungstat, als auch ein "Hilfeschrei in Richtung Mutter" gewesen
sein. Er könne aber auch nur vorgetäuscht sein. Hierfür spreche, daß die Nebenklägerin den Notarzt gerufen habe, sowie der (auch) angegebene Grund, ihr Freund habe sie verlassen und schließlich ihre Frage nach Schwangerschaft trotz Regelblutung. Sei der Suizidversuch aber nur vorgetäuscht, könne er auch zur grundlosen Belastung des Angeklagten gedient haben.
c) All dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Schon eine ursprüngliche Ernsthaftigkeit des Suizidversuchs ist nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen. Auch wer einen zunächst ernsthaft gemeinten Suizidversuch begeht , kann dann doch noch Angst vor dem Tod bekommen und seine Entscheidung rückgängig machen wollen. Diese bei jedermann naheliegende Möglichkeit hätte die Strafkammer erst recht bei einem 16 Jahre alten Mädchen erörtern müssen. Auch wenn man der Strafkammer aber darin folgt, daß die Nebenklägerin nicht wirklich aus dem Leben scheiden wollte, spricht das Rufen des Notarztes nicht gegen einen "Hilfeschrei". Wer um Hilfe schreit, erhofft sich dadurch eine Veränderung seiner Lebensumstände, will also - wenn auch nicht mehr so wie bisher - weiter leben. In diesem Sinne "täuscht" er nur vor, er wolle wirklich sterben. Auch das Verhalten gegenüber den Ä rzten und dem Therapeuten ist nicht rechtsfehlerfrei gewürdigt, das gegenüber dem Therapeuten schon nicht rechtsfehlerfrei festgestellt: Soweit die Strafkammer auf die Frage nach einer Schwangerschaft trotz eingetretener Regelblutung abstellt, wäre die naheliegende Möglichkeit zu erörtern gewesen, daß dies auf Unerfahrenheit der damals 16 Jahre alten Nebenklägerin über biologische Zusammenhänge zurückgeht. Dabei wäre auch zu bedenken gewesen, daß der von der Strafkammer gehörte Sachverständige der Nebenklägerin nur "geringes Allgemeinwissen" bescheinigt.
Im übrigen kann es nicht für sondern gegen eine Absicht der Nebenklägerin sprechen, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, daß sie gegenüber dem Hausarzt (und im Krankenhaus) nichts erwähnte, gegenüber dem Frauenarzt erst spät allgemeine Andeutungen über sexuellen Mißbrauch machte und selbst gegenüber dem Therapeuten zunächst nur zögerlich von sexuellem Mißbrauch und seinem Zusammenhang mit dem Suizidversuch berichtete. Die naheliegende Möglichkeit, daß es die Nebenklägerin Überwindung gekostet haben könnte, von sexuellem Mißbrauch durch den eigenen Vater und einem darauf beruhenden Suizidversuch zu sprechen, ist demgegenüber nicht erwogen. Bei alledem sind auch die Ä ußerungen gegenüber der Mutter am 15. April 1993 nicht bedacht, obwohl es, zumals in der konkreten Situation nach dem Schlucken der Tabletten, nahe gelegen haben könnte, daß die Nebenklägerin ihr gegenüber weniger gehemmt war, den Angeklagten zu beschuldigen, als gegenüber Außenstehenden. Im übrigen kann es aber auch keinesfalls so gewesen sein, daß die Nebenklägerin am 26. April zum Therapeuten geschickt wurde, daraufhin ab 8. April bei ihm in Behandlung war und dann beim zweiten Besuch am 26. April von Mißbrauch sprach. Auch sonst erschließt sich der Ablauf der Behandlung nur schwer. Die Nebenklägerin kann jedenfalls nicht "zunächst" am 8. April das Verlassen durch den Freund als Grund für den Suizidversuch vom 15. April angegeben haben, während sie "nun" am 26. April das Verhalten des Angeklagten angab. Unabhängig von alledem wäre auch zu erörtern gewesen, daß es auf eine sehr schwerwiegende geistig-seelische Störung der Nebenklägerin hindeuten würde, wenn sie lediglich zur Falschbelastung des Angeklagten eine massive Selbstbeschädigung vorgenommen hätte - ihr Magen mußte ausgepumpt
werden - und diese Falschbelastung dann aber nicht konsequent durchhält. Andere Anhaltspunkte, die für eine derartige Störung sprechen könnten, sind nicht festgestellt. Nach alledem erweist sich die Annahme, der Suizidversuch könne zur Belastung des Angeklagten nur vorgetäuscht sein, allenfalls als abstrakttheoretisch gedankliche Möglichkeit ohne realen Anhaltspunkt, die daher im Rahmen der Beweiswürdigung kein Gewicht gewinnen kann (vgl. nur Engelhardt in KK 4. Aufl. § 261 Rdn. 4 m.w.N.). 3. Zuletzt soll der Angeklagte dreimal im Dezember 1994 mit der Nebenklägerin Geschlechtsverkehr gehabt haben. In diesem Zusammenhang ist auch festgestellt, daß die Nebenklägerin den Angeklagten damals gegenüber Außenstehenden belastet hat. Diese Feststellungen sind jedoch nicht gewürdigt, offenbar weil die Strafkammer die Tatvorwürfe aus anderen, aber nicht rechtsfehlerfreien , Erwägungen für unglaubhaft hält.
a) Die Nebenklägerin gibt an, letztmals sei es am 10. Dezember zu einer Vergewaltigung gekommen, als sie sich im Badezimmer für die Tanzstunde fertig machen wollte. Nach den Feststellungen der Strafkammer fuhr sie noch am Abend zu dem Zeugen P. , einem Offizier der Bundeswehr, den sie seit einigen Monaten kannte, um bei ihm zu übernachten. Ihr Verhalten bei ihm war "auffällig anders". Als sich P. ihr sexuell nähern wollte, wies sie ihn ab. Von ihm nach dem Grund ihres Verhaltens befragt, schrieb sie auf ein Blatt Papier - die Strafkammer bezeichnet dies als Brief -, er habe unbewußt bei ihr "tiefe Wunden aufgerissen", da sie seit Juli 1989 vom Angeklagten mißbraucht werde. Wenn sie den Wünschen des Angeklagten nicht nachkomme, gebe es "Dre-
sche". Nachdem zuletzt "eineinhalb Monate Pause" gewesen sei, "in dieser Woche dafür gleich dreimal am Montag, Freitag und gestern abend" (vgl. I 1). Danach kam es zu einer "dramatischen Szene" mit "Weinen und Schluchzen". An "diesem Abend" - die Strafkammer spricht vom 10. Dezember, gemeint ist wohl eher der 11. Dezember - fuhr P. z usammen mit seinem Freund ( ) F. , ebenfalls ein Offizier, die Nebenklägerin nach Hause, damit sie Kleider und Medikamente holen konnte. Dort erklärte sie der Mutter: "Ich halts nicht mehr aus" und verließ das Haus eilig durch ein Fenster.
b) Die Strafkammer hält es für nicht glaubhaft, daß es zu den drei Vergewaltigungen gekommen sei. Die Nebenklägerin habe s ich nicht nur an die beiden anderen Vorgänge nicht erinnert, und den letzten Vorfall nur allgemein beschrieben, auch sonst gebe es "Ungereimtheiten": Es sei schon nicht klar, ob es vor dem 10./11. Dezember (so der Zeuge P. ) oder erst danach (so die Nebenklägerin) erstmals zwischen ihnen zum Geschlechtsverkehr gekommen sei. Außerdem habe die Nebenklägerin zu Unrecht behauptet, P. habe auf der Fahrt zu ihr nach Hause eine Waffe dabeigehabt. Dies haben P. und F. - vor ihrem beruflichen Hintergrund nach Auffassung der Strafkammer "nachvollziehbar" - bestritten. Der Zeuge F. hat allerdings angegeben, von der Mitnahme einer Waffe sei gesprochen worden. P. habe aber Angst vor dem Angeklagten gehabt und ihm keinen Vorwand für eine "Notwehrhandlung" geben wollen.
c) Die Erwägungen zu der Waffe sind schon für sich genommen rechtsfehlerhaft , weil sich aufdrängende Gesichtspunkte nicht erörtert sind. Es ist schon nicht ohne weiteres einsichtig, daß der ersichtlich wesentlich jüngere P. , der sich auch noch in Begleitung von F. befand,
mit einer Waffe mehr Angst vor dem Angeklagten gehabt haben sollte, als ohne Waffe. Außerdem wäre zu erörtern gewesen, daß die Zeugen gerade vor ihrem beruflichen Hintergrund auch einen nachvollziehbaren Grund gehabt haben könnten, die Mitnahme einer Waffe in Abrede zu stellen. Insbesondere hat die Strafkammer aber die objektiv geringe Bedeutung der von ihr maßgeblich herangezogenen Gesichtspunkte nicht erkennbar erwogen (vgl. BGH StV 1993, 509; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 261 Rdn. 62). Ob eine Waffe mitgeführt wurde oder nicht, kann für sich genommen hier den Angeklagten ebensowenig be- oder entlasten wie der Zeitpunkt des ersten Geschlechtsverkehrs zwischen der Nebenklägerin und dem Zeugen P. . Allerdings können im Rahmen der Beweiswürdigung auch für sich genommen wenig gewichtige Gesichtspunkte Bedeutung gewinnen. Gegenläufige Gesichtspunkte, zumal wenn sie einen wesentlich engeren Bezug zu den Vorwürfen haben könnten, dürfen dann aber nicht unerörtert bleiben. Dementsprechend durfte die Strafkammer nicht allein im Hinblick auf die von ihr herangezogenen Umstände davon absehen, das Verhalten der Nebenklägerin gegenüber dem Zeugen P. (z.B. den Brief und die "dramatische Szene") und der Mutter ("Ich halts nicht mehr aus"; Flucht aus dem Fenster) zu würdigen. 4. Es ist nicht festgestellt, wie es zur Strafanzeige gekommen ist. Die Urteilsgründe ergeben lediglich, daß der Angeklagte am 1. März 1995 in Untersuchungshaft genommen wurde. Daraus ergibt sich nicht, daß die Information der Behörden noch in irgendeiner Weise unmittelbar auf die Vorgänge im Dezember 1994 zurückginge. Da die Erstattung einer Strafanzeige noch eine andere Qualität haben kann als Beschuldigungen gegenüber Privatpersonen, wä-
ren deren Umstände festzustellen und in die Würdigung der Aussagegenese einzubeziehen gewesen.

V.

Die Strafkammer hat sich auch nicht rechtsfehlerfrei mit den Ausführungen des Sachverständigen auseinandergesetzt, den sie zur Frage der Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin gehört hatte. 1. Dieser ist zu dem Ergebnis gekommen, trotz aller Schwierigkeit der Bewertung seien die Angaben der Nebenklägerin "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit" glaubhaft. Die Strafkammer teilt zunächst ohne weitere Ausführungen mit, der Sachverständige habe damit seine frühere Bewertung modifiziert. Dem Senat ist aus dem von ihm überprüften Urteil vom 27. März 1998 bekannt, daß dieser Sachverständige damals die Angaben der Nebenklägerin "mit großer Wahrscheinlichkeit" für glaubhaft gehalten hat. Es wird nicht klar, ob schon dieser Unterschied nach Auffassung der Strafkammer bedeutsam sein soll. In diesem Fall wären dessen Grundlagen konkret darzulegen und zu bewerten gewesen. Dies gilt um so mehr, als der Sachverständige ausgeführt hat, auch wenn die Nebenklägerin "manchmal gelogen haben möge", sei bei ihr gleichwohl sowohl die generelle als auch die spezielle Glaubwürdigkeit (vgl. hierzu BGH StV 1994, 64 m.w.N.) zu bejahen. In diesem Zusammenhang weist der Senat auch auf folgendes hin: Die Annahme, daß die Nebenklägerin manchmal auch gelogen haben möge, bezieht sich ersichtlich nicht auf den Verfahrensgegenstand, sondern auf überwiegend wenig konkrete, allgemeine Charakterisierungen der Nebenklägerin durch Verwandte und Schulkameradinnen. Unterstellt, die Behauptungen der Nebenklägerin über jahrelangen sexuellen Mißbrauch seien wahr, bedeutete
dies zugleich aber auch, daß sie jahrelang angehalten war, die Wahrheit zu unterdrücken und zu vertuschen. Gerade im damaligen Alter der Nebenklägerin kann dies auch auf ihren übrigen Umgang mit der Wahrheit ausgestrahlt haben. 2. Soweit die Strafkammer konkrete Bewertungen des Sachverständigen zu als solchem feststehenden Geschehen mitteilt, sprechen diese im Grunde ausschließlich für die Richtigkeit der Angaben der Nebenklägerin. So seien etwa die Angaben nach dem Suizidversuch "so originell, daß die Vorgänge wahrscheinlich als real einzustufen seien"; in ähnliche Richtung könnte auch die allerdings nicht leicht verständliche Mitteilung deuten, der Sachverständige hielte "das Aufgeben der Anzeigelatenz nach dem Brief an P. für sehr originell und kaum produziert". Die Strafkammer kommt demgegenüber insgesamt zu einem anderen Ergebnis, ohne das Gutachten konkret zu würdigen. Sie beschränkt sich vielmehr auf die allgemeine Mitteilung, auch die Ausführungen des Sachverständigen seien berücksichtigt. 3. Dies genügt nicht. Wie der Senat auch bereits im Urteil vom 29. September 1998 im einzelnen und unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung dargelegt hatte, ist der Tatrichter allerdings nicht gehalten, einem Sachverständigen zu folgen. Kommt er aber zu einem anderen Ergebnis, muß er sich konkret mit den Ausführungen des Sachverständigen auseinandersetzen , um zu belegen, daß er über das bessere Fachwissen verfügt, nachdem er zuvor glaubte, sachverständiger Beratung zu bedürfen (zuletzt ebenso BGH NStZ 2000, 550, 551 m.w.Nachw.). Anders wäre es nur dann, wenn sich schon auf Grund von Feststellungen, die offensichtlich auch ohne sachverständige Beratung getroffen werden konnten (etwa, daß sich Angeklagter und Neben-
klägerin zu behaupteten Tatzeiten an unterschiedlichen Orten aufgehalten haben ), erwiesen hätte, daß die vom Sachverständigen überprüften Angaben falsch sind. Hierfür ist jedoch nichts ersichtlich.

VI.

Soweit die Strafkammer - über die Behauptungen zum Dezember 1994 hinaus (IV 3) - weitere Anklagevorwürfe näher überprüft hat, beruhen die ihr verbliebenen Zweifel nicht auf rechtsfehlerfreier Grundlage. 1. a) Die Nebenklägerin hat angegeben, erstmals sei sie 1989 am Nachmittag des Geburtstags mißbraucht worden. Der Angeklagte, der zum Geburtstag Ausgang aus der JVA gehabt habe, habe sie im Badezimmer unter Gewaltandrohung zum Handverkehr veranlaßt. Anschließend habe er in das Waschbecken ejakuliert.
b) Objektive Gesichtspunkte, die alledem entgegenstünden, sind nicht festgestellt. Der Angeklagte hatte am 11. Juli 1989 Ausgang aus der JVA. Die Zeugin G. behauptet nicht mehr, die Nebenklägerin sei an diesem Nachmittag im Kinderhort gewesen (III 2 a). Die Strafkammer hält es "durchaus für möglich", daß dieser Vorfall so, wie von der Nebenklägerin geschildert , stattgefunden hat. Gleichwohl sieht sie aber die "personenbezogenen und räumlichen Gegebenheiten" für unaufgeklärt und damit im Ergebnis die Aussagen der Nebenklägerin für zweifelhaft an.
c) Die Grundlagen dieser Zweifel sind nicht zu erkennen. "Personenbezogen" beruft sich der Angeklagte auf die von keinem Zeugen - mehr (III 2 a) - bestätigte Geburtstagsfeier, die die Strafkammer für "äußerst unwahrschein-
lich" hält. G. hatte sich nämlich wenige Tage nach dem Geburtstag in einem Brief an den Angeklagten zu "Deiner Beschwerde, weil Dir keiner zum Geburtstag gratuliert hat" geäußert. "Räumlich" ist in den allein mitgeteilten Angaben, Tatort sei das Badezimmer gewesen und der Angeklagte habe in das Waschbecken ejakuliert, ebenfalls kein unaufgeklärter Widerspruch zu erkennen. 2. a) Die Nebenklägerin gibt an, zum nächsten Vorgang sei es im gleichen Monat beim nächsten Ausgang des Angeklagten aus der JVA an einem schulfreien Samstag am frühen Nachmittag gekommen. Der Angeklagte, der etwa eine Stunde zu Hause gewesen sei, sei in das Schlafzimmer gekommen, als sie gerade Wäsche eingeräumt habe. Er habe, vermutlich wegen vorangegangener Gartenarbeit, Stiefel getragen. Er habe sie aufs Bett "gelegt", sie an den Haaren gezogen und sie zu seiner oralen Befriedigung gezwungen. Das Ejakulat habe "grausig" geschmeckt. Der ganze Vorgang habe nicht viel mehr als fünf Minuten gedauert.
b) Auch insoweit sind objektiv entgegenstehende Umstände nicht festgestellt. Der Angeklagte hatte auch am 22. Juli 1989 Ausgang aus der JVA. Allerdings seien die Angaben der Nebenklägerin durch die "nachvollziehbaren" Angaben der Zeugin G. "relativiert". Diese hatte angegeben, der Angeklagte sei nur etwa zehn Minuten zu Hause gewesen. Außerdem habe er nur einen einzigen Stiefel besessen - zu dieser ungewöhnlichen Behauptung ist nichts Näheres mitgeteilt -, den er für so kurze Zeit kaum getragen habe.
c) Die Angaben der Zeugin G. über die Dauer des Aufenthalts des Angeklagten würden der Richtigkeit der Schilderung der Nebenklägerin nicht einmal dann entgegenstehen, wenn sie zutreffend wären. Sie stehen aber auch schon im Widerspruch zu den Angaben des Angeklagten,
der erklärt hat, er sei an diesem Nachmittag etwa eine Stunde zu Hause gewesen , ohne daß die Strafkammer dies gewürdigt hätte. Von alledem abgesehen, ist diese Behauptung jedoch mit den übrigen Feststellungen unvereinbar: Der Angeklagte kam kurz nach 14 Uhr nach Hause, von dort brachte ihn die Zeugin G. zurück zur JVA, wo er gegen 15.30 Uhr eintraf. Zur Dauer dieser Fahrt ist zwar nichts mitgeteilt, jedoch hatte die gleiche Fahrt am 11. Juli 1989 etwa 25 Minuten gedauert. Danach muß der Angeklagte aber etwa eine Stunde und nicht nur zehn Minuten zu Hause gewesen sein. Zugleich verlieren damit auch alle weiteren Vermutungen der Zeugin G. , die an eine nur kurze Aufenthaltsdauer anknüpfen, ihre Grundlage. Deren Angaben sind daher insgesamt ungeeignet, die Angaben der Nebenklägerin zu "relativieren" und somit in Zweifel zu ziehen. 3. a) Die Nebenklägerin hat angegeben, Anfang Dezember 1989 habe sie der Angeklagte ausgezogen und auf das Bett "geworfen". Nach manuellem Verkehr sei es zu Geschlechtsverkehr gekommen. Sie habe geschrien, er habe ihren Mund zugehalten; ihr Versuch, ihn von sich "runter(zu)werfen", sei gescheitert. Am Schluß habe er sich an ihrer herumliegenden Unterwäsche abgewischt. Das Datum hat sie nicht (noch) weiter präzisiert, es habe aber Neuschnee gelegen.
b) Nachdem sich im Hinblick auf den Neuschnee ergeben hatte, daß ein solcher Vorfall frühestens am 6. Januar 1990 stattgefunden haben konnte, "tendierte" die Nebenklägerin zu diesem Datum. Die Beweiswürdigung der Strafkammer beschränkt sich auf die Bewertung, die Nebenklägerin habe den Vorfall "nicht verläßlich zeitlich" eingeordnet.

c) Freilich kann es Bedenken begründen, wenn ein Zeuge ein zuvor präzise behauptetes Datum austauscht, nachdem sich erwiesen hat, daß die Tat an dem zuerst behaupteten Datum nicht stattgefunden haben kann. Hier hatte die Nebenklägerin jedoch gerade kein präzises Datum genannt. Daher wäre der naheliegende Gesichtspunkt zu erwägen gewesen, daß die Erinnerung nicht an das Datum, sondern an den Neuschnee anknüpfen könnte.

VII.

Erstmals in der (erneuten) Hauptverhandlung hatte die Nebenklägerin zwei bisher nicht von ihr geschilderte Vorgänge behauptet. Sie hat angegeben, diese Vorgänge seien ihr als Ergebnis ihrer "Aufarbeitungstherapie" wieder eingefallen. Die Strafkammer hat zwar erkannt, daß auch diese Angaben, bei denen es sich eher um die Präzisierung alter Vorwürfe als um eigentlich neue Vorwürfe handelt, für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin bedeutsam sein können. Ihre Feststellungen sind jedoch lückenhaft und ihre Erwägungen nicht rechtsfehlerfrei. 1. a) Die Nebenklägerin hat angegeben, zu einem nicht näher bestimmten , von ihr aber "spontan" zwischen 1991 und 1993 eingeordneten Zeitpunkt, sei sie mit dem Angeklagten in Richtung B. gefahren, da für sie ein Mofa gekauft werden sollte. Unterwegs sei der Angeklagte in einen Wald abgebogen. Auf der Forststraße habe er zwei Fahrräder schiebende Personen überholt und gefragt "was die sich jetzt wohl denken". Im Anschluß habe er sie vergewaltigt und die Tat als "Anzahlung" für das Mofa bezeichnet.

b) Die Strafkammer beschränkt sich auf die Mitteilung, daß diese Behauptungen "nicht weiter aufgeklärt" werden konnten. Aus dieser Feststellung ergibt sich nichts. Schlüsse auf Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit der Nebenklägerin wären möglich, wenn feststünde, daß ihr ein Mofa gekauft wurde oder daß dies nicht der Fall war. Warum es unaufklärbar bleibt, ob - angeblich offenbar in B. - ein Mofa gekauft wurde, wird nicht deutlich. 2. a) Die Nebenklägerin hat angegeben, nach einer Mandeloperation im Krankenhaus von A. habe sie der Angeklagte, der an diesem Tag (15. Juli 1991) im Raum M. gearbeitet habe, mit seinem Pkw Audi abgeholt , da die Mutter damals selbst in M. im Krankenhaus gewesen sei. Unterwegs sei er in der H. auf den Parkplatz am See gefahren. Er sei um den Pkw herumgelaufen, und habe den Beifahrersitz umgelegt. Er habe sie von vorne vergewaltigt. Dabei sei seine weiße Latzhose halb ausgezogen gewesen. Die Beifahrertür sei offen geblieben.
b) Die Strafkammer hat festgestellt, daß die Angaben zu den Krankenhausaufenthalten zutreffen. Ebenso ergäben weder näher geprüfte Zeiträume und Entfernungen noch sonstige Beweisergebnisse zum Ablauf der Arbeit des Angeklagten an diesem Tage die Unrichtigkeit des Vorbringens der Nebenklägerin. Dennoch sei es unglaubhaft. Es sei schon nicht so detailreich wie ihre Schilderung anderer Fälle, außerdem folge die Unglaubwürdigkeit des Vorwurfs im Hinblick auf seine "Ungeheuerlichkeit" auch aus seiner Entstehungsgeschichte.
c) Auch diese Bewertung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand: Ohne daß dies näherer Darlegung bedürfte, läge der Auffassung, daß die Schilderung für sich genommen detailarm sei, ein überspannter Maßstab zu
Grunde. Jedenfalls ist die Schilderung zumindest ebenso detailliert wie andere Schilderungen, auf die die Strafkammer abgrenzend verweist (vgl. V 1 bis 3). Die "Ungeheuerlichkeit" gerade dieses Vorwurfs wird jedenfalls im Vergleich mit den anderen Vorwürfen nicht erkennbar. Was die Entstehungsgeschichte des Vorwurfs betrifft, so bezweifelt die Strafkammer offenbar nicht, daß sich die Nebenklägerin einer solchen Therapie unterzieht, wobei im übrigen auch zu erwägen gewesen wäre, warum sie dies tut. Daß eine derartige Therapie nicht dazu führen kann, daß verdrängte Erlebnisse wieder ins Gedächtnis geraten, versteht sich jedenfalls nicht von selbst. Dies wäre um so mehr zu erörtern gewesen, als auch der Sachverständige ein solches Ergebnis für "durchaus" möglich hält.
d) Der Senat weist im übrigen darauf hin, daß die übrigen Erwägungen des Sachverständigen zu dieser Schilderung, jedenfalls so, wie sie zusammengefaßt von der Strafkammer mitgeteilt sind, kaum verständlich sind. Danach könne die Schilderung nicht nur - dies ist offensichtlich - Wahrheit oder Lüge sein, sondern auch auf einem Irrtum beruhen. Dieser Vorfall - gemeint ist offenbar Irrtum oder Lüge - berühre die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin nicht, vermindere sie aber. In Abgrenzung zu Lüge kann Irrtum nur bedeuten, daß die Nebenklägerin an ein solches Ereignis glaubt, obwohl es in Wahrheit nicht stattgefunden hat. Dies wäre erforderlichenfalls ebenso zu erläutern wie die Auffassung, daß Lüge oder Irrtum die Beurteilung der Glaubwürdigkeit einerseits nicht beeinflußten , andererseits aber doch.

VIII.

Die Auffassung, die Angaben der Nebenklägerin seien teilweise nicht glaubhaft und im übrigen fehlten objektive Umstände, die ihre Angaben stützen könnten, ist nach alledem teils objektiv unzutreffend und beruht im übrigen auf einem überspannten Maßstab. 1. Die Angaben der Nebenklägerin sind durch viele signifikante Details gekennzeichnet. Dies ergibt sich schon weitgehend aus den bisherigen Ausführungen , weitere, nicht zugleich konkreten Fällen zugeordnete Detailangaben treten noch hinzu. Diese betreffen etwa die gelegentliche Benutzung von Kondomen, Geschlechtsverkehr auch während der Regelblutung oder eine angebliche Ä ußerung des Angeklagten über die "ausgelutschte Muschi" der Zeugin G. . Soweit objektivierbar und überprüft, haben sich die Angaben der Nebenklägerin überwiegend als richtig und jedenfalls an keiner Stelle als falsch erwiesen , so ist etwa von Alibis keine Rede mehr. Demgegenüber besteht der schwerwiegende Verdacht, daß ihr mit der von mehreren Zeugen abgegebenen Schilderung der Geburtstagsfeier ein ganzes Lügengeflecht entgegengesetzt worden war. In ähnliche Richtung deutet, daß ein weiterer Zeuge zum Meineid angestiftet worden war. 2. Objektive Umstände im Sinne eines Sachbeweises, die zurückliegenden sexuellen Mißbrauch belegen oder widerlegen können, sind demgegenüber nur schwer vorstellbar und können jedenfalls nicht erwartet werden. Jedoch sind eine Reihe von Erkenntnissen über Vorgänge außerhalb des Verfahrens angefallen, die jedenfalls geeignet sein können, die Angaben der Nebenklägerin zu stützen. Sie hat einen Suizidversuch begangen, ist aus dem Eltern-
haus geflüchtet und unterzieht sich noch immer einer Therapie. Darüber hinaus hat sie gegenüber mehreren Zeugen den Angeklagten belastende Angaben gemacht, etwa gegenüber G. , (andeutungsweise) gegenüber Dr. B. , dem Therapeuten Fi. und ihrem Bekannten P. . Die Angaben gegenüber dem Zeugen P. liegen sogar schriftlich vor. Ein Grund für eine dann ungewöhnlich hartnäckige Falschbelastung wird demgegenüber nicht erkennbar, der Sachverständige spricht insoweit von "fehlender Evidenz".

IX.

Ohne daß es noch auf die Verfahrensrügen ankäme - insoweit macht die Revision zutreffend geltend, daß die Strafkammer mehrere, vorsorglich für den Fall eines Freispruchs gestellte Anträge nicht beschieden hat - bedarf die Sache nach alledem neuer Verhandlung und Entscheidung.
Entsprechend auch einer Anregung des Generalbundesanwalts in der Hauptverhandlung vor dem Senat erschien es angemessen, die Sache nunmehr an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO, zweite Alternative). Nack Wahl Herr RiBGH Schluckebier befindet sich im Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift verhindert. Nack Hebenstreit Schaal

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
5 StR 173/00
URTEIL
vom 20. Juni 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Juni
2000, an der teilgenommen haben:
Richterin Dr. Tepperwien als Vorsitzende,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof und
Richterin am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin B
als Verteidigerin,
Rechtsanwältin M
als Beistand der Nebenklägerin,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 24. Juni 1999 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an das Landgericht Frankfurt/Oder zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hatte den Angeklagten am 23. Februar 1997 – unter Freisprechung im übrigen – wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes und wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in 90 Fällen sowie wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes und sexuellem Mißbrauch einer Schutzbefohlenen (jeweils begangen zum Nachteil seiner am 7. September 1979 geborenen Tochter M ) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Dieses Urteil hatte der Senat auf Revision des Angeklagten durch Beschluß vom 25. November 1997 – 5 StR 458/97 – wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben. Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin haben Erfolg.
1. Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, seine Tochter, die Nebenklägerin , zu keiner Zeit in der ihm vorgeworfenen Weise sexuell mißbraucht zu haben. Dies war ihm nach Auffassung des Tatrichters in der erneuten Hauptverhandlung nicht zu widerlegen. Die Aussage der Nebenklägerin , die der Sachverständige – ein Kinder- und Jugendpsychiater – für glaubhaft befunden hat, konnte der Strafkammer nicht die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten verschaffen.
2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die Ausführungen zur Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin sind teilweise widersprüchlich, es fehlt in wesentlichen Punkten an der erforderlichen Auseinandersetzung mit dem Gutachten des Sachverständigen und die Urteilsgründe lassen nicht ausreichend erkennen, daß das Gericht alle Umstände , die Schlüsse auch zuungunsten des Angeklagten ermöglichen, in die Gesamtwürdigung einbezogen hat.

a) Zunächst führt das Landgericht bei Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin aus, daß ihre Aussage keine vordergründige Belastungstendenz aufweise. Es spreche auch nicht gegen ihre Aussage, daß sie erst nach Jahren – die Zeugin war inzwischen 16 Jahre alt – angefangen habe, den Angeklagten zu belasten. Insoweit folge es dem Gutachter, daß das Pubertätsalter für die Nebenklägerin ein günstiger Zeitpunkt gewesen sein könnte, eventuell über Jahre Aufgestautes auszusprechen (UA S. 13). Demgegenüber wird die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin an anderer Stelle (UA S. 15) gerade mit der Erwägung in Zweifel gezogen, es sei unverständlich, daß sie sich trotz der jahrelang andauernden Vorfälle erst so spät jemandem offenbart habe. Hinzu komme, daß die Nebenklägerin mit den Beschuldigungen erst begonnen habe, als sie sich längst nach Beendigung der sexuellen Übergriffe in einem auf der allgemeinen Erziehungssituation beruhenden Konflikt mit dem Angeklagten befunden habe. Zur Begründung nimmt das Landgericht auch den Sachverständigen mit dem allgemeinen Erfahrungssatz in Anspruch, in Mißbrauchsfällen seien belastende Angaben, die aus einem Spontankonflikt erwachsen seien, grundsätzlich eher glaubhaft als solche, die im Zusammenhang mit einer allgemeinen Konfliktsituation stünden (UA S. 16). Hierbei läßt die Strafkammer jedoch die relativierende Ä ußerung des Sachverständigen unerörtert, daß bei langanhaltenden Übergriffen auch eine Aussage in allgemeinen Konfliktsituationen glaubhaft und daß der Nebenklägerin die Aussage dadurch erleichtert worden sei, daß sie zum Zeitpunkt ihrer ersten Anschuldigungen nicht mehr bei dem Angeklagten gewohnt habe (UA S.13).

b) Das Landgericht hat sich auch deshalb nicht von der Täterschaft des Angeklagten zu überzeugen vermocht, weil die Aussagen der Zeugin gewisse Abweichungen und Unstimmigkeiten enthielten, die den Wahrheitsgehalt ihrer Bekundungen in Frage stellten. So habe die Zeugin in der erneuten Hauptverhandlung erstmals angegeben, daß ihr Vater bei der ersten Mißbrauchshandlung „total betrunken“ gewesen sei. Die zeitliche Einordnung dieser ersten Tat stehe teilweise im Widerspruch zu anderen Beweisergebnissen (UA S. 14). Zweifel seien auch deshalb angebracht, weil die Nebenklägerin hinsichtlich einer sexuellen Beziehung zu dem Zeugen W unterschiedliche Angaben gemacht habe (UA S. 15).
Auch vor dem Hintergrund dieser von dem Landgericht angenommenen Unstimmigkeiten war eine Auseinandersetzung mit dem Gutachten unerläßlich. Zwar ist der Tatrichter nicht gehindert, die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders zu beurteilen als der Sachverständige, da dessen Gutachten stets nur eine Grundlage der eigenen Überzeugungsbildung sein kann. Jedoch muß er, sofern er in einer schwierigen Frage den Rat eines Sachverständigen in Anspruch genommen hat und diese Frage dann im Widerspruch zu dem Gutachten lösen will, die Darlegungen im einzelnen wiedergeben, insbesondere dessen Stellungnahme zu den Gesichtspunkten, auf welche der Tatrichter seine abweichende Auffassung stützt. Anderenfalls ist dem Revisionsgericht die Prüfung nicht möglich, ob das Tatgericht das Gutachten zutreffend gewürdigt und aus ihm rechtlich zulässige Schlüsse gezogen hat (vgl. BGH NStZ–RR 1997, 172; BGHR StPO § 261 – Sachverständiger 1 und 5). Denn Abweichungen des Aussageinhalts erlauben nicht ohne weiteres den Schluß auf die Unglaubhaftigkeit; jedenfalls darf das Kriterium der Widerspruchsfreiheit und Konstanz einer Aussage nicht überbewertet werden (BGH NStZ–RR 1997, 172). Gerade deshalb hätte es einer Erörterung der Frage bedurft, welches Gewicht den vom Landgericht im einzelnen dargestellten Abweichungen und Unstimmigkeiten in der Aussage der Nebenklägerin , die im übrigen das Kerngeschehen nicht oder nur unwesentlich berühren, nach Auffassung des Sachverständigen sowie in Bezug auf die Beurteilung der speziellen Glaubwürdigkeit dieser Zeugin zukommt.

c) Die Beweiswürdigung begegnet schließlich insofern durchgreifenden Bedenken, als das Landgericht es versäumt hat, alle aus dem Urteil ersichtlichen wesentlichen Umstände, die Schlüsse auch zuungunsten des Angeklagten ermöglichen, in die gebotene Gesamtwürdigung einzubeziehen (vgl. BGHSt 25, 285, 286; BGH NStZ–RR 1997, 172, 173). Dies gilt namentlich für die im Urteil ausführlich dargestellte Entstehungsgeschichte der Aussage der Nebenklägerin (UA S. 7 bis 9). Nach den Feststellungen hat sie sich zunächst eher zögerlich und z urückhaltend gegenüber ihrer Freundin und später gegenüber professionellen Helfern geäußert, wobei sie erst allgemeine Andeutungen machte und erst auf näheres Befragen der Zeugin G , einer Psychologin des Jugendnotdienstes, von konkreten sexuellen Übergriffen ihres Vaters berichtete. In diesem Zusammenhang hätte auch berücksichtigt werden müssen, in welcher Verfassung sich die Nebenklägerin bei diesen ersten Angaben befand und in welcher Weise sie sich im einzelnen äußerte. Für die Glaubhaftigkeit sprechende Gesichtspunkte hätten auch darin gefunden werden können, daß die Zeugin nach den Urteilsfeststellungen zum Kerngeschehen identische Aussagen gemacht hat wie im Vorverfahren und daß Belastungstendenzen nicht erkennbar waren (UA S. 13). Schließlich hätte es einer vertieften Erörterung bedurft, daß der Angeklagte einen Tag, nachdem er von den Anschuldigungen seiner Tochter erfahren hatte, dieser gegenüber als erste Reaktion erklärte, es tue ihm leid, was zwischen ihnen geschehen sei (UA S. 9). Das Landgericht hält es für möglich, daß sich diese Entschuldigung auf andere Fehler des Angeklagten im Umgang mit seiner Tochter bezogen habe (UA S. 16), wobei es den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Mitteilung über die Anschuldigungen und dem Gespräch außer Acht läßt. Gerade dieser zeitliche Aspekt läßt die Erwägung des Landgerichts eher als fernliegend erscheinen. Daß das Landgericht auf die genannten Umstände nicht oder nur unvollständig eingeht, gibt Anlaß zu der Annahme, daß es die erforderliche Gesamtwürdigung aller Umstände, die für und gegen die Zuverlässigkeit der Angaben der Nebenklägerin sprechen, nicht vorgenommen hat.
3. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.