Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2015 - 5 StR 331/15

bei uns veröffentlicht am16.09.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 331/15
vom
16. September 2015
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischer Erpressung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. September 2015 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Görlitz vom 16. April 2015 mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben (§ 349 Abs. 4 StPO), soweit eine Unterbringung
des Angeklagten in der Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt; von der Unterbringung in der Entziehungsanstalt hat es mangels hinreichend konkreter Aussicht auf einen Behandlungserfolg (§ 64 Satz 2 StGB) abgesehen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg ; im Übrigen ist das Rechtsmittel im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verließ der Angeklagte in Begleitung des nicht revidierenden Mitangeklagten N. am 20. September 2014 gegen 3.30 Uhr das Herbstfest in Niesky. Beide verspürten das Bedürfnis , sich mit anderen Personen eine Schlägerei zu liefern. Auf der Gerichtsstraße begegneten sie dem Geschädigten B. , dem der Angeklagte mit der Faust ins Gesicht schlug; zugleich trat N. dem Geschädigten von hinten in die Kniekehlen, so dass dieser zu Boden fiel. N. nahm nun dessen Mobiltelefon an sich, wobei nicht festgestellt werden konnte, ob er es aus der Hosentasche gezogen oder vom Boden aufgehoben hatte, nachdem es dem Geschädigten heruntergefallen war. Er trat sodann mehrfach mit seinem beschuhten Fuß gegen den Kopf des am Boden liegenden Geschädigten, bevor er vom Angeklagten weggezogen wurde. Aus Verzweiflung über seine hilflose Lage fragte der Geschädigte, ob der Angeklagte und N. Geldvon ihm wollten, und teilte auf Nachfrage mit, dass Geld in seiner nahe gelegenen Wohnung sei. Der Angeklagte und N. „zogen den Geschädigten hoch, hakten ihn unter und schleiften ihn zu seiner Wohnung“. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatten beide den Entschluss gefasst, vom Geschädigten „unter Ausnutzung des Ein- drucks der zuvor erlittenen erheblichen körperlichen Misshandlung“ Geld zu erlangen. Nachdem N. in der Wohnung erneut Geld vom Geschädigte gefor- dert hatte, übergab dieser ihm 1.000 €, die der Angeklagte und N. hälftig auf- teilten.
3
2. Der Schuldspruch wegen räuberischer Erpressung hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
4
Soweit das Landgericht darauf abgestellt hat, dass der Angeklagte und N. den Geschädigten „unter Ausnutzung des Eindrucks der zuvor erlittenen erheblichen körperlichen Misshandlung“ zur Herausgabe von Bargeld veranlas- sen wollten, wird damit eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben allerdings nicht belegt. Allein der Umstand, dass die Wirkungen eines zuvor ohne Wegnahmevorsatz oder Erpressungsabsicht eingesetzten Nötigungsmittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt, genügt nicht. Auch das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers ist insoweit nicht ausreichend (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2014 – 5 StR 41/14, NStZ 2015, 156, 157 mwN). Zwar liegt es in Fällen, in denen das Opfer zahlreichen – nicht notwendig in Zusammenhang mit Raub oder räuberischer Erpressung stehenden – körperlichen Übergriffen ausgesetzt war, nahe, dass der Täter für den Fall, dass sich das Opfer seinem erpresserischen Ansinnen verweigert oder einer Wegnahme entgegentritt, zumindest konkludent mit der Anwendung weiterer Gewalt droht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 2012 – 3 StR 422/12). Eine derartige Feststellung hat das Landgericht jedoch nicht getroffen; sie lässt sich auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen.
5
Gleichwohl tragen die getroffenen Feststellungen (auch) eine Verurteilung des Angeklagten wegen räuberischer Erpressung, da er und N. den am Boden liegenden Geschädigten nach Fassung des nunmehr auf die Erlangung von Geld gerichteten gemeinschaftlichen Tatentschlusses „vom Boden hochzo- gen, einhakten und zu seiner Wohnung schleiften“, mithin – wie bereits in der Anklageschrift zur Last gelegt – Gewalt im Sinne des § 255 StGB verübt haben. Es kommt daher nicht darauf an, dass sowohl der Angeklagte als auch der Geschädigte im Rahmen der Einlassung bzw. Zeugenaussage angegeben haben, „N. habe unterwegs weiter auf den Geschädigten eingeprügelt“ bzw. „N. habe ihn auch auf dem Weg zur Wohnung nochmals geschlagen“, ohne dass das Landgericht dies ausdrücklich festgestellt hat.
6
Es beschwert den Angeklagten nicht, dass das Landgericht eine Strafbarkeit wegen erpresserischen Menschenraubs gemäß § 239a Abs. 1 Alt. 1 StGB nicht in Erwägung gezogen hat.
7
3. Das Urteil hält indes rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht eine Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt abgelehnt und dies damit begründet hat, beim Angeklagten sei eine Therapiedauer von zwei Jahren erforderlich; er lehne jedoch den Maßregelvollzug ab, wenn dieser länger als die Haftzeit dauern würde, so dass vorliegend eine hinreichende Aussicht auf einen Behandlungserfolg nicht bestehe.
8
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 28. Juli 2015 insoweit ausgeführt: „Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat zur Maßre- gelfrage einen durchgreifenden Rechtsfehler ergeben. Das Landgericht hat bei Erörterung der Erfolgsaussicht einer Maßregel nach § 64 StGB den Umstand, dass sich der Angeklagte selbst um eine stationäre Alkoholentwöhnungstherapie bemüht hatte (UA S. 26), übergangen. Angesichts dessen erweisen sich die auf UA S. 26 angestellten Erwägungen zur mangelnden Erfolgsaussicht der Maßregel wegen fehlender Kooperationsbereitschaft des Angeklagten (erzwungener Abbruch nach § 67d Abs. 5 StGB zwecks Verkürzung der Freiheitsentziehung) als lückenhaft. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Maßregelentscheidung unter Berücksichtigung des vorgenann- ten Aspekts anders ausgefallen wäre.“
9
Dem tritt der Senat bei. Er schließt aus, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auf eine geringere Freiheitsstrafe erkannt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.

Sander Schneider König
Bellay Feilcke

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2015 - 5 StR 331/15

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2015 - 5 StR 331/15

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 67d Dauer der Unterbringung


(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich
Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2015 - 5 StR 331/15 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 67d Dauer der Unterbringung


(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich

Strafgesetzbuch - StGB | § 255 Räuberische Erpressung


Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2015 - 5 StR 331/15 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Nov. 2012 - 3 StR 422/12

bei uns veröffentlicht am 13.11.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 422/12 vom 13. November 2012 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen schweren Raubes u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts - zu 2. au

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Feb. 2014 - 5 StR 41/14

bei uns veröffentlicht am 18.02.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR41/14 vom 18. Februar 2014 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren Raubes u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Februar 2014 beschlossen : 1. Auf die Revision des Angeklagten W. wird

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR41/14
vom
18. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Februar 2014 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten W. wird das Urteil
des Landgerichts Zwickau vom 30. Oktober 2013 – auch
soweit es die Mitangeklagte B. betrifft – nach § 349
Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten W. wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt; die nichtrevidierende Mitangeklagte B. hat es wegen Raubes in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen besuchten am 20. April 2013 der Angeklagte W. und die Angeklagte B. , die von ihrer Tochter und deren Freund, dem gesondert Verfolgten S. begleitet wurde, die geschädigten Eheleu- te F. in deren Wohnung. Über ein als unangemessen gewertetes Ansinnen erbost versetzte zunächst die Angeklagte B. , sodann der ebenfalls verärgerte Angeklagte W. dem Geschädigten Schläge in das Gesicht. Im Bewusstsein ihrer körperlichen Überlegenheit und in Ansehung des durch die Schläge deutlich eingeschüchterten Geschädigten kamen der Angeklagte W. und S. spontan überein, aus der Wohnung der Eheleute brauchbare Gegenstände wegzunehmen. Unter dem Eindruck der erhaltenen Schläge ließ es der Geschädigte F. widerstandslos zu, dass der Angeklagte W. und S. Gegenstände im Gesamtwert von ca. 100 € zusammenpackten. Dieses Tun billigte die Angeklagte B. , in deren Wohnung das Stehlgut anschließend verbracht wurde (Fall II.1 der Urteilsgründe).
3
Drei Tage später suchten der Angeklagte W. , die Angeklagte B. , ihre Tochter und S. erneut die Eheleute F. auf. Wiederum erzürnte sich die Angeklagte B. und schlug dem Geschädigten mehrfach in das Gesicht. Der Angeklagte W. und S. schlossen sich diesen Tätlichkeiten an. Weiterhin brachte der Angeklagte W. dem Geschädigten an den Händen mit einer glimmenden Zigarette Brandwunden bei. Nachdem es dem Geschädigten gelungen war, in ein anderes Zimmer der Wohnung zu flüchten, entwendeten der Angeklagte W. und S. aus der Wohnung der Eheleute F. „ungestört in Ausnutzung der fortwirkenden Gewalt“ Gegenstände im Gesamtwert von ca. 100 €. Die Angeklagte B. machte sich die Wegnahme zu eigen, indem sie half, die entwendeten Sachen in ihre Wohnung zu tragen (Fall II.2 der Urteilsgründe).
4
2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten W. wegen Raubes und besonders schweren Raubes (§ 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) nicht. Nach ständiger Rechtsprechung muss zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub eine finale Verknüpfung bestehen; Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein. An einer solchen Verknüpfung fehlt es, wenn eine Nötigungshandlung nicht zum Zwecke der Wegnahme vorgenommen wird, sondern der Täter den Entschluss zur Wegnahme erst nach Abschluss dieser Handlung fasst (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 1983 – 4 StR 376/83, BGHSt 32, 88, 92; Urteil vom 20. April 1995 – 4 StR 27/95, BGHSt 41, 123, 124; Urteil vom 16. Januar 2003 – 4 StR 422/02, NStZ 2003, 431, 432; Beschluss vom 24. Februar 2009 – 5 StR 39/09, NStZ 2009, 325; MünchKomm/Sander, StGB, 2. Aufl., § 249 Rn. 31 mwN). Hier hatte sich der Angeklagte nach den Feststellungen jeweils erst nach seiner letzten Gewaltanwendung zur Wegnahme entschlossen. Eine Äußerung oder sonstige Handlung des Angeklagten vor der Wegnahme, die eine auch nur konkludente Drohung mit weiterer Gewalt beinhaltete, ist nicht festgestellt. Allein der Umstand, dass die Wirkungen eines ohne Wegnahmeabsicht eingesetzten Nötigungsmittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt, genügt für die Annahme eines Raubes nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. März 2006 – 3 StR 3/06, NStZ 2006, 508; vom 24. Februar 2009 – 5 StR 39/09, NStZ 2009, 325; vom 25. September 2012 – 2 StR 340/12, NStZ-RR 2013, 45). Das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers reicht nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2013 – 2 StR 558/12, NStZ 2013,

648).


5
3. Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung , da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Landgericht in neuer Hauptverhandlung Feststellungen zu treffen vermag, die eine Verurteilung wegen Raubdelikten stützen.
6
Da der aufgezeigte materiellrechtliche Fehler des Urteils die nicht revidierende Mitangeklagte B. in gleicher Weise betrifft, ist die Aufhebung auf sie zu erstrecken, nachdem sie – zum Antrag des Generalbundesanwalts auf Entscheidung nach § 357 StPO über ihren Verteidiger angehört – einer solchen Erstreckung nicht widersprochen hat.
Basdorf Sander Schneider
Berger Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 422/12
vom
13. November 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
13. November 2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 10. April 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) zu Tat 1 der Urteilsgründe insgesamt;
b) darüber hinaus, aa) soweit es den Angeklagten H. betrifft, im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe und soweit die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist; bb) soweit es die Angeklagten G. und L. betrifft , im Strafausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen schweren Raubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung , Nötigung und Vergewaltigung (Tat 1 der Urteilsgründe), wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung (Tat 2 der Urteilsgründe) und wegen Körperverletzung (Tat 3 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Gegen die Angeklagte G. hat es wegen schweren Raubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung , gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung (Tat 1 der Urteilsgründe) eine Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten ausgesprochen und gegen den Angeklagten L. wegen schweren Raubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung , Nötigung und Vergewaltigung (Tat 1 der Urteilsgründe) sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit räuberischer Erpressung und Freiheitsberaubung (Tat 2 der Urteilsgründe) eine Jugendstrafe von drei Jahren verhängt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg, im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung aller drei Angeklagten wegen schweren Raubes im Fall der Tat 1 der Urteilsgründe hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts kamen die Angeklagten überein, den Geschädigten W. , der angeblich schlecht über den Angeklagten H. gesprochen habe, körperlich zu züchtigen; außerdem wollten sie sich an ihm bereichern. Die Angeklagte G. verabredete sich zum Schein mit ihm, am Treffpunkt erschienen auch die Angeklagten H. und L. . Dabei war allen Angeklagten bewusst, dass das Auftreten des Angeklagten H. auf den Geschädigten bedrohlich wirkte. Nachdem er diesen zunächst zur Herausgabe von Geld und anderen Wertgegenständen an die Angeklagte G. genötigt hatte, schlug der Angeklagte H. mehrfach auf den Geschädigten ein, auch, während sie sich zu dessen Wohnung begaben. Dort angelangt , verschafften sich die Angeklagten erneut unter Einschaltung einer List gegen den Willen des Geschädigten Zutritt, nahmen ihm den Schlüssel ab und sperrten die Wohnungstür zu. In den folgenden Stunden schlugen die Angeklagten H. und L. mehrfach abwechselnd mit den Fäusten auf W. ein. Ohne dass die Strafkammer nähere Feststellungen zur zeitlichen Abfolge treffen konnte, nötigte der Angeklagte H. den Geschädigten zur Herausgabe eines Computers und zur Abfassung eines diesbezüglichen Schenkungsvertrages, schlug und bewarf ihn mit einem Deo-Roller, trat ihn mit dem beschuhten Fuß gegen den Rumpf, drückte eine Zigarette auf seinem Rücken aus und forderte ihn auf, den Penis des Angeklagten L. in den Mund zu nehmen, und diesem "einen zu blasen". Aus Angst vor weiteren Übergriffen leistete W. allen an ihn gerichteten Ansinnen - auch denen, den Urin der Angeklagten und ein Gemisch aus Bier, Zigarettenasche und Zigarettenfiltern zu trinken - Folge, gab außerdem seine EC-Karte heraus und teilte der Angeklagten G. auf Verlangen des Angeklagten H. die Geheimnummer mit; die Angeklagte G. hob so 300 € von seinem Konto ab, die die Angeklagten untereinander aufteilten. Zudem packten die Angeklagten Stehlenswertes in Taschen und Rucksäcken des Geschädigten zusammen und stellten diese im Flur der Wohnung zum Abtransport bereit. W. leistete "unter dem fortwirkenden Eindruck der Gewalt" auch hierbei keine Gegenwehr.
4
Gegen drei Uhr am nächsten Morgen verließen die Angeklagten mit ihrer Beute und dem Geschädigten die Wohnung, und zwangen diesen, sich mit ihnen in die Wohnung der Angeklagten G. zu begeben, wo sie erneut die Tür zusperrten, um W. an der Flucht zu hindern. Die Angeklagten H. und L. schlugen auch hier über mehrere Stunden in wechselnder Beteiligung auf den Geschädigten ein.
5
b) Das Landgericht hat den Tatbestand des schweren - richtig: des besonders schweren (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2010 - 3 StR 496/09) - Raubes als erfüllt angesehen, weil der Angeklagte H. zu einer Zeit, als die Wegnahme der in der Wohnung zusammengepackten Gegenstände noch nicht vollendet gewesen sei, den Geschädigten mit einem Deo-Roller an den Kopf geschlagen und so bei der Tat ein gefährliches Werkzeug verwendet habe (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB). Diese Annahme wird von den Feststellungen nicht belegt. "Bei der Tat" verwendet der Täter eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, wenn er es zweckgerichtet im Rahmen der Verwirklichung des Raubtatbestandes gebraucht, also als Nötigungsmittel zur Herbeiführung der Wegnahme (Fischer, StGB, 59. Aufl., § 250 Rn. 18). Zu der Vorstellung des Angeklagten H. bei dem Schlag mit dem Deo-Roller und zu der erforderlichen finalen Verknüpfung zwischen dessen Einsatz und der Wegnahme der Gegenstände hat die Strafkammer keine Feststellungen getroffen. Dies erübrigte sich weder wegen des zeitlichen Zusammenhangs noch mit Blick auf das übrige Tatgeschehen, denn dieses lässt es zumindest ebenso naheliegend erscheinen, dass der Angeklagte H. sein Opfer, das von ihm und dem Angeklagten L. in vielfacher Art und Weise misshandelt und gedemütigt wurde und deshalb bereits massiv eingeschüchtert war, durch den Schlag mit dem Deo-Roller nur weiter quälen wollte. Auch die Annahme des Generalbundesanwalts, der Schlag sei jedenfalls noch in Beute- sicherungsabsicht erfolgt, was für eine Verwendung "bei der Tat" ausreichen würde (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 - 5 StR 445/08, BGHSt 52, 376, 377), findet in den Feststellungen keine Stütze; dagegen spricht insbesondere, dass die Angeklagten den Geschädigten - mit ihrer Beute - noch in die Wohnung der Angeklagten G. verbrachten, um ihn dort weiter zu misshandeln.
6
c) Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen (besonders) schweren Raubes lässt auch die - von diesem Rechtsfehler nicht betroffene - Verurteilung wegen der tateinheitlich dazu begangenen Delikte entfallen. Für eine neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
7
Das neue Tatgericht wird zu prüfen haben, ob das Geschehen bis zum Verlassen der Wohnung des Geschädigten nicht auch unter den Tatbestand des erpresserischen Menschenraubes nach § 239a Abs. 1 StGB - jedenfalls in der Variante des Ausnutzens einer Bemächtigungslage - zu subsumieren ist. Dabei ist zu bedenken, dass auch die erzwungene Wegnahme eine "Erpressung" im Sinne von § 239a StGB darstellen kann, weil der Tatbestand der Erpressung den des Raubes mit umfasst (BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2007 - 3 StR 459/07, NStZ-RR 2009, 16, 17 mwN).
8
Bei den Tatbeständen des Raubes und der räuberischen Erpressung ist gleichermaßen erforderlich, dass zwischen dem Einsatz des Nötigungsmittels und der Wegnahme bzw. dem erstrebten Vermögensvorteil ein finaler Zusammenhang besteht. Dieser erfordert, dass Gewalt oder die Drohung damit vom Täter eingesetzt wird, um die Wegnahme zu ermöglichen bzw. das Opfer zu der vermögensschädigenden Handlung zu veranlassen; dass das Opfer Angst vor den Tätern hat, ist insoweit nicht ausreichend. Zwar mag es in Fällen wie dem vorliegenden, in denen das Opfer zahlreichen - allerdings nicht notwendig in Zusammenhang mit Raub oder räuberischer Erpressung stehenden - körper- lichen Übergriffen ausgesetzt war, naheliegen, dass die Täter für den Fall, dass sich das Opfer ihrem erpresserischen Ansinnen verwehrt oder einer Wegnahme entgegentritt, zumindest konkludent mit der Anwendung weiterer Gewalt drohen. Dies enthebt das Gericht indes nicht einer diesbezüglichen Feststellung (vgl. hierzu Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen, 28. Aufl., Rn. 281 ff.).
9
Mit Blick auf den Tatabschnitt, in dem der Geschädigte - auf entsprechende Aufforderung des Angeklagten H. - den Penis des Angeklagten L. in den Mund nahm, ist zu bedenken, dass der Tatbestand der Vergewaltigung nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB ein eigenhändiges Delikt darstellt , das der Angeklagte H. , zwischen dem und dem Geschädigten es zu keinem Körperkontakt kam, folglich nicht verwirklicht hat. Allerdings kommt ein besonders schwerer Fall der sexuellen Nötigung nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB in Betracht.
10
Das neue Tatgericht wird zudem die Abhebung von Geld vom Konto des Geschädigten durch die Angeklagte G. mit der zuvor abgenötigten ECKarte und der Geheimnummer auch unter dem Gesichtspunkt des § 263a Abs. 1 StGB in der Alternative des unbefugten Verwendens von Daten zu würdigen haben.
11
2. a) Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs bedingt bezüglich des Angeklagten H. die Aufhebung der insoweit verhängten Einsatzstrafe, so dass auch der Gesamtstrafenausspruch keinen Bestand hat.
12
b) Auch die Nichtanordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB begegnet hinsichtlich dieses Angeklagten durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Strafkammer hat im Rahmen der Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten das Vorliegen eines Hanges im Sinne des § 64 StGB bejaht, die weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift indes nicht angesprochen, obwohl der Angeklagte die Taten unter dem Einfluss von Alkohol und/oder Drogen beging. Vielmehr hat sie sich den Ausführungen des von ihr gehörten Sachverständigen angeschlossen, nach denen "das Tatgeschehen nicht, jedenfalls nicht in erster Linie auf den Hang", sondern "(in erster Linie) auf die dissoziale Persönlichkeitsstörung des Angeklagten" zurückzuführen sei. Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht von einem zu engen und deshalb rechtsfehlerhaften Verständnis des symptomatischen Zusammenhangs zwischen einem Hang zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln und der Anlasstat ausgegangen ist. Denn es ist nach ständiger Rechtsprechung nicht erforderlich, dass der Hang die alleinige oder vorrangige Ursache der Anlasstat ist; vielmehr ist es ausreichend, dass der Hang neben anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebliche Straftaten begangen hat (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2009 - 3 StR 191/09, NStZ 2010, 83, 84 mwN). Die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss deshalb neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch den Tatrichter auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362).
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3. Die hinsichtlich der Angeklagten G. vollständige und hinsichtlich des Angeklagten L. teilweise Aufhebung des Schuldspruchs entzieht den verhängten Jugendstrafen ihre Grundlage. Mit Blick auf die Strafzumessungserwägungen der Strafkammer weist der Senat darauf hin, dass sich die Höhe der Jugendstrafe nach § 18 Abs. 2 JGG vorrangig nach erzieherischen Ge- sichtspunkten bemisst. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen worden ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. August 2012 - 3 StR 259/12 und vom 28. Februar 2012 - 3 StR 15/12, NStZ-RR 2012, 186, 187 mwN).
Becker Hubert Schäfer Gericke Spaniol

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.