Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2015 - 5 StR 421/15

bei uns veröffentlicht am10.11.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 421/15
vom
10. November 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. November 2015 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Dresden vom 5. Mai 2015 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den
Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben diejenigen zum
äußeren Tatgeschehen bestehen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
1. Nach den landgerichtlichen Feststellungen beabsichtigte der Ange- klagte, „wahllos Personen anzugreifen und durch Stiche in den Hals widerstandsunfa ̈hig zu machen“. Daher betrat er mit zwei Küchenmessern bewaffnet eine Tankstelle in Dresden. Um seinen Plan umzusetzen, trat er von hinten an den ihm unbekannten Nebenkläger heran, „wobei ihm egal war, ob sein Angriff tödliche Folgen haben würde“. Der Angeklagte legte den rechten Arm um den Hals des Nebenklägers und führte den linken Arm in Richtung des Bereiches von dessen linker Brust/Schulter. Der Nebenkläger erlitt hierdurch eine drei Zentimeter tiefe Stichverletzung im Bereich des linken Brustkorbs. Es gelang ihm, sich aus der Umklammerung des überraschten Angeklagten – der Gedanke an Gegenwehr war in seiner Vorstellung nicht vorgekommen – zu lösen. Obwohl der Angeklagte die Möglichkeit hatte, weiter auf den Nebenkläger einzustechen , ließ er von ihm ab. Er begab sich zunächst zum Eingangsbereich, wo er ca. 15 Sekunden stehen blieb. Sodann lief er in die hintere Ecke des Verkaufsraumes und blieb im Bereich der Zeitschriftenregale stehen. Nach ca. 30 Sekunden warf er das Messer in den Verkaufsraum und bat das Verkaufspersonal , die Polizei zu rufen. Der Angeklagte war unschlüssig, was er nun tun solle, und blieb weitere sechs Minuten nahezu regungslos an Ort und Stelle stehen, bevor er die Tankstelle verließ. Dabei erklärte er, nur eine Zigarette rauchen zu wollen und nicht wegzulaufen. Trotz dieser Ankündigung verließ der Angeklagte die Tankstelle ruhigen Schrittes. Noch in der Nähe der Tankstelle ließ er sich durch eingetroffene Polizeikräfte widerstandslos festnehmen.
3
Das sachverständig beratene Landgericht ist davon ausgegangen, dass der alkoholkranke Angeklagte an einer schizoiden Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F 60.1) im Sinne einer schweren anderen seelischen Abartigkeit leide. Die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei erheblich vermindert gewesen; dieser sei von den in seinen Gedanken vorhandenen Phantasien angetrieben worden, ohne dass nachvollziehbar sei, was ihn in der konkreten Tatsituation zur Umsetzung seiner Phantasie in die Realität veranlasst habe. Aufgehoben sei die Steuerungsfähigkeit jedoch nicht gewesen; der Angeklagte sei nach wie vor „Herr seiner Entschlüsse“ gewesen, wie sich etwa in dem Umstand zeige, dass er die Tat nach der Gegenwehr des Nebenklägers nicht fortgesetzt habe.
4
2. Die Schuldfähigkeitsprüfung hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
5
Der Ausschluss des § 20 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken; die Bewertung des Landgerichts ist lückenhaft. Die Urteilsgründe setzen sich mit dem ungewöhnlichen Nachtatverhalten nicht auseinander. Auch die erhebliche Alkoholisierung des Angeklagten ist nur unzureichend berücksichtigt. Zwar hat das Landgericht insofern ausgeschlossen, dass diese für sich genommen zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit geführt hat. Das Zusammenwirken von Alkoholisierung und schizoider Persönlichkeitsstörung in der konkreten Tatsituation hat es dabei jedoch nicht in den Blick genommen. Auch die Frage der Unrechtseinsicht wird nicht erörtert. Angesichts der Ausführungen des Landgerichts, der Angeklagte sei „von den in seinen Ge- danken vorhandenen Phantasien angetrieben worden“, hätte sich das Landgericht auch mit dieser Frage eingehend auseinandersetzen müssen. Mithin ermangelt es der gebotenen umfassenden Würdigung des Zustands des Angeklagten bei der Tat (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Februar 2014 – 5 StR 7/14 mwN).
6
Das neue Tatgericht wird sich – naheliegenderweise unter Heranziehung eines anderen Sachverständigen – umfassend mit der Erkrankung des Angeklagten und deren Auswirkungen auf die Schuldfähigkeit auseinanderzusetzen haben. Wegen deren rechtsfehlerhafter Erörterung bedarf auch der Maßregelausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei zustande gekommenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können bestehen bleiben (§ 349 Abs. 2 StPO) und durch ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.
7
3. Der Senat weist darauf hin, dass die strafschärfende Erwägung, der Nebenkläger habe zu dem Angriff nicht den geringsten Anlass gegeben (UA S. 16), rechtlich bedenklich ist. Sie lässt besorgen, dass das Landgericht das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes zum Nachteil des Angeklagten gewertet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2013 – 1 StR 525/13 mwN).
Sander Dölp RiBGH Prof. Dr. König ist krankheitsbedingt an der Unterschrift gehindert. Sander Berger Bellay

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2015 - 5 StR 421/15

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2015 - 5 StR 421/15

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der
Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2015 - 5 StR 421/15 zitiert 2 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

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Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Feb. 2014 - 5 StR 7/14

bei uns veröffentlicht am 20.02.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 7/14 vom 20. Februar 2014 in der Strafsache gegen wegen schwerer Brandstiftung u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Februar 2014 beschlossen : Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Nov. 2013 - 1 StR 525/13

bei uns veröffentlicht am 06.11.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 525/13 vom 6. November 2013 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. November 2013 beschlossen : Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2015 - 5 StR 421/15.

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Jan. 2016 - 2 StR 202/15

bei uns veröffentlicht am 07.01.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 202/15 vom 7. Januar 2016 in der Strafsache gegen wegen Raubes u.a. ECLI:DE:BGH:2016:070116U2STR202.15.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 7. Oktober 201

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 7/14
vom
20. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Februar 2014 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Leipzig vom 27. September 2013 nach § 349 Abs. 4
StPO im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO
als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit Vortäuschen einer Straftat, wegen vorsätzlicher Brandstiftung und wegen Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die auf die Beanstandung der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs. Im Übrigen ist das Rechtsmittel entsprechend der Zuschrift des Generalbundesanwalts unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die im angefochtenen Urteil vorgenommene Schuldfähigkeitsprüfung hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
3
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts setzte der Angeklagte in einem Kellerabteil seines Wohnhauses Matratzen in Brand und verursachte dadurch Schäden von mindestens rund 40.000 €. Wegen einer Unterbrechung der Strom- und Telefonversorgung und erhöhter Schadstoffwerte musste das mehrstöckige Mietshaus vorübergehend vollständig evakuiert werden. In der auf die Tat folgenden Nacht entfachte der Angeklagte mit Brandbeschleunigern in einer Wohnung im vierten Stock des Hauses einen weiteren Brand, der zur Unbewohnbarkeit des Gebäudes und zu Schäden von mindestens rund 750.000 € führte. Die Strafkammer legt zugrunde, dass sich der Angeklagte durch die Taten triftige Entschuldigungsgründe verschaffen wollte, um an den Tattagen seinen Dienst in einem Sicherheitsunternehmen nicht antreten zu müssen.
4
Die Verurteilung wegen Sachbeschädigung erfolgte, weil der Angeklagte wenige Wochen zuvor bei seinem Dienst in der Arena Leipzig mit einem Zündmittel einen Schmorbrand an einer Steckdose verursacht hatte, der einen Feuerwehreinsatz zur Folge hatte. Die Tat beging er, um bei den Brandbekämpfungsmaßnahmen seine Einsatzbereitschaft und Verlässlichkeit untermauern zu können.
5
Schließlich liegen dem Angeklagten – durch die Strafkammer nach § 154 Abs. 2 StPO ausgeschieden – fünf in rascher Folge begangene Brandlegungen in einer Kleingartenanlage zur Last, die dieser jeweils mit einem Kollegen im Auftrag seines Unternehmens „bestreift“ hatte. Der in Anwendung des Zwei- felssatzes ergangene Freispruch betrifft eine weitere (sechste) Brandlegung in dieser Anlage.
6
b) Das Landgericht hat auf der Grundlage des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen eine Persönlichkeitsakzentuierung des Angeklagten angenommen, die unter dem Blickwinkel der schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB unerheblich sei und dementsprechend keine relevante Schuldminderung bewirkt habe. Diese Bewertung ist lückenhaft und deswegen durchgreifend rechtsbedenklich. Denn die Urteilsgründe setzen sich mit den im jeweiligen Tatbild in Verbindung mit der Motivation des Angeklagten zu Tage getretenen markanten Auffälligkeiten überhaupt nicht auseinander. Diese sind indessen jedenfalls nicht ohne Weiteres mit einem sich im Rahmen des Normalpsychologischen haltenden Geltungsdrang erklärbar, von dem der psychiatrische Sachverständige und ihm folgend die Strafkammer ausgegangen sind. Mithin ermangelt es der gebotenen umfassenden Würdigung des Zustands des Angeklagten bei den Taten (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 27. November 2008 – 5 StR 526/08 Rn. 10, vom 30. September 2008 – 5 StR305/08, vom 25. Juli 2006 – 4 StR 141/06, NStZ-RR 2006, 335, 336, jeweils mwN).
7
2. Der Rechtsfehler entzieht dem Rechtsfolgenausspruch die Grundlage. Hingegen bleibt der Schuldspruch unberührt, weil eine vollständige Aufhebung der Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgeschlossen werden kann.
8
3. Das neue Tatgericht wird demgemäß – naheliegend unter Hinzuziehung eines anderen psychiatrischen Sachverständigen – die Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten erneut zu prüfen haben. Es wird dabei die Tatserie von sechs Brandstiftungen in der Kleingartenanlage gegebenenfalls unter Anwendung des Zweifelssatzes (vgl. dazu Schöch in LK StGB, 12. Aufl., § 20 Rn. 235 mwN) als vom Angeklagten begangen in die Würdigung einzubeziehen haben.
9
Für den Fall sicherer Feststellung verminderter Schuldfähigkeit wird ferner zu erörtern sein, ob eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiat- rischen Krankenhaus (§ 63 StGB) in Betracht kommt. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, würde die Anordnung der Maßregel dabei nicht hindern (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass Erkenntnisse aus den von der Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO betroffenen fünf Taten in der Kleingartenanlage nur bei deren sicherer Feststellung für die den Angeklagten beschwerende Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB herangezogen werden dürften. Der Freispruchsfall scheidet hierfür von vornherein aus.
Basdorf Sander Schneider
Dölp König

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 525/13
vom
6. November 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. November 2013 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Mannheim vom 29. Mai 2013 im Strafausspruch aufgehoben
(§ 349 Abs. 4 StPO). Die weitergehende Revision wird verworfen
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Diese hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Der Schuldspruch hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Insbesondere ist die Strafkammer mit nicht zu beanstandenden Erwägungen von einem beendeten Versuch ausgegangen, weswegen das bloße Ablassen von dem Geschädigten für einen strafbefreienden Rücktritt gemäß § 24 Abs. 1 StGB nicht ausreichend war.
3
2. Der Strafausspruch kann jedoch keinen Bestand haben. Das Landgericht hat bei der Prüfung einer Strafrahmenverschiebung nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB das „Fehlen von Rücktrittsbemühungen“ bzw. das „Fehlen von Rettungsbemühungen“ zum Nachteil des Angeklagten gewertet. Diese Erwä- gungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie stellen im Ergebnis nur die Feststellung dar, dass der Angeklagte vom Versuch nicht strafbefreiend zurückgetreten ist, was jedoch erst die Strafbarkeit wegen versuchten Totschlags begründet und daher im Hinblick auf das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB einer Strafrahmenmilderung nicht entgegenstehen kann (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2000 - 2 StR 381/00, BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 13, vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2003 - 2 StR 332/03).
4
Zwar hat das Landgericht die Verschiebung des Strafrahmens wegen Versuchs letztlich vorgenommen. Da es im Rahmen der konkreten Strafzumes- sung u.a. die „vorbenannten Strafzumessungsgesichtspunkte“ berücksichtigt hat, kann der Senat aber dennoch nicht ausschließen, dass es ohne Berücksichtigung der zu beanstandenden Erwägungen zu einer milderen Strafe gelangt wäre.
5
Der Strafausspruch bedarf daher einer erneuten tatrichterlichen Prüfung und Entscheidung. Bei dieser sind strafschärfende Erwägungen, dass der Geschädigte die Tat nicht veranlasst habe, zu vermeiden. Diese sind geeignet, die Besorgnis zu wecken, dass dem Angeklagten das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes zur Last gelegt wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. September 2009 - 3 StR 294/09, NStZ-RR 2010, 24 f.; vom 13. August 2013 - 4 StR 288/13).
6
Die von dem Wertungsfehler nicht betroffenen tatsächlichen Feststellungen können bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen durch den Tatrichter sind möglich. Raum Wahl Graf Cirener Radtke