Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Nov. 2014 - 5 StR 509/14

bei uns veröffentlicht am25.11.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 509/14
vom
25. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. November 2014 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Saarbrücken vom 16. Juli 2014 nach § 349 Abs. 4 StPO
mit den zugehörigen Feststellungen im Rechtsfolgenausspruch
aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als
unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit sexueller Nötigung zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs. Im Übrigen ist sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Begründung, mit der die Jugendkammer die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgelehnt hat, erweist sich als rechtsfehlerhaft. Der zweifelsfrei alkoholkranke Angeklagte hat im Zustand alkoholbedingt verminderter Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB eine schwere Gewalttat begangen. Vor diesem Hintergrund ist die Wer- tung der Jugendkammer nicht verständlich, es fehle an einer Gefahr künftiger erheblicher Straftaten aufgrund des Hangs. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird die von § 64 Satz 1 StGB geforderte Gefahr nämlich in aller Regel allein durch eine hangbedingte schwere Gewalttat als Anlasstat hinreichend belegt (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1988 – 2 StR 200/88, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Gefährlichkeit 2; Beschlüsse vom 18. Juli 2000 – 5 StR 289/00, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Gefährlichkeit 7; vom 20. Janu- ar 2004 – 4 StR 464/03, NStZ-RR 2004, 204, 205). Dass der mehrfach vorbelastete Angeklagte bislang nicht gerade durch Gewalttaten aufgefallen ist, steht der Annahme seiner Gefährlichkeit mithin genauso wenig entgegen wie dessen Selbsteinschätzung, er könne sich seine Aggressivität nicht erklären. Da Beeinflussungssituationen auch in Zukunft eintreten können, trägt auch die Überlegung der Jugendkammer nicht, der Mittäter des Angeklagten sei die „treibende Kraft“ gewesen.
3
Der Frage der Gefährlichkeit des Angeklagten muss deshalb nochmals nachgegangen werden. Dabei wird die Entwicklung des Angeklagten seit der nunmehr schon geraume Zeit zurückliegenden Tat sorgfältiger darzulegen und zu würdigen sein als im angefochtenen Urteil geschehen.
4
2. Bereits wegen des durch § 5 Abs. 3 JGG vorgegebenen sachlichen Zusammenhangs zwischen Strafe und Unterbringung ist der Strafausspruch aufzuheben. Insoweit hätten jedoch auch für sich genommen Bedenken bestanden. Ausweislich der Feststellungen (UA S. 4) hat der Angeklagte die im angefochtenen Urteil bei der Prüfung der schädlichen Neigungen (UA S. 26) sowie bei der Bemessung der Jugendstrafe (UA S. 28) in Ansatz gebrachten Hafterfahrungen erst nach der verfahrensgegenständlichen Tat gemacht. Gleiches gilt für die Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe, sofern sich die in den Urteilsgründen angesprochene „Erzwingungshaft“ (UA S. 26) hierauf beziehen sollte. Davon bleibt unberührt, dass die vier Verurteilungen des Angeklagten wegen nach der erlittenen Untersuchungshaft und während des laufenden Verfahrens begangener Straftaten nach allgemeinen Regeln zu berücksichtigen sein werden.
5
3. In Bezug auf die zahlreichen Verurteilungen des Angeklagten zu Geldstrafen wird sich die neu entscheidende Jugendkammer ausdrücklich dazu zu verhalten haben, ob insoweit Erledigung eingetreten ist (vgl. § 105 Abs. 2 i.V.m. § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 JGG).
Sander Schneider Dölp
König Bellay

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Nov. 2014 - 5 StR 509/14

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Nov. 2014 - 5 StR 509/14

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 31 Mehrere Straftaten eines Jugendlichen


(1) Auch wenn ein Jugendlicher mehrere Straftaten begangen hat, setzt das Gericht nur einheitlich Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe fest. Soweit es dieses Gesetz zuläßt (§ 8), können ungleichartige Erziehungsmaßregeln und Zuchtm
Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Nov. 2014 - 5 StR 509/14 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 31 Mehrere Straftaten eines Jugendlichen


(1) Auch wenn ein Jugendlicher mehrere Straftaten begangen hat, setzt das Gericht nur einheitlich Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe fest. Soweit es dieses Gesetz zuläßt (§ 8), können ungleichartige Erziehungsmaßregeln und Zuchtm

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 5 Die Folgen der Jugendstraftat


(1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden. (2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen. (3) Von Zuchtmitteln un

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Nov. 2014 - 5 StR 509/14 zitiert oder wird zitiert von 11 Urteil(en).

11 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Nov. 2014 - 5 StR 509/14.

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Jan. 2020 - 1 StR 490/19

bei uns veröffentlicht am 16.01.2020

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 490/19 vom 16. Januar 2020 in der Strafsache gegen wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a. ECLI:DE:BGH:2020:160120B1STR490.19.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörun

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juli 2018 - 1 StR 261/18

bei uns veröffentlicht am 06.07.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 261/18 vom 6. Juli 2018 in der Strafsache gegen wegen versuchten Totschlags u.a. ECLI:DE:BGH:2018:060718B1STR261.18.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu 2.

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juli 2017 - 5 StR 277/17

bei uns veröffentlicht am 13.07.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 277/17 vom 13. Juli 2017 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung ECLI:DE:BGH:2017:130717B5STR277.17.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesa

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. März 2019 - 1 StR 582/18

bei uns veröffentlicht am 21.03.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 582/18 vom 21. März 2019 in der Strafsache gegen wegen Raubes mit Todesfolge u.a. ECLI:DE:BGH:2019:210319B1STR582.18.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des G

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden.

(2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen.

(3) Von Zuchtmitteln und Jugendstrafe wird abgesehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht.

(1) Auch wenn ein Jugendlicher mehrere Straftaten begangen hat, setzt das Gericht nur einheitlich Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe fest. Soweit es dieses Gesetz zuläßt (§ 8), können ungleichartige Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nebeneinander angeordnet oder Maßnahmen mit der Strafe verbunden werden. Die gesetzlichen Höchstgrenzen des Jugendarrestes und der Jugendstrafe dürfen nicht überschritten werden.

(2) Ist gegen den Jugendlichen wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig die Schuld festgestellt oder eine Erziehungsmaßregel, ein Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe festgesetzt worden, aber noch nicht vollständig ausgeführt, verbüßt oder sonst erledigt, so wird unter Einbeziehung des Urteils in gleicher Weise nur einheitlich auf Maßnahmen oder Jugendstrafe erkannt. Die Anrechnung bereits verbüßten Jugendarrestes steht im Ermessen des Gerichts, wenn es auf Jugendstrafe erkennt. § 26 Absatz 3 Satz 3 und § 30 Absatz 1 Satz 2 bleiben unberührt.

(3) Ist es aus erzieherischen Gründen zweckmäßig, so kann das Gericht davon absehen, schon abgeurteilte Straftaten in die neue Entscheidung einzubeziehen. Dabei kann es Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel für erledigt erklären, wenn es auf Jugendstrafe erkennt.