Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Feb. 2011 - II ZB 2/10

bei uns veröffentlicht am21.02.2011
vorgehend
Landgericht Stuttgart, 31 O 32/07, 06.03.2008
Oberlandesgericht Stuttgart, 20 W 2/08, 18.12.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 2/10
vom
21. Februar 2011
in dem Spruchverfahren
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Februar 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Bergmann sowie die Richter Maihold,
Dr. Matthias, Pamp und Dr. Nedden-Boeger

beschlossen:
Die Ablehnungsgesuche der Antragstellerinnen zu 63, 71 und 75 sowie der Antragsteller zu 40, 53 und 57 werden zurückgewiesen.

Gründe:


1
I. Die Antragstellerin zu 63 hat durch Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten II. Instanz vom 17. November 2010 die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Strohn, Caliebe, Dr. Drescher, Born und Sunder sowie den Vorsitzenden Richter i.R. Prof. Dr. Goette (für die Amtszeit bis zum 30. September 2010) wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Mit weiterem Schriftsatz vom 26. November 2011 hat die Antragstellerin zu 63 das gegen die Richterin am Bundesgerichtshof Caliebe gerichtete Ablehnungsgesuch zurückgenommen, da diese nach der Besetzungsauskunft des Senats vom 15. November 2010 nicht an der zuständigen Spruchgruppe beteiligt sei, und ein weiteres Ablehnungsgesuch gegen die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Reichart erhoben. Zur Begründung ihrer Ablehnungsgesuche hat sie ausgeführt, dass der ehemalige Vorsitzende des II. Zivilsenats Prof. Dr. Goette mit Wirkung vom 1. Oktober 2010 als "of counsel" in die Dienste der Anwaltskanzlei G. , S. , getreten sei. Im Hinblick darauf habe der frühere Senatsvorsitzende schon vor dem 1. Oktober 2010 wegen seiner Nähe und Beziehung zu dieser Anwaltskanzlei nicht mehr unbefangen und unparteiisch als Richter handeln können. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der ausgeschiedene Senatsvorsitzende bei der Vorbereitung des Spruchverfahrens, in dem die Antragsgegnerin in beiden Vorinstanzen von Anwälten der Kanzlei G. vertreten worden sei, "prägend" mitgewirkt habe. Die übrigen abgelehnten Senatsmitglieder hätten die Pflicht verletzt, den Prozessbeteiligten den beabsichtigten Eintritt des früheren Senatsvorsitzenden in die Anwaltskanzlei G. anzuzeigen. Das Gericht als Ganzes sei verpflichtet gewesen, alle Umstände offen zu legen, die Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit eines mitwirkenden Richters wecken könnten. Die Verletzung dieser Pflicht begründe ihnen gegenüber ebenso die Besorgnis der Befangenheit wie der Loyalitätskonflikt, der entstehe, wenn die verbliebenen Senatsmitglieder sich mit dem Führungsstil des früheren Senatsvorsitzenden nun in Gestalt von Parteivorbringen auseinandersetzen müssten. Richter am Bundesgerichtshof Dr. Drescher sei auch dadurch befangen , dass in allen drei Instanzenzügen Richter entschieden hätten, die dem gesellschaftsrechtlichen Senat des Oberlandesgerichts Stuttgart angehörten oder angehört hätten. Komme es in solcher Konstellation zu einem Dialog zwischen dem Bundesgerichtshof und den unteren Instanzen, dann vermittle dies keine unabhängige Rechtsfindung, sondern eine instanzenbürokratisch vorgeprägte.
2
Die Antragstellerinnen zu 71 und 75 haben sich dem Ablehnungsgesuch durch Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten II. Instanz vom 15. Dezember 2010 angeschlossen und die vorgebrachten Befangenheitsgründe vertieft, ebenso die Antragsteller zu 40 und 57, soweit es den Vorsitzenden Richter i.R. Prof. Dr. Goette und den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Drescher betrifft, durch Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten II. Instanz vom 2. Januar 2011. Der Antragsteller zu 53 hat sich dem Ablehnungsgesuch mit Schreiben vom 3. Januar 2011 unter ausdrücklicher Einbeziehung der Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Reichart sowie des Richters am Bundesgerichtshof Dr. Löffler (als Mitwirkender am Verfahren II ZB 18/09) ebenfalls angeschlossen und - ebenso wie der Antragsteller zu 49 - weitergehende Auskünfte und Stellungnahmen der abgelehnten Richter erbeten. Der Antragsteller zu 42 hat ohne Anbringung eines eigenen Ablehnungsgesuchs Stellung genommen. Mit Schreiben vom 10. Februar 2011 hat der Antragsteller zu 53 die Richterin am Bundesgerichtshof Caliebe (Beschwerdeführerin des Verfahrens 4 S 1/11 VGH Mannheim) in sein Ablehnungsgesuch einbezogen und weitere Auskünfte über die Senatsmitglieder , die Mitwirkungsgrundsätze des Senats und einzelne Erwägungen des Gerichtspräsidiums erbeten.
3
Mit Schriftsatz vom 3. Januar 2011 hat die Antragstellerin zu 63 ihr Ablehnungsgesuch bezüglich des Richters am Bundesgerichtshof Sunder zurückgenommen und zu den dienstlichen Äußerungen der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Strohn, Dr. Drescher und Born sowie der Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Reichart Stellung genommen und dabei ausgeführt, diese vertieften und verstärkten die Besorgnis der Befangenheit und gäben Anlass und Gründe für eine erneute Ablehnung der Richter. Mit Schreiben vom 15. Februar 2011 hat sie das Ablehnungsgesuch erneut auch auf Richterin am Bundesgerichtshof Caliebe erstreckt, nunmehr wegen einer bestehenden Nähebeziehung zu einem Angehörigen der Rechtsanwaltssozietät H.
4
II. Der Senat entscheidet in der Besetzung ohne die Richterin am Bundesgerichtshof Caliebe und ohne die abgelehnten Richter.
5
Gemäß Ziffer I.3 der nach § 21g GVG beschlossenen Mitwirkungsgrundsätze des Senats werden Sachen, in denen die Rechtsanwaltssozietät H. in den Vorinstanzen als Bevollmächtigte einer der Beteiligten tätig war, ohne Richterin am Bundesgerichtshof Caliebe - auch in Vertretungsfällen - bearbeitet. Diese Regelung, die in den Mitwirkungsgrundsätzen des Senats bereits seit dem 7. Juli 2008 verankert ist, dient der Vermeidung möglicher Interessenkollisionen, welche aufgrund einer persönlichen Nähebeziehung der Richterin am Bundesgerichtshof Caliebe zu einem Angehörigen der Rechtsanwaltssozietät H. entstehen könnten.
6
Zwar ist die Rechtsanwaltssozietät H. in der hier zur Entscheidung stehenden Sache nicht in den Vorinstanzen als Bevollmächtigte einer der Beteiligten tätig geworden. Die Sache ist jedoch wegen Sachzusammenhangs mit dem weiteren Verfahren II ZB 10/10, in dem die Rechtsanwaltssozietät H. tätig geworden ist und somit die Interessenlage einer der Beteiligten teilt, derjenigen Spruchgrupe zugewiesen worden, der Richterin am Bundesgerichtshof Caliebe nicht angehört. Darauf beruht die Besetzungsauskunft des Senats vom 15. November 2010.
7
III. Die Ablehnungsgesuche haben keinen Erfolg.
8
1. Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) das bis zum 31. August 2009 geltende Verfahrensrecht anwendbar, da der das Verfahren einleitende Antrag vor dem 1. September 2009 gestellt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 1. März 2010 - II ZB 1/10, ZIP 2010, 446 Rn. 7).
9
Auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist, seitdem das Bundesverfassungsgericht die frühere Regelung des § 6 Abs. 2 Satz 2 FGG für verfassungswidrig erklärt hat (BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 1967 - 2 BvR 235/64, BVerfGE 21, 139), die Ablehnung von Richtern wegen Besorg- http://www.juris.de/jportal/portal/t/epp/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE150300301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 6 - nis der Befangenheit zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung und ganz herrschender Meinung werden hierbei die §§ 42 ff. ZPO entsprechend angewendet (BGH, Beschluss vom 31. Oktober 1966 - AnwZ (B) 3/66, BGHZ 46, 195; BayObLG, NJW 2002, 3262; Keidel/Kuntze/Winkler/Zimmermann, FGG, 15. Aufl., § 6 Rn. 56; Bassenge/Roth, FGG, 11. Aufl., § 6 Rn. 1).
10
2. Die Ablehnungsgesuche sind als unzulässig zurückzuweisen, soweit sie den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof i.R. Prof. Dr. Goette, den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Löffler und die Richterin am Bundesgerichtshof Caliebe betreffen. Das Recht einer Partei, einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen (§ 42 Abs. 1 ZPO), ist darauf gerichtet, eine weitere Mitwirkung des befangenen Richters zu verhindern. Für ein Ablehnungsgesuch , das gegen einen Richter gerichtet ist, dessen weitere Mitwirkung ohnehin nicht mehr in Betracht kommt, weil er durch Eintritt in den Ruhestand (Prof. Dr. Goette) oder wegen Wechsels in einen anderen Senat (Dr. Löffler) aus dem Spruchkörper ausgeschieden ist, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BFH, NJW-RR 1996, 57 f.; Musielak/Heinrich, ZPO, 7. Aufl., § 44 Rn. 5; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 42 Rn. 14, § 44 Rn. 9).
11
Ebenso sind die von den Antragstellern zu 53 und 63 mit Schreiben vom 10. und 15. Februar 2011 gegen die Richterin am Bundesgerichtshof Caliebe angebrachten Ablehnungsgesuche unzulässig, da die abgelehnte Richterin bereits aufgrund Ziffer I.3 der Mitwirkungsgrundsätze des Senats nicht an dem Verfahren mitwirkt.
12
3. Die Ablehnungsgesuche sind in der Sache nicht begründet.
13
a) Nach § 42 ZPO kann ein Richter von den Prozessparteien außer in den Fällen seines Ausschlusses kraft Gesetzes auch wegen Besorgnis der Be- fangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters vermögen nur objektive Gründe zu rechtfertigen , die vom Standpunkt des Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit unparteiisch gegenüber (vgl. BGH, Beschluss vom 6. April 2006 - V ZB 194/05, NJW 2006, 2492, 2494; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 42 Rn. 9, jeweils m.w.N.).
14
b) Derartige Gründe sind bezüglich der abgelehnten Richter nicht gegeben. Die Ablehnenden beanstanden in erster Linie das in den Ablehnungsgesuchen vorgetragene Verhalten von Prof. Dr. Goette im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden zum 30. September 2010 aus dem Richterdienst und der daran unmittelbar anschließenden Aufnahme einer Rechtsanwaltstätigkeit. Hinsichtlich der abgelehnten Richter Dr. Strohn, Dr. Reichart, Dr. Drescher, Born und Sunder halten die Ablehnenden die Besorgnis der Befangenheit deshalb für begründet, weil keinerlei Distanzierung erkennbar sei und weil sich diese im weiteren Verfahren mit dem beanstandeten Verhalten ihres ehemaligen Senatsvorsitzenden auseinandersetzen müssten und deshalb in einen Loyalitätskonflikt gerieten. Außerdem hätten sie ihr Wächteramt, das sie zur Wahrung der Integrität ihres Spruchkörpers verpflichte, nicht wahrgenommen.
15
Die abgelehnten Richter haben sich dienstlich dahin geäußert, dass sie vor dem Ausscheiden von Prof. Dr. Goette zum 30. September 2010 von dessen Absicht, als "of counsel" in die Rechtsanwaltskanzlei G. einzutreten , von der Umsetzung dieses Entschlusses sowie von Angeboten anderer Anwaltskanzleien für Prof. Dr. Goette und Verhandlungen darüber keine Kenntnis hatten. Schon deshalb ist auch aus der Sicht der Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtung das in den Ablehnungsgesuchen vorgetragene Verhalten von Prof. Dr. Goette als solches nicht geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der im Spruchkörper verbliebenen Richter zu erwecken.
16
Das in den Ablehnungsgesuchen beanstandete Verhalten von Prof. Dr. Goette rechtfertigt ferner nicht deshalb die Ablehnung der übrigen Senatsmitglieder , weil diese in jedem Fall in einen Loyalitätskonflikt gerieten, unabhängig davon, wie sie sich zu dem Verhalten und der Einstellung ihres ehemaligen Vorsitzenden stellten. Es besteht - auch aus vernünftiger Sicht der Ablehnenden - kein hinreichender Anlass für die Annahme, dass die abgelehnten Richter, die zur Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten verpflichtet sind, nicht (mehr) in der Lage sind, das Parteivorbringen unvoreingenommen zu würdigen, weil der ehemalige Senatsvorsitzende nunmehr der Kanzlei der vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin angehört und er, wie die Antragstellerin zu 63 geltend macht, über Spezialwissen um die Interna der Einstellungen des Senats verfüge, das er aufgrund seiner neuen Stellung in die Sozietät G. einzubringen habe. Soweit sich Prof. Dr. Goette nach dem Vorbringen der Antragstellerin zu 63 auf Tagungen oder in Aufsätzen zu Fragen geäußert haben soll, die der Senat im vorliegenden Verfahren, an dem die Kanzlei G. beteiligt ist, "nur noch … zu definieren" habe, begründet dies bei objektiver Betrachtung gleichfalls nicht die Befürchtung, die zur Entscheidung berufenen Richter könnten sich dadurch in einer Weise beeinflussen lassen, dass sie der Sache nicht mehr mit der gebotenen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit gegenüberstünden. Die dienstlichen Äußerungen lassen auch aus der Sicht der Ablehnenden keine Zweifel daran aufkommen, dass die abgelehnten Richter diese - und weitere in den Ablehnungsgesuchen vorgetragene - mündlichen und schriftlichen Kundgaben von Prof. Dr. Goette nicht anders würdigen, als sie sich bei objektiver Betrachtung darstellen: als persönliche Meinungsäußerungen eines aus dem aktiven Dienst ausgeschiedenen, an den zukünftigen Entscheidungen des Se- nats nicht mehr beteiligten Richters, der aufgrund seiner jetzigen Tätigkeit in der Rechtsanwaltskanzlei G. die Interessen der von ihm vertretenen Mandanten wahrzunehmen hat (vgl. § 1 Abs. 3 BORA).
17
Das Ablehnungsgesuch der Antragstellerin zu 63 ist auch insoweit unbegründet , als sie es darauf stützt, die dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter verhielten sich nicht zu allen geltend gemachten Ablehnungsgründen. Der abgelehnte Richter hat sich gemäß § 44 Abs. 3 ZPO über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern. Wie sich aus § 44 Abs. 2 ZPO ergibt, hat sich diese dienstliche Äußerung auf die Tatsachen zu beziehen, die der Ablehnende zur Begründung seines Ablehnungsgesuchs vorgetragen hat. Die dienstliche Äußerung des Richters ist dessen Zeugnis, auf das sich der Ablehnende zur Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Ablehnungsgrundes beziehen darf, § 44 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters muss sich daher nicht auf Vorbringen erstrecken, das keiner Glaubhaftmachung bedarf , weil damit ein Ablehnungsgrund offensichtlich schon nicht hinreichend dargelegt ist. Ausführungen zur Begründetheit des Ablehnungsgesuchs - also zur Frage, ob die vorgetragenen Tatsachen die Besorgnis der Befangenheit begründen - haben zu unterbleiben. Ebenso muss sich der abgelehnte Richter nicht, wie von den Antragstellern zu 29, 49 und 53 verlangt, einer Ausforschung solcher Umstände stellen, bezüglich derer ein substantiierter Ablehnungsgrund schon nicht dargetan ist.
18
Danach war eine Äußerung der abgelehnten Richter zur Frage des Kontakts zwischen Mitgliedern des II. Zivilsenats und Tatrichtern der Instanzgerichte nicht veranlasst. Die Antragstellerin zu 63 hatte in ihrem Ablehnungsgesuch vom 17. November 2010 lediglich auszugsweise Teile von Äußerungen aus einem Interview von Prof. Dr. Goette in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 22. September 2010 zu einem "von Herrn Goette 'erwähnten' Dialog 'mit den unteren Instanzen' " angeführt. Sodann hatte sie in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Spruchverfahren in allen drei Rechtszügen Richter entschieden, die dem gesellschaftsrechtlichen Senat des Oberlandesgerichts Stuttgart angehörten oder angehört hätten. So sei der Vorsitzende Richter am Landgericht V. ebenso Richter des Senats unter Leitung des Präsidenten des Oberlandesgerichts S. gewesen wie der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Drescher. Komme es in solcher Konstellation, so wird in dem Ablehnungsgesuch im Anschluss daran ausgeführt, noch zum "Dialog" zwischen dem Bundesgerichtshof und den "unteren Instanzen", dann vermittele dies einem objektiven Betrachter keine unabhängige Rechtsfindung mehr, sondern ein uniformes Entscheidungsprodukt, das über alle Instanzen hinweg bereits höchstrichterlich begleitet und damit instanzenbürokratisch vorgeprägt worden sei. Die insoweit vorgetragenen Tatsachen erschöpfen sich darin, dass Prof. Dr. Goette in dem angeführten Interview für einen Dialog des II. Zivilsenats mit den unteren Instanzen eingetreten sein soll und Richter am Bundesgerichtshof Dr. Drescher vor seiner Ernennung zum Bundesrichter neben anderen Instanzrichtern dem vom Präsidenten des Oberlandesgerichts Stuttgart angeführten Senat angehört hat. Diese Tatsachen vermögen ersichtlich die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter nicht zu rechtfertigen, so dass sich deren dienstliche Stellungnahme dazu erübrigt.
19
Dasselbe gilt für das Vorbringen der Antragstellerin zu 63 zu den von ihr als unausgewogene Dienstauffassung gerügten intensiven außergerichtlichen Nebentätigkeiten von Prof. Dr. Goette. Es ist nicht erkennbar, aus welchem Grund der Umfang der Nebentätigkeiten des früheren Senatsvorsitzenden vor seinem Ausscheiden bei objektiver Betrachtung Zweifel daran begründen könnte , dass die im Spruchkörper verbliebenen Senatsmitglieder bei zukünftigen Entscheidungen der Sache unvoreingenommen gegenüber stehen.
20
Die Ablehnungsgesuche sind ferner unschlüssig, soweit sie Äußerungen von Prof. Dr. Goette in dem genannten Interview in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu Gesprächen mit Rechtsanwälten und Unternehmensjuristen betreffen. Die Antragstellerin zu 63 führt in ihren ergänzenden Ausführungen vom 26. November 2010 insoweit an, Prof. Dr. Goette habe in dem Interview geäußert , dass zur "Erweiterung des Erfahrungshorizontes" bei gerichtlichen Auseinandersetzungen nach einer Hauptversammlung "besonders wichtig … die Gespräche , Fragen und Diskussionen mit Wissenschaftlern, Anwälten und Praktikern aus Unternehmen sind, wie sie bei zahlreichen Fachtagungen stattfinden". Den aus seiner Sicht wünschenswerten Weg der Rechtsfindung habe er dahin definiert, dass "ein Gedankenaustausch mit Wissenschaft und Praxis … unerlässlich für eine weitsichtige Entscheidungsfindung (ist), die nicht auf dem Buchstaben des Gesetzes fixiert ist, sondern den Unternehmen den gebotenen Freiraum gebe". Die Antragstellerinnen zu 71 und 75 haben dazu ergänzend unter Bezugnahme auf den Beitrag von Prof. Dr. Goette in der NZG 2010, 1293 angeführt, die dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter gingen nicht in dem erforderlichen Umfang auf die Verflechtung zwischen den "meisten Mitgliedern des II. Zivilsenats" durch das Gespräch "mit Rechtsanwälten und Unternehmensjuristen" ein, das bei dem erkennenden Senat "bewährte Tradition" sein solle.
21
Die Teilnahme von Richtern am Bundesgerichtshof an Tagungen und anderen wissenschaftlichen Veranstaltungen dient der Darstellung und Vermittlung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und dem Austausch von Meinungen, auch in Bezug auf sich in der Praxis neu stellende Probleme und deren wirtschaftlichen Hintergrund. Ein wissenschaftlicher Austausch in diesem Sinne ist insbesondere für ein oberstes Bundesgericht unverzichtbar. Damit geht einher, dass die Teilnahme von Richtern an solchen Tagungen und ihre Meinungsbekundungen dort grundsätzlich nicht geeignet sind, ihre Befangen- heit zu begründen. Dies gilt auch dann, wenn wissenschaftliche Äußerungen über die bereits vorliegende Rechtsprechung hinausgehen (BGH, Beschluss vom 14. Mai 2002 - XI ZR 14/02, juris).
22
Ebenfalls haben sich die Senatsmitglieder nicht dadurch befangen gemacht , dass sie der von Prof. Dr. Goette publizierten Auffassung über die in Freigabeverfahren gebotene Prüfungsdichte der Instanzgerichte "ersichtlich keinen Widerstand entgegensetzt" hätten. Bloßen Meinungsäußerungen des früheren Vorsitzenden mussten die Senatsmitglieder nicht entgegentreten.
23
Auch haben sich die Senatsmitglieder nicht dadurch befangen gemacht, dass sie einem "offensichtlich über Jahre andauernden verfahrensübergreifenden Interessenkonflikt", der aus der Nähebeziehung zwischen der Richterin am Bundesgerichtshof Caliebe und einem Mitglied der Rechtsanwaltssozietät H. herrühre, nicht Einhalt geboten hätten. Unmittelbar nachdem die betroffene Richterin die Nähebeziehung anzeigte und in dem Verfahren II ZR 170/07 die Selbstablehnung erklärte, hat der Senat seine Mitwirkungsgrundsätze darauf eingestellt und die Mitwirkung der betroffenen Richterin in Sachen ausgeschlossen, in denen die Rechtsanwaltssozietät H. in den Vorinstanzen als Bevollmächtigte einer der Beteiligten tätig war. Aufgrund der entsprechenden Regelung in den Mitwirkungsgrundsätzen kann die Ausschlussklausel auch in Verfahren Wirkung erlangen, die mit solchen Sachen im Sachzusammenhang stehen. Damit hat der Senat hinreichende Maßnahmen zur Vermeidung möglicher Interessenkollisionen getroffen.
24
Schließlich wird eine Befangenheit der Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Reichart sowie der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Drescher und Born nicht durch deren Vorbefassung mit der Sache II ZB 18/09 (Stollwerck) begründet , in welcher rechtliche Fragestellungen aufgeworfen waren, die auch für die Entscheidung des vorliegenden Falls von Bedeutung sein könnten. Das deutsche Verfahrensrecht wird von der Auffassung getragen, dass der Richter auch dann unvoreingenommen an die Beurteilung einer Sache herantritt, wenn er sich schon früher über denselben Sachverhalt ein Urteil gebildet hat. Der unabhängige Richter unterliegt der Verpflichtung zur Unbefangenheit und Unparteilichkeit. Erst die Übernahme von Entscheidungsverantwortung im konkreten Rechtsstreit führt daher zu der Gefahr einer Vorfestlegung. Ausschließend wirkt daher nur eine richterliche Tätigkeit, die im Ausgangsverfahren erfolgte (BVerfG, Beschluss vom 15. Mai 2007 - 1 BvR 971/07, juris). Das ist hier nicht der Fall.
Bergmann Maihold Matthias
Pamp Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 06.03.2008 - 31 O 32/07 KfH AktG -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 18.12.2009 - 20 W 2/08 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Feb. 2011 - II ZB 2/10

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beschlossen:
Der Beschluss des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 19. Juli 2010 wird entsprechend § 319 Abs. 1 ZPO dahin berichtigt, dass es in III 3. c) (Rn. 30) Zeile 11 heißen muss: "… und dem Tag der Hauptversammlung mit siebeneinhalb Monaten bereits …" Goette Reichart Drescher Löffler Born
Vorinstanzen:
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(1) Innerhalb des mit mehreren Richtern besetzten Spruchkörpers werden die Geschäfte durch Beschluss aller dem Spruchkörper angehörenden Berufsrichter auf die Mitglieder verteilt. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Präsidium.

(2) Der Beschluss bestimmt vor Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer, nach welchen Grundsätzen die Mitglieder an den Verfahren mitwirken; er kann nur geändert werden, wenn es wegen Überlastung, ungenügender Auslastung, Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Mitglieder des Spruchkörpers nötig wird.

(3) Absatz 2 gilt entsprechend, soweit nach den Vorschriften der Prozessordnungen die Verfahren durch den Spruchkörper einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen werden können.

(4) Ist ein Berufsrichter an der Beschlussfassung verhindert, tritt der durch den Geschäftsverteilungsplan bestimmte Vertreter an seine Stelle.

(5) § 21i Abs. 2 findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass die Bestimmung durch den Vorsitzenden getroffen wird.

(6) Vor der Beschlussfassung ist den Berufsrichtern, die von dem Beschluss betroffen werden, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(7) § 21e Abs. 9 findet entsprechend Anwendung.

(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde, sind weiter die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Auf Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren finden die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften Anwendung, wenn die Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde.

(2) Jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ist ein selbständiges Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Satz 1.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren in Familiensachen, die am 1. September 2009 ausgesetzt sind oder nach dem 1. September 2009 ausgesetzt werden oder deren Ruhen am 1. September 2009 angeordnet ist oder nach dem 1. September 2009 angeordnet wird, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

(4) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1. September 2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1. September 2009 abgetrennt werden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen werden im Fall des Satzes 1 als selbständige Familiensachen fortgeführt.

(5) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, sowie auf die mit solchen Verfahren im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen ab dem 1. September 2010 die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

7
a) Der Verweis auf die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in § 142 Abs. 8 AktG in der seit dem 1. September 2009 gültigen Fassung wurde durch Artikel 74 Nr. 12 Buchst. c des FGG-Reformgesetzes (FGG-RG) vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586) eingeführt und nach Artikel 112 Abs. 1 FGG-RG am 1. September 2009 in Kraft gesetzt. Nach Artikel 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG finden auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des FGG-Reformgesetzes am 1. September 2009 eingeleitet wurden oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes beantragt wurde, weiter die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Vorschriften Anwendung. Entsprechend richtete sich das Verfahren auf die von den Antragstellern nach § 142 Abs. 2 Satz 1 AktG vor dem 1. September 2009 beantragte Bestellung von Sonderprüfern gemäß § 142 Abs. 8 AktG in der bis zum Inkrafttreten des FGG-Reformgesetzes gültigen Fassung nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 194/05
vom
6. April 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Über ein Ablehnungsgesuch gegen den nach § 348 oder § 348a ZPO zuständigen
Einzelrichter hat nach § 45 Abs. 1 ZPO die Zivilkammer ohne Mitwirkung des abgelehnten
Richters zu entscheiden.
BGH, Beschl. v. 6. April 2006 - V ZB 194/05 - OLG Zweibrücken
LG Landau i.d. Pfalz
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 6. April 2006 durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 3. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 18. November 2005 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen aufgehoben. Die Beschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau i.d. Pfalz vom 26. September 1995 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren. Der Geschäftswert wird für das Beschwerdeverfahren und für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 31.378,00 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Der Kläger verlangt von der Beklagten Ersatz von Feuchtigkeitsschäden, die nach seinem Vortrag durch Bauarbeiten an dem Haus der Beklagten auf dem benachbarten Grundstück entstanden sein sollen. Der Kläger hat gegen die Beklagte Klage auf Zahlung von Schadensersatz erhoben. Die Beklagte hat in dem Rechtsstreit Beweiseinreden gegen das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen unter Vorlage einer Stellungnahme eines von ihr eingeholten Gutachtens erhoben.
2
Das Landgericht hat durch den Einzelrichter nach mündlicher Verhandlung Termin zur Anhörung des Sachverständigen anberaumt. Dieser ist auf Anträge der Parteien mehrfach verlegt worden. Dem vierten Antrag der Beklagten auf erneute Verlegung des Termins zur Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen wegen Verhinderung des von ihr beauftragten Sachverständigen hat das Gericht nicht stattgegeben.
3
Die Beklagte hat ein Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit des Einzelrichters gestellt, das sie mit Äußerungen des Richters über strafgerichtliche Verurteilungen der Beklagten in einem anderen Zivilrechtsstreit sowie mit der Ablehnung des Antrags auf Terminsverlegung begründet hat.
4
Das Landgericht hat mit Entscheidung der Kammer das Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung durch den Einzelrichter an das Landgericht zurückverwiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde beantragt die Beklagte, das Ablehnungsgesuch unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses für begründet zu erklären.

II.

5
Das Beschwerdegericht meint, nach der Neuregelung der funktionellen Zuständigkeit des Einzelrichters in §§ 348, 348a ZPO durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I 2001, 1881, 1887) habe über ein Ablehnungsgesuch gegen einen Einzelrichter nicht mehr die Kammer, sondern der durch deren Geschäftsverteilungsplan nach § 21g Abs. 4 GVG zu dessen Vertreter bestimmte Richter als Einzelrichter zu entscheiden.
6
Eine eigene Entscheidung in der Sache hält das Beschwerdegericht nicht für sachdienlich, weil bei prozessordnungsgemäßer Behandlung die Sache nicht bei dem Senat, sondern nach § 568 Satz 1 ZPO bei dem zuständigen Senatsmitglied als Einzelrichter angefallen wäre.

III.

7
1. a) Die Rechtsbeschwerde ist auf Grund der Zulassung im Beschluss des Beschwerdegerichts statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).
8
b) Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen nach § 575 ZPO zulässig. Die Beklagte ist durch den Beschluss des Beschwerdegerichts beschwert, obwohl das Beschwerdegericht den das Ablehnungsgesuch zurückweisenden Beschluss des Landgerichts vom 26. September 2005 aufgehoben hat. Die Beschwer wird hier durch die Nichtbescheidung des Antrags in der Sache begründet (vgl. zum Berufungsverfahren: BGHZ 18, 107, 108; 31, 358, 361).
9
2. Die Rechtsbeschwerde bleibt indes im Ergebnis ohne Erfolg.
10
a) Zu Recht wendet sich die Rechtsbeschwerde allerdings gegen die Bestimmung des für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch nach § 45 Abs. 1 ZPO zuständigen Richters durch das Beschwerdegericht.
11
aa) Die Frage, ob die Kammer, ohne den abgelehnten Einzelrichter, oder der Vertreter des abgelehnten Einzelrichters, für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zuständig ist, ist in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte streitig.
12
Die Oberlandesgerichte Köln (OLGR 2005, 481, 482), Frankfurt (OLGR 2004, 271), Schleswig (OLGR 2005, 10, 11) sowie der 14. Zivilsenat (NJW-RR 2005, 1660) und der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg (OLGR 2005, 82) vertreten die Auffassung, dass auch nach den Änderungen durch das Zivilprozessrechtsreformgesetz weiterhin die Kammer nach § 45 Abs. 1 ZPO zur Entscheidung berufen sei. Demgegenüber sind die Oberlandesgerichte Karlsruhe (OLGR 2003, 523 und OLGR 2004, 490), Naumburg (OLGR 2005, 789, 791 und 830, 832), der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg (OLGR 2005, 592), das Kammergericht (NJW 2004, 2104, 2105) sowie das Beschwerdegericht der Ansicht, dass der Vertreter eines abgelehnten Einzelrichters als Einzelrichter für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zuständig sei.
13
Im Schrifttum wird überwiegend die Ansicht vertreten, dass die Kammer für diese Entscheidung zuständig sei (Hartmann in Baumbach /Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 45 Rdn. 4; HKZPO /Kayser, § 45 Rdn. 2; Musielak/Smid, ZPO, 4. Aufl., § 45 Rdn. 2; SteinJonas /Bork, ZPO, 22. Aufl., § 45 Rdn. 1; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 27. Aufl., § 45 Rdn. 1; Zimmermann, ZPO, 7. Aufl., § 45 Rdn. 1; Zöller /Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 45 Rdn. 2; a.A. Fölsch, SchlHAnz 2004, 137 ff).
14
bb) Der Senat teilt die Auffassung des Beschwerdegerichts nicht. Die Zuständigkeit für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch gegen einen Einzelrichter an einem Kollegialgericht wird auch nach der Neuregelung der Zuständigkeit des Einzelrichters in §§ 348, 348a ZPO allein durch § 45 Abs. 1 ZPO bestimmt. Danach ist hier die Kammer unter Ausschluss des abgelehnten Richters zuständig.
15
(1) § 45 Abs. 1 und 2 ZPO enthalten Vorschriften zur Bestimmung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Der zuständige Richter für die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch gegen einen Richter an einem Kollegialgericht wird durch § 45 Abs. 1 ZPO, derjenige für ein Ablehnungsgesuch gegen einen Richter des Amtsgerichts durch § 45 Abs. 2 ZPO festgelegt.
16
(a) Für die Zuständigkeit der Kammer spricht bereits der Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO. Danach entscheidet über das Ablehnungsgesuch das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. Der Rechtsbeschwerde ist darin zuzustimmen, dass diese Regelung nur dann einen Sinn ergibt, wenn man bei dem Landgericht unter dem Gericht im Sinne der Vorschrift die nach § 60 GVG zu bildende und nach § 72 GVG mit drei Richtern unter Einschluss des Vorsitzenden besetzte Kammer versteht (so auch OLG Schleswig OLGR 2005, 10 f.), während bei einer Zuständigkeit des Einzelrichters der letzte Satzteil „ohne dessen Mitwirkung“ nicht passte, weil ein Einzelrichter nicht an der Entscheidung mitwirkt, sondern diese trifft und der abgelehnte Einzelrichter über ein gegen ihn gerichtetes Ablehnungsgesuch nicht selbst entscheiden darf.
17
(b) Ein anderer Wille des Gesetzgebers lässt sich der Entstehungsgeschichte des Zivilprozessrechtsreformgesetzes nicht entnehmen. Diese weist vielmehr darauf hin, dass es - wie zuvor - bei der Zuständigkeit der Kammer bleiben sollte. Mit dem Reformgesetz wurde der Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO dahin geändert, dass der nicht zur Zuständigkeit des Einzelrichters passende Nachsatz „ohne dessen Mitwirkung“ eingefügt wurde. Die Begründung dazu lässt erkennen, dass insoweit eine Klarstellung entsprechend der bisherigen Rechtsprechung gewollt war und die Vorschrift damit § 27 StPO angepasst werden sollte (BT-Drucks. 14/3750, S. 189). Eine Absicht des Gesetzgebers dahin, nunmehr entsprechend den für die Hauptsache geltenden Anordnungen in §§ 348, 348a ZPO eine Zuständigkeit des Vertreters des Einzelrichters auch für die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch zu bestimmen, lässt sich hieraus nicht entnehmen. Im Gegenteil; der aus der Begründung ersichtliche Wille des Gesetzgebers ging dahin, die bisherige, sich auf die Zuständigkeit der Kammer beziehende Rechtsprechung zu bestätigen und fortzuführen.
18
(2) Die Zuständigkeit des (Vertreters des) Einzelrichters lässt sich auch nicht unter Verweis auf die Regelung der Zuständigkeit für die Hauptsache in §§ 348, 348a ZPO damit begründen, dass diese Anordnung sich auch auf alle Nebenverfahren beziehe (so aber OLG Naumburg OLGR 2005, 789, 790). Das Verfahren in der Hauptsache und das Ablehnungsverfahren sind voneinander zu trennen. Der gesetzliche Richter für das selbständige Zwischenverfahren der Richterablehnung (Zöller/Vollkommer, ZPO, 64. Aufl., § 46 Rdn. 1) ist in § 45 Abs. 1 ZPO abweichend bestimmt worden (OLG Schleswig OLGR 2005, 10, 11). Der dazu berufene Richter soll danach gerade nicht der Richter sein, der anstelle des Abgelehnten für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig wäre.
19
b) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist aus den vorstehenden Gründen rechtsfehlerhaft und deshalb aufzuheben.
20
aa) Eine Zurückverweisung an das Beschwerdegericht kommt indes nicht in Betracht, weil die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Die Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen.
21
Das Rechtsbeschwerdegericht ist bei einer die Ausgangsentscheidung aufhebenden Entscheidung des Beschwerdegerichts auch gegenüber der Rechtsbeschwerdeführerin zu einer solchen Endentscheidung befugt, ohne damit gegen das Verbot der Verschlechterung (reformatio in peius) zu verstoßen , wenn das Beschwerdegericht auch nach einer Zurückverweisung zu keiner anderen Entscheidung in der Sache gelangen könnte (vgl. für das Revisionsverfahren : BGH, Urt. v. 22. Januar 1997, VIII ZR 339/95, WM 1997, 1713, 1716).
22
bb) So ist es hier. Das Landgericht hat zu Recht das Ablehnungsgesuch der Beklagten für unbegründet erklärt. Die von der Beklagten vorgebrachten Ablehnungsgründe vermögen eine Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters nicht zu begründen.
23
(1) Eine solche Besorgnis ist aus dem in anderer Sache erfolgten, in das Protokoll der mündlichen Verhandlung aufgenommenen Hinweis auf strafgerichtliche Verurteilungen der Beklagten nicht gerechtfertigt.
24
(a) Das Landgericht hat die Geltendmachung dieses Ablehnungsgrundes aus einer Äußerung des Richters einem anderen Verfahren schon nach § 43 ZPO als ausgeschlossen angesehen, weil die Beklagte auch nach der jetzt als Ablehnungsgrund vorgetragenen Äußerung des Richters weiter streitig verhandelt und am Schluss jener Sitzung Sachanträge gestellt habe. Für einen solchen verfahrensübergreifenden Ausschluss hat sich das OLG Hamm (NJW 1967, 1864, 1865) ausgesprochen. Demgegenüber vertreten das OLG Karlsruhe (MDR 1992, 409) sowie das Schrifttum (HK-ZPO/Kayser, § 43 Rdn. 4; MünchKomm-ZPO/Felber, 2. Aufl., § 43 Rdn. 8, Stein-Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 43 Rdn. 6; Zimmermann, ZPO, 7. Aufl., § 43 Rdn. 2; Zöller /Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 44 Rdn. 7) die Ansicht, dass der Verlust des Ablehnungsrechtes infolge weiterer Verhandlung vor dem Richter nach Kenntnis der Partei von dem Ablehnungsgrund sich nur auf das jeweilige Verfahren beziehe und dessen Geltendmachung in einem anderen Rechtsstreit nicht ausschließe (innerprozessuale Präklusionswirkung). Eine vermittelnde Auffassung (OLG Celle NJW 1960, 1670; OLG Koblenz MDR 1968, 60, 61; MDR 1989, 647) geht schließlich davon aus, dass § 43 ZPO der Geltendmachung des Ab- lehnungsgrundes aus einem anderen Verfahren nur dann entgegenstehe, wenn zwischen den Verfahren ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht oder die Partei in Kenntnis des Ablehnungsgrundes aus einem anderen Verfahren sich in diesem Rechtsstreit in eine Verhandlung eingelassen oder Sachanträge gestellt hat.
25
Die Rechtsbeschwerde hat die Anwendung des § 43 ZPO durch das Landgericht als rechtsfehlerhaft gerügt. Einer Entscheidung dieser Rechtsfrage bedarf es hier indes nicht.
26
(b) Der protokollierte Hinweis des abgelehnten Richters auf strafrechtliche Verurteilungen der Beklagten in einem anderen Verfahren ist kein Ablehnungsgrund nach § 42 Abs. 2 ZPO. Maßgebend dafür ist, ob aus der Sicht der den Richter ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an dessen Unvoreingenommenheit und objektiver Einstellung zu zweifeln (st. Rspr., BGHZ 77, 70, 72; Senat, BGHZ 156, 269, 270). Dies ist hier nicht der Fall.
27
Nach dem vorgelegten Protokoll aus dem vorangegangen Rechtsstreit ist der Hinweis des abgelehnten Richters über die strafgerichtlichen Verurteilungen nicht „aus heiterem Himmel“ erfolgt, sondern war eine Reaktion auf das Vorbringen der Parteien. Die Gegenseite hatte der Beklagten (die Klägerin im vorangegangenen Verfahren war) Urkundenfälschung vorgeworfen, was die Beklagte mit dem Hinweis darauf zurückgewiesen hatte, dass sie nicht vorbestraft sei.
28
(aa) Bei dieser Sachlage war ein richterlicher Hinweis auf die Verurteilungen nicht fernliegend. Angesichts dieses Streits im Vorprozess um die Redlichkeit und Glaubwürdigkeit der Beklagten war der jetzt abgelehnte Richter berechtigt , die ihm bekannten Umstände dazu mitzuteilen. Rechtskräftige Verurtei- lungen einer Partei in Strafsachen, von denen der Richter aus seiner dienstlichen Tätigkeit weiß, sind gerichtsbekannte Tatsachen (Musielak/Huber, ZPO, 4. Aufl., § 291 Rdn. 2). Die unbestrittenen rechtskräftigen Verurteilungen der Beklagten wegen Nötigung, übler Nachrede und falscher Verdächtigung gehörten zu den Umständen, die bei der Würdigung des Wahrheitsgehalts des Vortrags der Beklagten nach § 138 Abs. 1 ZPO berücksichtigt werden konnten. Der Richter ist - wenn zwischen den Parteien Streit darüber entstanden ist, ob eine Partei zur Verfolgung ihrer Ziele im Rechtsstreit möglicherweise auch vor der Begehung von Straftaten nicht zurückschreckt - im Hinblick auf das Gebot des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet, diejenigen Tatsachen, die er bei der Würdigung des Vortrages der Parteien zu berücksichtigen gedenkt, den Parteien mitzuteilen, indem er sie zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung macht (vgl. BVerfGE 10, 177, 182). Das ist hier geschehen. Die Beklagte musste insoweit auch die Offenbarung der für sie unangenehmen Tatsache einer vorhergehenden strafgerichtlichen Verurteilung hinnehmen. Für die Prüfung eines vom Gegner vorgehaltenen Verstoßes gegen das Wahrheitsgebot aus § 138 Abs. 1 ZPO war es auch nicht entscheidend, dass das Strafmaß bei der vorangegangenen Verurteilung unter der für die Aufnahme in das Strafregister in § 32 Abs. 2 Nr. 5 Buchstabe a BRZG bestimmten Grenze zurückblieb und die Beklagte sich daher nach § 53 Abs. 1 BRZG als unbestraft bezeichnen durfte.
29
(bb) Eine Besorgnis der Befangenheit ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde, dass der abgelehnte Richter den gebotenen Hinweis nicht korrekt erteilt habe. Insoweit rügt die Beklagte zwar zu Recht, dass der Richter nicht nur die einschlägigen Verurteilungen erwähnt, sondern die Klägerin als vorbestraft bezeichnet hat, ohne dabei zu berücksichtigen, dass die Klägerin wegen der geringen Höhe der gegen sie verhängten Strafe sich nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 BRZG als unbestraft bezeichnen durfte. Bei vernünftiger Würdigung des Gesamtzusammenhanges der protokollierten Vorgänge stellt sich der richterliche Hinweis jedoch nicht als unsachliches, unangemessenes Verhalten dar, das Misstrauen gegenüber der Unparteilichkeit des Richters begründen könnte. Bei verständiger Würdigung der Umstände war die Äußerung des Richters eine auf Grund des Vortrages der Beklagten veranlasste Reaktion, um den Eindruck zu korrigieren, dass keine strafrechtlichen Verurteilungen vorlägen , die Zweifel an der Beachtung der Wahrheitspflicht begründen könnten.
30
Der Umstand, dass die Äußerung von der Beklagten nicht beanstandet wurde, sondern die Parteien zunächst über eine vergleichsweise Lösung und nach dem Scheitern der Vergleichsbemühungen des Gerichts streitig weiter verhandelt haben, weist darauf hin, dass auch die Beklagte diesen Hinweis des Gerichts damals nicht anders verstanden hat.
31
(2) Das Ablehnungsgesuch ist auch nicht im Hinblick darauf begründet, dass der Richter dem Terminsverlegungsantrag vom 1. Juli 2005 nicht stattgegeben hat. Die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung begründet regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit, weil diese nach § 227 ZPO nur beim Vorliegen erheblicher Gründe in Betracht kommt. Anders ist es nur dann, wenn erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung offensichtlich vorliegen , die Zurückweisung des Antrags für die betreffende Partei schlechthin unzumutbar wäre und somit deren Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzte (BGHZ 27, 163, 167; OLG Brandenburg NJW-RR 1999, 1291, 1292) oder sich aus der Ablehnung der Terminsverlegung der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung einer Partei aufdrängt (OLG Köln NJW-RR 1997, 828; KG MDR 2005, 708). An beidem fehlt es.
32
Zu Unrecht rügt die Rechtsbeschwerde, dass das Gericht die von der Beklagten geltend gemachte Verhinderung des Dipl. Ing. R. , den diese bei der Vernehmung des gerichtlichen Sachverständigen zuziehen wollte, zwar bei dem Antrag auf Terminsverlegung vom 31. Mai 2005 als erheblichen Grund, bei dem Antrag vom 8. Juli 2005 jedoch als unerheblich bewertet hat. Die Rechtsbeschwerde berücksichtigt nicht, dass der Antrag vom 8. Juli 2005 der vierte Terminsverlegungsantrag der Beklagten für die von ihr beantragte Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen war. Den vorhergehenden Anträgen vom 17. Mai, 31. Mai und 8. Juni 2005, die sie mit einer Verhinderung ihres Anwalts oder eines zur Anhörung hinzuzuziehenden Gehilfen begründet hatte, war von dem Richter entsprochen worden. Der Grund, den die Partei für eine Vertagung benennt, kann unterschiedlich zu würdigen sein, wenn er bei mehrfach hintereinander erfolgten Verlegungsanträgen wiederholt vorgebracht wird. Da das Gericht auch das Interesse des Gegners an einer Beendigung des Rechtsstreits berücksichtigen muss (OLG Brandenburg NJW-RR 1999, 1291, 1292), konnte der Richter den Antrag auf Terminsverlegung wegen Verhinderung eines Gehilfen schließlich zurückweisen, ohne das Grundrecht der Beklagten auf rechtliches Gehör zu verletzen oder den Kläger zu bevorzugen.

III.

33
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Beschwerdewerts, der hier dem Wert der Hauptsache entspricht (vgl. BGH, Beschl. v. 17. Januar 1968, IV ZB 3/68, NJW 1968, 796), aus § 3 ZPO.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub
Vorinstanzen:
LG Landau, Entscheidung vom 26.09.2005 - 2 O 182/04 -
OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 18.11.2005 - 3 W 220/05 -

(1) Das Ablehnungsgesuch ist bei dem Gericht, dem der Richter angehört, anzubringen; es kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(2) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden. Zur Glaubhaftmachung kann auf das Zeugnis des abgelehnten Richters Bezug genommen werden.

(3) Der abgelehnte Richter hat sich über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern.

(4) Wird ein Richter, bei dem die Partei sich in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, so ist glaubhaft zu machen, dass der Ablehnungsgrund erst später entstanden oder der Partei bekannt geworden sei. Das Ablehnungsgesuch ist unverzüglich anzubringen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZR 14/02
vom
14. Mai 2002
in dem Rechtsstreit
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter
Dr. Bungeroth, Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die Richterin
Mayen
am 14. Mai 2002

beschlossen:
Die Ablehnungsgesuche des Klägers gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof N. und den Richter am Bundesgerichtshof Dr. S. werden als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:


1. Der Kläger macht gegen die beklagte Bank im Zusammenhang mit der Finanzierung des Erwerbs einer im Strukturvertrieb angebotenen Eigentumswohnung Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche geltend. Seine Klage, mit der er in erster Instanz teilweise Erfolg hatte, ist vom Berufungsgericht in vollem Umfang abgewiesen worden.
Im Revisionsverfahren hat er mit Schriftsatz vom 4. April 2002 und ergänzend mit Schriftsätzen vom 24. April und 13. Mai 2002 den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof N. und den Richter am Bundesgerichtshof Dr. S. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat er im wesentlichen geltend gemacht: Die abgelehnten
Richter verschlössen die Augen vor dem zu beurteilenden Fall. Dies zeige die von ihnen mit bestimmte Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zu "drückervermittelten Wohnungsfinanzierungen", die dem vorliegenden Rechtsstreit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vergleichbare Fälle betreffe. Diese Rechtsprechung begünstige einseitig die kreditgewährenden Banken. Das Verhalten der abgelehnten Richter lege eine Bestechlichkeit nahe. Die Richter hätten an einer ganzen Serie von bankfinanzierten Seminaren zur Frage der Haftung der Banken für "drückervermittelte Wohnungsfinanzierungen" gemeinsam mit dem "Cheflobbyisten" der Beklagten Dr. Br. teilgenommen. Hierfür hätten sie von den Veranstaltern, darunter der Zeitschrift "W.", die von der "Interessengemeinschaft ... Kreditinstitute" kontrolliert werde, Honorare erhalten. Richter Dr. S. sei zudem Mitglied des Redaktionsbeirates der "W.". Auf einem Seminar dieser Zeitschrift am 18. Mai 2001 habe Dr. Br. erklärt, warum der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes drei Urteile des Oberlandesgerichts Ba., die gegen die Beklagte ergangen seien, aufzuheben habe. Richter Dr. S. habe dem zugestimmt und, bezogen auf die verbraucherfreundliche Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Ba., erklärt, "diesem Spuk" müsse "ein Ende bereitet werden". Später habe der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Urteile tatsächlich aufgehoben. Vorsitzender Richter N. habe im Winter 2000 in einem Festvortrag vor der Universität L. über seine Aufgabe als Richter gesprochen und ausgeführt, es gelte, insbesondere gegenüber der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften, die Wettbewerbssituation der betroffenen deutschen Wirtschaftsbranche im Auge zu behalten. Die abgelehnten Richter weigerten sich, die zu beurteilenden Sachverhalte, insbesondere die Vertriebsmethoden, derer sich die Ban-
ken bedienten, vollständig zur Kenntnis zu nehmen. Dies sei Rechtsbeugung durch Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Die abgelehnten Richter haben sich am 8. und 29. April 2002 dienstlich geäußert.
2. Die Ablehnungsgesuche sind nicht begründet.

a) Ablehnungsgesuch gegen Vorsitzenden Richter N.
aa) Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet gemäß § 42 Abs. 2 ZPO nur statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Entscheidend ist, ob ein Prozeßbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln (BVerfG NJW 1993, 2230 m.w.Nachw.). Davon kann hier keine Rede sein.
bb) Der Kläger beruft sich ohne Erfolg auf die Rechtsprechung des XI. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes zu kreditfinanzierten Immobiliengeschäften. Die für einen Prozeßbeteiligten ungünstige Rechtsauffassung eines Richters in einem früheren Rechtsstreit zwischen anderen Parteien ist kein Ablehnungsgrund. Die Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit dient nicht dazu, sich gegen eine für unrichtig gehaltene Rechtsauffassung des Richters zu wehren, es sei denn, die Rechtsauffassung beruhte auf einer unsachlichen Einstellung des Richters oder auf Willkür. Die Mitwirkung eines Richters an früheren Ent-
scheidungen kann seine Ablehnung deshalb nur rechtfertigen, wenn zusätzliche konkrete Umstände vorliegen, die ergeben, daû der Richter nicht bereit ist, seine frühere Meinung kritisch zu überprüfen und das Vorbringen der Prozeûbeteiligten unvoreingenommen zur Kenntnis zu nehmen (BAG NJW 1993, 879). Derartige Umstände liegen nicht vor.
(1) Die Teilnahme eines Richters an Seminaren zu aktuellen Rechtsfragen stellt keinen Ablehnungsgrund dar. Dies gilt auch dann, wenn zugleich Vertreter von Banken oder andere Interessenvertreter teilnehmen. Die Teilnahme von Richtern am Bundesgerichtshof und anderen Gerichten an wissenschaftlichen Veranstaltungen ist seit Jahrzehnten üblich und in der Fachöffentlichkeit allgemein bekannt. Sie dient der Darstellung und Vermittlung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und dem Austausch von Meinungen, auch in bezug auf sich in der Bankpraxis neu stellende Probleme und deren wirtschaftlichen Hintergrund. Ein wissenschaftlicher Austausch in diesem Sinne ist insbesondere für ein oberstes Bundesgericht unverzichtbar. Damit geht einher , daû die Teilnahme von Richtern an solchen Tagungen und ihre Meinungsbekundungen dort grundsätzlich nicht geeignet sind, ihre Befangenheit zu begründen. Dies gilt auch dann, wenn wissenschaftliche Äuûerungen über die bereits vorliegende Rechtsprechung hinausgehen (vgl. BVerfG NJW 1997, 1500).
Auch das Verhältnis, in dem die Veranstalter der Seminare zur Beklagten stehen, rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit nicht. Hinsichtlich des Veranstalters des Seminars am 27. Oktober 2000, des R-Verlages, zeigt der Kläger keine Beziehung oder wirtschaftliche Ab-
hängigkeit zur Beklagten oder anderen Banken auf. Hinsichtlich des Seminars am 18. Mai 2001 macht er ohne Erfolg geltend, dieses sei von der Zeitschrift "W.", die von der "Interessengemeinschaft ... Kreditinstitute" kontrolliert werde, veranstaltet worden. Der Kläger hat keinen Anhaltspunkt dafür vorgetragen, daû die unterstellte Abhängigkeit der Zeitschrift "W." von der Kreditwirtschaft den wissenschaftlichen Charakter des Seminars am 18. Mai 2001 in Frage gestellt und die Rechtsauffassung des Richters zu den im vorliegenden Rechtsstreit erheblichen Rechtsfragen beeinfluût haben könnte.
Das Honorar, das die Veranstalter dem Richter gezahlt haben, ist ein Entgelt für den Arbeits- und Zeitaufwand zur Vorbereitung und Durchführung der Seminare. Derartige Honorare sind allgemein üblich und werden aus den Einnahmen geleistet, die die Seminarveranstalter in Form der Teilnehmergebühren erzielen. Vor diesem Hintergrund fehlt jeder vernünftige Grund zu der Besorgnis, daû mit dem Honorar Einfluû auf die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits genommen werden könnte. Der vom Kläger geäuûerte Verdacht der Bestechlichkeit ist daher nicht nachvollziehbar.
(2) Der Festvortrag, den Vorsitzender Richter N. im Winter 2000 vor der Universität L. gehalten hat, rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit ebenfalls nicht. Derartige Vorträge rechtfertigen die Besorgnis der Voreingenommenheit ebensowenig wie die Teilnahme an wissenschaftlichen Seminaren. Zudem räumt der Kläger in seinem Schriftsatz vom 24. April 2002 selbst ein, daû der Richter sich hier nicht zu kreditfi-
nanzierten Immobiliengeschäften oder anderen im vorliegenden Rechtsstreit erheblichen Fragen geäuûert hat.
(3) Die pauschale Behauptung des Klägers, der Richter weigere sich, die zu beurteilenden Sachverhalte, insbesondere die Vertriebsmethoden , derer sich die Banken bedienten, vollständig zur Kenntnis zu nehmen, reicht zur Darlegung eines Ablehnungsgrundes ebenfalls nicht aus. Der Kläger hat weder schlüssig vorgetragen, daû der Richter in einem anderen Rechtsstreit den Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör durch Übergehung eines bestimmten Tatsachenvortrages verletzt haben könnte, noch, daû ein solches Verhalten die Besorgnis der Befangenheit im vorliegenden Verfahren begründen könnte. Soweit der Kläger geltend macht, der Richter sei in zwei Nichtannahmebeschlüssen auf entscheidungserheblichen Vortrag nicht eingegangen, verkennt er, daû einer dieser Beschlüsse von einem anderen Senat des Bundesgerichtshofs und daher ohne Mitwirkung des Richters gefaût worden ist, sowie daû das Gesetz eine nähere Begründung für Nichtannahmebeschlüsse nicht vorsieht. Der Vorwurf der Rechtsbeugung durch Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör entbehrt jeder Grundlage.

b) Ablehnungsgesuch gegen Richter Dr. S.
aa) Soweit das Ablehnungsgesuch gegen Richter Dr. S. auf dieselben Gründe wie das Gesuch gegen Vorsitzenden Richter N. gestützt wird, ist es aus den bereits dargelegten Gründen nicht gerechtfertigt.
bb) Auch die darüber hinaus geltend gemachten Gründe rechtfertigen die Besorgnis der Befangenheit nicht.
(1) Die Mitgliedschaft des abgelehnten Richters im Redaktionsbeirat der Zeitschrift "W." reicht hierfür nicht aus. Selbst die Mitgliedschaft eines Richters in einem prozeûbeteiligten Verein mit einer gröûeren Mitgliederzahl ist kein Ablehnungsgrund (BGH, Beschluû vom 5. März 2001 - I ZR 58/00, BGH-Report 2001, 432, 433).
(2) Soweit der Kläger behauptet, Richter Dr. S. habe auf dem Seminar am 18. Mai 2001 dem stellvertretenden Chefsyndikus der Beklagten darin zugestimmt, daû drei Urteile des Oberlandesgerichts Ba., die zum Nachteil der Beklagten ergangen waren, aufzuheben seien, und, bezogen auf die verbraucherfreundliche Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Ba., erklärt, "diesem Spuk" müsse "ein Ende bereitet werden" , vermag auch dies dem Ablehnungsgesuch nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Es unterliegt bereits erheblichen Zweifeln, ob die behaupteten Äuûerungen des Richters zu drei bestimmten, inzwischen abgeschlossenen Revisionsverfahren überhaupt geeignet sein könnten, für Parteien anderer Verfahren wie den Kläger die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.
Jedenfalls ist ein Ablehnungsgrund nicht glaubhaft gemacht (§ 44 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Der Richter hat in seiner dienstlichen Äuûerung vom 8. April 2002 erklärt, er habe sich in keinem einzigen Fall zu einem
schwebenden Verfahren geäuûert. Rechtsanwalt Prof. Dr. K. hat diese Darstellung in seinem Schriftsatz vom 25. April 2002 "voll und ganz" bestätigt. Gegenüber diesen Äuûerungen reichen die vom Kläger vorgelegte eidesstattliche Versicherung von Frau A. La. vom 24. April 2002 und die anwaltliche Versicherung von Rechtsanwalt Dr. Sc., die die Darstellung des Klägers im wesentlichen bestätigen, zur Glaubhaftmachung nicht aus.

c) Die einzelnen vom Kläger geltend gemachten Umstände rechtfertigen auch bei zusammenfassender Würdigung die Besorgnis der Befangenheit nicht. Das Verhalten der Richter begründet nicht die Annahme , die von ihnen mit bestimmte Rechtsprechung des Senats zu kreditfinanzierten Immobiliengeschäften beruhe auf unsachlichen Erwägungen und hindere sie daran, das Vorbringen des Klägers im vorliegenden Rechtsstreit unvoreingenommen zur Kenntnis zu nehmen und zu würdigen.
Bungeroth Müller Joeres
Wassermann Mayen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 170/07 Verkündet am:
9. März 2009
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
"Vorstandsdoppelmandat"

a) Dem personengesellschaftsrechtlichen Wettbewerbsverbot des § 112 Abs. 1 HGB unterliegen auch
bei der gesellschaftsrechtlichen Sonderform der AG & Co. KG zwar die Komplementär-AG und eine
diese beherrschende, als Aktiengesellschaft organisierte Mehrheitskommanditistin, nicht jedoch
auch deren Vorstandsmitglieder als ihre gesetzlichen Vertreter.

b) So genannte Vorstandsdoppelmandate sind nach geltendem Aktienrecht nicht verboten; ihre Zulässigkeit
hängt allein von der Zustimmung der Aufsichtsräte beider Gesellschaften zu der Doppeltätigkeit

c) Der Minderheitskommanditist einer AG & Co. KG hat kein aus dem Wettbewerbsverbot des § 112
Abs. 1 HGB ableitbares Mitwirkungsrecht in Form eines Zustimmungsvorbehalts ("Vetorecht") bei
der Besetzung der Vorstände der Komplementär-AG und der Mehrheitskommanditistin (AG) mit
Doppelmandatsträgern. Auch in dieser Konstellation fallen die Bestellung derartiger Vorstände und
deren Befreiung von einem Wettbewerbsverbot in die alleinige Zuständigkeit der Aufsichtsräte der
beteiligten Aktiengesellschaften.
BGH, Urteil vom 9. März 2009 - II ZR 170/07 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. März 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette
und die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Dr. Reichart und Dr. Drescher

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 11. Zivilsenat, vom 29. Juni 2007 wird zurückgewiesen. Der Klägerin werden die Kosten des Revisionsverfahrens und des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin und die Beklagte zu 1, eine AG, sind alleinige Kommanditistinnen der G. + J. AG & Co. KG (G+J KG); die Beklagte zu 2 - ebenfalls eine AG - ist deren Komplementärin. Die Klägerin ist mit einem Anteil von 24,6 %, die Beklagte zu 1 mit 73,4 % und die Beklagte zu 2 mit 2 % am Gesamtkapital der G+J KG beteiligt. An der Beklagten zu 2 sind wiederum die Klägerin mit 25,1 % und die Beklagte zu 1 mit 74,9 % als Aktionäre beteiligt.
2
Nach der Bestellung bzw. Wiederbestellung des Vorstandsvorsitzenden der Beklagten zu 2, Dr. K. , auch zum Mitglied des Vorstandes der Beklagten zu 1 im Jahr 2000 bzw. 2004 hat die Klägerin gegen beide Beklagten Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, dass die Übernahme eines Vorstandsmandats bei der herrschenden - nach ihrer Behauptung zu der KG in Wettbewerb stehenden - Beklagten zu 1 durch ein Mitglied des Vorstands der Beklagten zu 2 ihrer vorherigen Zustimmung als Minderheitskommanditistin bedürfe. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin hilfsweise auch die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zu 2 ihren Vorstandsmitgliedern die Übernahme eines Vorstandsmandats bei der Beklagten zu 1 nur mit Zustimmung auch der Klägerin gestatten darf. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und dabei den Hilfsantrag gemäß § 533 ZPO als unzulässig abgewiesen; außerdem hat es die Revision - beschränkt auf das Hauptbegehren - zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Hauptbegehren weiter. Ihre zugleich erhobene Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hinsichtlich ihres zweitinstanzlich gestellten Hilfsantrags hat der Senat durch Beschluss vom 24. November 2008 zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe:

3
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
4
I. Das Berufungsgericht (ZIP 2007, 1370) hat zur Abweisung des Hauptantrags im Wesentlichen ausgeführt:
5
Die Beklagte zu 2 unterliege zwar als Komplementärin einem Wettbewerbsverbot aus § 112 Abs. 1 HGB, doch gelte dieses nicht für deren Vorstandsmitglieder , für die in dieser Funktion ausschließlich das Wettbewerbsverbot aus § 88 Abs. 1 AktG einschlägig sei. Anders als bei der GmbH & Co. KG komme eine drittschützende Wirkung des Anstellungsvertrags oder der Organ- pflichten des Vorstands der Komplementär-AG zugunsten der Gesellschafter der KG nicht in Betracht. Es sei anerkannt, dass das Wettbewerbsverbot des § 112 Abs. 1 HGB zwar auf den beherrschenden Gesellschafter einer GmbH & Co. KG selbst Anwendung finde, jedoch - soweit es um natürliche Personen als Gesellschafter gehe - nicht auf ihre Vertreter. Der Vorstand der Komplementär -AG sei eher diesem Personenkreis gleichzustellen als einem beherrschenden Gesellschafter, so dass eine Analogie zu § 112 Abs. 1 HGB ausscheide.
6
II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
7
Die Klägerin hat als Minderheitskommanditistin der G+J KG kein aus einem Wettbewerbsverbot gemäß § 112 Abs. 1 HGB ableitbares Mitwirkungsrecht an der Entscheidung der zuständigen Organe der beiden Beklagten über sog. Vorstandsdoppelmandate in der Weise, dass die Bestellung eines Vorstandsmitglieds der Beklagten zu 2 (Komplementärin) zum (gleichzeitigen) Mitglied des Vorstands der Beklagten zu 1 (Mehrheitskommanditistin) ihrer vorherigen Zustimmung bedürfte.
8
1. Ein solcher Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Klägerin als Minderheitskommanditistin hinsichtlich der Schaffung von Doppelmandaten in der Geschäftsleitung der beklagten Mitgesellschafter folgt nicht unmittelbar aus dem personengesellschaftsrechtlichen Wettbewerbsverbot des § 112 Abs. 1 HGB.
9
a) Zwar richtet sich das in § 112 Abs. 1 HGB u. a. normierte - hier bei der revisionsrechtlichen Prüfung in Betracht zu ziehende - Verbot des Geschäftemachens im gleichen Handelszweig auch bei der vorliegenden gesellschaftsrechtlichen Sonderform der Aktiengesellschaft & Co. KG nicht nur an die Beklagte zu 2 als Komplementär-AG, sondern - entgegen dem zu engen Wortlaut des § 165 HGB - gleichermaßen an die Beklagte zu 1 aufgrund ihrer beherrschenden Stellung (vgl. § 18 AktG) als Mehrheitskommanditistin und zugleich Mehrheitsaktionärin der Komplementärin (vgl. Senat, BGHZ 89, 162, 166 - Heumann/Ogilvy - zur GmbH & Co. KG; BGH, Urt. v. 4. Dezember 2001 - X ZR 167/99, DStR 2002, 1495, 1496; Weipert in Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, HGB 2. Aufl. § 165 Rdn. 8; Baumbach/Hopt, HGB 33. Aufl. § 165 Rdn. 3; Staub/Ulmer, HGB 4. Aufl. § 112 Rdn. 9; MünchKommHGB/Grunewald, 2. Aufl. § 165 Rdn. 5 ff.). Nach Maßgabe dieses Wettbewerbsverbots dürfen die davon betroffenen Gesellschafter selbst - hier also die beklagten Aktiengesellschaften - nicht ohne Dispens der übrigen Gesellschafter als Leitungsorgan einer anderen gleichartigen Gesellschaft tätig werden (vgl. nur Goette in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn aaO § 112 Rdn. 13 m.w.Nachw.).
10
b) Jedoch unterliegen nach ganz herrschender Meinung die gesetzlichen Vertreter der Gesellschafter - hier also die Vorstandsmitglieder der beiden beklagten Aktiengesellschaften - nicht ihrerseits direkt dem Wettbewerbsverbot des § 112 Abs. 1 HGB (vgl. Goette in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn aaO § 112 Rdn. 6 m.w.Nachw., insofern missverständlich: ebenda Rdn. 4; Koller/Roth/Morck, HGB 6. Aufl. §§ 112, 113 Rdn. 2; MünchKommHGB/ Langhein aaO § 112 Rdn. 9; von Gerkan/Haas in Röhricht/Graf von Westphalen, HGB 3. Aufl. § 112 Rdn. 3 sowie § 165 Rdn. 18 a - explizit für Vorstandsmitglieder der Komplementär-AG; ebenso Baumbach/Hopt aaO § 112 Rdn. 2; a.A. Cahn, Der Konzern 2007, 716, 718), so dass die Klägerin hieraus jedenfalls nicht unmittelbar ein - präventiv wirkendes - Zustimmungserfordernis zu ihren Gunsten mit der Wirkung eines "Vetorechts" bei der Besetzung des Vorstands der Beklagten zu 1 mit "Doppelmandatsträgern" aus der Geschäftsleitung der Beklagten zu 2 herleiten kann.
11
2. Die Klägerin kann ein derartiges Mitbestimmungsrecht auch nicht auf eine analoge Anwendung des für beide beklagten Aktiengesellschaften als Mitgesellschafterinnen der G+J KG geltenden Wettbewerbsverbots des § 112 Abs. 1 HGB stützen.
12
a) Dabei kommt es schon im Ansatz nicht einmal darauf an, ob die Beklagte zu 1 tatsächlich - wie die Klägerin behauptet und der Senat revisionsrechtlich zu ihren Gunsten unterstellt - in demselben Handelszweig Geschäfte macht wie die G+J KG. Denn allein darin, dass die Beklagte zu 1 durch die - in der alleinigen Bestellungskompetenz ihres Aufsichtsrats liegende - Besetzung ihres eigenen mehrköpfigen Vorstands mit einem Mandatsträger aus der Geschäftsleitung der von ihr abhängigen Komplementärin der G+J KG mit deren Zustimmung beherrschenden Einfluss ausübt, liegt noch keine wettbewerbsrelevante Handlung und damit kein einwilligungsbedürftiges Geschäftemachen oder Teilnehmen an einer anderen gleichartigen Handelsgesellschaft i. S. des § 112 Abs. 1 HGB (vgl. Altmeppen, ZIP 2008, 437, 441 f.; a.A. Werner, GmbHR 2007, 988, 989).
13
b) Eine - die analoge Anwendung des § 112 HGB erfordernde - Gesetzeslücke vermag der Senat aber vor allem deshalb nicht zu erkennen, weil ein daraus abgeleiteter Einwilligungsvorbehalt zugunsten der Klägerin in dieser Konstellation mit den geltenden aktienrechtlichen Kompetenznormen (§§ 84, 88 AktG) sowie mit den damit im Zusammenhang stehenden einschlägigen Grundsätzen des (Aktien-)Konzernrechts (§§ 16 ff. AktG) nicht in Einklang steht.
14
aa) Die Bestellung des Vorstands einer AG (§ 84 AktG) fällt ebenso wie dessen Befreiung von einem Wettbewerbsverbot (§ 88 AktG) in die alleinige Zuständigkeit des Aufsichtsrats. Auch Vorstandsdoppelmandate - wie sie den Kern des vorliegenden Rechtstreits darstellen - sind nach geltendem Aktienrecht nicht verboten (arg. e § 88 Abs. 1 Satz 2 AktG); ihre Zulässigkeit hängt allein von der - hier erteilten - Zustimmung der Aufsichtsräte beider Gesellschaften zu der Doppeltätigkeit ab (vgl. Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570, 574; Seibt in Schmidt/Lutter, AktG § 76 Rdn. 18; Fleischer in Spindler/Stilz, AktG § 76 Rdn. 93; Hüffer, AktG 8. Aufl. § 311 Rdn. 22, § 88 Rdn. 4, § 76 Rdn. 21; MünchKommAktG/Kropff, 2. Aufl. § 311 Rdn. 93 ff.).
15
bb) Das gilt - trotz nahe liegender Interessenkonflikte - auch und gerade für personelle Verflechtungen im Aktienkonzern. Für ihn unterstellt das Gesetz in §§ 18 Abs. 1 S. 3, 17 Abs. 2, 16 AktG, dass beherrschtes und herrschendes Unternehmen in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen, und vermutet, dass die faktisch abhängige AG einheitlich geleitet wird. Trotz der mit der Beherrschung verbundenen Gefahren für die rechtliche Eigenständigkeit der abhängigen Gesellschaft besteht kein - präventiv wirkendes - Verbot für das herrschende Unternehmen , sich - über den von ihm faktisch "kontrollierten" Aufsichtsrat (§ 84 AktG) - selbst zum Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft einsetzen oder das Vorstandsamt mit Personen seines Vertrauens besetzen zu lassen (vgl. Altmeppen aaO 437, 442). Das gilt gleichermaßen für die Bestellung von Doppelmandaten in beiden Aktiengesellschaften und die dafür nötige Befreiung nach § 88 AktG, wobei es keine Rolle spielt, ob die (Doppel-)Besetzung "von oben nach unten" oder - wie hier - "von unten nach oben" erfolgt.
16
Allerdings ergibt sich aus dieser Konstellation trotz der mit Vorstandsdoppelmandaten verbundenen Einflussmöglichkeiten des herrschenden Unternehmens und des mit dem gleichzeitigen Einsatz bei zwei Gesellschaften verbundenen Loyalitätskonflikts, der im Konzernverbund eine besondere Zuspitzung erfährt, kein "Freibrief" zugunsten der Konzernspitze. Der Doppelmandatsträger hat vielmehr bei seinen Entscheidungen stets die Interessen des jeweili- gen Pflichtenkreises wahrzunehmen (vgl. BGHZ 36, 296, 306 f.; Sen.Urt. v. 21. Dezember 1979 - II ZR 244/78, NJW 1980, 1629, 1630 - jew. zum Aufsichtsrat ; Fleischer in Spindler/Stilz aaO § 76 Rdn. 94 m.w.Nachw.).
17
cc) Diese Grundsätze gelten auch in der - hier vorliegenden - besonderen konzernrechtlichen Situation einer faktischen Abhängigkeit der Komplementär -AG von ihrer Mehrheitsaktionärin. Kann die Konzernmutter wegen ihrer Mehrheitsbeteiligung die abhängige Gesellschaft legal beherrschen und einheitlich leiten, so sind dem Minderheitsaktionär der abhängigen Gesellschaft - wie hier der Klägerin in Bezug auf die Beklagte zu 2 - gegenüber der alleinigen Kompetenz des Aufsichtsrats dieser Gesellschaft nach § 88 AktG hinsichtlich der Befreiung von Vorstandsmitgliedern zur Wahrnehmung von Doppelmandaten keine eigenständigen Mitwirkungsrechte eingeräumt. Bezüglich der entsprechenden Vorstandsbestellungs- und Befreiungskompetenz (§§ 84, 88 AktG) des Aufsichtsrats der im faktischen Konzern herrschenden Aktiengesellschaft für die Tätigkeit von Doppelmandatsträgern bei dieser besteht ein besonderes Mitspracherecht des Minderheitsaktionärs - wie im vorliegenden Fall der Klägerin - der abhängigen Gesellschaft von vornherein nicht, wenn er - wie hier - noch nicht einmal an dem herrschenden Unternehmen als Aktionär beteiligt ist.
18
dd) Die - von der Beklagten zu 1 als "Mutter-AG" beherrschte - AG & Co. KG unterliegt hinsichtlich der alleinigen Bestellungs- und Befreiungskompetenz der Aufsichtsräte der beiden beklagten Aktiengesellschaften für Vorstandsdoppelmandate - um die es im vorliegenden Fall allein geht - keiner anderen Beurteilung. Hat die Klägerin insoweit als Minderheitsaktionärin der von der Beklagten zu 1 beherrschten Komplementär-AG - wie in der Grundkonstellation zwischen Mutter- und Tochter-AG - keinerlei eigenständige Mitentscheidungskompetenz , so erwächst ihr eine solche auch nicht wegen ihrer gleichzeitigen Rechtsstellung als Minderheitskommanditistin der G+J KG. Vielmehr hat sie es auch in dieser Eigenschaft hinzunehmen, dass das herrschende Unternehmen die Besetzung des Geschäftsleiterpostens in der eigenen wie in der abhängigen Gesellschaft - über die von ihr kontrollierten Aufsichtsräte - bestimmt (vgl. Altmeppen aaO 437, 443; a.A. Cahn aaO 716, 724).
19
3. Die Alleinkompetenz der Aufsichtsräte der beiden beklagten Aktiengesellschaften zur Bestellung einzelner Vorstandsmitglieder zu Doppelmandatsträgern bei gleichzeitiger Befreiung vom Wettbewerbsverbot (§§ 84, 88 AktG) kann auch nicht durch ein Zustimmungsrecht der Klägerin aufgrund einer Analogie zu § 112 HGB deshalb durchbrochen werden, weil etwa ein derart bestellter Doppelmandatsträger in Ausübung seines Geschäftsleiteramtes bei der Beklagten zu 1 auf Basis seiner durch den Aufsichtsrat konkretisierten Pflichten eine Tätigkeit entfalten könnte, die einen Verstoß der Beklagten zu 1 gegen das für sie als Mehrheitskommanditistin der KG geltende Wettbewerbsverbot (Tätigwerden im gleichen Handelszweig) aus § 112 Abs. 1 HGB begründen würde. Dagegen kann sich die Klägerin nach Maßgabe der §§ 112, 113 HGB nur im Einzelfall durch die Geltendmachung von Ansprüchen auf Unterlassung, Eintritt und Schadensersatz gegen die Beklagte zu 1 wehren; ein darüber hinausgehendes - wie gezeigt: systemfremdes - präventiv wirkendes Mitspracherecht in Form eines faktischen "Vetorechts" bei der Bestellung von Vorstandsdoppelmandaten in den beteiligten Aktiengesellschaften ergibt sich daraus - schon wegen Fehlens einer Schutzlücke - nicht.
20
4. Das Postulat der Klägerin, die Zuständigkeit des Aufsichtsrates der Komplementär-AG für die Dispenserteilung gem. § 88 Abs. 1 Satz 2 AktG sei jedenfalls in der AG & Co. KG durch diejenige der Gesellschafter der KG zu ergänzen, weil hier eine Drittschutzwirkung bestehe und Schutzadressaten und Einwilligungsberechtigte nicht auseinander fallen dürften, ist weder mit der ein- deutigen Kompetenzzuordnung des Gesetzes in §§ 84 Abs. 1 Satz 1, 88 Abs. 1 Satz 2 AktG vereinbar noch vermag die Revision aufzuzeigen, wieso die AG & Co. KG entgegen dem geltenden Trennungsprinzip als Einheitsgesellschaft behandelt werden müsste.
21
5. Es kann dabei dahinstehen, ob bei der AG & Co. KG die Norm des § 88 Abs. 1 Satz 2 AktG oder das Organ- und Anstellungsverhältnis des Vorstands zur Komplementär-AG tatsächlich drittschützende Wirkung zugunsten der KG entfalten (vgl. Hüffer aaO § 88 Rdn. 4; Kort in Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 88 Rdn. 47; a.A. Hellgardt, ZIP 2007, 2248, 2249), wie dies für den Geschäftsführer der GmbH & Co. KG angenommen wird (vgl. Senat, BGHZ 75, 321, 324; Senat, BGHZ 76, 326, 337 f.; BGHZ 100, 190, 193; Senat, Urt. v. 14.November 1994 -IIZR 160/93, DStR1995, 1436, 1439; MünchKommHGB/Grunewald aaO § 165 Rdn. 14; Henze in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn aaO § 177 a Anh. A Rdn. 98; von Gerkan/Haas in Röhricht/Graf von Westphalen aaO § 165 Rdn. 18; Baumbach/Hopt aaO Anh. § 177 a Rdn. 28; Riegger, BB 1983, 90, 91; Armbrüster, ZIP 1997, 261, 272; Altmeppen aaO 437, 440). Denn Drittschutz bedeutet in diesem Zusammenhang nur, dass der KG eigene Ansprüche zustehen könnten, soweit der Geschäftsleiter (Treu-)Pflichten aus dem den Drittschutz begründenden, bereits bestehenden Anstellungs- und Organverhältnis zur Komplementärin verletzt (vgl. Altmeppen aaO 437, 441; MünchKommHGB/Grunewald aaO § 165 Rdn. 14).
22
Ein - die alleinige gesetzliche Kompetenz der Aufsichtsräte der betreffenden Aktiengesellschaften beschränkendes - Recht der übrigen Gesellschafter der KG auf maßgebliche Mitwirkung (faktisches "Vetorecht") bei dem - zeitlich vorgehenden - "primären" Akt der Bestellung von Vorstandsmitgliedern zu Doppelmandatsträgern wie auch bei dem Abschluss und der Ausgestaltung der Anstellungsverträge ist indessen keinesfalls damit verbunden.
23
3. Einen Zustimmungsvorbehalt hinsichtlich der Schaffung von Doppelmandaten in der Geschäftsleitung der beiden beklagten Aktiengesellschaften kann die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Minderheitskommanditistin der G+J KG auch nicht - wie sie dies erstmals in der mündlichen Revisionsverhandlung vor dem Senat versucht hat - mit Erfolg aus dem Kommanditgesellschaftsvertrag herleiten. Dem steht bereits entgegen, dass es sich insoweit um die Einführung neuen - nicht einmal in der Revisionsbegründung enthaltenen - Tatsachenvortrags handelt, der - wie die Beklagten mit Recht gerügt haben - in der Revisionsinstanz prozessrechtlich unzulässig ist (vgl. § 559 ZPO). Überdies lässt sich aber auch aus den von dem drittinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin insbesondere herangezogenen Bestimmungen der Art. 6 Abs. 1, 2 f (Vertretung und Geschäftsführung) und Art. 9 Abs. 5 (Stimmrecht und Beschlussfassung) des - von der Klägerin in anderem Zusammenhang zu den Akten gereichten - Gesellschaftsvertrages (GV) nicht entnehmen, dass etwa die Bestellung eines Vorstandsmitglieds der Komplementär-AG zum gleichzeitigen Mitglied des Vorstands der sie und die KG beherrschenden Mehrheitskommanditistin ein Grundlagengeschäft wäre und - trotz des nach Art. 9 Abs. 5 GV für Beschlüsse nach Art. 6 Abs. 2 f geltenden Mehrheitsprinzips - unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Klägerin als Minderheitskommanditistin nach Art eines "Vetorechts" stünde.
Goette Kurzwelly Kraemer Reichart Drescher
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 17.05.2006 - 412 O 91/05 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 29.06.2007 - 11 U 141/06 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 18/09
vom
5. August 2010
in dem Spruchverfahren, an dem beteiligt sind:
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 5. August 2010 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Reichart,
Dr. Drescher, Dr. Löffler und Born

beschlossen:
Der Beschluss des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 19. Juli 2010 wird entsprechend § 319 Abs. 1 ZPO dahin berichtigt, dass es in III 3. c) (Rn. 30) Zeile 11 heißen muss: "… und dem Tag der Hauptversammlung mit siebeneinhalb Monaten bereits …" Goette Reichart Drescher Löffler Born
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 10.03.2006 - 82 O 126/05 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 09.09.2009 - I-26 W 13/06 AktE -