Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Sept. 2009 - IX ZB 81/09
vorgehend
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Satz 2 InsO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht durchgreifen.
- 2
- 1. Ein Eingreifen des Rechtsbeschwerdegerichts ist - auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 103 Abs. 1 GG - nicht veranlasst, soweit das Beschwerdegericht in Anwendung von Art. 3 Abs. 1 EuInsVO von der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte ausgegangen ist.
- 3
- Bei Kaufleuten und Freiberuflern ist nach gesicherter Rechtsauffassung bei der Bestimmung des für die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens zuständigen Gerichts auf den Ort der wirtschaftlichen oder freiberuflichen Tätigkeit des Schuldners abzustellen (BGH, Beschl. v. 22. März 2007 - IX ZB 164/06, WM 2007, 899, 901 Rn. 14). Im vorliegenden Fall ist an das Amt als Notar in München anzuknüpfen, aus dem der Schuldner erst wenige Tage vor der Antragstellung entlassen worden ist; dies machte Abwicklungsmaßnahmen erforderlich , denen notwendigerweise - zumindest teilweise - auch Außenwirkung zukam. Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Schuldner in Deutschland über Immobilienvermögen verfügt (vgl. BGH, aaO Rn. 15). Im Blick auf den am 17. September 2008 gestellten, für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit maßgeblichen (BGH, Beschl. v. 9. Februar 2006 - IX ZB 418/02, ZIP 2006, 529, 530 Rn. 7, 8) Insolvenzantrag ist die nach den eigenen Angaben des Schuldners ab dem 1. Juni 2009 in London aufgenommene Berufstätigkeit ohne Bedeutung. Angesichts dieser unstreitigen Gegebenheiten scheidet mangels einer Nichtberücksichtigung entscheidungserheblichen Vorbringens ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG aus.
- 4
- 2. Ebenso in Einklang mit Art. 103 Abs. 1 GG ist das Beschwerdegericht zu der Würdigung gelangt, dass die Gläubigerin weiterhin Inhaberin der gegen den Schuldner gerichteten Darlehensforderung ist.
- 5
- Der Verkauf und die Abtretung der Darlehensforderung wurde mit dem Erwerber F. H. mündlich in Aussicht genommen, aber ausweislich des von der Gläubigerin an ihn gerichteten Schreibens vom 25. Januar 2008 von seinem schriftlichen Einverständnis sowie dem schriftlichen Einverständnis des Schuldners abhängig gemacht. In dem an den Schuldner gerichteten Schreiben vom 14. März 2008 hat die Gläubigerin einen Verkauf "per Hand- schlag", zugleich aber die Notwendigkeit einer - nicht erfolgten - schriftlichen Bestätigung angeführt. Da der Gläubigerin mithin schriftliche Bestätigungen erteilt werden sollten, sind die Grundsätze über den Vertragsschluss aufgrund eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens unanwendbar. Bei dieser Sachlage steht die auf § 154 Abs. 2 BGB beruhende rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts in Übereinstimmung mit dem Parteivorbringen.
- 6
- 3. Soweit die Rechtsbeschwerde eine Ermessensausübung durch das Beschwerdegericht bei Anordnung der vorläufigen Maßnahme vermisst, wird ein Zulassungsgrund nicht dargetan.
Fischer Grupp
Vorinstanzen:
AG München, Entscheidung vom 19.09.2008 - 1506 IE 2963/08 -
LG München I, Entscheidung vom 05.03.2009 - 14 T 21440/08 -
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Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Sept. 2009 - IX ZB 81/09 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.
(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.
(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.
(1) Das Insolvenzgericht hat alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Gegen die Anordnung der Maßnahme steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.
(2) Das Gericht kann insbesondere
- 1.
einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen, für den § 8 Absatz 3 und die §§ 56 bis 56b, 58 bis 66 und 269a entsprechend gelten; - 1a.
einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen, für den § 67 Absatz 2, 3 und die §§ 69 bis 73 entsprechend gelten; zu Mitgliedern des Gläubigerausschusses können auch Personen bestellt werden, die erst mit Eröffnung des Verfahrens Gläubiger werden; - 2.
dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen oder anordnen, daß Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind; - 3.
Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen oder einstweilen einstellen, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind; - 4.
eine vorläufige Postsperre anordnen, für die die §§ 99, 101 Abs. 1 Satz 1 entsprechend gelten; - 5.
anordnen, dass Gegenstände, die im Falle der Eröffnung des Verfahrens von § 166 erfasst würden oder deren Aussonderung verlangt werden könnte, vom Gläubiger nicht verwertet oder eingezogen werden dürfen und dass solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden können, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind; § 169 Satz 2 und 3 gilt entsprechend; ein durch die Nutzung eingetretener Wertverlust ist durch laufende Zahlungen an den Gläubiger auszugleichen. Die Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen besteht nur, soweit der durch die Nutzung entstehende Wertverlust die Sicherung des absonderungsberechtigten Gläubigers beeinträchtigt. Zieht der vorläufige Insolvenzverwalter eine zur Sicherung eines Anspruchs abgetretene Forderung anstelle des Gläubigers ein, so gelten die §§ 170, 171 entsprechend.
(3) Reichen andere Maßnahmen nicht aus, so kann das Gericht den Schuldner zwangsweise vorführen und nach Anhörung in Haft nehmen lassen. Ist der Schuldner keine natürliche Person, so gilt entsprechendes für seine organschaftlichen Vertreter. Für die Anordnung von Haft gilt § 98 Abs. 3 entsprechend.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
2. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird zur Auslegung des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. EG Nr. L 160 vom 30. Juni 2000; im folgenden: EuInsVO) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: "Bleibt das Gericht des Mitgliedstaats, bei dem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden ist, für die Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuständig , wenn der Schuldner nach Antragstellung, aber vor der Eröffnung den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats verlegt, oder wird das Gericht des anderen Mitgliedstaats zuständig?"
Gründe:
I.
Zur Beantwortung der vorstehenden Vorlagefrage, von der die Entscheidung des Rechtsstreits abhängt, ist Art. 3 EuInsVO auszulegen. Die Verordnung ist auf Art. 61c und Art. 67 Abs. 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (im folgenden: EG) gestützt und am 31. Mai 2002 in Kraft getreten. Sie gilt in den Mitgliedstaaten unmittelbar (Art. 47 EuInsVO). Da dem Senat die Auslegung nicht offenkundig erscheint, hat er eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften einzuholen (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 234 EG).
II.
Im vorliegenden Rechtsstreit stellte die Schuldnerin, die in Form eines Einzelunternehmens einen Handel mit Telekommunikationsgeräten und Zubehör betrieb, am 6. Dezember 2001 den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Der Betrieb der Schuldnerin war bei Antragstellung bereits geschlossen. Wesentliche Vermögensgegenstände, die für eine zukünftige Insolvenzmasse zu sichern gewesen wären, konnten nicht ermittelt werden. Das Insolvenzgericht lehnte mit Beschluß vom 10. April 2002 die Eröffnung des Verfahrens mangels Masse ab. Das dagegen gerichtete Rechtsmittel der Schuldnerin, mit dem sie unter Aufhebung des Beschlusses vom 10. April 2002 die Eröffnung des Verfahrens beantragte, wurde - nach Gewährung von Wiedereinsetzung - mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß
der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen als unzulässig zurückgewiesen wurde (Beschluß des Landgerichts vom 14. August 2002 i.V.m. dem Berichtigungsbeschluß vom 15. Oktober 2003). Mit der Rechtsbeschwerde begehrt die Schuldnerin die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und die Zurückverweisung der Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht.
III.
Vor der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ist das Verfahren auszusetzen und eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu der im Beschlußtenor gestellten Frage einzuholen. Die Sachentscheidung im vorliegenden Verfahren ist abhängig von der Auslegung des Art. 3 EuInsVO.
1. Das Beschwerdegericht hat festgestellt, daß die Schuldnerin bereits am 1. April 2002 ihren Wohnsitz nach Spanien verlegt hat und dort leben und arbeiten will (Beschl. v. 14. August 2002, S. 3 Abs. 3). Diese Feststellung ist vom Rechtsbeschwerdegericht für die rechtliche Beurteilung in der Rechtsbeschwerdeinstanz zugrunde zu legen, § 577 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 559 Abs. 2 ZPO (vgl. BGH, Beschl. v. 18. September 2003 - IX ZB 40/03, z.V.b.). Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, damit habe die Schuldnerin den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen an ihrem spanischen Wohnsitz, so daß gemäß Art. 3 EuInsVO das für den (neuen) Wohnsitz der Schuldnerin zuständige spanische Gericht für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuständig sei.
Die Rechtsbeschwerde meint dagegen, für die Beurteilung der Zuständig- keit sei auf den Zeitpunkt des Eröffnungsantrages abzustellen. Da die Schuldnerin zum Zeitpunkt der Antragstellung den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Wuppertal gehabt habe, seien die deutschen Gerichte für die Eröffnung zuständig.
2. Die EuInsVO ist am 31. Mai 2002 in Kraft getreten, Art. 47. Nach dem Wortlaut von Art. 43 Satz 1 EuInsVO ist sie nur auf solche Insolvenzverfahren anzuwenden, die nach ihrem Inkrafttreten eröffnet worden sind. Damit kann nicht gemeint sein, daß sämtliche Bestimmungen der EuInsVO nur auf nach dem 31. Mai 2002 bereits eröffnete Insolvenzverfahren anwendbar sind. Denn Art. 3 EuInsVO enthält gerade Regelungen darüber, welches Gericht für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuständig ist. Gemäß Art. 43 Satz 1 EuInsVO sollen daher ersichtlich nur solche Insolvenzverfahren aus dem (zeitlichen ) Geltungsbereich der EuInsVO herausfallen, die schon vor deren Inkrafttreten eröffnet worden sind (vgl. auch Art. 44 Abs. 2 EuInsVO; vgl. ferner Virgos/Schmitt, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten zur Umsetzung des EUÜbereinkommens über Insolvenzverfahren im deutschen Recht, S. 130 Nr. 304 des erläuternden Berichtes zu dem - insoweit wörtlich übereinstimmenden - EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren vom 23.11.1995; Duursma, in: Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Europäische Insolvenzordnung, Art. 43 Rn. 2). Für die Beantwortung der Frage, ob ein Verfahren vor oder nach dem Inkrafttreten der EuInsVO eröffnet wurde, ist entsprechend Art. 16 Abs. 1 EuInsVO darauf abzustellen, wann die Entscheidung über die Verfahrenseröffnung wirksam geworden ist (Virgos/Schmitt aaO S. 131 Nr. 305; Duursma aaO Rn. 4). Wirksamkeit in diesem Sinne meint die Entfaltung von Wirkungen, die
mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden sind (Duursma-Kepplinger /Chalupsky aaO Art. 16 Rn. 11; Duursma aaO Art. 43 Rn. 13).
Im vorliegenden Verfahren ist eine positive Eröffnungsentscheidung vor dem Inkrafttreten der EuInsVO nicht getroffen worden. Das Insolvenzgericht hat mit Beschluß vom 10. April 2002 lediglich die Eröffnung des Verfahrens mangels Masse abgelehnt. Aufgrund der dagegen gerichteten Rechtsmittel der Schuldnerin war das Eröffnungsverfahren im Zeitpunkt des Inkrafttretens der EuInsVO noch anhängig. Die mit einer Eröffnung des Verfahrens nach deutschem Insolvenzrecht verbundenen Wirkungen waren folglich vor dem Inkrafttreten der EuInsVO noch nicht eingetreten. Das Eröffnungsverfahren als solches fällt nicht in den Anwendungsbereich der EuInsVO, vgl. Art. 1 Abs. 1 (Duursma aaO Art. 43 Rn. 12).
3. Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO sind für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Als Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen soll gemäß Erwägungsgrund 13 der Ort gelten, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und damit für Dritte feststellbar ist. Bei einer natürlichen Person kommt als Anknüpfungspunkt sowohl der Wohnsitz als auch der Ort in Betracht , an dem sie ihrer selbständigen oder unselbständigen Tätigkeit nachgeht (vgl. Duursma-Kepplinger aaO § 3 Rn. 19 ff; Virgos/Schmitt aaO S. 60 Nr. 75). Im vorliegenden Verfahren hat die Schuldnerin nach den bindenden Feststellungen des Beschwerdegerichts sowohl ihren Wohnsitz als auch den Ort ihrer Tätigkeit nach Spanien verlegt. Nach beiden Anknüpfungskriterien liegt der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen folglich nunmehr in Spanien. Ob
das Gericht eines Mitgliedstaats, das im Zeitpunkt des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO zuständig ist, für die Eröffnung zuständig bleibt, wenn der Schuldner vor der Eröffnung den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen in einen anderen Mitgliedstaat verlegt , regelt § 3 EuInsVO nicht ausdrücklich.
a) Für die Auffassung der Rechtsbeschwerde, daß die Zuständigkeit erhalten bleibt, könnte das im Erwägungsgrund 4 genannte Ziel sprechen, im Interesse eines ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarktes zu verhindern , daß es für die Beteiligten vorteilhafter ist, Vermögensgegenstände oder Rechtsstreitigkeiten von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu verlagern , um auf diese Weise eine verbesserte Rechtsstellung anzustreben (sogenanntes "forum shopping").
b) Dagegen läßt sich entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde den Vorschriften des Art. 4 Abs. 1 und 2 EuInsVO, nach denen sich die Regelung, unter welchen Voraussetzungen das Verfahren eröffnet wird, nach dem Recht des Mitgliedstaats richtet, in dem das Verfahren eröffnet wird, nicht entnehmen, daß deshalb das bei Antragstellung zuständige Gericht für die Eröffnung zuständig bleiben muß. Bei einem Wechsel der Zuständigkeit wäre vielmehr gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 EuInsVO für die Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Mitgliedstaats anzuwenden, in dessen Gebiet das nunmehr zuständige Gericht seinen Sitz hat. Dasselbe gilt für die Befugnis , bereits ab dem Zeitpunkt des Eröffnungsantrages Sicherungsmaßnahmen anzuordnen (vgl. Art. 25 Abs. 1 Satz 4, Art. 38 EuInsVO sowie Erwägungsgrund 16). Auch diese Befugnis könnte mit dem Wechsel der Zuständigkeit übergehen.
c) Für die Ansicht des Beschwerdegerichts, daß auf die Zuständigkeit im Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung abzustellen ist, könnte angeführt werden , daß mit der Regelung des § 3 Abs. 1 EuInsVO, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in dem Mitgliedstaat zu gestatten, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, ein Hauptinsolvenzverfahren mit universaler Geltung und mit dem Ziel, das gesamte Vermögen des Schuldners zu erfassen, eröffnet werden soll (vgl. Erwägungsgrund 12). Neben diesem Hauptinsolvenzverfahren können unter den Voraussetzungen von Art. 3 Abs. 2 und 3 EuInsVO lediglich (beschränkte) Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet werden. Wenn mit der Verlegung des Mittelpunktes der hauptsächlichen Interessen des Schuldners eine Verbringung seines gesamten oder wesentlicher Teile seines Vermögens in den anderen Mitgliedstaat verbunden ist, kann beispielsweise die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens in diesem Mitgliedstaat sinnvoll sein. Verfügt der Schuldner wie im vorliegenden Fall im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung nicht über wesentliches Vermögen, kann der Schwerpunkt des Verfahrens nach der Eröffnung in dem Mitgliedstaat liegen , in den der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen verlegt hat, wenn wie etwa nach deutschem Recht das während des Insolvenzverfahrens erlangte Vermögen zur Insolvenzmasse gehört, § 35 InsO. Von Bedeutung kann ferner sein, daß es die Abwicklung des Insolvenzverfahrens erheblich erschweren kann, wenn sich der Schuldner nicht in dem Mitgliedstaat des Insolvenzgerichts aufhält. Bei natürlichen Personen wird in der Regel die Eröffnung eines Partikular- oder Sekundärinsolvenzverfahrens nicht in Betracht kommen. Ein solches Verfahren kann gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 EuInsVO in einem anderen Mitgliedstaat, in dem der Schuldner nicht den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, nur eröffnet
werden, wenn der Schuldner dort eine Niederlassung hat. Dies wird bei natürlichen Personen gewöhnlich nicht der Fall sein.
d) Die Vorlagefrage läßt sich nicht unter Heranziehung anderer europäischer Rechtsquellen, die Regelungen zur gerichtlichen Zuständigkeit enthalten , offenkundig beantworten. Die Frage, zu welchem Zeitpunkt die eine gerichtliche Zuständigkeit begründenden Tatsachen vorliegen müssen und ob bei einer Änderung die einmal gegebene Zuständigkeit fortdauert, ist weder in der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. Nr. L 12 vom 16. Januar 2001) noch in der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten (ABl. Nr. L 160 S. 19 vom 30. Juni 2000) geregelt (vgl. Schlosser, EU-Zivilprozeßrecht 2. Aufl. Art. 2 EuGVVO Rn. 7 sowie Art. 2 EuEheVO Rn. 5; Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands - und Vollstreckungsrecht 2. Aufl. Art. 2 EuGVVO Rn. 4). Das Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (EuGVÜ) sowie das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen , geschlossen in Lugano am 16. September 1988, enthalten gleichfalls keine diesbezüglichen Regelungen (vgl. Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht Art. 2 GVÜ Rn. 111).
Kreft Ganter Raebel
Kayser Bergmann
(1) Solange nicht die Parteien sich über alle Punkte eines Vertrags geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll, ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen. Die Verständigung über einzelne Punkte ist auch dann nicht bindend, wenn eine Aufzeichnung stattgefunden hat.
(2) Ist eine Beurkundung des beabsichtigten Vertrags verabredet worden, so ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen, bis die Beurkundung erfolgt ist.