Bundesgerichtshof Beschluss, 07. März 2013 - IX ZR 64/12

bei uns veröffentlicht am07.03.2013
vorgehend
Landgericht Aachen, 8 O 551/10, 10.08.2011
Oberlandesgericht Köln, 8 U 45/11, 23.02.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 64/12
vom
7. März 2013
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel, Dr. Pape, Grupp und die Richterin
Möhring
am 7. März 2013

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. Februar 2012 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Gründe:


1
Die statthafte Nichtzulassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg, weil sie keinen Zulassungsgrund aufdeckt. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
2
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig.
3
a) Soweit der Kläger vorsorglich Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich der Abweisung von Ansprüchen aus einem selbstständigen Auskunftsvertrag zwischen dem Beklagten und dem Geschäftsführer der Schuldnerin erhoben hat, ist diese Erklärung als uneingeschränkte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde auszulegen. Als bedingte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde wäre die Erklärung auch dann unzulässig, wenn die vorsorgliche Ein- legung so verstehen ist, dass über die Nichtzulassungsbeschwerde nur für den Fall entschieden werden soll, dass die Revisionszulassung durch das Berufungsgericht nur eingeschränkt erfolgt ist. In diesem Fall verstieße die Erklärung gegen den Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit von Prozesshandlungen, die unmittelbar auf die Verfahrenslage einwirken. Diese können nicht einmal - was in Bezug auf andere Prozesshandlungen ausnahmsweise zulässig sein kann - von einer innerprozessualen Bedingung abhängig gemacht werden, sondern sind schlechthin bedingungsfeindlich (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2007 - XII ZB 80/07, NJW-RR 2008, 85 Rn. 15 mwN; BAG, NJW 1996, 2533, 2534 mwN; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., vor § 128 Rn. 266; Zöller /Greger, ZPO, Vor § 128, 29. Aufl., Rn. 20). Danach ist es unzulässig, eine Nichtzulassungsbeschwerde nur für den Fall einzulegen, dass eine eingelegte Revision unzulässig ist, weil das Berufungsgericht diese nicht zugelassen hat (vgl. BAG, aaO; BAGE 49, 244, 246).
4
b) Als Prozesshandlung unterliegt die Erklärung der Nichtzulassungsbeschwerde der Auslegung. Die verfahrensrechtliche Erklärung ist frei zu würdigen und es ist unter Heranziehung aller erkennbaren Umstände und unter Beachtung der durch die gewählten Bezeichnungen bestehenden Auslegungsgrenzen zu ermitteln, welcher Sinn der Erklärung aus objektiver Sicht beizumessen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2007, aaO Rn. 11; vom 15. März 2006 - IV ZB 38/05, NJW-RR 2006, 862, 863 mwN). Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde einerseits nur vorsorglich erfolgen sollte, andererseits jedoch im Anschluss an die Begründung der Revision eine vollständige Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde abgegeben worden ist, in der beschränkt auf den Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde eine vermeintliche Obersatzabweichung gerügt wird, mit der das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Senats abge- wichen sei. Dies spricht letztlich für eine unbedingte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde , die in jedem Fall durchgeführt werden sollte.
5
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
6
a) Das Berufungsgericht hat an den Kläger abgetretene Ansprüche aus einem im Dezember 2005 konkludent abgeschlossenen selbstständigen Auskunftsvertrag zwischen dem Zedenten und dem Beklagten aus tatsächlichen und aus rechtlichen Gründen verneint. Der Kläger habe nicht hinreichend dargelegt , dass es zum Abschluss eines solchen Vertrages gekommen sei. Der Rat, eine Rangrücktrittserklärung abzugeben, sei für die GmbH von Bedeutung gewesen und deshalb dem Mandatsverhältnis mit der Gesellschaft zuzuordnen. Für einen weitergehenden Vertragsschluss mit dem Zedenten persönlich fehlten hinreichende Anhaltspunkte.
7
b) Hiergegen wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde ohne Erfolg. Gegen die tatsächliche Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Annahme eines konkludent abgeschlossenen Auskunftsvertrags nicht dargelegt sind, wird nichts vorgebracht, was eine Zulassung der Revision erfordern könnte. Die geltend gemachte Obersatzabweichung liegt nicht vor. Das Berufungsgericht ist nicht von dem Rechtsgrundsatz abgewichen, der Berater habe im Rahmen seines Auftrags grundsätzlich von der Beratungsbedürftigkeit des Mandanten auszugehen , diesen umfassend zu beraten, auf wirtschaftliche Fehlentscheidungen hinzuweisen und vor möglichen Schäden zu bewahren (BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 - IX ZR 246/02, WM 2004, 2034, 2036 mwN). Vielmehr hat es schon den Abschluss eines Steuerberatervertrags verneint, bei dessen Erfüllung sich die Belehrungs- und Schutzbedürftigkeit des Mandanten hätte auswirken können. Gründe, die der tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts entgegenstehen könnten, sind der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu entnehmen.
8
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
Kayser Raebel Pape
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Aachen, Entscheidung vom 10.08.2011 - 8 O 551/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 23.02.2012 - 8 U 45/11 -

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Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Sept. 2007 - XII ZB 80/07

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 80/07 vom 26. September 2007 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 621 a Abs. 1, 516, 565 Die Rücknahme eines Rechtsmittels ist bedingungsfeindlich; sie kann auch nicht von

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. März 2006 - IV ZB 38/05

bei uns veröffentlicht am 15.03.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZB 38/05 vom 15. März 2006 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja _____________________ ZPO § 516 Zur eindeutigen Erklärung der Berufungsrücknahme. BGH, Beschluss vom 15. März 2006 - IV ZB 38/0
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 07. März 2013 - IX ZR 64/12.

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Bundesgerichtshof Urteil, 29. Jan. 2019 - VI ZR 117/18

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 117/18 Verkündet am: 29. Januar 2019 Holmes Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Referenzen

15
b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kommt auch eine Auslegung oder Umdeutung der Rücknahmeerklärung dahingehend, dass die Beschwerde nur für den Fall tatsächlich versäumter Begründungsfrist zurückgenommen werde, nicht in Betracht. Abgesehen davon, dass eine solche Auslegung bereits angesichts des Wortlauts der Erklärung ("nehme ich … zurück, weil …" und nicht etwa: "nehme ich … zurück, falls …") fern liegt, wäre dies, wie auch die Rechtsbeschwerde nicht verkennt, eine bedingte Rücknahme. Die Rücknahme eines Rechtsmittels ist aber bedingungsfeindlich; sie kann nicht einmal, was in Bezug auf andere Prozesshandlungen ausnahmsweise zulässig sein kann, von einer innerprozessualen Bedingung abhängig gemacht werden (Senatsbeschluss vom 26. Oktober 1989 - IVb ZB 135/88 - FamRZ 1990, 147, 148 f. m.N.). Andernfalls könnte der Rechtsmittelkläger beispielsweise seine Erklärung, das Rechtsmittel zurückzunehmen, in ein Hilfsverhältnis zu seinem Rechtsmittelantrag stellen und auf diese Weise eine ihm nachteilige rechtskraftfähige Entscheidung von vornherein vermeiden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 38/05
vom
15. März 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Zur eindeutigen Erklärung der Berufungsrücknahme.
BGH, Beschluss vom 15. März 2006 - IV ZB 38/05 - OLG Hamm
LG Münster
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke
am 15. März 2006

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 19. Juli 2005 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Streitwert: 125.000 €

Gründe:


1
I. Die Parteien streiten um die Erbberechtigung nach der 1991 verstorbenen Großmutter der Klägerin und Mutter der Drittwiderbeklagten.
2
Das Landgericht hat die Klage auf Feststellung der Alleinerbenstellung der Klägerin und Herausgabe des der Beklagten und der Drittwiderbeklagten erteilten gemeinschaftlichen Erbscheins abgewiesen. Die gegen die Klägerin gerichtete Widerklage auf Auskunft über die erzielten Mieteinnahmen aus dem Nachlassgrundstück hat es ebenfalls abgewie- sen. Der auch gegenüber der Drittwiderbeklagten erhobenen Widerklage auf Auskunftserteilung hat es stattgegeben.
3
Dagegen hat ihr damaliger gemeinsamer Prozessbevollmächtigter für die Klägerin und die Drittwiderbeklagte ("Namens der Berufungsklägerinnen" ) unter Vorlage einer Urteilsabschrift Berufung eingelegt. Im Eingang der Berufungsschrift ist die entsprechende jeweilige Parteibezeichnung mit "Klägerin, Widerbeklagte und Berufungsklägerin" bzw. mit "Drittwiderbeklagte und Berufungsklägerin" aufgeführt.
4
In einem späteren Schriftsatz hat ihr Prozessbevollmächtigter erklärt : "… nehmen wir die namens der Klägerin und Drittwiderbeklagten zur Fristwahrung eingelegte Berufung hiermit zurück."
5
Auf Rückfrage der Berichterstatterin hat er anschließend mitgeteilt, seine vorgenannte Erklärung sei so zu verstehen, "dass die Berufung namens der Drittwiderbeklagten … zurückgenommen wurde. Die Berufung für die Klägerin und Widerbeklagte … ist nicht zurückgenommen worden".
6
Anschließend hat er die Berufung der Klägerin begründet.
7
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht ihre Berufung als unzulässig verworfen, weil auch "die namens der Klägerin" eingelegte Berufung wirksam zurückgenommen worden sei. Vor dem Hintergrund der verwandten Parteibezeichnungen sei die Rücknahmeer- klärung eindeutig dahin zu verstehen, dass die Klägerin und auch die Drittwiderbeklagte gemeint gewesen seien. Der fehlende Artikel vor "Drittwiderbeklagten" begründe keine Zweifel. Die objektiv nicht veranlasste Rückfrage ändere an der eindeutigen Berufungsrücknahme nichts. Es sei unzulässig, dieser Erklärung nachträglich - im Lichte der nachfolgenden Mitteilung des Prozessbevollmächtigten - einen anderen Sinn zu geben.
8
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.
9
II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (BGHZ 151, 42, 43; 221, 223; 155, 21, 22; BGH, Beschlüsse vom 22. November 2005 - XI ZB 43/04 - in juris dokumentiert - und vom 24. Juni 2003 - VI ZB 10/03 - NJW 2003, 2991 unter II), sind nicht erfüllt.
10
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des Beschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) nicht erforderlich.
11
Zutreffend 1. geht die Rechtsbeschwerde allerdings davon aus, dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Eingreifen des Bundesgerichtshofs erfordert, wenn die angefochtene Entscheidung Verfahrensgrundrechte einer Partei - etwa auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip) - verletzt und darauf beruht (BGHZ 154, 288, 296; 159, 135, 139 f. zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).
12
2. Ein solcher Zulassungsgrund liegt hier indes nicht vor. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht der Klägerin den Zugang zur Berufungsinstanz nicht aufgrund von überspannten Anforderungen versagt (vgl. hierzu BVerfGE 41, 323, 326 ff.; 41, 332, 334 ff.; 69, 381, 385; BVerfG NJW 2001, 2161, 2162; BGHZ 151, 221, 227 f.).
13
a) Rücknahmeerklärungen unterliegen als Prozesshandlungen der uneingeschränkten Nachprüfung - auch auf ihre Auslegung hin - durch das Revisionsgericht (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 1996 - XII ZR 14/95 - FamRZ 1996, 1142 unter 2). Dieses hat verfahrensrechtliche Erklärungen frei zu würdigen und dabei unter Heranziehung aller für das Berufungsgericht erkennbaren Umstände und unter Beachtung der durch die gewählten Bezeichnungen bestehenden Auslegungsgrenzen darauf abzustellen , welcher Sinn ihnen aus objektiver Sicht beizumessen ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 1979 - VI ZR 45/78 - VersR 1979, 373 unter II und Beschluss vom 16. Juli 1998 - VII ZB 7/98 - VersR 1998, 1529 unter 2; Zöller/Gummer, ZPO 25. Aufl. § 546 Rdn. 11 m.w.N.).
14
b) Diese Nachprüfung ergibt, dass hier der Prozessbevollmächtigte auch die Rücknahme des von ihm für die Klägerin - und nicht nur des für die Drittwiderbeklagte - eingelegten Rechtsmittels erklärt hat.

15
Die Wirksamkeit einer Berufungsrücknahme setzt voraus - wovon auch das Berufungsgericht zutreffend ausgeht -, dass sie, wenn auch nicht unbedingt ausdrücklich, so doch eindeutig erklärt wird. Der Rechtsmittelführer muss klar und unzweideutig zum Ausdruck bringen, dass er das Verfahren nicht mehr fortsetzen und ohne Entscheidung des Rechtsmittelgerichts beenden will (allgemeine Ansicht, vgl. nur BGH, Beschluss vom 23. September 1987 - IVb ZB 59/86 - NJW-RR 1989, 195 unter II 2 und Urteil vom 3. April 1996 - VIII ZR 315/94 - NJW-RR 1996, 885 unter II 2; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, 2. Aufl. Aktualisierungsband § 516 Rdn. 9; Musielak/Ball, ZPO 4. Aufl. § 516 Rdn. 4). Das war hier der Fall.
16
aa) DerProzessbevollmächtigte hat namens beider Berufungsklägerinnen "Berufung" eingelegt und unter Wiederholung der in der Berufungsschrift - in Übereinstimmung mit dem Rubrum der angefochtenen Entscheidung - zutreffend wiedergegebenen beiden Parteibezeichnungen - Klägerin und Drittwiderbeklagte - auch für beide das Rechtsmittel zurückgenommen. Bereits die Angabe der Parteibezeichnungen beider Rechtsmittelführer lassen an der gebotenen Klarheit keine Zweifel aufkommen , dass auch die Rücknahmeerklärung auf beide Rechtsmittel zu beziehen ist.
17
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist dem Wortlaut des Schriftsatzes nicht zu entnehmen, dass nur "eine" Berufung zurückgenommen wurde, was dann nur die der Drittwiderbeklagten gewesen sein könne. Die Schriftsätze zur Einlegung wie zur Rücknahme führen nur die Rechtsmittelbezeichnung "Berufung" in der Einzahl auf. Für wen entsprechende prozessuale Erklärungen abgegeben werden sollten, muss sich dann notwendigerweise aus den darauf bezogenen Parteibezeichnungen ergeben. Es handelt sich - was auch die Rechtsbeschwerde nicht verkennt - um die Berufungen zweier Parteien aus verschiedenen Parteistellungen mit ganz unterschiedlichen Angriffszielen. Erst die zusätzliche Parteibenennung ermöglicht bei der gewählten Formulierung in den Schriftsätzen eine Zuordnung, die hier mit der erforderlichen Deutlichkeit bei Einlegung und Rücknahme erkennbar in gleicher Weise erfolgt ist.
18
Für eine irrtümliche Bezeichnung der Drittwiderbeklagten auch als "Klägerin" ist dem Rücknahmeschriftsatz nichts zu entnehmen. Erst recht wäre ein solcher Irrtum für Rechtsmittelgegner und Gericht nicht "ganz offensichtlich" gewesen. Nur in solchen Fällen kann nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aber in Betracht kommen, eine Rücknahme als unwirksam zu behandeln (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 1987 - IVb ZB 125/87 - BGHR ZPO § 515 Abs. 2 Erklärung 1 und 21. März 1977 - II ZB 5/77 - VersR 1977, 574; MünchKomm-ZPO/ Rimmelspacher, aaO). Dafür ist aber weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.
19
bb) Es trifft ferner nicht zu, dass bei anderer Sicht der Dinge als der der Rechtsbeschwerde überhaupt keine Berufung zurückgenommen worden wäre. Im Gegenteil macht die Annahme einer nur auf die Drittwiderbeklagte beschränkte Rücknahmeerklärung wenig Sinn, weil diese dann der Beklagten Auskunft über den Nachlass zu geben hätte, auch wenn die Klägerin mit der begehrten Feststellung ihrer Alleinerbenstellung Erfolg haben würde. Die Angriffsinteressen der Klägerin und die der Drittwiderbeklagten sind insoweit gleichgerichtet, als beide jedwede erb- rechtliche Berechtigung der Beklagten verneinen. Eine rechtskräftig festgestellte Auskunftsverpflichtung der Drittwiderbeklagten trotz fehlender Nachlassbeteiligung der Beklagten ist deswegen nicht plausibel. Der Vorwurf der Rechtsbeschwerde, das Berufungsgericht habe rechtsirrig - gleichsam nur formal - auf Parteibezeichnungen abgestellt, ist mithin nicht haltbar.
20
cc) Das wird durch den unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten noch verstärkt, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und der Drittwiderbeklagten habe ihr mit Schreiben unter dem Datum des Rücknahmeschriftsatzes erklärt, die fristwahrend eingelegte Berufung werde mit gleicher Post zurückgenommen. In einem anschließenden Telefongespräch mit ihrem Prozessvertreter habe er dann mitgeteilt, die Klägerin und ihre Mutter wollten nicht länger streiten und hätten vereinbart, eine wirtschaftliche Lösung zu erreichen.
21
Auch vor diesem Hintergrund geht die Rüge der Rechtsbeschwerde ins Leere, das Berufungsgericht habe sich rechtsirrig nur mit den Parteibezeichnungen befasst. Die erforderliche Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände lässt an der von ihm festgestellten Rücknahme beider Berufungen keine Zweifel. Die spätere anders lautende Interpretation seitens des Prozessbevollmächtigten - auf die vom Berufungsgericht zutreffend als nicht veranlasst angesehene Rückfrage seitens des Gerichts - konnte den eindeutigen Erklärungen nachträglich keinen anderen Sinn verleihen (vgl. Zöller/Greger, aaO vor § 128 Rdn. 25).
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 28.02.2005 - 11 O 452/02 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 19.07.2005 - 10 U 43/05 -