Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 31. Juli 2023 - 2 U 38/22

erstmalig veröffentlicht: 03.11.2023, letzte Fassung: 10.11.2023

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

EnglischDeutsch

Gericht

Oberlandesgericht Bamberg

Beteiligte Anwälte

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
EnglischDeutsch
Zusammenfassung des Autors

Das Oberlandesgericht Bamberg stellt mit Urteil vom 31.07.2023 im Wesentlichen fest, dass der Gutachter im Rahmen einer Sanierungsbegutachtung nach IDW S6 – Standard verpflichtet ist, auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit in einer Form hinzuweisen, welche geeignet ist den verantwortlichen Personen zur Einleitung der insolvenzrechtlich erforderlichen Maßnahmen anzuhalten. 

Zudem Stellt das OLG in seiner Entscheidung fest, dass der Begutachtungsvertrag nach IDW S6 – Standard auch Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers einer GmbH entfaltet , da dieser mit der Frage der Insolvenzreife der GmbH in gleicher Weise in Berührung kommt wie die GmbH als Auftraggeber selbst.

Amtliche Leitsätze

1. Im Rahmen einer Sanierungsbegutachtung nach IDW S6 – Standard gehört es zu den Kernanforderungen an den Gutachter, in einer Form auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinzuweisen, die geeignet ist, die verantwortlichen Personen zur Einleitung der insolvenzrechtlich erforderlichen (Eil-)Maßnahmen anzuhalten.

2. Ein Verweis des Gutachters auf die Nichterbringung von Rechts- und Steuerberaterleistungen, weil der beauftragte Gutachter weder Rechtsanwalt noch Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer ist, befreit diesen nicht von den zur Erfüllung der Pflichten nach IDW S6 zu treffenden Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.

3. Der Geschäftsführer kommt aufgrund § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. mit der Frage der Insolvenzreife der GmbH in gleicher Weise in Berührung wie die GmbH als Auftraggeber selbst, weshalb der Begutachtungsvertrag nach IDW S6 – Standard Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers entfaltet. 

4. Ein Sanierungsberater mit spezifischen Fachkenntnissen nimmt bei umfassender Beauftragung nach IDW S6 – Standard ein besonderes Vertrauen in Anspruch, wie es wirtschaftsprüfenden Professionen mit besonderem gesetzlich geregelten Haftungsregime entgegengebracht wird. Eine klauselmäßige Beschränkung dessen Haftung für eine Verletzung der zentralen Hauptpflichten auf grobe Fahrlässigkeit neben einer höhenmäßigen Beschränkung benachteiligt den Auftraggeber unbillig und ist wegen Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben gem. § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB unwirksam. 

OBERLANDESGERICHT BAMBERG

Urteil vom 31. Juli 2023 - 2 U 38/22

 

Tenor


1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 19.07.2022, Az. 61 O 16/19, abgeändert und der Beklagte verurteilt, an den Kläger 211.107,17 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.02.2019 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden zwischen den Parteien aufgehoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrags leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 425.214,34 € festgesetzt.

 

Entscheidungsgründe


I.

Die Parteien streiten über Ansprüche wegen Pflichtverletzung aus einem  Sanierungsberatervertrag.

1. Der Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der B GmbH (im Folgenden B).  Diese gehörte zusammen mit der X GmbH und der Y GmbH zur X-Firmengruppe (nachfolgend X). Geschäftsführer der B war Herr H.

Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der D GmbH (nachfolgend D). Diese beriet kleine und mittlere Unternehmen in Krisensituationen.

Im Frühjahr 2013 befand sich die X in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Auf Initiative eines Kreditgebers (U Bank AG, vormals V Bank AG, nachfolgend bezeichnet als V) sollten die wirtschaftlichen Fortführungsmöglichkeiten der X durch eine externe Begutachtung festgestellt werden. Hierzu legte die D am 25.04.2013 zunächst eine „Projektskizze“ vor (Anlage K2) betreffend die Erstellung eines Sanierungsgutachtens in Anlehnung an den IDW S6 Standard (Stand 04.10.2012). Auf der letzten Seite der Projektskizze befindet sich unmittelbar über den Unterschriften folgende Bestimmung:

„Die D erbringt keine Rechts- oder Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsleistungen. Sie wird alles unternehmen, um die beschriebenen Aufgaben erfolgreich zu erfüllen und haftet für vorsätzliche und grobe Fahrlässigkeit ihrer Berater für Vermögensschäden bis zu einer Höhe von 1 Mio. EUR. Die D verpflichtet sich, alle Informationen über den Auftraggeber und dessen Unternehmen, von denen die Berater im Rahmen des Projekts Kenntnis erhalten, streng vertraulich zu behandeln.“

Die B beauftragte die D daraufhin am 06.05.2013 mit der Erstellung eines Sanierungsgutachtens entsprechend dem in der Projektskizze vom 25.04.2013 beschriebenen Auftragsumfang. Durch die Gutachterin wurde am 06.06.2013 eine Fortbestehensprognose bereitgestellt und am 29.07.2013 eine abschließende Fortführungsprognose für die X vorgelegt (Anlage K 3). In dieser kam die D zu dem Ergebnis, dass eine drohende Zahlungsunfähigkeit aufgrund einer Liquiditätslücke von 1,3 Mio. € nur durch Sanierungsbeiträge der wirtschaftlich an der X Beteiligten verhindert werden könne. Dabei handelte es sich in erster Linie um die VM GmbH (nachfolgend VM) mit ihrem Geschäftsführer Herrn O und die V als Kreditgeber. In Verbindung mit weiteren empfohlenen Umstrukturierungsmaßnahmen kam die D zu dem Schluss, dass bei entsprechender Prolongation und Ausweitung des Engagements der Stakeholder eine positive Fortführungsprognose für die X gestellt werden konnte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 29.07.2013 verwiesen.

Nachdem trotz längerer Verhandlungen eine Einigung über die Verlängerung bzw. Ausweitung der Engagements der VM und der V bis Ende Februar 2014 nicht erreicht werden konnte, wurde aufgrund Eigenantrags der B vom 13.03.2014 mit Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – Neubrandenburg vom 16.04.2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögend der B eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Mit nicht datiertem schriftlichem Vertrag (Anlage K4) trat der Geschäftsführer der B sämtliche Freistellungs-, Regress- und sonstigen Ansprüche gegen die D, die ihm gegen diese aufgrund seiner insolvenzrechtlichen Inanspruchnahme als Geschäftsführer zustehen, an den Kläger ab. Diese Ansprüche aus abgetretenem Recht bilden den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

2. Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass der Geschäftsführer H gemäß § 64 Satz 1 GmbHG a.F. zum Ersatz masseschmälernder Zahlungen verpflichtet sei, welche die B in den Monaten Januar und Februar 2014 geleistet habe, da die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig gewesen sei. Aus den vorgelegten Zahlungseingängen und Kontoauszügen der B für diesen Zeitraum (Anlage K5, K6) ergebe sich, dass auf einem stets im Soll geführten Debetkonto der Gesellschaft Zahlungsgutschriften in Höhe von 422.214,34 Euro eingegangen seien, die dann sofort im Kontokorrent verrechnet worden seien. Tatsächlich sei die Zahlungsunfähigkeit der B bereits seit dem 01.11.2009 gegeben gewesen. Dem Geschäftsführer H stehe ein Anspruch auf Haftungsfreistellung gegen die D aus dem Sanierungsberatungsvertrag vom 06.05.2013 zu. Die D habe es versäumt, auf die Insolvenzreife der B hinzuweisen, obwohl sie hierzu bei einem Sanierungsgutachten nach IDW S6 Standard verpflichtet gewesen sei. Der Vertrag über das Sanierungsgutachten entfalte Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers, da er über § 64 GmbHG a.F. von der zu prüfenden Insolvenzreife in gleicher Weise betroffen sei wie die Gesellschaft selbst. Dieses sei der D auch bekannt gewesen. Hätte die D den Geschäftsführer H auf die Zahlungsunfähigkeit der B und damit den Eintritt der Insolvenzreife hingewiesen, hätte dieser umgehend einen Insolvenzantrag für die Gesellschaft gestellt, so dass kein weiterer Schaden entstanden wäre. Eine etwaige Untätigkeit des Geschäftsführers trotz von ihm erkannter drohender Zahlungsunfähigkeit der B stehe einer Haftung der D nicht entgegen, da sich verschiedene Verursachungsbeiträge nicht gegenseitig ausschlössen. Auch scheide insoweit ein zu berücksichtigendes Mitverschulden des Geschäftsführers aus, da dieser bei Fortführung der Geschäfte lediglich der Empfehlung der D als Gutachterin mit überlegener Sachkenntnis gefolgt sei. Die in der Projektskizze vom 25.04.2013 enthaltene Haftungsbeschränkung zugunsten der D sei unwirksam. Dies ergebe sich zumindest aus der unzulässigen Freizeichnung von der Erfüllung zentraler vertraglicher Pflichten, § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 422.214,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass die D bei der Erstellung des Sanierungsgutachtens keine vertraglichen Pflichten verletzt habe. Eine Insolvenzreife habe zum Zeitpunkt der Erstellung der Fortführungsprognose nicht vorgelegen, auf die drohende Zahlungsunfähigkeit und den hohen Liquiditätsbedarf sei deutlich hingewiesen worden. Zudem sei bei einem Sanierungsgutachten nach IDW S6 Standard keine Prüfung der Insolvenzreife des Unternehmens geschuldet. Es sei bereits in der Projektskizze darauf hingewiesen worden, dass die D keine Rechtsberatungsleistungen erbringe. Diese habe die D als reine Unternehmensberatungsgesellschaft auch rechtlich nicht erbringen dürfen. Der Sanierungsberatungsvertrag entfalte ferner keine Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers. Der Beklagte hat ferner die Auffassung vertreten, dass es jedenfalls am Kausalzusammenhang zwischen einem möglichen Beratungsfehler der D in Verbindung mit der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 und einem erst ab Januar 2014 vermeintlich eingetretenen Schaden fehle. Ein zeitlicher Zusammenhang sei nicht erkennbar. Überdies träfen den Geschäftsführer eigenständig Prüfungspflichten hinsichtlich der finanziellen Situation der Gesellschaft. Der Geschäftsführer H habe jedoch trotz auch von der D vermittelter Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit keine Schritte zur – von der D nicht geschuldeten – Prüfung der Insolvenzreife unternommen. Ihn treffe daher zumindest ein anspruchsausschließendes Mitverschulden. Die entsprechend der Projektskizze vereinbarte Haftungsbeschränkung der D sei wirksam.

3. Mit am 19.07.2022 verkündetem Endurteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es bereits an einer Einbeziehung des Geschäftsführers H in den Schutzbereich des zwischen der D und der B geschlossenen Beratungsvertrages fehle. Die vertraglich geschuldete Fortbestehens- und Fortführungsprognose habe allein den wirtschaftlichen Interessen der B gedient. Eine weitergehende Beratungspflicht in insolvenzrechtlichen Fragen sowie hinsichtlich Handlungsoptionen des Geschäftsführers habe nicht bestanden. Insoweit träfen den Geschäftsführer eigene originäre Pflichten. Die D habe zudem als reine Sanierungsberaterin keine Hinweise auf eine etwaige Insolvenzantragspflicht oder eine mögliche Haftung des Geschäftsführers nach § 64 GmbHG a.F. geben dürfen, da dies eine unzulässige Rechtsberatung nach § 3 RDG dargestellt hätte. In der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 sei die Zahlungsunfähigkeit überdies thematisiert worden, so dass eine Pflichtverletzung der D nicht erkennbar sei. Nachdem der Geschäftsführer zur eigenständigen Prüfung der Überschuldung der Gesellschaft verpflichtet sei, fehle es an dem erforderlichen Kausal- und Zurechnungszusammenhang der behaupteten Pflichtverletzung. Einen Schadenseintritt habe der Kläger nicht hinreichend dargelegt.

4. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Das Landgericht habe nach seiner Auffassung die Pflichten des Sanierungsgutachters bei der Beauftragung einer Leistung nach dem IDW S6 Standard verkannt. Geschuldet sei danach der Hinweis auf eine eingetretene Überschuldung und Insolvenzreife. Dieses stelle als zulässige Nebendienstleistung nach § 5 RDG keine unerlaubte Rechtsberatung dar. Ein Hinweis auf die Insolvenzantragspflicht sei durch die D unstreitig nicht erfolgt. Die Fortführungsprognose vom 29.07.2013 habe keine ernsthaften Zweifel an der Sanierungsfähigkeit der B aufkommen lassen, was bei tatsächlich bestehender Insolvenzreife eine Pflichtverletzung darstelle. Der Geschäftsführer der D habe in einer Zeugenaussage in einem Parallelverfahren (92 O 5/19 LG Würzburg) erklärt, dass während der Tätigkeit der D stets von Zahlungsfähigkeit ausgegangen worden sei, da andernfalls die Gutachtertätigkeit sofort hätte beendet werden müssen. Die Einbeziehung des Geschäftsführers der sanierungsbedürftigen Gesellschaft sei für die Fälle des Sanierungsberatungsvertrags nach IDW S6 Standard in der Rechtsprechung anerkannt. Die Kausalität der Pflichtverletzung der D für den eingetretenen Schaden werde durch eine eventuelle eigene Pflichtverletzung des Geschäftsführers H nicht ausgeschlossen. Ein Mitverschulden des Geschäftsführers sei zudem nicht anspruchsausschließend oder kürzend zu berücksichtigen. Dieser habe darauf vertraut, dass aufgrund der positiven Fortführungsprognose durch den Sanierungsberater keine Insolvenzantragspflicht bestanden habe. Aufgrund der fehlenden persönlichen Fachkenntnisse des Geschäftsführers in insolvenzrechtlichen Belangen bei überlegener Sachkunde des Sanierungsberaters trete ein etwaiges Mitverschulden zurück, sei aber allenfalls mit 20% anzusetzen. Die von der D verwendete Haftungsbeschränkung sei nach AGB-Grundsätzen unwirksam.

Der Kläger beantragt,

1. Das Urteil des LG Würzburg, das auf den 12.07.2022 datiert, zum Az. 61 O 16/19 wird abgeändert.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 422.214,34 € nebst Zinsen hieraus iHv fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

3. Hilfsweise wird beantragt, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Weiterhin beantragt er, dem Beklagten für den Fall der Stattgabe der Berufung im Urteil vorzubehalten, den abgetretenen Gegenanspruch des Geschäftsführers H, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den die begünstigte Gesellschaftsgläuberin im Insolvenzverfahren erhalten hätte, nach Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen. Etwa bestehende Erstattungsansprüche der Masse gegen Dritte sind Zug um Zug an den Beklagten abzutreten.

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil unter Aufrechterhaltung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Das Landgericht habe zu Recht die Voraussetzung eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter hinsichtlich des Geschäftsführers der B verneint. Im auf der Projektskizze vom 27.04.2013 beruhenden Beratungsvertrag zwischen der D und der B seien Rechtsberatungs- und Wirtschaftsprüferleistungen ausdrücklich ausgeschlossen worden. Es sei daher kein Hinweis auf eine Insolvenzantragspflicht geschuldet gewesen. Die Leistungen der D sollten lediglich in Anlehnung an den IDW S6 Standard erbracht werden. Dieser habe rechtlich keine bindende Wirkung. Nachdem jedoch das Leistungsspektrum des Beratungsvertrags bereits zwischen den Vertragsparteien abschließend vereinbart worden sei, komme eine ergänzende Heranziehung der Leistungsbestimmung nach IDW S6 nicht in Betracht. Dieses entspreche der Rechtsprechung des OLG Frankfurt (Urteil v. 29.03.2019, Az. 8 U 218/17) wie auch einem Hinweisbeschluss des 4. Senats des OLG Bamberg vom 16.12.2022 (Az. 4 U 179/22). Die D habe zudem ihre vertraglichen Pflichten nicht verletzt, da in dem Gutachten vom 29.07.2013 mit hinreichender Deutlichkeit auf eine drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit hingewiesen worden sei. Die drohende Zahlungsunfähigkeit sei auch den Vertretern der X bekannt gewesen. So habe der Geschäftsführer K der Y GmbH in seiner Vernehmung in einem Parallelverfahren (Anlage BK1) angegeben, dass mit den von der D vorgeschlagenen Maßnahmen die Deckungslücke von 1,3 Mio € und damit der Grund der Zahlungsunfähigkeit beseitigt werden sollte. Auch sei dem Zeugen die dreiwöchige Frist zur Insolvenzantragsstellung gemäß § 15a InsO bekannt gewesen. In einem Verfahren des Klägers gegen die D sei mit Urteil des OLG Bamberg vom 10.04.2019 (Az. 8 U 34/18) festgestellt worden, dass die Verantwortlichen der X-Gruppe bereits seit Juli 2013 Zahlungen in Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit erbrachten. Aus diesem Grund könne der D nicht ein erst ab Januar 2014 eingetretener Schaden aufgrund der vom Geschäftsführer pflichtwidrig unterlassenen Insolvenzantragsstellung zugerechnet werden. Jedenfalls liege aber ein ganz überwiegendes Mitverschulden des Geschäftsführers vor, da diesem im Januar 2014 bekannt war, dass die im Gutachten vom 29.07.2013 vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen noch nicht umgesetzt worden waren. Im Übrigen sei der vereinbarte Haftungsausschluss wirksam. Insbesondere habe die D nicht unzulässig ihre Haftung für verletzte Hauptleistungspflichten ausgeschlossen, da ein Hinweis auf eingetretene Zahlungsunfähigkeit und Insolvenzreife vertraglich nicht geschuldet gewesen sei.

Der Senat hat mit Beschluss vom 22.02.2023 die Parteien auf verschiedene rechtlich erhebliche Gesichtspunkte hingewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen (Bl. 187 d.A.). Weiterhin ist Beweis erhoben worden durch zeugenschaftliche Einvernahme des Geschäftsführers der B im Termin vom 17.07.2023. Hinsichtlich der Angaben des Zeugen H wird auf das Protokoll des Termins verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Feststellungen zu gerichtlichem Protokoll Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Dem Kläger steht aus abgetretenem Recht unter Berücksichtigung eines anspruchskürzenden Mitverschuldens des Geschäftsführers der B von 50% ein Zahlungsanspruch in Höhe von 211.107,17 € gemäß §§ 280 Abs. 1, 611, 675, 398 BGB zu.

1. Mit dem zwischen der B und der D mit Auftragserteilung vom 06.05.2013 geschlossenen Sanierungsberatungsvertrag wurde das vollständige Leistungsspektrum nach dem Standard IDW S6 beauftragt. Eine hiervon abweichende und abschließende Vereinbarung durch die D zu erbringender Leistungen besteht nicht. Entgegen der Auffassung des Beklagten war die D daher auch verpflichtet, die B in einer Form auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinzuweisen, die geeignet war, die verantwortlichen Personen zur Einleitung der insolvenzrechtlich erforderlichen Maßnahmen anzuhalten.

a) Grundlage des Vertrags war die Projektskizze vom 25.04.2013. Bereits in der Überschrift der Projektskizze ist angeführt, dass die Fertigung des Gutachtens in Anlehnung an den IDW S6 Standard erfolgt. Auf Seite 4 der Projektskizze ist ausgeführt, dass das Gutachten auf Wunsch des Gläubigers V dem IDW S6 Standard entsprechen soll. Unter Zugrundelegung des IDW S6 Standard (Stand 04.10.2012) ist in jedem Fall durch den Sanierungsgutachter der Hinweis auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit in einer Form geschuldet, die es dem Auftraggeber ermöglicht, die gebotenen rechtlichen Konsequenzen zu ziehen. Dieses ergibt sich aus verschiedenen Vorgaben für die Gutachtenserstellung nach IDW S6:

In Rn. 12 IDW S6 wird m Rahmen von 2.1 (Kernanforderungen an Sanierungskonzepte) auf einzuleitende Eilmaßnahmen innerhalb der 3-Wochen-Frist nach § 15a Abs. 1 InsO (i.d.F.v. 01.03.2012 bis 31.12.2020) hingewiesen. Der Sanierungsgutachter hat danach den Eintritt der Insolvenzreife im Zeitraum bis zur Fertigstellung des Gutachtens auszuschließen. Diese im „Kernbereich“ getroffenen Feststellungen muss der Gutachter bei Anlass unverzüglich dem Auftraggeber offenlegen, damit dieser bspw. die in Rn. 12 IDW S6 aufgeführten Eilmaßnahmen zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit ergreifen kann. Offenkundige Insolvenzantragspflichten wegen eingetretener Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung müssen im Zeitraum der Begutachtung bis zur Fertigstellung des Sanierungskonzepts mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen sein.

In Rn. 79, 80 IDW S6 weist bereits der Titel des Abschnitts 3.4.6 „Feststellungen zur Insolvenzreife“ eindeutig darauf hin, dass es sich um einen wesentlichen Teil des Prüfungsumfangs des Sanierungsgutachters handelt. In Rn. 79 wird ausdrücklich zwischen drohender und bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit unterschieden, da sich nur bei ersterer die Möglichkeit eines Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO (mit Wirkung v. 01.03.2012 bis 31.12.2020) eröffnet. Bereits im Rahmen der Fortbestehensprognose sind daher Feststellungen zum Umfang der Zahlungsschwierigkeiten zu treffen, da sich hier verschiedene Reaktionsmöglichkeiten des Auftraggebers ergeben können von Beschaffung frischen Kapitals bis zur erforderlichen Insolvenzantragsstellung. Dieses wird in Rn. 80 nochmals ausdrücklich klargestellt, wenn bestimmt wird: „Ergeben sich … Hinweise auf eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung, muss darauf unverzüglich aufmerksam gemacht werden, um den gesetzlichen Vertretern Gelegenheit zu geben, die gesetzlichen Konsequenzen zu ziehen…“ (vgl. auch Pape/Ott, Sanierungsgutachten, 1. Aufl., Rn. 703 ff zu den Pflichten des Sanierungsgutachters bei Feststellung der Insolvenzreife).

Für den Gutachter selbst gilt, dass er die Begutachtung zu beenden oder zu versagen hat, sobald für ihn erkennbar wird, dass eine Insolvenzantragspflicht bereits vorliegt und dennoch eine außergerichtliche Sanierung noch versucht werden soll (IDW S6 Rn. 80 a.E.).

Der Abschnitt 3.6 behandelt in Rn. 84, 85 IDW S6 die Fortführungsprognose. Diese war Gegenstand des abschließenden Gutachtens vom 29.07.2013. Es sind Feststellungen zu Zahlungsfähigkeit und Überschuldung im Fortführungszeitraum zu treffen. In Rn. 85 wird dabei ausdrücklich auf die insolvenzrechtliche Fortführungsprognose (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs InsO) verwiesen. Für die Steuerberaterhaftung wurde vom Bundesgerichtshof (Urteil v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12) ausdrücklich klargestellt, dass im Gegensatz zu den Pflichten im Rahmen eines allgemeinen Dauermandats des Steuerberaters fehlerhafte oder fehlende Feststellungen im Rahmen einer Fortführungsprognose nach § 19 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs InsO eine Haftung für hieraus folgende Schäden begründen können.

Nach IDW S6 Rn. 86 ff. hat der Gutachter auch eine handelsrechtliche Fortführungsprognose zu erarbeiten. Eine positive Prognose darf dabei nur gestellt werden, wenn weder die Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegen noch andere rechtliche oder tatsächliche Gegebenheiten der Fortführung im Prognosezeitraum entgegenstehen. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit bzw. drohender Überschuldung müssen geeignete Sanierungsmaßnahmen bereits eingeleitet oder jedenfalls in der Planung hinreichend konkretisiert sein. Ohne eine positive Fortführungsprognose (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) fehlt es an der Sanierungsfähigkeit (vgl. IDW S6 Rn. 11).

b) Einer Heranziehung der Regelungen des IDW S6 Standards steht vorliegend der Vorrang konkreter vertraglicher Bestimmungen nicht entgegen. Einerseits sind zwar entsprechend der Projektskizze nur Leistungen „in Anlehnung an“ diesen Standard vereinbart. Allerdings ist unstreitig, dass die V als eigentlicher Initiator der Beauftragung ein Gutachten nach diesem Standard als Entscheidungsgrundlage für die Fortführung ihres Kreditengagements wollte, was so auch in der Projektskizze angeführt wird. Ferner stellt die Projektskizze auch inhaltlich mit dem Verweis auf eine Fortbestehens- und Fortführungsprognose auf zentrale Bestandteile des IDW S6 ab. Andererseits findet sich in den vertraglichen Bestimmungen kein Hinweis auf eine ausdrückliche oder konkludente Einschränkung der nach IDW S6 zu erbringenden Leistungen der D. Die Projektskizze (= Gutachtensvertrag) vom 25.04.2013 (Anlage K2) führt vielmehr unter Ziff. 3, 1. Absatz ausdrücklich aus, dass ein „Sanierungsgutachten“ benötigt werde, „das dem IDW S6 Standard entspricht“. Der Verweis auf die Nichterbringung von Rechts- und Steuerberaterleistungen ist lediglich allgemeiner Natur und nimmt auf die gesetzlichen Einschränkungen aufgrund der Rechtsform der D und Qualifikation der für sie handelnden Personen Bezug. Die fehlende Befugnis nach § 3 RDG und § 3 StBerG hinderte die D nicht an den zur Erfüllung der Pflichten nach IDW S6 zu treffenden Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der B.

c) Die vom Beklagten herangezogene Entscheidung des OLG Frankfurt (Urteil v. 29.03.2019, Az. 8 U 218/17), in der dieses die Verpflichtung eines Sanierungsberaters zur Aufklärung über eine bestehende Insolvenzantragspflicht abgelehnt hat, betrifft einen anders gelagerten Sachverhalt. Der dortigen Beauftragung lag keine umfassende Beauftragung zur Erstellung eines Sanierungsgutachtens mit Fortführungsprognose nach IDW S6 zugrunde, sondern eine abschließende Aufzählung von vierzehn Leistungspunkten. Zudem hatte die Schuldnerin in dem dort entschiedenen Fall weitere Berater mit der Prüfung steuerlicher und rechtlicher Fragen beauftragt. Hingegen bejaht das OLG Köln (Beschluss v. 13.10.2021, Az. 2 U 23/21) in einer mit dem vorliegenden Fall eher vergleichbaren Konstellation (umfassende Beauftragung eines Sanierungsgutachtens nach dem Standard IDW S1) eine Aufklärungspflicht bzgl. eingetretener Insolvenzreife aufgrund der überlegenen Sachkunde des Sanierungsberaters und nimmt zugleich die Einbeziehung der gesetzlichen Vertreter der krisenbefangenen Gesellschaft in den Schutzbereich des Vertrages vor dem Hintergrund der möglichen Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung sowie der persönlichen Haftung des Geschäftsführers an.

d) Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 26.01.2017 (Az. IX ZR 285/14) die Hinweispflicht für Steuerberater im Rahmen eines allgemeinen steuerlichen Mandats deutlich verschärft. Die vom Beklagten zitierte (Schriftsatz 27.04.2023, Bl. 255 d.A) ältere Rechtsprechung (Urteil v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12) wurde insoweit ausdrücklich ausgegeben. Danach ist der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater verpflichtet zu prüfen, ob sich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm sonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten ergeben, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können. Die Frage der Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf Sanierungsberater ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Maßgeblich ist insoweit, ob die Bewertungsfrage der positiven Fortführungsprognose nach den Umständen des Einzelfalls zum Gegenstand des Auftrags gemacht worden ist. Soll der Berater sich zur Frage der Insolvenz äußern, steht dies außer Zweifel. Es ist aber davon auszugehen, dass der als Spezialist in der Unternehmenskrise zugezogene Berater typischerweise konkludent damit beauftragt wird, den wirtschaftlich gravierendsten Fall der eingetretenen Insolvenzreife ggfs. zu erforschen und darüber aufzuklären (vgl. Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, Anh. § 60 Rn. 244 m.w.N.). Da vorliegend mit der Vereinbarung des Standards IDW S6 Feststellungen zu den Voraussetzungen der möglichen Insolvenzreife ausdrücklich geschuldet wurden, ist von einer entsprechenden Hinweispflicht der D auszugehen.

2. Eine Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB der D ist gegeben. Sie hat nicht in der vertraglich geschuldeten Form auf eine bei Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit der B hingewiesen.

a) Es kann vorliegend dahinstehen, ob im Anschluss an OLG Köln (Beschluss v. 13.10.2021, Az. 2 U 23/12) ein konkreter Hinweis auf die Insolvenzantragspflicht erforderlich ist, wobei § 5 Abs. 1 RDG einen solchen Hinweis als zulässige Nebenleistung im Zuge der Sanierungsberatung rechtlich ermöglichen würde (vgl. BGH, Urteil v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12 zur Zulässigkeit beim Steuerberater/Wirtschaftsprüfer; BVerwG, Urteil v. 27.10.2004, Az. 6 C 30/03 zu Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG; Krenzler-Krenzler, RDG, 2. Aufl., § 5 Rn. 105ff m.w.N.). Allerdings weist das Sanierungsgutachten der D vom 29.07.2013 bereits nicht in einer Form auf eine Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens hin, die geeignet ist, die gesetzlichen Vertreter zur Stellung eines Insolvenzantrags zu veranlassen. Vielmehr steht das Gutachten mit einer positiven Fortbestands- und Fortführungsprognose nach § 19 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs InsO und dem Vorschlag konkreter Sanierungsmaßnahmen außerhalb der Frist des § 15a InsO (a.F.) der Einleitung des Insolvenzverfahrens entgegen. Damit war es nicht geeignet, wie geschuldet die wirtschaftliche Situation des Unternehmens in einer Weise darzustellen, die den Auftraggeber in die Lage versetzt, auch unter Berücksichtigung insolvenzrechtlicher Pflichten entsprechend zu handeln, vgl. Rn. 80 der IDW S6. In einer Gesamtbetrachtung des Gutachtens vom 29.07.2013 ist der Senat der Überzeugung, dass die D tatsächlich von noch bestehender Zahlungsfähigkeit der B ausging und dieses auch dem Auftraggeber so vermittelte. Der Geschäftsführer der D M gab in seiner Zeugenvernehmung vom 21.11.2022 im Verfahren 92 O 5/19 an (Anlage BK 1, Bl. 230 d.A.), dass das Unternehmen Y GmbH als Bestandteil der X im Dezember 2013 noch zahlungsfähig gewesen sei, da 1 Mio. € durch den Verkauf des Milchsammelgeschäfts sowie die Prolongation des Kredits der V zugeflossen sei. Näher erklärt der Zeuge: „Im Januar 2014 hatte die V dann den Kredit ultimativ bis zum 05. März 2014 prolongiert. Jetzt liefen die richtigen Probleme zu. Wenn die Geschäftsführer an dieser Stelle Herrn O unter Druck gesetzt hätten und er hätte nicht geleistet, dann hätten sie Insolvenz anmelden müssen.“ Zu beachten ist insoweit, dass die D ihre beratende Tätigkeit nach Vorlage der ersten Fortführungsprognose am 29.07.2013 fortsetzte und vom Geschäftsführer H auf Wunsch der V beauftragt wurde, diese zu überarbeiten. Eine zweite Fortführungsprognose sei nach Angaben des Zeugen M nach November 2013 erstellt worden und habe keine Liquiditätsprobleme aufgezeigt.

b) Soweit der Beklagte auf die mehrfachen Hinweise auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit und eine bestehende Liquiditätslücke von 1,3 Mio € in der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 verweist, wovon auch die gesetzlichen Vertreter der B Kenntnis gehabt hätten, führt dieses zu keinem anderen Ergebnis. Eine „drohende“ Zahlungsunfähigkeit stellt eine pauschale Darstellung dar, die nicht auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung sowie das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 15a InsO verweist. Konkret waren die Beteiligten auf Grundlage der Fortführungsprognose der D offensichtlich zu der Erkenntnis gelangt, dass die Liquidität der B durch die vorläufige Prolongation des Darlehens der V sowie die Einstandsbereitschaft des weiteren Gläubigers VM gegeben war und Eilmaßnahmen bis hin zu einer Insolvenzantragsstellung nicht geboten waren, so dass durch die D im Ergebnis die Fortführung des Unternehmens empfohlen wurde. Auch der Zeuge H als Geschäftsführer der B und damit direkter Adressat des Gutachtens hat in seiner Einvernahme durch den Senat erklärt, dass nach seinem Verständnis das Gutachten eine Fortführung des Unternehmens ohne sofortige Einleitung insolvenzrechtlicher Maßnahmen zum Ergebnis hatte.

Damit liegt – eine zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung bestehende Zahlungsunfähigkeit unterstellt (hierzu nachfolgend II. 1. d) – eine Pflichtverletzung vor. Die D hätte eine (außergerichtliche) Sanierungsfähigkeit mangels positiver Fortführungsprognose ausdrücklich verneinen müssen.

c) Soweit im unstreitigen Tatbestand des angegriffenen Endurteils festgehalten ist, dass an mehreren Stellen im Gutachten explizit auf die Zahlungsunfähigkeit hingewiesen wurde, steht § 314 ZPO nicht entgegen. Aus dem Tatbestand ergibt sich nicht, dass die D mit der erforderlichen und geschuldeten Deutlichkeit auf die Bedeutung des Vorliegens eines Insolvenzgrunds hingewiesen hat. Insoweit kommt es auf das Gesamtergebnis des Gutachtens mit seinen Handlungsempfehlungen an und nicht auf einzelne Aussagen.

d) Nach den getroffenen Feststellungen lag die Zahlungsunfähigkeit und damit Insolvenzreife der B während oder bei Abschluss der Gutachtenserstellung durch die D im Juli 2013 vor.

Insolvenzreife setzt eingetretene Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO) voraus. Zahlungsunfähigkeit und nicht nur eine vorübergehende Zahlungsstockung liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, sich innerhalb von drei Wochen die zur Begleichung der fälligen Forderungen benötigten finanziellen Mittel zu beschaffen und die Liquiditätslücke auf unter 10% zurückzuführen (std. Rspr., vgl. BGH, Urteil v. 19.12.2017, Az. II ZR 88/16 m.w.N.).

Der Kläger hat unter Vorlage eines Gutachtens der S. InsolvenzSteuerberatungsgesellschaft mbH vom 18.12.2014 (Anlage K7) eine Zahlungsunfähigkeit der B seit dem 01.11.2009 dargelegt und Sachverständigenbeweis angeboten (Bl. 6 d.A.). Der Kläger ist daher seiner Darlegungslast unter Beweisantritt nachgekommen. Der Vortrag des Beklagten zum Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Insolvenzreife der B ist hingegen nicht konsistent. Während in der Klageerwiderung vom 10.04.2019 (Bl. 15 d.A.) der Eintritt von Insolvenzreife im Juli 2013 bestritten wurde, wird in der Berufungserwiderung vom 04.10.2022 auf eine von der D im Rahmen der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 festgestellte Zahlungsunfähigkeit als Insolvenzgrund abgestellt (Bl. 171 d.A.). Das pauschale Bestreiten des Beklagten ist ferner unsubstantiiert, nachdem die von ihm vertretene Insolvenzschuldnerin (D) eigene Sachkunde und -kenntnisse besitzt. Grundlage von deren Gutachtertätigkeit waren Feststellungen zur Liquidität und Zahlungsfähigkeit der B auch unter Berücksichtigung der längerfristigen finanziellen Kennzahlen für die Vergangenheit. Es ist dem Beklagten daher ohne weiteres möglich, sich inhaltlich mit dem Vortrag des Klägers zum Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Zahlungsunfähigkeit der B auseinanderzusetzen. Im Übrigen besitzt der Beklagte auch in eigener Person als Insolvenzverwalter die hierfür erforderliche Sachkunde. Die in der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 enthaltenen Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit der B sind nicht geeignet, die Feststellungen im Gutachten in Frage zu stellen, nachdem es an einer konkreten Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen der insolvenzrechtlichen Zahlungs(un) fähigkeit fehlt.

3. Der Vertrag zwischen der B und der D über die Erbringung von Leistungen der Sanierungsberatung entfaltet Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers der B (vgl. OLG Köln, a.a.O.; dem Grunde nach für einen Steuerberater auch BGH, Beschluss v. 14.06.2012, Az. IX ZR 145/11). Ein Dritter kann dann in den Schutzbereich vertraglicher Pflichten einbezogen sein, wenn der geschützte Dritte mit der Hauptleistung des Schutzpflichtigen bestimmungsgemäß in Berührung kommt, zu dieser Leistungsnähe ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages hinzutritt und dem Schutzpflichtigen die Einbeziehung Dritter in sein vertragliches Haftungsrisiko erkennbar ist. Außerdem muss der Dritte für diese Haftungserstreckung selbst schutzwürdig sein (vgl. BGH, Beschluss v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12; Urteil v. 13.10.2011, Az. IX ZR 193/10).

Die Feststellung der Insolvenzreife eines Unternehmens ist wie dargestellt Hauptleistungspflicht des Sanierungsberatervertrags nach dem Standard IDW S6, mit welcher der Geschäftsführer aufgrund § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. erkennbar in gleicher Weise in Berührung kommt, wie der Auftraggeber selbst (bejahend auch BGH, Beschluss v. 26.01.2023, Az. III ZR 91/22). An einer Schutzbedürftigkeit des Geschäftsführers bestehen aufgrund seiner gegenüber der D unterlegenen Sachkunde sowie der drohenden Konsequenzen einer Verletzung insolvenzrechtlicher Pflichten keine Zweifel. Auch Rn. 80 der IDW S6 geht von der Einbeziehung des gesetzlichen Vertreters in den Schutzbereich des Vertrages aus, da diesem durch eine Information über die (drohende) Zahlungsfähigkeit ausdrücklich die Möglichkeit gegeben werden soll, die gebotenen rechtlichen Konsequenzen zu ziehen (bejahend auch Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1201).

4. Gegen den Geschäftsführer der B bestehen aufgrund masseschmälernder Leistungen gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 Abs. 1 GmbHG n.F.) Ansprüche in Höhe von 422.214,34 €, die einen als Schaden geltend zu machenden an den Kläger abgetretenen Freistellungsanspruch gegen den Beklagten begründen.

a) Die Darstellung des Schadens durch den Kläger ist schlüssig und vom Beklagten lediglich pauschal bestritten (Bl. 21 d.A.). Die sofortige Sollbuchung sich aus der Anlage K5 ergebender eingehender Zahlungen innerhalb des Kontokorrentkontos stellte sich jeweils als Zahlung der B an die kontoführende U Bank AG entsprechend § 64 GmbHG a.F. dar, die nach Eintritt der Insolvenzreife eine Geschäftsführerhaftung auslöst. Der Einzug von Forderungen einer insolvenzreifen GmbH auf ein debitorisches Konto ist nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich eine masseschmälernde Zahlung im Sinn von § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 Satz 1 GmbHG nF), weil dadurch das Aktivvermögen der Gesellschaft zu Gunsten der Bank geschmälert wird (vgl. nur BGH, Urteil v. 23.06.2015, Az. II ZR 366/13 = BGHZ 206, 52 m.w.N.).

b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist eine tatsächlich erfolgte Inanspruchnahme des Geschäftsführers H, der seine Ansprüche gegen die D wirksam an den Kläger abgetreten hat, nicht erforderlich. Die drohende Inanspruchnahme des Geschäftsführers nach § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. begründete zunächst einen gegen die D gerichteten Freistellungsanspruch des Geschäftsführers H, der sich erst mit der Abtretung an den Kläger in einen Zahlungsanspruch umwandelte (vgl. jurisPK-BGB-Rosch, 10. Aufl., § 399 Rn. 11 m.w.N.).

c) Die im unterlassenen Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit begründete Pflichtverletzung der D war auch kausal für diesen eingetretenen Schaden.

Der Beklagte hat die Kausalität unter Hinweis auf die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten bestritten, die dem Geschäftsführer nach Vorlage der Fortführungsprognose im Juli 2013 offenstanden, dieses auch für den Fall der Insolvenzreife (Klageerwiderung v. 10.04.2019, Bl. 16, 27 d.A.). Ein Anscheinsbeweis für ein beratungsgerechtes Verhaltens besteht nicht, da bei einem Hinweis auf eine Überschuldung der Gesellschaft verschiedene Maßnahmen in Betracht kommen, um eventuell auch eine sofortige Insolvenzantragstellung zu vermeiden, wie etwa die Zuführung frischen Kapitals (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, Az. IX ZR 204/12; Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1241).

Der Kläger hat jedoch den entsprechenden Kausalitätsnachweis geführt. Der Zeuge H als zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichteter Geschäftsführer der B hat nachvollziehbar und glaubwürdig angegeben, dass er mit der Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 sofort die Insolvenz des Unternehmens angemeldet hätte, falls in dem Gutachten auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit hingewiesen worden wäre. Dieses hätte er bereits aus Gründen des Eigenschutzes aufgrund der ihm bekannten Geschäftsführerhaftung gemacht.

Der Senat hat keine Zweifel an diesen Angaben des Zeugen. Dafür, dass der Zeuge H trotz ausdrücklicher gutachterlicher Feststellung der Zahlungsunfähigkeit und außergerichtlicher Sanierungsunfähigkeit mangels positiver Fortführungsprognose die zeitnahe Stellung eines Insolvenzantrags unterlassen hätte, sind weder vom Beklagten nachvollziehbare Anhaltspunkte dargelegt worden, noch sind diese sonst ersichtlich. Durch eine Insolvenzantragsstellung zeitnah zur Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 wären die eine Geschäftsführerhaftung begründenden Zahlungen der B im Januar/Februar 2014 nicht erfolgt.

Die Frage der Kenntnis der gesetzlichen Vertreter der B und damit des Zeugen H von deren (drohender) Zahlungsunfähigkeit und der Verpflichtung der gesetzlichen Vertreter zur eigenständigen Prüfung der Voraussetzung nach § 15a InsO ist hingegen für die Kausalität unerheblich. Bei der Feststellung der Kausalität ist lediglich die pflichtwidrige Handlung wegzudenken. Hingegen dürfen weitere hypothetische Umstände nicht hinzugedacht werden dürfen (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, IX ZR 204/12).

5. Der Anspruch des Klägers ist jedoch aufgrund Mitverschuldens des Geschäftsführers der B als Zedenten um 50% zu kürzen. Die Berufung ist daher zurückzuweisen, soweit ein über 211.107,17 € hinausgehender Anspruch geltend gemacht wird.

Der Schadensersatzanspruch kann aufgrund eines Mitverschuldens des Geschäftsführers (§ 254 Abs. 1 BGB) erheblich gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen sein (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, Az. IX ZR 204/12). Den Geschäftsführer einer GmbH trifft die Pflicht, sich stets über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft zu vergewissern. Hierzu gehört insbesondere die Prüfung der Insolvenzreife. Bei Anzeichen einer Krise hat er sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen. Der Geschäftsführer handelt fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die Kenntnisse verschafft, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss. Sofern er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügt, muss er sich gegebenenfalls fachkundig beraten lassen (vgl. BGH, Versäumnisurteil v. 19.06.2012, Az. II ZR 243/11 m.w.N.).

a. Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Berater, der seine Vertragspflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte verletzt hat, gegenüber dem Ersatzanspruch des Geschädigten regelmäßig nicht geltend machen, diesen treffe deshalb ein Mitverschulden, weil er der Auskunft vertraut und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe (BGH, Urteil v. 07.12.2006, Az. IX ZR 37/04 m.w.N.). Dementsprechend darf sich selbst ein Auftraggeber mit einschlägiger Vorbildung auf eine einwandfreie Vertragserfüllung durch den Berater verlassen (BGH, Urteil v. 18.12.1997, Az. IX ZR 153/96; Steuerberaterhaftung). Ist der Berater mit der Sanierungsberatung, der Erstellung eines Sanierungskonzepts oder sogar explizit mit der Prüfung der Insolvenzreife beauftragt und erteilt er im Rahmen dessen falsche Auskünfte zur Insolvenzreife, darf der Geschäftsführer in aller Regel auf diesen Rat vertrauen, weil er die (interne) Prüfungspflicht dem mandatierten Berater anvertraut hat. Ein der Gesellschaft zuzurechnendes Mitverschulden der Geschäftsführer für eine verspätete Insolvenzantragsstellung wird in diesen Fällen daher zumeist ausscheiden (vgl. Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1252 m.w.N.).

Dies gilt zunächst auch im vorliegenden Fall. Da Feststellungen zur Fortführungsfähigkeit der B in Abgrenzung zur Insolvenzreife Hauptleistungspflicht des Beratervertrags der D war, kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass die gesetzlichen Vertreter der B daneben die Insolvenzreife auch eigenständig zu prüfen hatten. Ein Mitverschulden des Geschäftsführers H kann daher nicht damit begründet werden, dass er nach Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 den in diesem enthaltenen Empfehlungen zur Fortführung des Unternehmens folgte, aus denen sich ergab, dass die D nicht von der Insolvenzreife der B ausging.

b. Allerdings kann der Mitverschuldenseinwand auf das weitere Untätigbleiben des Geschäftsführers H bis zur Stellung des Insolvenzantrags am 13.03.2014 gestützt werden. Der Beklagte bezieht sich insoweit auf die Nichtumsetzung der im Gutachten vom 29.07.2013 beschriebenen Maßnahmen. Nachdem eine Umsetzung zeitnah nicht erfolgt sei, habe die B bei bekannter drohender Zahlungsunfähigkeit aufgrund der Liquiditätslücke externen Rechtsrat einholen müssen.

(1) Grundsätzlich kann der Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Beraters und dem entstandenen Schaden unterbrochen sein, wenn die Verluste nicht auf der Fortsetzung der üblichen Geschäftstätigkeit, sondern auf der Eingehung wirtschaftlich nicht vertretbarer Risiken beruhen. Dieses kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn die Geschäftsführer die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten haben, weil die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, deutlich überspannt worden ist oder das Verhalten des Geschäftsleiters aus anderen Gründen als unvertretbar gelten muss (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, Az. IX ZR 204/12; Pape/Opp a.a.O., Rn. 1247).

Hiergegen spricht vorliegend, dass in dem Fortführungsgutachten keine konkrete zeitliche Vorgabe für die Umsetzung der Sanierungsvorschläge enthalten war. Neben grundsätzlichen Umstrukturierungsmaßnahmen für die X sollte die Liquiditätsproblematik vor allem durch drei Maßnahmen beseitigt werden – die Veräußerung des Milchsammelgeschäfts für 500.000,00 €, die langfristige Prolongation des Darlehensrahmens der V von 500.000,00 € sowie ein weiteres finanzielles Engagement der VM in Höhe von 300.000,00 €. Ausweislich der Feststellungen im vorgelegten Urteil des OLG Bamberg vom 10.04.2019 (Az. 8 U 34/18, Anlage K11) sowie den Angaben des vormaligen Geschäftsführers der D in seiner Einvernahme vom 21.11.2022 im Verfahren 92 O 5/19 vor dem Landgericht Würzburg wurden die Mittel aus der Veräußerung des Milchsammelgeschäfts Anfang 2014 realisiert, während über die Sanierungsbeiträge der beiden Hauptgläubiger der B laufende Verhandlungen bis ins Jahr 2014 hinein stattfanden. Aus den nicht bestrittenen Angaben des vormaligen Geschäftsführers ergibt sich ferner, dass die D nach Abgabe der Fortführungsprognose im Juli 2013 den Sanierungsprozess weiter begleitete und nach November 2013 eine zweite Fortführungsprognose ohne das Milchsammelgeschäft erstellte. Es ist daher nicht ersichtlich, dass sich bis Januar 2014 für die gesetzlichen Vertreter der B eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder ein sicheres Scheitern des fortlaufend von der D begleiteten Sanierungsprozesses abzeichnete.

(2) Ein nicht unerhebliches Mitverschulden des Geschäftsführers der B ergibt sich hingegen aus dem Umstand, dass nach eigenem Vortrag des Klägers die B bereits seit dem 01.11.2009 ununterbrochen zahlungsunfähig war, ohne dass ersichtlich ist, dass seitens ihrer gesetzlichen Vertreter Schritte zur Feststellung der finanziellen Gesamtsituation sowie erforderlicher insolvenzrechtlicher Schritte unternommen wurden. Dieses geschah erst auf Forderung eines Hauptgläubigers (V) mit der Beauftragung der D im Frühjahr 2013 und damit etwa 3,5 Jahre nach dem klägerseits behaupteten Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. Hieraus folgt eine maßgebliche Verletzung der Pflichten des Geschäftsführers zur Beobachtung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens sowie zur Ergreifung der erforderlichen Maßnahmen, einschließlich der zeitnahen Heranziehung wirtschaftlicher und rechtlicher Expertise. Zwar sind Gegenstand der Klage vorliegend Schäden, die erst nach Beauftragung der D und deren Auskunftserteilung eingetreten sind (vgl. Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1255). Allerdings bestand seitens der gesetzlichen Vertreter auch nach Fertigstellung des Gutachtens im Juli 2013 dringende Veranlassung, weiter eigenständig Feststellungen zur insolvenzrechtlich relevanten Finanzsituation der B zu treffen, da die Fortführungsprognose erkennbar nicht geeignet war, diese Fragen abschließend zu beantworten. So enthielt das Gutachten weder eine eindeutige und begründete verneinende Aussage zur Insolvenzreife des Unternehmens noch Angaben zu einzuhaltenden Fristen bei der Umsetzung der vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen. Vor dem Hintergrund der den gesetzlichen Vertretern der B spätestens seit der Vorlage des Gutachtens bekannten Liquiditätslücke von 1,3 Mio. € sowie der seit Jahren bestehen wirtschaftlichen Schwierigkeiten bis hin zum teilweisen Ausfall der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen wären die gesetzlichen Vertreter verpflichtet gewesen, jedenfalls durch das Verlangen nach einer Ergänzung des Gutachtens gegenüber der D eine Klarstellung im Hinblick auf die aktuelle und nahe zukünftige insolvenzrechtliche Lage des Unternehmens zu erlangen.

Das Landgericht Aachen (Urteil v. 14.04.2021, Az. 11 O 241/17, insoweit bestätigt durch OLG Köln, Beschluss v. 13.10.2021, Az. 2 U 23/21) hat aufgrund der eigenen Prüfpflichten des Geschäftsführers bei Kenntnis der kritischen Liquidität der Gesellschaft und Insolvenzreife weit vor Beauftragung des Sanierungsgutachters ein Mitverschulden von 70% angenommen. Abweichend zum vorliegenden Fall war in der dortigen Konstellation jedoch ein Hinweis des Sanierungsberaters erfolgt, die mögliche Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung durch einen Dritten überprüfen zu lassen. Zudem lagen Indizien vor, dass dem Geschäftsführer die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft bekannt war. Vorliegend erachtet der Senat unter Berücksichtigung sämtlicher dem Geschäftsführer H bekannten Umstände im Hinblick auf die wirtschaftliche Krise der B die Annahme eines hälftigen Mitverschuldens als angemessen.

6. Die Haftungsbeschränkung der D in der zum Gegenstand des Vertrags gemachten Projektskizze vom 25.04.2013 ist gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB unwirksam.

Eine Beschränkung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit neben einer höhenmäßigen Beschränkung für eine Verletzung der zentralen Hauptpflichten ist in Gestaltungen der Inanspruchnahme eines durch höhere Sachkenntnis begründeten besonderen Vertrauens zumindest sehr problematisch (vgl. bspw. OLG Düsseldorf, Urteil v. 21.04.2009, Az. I-24 U 27/08 [Wirtschaftsprüfer]; insgesamt MüKo/BGB-Wurmnest, 9. Aufl., § 307 Rn. 150 ff. m.w.N.). Daher ist ein vertraglicher Haftungsausschluss bei Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern gesetzlich ausgeschlossen (vgl. § 52 BRAO, § 67a StBerG, § 323 Abs. 4 HGB). Vorliegend nahm die D als Sanierungsberaterin angesichts der umfassenden und ausschließlichen Beauftragung nach Standard IDW S6 ein besonderes Vertrauen in Anspruch. Es handelte sich bei der D um eine am Markt etablierte Beratungsgesellschaft in ständiger Geschäftsbeziehung zur Gläubigerin V. Die Gutachtenserstellung erfolgte arbeitsteilig durch mehrere Mitarbeiter mit offenbar spezifischen Fachkenntnissen. Es ist daher gerechtfertigt, das Haftungsregime dem gesetzlich geregelter wirtschaftsprüfender Professionen anzunähern. Eine Freizeichnung würde jedenfalls hinsichtlich der im konkreten Fall verletzten vertraglichen Hauptpflichten die Auftraggeberin entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben unbillig benachteiligen (vgl. Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1288 f für die Verletzung von Kardinalpflichten unter Verweis auf entsprechende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).

7. Ein Gegenanspruch des Beklagten auf Abtretung eines vorzubehaltenden Anspruchs des Geschäftsführers der B auf Berücksichtigung einer Insolvenzquote der begünstigten Gesellschaftsgläubiger kann eine entsprechende Zug-um-Zug-Verurteilung des Klägers nicht begründen.

a) Um eine ungerechtfertigte Bereicherung der Insolvenzmasse zu verhindern, ist dem gemäß § 64 GmbHG verurteilten Geschäftsführer grundsätzlich von Amts wegen vorzubehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbetrages an die Masse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen (BGH, Urteil v. 08.01.2001, Az. II ZR 88/99 = BGHZ 146, 264, 279; Urteil v. 11.07.2005, Az. II ZR 235/03; Beschluss v. 19.02.2013, Az. II ZR 296/12). Hierdurch wird im Verhältnis vom Geschäftsführer zu der in der Insolvenz befindlichen Gesellschaft dem Umstand Rechnung getragen, dass sich der der Gesellschaft verbleibende Schaden im Ergebnis aus den um die Insolvenzquote des begünstigten Gläubigers verminderten masseschmälernden Leistungen ergibt, es sich mithin um einen einheitlichen Vorgang der Schadensermittlung handelt.

b) Abweichend hiervon ist Gegenstand der Klage aus abgetretenem Recht vorliegend der gegen einen Dritten gerichtete Freistellungsanspruch hinsichtlich der Geschäftsführerhaftung gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. Der Gegenanspruch des Geschäftsführers auf Berücksichtigung der Insolvenzquote des begünstigten Gesellschaftsgläubigers besteht daher nicht unmittelbar in der Person des Beklagten als Insolvenzverwalter der D, sondern ist diesem erst – wie auch von dem Beklagten geltend gemacht – im Wege der Abtretung zu übertragen, um ihn dann dem Kläger entgegen halten zu können. Es handelt sich somit nicht um die Feststellung eines einheitlichen Schadens in einem Schuldverhältnis. Vielmehr hat der Beklagte erstmals im Termin vom 17.07.2023 aufgrund eines bestehenden Anspruchs auf Abtretung des gegen den Kläger vorzubehaltenden Anspruchs des Geschäftsführers ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht, § 273 Abs. 1 BGB. Hiermit ist der Beklagte jedoch präkludiert, §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 530, 531 Abs. 2 ZPO. Der Kläger ist Vortrag des Beklagten hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen des Gegenanspruchs entgegen getreten. Gründe für die ausnahmsweise Zulässigkeit der verspäteten Geltendmachung der Einrede gemäß § 531 Abs. 2 ZPO sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

8. Die Entscheidung zu den Zinsen beruht auf § 291, § 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO aufgrund des jeweils hälftigen Obsiegens der Parteien.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Bei dem Urteil des Senats handelt sich um eine auf Bewertung von Tatsachen beruhende Einzelfallentscheidung, die keine rechtsgrundsätzlichen Fragen aufwirft.

9. Der Streitwert bestimmt sich nach dem bezifferten Zahlungsantrag des Klägers zuzüglich des zuletzt geltend gemachten Gegenrechts des Beklagten, welches der Senat mit 3.000,00 € bemisst (vgl. insoweit BGH, Beschluss v. 19.02.2013, Az. II ZR 296/12).

 

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 31. Juli 2023 - 2 U 38/22

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Steuerberatungsgesetz - StBerG | § 3 Befugnis zu unbeschränkter Hilfeleistung in Steuersachen


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Handelsgesetzbuch - HGB | § 252 Allgemeine Bewertungsgrundsätze


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Rechtsdienstleistungsgesetz - RDG | § 3 Befugnis zur Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen


Die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen ist nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird.

Handelsgesetzbuch - HGB | § 323 Verantwortlichkeit des Abschlußprüfers


(1) Der Abschlußprüfer, seine Gehilfen und die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft sind zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung und zur Verschwiegenheit verpflichtet; gesetzliche Mitteilungspflichten b

Insolvenzordnung - InsO | § 270b Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung


(1) Das Gericht bestellt einen vorläufigen Sachwalter, auf den die §§ 274 und 275 anzuwenden sind (vorläufige Eigenverwaltung), wenn 1. die Eigenverwaltungsplanung des Schuldners vollständig und schlüssig ist und2. keine Umstände bekannt sind, aus de

Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO | § 52 Vertragliche Begrenzung von Ersatzansprüchen


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Steuerberatungsgesetz - StBerG | § 67a Vertragliche Begrenzung von Ersatzansprüchen


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Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 31. Juli 2023 - 2 U 38/22

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Referenzen

OBERLANDESGERICHT BAMBERG

Urteil vom 31. Juli 2023 - 2 U 38/22

 

Tenor


1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 19.07.2022, Az. 61 O 16/19, abgeändert und der Beklagte verurteilt, an den Kläger 211.107,17 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.02.2019 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden zwischen den Parteien aufgehoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrags leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 425.214,34 € festgesetzt.

 

Entscheidungsgründe


I.

Die Parteien streiten über Ansprüche wegen Pflichtverletzung aus einem  Sanierungsberatervertrag.

1. Der Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der B GmbH (im Folgenden B).  Diese gehörte zusammen mit der X GmbH und der Y GmbH zur X-Firmengruppe (nachfolgend X). Geschäftsführer der B war Herr H.

Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der D GmbH (nachfolgend D). Diese beriet kleine und mittlere Unternehmen in Krisensituationen.

Im Frühjahr 2013 befand sich die X in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Auf Initiative eines Kreditgebers (U Bank AG, vormals V Bank AG, nachfolgend bezeichnet als V) sollten die wirtschaftlichen Fortführungsmöglichkeiten der X durch eine externe Begutachtung festgestellt werden. Hierzu legte die D am 25.04.2013 zunächst eine „Projektskizze“ vor (Anlage K2) betreffend die Erstellung eines Sanierungsgutachtens in Anlehnung an den IDW S6 Standard (Stand 04.10.2012). Auf der letzten Seite der Projektskizze befindet sich unmittelbar über den Unterschriften folgende Bestimmung:

„Die D erbringt keine Rechts- oder Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsleistungen. Sie wird alles unternehmen, um die beschriebenen Aufgaben erfolgreich zu erfüllen und haftet für vorsätzliche und grobe Fahrlässigkeit ihrer Berater für Vermögensschäden bis zu einer Höhe von 1 Mio. EUR. Die D verpflichtet sich, alle Informationen über den Auftraggeber und dessen Unternehmen, von denen die Berater im Rahmen des Projekts Kenntnis erhalten, streng vertraulich zu behandeln.“

Die B beauftragte die D daraufhin am 06.05.2013 mit der Erstellung eines Sanierungsgutachtens entsprechend dem in der Projektskizze vom 25.04.2013 beschriebenen Auftragsumfang. Durch die Gutachterin wurde am 06.06.2013 eine Fortbestehensprognose bereitgestellt und am 29.07.2013 eine abschließende Fortführungsprognose für die X vorgelegt (Anlage K 3). In dieser kam die D zu dem Ergebnis, dass eine drohende Zahlungsunfähigkeit aufgrund einer Liquiditätslücke von 1,3 Mio. € nur durch Sanierungsbeiträge der wirtschaftlich an der X Beteiligten verhindert werden könne. Dabei handelte es sich in erster Linie um die VM GmbH (nachfolgend VM) mit ihrem Geschäftsführer Herrn O und die V als Kreditgeber. In Verbindung mit weiteren empfohlenen Umstrukturierungsmaßnahmen kam die D zu dem Schluss, dass bei entsprechender Prolongation und Ausweitung des Engagements der Stakeholder eine positive Fortführungsprognose für die X gestellt werden konnte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 29.07.2013 verwiesen.

Nachdem trotz längerer Verhandlungen eine Einigung über die Verlängerung bzw. Ausweitung der Engagements der VM und der V bis Ende Februar 2014 nicht erreicht werden konnte, wurde aufgrund Eigenantrags der B vom 13.03.2014 mit Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – Neubrandenburg vom 16.04.2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögend der B eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Mit nicht datiertem schriftlichem Vertrag (Anlage K4) trat der Geschäftsführer der B sämtliche Freistellungs-, Regress- und sonstigen Ansprüche gegen die D, die ihm gegen diese aufgrund seiner insolvenzrechtlichen Inanspruchnahme als Geschäftsführer zustehen, an den Kläger ab. Diese Ansprüche aus abgetretenem Recht bilden den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

2. Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass der Geschäftsführer H gemäß § 64 Satz 1 GmbHG a.F. zum Ersatz masseschmälernder Zahlungen verpflichtet sei, welche die B in den Monaten Januar und Februar 2014 geleistet habe, da die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig gewesen sei. Aus den vorgelegten Zahlungseingängen und Kontoauszügen der B für diesen Zeitraum (Anlage K5, K6) ergebe sich, dass auf einem stets im Soll geführten Debetkonto der Gesellschaft Zahlungsgutschriften in Höhe von 422.214,34 Euro eingegangen seien, die dann sofort im Kontokorrent verrechnet worden seien. Tatsächlich sei die Zahlungsunfähigkeit der B bereits seit dem 01.11.2009 gegeben gewesen. Dem Geschäftsführer H stehe ein Anspruch auf Haftungsfreistellung gegen die D aus dem Sanierungsberatungsvertrag vom 06.05.2013 zu. Die D habe es versäumt, auf die Insolvenzreife der B hinzuweisen, obwohl sie hierzu bei einem Sanierungsgutachten nach IDW S6 Standard verpflichtet gewesen sei. Der Vertrag über das Sanierungsgutachten entfalte Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers, da er über § 64 GmbHG a.F. von der zu prüfenden Insolvenzreife in gleicher Weise betroffen sei wie die Gesellschaft selbst. Dieses sei der D auch bekannt gewesen. Hätte die D den Geschäftsführer H auf die Zahlungsunfähigkeit der B und damit den Eintritt der Insolvenzreife hingewiesen, hätte dieser umgehend einen Insolvenzantrag für die Gesellschaft gestellt, so dass kein weiterer Schaden entstanden wäre. Eine etwaige Untätigkeit des Geschäftsführers trotz von ihm erkannter drohender Zahlungsunfähigkeit der B stehe einer Haftung der D nicht entgegen, da sich verschiedene Verursachungsbeiträge nicht gegenseitig ausschlössen. Auch scheide insoweit ein zu berücksichtigendes Mitverschulden des Geschäftsführers aus, da dieser bei Fortführung der Geschäfte lediglich der Empfehlung der D als Gutachterin mit überlegener Sachkenntnis gefolgt sei. Die in der Projektskizze vom 25.04.2013 enthaltene Haftungsbeschränkung zugunsten der D sei unwirksam. Dies ergebe sich zumindest aus der unzulässigen Freizeichnung von der Erfüllung zentraler vertraglicher Pflichten, § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 422.214,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass die D bei der Erstellung des Sanierungsgutachtens keine vertraglichen Pflichten verletzt habe. Eine Insolvenzreife habe zum Zeitpunkt der Erstellung der Fortführungsprognose nicht vorgelegen, auf die drohende Zahlungsunfähigkeit und den hohen Liquiditätsbedarf sei deutlich hingewiesen worden. Zudem sei bei einem Sanierungsgutachten nach IDW S6 Standard keine Prüfung der Insolvenzreife des Unternehmens geschuldet. Es sei bereits in der Projektskizze darauf hingewiesen worden, dass die D keine Rechtsberatungsleistungen erbringe. Diese habe die D als reine Unternehmensberatungsgesellschaft auch rechtlich nicht erbringen dürfen. Der Sanierungsberatungsvertrag entfalte ferner keine Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers. Der Beklagte hat ferner die Auffassung vertreten, dass es jedenfalls am Kausalzusammenhang zwischen einem möglichen Beratungsfehler der D in Verbindung mit der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 und einem erst ab Januar 2014 vermeintlich eingetretenen Schaden fehle. Ein zeitlicher Zusammenhang sei nicht erkennbar. Überdies träfen den Geschäftsführer eigenständig Prüfungspflichten hinsichtlich der finanziellen Situation der Gesellschaft. Der Geschäftsführer H habe jedoch trotz auch von der D vermittelter Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit keine Schritte zur – von der D nicht geschuldeten – Prüfung der Insolvenzreife unternommen. Ihn treffe daher zumindest ein anspruchsausschließendes Mitverschulden. Die entsprechend der Projektskizze vereinbarte Haftungsbeschränkung der D sei wirksam.

3. Mit am 19.07.2022 verkündetem Endurteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es bereits an einer Einbeziehung des Geschäftsführers H in den Schutzbereich des zwischen der D und der B geschlossenen Beratungsvertrages fehle. Die vertraglich geschuldete Fortbestehens- und Fortführungsprognose habe allein den wirtschaftlichen Interessen der B gedient. Eine weitergehende Beratungspflicht in insolvenzrechtlichen Fragen sowie hinsichtlich Handlungsoptionen des Geschäftsführers habe nicht bestanden. Insoweit träfen den Geschäftsführer eigene originäre Pflichten. Die D habe zudem als reine Sanierungsberaterin keine Hinweise auf eine etwaige Insolvenzantragspflicht oder eine mögliche Haftung des Geschäftsführers nach § 64 GmbHG a.F. geben dürfen, da dies eine unzulässige Rechtsberatung nach § 3 RDG dargestellt hätte. In der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 sei die Zahlungsunfähigkeit überdies thematisiert worden, so dass eine Pflichtverletzung der D nicht erkennbar sei. Nachdem der Geschäftsführer zur eigenständigen Prüfung der Überschuldung der Gesellschaft verpflichtet sei, fehle es an dem erforderlichen Kausal- und Zurechnungszusammenhang der behaupteten Pflichtverletzung. Einen Schadenseintritt habe der Kläger nicht hinreichend dargelegt.

4. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Das Landgericht habe nach seiner Auffassung die Pflichten des Sanierungsgutachters bei der Beauftragung einer Leistung nach dem IDW S6 Standard verkannt. Geschuldet sei danach der Hinweis auf eine eingetretene Überschuldung und Insolvenzreife. Dieses stelle als zulässige Nebendienstleistung nach § 5 RDG keine unerlaubte Rechtsberatung dar. Ein Hinweis auf die Insolvenzantragspflicht sei durch die D unstreitig nicht erfolgt. Die Fortführungsprognose vom 29.07.2013 habe keine ernsthaften Zweifel an der Sanierungsfähigkeit der B aufkommen lassen, was bei tatsächlich bestehender Insolvenzreife eine Pflichtverletzung darstelle. Der Geschäftsführer der D habe in einer Zeugenaussage in einem Parallelverfahren (92 O 5/19 LG Würzburg) erklärt, dass während der Tätigkeit der D stets von Zahlungsfähigkeit ausgegangen worden sei, da andernfalls die Gutachtertätigkeit sofort hätte beendet werden müssen. Die Einbeziehung des Geschäftsführers der sanierungsbedürftigen Gesellschaft sei für die Fälle des Sanierungsberatungsvertrags nach IDW S6 Standard in der Rechtsprechung anerkannt. Die Kausalität der Pflichtverletzung der D für den eingetretenen Schaden werde durch eine eventuelle eigene Pflichtverletzung des Geschäftsführers H nicht ausgeschlossen. Ein Mitverschulden des Geschäftsführers sei zudem nicht anspruchsausschließend oder kürzend zu berücksichtigen. Dieser habe darauf vertraut, dass aufgrund der positiven Fortführungsprognose durch den Sanierungsberater keine Insolvenzantragspflicht bestanden habe. Aufgrund der fehlenden persönlichen Fachkenntnisse des Geschäftsführers in insolvenzrechtlichen Belangen bei überlegener Sachkunde des Sanierungsberaters trete ein etwaiges Mitverschulden zurück, sei aber allenfalls mit 20% anzusetzen. Die von der D verwendete Haftungsbeschränkung sei nach AGB-Grundsätzen unwirksam.

Der Kläger beantragt,

1. Das Urteil des LG Würzburg, das auf den 12.07.2022 datiert, zum Az. 61 O 16/19 wird abgeändert.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 422.214,34 € nebst Zinsen hieraus iHv fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

3. Hilfsweise wird beantragt, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Weiterhin beantragt er, dem Beklagten für den Fall der Stattgabe der Berufung im Urteil vorzubehalten, den abgetretenen Gegenanspruch des Geschäftsführers H, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den die begünstigte Gesellschaftsgläuberin im Insolvenzverfahren erhalten hätte, nach Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen. Etwa bestehende Erstattungsansprüche der Masse gegen Dritte sind Zug um Zug an den Beklagten abzutreten.

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil unter Aufrechterhaltung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Das Landgericht habe zu Recht die Voraussetzung eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter hinsichtlich des Geschäftsführers der B verneint. Im auf der Projektskizze vom 27.04.2013 beruhenden Beratungsvertrag zwischen der D und der B seien Rechtsberatungs- und Wirtschaftsprüferleistungen ausdrücklich ausgeschlossen worden. Es sei daher kein Hinweis auf eine Insolvenzantragspflicht geschuldet gewesen. Die Leistungen der D sollten lediglich in Anlehnung an den IDW S6 Standard erbracht werden. Dieser habe rechtlich keine bindende Wirkung. Nachdem jedoch das Leistungsspektrum des Beratungsvertrags bereits zwischen den Vertragsparteien abschließend vereinbart worden sei, komme eine ergänzende Heranziehung der Leistungsbestimmung nach IDW S6 nicht in Betracht. Dieses entspreche der Rechtsprechung des OLG Frankfurt (Urteil v. 29.03.2019, Az. 8 U 218/17) wie auch einem Hinweisbeschluss des 4. Senats des OLG Bamberg vom 16.12.2022 (Az. 4 U 179/22). Die D habe zudem ihre vertraglichen Pflichten nicht verletzt, da in dem Gutachten vom 29.07.2013 mit hinreichender Deutlichkeit auf eine drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit hingewiesen worden sei. Die drohende Zahlungsunfähigkeit sei auch den Vertretern der X bekannt gewesen. So habe der Geschäftsführer K der Y GmbH in seiner Vernehmung in einem Parallelverfahren (Anlage BK1) angegeben, dass mit den von der D vorgeschlagenen Maßnahmen die Deckungslücke von 1,3 Mio € und damit der Grund der Zahlungsunfähigkeit beseitigt werden sollte. Auch sei dem Zeugen die dreiwöchige Frist zur Insolvenzantragsstellung gemäß § 15a InsO bekannt gewesen. In einem Verfahren des Klägers gegen die D sei mit Urteil des OLG Bamberg vom 10.04.2019 (Az. 8 U 34/18) festgestellt worden, dass die Verantwortlichen der X-Gruppe bereits seit Juli 2013 Zahlungen in Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit erbrachten. Aus diesem Grund könne der D nicht ein erst ab Januar 2014 eingetretener Schaden aufgrund der vom Geschäftsführer pflichtwidrig unterlassenen Insolvenzantragsstellung zugerechnet werden. Jedenfalls liege aber ein ganz überwiegendes Mitverschulden des Geschäftsführers vor, da diesem im Januar 2014 bekannt war, dass die im Gutachten vom 29.07.2013 vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen noch nicht umgesetzt worden waren. Im Übrigen sei der vereinbarte Haftungsausschluss wirksam. Insbesondere habe die D nicht unzulässig ihre Haftung für verletzte Hauptleistungspflichten ausgeschlossen, da ein Hinweis auf eingetretene Zahlungsunfähigkeit und Insolvenzreife vertraglich nicht geschuldet gewesen sei.

Der Senat hat mit Beschluss vom 22.02.2023 die Parteien auf verschiedene rechtlich erhebliche Gesichtspunkte hingewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen (Bl. 187 d.A.). Weiterhin ist Beweis erhoben worden durch zeugenschaftliche Einvernahme des Geschäftsführers der B im Termin vom 17.07.2023. Hinsichtlich der Angaben des Zeugen H wird auf das Protokoll des Termins verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Feststellungen zu gerichtlichem Protokoll Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Dem Kläger steht aus abgetretenem Recht unter Berücksichtigung eines anspruchskürzenden Mitverschuldens des Geschäftsführers der B von 50% ein Zahlungsanspruch in Höhe von 211.107,17 € gemäß §§ 280 Abs. 1, 611, 675, 398 BGB zu.

1. Mit dem zwischen der B und der D mit Auftragserteilung vom 06.05.2013 geschlossenen Sanierungsberatungsvertrag wurde das vollständige Leistungsspektrum nach dem Standard IDW S6 beauftragt. Eine hiervon abweichende und abschließende Vereinbarung durch die D zu erbringender Leistungen besteht nicht. Entgegen der Auffassung des Beklagten war die D daher auch verpflichtet, die B in einer Form auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinzuweisen, die geeignet war, die verantwortlichen Personen zur Einleitung der insolvenzrechtlich erforderlichen Maßnahmen anzuhalten.

a) Grundlage des Vertrags war die Projektskizze vom 25.04.2013. Bereits in der Überschrift der Projektskizze ist angeführt, dass die Fertigung des Gutachtens in Anlehnung an den IDW S6 Standard erfolgt. Auf Seite 4 der Projektskizze ist ausgeführt, dass das Gutachten auf Wunsch des Gläubigers V dem IDW S6 Standard entsprechen soll. Unter Zugrundelegung des IDW S6 Standard (Stand 04.10.2012) ist in jedem Fall durch den Sanierungsgutachter der Hinweis auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit in einer Form geschuldet, die es dem Auftraggeber ermöglicht, die gebotenen rechtlichen Konsequenzen zu ziehen. Dieses ergibt sich aus verschiedenen Vorgaben für die Gutachtenserstellung nach IDW S6:

In Rn. 12 IDW S6 wird m Rahmen von 2.1 (Kernanforderungen an Sanierungskonzepte) auf einzuleitende Eilmaßnahmen innerhalb der 3-Wochen-Frist nach § 15a Abs. 1 InsO (i.d.F.v. 01.03.2012 bis 31.12.2020) hingewiesen. Der Sanierungsgutachter hat danach den Eintritt der Insolvenzreife im Zeitraum bis zur Fertigstellung des Gutachtens auszuschließen. Diese im „Kernbereich“ getroffenen Feststellungen muss der Gutachter bei Anlass unverzüglich dem Auftraggeber offenlegen, damit dieser bspw. die in Rn. 12 IDW S6 aufgeführten Eilmaßnahmen zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit ergreifen kann. Offenkundige Insolvenzantragspflichten wegen eingetretener Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung müssen im Zeitraum der Begutachtung bis zur Fertigstellung des Sanierungskonzepts mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen sein.

In Rn. 79, 80 IDW S6 weist bereits der Titel des Abschnitts 3.4.6 „Feststellungen zur Insolvenzreife“ eindeutig darauf hin, dass es sich um einen wesentlichen Teil des Prüfungsumfangs des Sanierungsgutachters handelt. In Rn. 79 wird ausdrücklich zwischen drohender und bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit unterschieden, da sich nur bei ersterer die Möglichkeit eines Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO (mit Wirkung v. 01.03.2012 bis 31.12.2020) eröffnet. Bereits im Rahmen der Fortbestehensprognose sind daher Feststellungen zum Umfang der Zahlungsschwierigkeiten zu treffen, da sich hier verschiedene Reaktionsmöglichkeiten des Auftraggebers ergeben können von Beschaffung frischen Kapitals bis zur erforderlichen Insolvenzantragsstellung. Dieses wird in Rn. 80 nochmals ausdrücklich klargestellt, wenn bestimmt wird: „Ergeben sich … Hinweise auf eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung, muss darauf unverzüglich aufmerksam gemacht werden, um den gesetzlichen Vertretern Gelegenheit zu geben, die gesetzlichen Konsequenzen zu ziehen…“ (vgl. auch Pape/Ott, Sanierungsgutachten, 1. Aufl., Rn. 703 ff zu den Pflichten des Sanierungsgutachters bei Feststellung der Insolvenzreife).

Für den Gutachter selbst gilt, dass er die Begutachtung zu beenden oder zu versagen hat, sobald für ihn erkennbar wird, dass eine Insolvenzantragspflicht bereits vorliegt und dennoch eine außergerichtliche Sanierung noch versucht werden soll (IDW S6 Rn. 80 a.E.).

Der Abschnitt 3.6 behandelt in Rn. 84, 85 IDW S6 die Fortführungsprognose. Diese war Gegenstand des abschließenden Gutachtens vom 29.07.2013. Es sind Feststellungen zu Zahlungsfähigkeit und Überschuldung im Fortführungszeitraum zu treffen. In Rn. 85 wird dabei ausdrücklich auf die insolvenzrechtliche Fortführungsprognose (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs InsO) verwiesen. Für die Steuerberaterhaftung wurde vom Bundesgerichtshof (Urteil v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12) ausdrücklich klargestellt, dass im Gegensatz zu den Pflichten im Rahmen eines allgemeinen Dauermandats des Steuerberaters fehlerhafte oder fehlende Feststellungen im Rahmen einer Fortführungsprognose nach § 19 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs InsO eine Haftung für hieraus folgende Schäden begründen können.

Nach IDW S6 Rn. 86 ff. hat der Gutachter auch eine handelsrechtliche Fortführungsprognose zu erarbeiten. Eine positive Prognose darf dabei nur gestellt werden, wenn weder die Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegen noch andere rechtliche oder tatsächliche Gegebenheiten der Fortführung im Prognosezeitraum entgegenstehen. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit bzw. drohender Überschuldung müssen geeignete Sanierungsmaßnahmen bereits eingeleitet oder jedenfalls in der Planung hinreichend konkretisiert sein. Ohne eine positive Fortführungsprognose (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) fehlt es an der Sanierungsfähigkeit (vgl. IDW S6 Rn. 11).

b) Einer Heranziehung der Regelungen des IDW S6 Standards steht vorliegend der Vorrang konkreter vertraglicher Bestimmungen nicht entgegen. Einerseits sind zwar entsprechend der Projektskizze nur Leistungen „in Anlehnung an“ diesen Standard vereinbart. Allerdings ist unstreitig, dass die V als eigentlicher Initiator der Beauftragung ein Gutachten nach diesem Standard als Entscheidungsgrundlage für die Fortführung ihres Kreditengagements wollte, was so auch in der Projektskizze angeführt wird. Ferner stellt die Projektskizze auch inhaltlich mit dem Verweis auf eine Fortbestehens- und Fortführungsprognose auf zentrale Bestandteile des IDW S6 ab. Andererseits findet sich in den vertraglichen Bestimmungen kein Hinweis auf eine ausdrückliche oder konkludente Einschränkung der nach IDW S6 zu erbringenden Leistungen der D. Die Projektskizze (= Gutachtensvertrag) vom 25.04.2013 (Anlage K2) führt vielmehr unter Ziff. 3, 1. Absatz ausdrücklich aus, dass ein „Sanierungsgutachten“ benötigt werde, „das dem IDW S6 Standard entspricht“. Der Verweis auf die Nichterbringung von Rechts- und Steuerberaterleistungen ist lediglich allgemeiner Natur und nimmt auf die gesetzlichen Einschränkungen aufgrund der Rechtsform der D und Qualifikation der für sie handelnden Personen Bezug. Die fehlende Befugnis nach § 3 RDG und § 3 StBerG hinderte die D nicht an den zur Erfüllung der Pflichten nach IDW S6 zu treffenden Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der B.

c) Die vom Beklagten herangezogene Entscheidung des OLG Frankfurt (Urteil v. 29.03.2019, Az. 8 U 218/17), in der dieses die Verpflichtung eines Sanierungsberaters zur Aufklärung über eine bestehende Insolvenzantragspflicht abgelehnt hat, betrifft einen anders gelagerten Sachverhalt. Der dortigen Beauftragung lag keine umfassende Beauftragung zur Erstellung eines Sanierungsgutachtens mit Fortführungsprognose nach IDW S6 zugrunde, sondern eine abschließende Aufzählung von vierzehn Leistungspunkten. Zudem hatte die Schuldnerin in dem dort entschiedenen Fall weitere Berater mit der Prüfung steuerlicher und rechtlicher Fragen beauftragt. Hingegen bejaht das OLG Köln (Beschluss v. 13.10.2021, Az. 2 U 23/21) in einer mit dem vorliegenden Fall eher vergleichbaren Konstellation (umfassende Beauftragung eines Sanierungsgutachtens nach dem Standard IDW S1) eine Aufklärungspflicht bzgl. eingetretener Insolvenzreife aufgrund der überlegenen Sachkunde des Sanierungsberaters und nimmt zugleich die Einbeziehung der gesetzlichen Vertreter der krisenbefangenen Gesellschaft in den Schutzbereich des Vertrages vor dem Hintergrund der möglichen Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung sowie der persönlichen Haftung des Geschäftsführers an.

d) Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 26.01.2017 (Az. IX ZR 285/14) die Hinweispflicht für Steuerberater im Rahmen eines allgemeinen steuerlichen Mandats deutlich verschärft. Die vom Beklagten zitierte (Schriftsatz 27.04.2023, Bl. 255 d.A) ältere Rechtsprechung (Urteil v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12) wurde insoweit ausdrücklich ausgegeben. Danach ist der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater verpflichtet zu prüfen, ob sich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm sonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten ergeben, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können. Die Frage der Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf Sanierungsberater ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Maßgeblich ist insoweit, ob die Bewertungsfrage der positiven Fortführungsprognose nach den Umständen des Einzelfalls zum Gegenstand des Auftrags gemacht worden ist. Soll der Berater sich zur Frage der Insolvenz äußern, steht dies außer Zweifel. Es ist aber davon auszugehen, dass der als Spezialist in der Unternehmenskrise zugezogene Berater typischerweise konkludent damit beauftragt wird, den wirtschaftlich gravierendsten Fall der eingetretenen Insolvenzreife ggfs. zu erforschen und darüber aufzuklären (vgl. Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, Anh. § 60 Rn. 244 m.w.N.). Da vorliegend mit der Vereinbarung des Standards IDW S6 Feststellungen zu den Voraussetzungen der möglichen Insolvenzreife ausdrücklich geschuldet wurden, ist von einer entsprechenden Hinweispflicht der D auszugehen.

2. Eine Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB der D ist gegeben. Sie hat nicht in der vertraglich geschuldeten Form auf eine bei Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit der B hingewiesen.

a) Es kann vorliegend dahinstehen, ob im Anschluss an OLG Köln (Beschluss v. 13.10.2021, Az. 2 U 23/12) ein konkreter Hinweis auf die Insolvenzantragspflicht erforderlich ist, wobei § 5 Abs. 1 RDG einen solchen Hinweis als zulässige Nebenleistung im Zuge der Sanierungsberatung rechtlich ermöglichen würde (vgl. BGH, Urteil v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12 zur Zulässigkeit beim Steuerberater/Wirtschaftsprüfer; BVerwG, Urteil v. 27.10.2004, Az. 6 C 30/03 zu Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG; Krenzler-Krenzler, RDG, 2. Aufl., § 5 Rn. 105ff m.w.N.). Allerdings weist das Sanierungsgutachten der D vom 29.07.2013 bereits nicht in einer Form auf eine Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens hin, die geeignet ist, die gesetzlichen Vertreter zur Stellung eines Insolvenzantrags zu veranlassen. Vielmehr steht das Gutachten mit einer positiven Fortbestands- und Fortführungsprognose nach § 19 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs InsO und dem Vorschlag konkreter Sanierungsmaßnahmen außerhalb der Frist des § 15a InsO (a.F.) der Einleitung des Insolvenzverfahrens entgegen. Damit war es nicht geeignet, wie geschuldet die wirtschaftliche Situation des Unternehmens in einer Weise darzustellen, die den Auftraggeber in die Lage versetzt, auch unter Berücksichtigung insolvenzrechtlicher Pflichten entsprechend zu handeln, vgl. Rn. 80 der IDW S6. In einer Gesamtbetrachtung des Gutachtens vom 29.07.2013 ist der Senat der Überzeugung, dass die D tatsächlich von noch bestehender Zahlungsfähigkeit der B ausging und dieses auch dem Auftraggeber so vermittelte. Der Geschäftsführer der D M gab in seiner Zeugenvernehmung vom 21.11.2022 im Verfahren 92 O 5/19 an (Anlage BK 1, Bl. 230 d.A.), dass das Unternehmen Y GmbH als Bestandteil der X im Dezember 2013 noch zahlungsfähig gewesen sei, da 1 Mio. € durch den Verkauf des Milchsammelgeschäfts sowie die Prolongation des Kredits der V zugeflossen sei. Näher erklärt der Zeuge: „Im Januar 2014 hatte die V dann den Kredit ultimativ bis zum 05. März 2014 prolongiert. Jetzt liefen die richtigen Probleme zu. Wenn die Geschäftsführer an dieser Stelle Herrn O unter Druck gesetzt hätten und er hätte nicht geleistet, dann hätten sie Insolvenz anmelden müssen.“ Zu beachten ist insoweit, dass die D ihre beratende Tätigkeit nach Vorlage der ersten Fortführungsprognose am 29.07.2013 fortsetzte und vom Geschäftsführer H auf Wunsch der V beauftragt wurde, diese zu überarbeiten. Eine zweite Fortführungsprognose sei nach Angaben des Zeugen M nach November 2013 erstellt worden und habe keine Liquiditätsprobleme aufgezeigt.

b) Soweit der Beklagte auf die mehrfachen Hinweise auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit und eine bestehende Liquiditätslücke von 1,3 Mio € in der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 verweist, wovon auch die gesetzlichen Vertreter der B Kenntnis gehabt hätten, führt dieses zu keinem anderen Ergebnis. Eine „drohende“ Zahlungsunfähigkeit stellt eine pauschale Darstellung dar, die nicht auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung sowie das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 15a InsO verweist. Konkret waren die Beteiligten auf Grundlage der Fortführungsprognose der D offensichtlich zu der Erkenntnis gelangt, dass die Liquidität der B durch die vorläufige Prolongation des Darlehens der V sowie die Einstandsbereitschaft des weiteren Gläubigers VM gegeben war und Eilmaßnahmen bis hin zu einer Insolvenzantragsstellung nicht geboten waren, so dass durch die D im Ergebnis die Fortführung des Unternehmens empfohlen wurde. Auch der Zeuge H als Geschäftsführer der B und damit direkter Adressat des Gutachtens hat in seiner Einvernahme durch den Senat erklärt, dass nach seinem Verständnis das Gutachten eine Fortführung des Unternehmens ohne sofortige Einleitung insolvenzrechtlicher Maßnahmen zum Ergebnis hatte.

Damit liegt – eine zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung bestehende Zahlungsunfähigkeit unterstellt (hierzu nachfolgend II. 1. d) – eine Pflichtverletzung vor. Die D hätte eine (außergerichtliche) Sanierungsfähigkeit mangels positiver Fortführungsprognose ausdrücklich verneinen müssen.

c) Soweit im unstreitigen Tatbestand des angegriffenen Endurteils festgehalten ist, dass an mehreren Stellen im Gutachten explizit auf die Zahlungsunfähigkeit hingewiesen wurde, steht § 314 ZPO nicht entgegen. Aus dem Tatbestand ergibt sich nicht, dass die D mit der erforderlichen und geschuldeten Deutlichkeit auf die Bedeutung des Vorliegens eines Insolvenzgrunds hingewiesen hat. Insoweit kommt es auf das Gesamtergebnis des Gutachtens mit seinen Handlungsempfehlungen an und nicht auf einzelne Aussagen.

d) Nach den getroffenen Feststellungen lag die Zahlungsunfähigkeit und damit Insolvenzreife der B während oder bei Abschluss der Gutachtenserstellung durch die D im Juli 2013 vor.

Insolvenzreife setzt eingetretene Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO) voraus. Zahlungsunfähigkeit und nicht nur eine vorübergehende Zahlungsstockung liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, sich innerhalb von drei Wochen die zur Begleichung der fälligen Forderungen benötigten finanziellen Mittel zu beschaffen und die Liquiditätslücke auf unter 10% zurückzuführen (std. Rspr., vgl. BGH, Urteil v. 19.12.2017, Az. II ZR 88/16 m.w.N.).

Der Kläger hat unter Vorlage eines Gutachtens der S. InsolvenzSteuerberatungsgesellschaft mbH vom 18.12.2014 (Anlage K7) eine Zahlungsunfähigkeit der B seit dem 01.11.2009 dargelegt und Sachverständigenbeweis angeboten (Bl. 6 d.A.). Der Kläger ist daher seiner Darlegungslast unter Beweisantritt nachgekommen. Der Vortrag des Beklagten zum Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Insolvenzreife der B ist hingegen nicht konsistent. Während in der Klageerwiderung vom 10.04.2019 (Bl. 15 d.A.) der Eintritt von Insolvenzreife im Juli 2013 bestritten wurde, wird in der Berufungserwiderung vom 04.10.2022 auf eine von der D im Rahmen der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 festgestellte Zahlungsunfähigkeit als Insolvenzgrund abgestellt (Bl. 171 d.A.). Das pauschale Bestreiten des Beklagten ist ferner unsubstantiiert, nachdem die von ihm vertretene Insolvenzschuldnerin (D) eigene Sachkunde und -kenntnisse besitzt. Grundlage von deren Gutachtertätigkeit waren Feststellungen zur Liquidität und Zahlungsfähigkeit der B auch unter Berücksichtigung der längerfristigen finanziellen Kennzahlen für die Vergangenheit. Es ist dem Beklagten daher ohne weiteres möglich, sich inhaltlich mit dem Vortrag des Klägers zum Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Zahlungsunfähigkeit der B auseinanderzusetzen. Im Übrigen besitzt der Beklagte auch in eigener Person als Insolvenzverwalter die hierfür erforderliche Sachkunde. Die in der Fortführungsprognose vom 29.07.2013 enthaltenen Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit der B sind nicht geeignet, die Feststellungen im Gutachten in Frage zu stellen, nachdem es an einer konkreten Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen der insolvenzrechtlichen Zahlungs(un) fähigkeit fehlt.

3. Der Vertrag zwischen der B und der D über die Erbringung von Leistungen der Sanierungsberatung entfaltet Schutzwirkung zugunsten des Geschäftsführers der B (vgl. OLG Köln, a.a.O.; dem Grunde nach für einen Steuerberater auch BGH, Beschluss v. 14.06.2012, Az. IX ZR 145/11). Ein Dritter kann dann in den Schutzbereich vertraglicher Pflichten einbezogen sein, wenn der geschützte Dritte mit der Hauptleistung des Schutzpflichtigen bestimmungsgemäß in Berührung kommt, zu dieser Leistungsnähe ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages hinzutritt und dem Schutzpflichtigen die Einbeziehung Dritter in sein vertragliches Haftungsrisiko erkennbar ist. Außerdem muss der Dritte für diese Haftungserstreckung selbst schutzwürdig sein (vgl. BGH, Beschluss v. 07.03.2013, Az. IX ZR 64/12; Urteil v. 13.10.2011, Az. IX ZR 193/10).

Die Feststellung der Insolvenzreife eines Unternehmens ist wie dargestellt Hauptleistungspflicht des Sanierungsberatervertrags nach dem Standard IDW S6, mit welcher der Geschäftsführer aufgrund § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. erkennbar in gleicher Weise in Berührung kommt, wie der Auftraggeber selbst (bejahend auch BGH, Beschluss v. 26.01.2023, Az. III ZR 91/22). An einer Schutzbedürftigkeit des Geschäftsführers bestehen aufgrund seiner gegenüber der D unterlegenen Sachkunde sowie der drohenden Konsequenzen einer Verletzung insolvenzrechtlicher Pflichten keine Zweifel. Auch Rn. 80 der IDW S6 geht von der Einbeziehung des gesetzlichen Vertreters in den Schutzbereich des Vertrages aus, da diesem durch eine Information über die (drohende) Zahlungsfähigkeit ausdrücklich die Möglichkeit gegeben werden soll, die gebotenen rechtlichen Konsequenzen zu ziehen (bejahend auch Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1201).

4. Gegen den Geschäftsführer der B bestehen aufgrund masseschmälernder Leistungen gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 Abs. 1 GmbHG n.F.) Ansprüche in Höhe von 422.214,34 €, die einen als Schaden geltend zu machenden an den Kläger abgetretenen Freistellungsanspruch gegen den Beklagten begründen.

a) Die Darstellung des Schadens durch den Kläger ist schlüssig und vom Beklagten lediglich pauschal bestritten (Bl. 21 d.A.). Die sofortige Sollbuchung sich aus der Anlage K5 ergebender eingehender Zahlungen innerhalb des Kontokorrentkontos stellte sich jeweils als Zahlung der B an die kontoführende U Bank AG entsprechend § 64 GmbHG a.F. dar, die nach Eintritt der Insolvenzreife eine Geschäftsführerhaftung auslöst. Der Einzug von Forderungen einer insolvenzreifen GmbH auf ein debitorisches Konto ist nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich eine masseschmälernde Zahlung im Sinn von § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. (§ 64 Satz 1 GmbHG nF), weil dadurch das Aktivvermögen der Gesellschaft zu Gunsten der Bank geschmälert wird (vgl. nur BGH, Urteil v. 23.06.2015, Az. II ZR 366/13 = BGHZ 206, 52 m.w.N.).

b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist eine tatsächlich erfolgte Inanspruchnahme des Geschäftsführers H, der seine Ansprüche gegen die D wirksam an den Kläger abgetreten hat, nicht erforderlich. Die drohende Inanspruchnahme des Geschäftsführers nach § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. begründete zunächst einen gegen die D gerichteten Freistellungsanspruch des Geschäftsführers H, der sich erst mit der Abtretung an den Kläger in einen Zahlungsanspruch umwandelte (vgl. jurisPK-BGB-Rosch, 10. Aufl., § 399 Rn. 11 m.w.N.).

c) Die im unterlassenen Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit begründete Pflichtverletzung der D war auch kausal für diesen eingetretenen Schaden.

Der Beklagte hat die Kausalität unter Hinweis auf die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten bestritten, die dem Geschäftsführer nach Vorlage der Fortführungsprognose im Juli 2013 offenstanden, dieses auch für den Fall der Insolvenzreife (Klageerwiderung v. 10.04.2019, Bl. 16, 27 d.A.). Ein Anscheinsbeweis für ein beratungsgerechtes Verhaltens besteht nicht, da bei einem Hinweis auf eine Überschuldung der Gesellschaft verschiedene Maßnahmen in Betracht kommen, um eventuell auch eine sofortige Insolvenzantragstellung zu vermeiden, wie etwa die Zuführung frischen Kapitals (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, Az. IX ZR 204/12; Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1241).

Der Kläger hat jedoch den entsprechenden Kausalitätsnachweis geführt. Der Zeuge H als zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichteter Geschäftsführer der B hat nachvollziehbar und glaubwürdig angegeben, dass er mit der Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 sofort die Insolvenz des Unternehmens angemeldet hätte, falls in dem Gutachten auf eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit hingewiesen worden wäre. Dieses hätte er bereits aus Gründen des Eigenschutzes aufgrund der ihm bekannten Geschäftsführerhaftung gemacht.

Der Senat hat keine Zweifel an diesen Angaben des Zeugen. Dafür, dass der Zeuge H trotz ausdrücklicher gutachterlicher Feststellung der Zahlungsunfähigkeit und außergerichtlicher Sanierungsunfähigkeit mangels positiver Fortführungsprognose die zeitnahe Stellung eines Insolvenzantrags unterlassen hätte, sind weder vom Beklagten nachvollziehbare Anhaltspunkte dargelegt worden, noch sind diese sonst ersichtlich. Durch eine Insolvenzantragsstellung zeitnah zur Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 wären die eine Geschäftsführerhaftung begründenden Zahlungen der B im Januar/Februar 2014 nicht erfolgt.

Die Frage der Kenntnis der gesetzlichen Vertreter der B und damit des Zeugen H von deren (drohender) Zahlungsunfähigkeit und der Verpflichtung der gesetzlichen Vertreter zur eigenständigen Prüfung der Voraussetzung nach § 15a InsO ist hingegen für die Kausalität unerheblich. Bei der Feststellung der Kausalität ist lediglich die pflichtwidrige Handlung wegzudenken. Hingegen dürfen weitere hypothetische Umstände nicht hinzugedacht werden dürfen (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, IX ZR 204/12).

5. Der Anspruch des Klägers ist jedoch aufgrund Mitverschuldens des Geschäftsführers der B als Zedenten um 50% zu kürzen. Die Berufung ist daher zurückzuweisen, soweit ein über 211.107,17 € hinausgehender Anspruch geltend gemacht wird.

Der Schadensersatzanspruch kann aufgrund eines Mitverschuldens des Geschäftsführers (§ 254 Abs. 1 BGB) erheblich gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen sein (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, Az. IX ZR 204/12). Den Geschäftsführer einer GmbH trifft die Pflicht, sich stets über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft zu vergewissern. Hierzu gehört insbesondere die Prüfung der Insolvenzreife. Bei Anzeichen einer Krise hat er sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen. Der Geschäftsführer handelt fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die Kenntnisse verschafft, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss. Sofern er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügt, muss er sich gegebenenfalls fachkundig beraten lassen (vgl. BGH, Versäumnisurteil v. 19.06.2012, Az. II ZR 243/11 m.w.N.).

a. Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Berater, der seine Vertragspflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte verletzt hat, gegenüber dem Ersatzanspruch des Geschädigten regelmäßig nicht geltend machen, diesen treffe deshalb ein Mitverschulden, weil er der Auskunft vertraut und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe (BGH, Urteil v. 07.12.2006, Az. IX ZR 37/04 m.w.N.). Dementsprechend darf sich selbst ein Auftraggeber mit einschlägiger Vorbildung auf eine einwandfreie Vertragserfüllung durch den Berater verlassen (BGH, Urteil v. 18.12.1997, Az. IX ZR 153/96; Steuerberaterhaftung). Ist der Berater mit der Sanierungsberatung, der Erstellung eines Sanierungskonzepts oder sogar explizit mit der Prüfung der Insolvenzreife beauftragt und erteilt er im Rahmen dessen falsche Auskünfte zur Insolvenzreife, darf der Geschäftsführer in aller Regel auf diesen Rat vertrauen, weil er die (interne) Prüfungspflicht dem mandatierten Berater anvertraut hat. Ein der Gesellschaft zuzurechnendes Mitverschulden der Geschäftsführer für eine verspätete Insolvenzantragsstellung wird in diesen Fällen daher zumeist ausscheiden (vgl. Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1252 m.w.N.).

Dies gilt zunächst auch im vorliegenden Fall. Da Feststellungen zur Fortführungsfähigkeit der B in Abgrenzung zur Insolvenzreife Hauptleistungspflicht des Beratervertrags der D war, kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass die gesetzlichen Vertreter der B daneben die Insolvenzreife auch eigenständig zu prüfen hatten. Ein Mitverschulden des Geschäftsführers H kann daher nicht damit begründet werden, dass er nach Vorlage des Gutachtens am 29.07.2013 den in diesem enthaltenen Empfehlungen zur Fortführung des Unternehmens folgte, aus denen sich ergab, dass die D nicht von der Insolvenzreife der B ausging.

b. Allerdings kann der Mitverschuldenseinwand auf das weitere Untätigbleiben des Geschäftsführers H bis zur Stellung des Insolvenzantrags am 13.03.2014 gestützt werden. Der Beklagte bezieht sich insoweit auf die Nichtumsetzung der im Gutachten vom 29.07.2013 beschriebenen Maßnahmen. Nachdem eine Umsetzung zeitnah nicht erfolgt sei, habe die B bei bekannter drohender Zahlungsunfähigkeit aufgrund der Liquiditätslücke externen Rechtsrat einholen müssen.

(1) Grundsätzlich kann der Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Beraters und dem entstandenen Schaden unterbrochen sein, wenn die Verluste nicht auf der Fortsetzung der üblichen Geschäftstätigkeit, sondern auf der Eingehung wirtschaftlich nicht vertretbarer Risiken beruhen. Dieses kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn die Geschäftsführer die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten haben, weil die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, deutlich überspannt worden ist oder das Verhalten des Geschäftsleiters aus anderen Gründen als unvertretbar gelten muss (vgl. BGH, Urteil v. 06.06.2013, Az. IX ZR 204/12; Pape/Opp a.a.O., Rn. 1247).

Hiergegen spricht vorliegend, dass in dem Fortführungsgutachten keine konkrete zeitliche Vorgabe für die Umsetzung der Sanierungsvorschläge enthalten war. Neben grundsätzlichen Umstrukturierungsmaßnahmen für die X sollte die Liquiditätsproblematik vor allem durch drei Maßnahmen beseitigt werden – die Veräußerung des Milchsammelgeschäfts für 500.000,00 €, die langfristige Prolongation des Darlehensrahmens der V von 500.000,00 € sowie ein weiteres finanzielles Engagement der VM in Höhe von 300.000,00 €. Ausweislich der Feststellungen im vorgelegten Urteil des OLG Bamberg vom 10.04.2019 (Az. 8 U 34/18, Anlage K11) sowie den Angaben des vormaligen Geschäftsführers der D in seiner Einvernahme vom 21.11.2022 im Verfahren 92 O 5/19 vor dem Landgericht Würzburg wurden die Mittel aus der Veräußerung des Milchsammelgeschäfts Anfang 2014 realisiert, während über die Sanierungsbeiträge der beiden Hauptgläubiger der B laufende Verhandlungen bis ins Jahr 2014 hinein stattfanden. Aus den nicht bestrittenen Angaben des vormaligen Geschäftsführers ergibt sich ferner, dass die D nach Abgabe der Fortführungsprognose im Juli 2013 den Sanierungsprozess weiter begleitete und nach November 2013 eine zweite Fortführungsprognose ohne das Milchsammelgeschäft erstellte. Es ist daher nicht ersichtlich, dass sich bis Januar 2014 für die gesetzlichen Vertreter der B eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder ein sicheres Scheitern des fortlaufend von der D begleiteten Sanierungsprozesses abzeichnete.

(2) Ein nicht unerhebliches Mitverschulden des Geschäftsführers der B ergibt sich hingegen aus dem Umstand, dass nach eigenem Vortrag des Klägers die B bereits seit dem 01.11.2009 ununterbrochen zahlungsunfähig war, ohne dass ersichtlich ist, dass seitens ihrer gesetzlichen Vertreter Schritte zur Feststellung der finanziellen Gesamtsituation sowie erforderlicher insolvenzrechtlicher Schritte unternommen wurden. Dieses geschah erst auf Forderung eines Hauptgläubigers (V) mit der Beauftragung der D im Frühjahr 2013 und damit etwa 3,5 Jahre nach dem klägerseits behaupteten Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. Hieraus folgt eine maßgebliche Verletzung der Pflichten des Geschäftsführers zur Beobachtung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens sowie zur Ergreifung der erforderlichen Maßnahmen, einschließlich der zeitnahen Heranziehung wirtschaftlicher und rechtlicher Expertise. Zwar sind Gegenstand der Klage vorliegend Schäden, die erst nach Beauftragung der D und deren Auskunftserteilung eingetreten sind (vgl. Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1255). Allerdings bestand seitens der gesetzlichen Vertreter auch nach Fertigstellung des Gutachtens im Juli 2013 dringende Veranlassung, weiter eigenständig Feststellungen zur insolvenzrechtlich relevanten Finanzsituation der B zu treffen, da die Fortführungsprognose erkennbar nicht geeignet war, diese Fragen abschließend zu beantworten. So enthielt das Gutachten weder eine eindeutige und begründete verneinende Aussage zur Insolvenzreife des Unternehmens noch Angaben zu einzuhaltenden Fristen bei der Umsetzung der vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen. Vor dem Hintergrund der den gesetzlichen Vertretern der B spätestens seit der Vorlage des Gutachtens bekannten Liquiditätslücke von 1,3 Mio. € sowie der seit Jahren bestehen wirtschaftlichen Schwierigkeiten bis hin zum teilweisen Ausfall der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen wären die gesetzlichen Vertreter verpflichtet gewesen, jedenfalls durch das Verlangen nach einer Ergänzung des Gutachtens gegenüber der D eine Klarstellung im Hinblick auf die aktuelle und nahe zukünftige insolvenzrechtliche Lage des Unternehmens zu erlangen.

Das Landgericht Aachen (Urteil v. 14.04.2021, Az. 11 O 241/17, insoweit bestätigt durch OLG Köln, Beschluss v. 13.10.2021, Az. 2 U 23/21) hat aufgrund der eigenen Prüfpflichten des Geschäftsführers bei Kenntnis der kritischen Liquidität der Gesellschaft und Insolvenzreife weit vor Beauftragung des Sanierungsgutachters ein Mitverschulden von 70% angenommen. Abweichend zum vorliegenden Fall war in der dortigen Konstellation jedoch ein Hinweis des Sanierungsberaters erfolgt, die mögliche Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung durch einen Dritten überprüfen zu lassen. Zudem lagen Indizien vor, dass dem Geschäftsführer die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft bekannt war. Vorliegend erachtet der Senat unter Berücksichtigung sämtlicher dem Geschäftsführer H bekannten Umstände im Hinblick auf die wirtschaftliche Krise der B die Annahme eines hälftigen Mitverschuldens als angemessen.

6. Die Haftungsbeschränkung der D in der zum Gegenstand des Vertrags gemachten Projektskizze vom 25.04.2013 ist gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB unwirksam.

Eine Beschränkung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit neben einer höhenmäßigen Beschränkung für eine Verletzung der zentralen Hauptpflichten ist in Gestaltungen der Inanspruchnahme eines durch höhere Sachkenntnis begründeten besonderen Vertrauens zumindest sehr problematisch (vgl. bspw. OLG Düsseldorf, Urteil v. 21.04.2009, Az. I-24 U 27/08 [Wirtschaftsprüfer]; insgesamt MüKo/BGB-Wurmnest, 9. Aufl., § 307 Rn. 150 ff. m.w.N.). Daher ist ein vertraglicher Haftungsausschluss bei Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern gesetzlich ausgeschlossen (vgl. § 52 BRAO, § 67a StBerG, § 323 Abs. 4 HGB). Vorliegend nahm die D als Sanierungsberaterin angesichts der umfassenden und ausschließlichen Beauftragung nach Standard IDW S6 ein besonderes Vertrauen in Anspruch. Es handelte sich bei der D um eine am Markt etablierte Beratungsgesellschaft in ständiger Geschäftsbeziehung zur Gläubigerin V. Die Gutachtenserstellung erfolgte arbeitsteilig durch mehrere Mitarbeiter mit offenbar spezifischen Fachkenntnissen. Es ist daher gerechtfertigt, das Haftungsregime dem gesetzlich geregelter wirtschaftsprüfender Professionen anzunähern. Eine Freizeichnung würde jedenfalls hinsichtlich der im konkreten Fall verletzten vertraglichen Hauptpflichten die Auftraggeberin entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben unbillig benachteiligen (vgl. Pape/Opp, a.a.O., Rn. 1288 f für die Verletzung von Kardinalpflichten unter Verweis auf entsprechende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).

7. Ein Gegenanspruch des Beklagten auf Abtretung eines vorzubehaltenden Anspruchs des Geschäftsführers der B auf Berücksichtigung einer Insolvenzquote der begünstigten Gesellschaftsgläubiger kann eine entsprechende Zug-um-Zug-Verurteilung des Klägers nicht begründen.

a) Um eine ungerechtfertigte Bereicherung der Insolvenzmasse zu verhindern, ist dem gemäß § 64 GmbHG verurteilten Geschäftsführer grundsätzlich von Amts wegen vorzubehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbetrages an die Masse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen (BGH, Urteil v. 08.01.2001, Az. II ZR 88/99 = BGHZ 146, 264, 279; Urteil v. 11.07.2005, Az. II ZR 235/03; Beschluss v. 19.02.2013, Az. II ZR 296/12). Hierdurch wird im Verhältnis vom Geschäftsführer zu der in der Insolvenz befindlichen Gesellschaft dem Umstand Rechnung getragen, dass sich der der Gesellschaft verbleibende Schaden im Ergebnis aus den um die Insolvenzquote des begünstigten Gläubigers verminderten masseschmälernden Leistungen ergibt, es sich mithin um einen einheitlichen Vorgang der Schadensermittlung handelt.

b) Abweichend hiervon ist Gegenstand der Klage aus abgetretenem Recht vorliegend der gegen einen Dritten gerichtete Freistellungsanspruch hinsichtlich der Geschäftsführerhaftung gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. Der Gegenanspruch des Geschäftsführers auf Berücksichtigung der Insolvenzquote des begünstigten Gesellschaftsgläubigers besteht daher nicht unmittelbar in der Person des Beklagten als Insolvenzverwalter der D, sondern ist diesem erst – wie auch von dem Beklagten geltend gemacht – im Wege der Abtretung zu übertragen, um ihn dann dem Kläger entgegen halten zu können. Es handelt sich somit nicht um die Feststellung eines einheitlichen Schadens in einem Schuldverhältnis. Vielmehr hat der Beklagte erstmals im Termin vom 17.07.2023 aufgrund eines bestehenden Anspruchs auf Abtretung des gegen den Kläger vorzubehaltenden Anspruchs des Geschäftsführers ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht, § 273 Abs. 1 BGB. Hiermit ist der Beklagte jedoch präkludiert, §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 530, 531 Abs. 2 ZPO. Der Kläger ist Vortrag des Beklagten hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen des Gegenanspruchs entgegen getreten. Gründe für die ausnahmsweise Zulässigkeit der verspäteten Geltendmachung der Einrede gemäß § 531 Abs. 2 ZPO sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

8. Die Entscheidung zu den Zinsen beruht auf § 291, § 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO aufgrund des jeweils hälftigen Obsiegens der Parteien.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Bei dem Urteil des Senats handelt sich um eine auf Bewertung von Tatsachen beruhende Einzelfallentscheidung, die keine rechtsgrundsätzlichen Fragen aufwirft.

9. Der Streitwert bestimmt sich nach dem bezifferten Zahlungsantrag des Klägers zuzüglich des zuletzt geltend gemachten Gegenrechts des Beklagten, welches der Senat mit 3.000,00 € bemisst (vgl. insoweit BGH, Beschluss v. 19.02.2013, Az. II ZR 296/12).

 

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen ist nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird.

(1) Erlaubt sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind. Andere Tätigkeit im Sinne des Satzes 1 kann auch eine andere Rechtsdienstleistung sein.

(2) Als erlaubte Nebenleistungen gelten Rechtsdienstleistungen, die im Zusammenhang mit einer der folgenden Tätigkeiten erbracht werden:

1.
Testamentsvollstreckung,
2.
Haus- und Wohnungsverwaltung,
3.
Fördermittelberatung.

Amtlicher Leitsatz:

Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist, dass der Vertrag unter Zugrundelegung des Regelungskonzepts der Parteien eine Lücke aufweist, die geschlossen werden muss, um den Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen. 

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 26. Oktober 2017 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die im Berufungsrechtszug entstandenen Kosten - einschließlich der Kosten der Streithelfer der Beklagten - zu tragen.

Das angefochtene Urteil des Landgerichts vom 26. Oktober 2017 und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

I.

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der A SE Ansprüche geltend, weil die Beklagte - eine lnvestmentbank - ihre Pflicht zum Hinweis auf die Insolvenzreife der Insolvenzschuldnerin verletzt haben soll.

Die 1996 gegründete Insolvenzschuldnerin war bereits kurze Zeit nach ihrer Gründung zu einem der größten Solarmodulproduzenten und Anbieter solarer Systemtechnik für Dach- und Freiflächenanlagen in Europa geworden. Mit wachsender Konkurrenz im Solarsektor wurde das Geschäftsmodell der Insolvenzschuldnerin nicht mehr tragfähig, weshalb bei der Insolvenzschuldnerin ab dem Jahre 2009 Sanierungsbemühungen initialisiert wurden. Die B AG attestierte im Oktober 2009 und im Januar 2010 jeweils eine positive Fortführungsprognose im Sinne von § 19 Abs. 2 InsO. Ein Insolvenzantrag wurde daher zunächst nicht gestellt. Ende 2010 war die Insolvenzschuldnerin rechnerisch überschuldet.

Mit Vereinbarung vom 17. Juni 2011/1. Juli 2011 wurde die Beklagte von der Insolvenzschuldnerin damit beauftragt, diese hinsichtlich einer „finanziellen Reorganisation“ zu beraten.

Auf ihrer Homepage wirbt die Beklagte damit, die „Nummer 1 unter den weltweit tätigen Restrukturierungsberatern“ zu sein. Zu den auf der Homepage genannten Beratungsleistungen der Beklagten zählt unter anderem auch die „Beurteilung der Überlebensfähigkeit von Unternehmen“. Hinsichtlich der weiteren auf der Homepage aufgelisteten Beratungsleistungen wird auf den als Anlage K 10 zu den Akten gereichten „Screenshot“ Bezug genommen.

In Ziff. 1.1 des Mandatsbriefs heißt es unter der Überschrift „Vertragsgegenstand“: „[Die Beklagte] berät die Gesellschaften als Finanzberater im Hinblick auf die geplante finanzielle Reorganisation. Die Leistungen [der Beklagten] umfassen, soweit nach den konkreten Umständen geboten oder von den Auftraggebern gewünscht, die folgenden Dienstleistungen“. Es folgt sodann eine Aufzählung von 14 verschiedenen Leistungen. Ziff. 1.2 lautet: „Sonstige Leistungen bedürfen der gesonderten schriftlichen Beauftragung“. In Ziff. 1.3 der Vereinbarung heißt es: „[Die Beklagte] übernimmt weder die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten noch die Beratung in steuerlichen Angelegenheiten. Mit der Beratung in steuerlichen und rechtlichen Angelegenheiten werden die Auftraggeber Personen beauftragen, die zur Erbringung dieser Leistungen berechtigt sind, soweit dies erforderlich sein sollte“. Wegen desweiteren Inhalts des Mandatsbriefes wird auf die als Anlage K 9 zu den Akten gereichte Kopie Bezug genommen.

Darüber hinaus beauftragte die Insolvenzschuldnerin im Zusammenhang mit der Restrukturierungssituation neben der Beklagten und B noch weitere Berater, wobei zwischen den Parteien zum Teil streitig ist, welcher Berater welche konkreten Aufgaben übernehmen sollte.

Nachdem sich die wirtschaftlichen Kennzahlen der Insolvenzschuldnerin im Jahre 2011 weiter verschlechtert hatten, legte B mit Datum vom 15. August 2011 ein Gutachten vor, in welchem B die Fortführungsprognose überprüfte und unter Anknüpfung an bestimmte Voraussetzungen letztlich bejahte.

Am 11. Oktober 2011 fand sodann ein Treffen statt, an dem neben Vertretern der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten insbesondere Vertreter von finanzierenden Banken teilnahmen und in welchem die Sanierungsbemühungen, insbesondere die Verhandlungen mit potentiellen Investoren, besprochen wurden. Unter dem Gliederungspunkt Ill. b des Protokolls des Bankenmeetings ist festgehalten, dass eine Zinsstundung nur dann erfolgen kann, wenn B die Fortführungsprognose aktualisiert. Aus der Planung müsse hervorgehen, „ob die Gruppe nach erfolgreichem Investorenprozess und den geplanten Kapitalmaßnahmen überlebensfähig ist“. Wegen desweiteren Inhalts des Protokolls des Bankenmeetings wird auf die als Anlage K 7 zu den Akten gereichte Kopie verwiesen.

Am 13. Dezember 2011 stellte die Insolvenzschuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Beschluss des Amtsgerichts Stadt1 vom 14. Dezember 2011 wurde daraufhin u. a. die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet.

Über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wurde sodann mit Beschluss des Amtsgerichts Stadt1 vom 1. März 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wurde der Kläger bestellt.

Der Kläger hat behauptet, spätestens am 11. Oktober 2011 sei die positive Fortführungsprognose für die Insolvenzschuldnerin entfallen. Auch im weiteren Verlauf bis zur Insolvenzantragsstellung habe eine positive Fortführungsprognose nicht bestanden. Dies sei der Beklagten bekannt gewesen, zumindest aber hätte es sich ihr aufdrängen müssen. Die Beklagte „als Sanierungsberaterin“ hätte - so der Kläger weiter - die Insolvenzschuldnerin auf den Eintritt der Insolvenzreife hinweisen müssen. Die Kanzlei C Rechtsanwälte PartG mbB sei von der Insolvenzschuldnerin nicht schriftlich mit der Überwachung der Insolvenzantragspflicht beauftragt worden. Dass eine mündliche Beauftragung erfolgt sei, bestreitet der Kläger mit Nichtwissen, da Unterlagen über eine schriftliche Beauftragung nicht aufgefunden worden seien.

Der von der Beklagten vorgelegte Zeitplan für die Sanierung sei überdies nicht geeignet gewesen, um als Grundlage einer zutreffenden Beurteilung der Sanierungsbemühungen zu dienen. So sei der Zeitplan von einem am 11. Oktober 2011 fortgeschrittenen Gesprächsstand mit einer bereits seit Anfang Oktober laufenden Due Diligence der Investoren ausgegangen, obgleich mit der Due Diligence zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnen worden sei.

Ohne die Pflichtverletzung der Beklagten hätte die Insolvenzschuldnerin - so der Kläger weiter - spätestens am 1. November 2011 Insolvenzantrag gestellt. Durch das erst am 13. Dezember 2011 erfolgte Stellen des Insolvenzantrags sei der Insolvenzschuldnerin ein Fortführungsschaden in Höhe von insgesamt € 22.965.815,60 entstanden.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 22.965.815,60 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozent p. a. seit dem 1. März 2012 bis zur Zustellung des Mahnbescheids und fünf Prozent p. a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung des Mahnbescheids zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, die Kanzlei C sei von der Insolvenzschuldnerin - zumindest mündlich - mit der Prüfung und Überwachung der lnsolvenzantragspflicht beauftragt worden.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird ergänzend Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage mit dem angegriffenen Urteil abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht u. a. ausgeführt, die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, die Insolvenzschuldnerin auf das Vorliegen einer Insolvenzantragspflicht hinzuweisen, weshalb sie auch nicht gegen eine solche Pflicht verstoßen haben könne. Wegen der näheren Einzelheiten der Begründung wird auf das angegriffene Urteil vom 26. Oktober 2017 verwiesen.

Gegen dieses seinen Prozessbevollmächtigten am 30. Oktober 2017  zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem hier per Fax am 30. November 2017 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage Berufung eingelegt  und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30. Januar 2018  mit Anwaltsschriftsatz vom 30. Januar 2018  begründet, der hier per Fax am 30. Januar 2018 eingegangen ist.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Rechtsschutzziele weiter.

Zur Begründung rügt er u. a., das Landgericht habe verkannt, dass die Beklagte aufgrund des Mandatsbriefes verpflichtet gewesen sei, die Insolvenzschuldnerin auf den Eintritt der Insolvenzreife, zumindest aber auf das Entfallen der positiven Fortbestehensprognose hinzuweisen.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei eine „finanzielle Restrukturierung“ der Insolvenzschuldnerin durch die Beklagte auf der Grundlage der Mandatsvereinbarung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens jedenfalls nicht mehr möglich und damit gescheitert gewesen. Die Mandatsvereinbarung sei gemäß den §§ 116, 115 InsO mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ipso iure erloschen. Daher wäre - so der Kläger weiter - die Tätigkeit der Beklagten spätestens mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beendet und die von ihr betriebene finanzielle Restrukturierung der Insolvenzschuldnerin zwingend gescheitert gewesen.

Unabhängig davon lägen bereits im Insolvenzantragsverfahren, spätestens jedoch mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Restrukturierungsbemühungen de facto in der Hand des vom lnsolvenzgericht bestellten Insolvenzverwalters. Für eine Restrukturierung durch die Geschäftsleitung und ihre Berater verbleibe dann kein Raum. Dies gelte umso mehr, wenn dem Insolvenzantrag - wie hier - jahrelange vergebliche und letztendlich gescheiterte Sanierungsbemühungen vorangegangen seien.

Überdies sei der Fortbestand der positiven Fortführungsprognose und damit verbunden der Nichteintritt des lnsolvenzgrunds der Überschuldung für die Arbeit der Beklagten von überragender Bedeutung im Sinne einer „conditio sine qua non“. Ein Insolvenzverfahren bzw. der Eintritt der Insolvenzreife hätte - so der Kläger - weitere einschneidende Auswirkungen auf eine finanzielle Restrukturierung gehabt, die von der Beklagten zwingend hätten berücksichtigt werden müssen.

Zudem seien die von der Beklagten geführten Verhandlungen über Forderungsverzichte und einen Kapitalschnitt ab Eintritt der Insolvenzreife per 11. Oktober 2011 nicht nur überflüssig, sondern untauglich gewesen.

Der Zeitpunkt der Insolvenzreife sei für den Vorstand einer Aktiengesellschaft bzw. einer SE und die Geschäftsführer einer GmbH unter zivil- und strafrechtlichen Haftungsgesichtspunkten relevant.

Der Zeitpunkt des Entfallens der positiven Fortführungsprognose und damit der Eintritt der Insolvenzreife seien von zentraler Bedeutung für die von der Beklagten verantwortete „finanzielle Restrukturierung“ der Insolvenzschuldnerin gewesen.

Überdies finde sich die Formulierung aus dem Mandatsbrief, wonach die von der Beklagten übernommene finanzielle Restrukturierung auch „im Rahmen eines Ordnungsverfahrens “ denkbar ist , als Mustertext in sämtlichen Mandatsbriefen der Beklagten und sei zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten auch gar nicht besprochen oder gar verhandelt worden. Aus einer solchen, aus einem Vertragsmuster übernommenen Formulierung, die nichts mit dem konkreten Mandat zu tun habe und die von den Parteien unbeachtet geblieben sei, ließen sich schwerlich so weitgehende Schlussfolgerungen ziehen, wie dies das Landgericht getan habe.

Das Landgericht habe ferner übersehen, dass die Beklagte nach Ziff. 1.1 lit. a und lit. e des Mandatsbriefs die Erarbeitung eines Projektplans und eine diesbezügliche Beratung geschuldet habe. Damit sei die Beklagte zur Erteilung zweckentsprechender Hinweise verpflichtet gewesen, namentlich als sich gezeigt habe, dass der von der Beklagten selbst erstellte Projektplan als solcher gar keine Chance auf Realisierung mehr gehabt habe. Das gelte umso mehr, als sich die Beklagte sehr wohl mit der Frage beschäftigt habe, ob die von ihr selbst empfohlenen Maßnahmen eine ausreichende Umsetzungswahrscheinlichkeit böten. So habe die Beklagte die von ihr selbst als Anlage B 21 vorgelegte Aufstellung der Anleihegläubiger eingeholt. Darüber hinaus habe sie die Abstimmungsergebnisse von Gläubigerversammlungen in vermeintlich „vergleichbar“ gelagerten Fällen ermittelt und untersucht. Dies alles sei geschehen, um die Umsetzungswahrscheinlichkeit der von ihr empfohlenen Maßnahmen bestimmen zu können. Die Parteien seien also sehr wohl davon ausgegangen, dass die Beklagte nicht nur „irgendwelche“ Restrukturierungsmaßnahmen vorschlagen, sondern sich gerade auch mit der Frage habe befassen sollen, ob diese mit einer ausreichenden Wahrscheinlichkeit umsetzbar sein würden.

Das Landgericht habe bei seiner Argumentation auch übersehen, dass die Pflicht der Beklagten, die Insolvenzschuldnerin auf das Entfallen der positiven Fortführungsprognose bzw. den Eintritt der lnsolvenzreife hinzuweisen, bereits vom Vertragszweck vorausgesetzt worden und daher auch ohne schriftliche Vereinbarung Bestandteil des Pflichtenkanons des Mandatsbriefes gewesen sei.

Darüber hinaus sei der in dem Mandatsbrief aufgeführte Pflichtenkanon auch seinem Sinn und Zweck nach nicht abschließend gewesen. Die gegenteilige Ansicht des Landgerichts sei mit dem Inhalt des Mandatsbriefes nicht zu vereinbaren. Auch wenn der Mandatsbrief zahlreiche Pflichten der Schuldnerin konkret benenne, sei diese Aufzählung bloß exemplarischer Natur und nicht abschließend zu verstehen. Die in dem Mandatsbrief unter Ziff. 1.1 lit. a bis n aufgeführten Leistungen bezögen sich auf die geplante „finanzielle Reorganisation“, welche ausweislich der Begriffsdefinition auf S. 1 f. lit. a bis h - insbesondere nach dem dortigen lit. h  - nur beispielhaft definiert sei. Die Beklagte habe eine auf eine erfolgversprechende „finanzielle Reorganisation“ gerichtete Beratung geschuldet. Zu einer solchen Beratung könnten auch Maßnahmen und Hinweise zählen, welche sich in der beispielhaften Beschreibung des Mandatsbriefes nicht wiederfänden, aber gleichwohl zugunsten einer erfolgversprechenden finanziellen Restrukturierung zum Leistungsprogramm der Beklagten gehörten. Das gelte zum Beispiel auch für die laufende Überprüfung, ob der von der Beklagten entwickelte Projektplan für eine außergerichtliche Restrukturierung überhaupt geeignet sei und Aussicht auf eine Realisierung habe.

Für eine am Vertragszweck orientierte weite Auslegung der Vertragspflichten spreche auch, dass die Beklagte neben den im Mandatsbrief aufgeführten Leistungen umfangreiche Leistungen gegenüber der Insolvenzschuldnerin erbracht habe, die eben nicht im Mandatsbrief aufgeführt gewesen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung des Klägers wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 30. Januar 2018 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des am 26. Oktober 2017 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main, Az. 2-19 O 291/16, zu verurteilen, an ihn € 22.965.815,60 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozent p. a. seit dem 1. März 2012 bis zur Zustellung des Mahnbescheids und 5 % p. a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung des Mahnbescheids zu zahlen.

Die Beklagte und die Streithelfer der Beklagten beantragen jeweils,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.

Wegen der Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Anwaltsschriftsatz der Beklagten vom 12. April 2018 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Dem Kläger steht aus § 80 Abs. 1 InsO in Verbindung mit der Vereinbarung der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten vom 17. Juni 2011/1. Juli 2011 in Verbindung mit § 280 Abs. 1 BGB kein Schadensersatzanspruch zu.

a. Die Beklagte war nach dem mit der Insolvenzschuldnerin geschlossenen Vertrag nicht verpflichtet, diese auf die Insolvenzantragspflicht hinzuweisen, so dass schon aus diesem Grunde eine diesbezügliche Pflichtverletzung ausscheidet.

Nach dem Wortlaut der Vertragsurkunde umfassen die Leistungen der Beklagten, soweit nach den konkreten Umständen geboten oder von den Auftraggebern gewünscht, die 14 Dienstleistungen, die in Ziff. 1.1 des Mandatsbriefs aufgeführt sind. Diese Aufzählung ist abschließend, da jeder Anhaltspunkt für eine lediglich beispielhafte Aufzählung - etwa durch das Verwenden des Wortes „insbesondere“, des Wortes „beispielsweise“ oder der Worte „unter anderem“ oder „vor allem“ – fehlt. 1

Dieses Ergebnis der Wortlautauslegung wird durch eine systematische Auslegung bestätigt. Maßgeblich für die Auslegung ist nämlich der ganze Vertragsinhalt. Ähnlich wie bei der Gesetzesauslegung sind auch bei Rechtsgeschäften der sprachliche Zusammenhang und die Stellung der Formulierung im Gesamtzusammenhang des Textes zu berücksichtigen. Ziff. 1.2 regelt, dass „sonstige Leistungen“ einer gesonderten schriftlichen Beauftragung bedürfen. Diese Formulierung macht deutlich, dass es sich bei der Aufzählung der von der Beklagten unter den Voraussetzungen der Ziff. 1.1 Satz 2 zu erbringenden Dienstleistungen in Ziff 1.1 Satz 2 lit. a bis lit. n um eine abschließende Aufzählung handeln muss, da andernfalls - also im Falle der Annahme einer beispielhaften Aufzählung - vollkommen unklar bliebe, wann eine „sonstige“ Leistung im Sinne der Ziff. 1.2 vorläge.

Auch eine teleologische Auslegung trägt kein anderes Ergebnis. Bei der in der Berufungsbegründung formulierten Ansicht des Klägers, auch wenn der Mandatsbrief zahlreiche Pflichten der Schuldnerin konkret benenne, sei diese Aufzählung bloß exemplarischer Natur und nicht als abschließend zu verstehen, handelt es sich um eine petitio principii. Es lässt sich dem Vertrag der Beklagten und der Insolvenzschuldnerin gerade nicht entnehmen, dass die Beklagte irgendwelche Leistungen erbringen sollte, die über die in Ziff. 1.1 Satz 2 lit. a bis lit. n hinausgehen. Angesichts der zentralen Position der Ziff. 1 im Vertragsgefüge kann keine Rede davon sein, dass die Beklagte irgendeine Maßnahme hinsichtlich der finanziellen Reorganisation der Insolvenzschuldnerin geschuldet hätte, die nicht in Ziff. 1.1 Satz 2 lit. a bis lit. n genannt ist. Dies gilt umso mehr, wenn man die Anzahl und den teilweise ganz erheblichen Umfang der dort genannten Leistungen in den Blick nimmt.

Der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand des Klägers, eine abschließende Aufzählung sämtlicher möglicher Maßnahmen wäre aufgrund ihrer Vielzahl und Vielgestaltigkeit unmöglich und würde den Rahmen eines jeden Vertrags sprengen, ist nicht stichhaltig. Es ist den Parteien eines Vertrages unbenommen, mit entsprechenden Generalklauseln zu arbeiten, um - soweit gewünscht - für die nötige Flexibilität des Vertrages für unvorhersehbare Umstände Sorge zu tragen.

Die Beklagte war nach alledem nicht verpflichtet, die Insolvenzschuldnerin hinsichtlich der Frage einer etwaigen Insolvenzantragspflicht zu beraten, da es sich insoweit um eine in den Ziff. 1.1 Satz 2 lit. a bis lit. n nicht genannte Leistung handelt.

Dieses Auslegungsergebnis wird überdies durch Ziff. 1.3 des Mandatsbriefes gestützt. Danach hat die Beklagte weder die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten noch die Beratung in steuerlichen Angelegenheiten übernommen.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass es sich bei der Frage, wann eine Überschuldung im Sinne des § 19 Abs. 2 InsO vorliegt, um eine Rechtsfrage handelt. Dementsprechend hätte auch eine Prüfung, ob eine Überschuldung der Insolvenzschuldnerin zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgelegen hat, eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne der Ziff. 1.3 dargestellt.

Auch bei der Frage, ob die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist, handelt es sich um eine Rechtsfrage und bei einer entsprechenden Prüfung daher um eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne der Ziff. 1.3 des Mandatsbriefes.

Zur Vermeidung von Missverständnissen sei darauf hingewiesen, dass die Frage, ob es sich bei der Beurteilung des Vorliegens einer Überschuldung und einer positiven Fortführungsprognose um die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten handelt, streng von der Frage zu trennen ist, ob es einem nicht als Rechtsanwalt oder Steuerberater tätigen „Sanierungsberater“ ohne Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz erlaubt ist, derartige Fragestellungen zu beurteilen und seine Kunden entsprechend zu beraten.  Die letztere Frage stellt sich im Streitfall nämlich nicht, da nach Ziff. 1.1 und Ziff. 1.3 des Mandatsbriefes die Beklagte derartige Leistungen gerade nicht erbringen sollte und wollte.

Im Übrigen macht Ziff. 1.3 auch deutlich, dass den vertragsschließenden Parteien die Konsequenzen des Ausschlusses der Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten sowie der Beratung in steuerlichen Angelegenheiten aus dem geschuldeten Leistungssoll der Beklagten klar vor Augen standen. Die sich infolge dieses Ausschlusses und die damit verbundene Begrenzung der durch die Beklagten geschuldeten Leistungen  ergebende „Beratungslücke“ sollte nach der vertraglichen Vereinbarung dadurch geschlossen werden, dass die Insolvenzschuldnerin mit der Beratung „in steuerlichen und rechtlichen Angelegenheiten“ Personen beauftragen wird, die zur Erbringung dieser Leistungen berechtigt sind, „soweit dies erforderlich sein sollte“. Dementsprechend ist die Vereinbarung der Parteien auch gelebt worden: Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass die Beklagte im damaligen Zeitraum u. a. durch die Kanzlei C und durch die Kanzlei D - also durch die Streithelferinnen zu 1 und zu 3 - anwaltlich beraten wurde; streitig ist insoweit allein der jeweilige Umfang der Beauftragung.

Entgegen der Ansicht des Klägers bestehen gegen die Wirksamkeit von Ziff. 1.3 des Mandatsbriefes keine Bedenken.

Diese Klausel unterliegt nicht der Inhaltskontrolle des § 307 BGB.

Formularmäßige Abreden, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu zahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen, sind von der gesetzlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgenommen. Leistung und Gegenleistung können von den Vertragsparteien nach dem Grundsatz der Privatautonomie frei bestimmt werden. Mangels gesetzlicher Vorgaben fehlt es daher insoweit auch an einem Kontrollmaßstab. Allerdings gestattet § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB - insbesondere bei Fehlen entsprechender gesetzlicher Normen - eine Inhaltskontrolle auch solcher Klauseln, die sich aus der Natur des Vertrags ergebende, wesentliche Rechte und Pflichten oder sonst allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze modifizieren.

Nach diesen Maßstäben kommt eine Inhaltskontrolle im Streitfall nicht in Betracht. Durch Ziff. 1.3 des Mandatsbriefes werden keine Rechte und Pflichten der Beklagten oder der Insolvenzschuldnerin modifiziert. Wie oben bereits erläutert, ergibt sich bereits aus Ziff. 1.1, dass die Beklagte keine Überwachung der Insolvenzantragspflicht schuldete. Dieses Auslegungsergebnis wird durch Ziff. 1.3 des Mandatsbriefes nicht modifiziert, sondern vielmehr bestätigt.

Auch unter dem Gesichtspunkt der §§ 305 Abs. 2, 305b und 305c Abs. 1 BGB ist die Klausel in Ziff. 1.3 nicht zu beanstanden. Insbesondere kann keine Rede davon sein, dass es sich bei Ziff. 1.3 um eine überraschende Klausel gehandelt hat.

Auch der Einwand des Klägers, die Pflicht der Beklagten, die Insolvenzschuldnerin auf das Entfallen der positiven Fortführungsprognose bzw. den Eintritt der lnsolvenzreife hinzuweisen, sei „bereits vom Vertragszweck vorausgesetzt […] und daher auch ohne schriftliche Vereinbarung Bestandteil des Pflichtenkanons des Mandatsbriefs gewesen“, ist nicht stichhaltig.

Der Kläger trennt insoweit nicht streng genug zwischen der Frage nach den Wirkungen einer Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf das Vertragsverhältnis und der Frage, ob die Beklagte auch ohne schriftliche Vereinbarung verpflichtet gewesen ist, die Insolvenzschuldnerin auf den Eintritt der lnsolvenzreife hinzuweisen. Richtig ist, dass gemäß den §§ 119, 116, 115 InsO mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Beratungsvertrag zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten mit Wirkung ex nunc erloschen ist. Diese kraft Gesetzes eintretende Rechtsfolge hat jedoch nichts mit der Frage zu tun, ob die Beklagte verpflichtet gewesen ist, die Insolvenzschuldnerin auf den Eintritt der lnsolvenzreife hinzuweisen. Selbst wenn man dem Argument des Klägers folgen möchte, dass die von der Beklagten versprochenen Leistungen sinnvollerweise nur solange erbracht werden können, solange ein Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet ist, so lässt sich daraus kein Argument dafür gewinnen, dass ausgerechnet die Beklagte eine entsprechende Hinweispflicht in Bezug auf den Eintritt der lnsolvenzreife schuldete. Auch etwaige Handelsvertreterverträge der Insolvenzschuldnerin - um nur ein Beispiel zu nennen - sind mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes erloschen, ohne dass deswegen die betreffenden Handelsvertreter verpflichtet gewesen wären, die Insolvenzschuldnerin auf den Eintritt der lnsolvenzreife hinzuweisen.

Im Übrigen lässt sich die Annahme des Klägers, die Beklagte sei „auch ohne schriftliche Vereinbarung“ verpflichtet gewesen, die Insolvenzschuldnerin auf den Eintritt der lnsolvenzreife hinzuweisen, kaum mit der wirksamen  Klausel in Ziff. 9.4 des Mandatsbriefs vereinbaren, nach der mündliche Nebenabreden nicht getroffen worden sind.

Gegen diese Annahme des Klägers spricht überdies auch die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit einer Vertragsurkunde. Für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden besteht nämlich die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit. Die Partei, die sich auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände - sei es zum Nachweis eines vom Urkundstext abweichenden übereinstimmenden Willens der Beteiligten, sei es zum Zwecke der Deutung des Inhalts des Beurkundeten aus der Sicht des Erklärungsempfängers  - beruft, trifft die Beweislast für deren Vorliegen . Die Vollständigkeits- und Richtigkeitsvermutung setzt allerdings voraus, dass der Geschäftsinhalt durch den Urkundstext bestimmt werden kann; unklar Bleibendes kann keine Vermutung für eine bestimmte Erklärung begründen. Dies bedeutet aber nicht, dass das Beurkundete in dem Sinne eindeutig zu sein hätte, dass für eine Auslegung kein Raum mehr bleibt. Denn in diesem Falle wäre die Vermutung dem Beweis des Gegenteils nicht zugänglich, ginge mithin über eine Beweislastregelung hinaus. Die Vermutung ist vielmehr bereits dann begründet, wenn der Urkundstext nach Wortlaut und innerem Zusammenhang unter Berücksichtigung der Verkehrssitte einen bestimmten Geschäftsinhalt zum Ausdruck bringt. Die außerhalb der Urkunde liegenden Mittel der Auslegung, die Begleitumstände des Vertragsabschlusses, dessen Entstehungsgeschichte, Äußerungen der Parteien außerhalb der Urkunde und anderes, bleiben hierbei allerdings außer Betracht. Sie sind Hilfsmittel zur Widerlegung der durch die Urkunde begründeten Vermutung des Geschäftsinhalts.

Die nach diesen Maßstäben im Streitfall begründete Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde hat der Kläger nicht widerlegt.

Auch das zeitlich nach dem Vertragsschluss liegende Verhalten der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten gibt keinen Anlass für eine anderweitige Auslegung der Ziff. 1.1 und 1.3 und damit des Umfangs der von der Beklagten geschuldeten Leistungen.Das nachträgliche Verhalten der Vertragsparteien kann zwar den objektiven Vertragsinhalt nicht mehr beeinflussen, hat aber Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlichen Willens und das tatsächliche Verständnis der an dem Rechtsgeschäft Beteiligten . Der Kläger hatte in diesem Zusammenhang die Behauptung aufgestellt, dass die Beklagte neben den im Mandatsbrief aufgeführten Leistungen auch Leistungen erbracht hätte, die dort nicht genannt gewesen seien. Die Beklagte hat auf den S. 12 f. der Berufungserwiderung  zutreffend dargelegt, dass es sich bei den dort genannten Leistungen - sieht man einmal von den erst im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung erstellten Unterlagen ab - durchweg um Leistungen gehandelt hat, die ihr aufgrund des Mandatsbriefes oblagen. Selbst wenn man dies - zu Unrecht - anders beurteilen würde, könnte daraus nicht zugleich auf eine Erstreckung des Leistungsumfanges der Beklagten auf eine Beratung hinsichtlich der Insolvenzantragspflicht geschlossen werden, da sich die von dem Kläger auf S. 9 f. der Berufungsbegründung genannten Leistungen zu dieser Frage gar nicht verhalten haben.

Ebenso wenig greift der Einwand des Klägers durch, die Beklagte habe einen Hinweis auf die Insolvenzreife der Insolvenzschuldnerin als vertragliche Nebenpflicht geschuldet. Wie oben ausführlich erläutert, gehörte ein entsprechender Hinweis nach der im Streitfall maßgeblichen Vereinbarung nicht zum Pflichtenprogramm der Beklagten. Daran kann sich auch dann nichts ändern, wenn man die postulierte Pflicht zum Hinweis auf die Insolvenzreife zu einer Nebenpflicht umdeklariert.

Nach alledem kommt hier - entgegen der Ansicht des Klägers - eine ergänzende Vertragsauslegung nicht in Betracht.

Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist, dass der Vertrag unter Zugrundelegung des Regelungskonzepts der Parteien eine Lücke aufweist, die geschlossen werden muss, um den Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen. Daran fehlt es hier zumindest deswegen, weil der Pflichtenkanon der Beklagten in der Ziff. 1.1 abschließend beschrieben worden war und die sich infolge der Begrenzung der durch die Beklagten geschuldeten Leistungen ergebende „Beratungslücke“ nach der vertraglichen Vereinbarung dadurch geschlossen werden sollte, dass die Insolvenzschuldnerin mit der Beratung „in steuerlichen und rechtlichen Angelegenheiten“ Personen beauftragen wird, die zur Erbringung dieser Leistungen berechtigt sind, „soweit dies erforderlich sein sollte“. Vor diesem Hintergrund kann von einer Vertragslücke im Streitfall keine Rede sein.

b. Da die Beklagte hier gerade keine Beratung in rechtlichen Fragen schuldete, ist auch der Vorwurf des Klägers, die Beklagte hätte der Frage nachgehen müssen, ob es den Bürgen rechtlich überhaupt möglich war, die Bürgschaften noch weiter zu verlängern, bereits im Ansatz verfehlt. Die Beantwortung einer derartigen Frage setzt eine vertiefte rechtliche Prüfung der Frage voraus, ob im Falle einer Verlängerung der zeitlichen Geltungsdauer der Bürgschaften der staatlichen Bürgen eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV vorgelegen hätte und ob diese ggf. von der EU-Kommission nach Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV in Verbindung mit den „Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten“   genehmigt worden wäre. Es liegt auf der Hand, dass es sich dabei zuvörderst um Rechtsfragen handelte, zu denen ggf. noch die Frage getreten wäre, in welcher Richtung die EU-Kommission ihr diesbezüglich weites Ermessen ausüben würde.

2. Die Beklagte schuldet auch nicht etwa Schadensersatz wegen einer etwaigen Verletzung ihrer Pflicht zur Koordinierung der Aktivitäten der verschiedenen Berater. Ein entsprechender Schadensersatzanspruch scheidet bereits deswegen aus, weil der Beklagten nach dem im Streitfall maßgeblichen Mandatsbrief keine entsprechende Koordinierungspflicht oblag.

Nach Ziff. 1.1 lit. n des Mandatsbriefes war die Beklagte verpflichtet, die Insolvenzschuldnerin und ihre Tochtergesellschaften „bei der Koordination ihrer anderen an der finanziellen Reorganisation beteiligten Berater und Vertragspartner einschließlich Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und PR-Berater“ zu unterstützen. Es unterliegt nach dieser Vertragsklausel keinem Zweifel, dass es - zumindest im Verhältnis zur Beklagten - Aufgabe der Insolvenzschuldnerin gewesen ist, die „anderen an der finanziellen Reorganisation beteiligten Berater“ zu koordinieren. Die Aufgabe der Beklagten bestand nach dem insoweit eindeutigen Vertragswortlaut lediglich darin, eine solche von der Insolvenzschuldnerin selbst zu leistende Koordination zu unterstützen. Es ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, dass der geltend gemachte Insolvenzverschleppungsschaden dadurch entstanden sein soll, dass die Beklagte dieser Pflicht zur Unterstützung der Insolvenzschuldnerin bei der Koordination der „anderen an der finanziellen Reorganisation beteiligten Berater“ nicht nachgekommen wäre.

3. Auf die weiteren von der Beklagten erhobenen Einwendungen und Einreden kommt es nach alledem nicht an.

4. Der Kläger hat nach den §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO die im Berufungsrechtszug entstandenen Kosten zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10 Sätze 1 und 2, 711 ZPO.

5. Die Revision ist nicht zuzulassen.

Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Sache eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt Klärungsbedürftig sind dabei solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind.

Nach diesen Maßstäben wirft die vorliegende Sache keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf. Insbesondere gibt der Streitfall keinen Anlass für eine Erörterung, unter welchen Voraussetzungen „Sanierungsberater“ eine Pflicht zur Beratung des Auftraggebers im Hinblick auf eine etwaige Insolvenzantragspflicht trifft. Wie gezeigt, ist der Streitfall nämlich durch eine besondere vertragliche Gestaltung geprägt, nach der die Beratung in rechtlichen und steuerlichen Angelegenheiten von dem geschuldeten Leistungssoll der Beklagten vor dem Hintergrund ausgenommen worden war, dass dafür andere Berater mandatiert werden sollten und tatsächlich mandatiert worden sind.

Die Zulassung der Revision ist im vorliegenden Fall auch nicht zur „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ erforderlich. Dieser Zulassungsgrund ist insbesondere dann gegeben, wenn das Berufungsgericht von einer Entscheidung eines höherrangigen Gerichts, namentlich des Bundesgerichtshofes, abweicht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt dann vor, wenn das Berufungsgericht ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, also einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit dem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten Rechtssatz nicht deckt.

Eine so verstandene Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes findet im vorliegenden Fall nicht statt.

(1) Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Das Gleiche gilt für die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist; dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

(2) Bei einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 gilt Absatz 1 sinngemäß, wenn die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.

(3) Im Fall der Führungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist auch jeder Gesellschafter, im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit Satz 3 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag

1.
nicht oder nicht rechtzeitig stellt oder
2.
nicht richtig stellt.

(5) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 4 fahrlässig, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(6) Im Falle des Absatzes 4 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, ist die Tat nur strafbar, wenn der Eröffnungsantrag rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen wurde.

(7) Auf Vereine und Stiftungen, für die § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt, sind die Absätze 1 bis 6 nicht anzuwenden.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Das Gleiche gilt für die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist; dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

(2) Bei einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 gilt Absatz 1 sinngemäß, wenn die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.

(3) Im Fall der Führungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist auch jeder Gesellschafter, im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit Satz 3 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag

1.
nicht oder nicht rechtzeitig stellt oder
2.
nicht richtig stellt.

(5) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 4 fahrlässig, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(6) Im Falle des Absatzes 4 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, ist die Tat nur strafbar, wenn der Eröffnungsantrag rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen wurde.

(7) Auf Vereine und Stiftungen, für die § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt, sind die Absätze 1 bis 6 nicht anzuwenden.

(1) Das Gericht bestellt einen vorläufigen Sachwalter, auf den die §§ 274 und 275 anzuwenden sind (vorläufige Eigenverwaltung), wenn

1.
die Eigenverwaltungsplanung des Schuldners vollständig und schlüssig ist und
2.
keine Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass die Eigenverwaltungsplanung in wesentlichen Punkten auf unzutreffenden Tatsachen beruht.
Weist die Eigenverwaltungsplanung behebbare Mängel auf, kann das Gericht die vorläufige Eigenverwaltung einstweilen anordnen; in diesem Fall setzt es dem Schuldner eine Frist zur Nachbesserung, die 20 Tage nicht übersteigt.

(2) Sind nach dem gemäß § 270a Absatz 1 Nummer 1 übermittelten Finanzplan die Kosten der Eigenverwaltung und der Fortführung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs nicht gedeckt, übersteigen die nach § 270a Absatz 1 Nummer 5 ausgewiesenen voraussichtlichen Kosten der Eigenverwaltung in wesentlicher Weise die voraussichtlichen Kosten des Regelverfahrens oder sind Umstände bekannt, aus denen sich ergibt, dass

1.
Zahlungsrückstände gegenüber Arbeitnehmern oder erhebliche Zahlungsrückstände gegenüber den weiteren in § 270a Absatz 2 Nummer 1 genannten Gläubigern bestehen,
2.
zugunsten des Schuldners in den letzten drei Jahren vor der Stellung des Antrags Vollstreckungs- oder Verwertungssperren nach diesem Gesetz oder nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz angeordnet worden sind oder
3.
der Schuldner in einem der letzten drei Jahre vor der Antragstellung gegen die Offenlegungsverpflichtungen, insbesondere nach den §§ 325 bis 328 oder 339 des Handelsgesetzbuchs verstoßen hat,
erfolgt die Bestellung des vorläufigen Sachwalters nur, wenn trotz dieser Umstände zu erwarten ist, dass der Schuldner bereit und in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubiger auszurichten.

(3) Einem vorläufigen Gläubigerausschuss ist vor Erlass der Entscheidung nach Absatz 1 oder Absatz 2 Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Ohne Äußerung des Gläubigerausschusses darf eine Entscheidung nur ergehen, wenn seit der Antragstellung zwei Werktage vergangen sind oder wenn offensichtlich mit nachteiligen Veränderungen der Vermögenslage des Schuldners zu rechnen ist, die sich nicht anders als durch Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters abwenden lassen. An einen die vorläufige Eigenverwaltung unterstützenden einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses ist das Gericht gebunden. Stimmt der vorläufige Gläubigerausschuss einstimmig gegen die vorläufige Eigenverwaltung, unterbleibt die Anordnung.

(4) Bestellt das Gericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter, sind die Gründe hierfür schriftlich darzulegen. § 27 Absatz 2 Nummer 4 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 64/12
Verkündet am:
7. März 2013
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 675; GmbHG aF § 64 Abs. 2

a) Das steuerberatende Dauermandat von einer GmbH begründet bei üblichem Zuschnitt
keine Pflicht, die Mandantin bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz
auf die Pflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, eine Überprüfung in Auftrag zu
geben oder selbst vorzunehmen, ob Insolvenzreife besteht.

b) Eine entsprechende drittschützende Pflicht trifft den steuerlichen Berater auch gegenüber
dem Geschäftsführer der Gesellschaft nicht.
BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12 - OLG Köln
LG Aachen
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richter Raebel, Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:
Im Umfang der Zulassung durch das Berufungsgericht wird die Revision des Klägers gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. Februar 2012 zurückgewiesen. Die weitergehende Revision wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist der Verwalter in dem am 10. Mai 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der C. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin), die von dem Beklagten steuerlich beraten worden war und von dem Geschäftsführer B. (nachfolgend: Zedent) geleitet wurde.
2
Die Schuldnerin befand sich schon im Jahr 2005 in der Krise. Um den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden, stellte der Zedent der Gesellschaft ein Darlehen über insgesamt 80.000 € zur Verfügung. Hierüber informierte er im Dezember 2005 den Beklagten. Dieser riet ihm, hinsichtlich des Rück- zahlungsanspruchs einen Rangrücktritt zu erklären. Am 26. Januar 2006 besprachen der Zedent und der Beklagte die Bilanz der Schuldnerin für das Jahr 2004. Am selben Tag gab der Zedent die vom Beklagten angeregte Rangrücktrittserklärung ab und erklärte zusätzlich den Rangrücktritt für die Rückgewähr von Sicherheiten, die er in der Vergangenheit der Schuldnerin zur Verfügung gestellt hatte. Die unter dem 6. Februar 2006 erstellte Bilanz der Schuldnerin für das Jahr 2004 wies einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 73.121,63 € aus.
3
Am 29. September 2006 veräußerte der Zedent seine Anteile an der Schuldnerin. Diese stellte am 5. Dezember 2006 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Nach der Verfahrenseröffnung forderte der Kläger den Zedenten auf, wegen Kreditrückführungen auf dem Geschäftskonto der Schuldnerin zwischen dem 26. Januar 2006 und dem 1. September 2006 in Höhe von insgesamt 265.372,03 € Schadensersatz zu leisten, weil dieser die Rückführung des Kredits trotz der Überschuldung der Gesellschaft zugelassen habe. Der Zedent konnte den Betrag nicht zahlen. Er schloss mit dem Kläger am 25. August 2009 einen Vergleich, durch den er unter anderem seine Ansprüche gegen den Beklagten aus steuerlicher Beratung an den Kläger abtrat.
4
Gestützt auf diese Abtretung verlangt der Kläger unter Anrechnung eines hälftigen Mitverschuldens des Zedenten Schadensersatz in Höhe von 132.686,01 €. Er meint, der Beklagte habe es - zuletzt bei der Unterredung am 26. Januar 2006 - schuldhaft unterlassen, auf eine mögliche Überschuldung der Gesellschaft und die Pflicht des Zedenten, die Überschuldung prüfen zu lassen, hinzuweisen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zu der Frage zugelassenen Revision, ob der Geschäftsführer einer GmbH in den Schutzbereich des zwischen der Gesellschaft und dem Steuerbe- rater geschlossenen Beratungsvertrages einbezogen sei, soweit die insolvenzrechtliche Innenhaftung des Geschäftsführers in Rede stehe, verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision des Klägers ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

I.


6
Das Berufungsgericht, dessen Urteil mehrfach (vgl. DStR 2012, 923; NZG 2012, 504; Stbg 2012, 327; DStRE 2012, 970) veröffentlicht ist, hat gemeint , eine Inanspruchnahme des Beklagten aus abgetretenem Recht scheide aus, weil diesen keine Schadensersatzverpflichtung gegenüber dem Zedenten treffe. Auf einen stillschweigend geschlossenen Auskunftsvertrag könne sich der Kläger nicht stützen. Es habe sich nicht um eine Beratungsleistung gegenüber dem Zedenten, sondern um eine solche gegenüber der GmbH gehandelt. Jedenfalls erschöpften sich die Pflichten des Beklagten in dem erteilten Rat. Eine Verpflichtung zur weiteren Aufklärung des Zedenten könne aus einem solchen Vertrag nicht hergeleitet werden. Der Kläger habe nicht hinreichend dargelegt , dass der Zedent den Beklagten Ende des Jahres 2005 oder Anfang des Jahres 2006 überhaupt zu einer Einschätzung dazu aufgefordert habe, ob die GmbH überschuldet und aus diesem Grund etwas zu veranlassen sei.
7
Die Voraussetzungen eines Anspruchs des Zedenten aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter seien ebenfalls nicht gegeben. Der Zedent sei nicht in den Schutzbereich des Steuerberatervertrages zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten einbezogen gewesen. Zwar komme eine solche Einbeziehung in Betracht, wenn aufgrund einer fehlerhaften Beratung durch den Steuerberater das Risiko einer haftungsrechtlichen Inanspruchnahme des Geschäftsführers nach §§ 191, 219 AO bestehe oder der Steuerberater wegen unrichtiger Angaben in der Steuererklärung für eine gegen den Geschäftsführer verhängte Geldstrafe wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung haften müsse (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2011 - IX ZR 193/10, ZInsO 2011, 2274). Vorliegend fehle es aber an der Schutzwürdigkeit des Zedenten und der Zumutbarkeit der Haftungserweiterung für den Beklagten, der seine Leistungen vorrangig im Interesse der Gesellschaft zu erbringen habe. Deren Geschäftsführer sei zur eigenverantwortlichen Prüfung der Überschuldung verpflichtet, soweit er Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit entgegen § 64 Abs. 2 GmbHG aF leiste. Dem steuerlichen Berater der Gesellschaft sei das Risiko, für solche Zahlungen haften zu müssen, nicht zumutbar. Es fehle auch an einer Pflichtverletzung des Beklagten. Aus dem Umstand, dass er bei Vorlage der Bilanz für das Jahr 2004 zutreffend über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft informiert und der Zedent auf die Feststellung des Fehlbetrages durch die Abgabe von Rangrücktrittserklärungen reagiert habe, sei zu entnehmen, dass dem Zedenten die Überschuldungssituation bewusst gewesen sei.

II.


8
Die Revision ist zulässig, soweit sie die Haftung der Beklagten wegen Verletzung einer drittschützenden Pflicht bei der steuerlichen Beratung der GmbH erreichen will. Im Übrigen ist sie mangels einer Zulassung unstatthaft und damit unzulässig (§ 543 Abs. 1 ZPO).
9
Das Berufungsgericht hat die Revision beschränkt auf die Frage zugelassen , ob der Geschäftsführer einer GmbH in den Schutzbereich des zwischen der Gesellschaft und dem Steuerberater geschlossenen Beratungsvertrages einbezogen ist, soweit es um die Haftung des Geschäftsführers wegen der Verletzung der Pflicht gemäß § 64 Satz 1 GmbHG (entsprechend § 64 Abs. 2 GmbHG aF) gegenüber der Gesellschaft geht. Dies ergibt sich, was ausreichend ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2004 - VI ZR 273/03, NJW 2004, 3176, 3177; vom 16. September 2009 - VIII ZR 243/08, BGHZ 182, 241 Rn. 11; vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, ZIP 2011, 2491 Rn. 18), aus den Urteilsgründen. Die Zulassungsfrage betrifft lediglich einen an den Kläger abgetretenen Anspruch des Zedenten aus einer möglichen Verletzung der drittschützenden Pflichten des mit der Schuldnerin bestehenden Beratervertrages. Ansprüche aus dem von dem Kläger behaupteten Auskunftsvertrag zwischen dem Zedenten und dem Beklagten werden von dieser Frage nicht berührt. Eine Beschränkung der Revisionszulassung auf einen abtrennbaren Teil eines prozessualen Anspruchs ist möglich (BGH, Urteil vom 23. September 2003 - XI ZR 135/02, NJW 2003, 3703; vom 16. September 2009, aaO; vom 12. Mai 2010 - VIII ZR 96/09, NJW 2010, 3015 Rn. 21; Ackermann in Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl. § 543 Rn. 4 f; Hk-ZPO/Kayser/Koch, 5. Aufl., § 543 Rn. 60; MünchKomm -ZPO/Krüger,4. Aufl., § 543 Rn. 35; Musielak/Ball, ZPO, 9. Aufl., § 543 Rn. 11; Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 543 Rn. 22).
10
Bezieht sich die Rechtsfrage, zu deren Klärung das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, wie hier auf einen abtrennbaren Teil des Streitstoffs, ist die Zulassungsentscheidung so auszulegen, dass das Berufungsgericht die Revision lediglich beschränkt auf diesen Teil des Streitgegenstands zugelassen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2009 - II ZR 63/08, ZIP 2010, 879 Rn. 4). Deshalb ist die Revision als unzulässig zu verwerfen, soweit sie Ansprüche des Klägers aus einem Beratungsvertrag des Zedenten mit dem Beklagten weiterverfolgt.

III.


11
Im Umfang der Zulassung bleibt die Revision des Klägers ohne Erfolg. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
12
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Beklagte aus dem mit der Schuldnerin abgeschlossenen Beratervertrag nicht die Pflicht hatte, die Schuldnerin auf eine möglicherweise bestehende insolvenzrechtliche Überschuldung und die Pflicht des Geschäftsführers, eine Überschuldungsprüfung in Auftrag zu geben, hinzuweisen.
13
a) Der Beklagte hatte für die Schuldnerin seit deren Gründung 2001 fortlaufend die monatlichen betriebswirtschaftlichen Auswertungen, die Lohnabrechnungen der Mitarbeiter, die Meldungen an das Finanzamt und die Sozialversicherungsträger , die Jahresabschlüsse und die Bilanzen zu fertigen und diese bei den Prüfungen der genannten Stellen zu unterstützen. Diese Tätigkeiten sind nach ihrem Gesamtbild als Wahrnehmung der allgemeinen steuerlichen Interessen des Auftraggebers einzustufen. Im Streitfall hat die Schuldnerin dem Beklagten aber nicht den ausdrücklichen Auftrag erteilt, die GmbH in der Frage des Bestehens einer Insolvenzantragspflicht zu beraten. Die Pflicht zum Hinweis auf die Erforderlichkeit einer Überprüfung der Insolvenzantragsvoraussetzungen ergibt sich aber auch nicht aus der Verletzung einer allgemeinen Vertragspflicht.
14
Welche Aufgaben der Steuerberater zu erfüllen hat, richtet sich nach Inhalt und Umfang des erteilten Mandats (BGH, Urteil vom 4. März 1987 - IVa ZR 222/85, WM 1987, 661, 662; vom 26. Januar 1995 - IX ZR 10/94, BGHZ 128, 358, 361). Der Steuerberater ist verpflichtet, sich mit den steuerrechtlichen Punkten zu befassen, die zur pflichtgemäßen Erledigung des ihm erteilten Auftrags zu beachten sind. Nur in den hierdurch gezogenen Grenzen des Dauermandats hat er den Auftraggeber auch ungefragt über die bei der Bearbeitung auftauchenden steuerrechtlichen Fragen zu belehren (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 1966 - VII ZR 132/64, WM 1967, 72, 73; vom 6. Dezember 1979 - VII ZR 19/79, WM 1980, 308, 309; vom 26. Januar 1995, aaO). Zu den vertraglichen Nebenpflichten des Steuerberaters gehört es, den Mandanten vor Schaden zu bewahren (§ 242 BGB) und auf Fehlentscheidungen, die für ihn offen zutage liegen, hinzuweisen (BGH, Urteil vom 7. Mai 1991 - IX ZR 188/90, WM 1991, 1303, 1304; vom 26. Januar 1995, aaO 362; vom 21. Juli 2005 - IX ZR 6/02, WM 2005, 1904, 1905 unter B. I. 1.a; Vill in Zugehör/G.Fischer/ Vill/D.Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 550 ff).
15
b) Gemessen an diesen Grundsätzen war es nicht Aufgabe des mit der allgemeinen steuerlichen Beratung der GmbH beauftragten Beraters, die Gesellschaft bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass es die Pflicht des Geschäftsführers ist, eine Überprüfung vorzunehmen oder in Auftrag zu geben, ob Insolvenzreife eingetreten ist und gegebenenfalls gemäß § 15a InsO Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt werden muss. Anders als bei einem ausdrücklichen Auftrag zur Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 9 ff) besteht eine solche Pflicht bei einem allgemeinen steuerrechtlichen Mandat nicht. Sie würde die Verantwortlichkeit des Beraters, sich mit den steuerrechtlichen Angelegenheiten zu befassen, erheblich erweitern. Der Berater müsste dann trotz der Beschränkung seiner Hauptpflichten auf die steuerrechtliche Beratung (vgl. § 33 StBerG und BGH, Urteil vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 10 f) auch die allgemeine wirtschaftsrechtliche Beratung, zu der die Prüfung des Vorliegens von Insolvenzgründen zu zählen ist, im Blick haben und der Gesellschaft neben steuerrechtlichen Ratschlägen ohne besonderen Auftrag auch insolvenz- und gesellschaftsrechtliche Hinweise erteilen.
16
c) Die Unterdeckung in der im Rahmen des Steuerberaters erstellten Bilanz kann zwar einen indiziellen Hinweis auf die möglicherweise drohende oder bereits eingetretene Überschuldung geben, sie weist diese aber nicht aus (Pape, in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2010, § 19 Rn. 53; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 19 Rn. 10). Festgestellt werden kann die Überschuldung im Sinne des § 19 Abs. 2 InsO nur durch Aufstellung einer Überschuldungsbilanz, die anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegt als die vom Steuerberater zu fertigende Bilanz. Die insolvenzrechtliche Überschuldung ist deshalb aus der Handelsbilanz auch nicht ohne weiteres zu entnehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2008 - II ZR 51/07, ZInsO 2008, 1019 Rn. 8; vom 8. März 2012 - IX ZR 102/11, ZInsO 2012, 732 Rn. 5 mwN).
17
aa) Im Hinblick auf die rechtlich komplexe Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Überschuldung im Sinne des § 19 InsO vorliegt (vgl. HmbKomm -InsO/Schröder, 4. Aufl., § 19 Rn. 12 ff; MünchKomm-InsO/Drukarcyk/ Schüler, 2. Aufl., § 19 Rn. 52 ff; Pape, aaO Rn. 34 ff; Sikora in Pape/Uhländer, InsO, § 19 Rn. 9 ff; Uhlenbruck, aaO Rn. 28 ff), hätte sich der Steuerberater mit schwierigen Rechtsfragen zu befassen, die für ihn - auch im Fall der Feststellung einer Unterdeckung in der Handelsbilanz - in aller Regel nicht offen zutage liegen. Ihm kann deshalb nicht die Pflicht auferlegt werden, auf bloßen äußeren Verdacht hin den Hinweis zu erteilen, die Gesellschaft sei möglicherweise überschuldet im Sinne des § 19 InsO, oder ohne konkreten Auftrag zunächst eine Fortführungsprognose zu erstellen (vgl. Pape, aaO Rn. 37 ff; Sikora aaO Rn. 16 ff) und sodann - je nach Ergebnis dieser Prognose - eine Prüfung der rechnerischen Überschuldung nach Fortführungs- oder Zerschlagungswerten (vgl. Pape, aaO Rn. 52 ff; Sikora aaO Rn. 28 ff) vorzunehmen.
18
Die Erkenntnis der Überschuldung setzt vielmehr voraus, dass weitere Untersuchungen - etwa hinsichtlich des Vorhandenseins von stillen Reserven und der bestehenden Fortführungsaussichten - angestellt werden, die für den Steuerberater nicht ohne weiteres aus dessen Kenntnis der steuerlichen Situation des Unternehmens folgen. So sind bei der Erstellung der Fortführungsprognose des § 19 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz InsO, die nach der Aufhebung des § 6 Abs. 3 FMStG durch Art. 18 des Gesetzes zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess und zur Änderung anderer Vorschriften vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2418) auf Dauer ausreicht, um eine rechnerische Überschuldung zu überwinden (vgl. Pape, aaO Rn. 34), subjektive und prognostische Elemente zu berücksichtigen, die sich dem Steuerberater im Rahmen seines allgemeinen Mandats nicht ohne weiteres erschließen. Ob Fortführungswilligkeit der Beteiligten besteht, ein umsetzbarer Finanzplan gegeben ist und ein schlüssiges und realisierbares Unternehmenskonzept für die Zukunft vorliegt (vgl. Pape, aaO Rn. 37 ff), kann der Steuerberater den Erkenntnissen, die er bei Wahrnehmung des allgemeinen Mandats gewinnt, nicht entnehmen. Für ihn wird nur die bilanzielle Überschuldung offenbar, die nicht einmal aus- reicht, um eine rechnerische Überschuldung im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz InsO erkennbar zu machen.
19
bb) Die im Schrifttum mehrheitlich und vereinzelt auch in der Rechtsprechung vertretene Auffassung, der Steuerberater habe im Rahmen seiner Vertragspflichten zur Beratung und Schadensverhütung kraft seines überlegenen Wissens den Geschäftsführer einer GmbH darüber aufzuklären, dass er verpflichtet sei, zur Klärung der Insolvenzreife eine Überschuldungsbilanz aufzustellen und bei Feststellung der Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft fristgerecht zu beantragen, wenn Überschuldung der Gesellschaft gemäß § 19 Abs. 2 InsO unmittelbar drohe oder bereits eingetreten sei (vgl. LG Wuppertal, ZInsO 2011, 1997, 1998 f; LG Saarbrücken, ZInsO 2012, 330, 337; Hölzle, DStR 2003, 2075; Gräfe, DStR 2010, 618 ff; Mutschler, DStR 2012, 539, 540; Reck, ZInsO 2000, 121, 122; Schmittmann, StuB 2009, 696; Sundermeier/Gruber, DStR 2000, 929; Wagner/ Zabel, NZI 2008, 660; Zugehör, NZI 2008, 652, 653; K. Schmidt in Schmidt/ Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 4. Aufl., Rn. 1.182; Gräfe in Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 4. Aufl., Rn. 291 Stichwort : Überschuldung), ist mit der Beschränkung der Pflichten des Steuerberaters auf die steuerliche Beratung bei einem allgemeinen steuerrechtlichen Mandat nicht in Übereinstimmung zu bringen. Auch aus der vertraglichen Nebenpflicht , den Mandanten vor Schaden zu bewahren, ergibt sich nicht die Verpflichtung des Steuerberaters, auf einen möglicherweise bestehenden Anlass zur Prüfung der Insolvenzreife hinzuweisen. Die Annahme, den Steuerberater treffe eine Hinweispflicht kraft seines überlegenen Wissens (vgl. Mutschler, aaO) oder seiner besonderen Autorität (vgl. K. Schmidt, aaO), ist nicht gerechtfertigt. Ein überlegenes Wissen im Hinblick auf eine drohende Überschuldung des Unternehmens im Fall einer bilanziellen Überschuldung hat der Steuerbera- ter durch seine Aufgabe, Jahresabschlüsse zu fertigen, nicht. Sein Wissen steht vielmehr hinter dem des Geschäftsführers zurück, der nicht nur die reinen Zahlen kennt, sondern auch die für eine Fortführungsprognose maßgeblichen weiteren Umstände. Der Geschäftsführer muss beurteilen, ob er das Unternehmen in seiner bisherigen Form fortführen kann. Dass der äußere Anlass für eine Überschuldungsprüfung gegeben ist, kann er ohne weiteres aus der Handelsbilanz , vorausgesetzt diese ist zutreffend erstellt, entnehmen, wenn diese eine Unterdeckung aufweist. Eine - möglicherweise auch drittschützende - Haftung des Steuerberaters für einen Insolvenzverschleppungsschaden kann deshalb nur eintreten, wenn dieser ausdrücklich mit der Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens beauftragt ist (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 9 ff).
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Dem Steuerberater ist aufgrund der Erstreckung seines Berufsbildes gemäß § 57 Abs. 3 Nr. 3 StBerG auf "eine wirtschaftsberatende, gutachtliche oder treuhänderische Tätigkeit sowie die Erteilung von Bescheinigungen über die Beachtung steuerrechtlicher Vorschriften in Vermögensübersichten und Erfolgsrechnungen" grundsätzlich gestattet, entsprechende Aufgaben wahrzunehmen , wenn er den Auftrag dazu hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 10). Ein Konflikt zu § 5 Abs. 1 RDG tritt nicht ein, denn die Insolvenzund die Sanierungsberatung gehört als Nebenleistung zum Berufsbild des Steuerberaters/Wirtschaftsprüfers (Gräfe, DStR 2010, 618, 619). Deshalb ist diese berufsrechtlich zulässige Sonderberatung aber noch nicht Inhalt jedes steuerlichen Dauermandats.
21
Zutreffend sind die Entscheidungen und Literaturmeinungen, die eine Hinweis- und Warnpflicht des Steuerberaters auf die Pflichten bei möglicher Insolvenzreife im Falle eines allgemeinen Mandats ablehnen (vgl. OLG Celle, ZInsO 2011, 1004; ZIP 2012, 2353; OLG Schleswig, GI 1993, 373, 378 f; LG Koblenz, DStRE 2010, 647 ff; Hoth, ZInsO 2011, 1009; Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rn. 101). Es ist originäre Aufgabe des Geschäftsführers, die Zahlungsfähigkeit und eine etwaige Überschuldung des von ihm geleiteten Unternehmens im Auge zu behalten und auf eventuelle Anzeichen für eine Insolvenzreife zu reagieren (OLG Celle, ZInsO 2011, 1004, 1005). Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verpflichtet, für eine Organisation zu sorgen , die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht ; verfügt er selbst nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse, muss er sich gegebenenfalls fachkundig beraten lassen (BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 199; vom 20. Februar 1995 - II ZR 9/94, ZIP 1995, 560, 561; vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZInsO 2007, 660 Rn. 16; vom 27. März 2012 - II ZR 171/10, ZInsO 2012, 1177, Rn. 15; vom 19. Juni 2012 - II ZR 243/11, ZInsO 2012, 1536 Rn. 11). Weist die Handelsbilanz der Gesellschaft eine Überschuldung aus, hat er nach diesen Grundsätzen eine Überschuldungsprüfung selbst vorzunehmen oder gesondert in Auftrag zu geben. Auf den Steuerberater der Gesellschaft, den im Rahmen eines allgemeinen Mandats die Pflicht zur steuerlichen Beratung der Gesellschaft trifft, kann er diese Aufgabe nicht ohne besonderen Auftrag abwälzen.
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d) Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. Februar 1987 (IVa ZR 232/85, GmbHR 1987, 463), demzufolge ein Steuerberater aus positiver Vertragsverletzung wegen verspäteter Stellung eines Konkursantrags wegen Überschuldung zum Schadensersatz verpflichtet sein kann, steht dieser Entscheidung nicht entgegen. In dem Verfahren aus dem Jahre 1987 ging es nicht um eine Schadensersatzpflicht des Beraters wegen des unterlassenen Hinweises auf eine möglicherweise bestehende Insolvenzantragspflicht. Dort war Grund für die Haftung des Steuerberaters vielmehr die fehlerhafte Erstellung der Bilanz , welche die bestehende rechnerische Überschuldung nicht erkennen ließ. Der Beratungsfehler lag mithin nicht in einer unterlassenen Warnung von einer möglicherweise bestehenden Insolvenzreife, sondern in der Schlechterfüllung des Auftrags, die Bilanz anzufertigen. Auf dieser fehlerhaften Grundlage konnte auch der Geschäftsführer der Auftraggeberin keine sachgerechten Entschließungen fassen.
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e) Soweit der Beklagte dem Zedenten im Dezember 2005 auf Nachfrage den Rat erteilt hat, hinsichtlich der Rückzahlung des der Schuldnerin zur Verfügung gestellten Kredits eine Rangrücktrittserklärung abzugeben und der Zedent diesem Rat im Januar 2006 gefolgt ist, kann hieraus eine Haftung des Beklagten nicht abgeleitet werden. Die Empfehlung, eine entsprechende Erklärung abzugeben, welcher der Zedent ohne nähere Erkundigung nach deren Sinn und Zweck gefolgt sein will, war richtig; Rangrücktritte werden typischerweise im Zusammenhang mit einer drohenden Insolvenz zur Abwendung einer rechnerischen Überschuldung vorgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2001 - II ZR 88/99, BGHZ 146, 264, 273). Der Rücktritt war unter Umständen geeignet die bestehende Unterkapitalisierung zu beseitigen. Dass der Beklagte den Zedenten mit seiner Empfehlung in die Irre geführt und bei diesem die fehlerhafte Vorstellung hervorgerufen habe, er brauche sich um die Frage der Überschuldung nicht mehr zu kümmern, weil mit der Abgabe der Erklärungen am 26. Januar 2006 alles getan sei, um der Pflicht zur Überprüfung der möglicherweise gegebenen Insolvenzreife der Schuldnerin zu genügen, hat der Kläger selbst nicht vorgetragen. Dieser stützt seine Klage vielmehr auf die Behauptung , der Beklagte habe es gänzlich unterlassen, den Zedenten auf die bestehende Insolvenzgefahr aufmerksam zu machen. Der Vorwurf, der Beklagte ha- be außerhalb der Grenzen seines Mandats die Verletzung der Insolvenzantragspflicht durch den Zedenten verursacht, weil er diesem fälschlich den Eindruck vermittelt habe, der sich aus der Bilanz für das Jahr 2004 ergebende Anlass , eine Überschuldungsprüfung vorzunehmen, habe sich erledigt, kann dem Beklagten nicht gemacht werden. Dieser Anlass bestand nach dem eigenen Vorbringen des Klägers ungeachtet der erklärten Rangrücktritte weiter.
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2. Eine Einbeziehung des Zedenten in den Schutzbereich des Steuerberatervertrages zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten, die zur Entstehung abtretbarer Ansprüche aus Beratungsverschulden im Zusammenhang mit einer Insolvenzverschleppungshaftung führen könnten, kommt nicht in Betracht.
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a) Ein Dritter kann dann in den Schutzbereich vertraglicher Pflichten einbezogen sein, wenn der geschützte Dritte mit der Hauptleistung des Schutzpflichtigen bestimmungsgemäß in Berührung kommt, zu dieser Leistungsnähe ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrags hinzutritt und dem Schutzpflichtigen die Einbeziehung Dritter in sein vertragliches Haftungsrisiko erkennbar ist. Außerdem muss der Dritte für diese Haftungserstreckung selbst schutzwürdig sein (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 1996 - X ZR 104/94, BGHZ 133, 168, 173; vom 7. Mai 2009 - III ZR 277/08, BGHZ 181, 12 Rn. 17; vom 13. Oktober 2011 - IX ZR 193/10, ZInsO 2011, 2274 Rn. 6). Schutzwirkungen zugunsten Dritter werden insbesondere bei solchen Verträgen angenommen, mit denen der Auftraggeber von einer Person, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügt (z.B. öffentlich bestellter Sachverständiger, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater ), ein Gutachten oder eine gutachtliche Äußerung bestellt, um davon gegenüber einem Dritten Gebrauch zu machen (BGH, Urteil vom 2. April 1998 - III ZR 245/96, BGHZ 138, 257, 260 f; vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 18).
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b) Eine Einbeziehung des Geschäftsführers in den Schutzbereich des Vertrags zwischen der Gesellschaft und dem Steuerberater kann hiernach zwar nicht generell verneint werden. Der Geschäftsführer kommt bestimmungsgemäß mit dem Vertrag in Berührung und für den Steuerberater, bei dem es sich grundsätzlich um eine Person handelt, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügt, ist ohne weiteres erkennbar, dass die Prüfung der Überschuldung für den Geschäftsführer rechtliche Wirkungen hat (zur Einbeziehung des Geschäftsführers in den ausdrücklichen Prüfauftrag des Steuerberaters vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 27 ff).
27
Vorliegend fehlt aber schon eine Hinweis- und Warnpflicht des Beraters gegenüber seiner Auftraggeberin, so dass eine Haftung des Beklagten aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bereits daran scheitert, dass den Beklagten aus dem mit der GmbH abgeschlossenen allgemeinen Steuerberatungsvertrag keine Schutzpflichten hinsichtlich der Aufklärung über eine möglicherweise bestehende Insolvenzantragspflicht treffen. Dies ergibt die Auslegung der vertraglichen Pflichten, die den Steuerberater aus einem allgemeinen steuerrechtlichen Beratungsmandat treffen. Die drittschützenden Pflichten aus einem solchen Vertrag können nicht weiter reichen als die dem Berater gegenüber seiner eigentlichen Vertragspartei obliegenden Warn- und Hinweispflichten. Der Dritte, der selbst keine vertraglichen Beziehungen zu dem Berater hat, kann nicht erwarten, dass dieser ihn über Gefahren und mögliche Risiken aufklärt , auf die er im Rahmen seines allgemeinen Mandats nicht hinzuweisen hat. Diese Pflichtenlage ist nur dann anders zu beurteilen, wenn der Berater ausdrücklich damit beauftragt ist, eine Überprüfung der Insolvenzreife vorzuneh- men, denn hier wird die Feststellung, ob ein Insolvenzgrund vorliegt oder auszuschließen ist, dem Auftraggeber schon bei Erfüllung der Hauptpflicht geschuldet.
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c) Die vom Berufungsgericht in den Vordergrund gestellte Belehrungsbedürftigkeit der Auftraggeberin, von welcher der Berater grundsätzlich auch dann auszugehen hat, wenn es um die Beratung einer rechtlich und wirtschaftlich erfahrenen Person geht, die möglicherweise auch selbst über einschlägige Kenntnisse verfügt (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 2010 - IX ZR 189/09, WM 2010, 993 Rn. 14; vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 37, jeweils mwN), begründet die Haftung des Beklagten nicht. Nur wenn die insolvenz- und gesellschaftsrechtliche Beratung als Haupt- oder Nebenaufgaben zum Vertragsinhalt des Steuerberaters gehört, kann mit einem Teil der Rechtsprechung erwogen werden, ob eine Hinweispflicht des Beraters dann entfällt, wenn der Geschäftsführer sich der bestehenden Insolvenzgefahr bereits bewusst ist (vgl. OLG Celle, ZInsO 2011, 1004; ZIP 2012, 2353; OLG Schleswig, GI 1993, 373, 381 f, bestätigt durch BGH, Beschluss vom 24. Februar 1994 - IX ZR 126/93, unveröffentlicht; LG Koblenz, DStRE 2010, 647 f).
Kayser Raebel Pape
Grupp Möhring

Vorinstanzen:
LG Aachen, Entscheidung vom 10.08.2011 - 8 O 551/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 23.02.2012 - 8 U 45/11 -

(1) Bei der Bewertung der im Jahresabschluß ausgewiesenen Vermögensgegenstände und Schulden gilt insbesondere folgendes:

1.
Die Wertansätze in der Eröffnungsbilanz des Geschäftsjahrs müssen mit denen der Schlußbilanz des vorhergehenden Geschäftsjahrs übereinstimmen.
2.
Bei der Bewertung ist von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen.
3.
Die Vermögensgegenstände und Schulden sind zum Abschlußstichtag einzeln zu bewerten.
4.
Es ist vorsichtig zu bewerten, namentlich sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlußstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlußstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekanntgeworden sind; Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlußstichtag realisiert sind.
5.
Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahrs sind unabhängig von den Zeitpunkten der entsprechenden Zahlungen im Jahresabschluß zu berücksichtigen.
6.
Die auf den vorhergehenden Jahresabschluss angewandten Bewertungsmethoden sind beizubehalten.

(2) Von den Grundsätzen des Absatzes 1 darf nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden.

Die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen ist nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird.

Zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen sind befugt:

1.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer,
2.
Berufsausübungsgesellschaften nach den §§ 49 und 50 und im Sinne der Bundesrechtsanwaltsordnung,
3.
Gesellschaften nach § 44b Absatz 1 der Wirtschaftsprüferordnung, deren Gesellschafter oder Partner ausschließlich Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sind, sowie Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften.
4.
(weggefallen)
Gesellschaften nach Satz 1 Nummer 2 und 3 handeln durch ihre Gesellschafter und Vertreter, in deren Person die für die Erbringung der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen müssen.

Amtlicher Leitsatz:

Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist, dass der Vertrag unter Zugrundelegung des Regelungskonzepts der Parteien eine Lücke aufweist, die geschlossen werden muss, um den Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen. 

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 26. Oktober 2017 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die im Berufungsrechtszug entstandenen Kosten - einschließlich der Kosten der Streithelfer der Beklagten - zu tragen.

Das angefochtene Urteil des Landgerichts vom 26. Oktober 2017 und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

I.

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der A SE Ansprüche geltend, weil die Beklagte - eine lnvestmentbank - ihre Pflicht zum Hinweis auf die Insolvenzreife der Insolvenzschuldnerin verletzt haben soll.

Die 1996 gegründete Insolvenzschuldnerin war bereits kurze Zeit nach ihrer Gründung zu einem der größten Solarmodulproduzenten und Anbieter solarer Systemtechnik für Dach- und Freiflächenanlagen in Europa geworden. Mit wachsender Konkurrenz im Solarsektor wurde das Geschäftsmodell der Insolvenzschuldnerin nicht mehr tragfähig, weshalb bei der Insolvenzschuldnerin ab dem Jahre 2009 Sanierungsbemühungen initialisiert wurden. Die B AG attestierte im Oktober 2009 und im Januar 2010 jeweils eine positive Fortführungsprognose im Sinne von § 19 Abs. 2 InsO. Ein Insolvenzantrag wurde daher zunächst nicht gestellt. Ende 2010 war die Insolvenzschuldnerin rechnerisch überschuldet.

Mit Vereinbarung vom 17. Juni 2011/1. Juli 2011 wurde die Beklagte von der Insolvenzschuldnerin damit beauftragt, diese hinsichtlich einer „finanziellen Reorganisation“ zu beraten.

Auf ihrer Homepage wirbt die Beklagte damit, die „Nummer 1 unter den weltweit tätigen Restrukturierungsberatern“ zu sein. Zu den auf der Homepage genannten Beratungsleistungen der Beklagten zählt unter anderem auch die „Beurteilung der Überlebensfähigkeit von Unternehmen“. Hinsichtlich der weiteren auf der Homepage aufgelisteten Beratungsleistungen wird auf den als Anlage K 10 zu den Akten gereichten „Screenshot“ Bezug genommen.

In Ziff. 1.1 des Mandatsbriefs heißt es unter der Überschrift „Vertragsgegenstand“: „[Die Beklagte] berät die Gesellschaften als Finanzberater im Hinblick auf die geplante finanzielle Reorganisation. Die Leistungen [der Beklagten] umfassen, soweit nach den konkreten Umständen geboten oder von den Auftraggebern gewünscht, die folgenden Dienstleistungen“. Es folgt sodann eine Aufzählung von 14 verschiedenen Leistungen. Ziff. 1.2 lautet: „Sonstige Leistungen bedürfen der gesonderten schriftlichen Beauftragung“. In Ziff. 1.3 der Vereinbarung heißt es: „[Die Beklagte] übernimmt weder die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten noch die Beratung in steuerlichen Angelegenheiten. Mit der Beratung in steuerlichen und rechtlichen Angelegenheiten werden die Auftraggeber Personen beauftragen, die zur Erbringung dieser Leistungen berechtigt sind, soweit dies erforderlich sein sollte“. Wegen desweiteren Inhalts des Mandatsbriefes wird auf die als Anlage K 9 zu den Akten gereichte Kopie Bezug genommen.

Darüber hinaus beauftragte die Insolvenzschuldnerin im Zusammenhang mit der Restrukturierungssituation neben der Beklagten und B noch weitere Berater, wobei zwischen den Parteien zum Teil streitig ist, welcher Berater welche konkreten Aufgaben übernehmen sollte.

Nachdem sich die wirtschaftlichen Kennzahlen der Insolvenzschuldnerin im Jahre 2011 weiter verschlechtert hatten, legte B mit Datum vom 15. August 2011 ein Gutachten vor, in welchem B die Fortführungsprognose überprüfte und unter Anknüpfung an bestimmte Voraussetzungen letztlich bejahte.

Am 11. Oktober 2011 fand sodann ein Treffen statt, an dem neben Vertretern der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten insbesondere Vertreter von finanzierenden Banken teilnahmen und in welchem die Sanierungsbemühungen, insbesondere die Verhandlungen mit potentiellen Investoren, besprochen wurden. Unter dem Gliederungspunkt Ill. b des Protokolls des Bankenmeetings ist festgehalten, dass eine Zinsstundung nur dann erfolgen kann, wenn B die Fortführungsprognose aktualisiert. Aus der Planung müsse hervorgehen, „ob die Gruppe nach erfolgreichem Investorenprozess und den geplanten Kapitalmaßnahmen überlebensfähig ist“. Wegen desweiteren Inhalts des Protokolls des Bankenmeetings wird auf die als Anlage K 7 zu den Akten gereichte Kopie verwiesen.

Am 13. Dezember 2011 stellte die Insolvenzschuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Beschluss des Amtsgerichts Stadt1 vom 14. Dezember 2011 wurde daraufhin u. a. die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet.

Über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wurde sodann mit Beschluss des Amtsgerichts Stadt1 vom 1. März 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wurde der Kläger bestellt.

Der Kläger hat behauptet, spätestens am 11. Oktober 2011 sei die positive Fortführungsprognose für die Insolvenzschuldnerin entfallen. Auch im weiteren Verlauf bis zur Insolvenzantragsstellung habe eine positive Fortführungsprognose nicht bestanden. Dies sei der Beklagten bekannt gewesen, zumindest aber hätte es sich ihr aufdrängen müssen. Die Beklagte „als Sanierungsberaterin“ hätte - so der Kläger weiter - die Insolvenzschuldnerin auf den Eintritt der Insolvenzreife hinweisen müssen. Die Kanzlei C Rechtsanwälte PartG mbB sei von der Insolvenzschuldnerin nicht schriftlich mit der Überwachung der Insolvenzantragspflicht beauftragt worden. Dass eine mündliche Beauftragung erfolgt sei, bestreitet der Kläger mit Nichtwissen, da Unterlagen über eine schriftliche Beauftragung nicht aufgefunden worden seien.

Der von der Beklagten vorgelegte Zeitplan für die Sanierung sei überdies nicht geeignet gewesen, um als Grundlage einer zutreffenden Beurteilung der Sanierungsbemühungen zu dienen. So sei der Zeitplan von einem am 11. Oktober 2011 fortgeschrittenen Gesprächsstand mit einer bereits seit Anfang Oktober laufenden Due Diligence der Investoren ausgegangen, obgleich mit der Due Diligence zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnen worden sei.

Ohne die Pflichtverletzung der Beklagten hätte die Insolvenzschuldnerin - so der Kläger weiter - spätestens am 1. November 2011 Insolvenzantrag gestellt. Durch das erst am 13. Dezember 2011 erfolgte Stellen des Insolvenzantrags sei der Insolvenzschuldnerin ein Fortführungsschaden in Höhe von insgesamt € 22.965.815,60 entstanden.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 22.965.815,60 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozent p. a. seit dem 1. März 2012 bis zur Zustellung des Mahnbescheids und fünf Prozent p. a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung des Mahnbescheids zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, die Kanzlei C sei von der Insolvenzschuldnerin - zumindest mündlich - mit der Prüfung und Überwachung der lnsolvenzantragspflicht beauftragt worden.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird ergänzend Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage mit dem angegriffenen Urteil abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht u. a. ausgeführt, die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, die Insolvenzschuldnerin auf das Vorliegen einer Insolvenzantragspflicht hinzuweisen, weshalb sie auch nicht gegen eine solche Pflicht verstoßen haben könne. Wegen der näheren Einzelheiten der Begründung wird auf das angegriffene Urteil vom 26. Oktober 2017 verwiesen.

Gegen dieses seinen Prozessbevollmächtigten am 30. Oktober 2017  zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem hier per Fax am 30. November 2017 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage Berufung eingelegt  und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30. Januar 2018  mit Anwaltsschriftsatz vom 30. Januar 2018  begründet, der hier per Fax am 30. Januar 2018 eingegangen ist.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Rechtsschutzziele weiter.

Zur Begründung rügt er u. a., das Landgericht habe verkannt, dass die Beklagte aufgrund des Mandatsbriefes verpflichtet gewesen sei, die Insolvenzschuldnerin auf den Eintritt der Insolvenzreife, zumindest aber auf das Entfallen der positiven Fortbestehensprognose hinzuweisen.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei eine „finanzielle Restrukturierung“ der Insolvenzschuldnerin durch die Beklagte auf der Grundlage der Mandatsvereinbarung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens jedenfalls nicht mehr möglich und damit gescheitert gewesen. Die Mandatsvereinbarung sei gemäß den §§ 116, 115 InsO mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ipso iure erloschen. Daher wäre - so der Kläger weiter - die Tätigkeit der Beklagten spätestens mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beendet und die von ihr betriebene finanzielle Restrukturierung der Insolvenzschuldnerin zwingend gescheitert gewesen.

Unabhängig davon lägen bereits im Insolvenzantragsverfahren, spätestens jedoch mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Restrukturierungsbemühungen de facto in der Hand des vom lnsolvenzgericht bestellten Insolvenzverwalters. Für eine Restrukturierung durch die Geschäftsleitung und ihre Berater verbleibe dann kein Raum. Dies gelte umso mehr, wenn dem Insolvenzantrag - wie hier - jahrelange vergebliche und letztendlich gescheiterte Sanierungsbemühungen vorangegangen seien.

Überdies sei der Fortbestand der positiven Fortführungsprognose und damit verbunden der Nichteintritt des lnsolvenzgrunds der Überschuldung für die Arbeit der Beklagten von überragender Bedeutung im Sinne einer „conditio sine qua non“. Ein Insolvenzverfahren bzw. der Eintritt der Insolvenzreife hätte - so der Kläger - weitere einschneidende Auswirkungen auf eine finanzielle Restrukturierung gehabt, die von der Beklagten zwingend hätten berücksichtigt werden müssen.

Zudem seien die von der Beklagten geführten Verhandlungen über Forderungsverzichte und einen Kapitalschnitt ab Eintritt der Insolvenzreife per 11. Oktober 2011 nicht nur überflüssig, sondern untauglich gewesen.

Der Zeitpunkt der Insolvenzreife sei für den Vorstand einer Aktiengesellschaft bzw. einer SE und die Geschäftsführer einer GmbH unter zivil- und strafrechtlichen Haftungsgesichtspunkten relevant.

Der Zeitpunkt des Entfallens der positiven Fortführungsprognose und damit der Eintritt der Insolvenzreife seien von zentraler Bedeutung für die von der Beklagten verantwortete „finanzielle Restrukturierung“ der Insolvenzschuldnerin gewesen.

Überdies finde sich die Formulierung aus dem Mandatsbrief, wonach die von der Beklagten übernommene finanzielle Restrukturierung auch „im Rahmen eines Ordnungsverfahrens “ denkbar ist , als Mustertext in sämtlichen Mandatsbriefen der Beklagten und sei zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten auch gar nicht besprochen oder gar verhandelt worden. Aus einer solchen, aus einem Vertragsmuster übernommenen Formulierung, die nichts mit dem konkreten Mandat zu tun habe und die von den Parteien unbeachtet geblieben sei, ließen sich schwerlich so weitgehende Schlussfolgerungen ziehen, wie dies das Landgericht getan habe.

Das Landgericht habe ferner übersehen, dass die Beklagte nach Ziff. 1.1 lit. a und lit. e des Mandatsbriefs die Erarbeitung eines Projektplans und eine diesbezügliche Beratung geschuldet habe. Damit sei die Beklagte zur Erteilung zweckentsprechender Hinweise verpflichtet gewesen, namentlich als sich gezeigt habe, dass der von der Beklagten selbst erstellte Projektplan als solcher gar keine Chance auf Realisierung mehr gehabt habe. Das gelte umso mehr, als sich die Beklagte sehr wohl mit der Frage beschäftigt habe, ob die von ihr selbst empfohlenen Maßnahmen eine ausreichende Umsetzungswahrscheinlichkeit böten. So habe die Beklagte die von ihr selbst als Anlage B 21 vorgelegte Aufstellung der Anleihegläubiger eingeholt. Darüber hinaus habe sie die Abstimmungsergebnisse von Gläubigerversammlungen in vermeintlich „vergleichbar“ gelagerten Fällen ermittelt und untersucht. Dies alles sei geschehen, um die Umsetzungswahrscheinlichkeit der von ihr empfohlenen Maßnahmen bestimmen zu können. Die Parteien seien also sehr wohl davon ausgegangen, dass die Beklagte nicht nur „irgendwelche“ Restrukturierungsmaßnahmen vorschlagen, sondern sich gerade auch mit der Frage habe befassen sollen, ob diese mit einer ausreichenden Wahrscheinlichkeit umsetzbar sein würden.

Das Landgericht habe bei seiner Argumentation auch übersehen, dass die Pflicht der Beklagten, die Insolvenzschuldnerin auf das Entfallen der positiven Fortführungsprognose bzw. den Eintritt der lnsolvenzreife hinzuweisen, bereits vom Vertragszweck vorausgesetzt worden und daher auch ohne schriftliche Vereinbarung Bestandteil des Pflichtenkanons des Mandatsbriefes gewesen sei.

Darüber hinaus sei der in dem Mandatsbrief aufgeführte Pflichtenkanon auch seinem Sinn und Zweck nach nicht abschließend gewesen. Die gegenteilige Ansicht des Landgerichts sei mit dem Inhalt des Mandatsbriefes nicht zu vereinbaren. Auch wenn der Mandatsbrief zahlreiche Pflichten der Schuldnerin konkret benenne, sei diese Aufzählung bloß exemplarischer Natur und nicht abschließend zu verstehen. Die in dem Mandatsbrief unter Ziff. 1.1 lit. a bis n aufgeführten Leistungen bezögen sich auf die geplante „finanzielle Reorganisation“, welche ausweislich der Begriffsdefinition auf S. 1 f. lit. a bis h - insbesondere nach dem dortigen lit. h  - nur beispielhaft definiert sei. Die Beklagte habe eine auf eine erfolgversprechende „finanzielle Reorganisation“ gerichtete Beratung geschuldet. Zu einer solchen Beratung könnten auch Maßnahmen und Hinweise zählen, welche sich in der beispielhaften Beschreibung des Mandatsbriefes nicht wiederfänden, aber gleichwohl zugunsten einer erfolgversprechenden finanziellen Restrukturierung zum Leistungsprogramm der Beklagten gehörten. Das gelte zum Beispiel auch für die laufende Überprüfung, ob der von der Beklagten entwickelte Projektplan für eine außergerichtliche Restrukturierung überhaupt geeignet sei und Aussicht auf eine Realisierung habe.

Für eine am Vertragszweck orientierte weite Auslegung der Vertragspflichten spreche auch, dass die Beklagte neben den im Mandatsbrief aufgeführten Leistungen umfangreiche Leistungen gegenüber der Insolvenzschuldnerin erbracht habe, die eben nicht im Mandatsbrief aufgeführt gewesen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung des Klägers wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 30. Januar 2018 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des am 26. Oktober 2017 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main, Az. 2-19 O 291/16, zu verurteilen, an ihn € 22.965.815,60 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozent p. a. seit dem 1. März 2012 bis zur Zustellung des Mahnbescheids und 5 % p. a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung des Mahnbescheids zu zahlen.

Die Beklagte und die Streithelfer der Beklagten beantragen jeweils,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.

Wegen der Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Anwaltsschriftsatz der Beklagten vom 12. April 2018 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Dem Kläger steht aus § 80 Abs. 1 InsO in Verbindung mit der Vereinbarung der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten vom 17. Juni 2011/1. Juli 2011 in Verbindung mit § 280 Abs. 1 BGB kein Schadensersatzanspruch zu.

a. Die Beklagte war nach dem mit der Insolvenzschuldnerin geschlossenen Vertrag nicht verpflichtet, diese auf die Insolvenzantragspflicht hinzuweisen, so dass schon aus diesem Grunde eine diesbezügliche Pflichtverletzung ausscheidet.

Nach dem Wortlaut der Vertragsurkunde umfassen die Leistungen der Beklagten, soweit nach den konkreten Umständen geboten oder von den Auftraggebern gewünscht, die 14 Dienstleistungen, die in Ziff. 1.1 des Mandatsbriefs aufgeführt sind. Diese Aufzählung ist abschließend, da jeder Anhaltspunkt für eine lediglich beispielhafte Aufzählung - etwa durch das Verwenden des Wortes „insbesondere“, des Wortes „beispielsweise“ oder der Worte „unter anderem“ oder „vor allem“ – fehlt. 1

Dieses Ergebnis der Wortlautauslegung wird durch eine systematische Auslegung bestätigt. Maßgeblich für die Auslegung ist nämlich der ganze Vertragsinhalt. Ähnlich wie bei der Gesetzesauslegung sind auch bei Rechtsgeschäften der sprachliche Zusammenhang und die Stellung der Formulierung im Gesamtzusammenhang des Textes zu berücksichtigen. Ziff. 1.2 regelt, dass „sonstige Leistungen“ einer gesonderten schriftlichen Beauftragung bedürfen. Diese Formulierung macht deutlich, dass es sich bei der Aufzählung der von der Beklagten unter den Voraussetzungen der Ziff. 1.1 Satz 2 zu erbringenden Dienstleistungen in Ziff 1.1 Satz 2 lit. a bis lit. n um eine abschließende Aufzählung handeln muss, da andernfalls - also im Falle der Annahme einer beispielhaften Aufzählung - vollkommen unklar bliebe, wann eine „sonstige“ Leistung im Sinne der Ziff. 1.2 vorläge.

Auch eine teleologische Auslegung trägt kein anderes Ergebnis. Bei der in der Berufungsbegründung formulierten Ansicht des Klägers, auch wenn der Mandatsbrief zahlreiche Pflichten der Schuldnerin konkret benenne, sei diese Aufzählung bloß exemplarischer Natur und nicht als abschließend zu verstehen, handelt es sich um eine petitio principii. Es lässt sich dem Vertrag der Beklagten und der Insolvenzschuldnerin gerade nicht entnehmen, dass die Beklagte irgendwelche Leistungen erbringen sollte, die über die in Ziff. 1.1 Satz 2 lit. a bis lit. n hinausgehen. Angesichts der zentralen Position der Ziff. 1 im Vertragsgefüge kann keine Rede davon sein, dass die Beklagte irgendeine Maßnahme hinsichtlich der finanziellen Reorganisation der Insolvenzschuldnerin geschuldet hätte, die nicht in Ziff. 1.1 Satz 2 lit. a bis lit. n genannt ist. Dies gilt umso mehr, wenn man die Anzahl und den teilweise ganz erheblichen Umfang der dort genannten Leistungen in den Blick nimmt.

Der in diesem Zusammenhang erhobene Einwand des Klägers, eine abschließende Aufzählung sämtlicher möglicher Maßnahmen wäre aufgrund ihrer Vielzahl und Vielgestaltigkeit unmöglich und würde den Rahmen eines jeden Vertrags sprengen, ist nicht stichhaltig. Es ist den Parteien eines Vertrages unbenommen, mit entsprechenden Generalklauseln zu arbeiten, um - soweit gewünscht - für die nötige Flexibilität des Vertrages für unvorhersehbare Umstände Sorge zu tragen.

Die Beklagte war nach alledem nicht verpflichtet, die Insolvenzschuldnerin hinsichtlich der Frage einer etwaigen Insolvenzantragspflicht zu beraten, da es sich insoweit um eine in den Ziff. 1.1 Satz 2 lit. a bis lit. n nicht genannte Leistung handelt.

Dieses Auslegungsergebnis wird überdies durch Ziff. 1.3 des Mandatsbriefes gestützt. Danach hat die Beklagte weder die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten noch die Beratung in steuerlichen Angelegenheiten übernommen.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass es sich bei der Frage, wann eine Überschuldung im Sinne des § 19 Abs. 2 InsO vorliegt, um eine Rechtsfrage handelt. Dementsprechend hätte auch eine Prüfung, ob eine Überschuldung der Insolvenzschuldnerin zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgelegen hat, eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne der Ziff. 1.3 dargestellt.

Auch bei der Frage, ob die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist, handelt es sich um eine Rechtsfrage und bei einer entsprechenden Prüfung daher um eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne der Ziff. 1.3 des Mandatsbriefes.

Zur Vermeidung von Missverständnissen sei darauf hingewiesen, dass die Frage, ob es sich bei der Beurteilung des Vorliegens einer Überschuldung und einer positiven Fortführungsprognose um die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten handelt, streng von der Frage zu trennen ist, ob es einem nicht als Rechtsanwalt oder Steuerberater tätigen „Sanierungsberater“ ohne Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz erlaubt ist, derartige Fragestellungen zu beurteilen und seine Kunden entsprechend zu beraten.  Die letztere Frage stellt sich im Streitfall nämlich nicht, da nach Ziff. 1.1 und Ziff. 1.3 des Mandatsbriefes die Beklagte derartige Leistungen gerade nicht erbringen sollte und wollte.

Im Übrigen macht Ziff. 1.3 auch deutlich, dass den vertragsschließenden Parteien die Konsequenzen des Ausschlusses der Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten sowie der Beratung in steuerlichen Angelegenheiten aus dem geschuldeten Leistungssoll der Beklagten klar vor Augen standen. Die sich infolge dieses Ausschlusses und die damit verbundene Begrenzung der durch die Beklagten geschuldeten Leistungen  ergebende „Beratungslücke“ sollte nach der vertraglichen Vereinbarung dadurch geschlossen werden, dass die Insolvenzschuldnerin mit der Beratung „in steuerlichen und rechtlichen Angelegenheiten“ Personen beauftragen wird, die zur Erbringung dieser Leistungen berechtigt sind, „soweit dies erforderlich sein sollte“. Dementsprechend ist die Vereinbarung der Parteien auch gelebt worden: Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass die Beklagte im damaligen Zeitraum u. a. durch die Kanzlei C und durch die Kanzlei D - also durch die Streithelferinnen zu 1 und zu 3 - anwaltlich beraten wurde; streitig ist insoweit allein der jeweilige Umfang der Beauftragung.

Entgegen der Ansicht des Klägers bestehen gegen die Wirksamkeit von Ziff. 1.3 des Mandatsbriefes keine Bedenken.

Diese Klausel unterliegt nicht der Inhaltskontrolle des § 307 BGB.

Formularmäßige Abreden, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu zahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen, sind von der gesetzlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgenommen. Leistung und Gegenleistung können von den Vertragsparteien nach dem Grundsatz der Privatautonomie frei bestimmt werden. Mangels gesetzlicher Vorgaben fehlt es daher insoweit auch an einem Kontrollmaßstab. Allerdings gestattet § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB - insbesondere bei Fehlen entsprechender gesetzlicher Normen - eine Inhaltskontrolle auch solcher Klauseln, die sich aus der Natur des Vertrags ergebende, wesentliche Rechte und Pflichten oder sonst allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze modifizieren.

Nach diesen Maßstäben kommt eine Inhaltskontrolle im Streitfall nicht in Betracht. Durch Ziff. 1.3 des Mandatsbriefes werden keine Rechte und Pflichten der Beklagten oder der Insolvenzschuldnerin modifiziert. Wie oben bereits erläutert, ergibt sich bereits aus Ziff. 1.1, dass die Beklagte keine Überwachung der Insolvenzantragspflicht schuldete. Dieses Auslegungsergebnis wird durch Ziff. 1.3 des Mandatsbriefes nicht modifiziert, sondern vielmehr bestätigt.

Auch unter dem Gesichtspunkt der §§ 305 Abs. 2, 305b und 305c Abs. 1 BGB ist die Klausel in Ziff. 1.3 nicht zu beanstanden. Insbesondere kann keine Rede davon sein, dass es sich bei Ziff. 1.3 um eine überraschende Klausel gehandelt hat.

Auch der Einwand des Klägers, die Pflicht der Beklagten, die Insolvenzschuldnerin auf das Entfallen der positiven Fortführungsprognose bzw. den Eintritt der lnsolvenzreife hinzuweisen, sei „bereits vom Vertragszweck vorausgesetzt […] und daher auch ohne schriftliche Vereinbarung Bestandteil des Pflichtenkanons des Mandatsbriefs gewesen“, ist nicht stichhaltig.

Der Kläger trennt insoweit nicht streng genug zwischen der Frage nach den Wirkungen einer Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf das Vertragsverhältnis und der Frage, ob die Beklagte auch ohne schriftliche Vereinbarung verpflichtet gewesen ist, die Insolvenzschuldnerin auf den Eintritt der lnsolvenzreife hinzuweisen. Richtig ist, dass gemäß den §§ 119, 116, 115 InsO mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Beratungsvertrag zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten mit Wirkung ex nunc erloschen ist. Diese kraft Gesetzes eintretende Rechtsfolge hat jedoch nichts mit der Frage zu tun, ob die Beklagte verpflichtet gewesen ist, die Insolvenzschuldnerin auf den Eintritt der lnsolvenzreife hinzuweisen. Selbst wenn man dem Argument des Klägers folgen möchte, dass die von der Beklagten versprochenen Leistungen sinnvollerweise nur solange erbracht werden können, solange ein Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet ist, so lässt sich daraus kein Argument dafür gewinnen, dass ausgerechnet die Beklagte eine entsprechende Hinweispflicht in Bezug auf den Eintritt der lnsolvenzreife schuldete. Auch etwaige Handelsvertreterverträge der Insolvenzschuldnerin - um nur ein Beispiel zu nennen - sind mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes erloschen, ohne dass deswegen die betreffenden Handelsvertreter verpflichtet gewesen wären, die Insolvenzschuldnerin auf den Eintritt der lnsolvenzreife hinzuweisen.

Im Übrigen lässt sich die Annahme des Klägers, die Beklagte sei „auch ohne schriftliche Vereinbarung“ verpflichtet gewesen, die Insolvenzschuldnerin auf den Eintritt der lnsolvenzreife hinzuweisen, kaum mit der wirksamen  Klausel in Ziff. 9.4 des Mandatsbriefs vereinbaren, nach der mündliche Nebenabreden nicht getroffen worden sind.

Gegen diese Annahme des Klägers spricht überdies auch die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit einer Vertragsurkunde. Für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden besteht nämlich die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit. Die Partei, die sich auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände - sei es zum Nachweis eines vom Urkundstext abweichenden übereinstimmenden Willens der Beteiligten, sei es zum Zwecke der Deutung des Inhalts des Beurkundeten aus der Sicht des Erklärungsempfängers  - beruft, trifft die Beweislast für deren Vorliegen . Die Vollständigkeits- und Richtigkeitsvermutung setzt allerdings voraus, dass der Geschäftsinhalt durch den Urkundstext bestimmt werden kann; unklar Bleibendes kann keine Vermutung für eine bestimmte Erklärung begründen. Dies bedeutet aber nicht, dass das Beurkundete in dem Sinne eindeutig zu sein hätte, dass für eine Auslegung kein Raum mehr bleibt. Denn in diesem Falle wäre die Vermutung dem Beweis des Gegenteils nicht zugänglich, ginge mithin über eine Beweislastregelung hinaus. Die Vermutung ist vielmehr bereits dann begründet, wenn der Urkundstext nach Wortlaut und innerem Zusammenhang unter Berücksichtigung der Verkehrssitte einen bestimmten Geschäftsinhalt zum Ausdruck bringt. Die außerhalb der Urkunde liegenden Mittel der Auslegung, die Begleitumstände des Vertragsabschlusses, dessen Entstehungsgeschichte, Äußerungen der Parteien außerhalb der Urkunde und anderes, bleiben hierbei allerdings außer Betracht. Sie sind Hilfsmittel zur Widerlegung der durch die Urkunde begründeten Vermutung des Geschäftsinhalts.

Die nach diesen Maßstäben im Streitfall begründete Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde hat der Kläger nicht widerlegt.

Auch das zeitlich nach dem Vertragsschluss liegende Verhalten der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten gibt keinen Anlass für eine anderweitige Auslegung der Ziff. 1.1 und 1.3 und damit des Umfangs der von der Beklagten geschuldeten Leistungen.Das nachträgliche Verhalten der Vertragsparteien kann zwar den objektiven Vertragsinhalt nicht mehr beeinflussen, hat aber Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlichen Willens und das tatsächliche Verständnis der an dem Rechtsgeschäft Beteiligten . Der Kläger hatte in diesem Zusammenhang die Behauptung aufgestellt, dass die Beklagte neben den im Mandatsbrief aufgeführten Leistungen auch Leistungen erbracht hätte, die dort nicht genannt gewesen seien. Die Beklagte hat auf den S. 12 f. der Berufungserwiderung  zutreffend dargelegt, dass es sich bei den dort genannten Leistungen - sieht man einmal von den erst im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung erstellten Unterlagen ab - durchweg um Leistungen gehandelt hat, die ihr aufgrund des Mandatsbriefes oblagen. Selbst wenn man dies - zu Unrecht - anders beurteilen würde, könnte daraus nicht zugleich auf eine Erstreckung des Leistungsumfanges der Beklagten auf eine Beratung hinsichtlich der Insolvenzantragspflicht geschlossen werden, da sich die von dem Kläger auf S. 9 f. der Berufungsbegründung genannten Leistungen zu dieser Frage gar nicht verhalten haben.

Ebenso wenig greift der Einwand des Klägers durch, die Beklagte habe einen Hinweis auf die Insolvenzreife der Insolvenzschuldnerin als vertragliche Nebenpflicht geschuldet. Wie oben ausführlich erläutert, gehörte ein entsprechender Hinweis nach der im Streitfall maßgeblichen Vereinbarung nicht zum Pflichtenprogramm der Beklagten. Daran kann sich auch dann nichts ändern, wenn man die postulierte Pflicht zum Hinweis auf die Insolvenzreife zu einer Nebenpflicht umdeklariert.

Nach alledem kommt hier - entgegen der Ansicht des Klägers - eine ergänzende Vertragsauslegung nicht in Betracht.

Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist, dass der Vertrag unter Zugrundelegung des Regelungskonzepts der Parteien eine Lücke aufweist, die geschlossen werden muss, um den Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen. Daran fehlt es hier zumindest deswegen, weil der Pflichtenkanon der Beklagten in der Ziff. 1.1 abschließend beschrieben worden war und die sich infolge der Begrenzung der durch die Beklagten geschuldeten Leistungen ergebende „Beratungslücke“ nach der vertraglichen Vereinbarung dadurch geschlossen werden sollte, dass die Insolvenzschuldnerin mit der Beratung „in steuerlichen und rechtlichen Angelegenheiten“ Personen beauftragen wird, die zur Erbringung dieser Leistungen berechtigt sind, „soweit dies erforderlich sein sollte“. Vor diesem Hintergrund kann von einer Vertragslücke im Streitfall keine Rede sein.

b. Da die Beklagte hier gerade keine Beratung in rechtlichen Fragen schuldete, ist auch der Vorwurf des Klägers, die Beklagte hätte der Frage nachgehen müssen, ob es den Bürgen rechtlich überhaupt möglich war, die Bürgschaften noch weiter zu verlängern, bereits im Ansatz verfehlt. Die Beantwortung einer derartigen Frage setzt eine vertiefte rechtliche Prüfung der Frage voraus, ob im Falle einer Verlängerung der zeitlichen Geltungsdauer der Bürgschaften der staatlichen Bürgen eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV vorgelegen hätte und ob diese ggf. von der EU-Kommission nach Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV in Verbindung mit den „Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten“   genehmigt worden wäre. Es liegt auf der Hand, dass es sich dabei zuvörderst um Rechtsfragen handelte, zu denen ggf. noch die Frage getreten wäre, in welcher Richtung die EU-Kommission ihr diesbezüglich weites Ermessen ausüben würde.

2. Die Beklagte schuldet auch nicht etwa Schadensersatz wegen einer etwaigen Verletzung ihrer Pflicht zur Koordinierung der Aktivitäten der verschiedenen Berater. Ein entsprechender Schadensersatzanspruch scheidet bereits deswegen aus, weil der Beklagten nach dem im Streitfall maßgeblichen Mandatsbrief keine entsprechende Koordinierungspflicht oblag.

Nach Ziff. 1.1 lit. n des Mandatsbriefes war die Beklagte verpflichtet, die Insolvenzschuldnerin und ihre Tochtergesellschaften „bei der Koordination ihrer anderen an der finanziellen Reorganisation beteiligten Berater und Vertragspartner einschließlich Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und PR-Berater“ zu unterstützen. Es unterliegt nach dieser Vertragsklausel keinem Zweifel, dass es - zumindest im Verhältnis zur Beklagten - Aufgabe der Insolvenzschuldnerin gewesen ist, die „anderen an der finanziellen Reorganisation beteiligten Berater“ zu koordinieren. Die Aufgabe der Beklagten bestand nach dem insoweit eindeutigen Vertragswortlaut lediglich darin, eine solche von der Insolvenzschuldnerin selbst zu leistende Koordination zu unterstützen. Es ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, dass der geltend gemachte Insolvenzverschleppungsschaden dadurch entstanden sein soll, dass die Beklagte dieser Pflicht zur Unterstützung der Insolvenzschuldnerin bei der Koordination der „anderen an der finanziellen Reorganisation beteiligten Berater“ nicht nachgekommen wäre.

3. Auf die weiteren von der Beklagten erhobenen Einwendungen und Einreden kommt es nach alledem nicht an.

4. Der Kläger hat nach den §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO die im Berufungsrechtszug entstandenen Kosten zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10 Sätze 1 und 2, 711 ZPO.

5. Die Revision ist nicht zuzulassen.

Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Sache eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt Klärungsbedürftig sind dabei solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind.

Nach diesen Maßstäben wirft die vorliegende Sache keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf. Insbesondere gibt der Streitfall keinen Anlass für eine Erörterung, unter welchen Voraussetzungen „Sanierungsberater“ eine Pflicht zur Beratung des Auftraggebers im Hinblick auf eine etwaige Insolvenzantragspflicht trifft. Wie gezeigt, ist der Streitfall nämlich durch eine besondere vertragliche Gestaltung geprägt, nach der die Beratung in rechtlichen und steuerlichen Angelegenheiten von dem geschuldeten Leistungssoll der Beklagten vor dem Hintergrund ausgenommen worden war, dass dafür andere Berater mandatiert werden sollten und tatsächlich mandatiert worden sind.

Die Zulassung der Revision ist im vorliegenden Fall auch nicht zur „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ erforderlich. Dieser Zulassungsgrund ist insbesondere dann gegeben, wenn das Berufungsgericht von einer Entscheidung eines höherrangigen Gerichts, namentlich des Bundesgerichtshofes, abweicht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt dann vor, wenn das Berufungsgericht ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, also einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit dem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten Rechtssatz nicht deckt.

Eine so verstandene Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes findet im vorliegenden Fall nicht statt.

 
BUNDESGERICHTSHOF


Urteil vom 26.01.2017 - IX ZR 285/14

 
Tenor


Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 14. November 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt wurde.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand


Die H. GmbH (fortan: Schuldnerin) beauftragte den beklagten Steuerberater im Jahr 2005, den Jahresabschluss für das Jahr 2003 zu erstellen. Hierzu übergab die Schuldnerin dem Beklagten unter anderem den Jahresabschluss für das Jahr 2002, der einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 33.127,93 € auswies. In den Folgejahren erteilte die Schuldnerin dem Beklagten jeweils erneut Einzelaufträge, die Jahresabschlüsse zu erstellen. Der Beklagte kam diesen Aufträgen nach. Das Stammkapital der Schuldnerin betrug anfänglich 25.564,59 €; im Jahr 2007 erfolgte eine Kapitalerhöhung auf 50.000 €.

Die vom Beklagten erstellten Jahresabschlüsse wiesen jeweils nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge auf:

Erstellung Abschluss Stichtag Verlust/Gewinn Fehlbetrag Mai 2005 31.12.2003 - 49.071,31 € 82.199,24 € 2006 31.12.2004 - 13.592,24 € 95.791,48 € 15. März 2007 31.12.2005 - 32.125,13 € 127.852,50 € 28. August 2007 31.12.2006 + 54.192,28 € 73.660,22 € 3. Januar 2009 31.12.2007 - 44.216,94 € 93.441,75 € 

In Anschreiben vom 20. April 2007 und 28. August 2007 wies der Beklagte darauf hin, dass der Geschäftsführer der Schuldnerin verpflichtet sei, "regelmäßig die Zahlungsfähigkeit sowie die Vermögensverhältnisse der GmbH dahingehend zu überprüfen, ob die Zahlungsfähigkeit gewährleistet ist und dass keine Überschuldung vorliegt". Mit Schreiben vom 29. November 2007 wies er auf einen Rückgang der Umsatzerlöse im Vergleich zum Jahr 2006 um fast 50 v.H. bei gleichzeitig um 20 v.H. gestiegenem Personalaufwand hin. Mit Schreiben vom 15. Januar 2009 übersandte er den vorläufigen Jahresabschluss für das Jahr 2007 und teilte mit, dass sich die Überschuldung durch den Jahresfehlbetrag weiter erhöht habe.

Am 2. Juli 2009 stellte die Schuldnerin Eigenantrag; das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen wurde am 15. Juli 2009 eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger behauptet, die Schuldnerin habe über keine stillen Reserven verfügt und sei bereits seit 2002, jedenfalls aber Mitte 2005 bei Übernahme des ersten Auftrags durch den Beklagten insolvenzreif, nämlich überschuldet und aufgrund ihrer aus der Überschuldung folgenden Kreditunwürdigkeit zahlungsunfähig gewesen. Jedenfalls seit 2006 sei die Zahlungsfähigkeit zweifelhaft gewesen. Bereits im Mai 2005 will der Beklagte den Geschäftsführer auf das Problem der bilanziellen Überschuldung hingewiesen haben, worauf dieser ihm erklärt habe, das Problem sei bekannt, es sei eine Kapitalerhöhung geplant und er werde das Problem mit dem Gesellschafter besprechen.

Der Kläger beantragt - soweit noch von Interesse - festzustellen, dass der Beklagte sämtliche Schäden seit dem 30. Juni 2005 zu ersetzen habe, die durch eine verschleppte Insolvenzantragstellung bei der Schuldnerin entstanden seien. Das Landgericht hat die Klage insoweit abgewiesen, die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Gründe


Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

A.

Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte habe keine Pflichten aus dem Steuerberatervertrag verletzt. Der Beklagte habe ein allgemeines steuerrechtliches Mandat gehabt, indem er lediglich die Jahresabschlüsse und Steuererklärungen für die Jahre 2003 bis 2007 angefertigt habe. Im Rahmen eines solchen Mandats bestehe keine Pflicht des Steuerberaters, den Mandanten bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass der Geschäftsführer verpflichtet sei zu überprüfen, ob Insolvenzreife eingetreten sei, und gegebenenfalls einen Insolvenzantrag zu stellen. Dies gelte auch für Einzelmandate.

Aus dem vom Beklagten in den Jahresabschlüssen für die Jahre 2005 bis 2007 aufgenommenen Hinweis, die entstandenen Bilanzierungs- und Bewertungsfragen seien mit dem Geschäftsführer der Schuldnerin erörtert und einvernehmlich entschieden worden, lasse sich nicht entnehmen, dass der Beklagte eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Schuldnerin ausgeschlossen habe. Dem stehe weiter entgegen, dass der Beklagte jeweils zeitnah mit der Übersendung der Jahresabschlüsse den Geschäftsführer darauf hingewiesen habe, dass er eine Überprüfung der Insolvenzreife eigenverantwortlich vorzunehmen und gegebenenfalls Insolvenzantrag zu stellen habe.

B.

Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

I.

Allerdings hat der Senat in der Vergangenheit ausgesprochen, dass eine Haftung des Steuerberaters für einen Insolvenzverschleppungsschaden wegen eines unterlassenen Hinweises nur eintreten könne, wenn dieser ausdrücklich mit der Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens beauftragt sei. Der Steuerberater habe durch seine Aufgabe, Jahresabschlüsse zu fertigen, kein überlegenes Wissen im Hinblick auf eine drohende Überschuldung des Unternehmens im Fall einer bilanziellen Überschuldung (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 19; vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn. 13). Es sei grundsätzlich nicht Aufgabe des mit der allgemeinen steuerlichen Beratung der GmbH beauftragten Beraters, die Gesellschaft bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass es die Pflicht des Geschäftsführers ist, eine Überprüfung vorzunehmen oder in Auftrag zu geben, ob Insolvenzreife eingetreten ist, und gegebenenfalls gemäß § 15a InsO Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen (BGH, Urteil vom 7. März 2013, aaO Rn. 15, 19; vom 6. Juni 2013, aaO Rn. 12). An dieser Rechtsprechung hält der Senat jedoch nicht uneingeschränkt fest.

II.

Im Streitfall kann der Beklagte die durch eine verschleppte Insolvenzantragstellung bei der Schuldnerin entstandenen Schäden zu ersetzen haben, sofern hierfür eine mangelhafte Erstellung der Bilanzen (§ 242 Abs. 1 HGB) ursächlich war (unter 1). Weiter kommt ein Schadensersatzanspruch in Betracht, weil der Beklagte es nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag des Klägers unterlassen hat, die Schuldnerin auf die sich aus dem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag (§ 268 Abs. 3 HGB) ergebenden Risiken hinzuweisen, und nicht darauf aufmerksam gemacht hat, dass dies auf einen Insolvenzgrund hindeutet (unter 2).

1. Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass der Beklagte nach § 280 Abs. 1, § 634 Nr. 4, § 675 Abs. 1 BGB haften kann, wenn er den Jahresabschlüssen - wie der Kläger behauptet - zu Unrecht Fortführungswerte zugrunde gelegt hat. Ein Steuerberater, der es übernimmt, einen handelsrechtlichen Jahresabschluss für einen Kaufmann oder eine Gesellschaft zu erstellen, schuldet einen Leistungserfolg (unter a). Er verletzt seine Pflichten aus dem ihm erteilten Auftrag, wenn der Jahresabschluss mangelhaft ist (unter b). Er ist zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er diese Pflichtverletzung zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB; unter c).

a) Der Steuerberater haftet im Rahmen seines Mandats nach Werkvertragsrecht für Mängel bei der Erstellung des Jahresabschlusses.

aa) Der Auftrag einer Kapitalgesellschaft, einen nach §§ 242, 264 HGB erforderlichen Jahresabschluss zu erstellen, enthält stets eine werkvertragliche Verpflichtung mit Geschäftsbesorgungscharakter (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 2000 - X ZR 198/97, WM 2000, 973 unter I.; vom 7. März 2002 - III ZR 12/01, WM 2002, 2248, 2249 f; Zugehör, WM 2013, 1965, 1966). Dies gilt jedenfalls, wenn der Steuerberater - wie im Streitfall - einen nur auf die Erstellung des Jahresabschlusses gerichteten Einzelauftrag erhält. Es kann daher offenbleiben, inwieweit Werkvertragsrecht zur Anwendung kommt, wenn es sich beim zu erstellenden Jahresabschluss nur um eine Einzelleistung im Rahmen eines Dauermandats handelt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2006 - IX ZR 63/05, WM 2006, 1411 Rn. 6 ff; vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 9 zur Prüfung der Insolvenzreife). Denn bei der Erstellung eines Jahresabschlusses handelt es sich um einen fest umrissenen Leistungsgegenstand, nicht hingegen um eine allgemeine, laufende Beratungstätigkeit.

bb) Der Steuerberater, der den handelsrechtlichen Jahresabschluss für eine GmbH zu erstellen hat, soll nicht nur eine bestimmte Tätigkeit entfalten, auf deren Grundlage die Gesellschaft bestimmte Ziele erreichen oder ihre Geschäftstätigkeit ausrichten möchte. Vielmehr will die Gesellschaft mit einem solchen Auftrag stets die sie treffenden handelsrechtlichen Pflichten erfüllen und möchte deshalb einen entsprechenden Jahresabschluss als Ergebnis erhalten. Der Inhalt eines nach §§ 242, 264 HGB erforderlichen Jahresabschlusses wird dabei weitgehend durch die gesetzlichen Anforderungen und die eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten festgelegt.

b) Der Beklagte hat nach den revisionsrechtlich zu unterstellenden Behauptungen des Klägers die Jahresabschlüsse für die Schuldnerin pflichtwidrig auf der Grundlage von Fortführungswerten und damit mangelhaft erstellt.

aa) Der Bundesgerichtshof hat bereits mit Urteil vom 18. Februar 1987 (IVa ZR 232/85, GmbHR 1987, 463) ausgesprochen, dass ein Steuerberater zum Schadensersatz verpflichtet sein kann, wenn die von ihm fehlerhaft erstellte Bilanz die bestehende rechnerische Überschuldung nicht erkennen ließ und deswegen der Konkursantrag wegen Überschuldung verspätet gestellt wurde. Auch im Urteil vom 7. März 2013 (IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 22) ist der Bundesgerichtshof davon ausgegangen, dass ein Steuerberater wegen Schlechterfüllung des Auftrags zur Erstellung eines handelsrechtlichen Jahresabschlusses schadensersatzpflichtig ist. Zur Haftung führende Mängel weist ein Jahresabschluss jedoch nicht nur dann auf, wenn er die tatsächlich bestehende rechnerische Überschuldung nicht erkennen ließ. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn der Jahresabschluss angesichts einer bestehenden Insolvenzreife der Gesellschaft zu Unrecht von Fortführungswerten ausgeht. Soweit sich aus früheren Entscheidungen des Senats (insbesondere BGH, Urteil vom 7. März 2013, aaO; vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn. 12 f) etwas anderes ergeben sollte, wird daran nicht festgehalten.

bb) Mängel weist der Jahresabschluss auf, wenn er nicht der vereinbarten oder jedenfalls nicht der für Jahresabschlüsse nach der gewöhnlichen Verwendung üblichen Beschaffenheit entspricht (§ 633 BGB). Welche Beschaffenheit vertraglich geschuldet ist, richtet sich nach dem Umfang der Pflichten, die den Steuerberater nach dem Inhalt des ihm erteilten Auftrags bei der Erstellung eines Jahresabschlusses treffen. Er hängt von dem konkreten Mandat ab (BGH, Urteil vom 4. März 1987 - IVa ZR 222/85, VersR 1987, 565 unter 1.; vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 14).

Der mit der Erstellung des Jahresabschlusses beauftragte Steuerberater schuldet grundsätzlich einen den handelsrechtlichen Vorschriften entsprechenden, die Grenzen der zulässigen Gestaltungsmöglichkeiten nicht überschreitenden und in diesem Sinne richtigen Jahresabschluss (vgl. Zugehör, WM 2013, 1965). Gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ist in einer Handelsbilanz bei der Bewertung von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen. Von diesen Grundsätzen darf gemäß § 252 Abs. 2 HGB nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden. § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB bestimmt schließlich, dass der Jahresabschluss der Kapitalgesellschaft unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln hat. Angesichts der fachlichen Kompetenz des Steuerberaters erwartet der Mandant, dass der Steuerberater den Jahresabschluss entsprechend dem Inhalt der dem Steuerberater zur Verfügung gestellten Unterlagen und den sonst dem Steuerberater bekannten Umständen vollständig erstellt, Bewertungsfragen - im Zusammenwirken mit dem Mandanten - klärt und bei offenen Fragen über die damit zusammenhängende Problematik aufklärt und eine Entscheidung des Mandanten herbeiführt.

Allerdings ist der Steuerberater ohne besondere Vereinbarung nicht verpflichtet, von sich aus die für die Fortführungsprognose (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) erheblichen Tatsachen zu ermitteln. Vielmehr hat der Steuerberater den Jahresabschluss lediglich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm bekannten Umstände zu erstellen. Nur in diesem Rahmen hat der Steuerberater zu prüfen, ob tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten bestehen, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB). Der Bilanzaufsteller bestätigt mit seiner Unterschrift unter den Jahresabschluss, dass ihm keine Umstände bekannt sind, die zu einer Abkehr von der Fortführungsvermutung zwingen (Kaiser, ZIP 2012, 2478, 2483). Soweit danach Entscheidungen des Mandanten erforderlich sind oder Gestaltungsmöglichkeiten genutzt werden sollen oder Bewertungsprobleme zu lösen sind, hat der Steuerberater hierzu die Entscheidung des Mandanten einzuholen, sofern das Mandat nicht ausdrücklich bereits entsprechende Vorgaben enthält.

Weiter richtet sich nach dem erteilten Mandat, in welchem Umfang der Steuerberater die ihm für die Erstellung des Jahresabschlusses vorgelegten Unterlagen und Angaben des Mandanten inhaltlich zu überprüfen hat. Insoweit kann ein Auftrag erteilt werden, der nur eine Erstellung ohne Beurteilungen des Steuerberaters umfasst, ebenso aber Aufträge mit einer Plausibilitätsbeurteilung oder mit einer umfassenden Beurteilung. Jedoch ist der Jahresabschluss unabhängig vom Umfang der Prüfungspflicht des Steuerberaters stets mangelhaft, wenn er auf der Grundlage der dem Steuerberater übergebenen Unterlagen und Angaben des Unternehmers und der dem Steuerberater - etwa aus einem Dauermandat - bekannten Umstände den handelsrechtlich zulässigen Rahmen überschreitet, also handelsrechtliche Vorgaben verletzt.

cc) Nach diesen Maßstäben ist im Streitfall nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht auszuschließen, dass die vom Beklagten erstellten Bilanzen pflichtwidrig mangelhaft waren. Der Kläger hat geltend gemacht, dass der Beklagte den von ihm erstellten Bilanzen Fortführungswerte zugrunde gelegt hat, obwohl dies nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB nicht mehr zulässig gewesen sei.

(1) Eine Haftung des Steuerberaters setzt zunächst voraus, dass eine Bilanzierung nach Fortführungswerten objektiv aus der Sicht ex ante ausschied. Dies ist der Fall, wenn feststeht, dass der Fortführung der Unternehmenstätigkeit tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB).

(a) Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich um eine Prognoseentscheidung des bilanzierenden Unternehmens handelt, weil darauf abzustellen ist, ob das Unternehmen seine Tätigkeit für einen überschaubaren Zeitraum voraussichtlich fortsetzen wird (MünchKomm-Bilanzrecht/Tiedchen, § 252 HGB Rn. 20; Winkeljohann/Büssow in BeckBil-Kommentar, 10. Aufl., § 252 HGB Rn. 11; KK-RLR/Claussen, § 252 Rn. 17 f; Kaiser, ZIP 2012, 2478, 2483). Sie hat sich auf den handelsrechtlich gebotenen Zeitraum zu erstrecken, regelmäßig jedenfalls auf das auf den Abschlussstichtag folgende Geschäftsjahr (MünchKomm-Bilanzrecht/Tiedchen, aaO; Winkeljohann/Büssow in BeckBil-Kommentar, aaO; Groß, WPg 2004, 1357, 1371; Groß/Amen, DB 2005, 1861, 1865; Lück, DB 2001, 1945, 1947; Schulze-Osterloh, DStR 2007, 1006, 1007; Semler/Goldschmidt, ZIP 2005, 3, 9; Kaiser, aaO S. 2484). Objektiv falsch ist eine Bilanzierung nach Fortführungswerten daher nur dann, wenn zum maßgebenden Zeitpunkt der Prognoseentscheidung feststeht, dass die Unternehmenstätigkeit bis zum Ablauf des Prognosezeitraums aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen eingestellt werden wird (Kaiser, aaO S. 2486; Eickes, DB 2015, 933, 934 f).

Die Fortführung der Unternehmenstätigkeit ist nach dem Gesetz der zunächst zu unterstellende Regelfall; es spricht so lange eine Vermutung dafür, wie nicht Umstände sichtbar werden, welche die Fortführung unwahrscheinlich erscheinen lassen (MünchKomm-Bilanzrecht/Tiedchen, § 252 HGB Rn. 18; Schulze-Osterloh, DStR 2007, 1006, 1007) oder zweifelsfreie Kenntnis von der Unmöglichkeit der Fortführung besteht (MünchKomm-HGB/Ballwieser, 3. Aufl. § 252 Rn. 9; Schulze-Osterloh, aaO). Art. 31 Abs. 1 lit. a Richtlinie 78/660/EWG vom 25. Juli 1978 (ABl. (EG) 1978 Nr. L 222/11; jetzt Art. 6 Abs. 1 lit. a Richtlinie 2013/34/EU vom 26. Juni 2013, ABl. L 182 vom 29. Juni 2013, S. 19), dessen Umsetzung § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB dient, bestimmt als allgemeinen Grundsatz für die Bewertung, dass eine Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit unterstellt wird. Daher ist selbst bei Zweifeln an der Überlebensfähigkeit des Unternehmens unter Fortführungsgesichtspunkten zu bilanzieren (Schulze-Osterloh, aaO). Die Fortführungsvermutung entfällt erst, wenn es objektiv fehlerhaft wäre, von der Aufrechterhaltung der Unternehmenstätigkeit auszugehen (Kaiser, ZIP 2012, 2478, 2482). Die Umstände müssen ergeben, dass die Einstellung der Unternehmenstätigkeit unvermeidbar oder beabsichtigt ist (Groß/ Amen, DB 2005, 1861, 1867). Tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten müssen sich derart konkretisieren, dass die Unternehmenstätigkeit jedenfalls innerhalb des Prognosezeitraums eingestellt werden wird (Eickes, DB 2015, 933, 934 f). Eine Bewertung zu Liquidationswerten hat zu erfolgen, wenn feststeht, dass das Unternehmen nicht mehr fortgeführt werden kann (KK-RLR/Claussen, § 252 Rn. 16).

(b) Solche tatsächlichen oder rechtlichen Gegebenheiten können nach dem Vortrag des Klägers im Streitfall vorliegen. Besteht für eine Kapitalgesellschaft - wie der Kläger dies für die Schuldnerin bereits für Mitte des Jahres 2005 behauptet - ein Insolvenzgrund, weil sie überschuldet oder zahlungsunfähig ist, liegen regelmäßig tatsächliche Gegebenheiten im Sinne des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB vor, die der Regelvermutung einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen (Merkt in Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl., § 252 Rn. 7; Staub/Kleindiek, HGB, 5. Aufl. § 252 Rn. 13; Böcking/ Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. § 252 Rn. 17; Groß/ Amen, DB 2005, 1861, 1866; Lilienbecker/Link/Rabenhorst, BB 2009, 262; Groß, WPg 2010, 119, 122 f; Kaiser, aaO S. 2487; Baumert, ZIP 2013, 1851, 1852 Fn. 14; Böhmer/Metzing, DStR 2015, 1824, 1825). Jedoch bedingt ein vorliegender Insolvenzgrund nicht zwingend für den handelsrechtlichen Jahresabschluss eine Aufgabe des von § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB bestimmten Fortführungsprinzips (Kreipl/Müller in Haufe HGB Bilanz-Kommentar, 7. Aufl., § 252 Rn. 46; Hater, Insolvenzrechtliche Fortbestehungsprognose und handelsrechtliche Fortführungsprognose, S. 122 f; Kaiser, aaO S. 2486 f; Eickes, aaO S. 935). Hiervon geht auch § 155 InsO aus (vgl. BT-Drucks. 12/2443 S. 172). § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB knüpft vielmehr an die Unternehmenstätigkeit als solche an; es geht darum, die im Jahresabschluss ausgewiesenen Vermögensgegenstände entsprechend ihrem tatsächlichen Verwendungszweck zutreffend zu bewerten (Kaiser, aaO S. 2480).

Liegt ein Insolvenzgrund vor, ist für die handelsrechtliche Bilanzierung entscheidend, ob eine Fortführung der Unternehmenstätigkeit auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu erwarten oder damit zu rechnen ist, dass das Unternehmen noch vor dem Insolvenzantrag, bereits im Eröffnungsverfahren (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO) oder alsbald nach Insolvenzeröffnung stillgelegt werden wird (§§ 157, 158 InsO). Abzustellen ist dabei darauf, ob die Unternehmenstätigkeit aufgrund der Insolvenzreife innerhalb des Prognosezeitraums eingestellt werden wird (Eickes, aaO). Daher kann trotz eines Insolvenzgrundes handelsrechtlich eine Bilanzierung nach Fortführungswerten zulässig sein, wenn ein glaubhafter Fortführungsinsolvenzplan vorliegt, eine übertragende Sanierung innerhalb des Prognosezeitraums angestrebt wird und möglich ist (Groß/Amen, DB 2005, 1861, 1866; Lilienbecker/Link/Rabenhorst, BB 2009, 262; Eickes, aaO S. 936; vgl. auch Hater, aaO S. 129 ff) oder anzunehmen ist, dass die Unternehmenstätigkeit auch nach einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedenfalls innerhalb des Prognosezeitraums fortgeführt werden wird (vgl. Kaiser, aaO S. 2481; Eickes, aaO; Füchsl/Weishäupl/Jaffe in Münch-Komm-InsO, 3. Aufl., § 155 Rn. 6 f; Kübler in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2013, § 155 Rn. 53, 57, 59).

Dies erfordert eine komplexe Prognose über die Gesamtsituation des Unternehmens (vgl. Staub/Kleindiek, HGB, 5. Aufl., § 252 Rn. 13; Kaiser, aaO S. 2480 ff). Wird in einem solchen Fall noch mit Fortführungswerten bilanziert, bedarf dies mithin der konkreten Begründung im Einzelfall. Allein die Tatsache, dass das Unternehmen trotz eines bereits vorliegenden Insolvenzgrundes weiter tätig ist, rechtfertigt es nicht, bei der Bewertung von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen. Die aktive Teilnahme am Wirtschaftsleben allein genügt auch bei rückblickender Betrachtung nicht zum Nachweis einer künftigen Unternehmensfortführung (vgl. Hater, aaO S. 93). Für die Prognose, ob die aufgrund eines bestehenden Insolvenzgrundes und einer etwa bestehenden Antragspflicht (§ 15a InsO) zu erwartende Insolvenzeröffnung zur Einstellung der Unternehmenstätigkeit führen wird, kommt es vielmehr darauf an, wie das Unternehmen zum Zeitpunkt des Eintritts des Insolvenzgrundes steht. Wenn das Unternehmen in der Vergangenheit keine Gewinne erwirtschaftet hat, nicht leicht auf finanzielle Mittel zurückgreifen kann und eine bilanzielle Überschuldung droht oder sogar schon eingetreten ist, besteht angesichts der daraus folgenden Insolvenzgefährdung zunächst keine ausreichende Wahrscheinlichkeit, dass sich das Unternehmen außerhalb eines Insolvenzverfahrens fortführen lässt (Groß/Amen, DB 2005, 1861, 1866). Dann erfordert das Insolvenzrecht die Erstellung einer insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose, deren Ergebnis in die bilanzielle Fortführungsprognose einzubeziehen ist (Groß/Amen aaO; Groß, WPg 2010, 119, 123).

(2) Die Haftung des Steuerberaters setzt weiter voraus, dass der Steuerberater die falsche Bilanzierung nach Fortführungswerten nach Umfang und Inhalt des erteilten Auftrags auch zu verantworten hat. Ein Steuerberater haftet nicht für jeden objektiv zu Unrecht auf der Grundlage von Fortführungswerten erstellten Jahresabschluss. Er darf jedoch dem von ihm erstellten Jahresabschluss keine Fortführungswerte zugrunde legen, wenn auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen die Vermutung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB entweder widerlegt erscheint oder ernsthafte Zweifel bestehen, die nicht ausgeräumt werden. Ob dies der Fall ist, hat der Tatrichter zu entscheiden.

(a) Ergeben sich aus den dem Steuerberater zur Verfügung gestellten Unterlagen und den sonst dem Steuerberater bekannten Umständen keine Anhaltspunkte für Zweifel an einer Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit, handelt der Steuerberater pflichtgemäß, der entsprechend der gesetzlichen Vermutung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit ausgeht. Dies trifft insbesondere dann ohne weiteres zu, wenn die Gesellschaft in der Vergangenheit nachhaltige Gewinne erzielt hat, leicht auf finanzielle Mittel zurückgreifen kann und keine bilanzielle Überschuldung droht (implizite Fortbestehensprognose, Winkeljohann/Büssow in BeckBil-Kommentar, 10. Aufl., § 252 HGB Rn. 10; Hater, aaO S. 79 ff; Lilienbecker/Link/Rabenhorst, BB 2009, 262, 263; Groß, WPg 2010, 119, 129; Ehlers, NZI 2011, 161, 164; Böhmer/Metzing, DStR 2015, 1824, 1825).

(b) Steht umgekehrt bereits auf der Grundlage der dem Steuerberater für die Erstellung des Jahresabschlusses zur Verfügung gestellten Unterlagen und der ihm bekannten Umstände fest, dass die Fortführungsvermutung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB nicht mehr zutrifft, ist eine Bilanzierung nach Fortführungswerten mangelhaft. Der Steuerberater muss bei pflichtgemäßem Verhalten aus den ihm zur Verfügung stehenden Informationen die sichere Überzeugung gewinnen können, dass die Unternehmenstätigkeit - etwa aufgrund einer erkannten Insolvenzreife - nicht fortgeführt werden wird.

(c) Weiter ist die - zu Unrecht Fortführungswerte zugrunde legende - Leistung des Steuerberaters aber auch dann mangelhaft, wenn aus den ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen und den ihm bekannten Umständen tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten folgen, die einer Bilanzierung nach Fortführungswerten entgegenstehen können, und der Steuerberater es unterlassen hat, vom Mandanten abklären zu lassen, ob gleichwohl noch Fortführungswerte zugrunde gelegt werden können. Entscheidend ist, ob der Steuerberater bereits aufgrund der im Rahmen der Erstellung des Jahresabschlusses erlangten oder sonst bei ihm vorhandenen Kenntnisse von Umständen weiß oder wissen müsste, die ihrer Art und ihrer Bedeutung nach geeignet sind, als tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten der Fortsetzung der Unternehmenstätigkeit entgegen zu stehen.

(aa) Die tatsächlichen Gegebenheiten, welche die Unternehmensfortführung verhindern können, sind hauptsächlich wirtschaftliche Schwierigkeiten (Böcking/Gros in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. § 252 Rn. 17; Staub/Kleindiek, aaO, HGB, 5. Aufl., § 252, Rn. 13; MünchKomm-HGB/ Ballwieser, 3. Aufl., § 252 Rn. 11; Kreipl/Müller in Haufe HGB Bilanz-Kommentar, 7. Aufl., § 252 Rn. 41; Lilienbecker/Link/Rabenhorst, BB 2009, 262). Sobald Hinweise auf entsprechende Umstände vorliegen, ist die Fortführungsfähigkeit näher zu überprüfen (Staub/Kleindiek, aaO Rn. 11; Winkeljohann/Büssow in BeckBil-Kommentar, 10. Aufl., § 252 Rn. 10). Insbesondere ist auf Anzeichen zu achten, die einen Insolvenzgrund darstellen können, vor allem solche, die die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens gefährden können.

Dies kommt etwa in Betracht, wenn das Unternehmen erhebliche Verluste erwirtschaftet, eine zu geringe Eigenkapitalausstattung aufweist oder in Liquiditätsschwierigkeiten gerät (MünchKomm-Bilanzrecht/Tiedchen, § 252 HGB Rn. 24; Lilienbecker/Link/Rabenhorst, BB 2009, 262; Böhmer/Metzing, DStR 2015, 1824, 1825). Ein weiteres Indiz ist die bilanzielle Überschuldung. Zwar ist diese allein kein Insolvenzgrund (BGH, Beschluss vom 8. März 2012 - IX ZR 102/11, WM 2012, 665 Rn. 5 mwN); jedoch kann eine bilanzielle Überschuldung ein Indiz für von § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB verlangte tatsächlichen Gegebenheiten darstellen und Anlass geben, eine insolvenzrechtliche Überschuldung zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2005 - II ZR 138/03, WM 2005, 848, 849 unter II.1.; vom 27. April 2009 - II ZR 253/07, WM 2009, 1145 Rn. 9; vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 16; vom 19. November 2013 - II ZR 229/11, WM 2014, 167 Rn. 17). Im Streitfall bestanden solche Indizien. So lag unstreitig eine bilanzielle Überschuldung vor. Außerdem wies die Schuldnerin wiederholt Verluste auf, die zu einem Verlust des Eigenkapitals und zu einem ständig steigenden, nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag (§ 268 Abs. 3 HGB) führten.

Handelt es sich nach den Umständen des Falles um ernsthafte Indizien, die eine Unternehmensfortführung zweifelhaft erscheinen lassen, darf ein Jahresabschluss nur dann unbesehen auf der Grundlage der Fortführungswerte erstellt werden, wenn anhand konkreter Umstände feststeht, dass diese belastenden Indizien einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit jedenfalls nicht entgegenstehen. Andernfalls haben die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft eingehende Untersuchungen durchzuführen und dabei anhand aktueller, hinreichend detaillierter und konkretisierter interner Planungsunterlagen zu analysieren, ob weiterhin von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen ist (explizite Fortführungsprognose, Winkeljohann/Büssow in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 10. Aufl., § 252 HGB Rn. 10; vgl. Lilienbecker/Link/Rabenhorst, BB 2009, 262, 264; Groß, WPg 2010, 119, 130).

(bb) Erkennt der Steuerberater Umstände, die geeignet sind, die implizite Fortbestehensprognose des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB in Frage zu stellen, oder hätte er bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit bei Erstellung des Jahresabschlusses solche Umstände erkennen müssen, muss er entweder klären, ob diese Umstände tatsächlich vorliegen oder tatsächlich nicht geeignet sind, die Fortführungsprognose in Frage zu stellen, oder er muss dafür Sorge tragen, dass die Gesellschaft eine explizite Fortführungsprognose erstellt. Übergibt die Gesellschaft dem Steuerberater eine explizite Fortführungsprognose, darf der Steuerberater diese - wenn sie nicht evident untauglich ist - bei der Erstellung des Jahresabschlusses zugrunde legen. Legt der Mandant nicht von sich aus ein Ergebnis einer Prüfung der Fortführungsaussichten vor, muss dies der Steuerberater anmahnen, wenn er das Risiko einer mangelhaften - weil zu Unrecht mit Fortführungswerten aufgestellten - Bilanz ausschließen möchte. Hingegen darf er sich nicht auf bloße Aussagen der Geschäftsführer oder der Gesellschaft ohne sachlichen Gehalt verlassen. Er ist zwar nicht verpflichtet, die notwendigen Überprüfungen ohne gesonderten Auftrag selbst zu veranlassen oder durchzuführen. Er muss jedoch dafür Sorge tragen, dass der Mandant die gegen einen Ansatz von Fortführungswerten bestehenden Bedenken ausräumt, und daher die vom Mandanten abgegebenen Erklärungen daraufhin überprüfen, ob sie stichhaltig sind und Substanz aufweisen.

Die Behauptung des Beklagten, der Geschäftsführer der Schuldnerin habe ihm versichert, das Problem der bilanziellen Überschuldung sei bekannt und man überlege Kapitalerhöhungen, ist nicht geeignet, den Beklagten von der Haftung für einen fehlerhaften Jahresabschluss zu entlasten. Denn sie enthält nur eine vage Ankündigung ohne konkreten sachlichen Gehalt; eine solche Ankündigung vermag die aus einer bilanziellen Überschuldung folgenden Probleme für eine handelsrechtliche Fortführungsprognose nicht zu beseitigen.

(cc) Trotz dem Steuerberater erkennbarer Zweifel an der Fortführungsvermutung ist der von ihm erstellte Jahresabschluss jedoch mangelfrei, wenn der Steuerberater die Gesellschaft auf die konkreten Umstände hingewiesen hat, deretwegen keine ausreichende Grundlage vorhanden war, um ungeprüft Fortführungswerte nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB zugrunde legen zu können, die Gesellschaft ihn aber ausdrücklich angewiesen hat, gleichwohl die handelsrechtliche Bilanz mit Fortführungswerten zu erstellen. Beruht der Mangel eines Werks auf Anweisungen oder verbindlichen Vorgaben des Bestellers, entfällt die Haftung für Mängel, sofern der Unternehmer die erforderlichen Prüfungen durchgeführt und die notwendigen Hinweise gegeben hat (Palandt/ Sprau, BGB, 76. Aufl., § 633 Rn. 4; BGH, Urteil vom 29. September 2011 - VII ZR 87/11, NJW 2011, 3780 Rn. 14 mwN; vgl. auch § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die - vom Steuerberater zu beweisenden - Hinweise müssen sowohl die bestehenden Zweifel an der Fortführungsprognose als auch die notwendige Überprüfung genau und im Einzelfall aufzeigen. Die vom Mandanten erteilte Anweisung hat der Steuerberater sodann in dem von ihm erstellten Entwurf eines Jahresabschlusses zu dokumentieren.

Der vom Beklagten nach seiner Behauptung erteilte allgemeine Hinweis, dass eine bilanzielle Überschuldung vorliegt, entlastet den Steuerberater jedoch nicht. Gleiches gilt für die Hinweise auf eine generelle Prüfungspflicht in den Schreiben vom 20. April und 28. August 2007. Der Steuerberater muss den Mandanten vielmehr klar und deutlich darauf hinweisen, dass er die handelsrechtliche Bilanz nur dann nach Fortführungswerten erstellen kann, wenn hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind. Sofern - was revisionsrechtlich zu unterstellen ist - die im Streitfall bestehenden Indizien ernsthafte Zweifel an der Fortführung der Unternehmenstätigkeit begründeten, hätte der Beklagte dem Mandanten zu erläutern gehabt, welche Anforderungen § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB an die Bilanzierung nach Fortführungswerten stellt und dass im Streitfall aufgrund einer bilanziellen Überschuldung und den wiederholten Verlusten konkrete Zweifel an einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit bestanden und deshalb eine explizite Fortführungsprognose erforderlich sei.

(3) Hingegen ist der Steuerberater, der beauftragt ist, den Jahresabschluss zu erstellen, ohne einen ausdrücklich hierauf gerichteten Auftrag nicht verpflichtet, über die ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen und die ihm sonst bekannten Umstände hinaus umfassend Nachforschungen oder Untersuchungen anzustellen, ob die gesetzliche Vermutung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB tatsächlich gerechtfertigt ist, oder von sich aus nach möglichen Insolvenzgründen zu forschen. Ihn trifft auch keine allgemeine Untersuchungspflicht hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft. Daher haftet der Steuerberater für einen objektiv fehlerhaften Jahresabschluss nicht schon dann, wenn er bei einer entsprechenden Nachforschung oder einer entsprechenden Untersuchung der wirtschaftlichen Verhältnisse hätte erkennen können, dass die Gesellschaft insolvenzreif war.

c) Das für eine Schadensersatzhaftung bei Mängeln der Werkleistung erforderliche Verschulden wird vermutet (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Steuerberater muss sich mithin entlasten.

d) Die Kausalität der fehlerhaften Bilanz für den geltend gemachten Insolvenzverschleppungsschaden, insbesondere also den unterlassenen Insolvenzantrag muss der Insolvenzverwalter beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn. 19 ff).

2. Anders als das Berufungsgericht meint, kommt zudem eine Haftung des Beklagten aus § 280 Abs. 1, § 675 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Hinweis- und Warnpflicht in Betracht. Auch wenn der vom Steuerberater erstellte Jahresabschluss mangelfrei war, können den mit der Erstellung des Jahresabschlusses beauftragten Steuerberater Hinweis- und Warnpflichten treffen.

a) Eine Hinweispflicht des Steuerberaters besteht auch außerhalb des beschränkten Mandatsgegenstandes, soweit die Gefahren dem Steuerberater bekannt oder für ihn offenkundig sind oder sich ihm bei ordnungsgemäßer Bearbeitung aufdrängen und wenn er Grund zu der Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich der Gefahr nicht bewusst ist (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 12/05, WM 2009, 369 Rn. 14 mwN; Vill in G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 2 Rn. 20). Dies gilt insbesondere, wenn die Gefahr Interessen des Auftraggebers betrifft, die mit dem beschränkten Auftragsgegenstand in engem Zusammenhang stehen (BGH, Urteil vom 9. Juli 1998 - IX ZR 324/97, WM 1998, 2246, 2248; vom 18. Dezember 2008, aaO; Vill aaO).

aa) Diese Voraussetzungen können bei einem Steuerberater erfüllt sein, der beauftragt ist, einen Jahresabschluss zu erstellen. Trotz inhaltlich richtiger Bilanz können zugunsten des Mandanten Hinweis- und Warnpflichten bestehen, wenn der Steuerberater einen Insolvenzgrund erkennt oder für ihn ernsthafte Anhaltpunkte für einen möglichen Insolvenzgrund offenkundig sind und er annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife der Mandantin nicht bewusst ist. Solche Anhaltspunkte können für den Steuerberater etwa dann offenkundig sein, wenn die Jahresabschlüsse der Gesellschaft in aufeinanderfolgenden Jahren wiederholt nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbeträge aufweisen. Dies kommt weiter in Betracht, wenn für den Steuerberater offenkundig ist, dass die bilanziell überschuldete Gesellschaft über keine stillen Reserven verfügt. Maßgeblich für die Frage, ob eine Hinweis- und Warnpflicht des Steuerberaters besteht, sind dabei nur die von ihm für den zu erstellenden Jahresabschluss zu prüfenden Umstände.

Der Steuerberater muss im Hinblick auf § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ohnehin anhand der ihm zur Verfügung gestellten Informationen und der ihm sonst - etwa auch aus einem Dauermandat - bekannten Umstände prüfen, ob sich daraus ernsthafte Hinweise auf einen möglichen Insolvenzgrund ergeben, die als tatsächliche Gegebenheiten Zweifel an der Fortführungsprognose wecken (vgl. Zugehör, WM 2013, 1965, 1969 ff; Vill aaO § 2 Rn. 23). Insbesondere ist der Steuerberater verpflichtet, die Mandantin über rechtliche oder tatsächliche Gegebenheiten zu unterrichten, die er im Zuge der Erstellung der Jahresbilanz erkennen muss und die der Fortführung der Unternehmenstätigkeit im Sinne des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB entgegenstehen können. Da § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB auf die Tätigkeit des Unternehmens abstellt und im Unterschied dazu §§ 17 ff InsO Handlungspflichten für den Unternehmensträger bestimmen (Kaiser, ZIP 2012, 2478, 2480 f; Eickes, Zum Grundsatz der Unternehmensfortführung in der Insolvenz, S. 116), liegt es für den Steuerberater und den Mandanten nahe, dass der Steuerberater auf solche sich bei der Prüfung des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB ergebende offenkundige Umstände hinweist, die für den Mandanten Handlungspflichten nach den §§ 17 ff InsO begründen können.

Hingegen ist der Steuerberater nicht zu weitergehenden Überprüfungen verpflichtet. Erst recht ist der Steuerberater nicht verpflichtet, von sich aus eine Überschuldungsprüfung vorzunehmen. Vielmehr hat der Geschäftsführer - wenn ihm die entsprechenden Indizien genannt werden - die erforderlichen Überprüfungen selbst vorzunehmen oder gesondert in Auftrag zu geben (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 21). Es ist originäre Aufgabe des Geschäftsführers, die Zahlungsfähigkeit und eine etwaige Überschuldung des von ihm geleiteten Unternehmens im Auge zu behalten und auf eventuelle Anzeichen für eine Insolvenzreife zu reagieren (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 21). Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verpflichtet, für eine Organisation zu sorgen, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht; verfügt er selbst nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse, muss er sich gegebenenfalls fachkundig beraten lassen (BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 199; vom 20. Februar 1995 - II ZR 9/94, ZIP 1995, 560, 561; vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZInsO 2007, 660 Rn. 16; vom 27. März 2012 - II ZR 171/10, ZInsO 2012, 1177, Rn. 15; vom 19. Juni 2012 - II ZR 243/11, ZInsO 2012, 1536 Rn. 11).

bb) Im Streitfall können nach den revisionsrechtlich zu unterstellenden Behauptungen des Klägers solche für den Beklagten offenkundige Umstände vorliegen. Bereits der dem Beklagten mit der erstmaligen Auftragserteilung bekannte Jahresabschluss für das Jahr 2002 wies einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 33.127,93 € auf. Der jeweilige Fehlbetrag stieg in allen vom Beklagten erstellten Jahresabschlüssen mit Ausnahme des Jahresabschlusses für das Jahr 2006 stets an. Zudem hat der Kläger behauptet, dass die Schuldnerin bereits bei Beauftragung des Beklagten über keine stillen Reserven verfügt habe.

Auf dieser Grundlage hat der Beklagte einer etwaigen Hinweis- und Warnpflicht nicht mit seinen im Rechtsstreit vorgelegten Schreiben genügt. Das Schreiben vom 20. April 2007 enthält keinen ausreichenden Hinweis auf einen möglichen Insolvenzgrund, weil der Beklagte darin nur abstrakt die Prüfungspflichten eines Geschäftsführers wiedergibt. Erforderlich ist aber, dass der Steuerberater die maßgeblichen Umstände gegenüber seinem Mandanten im Einzelnen bezeichnet und ihn konkret darauf hinweist, dass diese Umstände Anlass zu einer Prüfung einer möglichen Insolvenzreife geben. Soweit der Beklagte im Schreiben vom 28. August 2007 zusätzlich auf den im Jahresabschluss für das Jahr 2006 enthaltenen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 73.660,22 €, die daraus folgende Überschuldung der Gesellschaft, die in den Vorjahren bestehende vergleichbare Situation und die daraus folgenden Prüfungs- und Handlungspflichten des Geschäftsführers insbesondere hinsichtlich einer Insolvenzantragspflicht hinweist, ist dies grundsätzlich geeignet, eine zu diesem Zeitpunkt bestehende Hinweis- und Warnpflicht zu erfüllen. Dies setzt jedoch voraus, dass eine solche Hinweis- und Warnpflicht - was nach den revisionsrechtlich zu unterstellenden Behauptungen des Klägers möglich ist - nicht schon deutlich früher bestand.

cc) Die Hinweis- und Warnpflicht des Steuerberaters hinsichtlich der Umstände, die auf einen Insolvenzgrund hinweisen, setzt weiter voraus, dass der Steuerberater Grund zu der Annahme hat, dass sein Auftraggeber sich der Gefahr nicht bewusst ist. Daran fehlt es, wenn der Steuerberater davon ausgehen darf, dass sein Mandant sich der Umstände, die auf einen Insolvenzgrund hinweisen, bewusst ist und in der Lage ist, die tatsächliche und rechtliche Bedeutung dieser Umstände einzuschätzen. Entscheidend ist, ob der Geschäftsführer der Gesellschaft über das konkrete tatsächliche und rechtliche Wissen verfügt, um sich veranlasst zu fühlen zu überprüfen, ob er das Unternehmen in seiner bisherigen Form fortführen kann. Hierzu kann es genügen, wenn - wie der Beklagte behauptet hat - die Schuldnerin ihm gegenüber erklärt hat, das Problem der bilanziellen Überschuldung sei bekannt.

b) Soweit der Senat ausgesprochen hat, dass die Unterbilanz für den Geschäftsführer ohne weiteres ersichtlich ist und deshalb keine Hinweispflichten des Steuerberaters auf einen möglichen Insolvenzgrund bestehen (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, WM 2013, 802 Rn. 19), wird daran nicht festgehalten.

c) Erfüllt der Steuerberater diese Hinweispflicht nicht, kommt eine Haftung für einen Insolvenzverschleppungsschaden in Betracht, wenn die Gesellschaft tatsächlich früher Insolvenz angemeldet hätte, sofern ihr die mit den (wiederholten) Jahresfehlbeträgen verbundenen Risiken aufgezeigt worden wären.

C.

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht nicht nur zu klären haben wird, ob der Beklagte seine Pflichten verletzt hat. Vielmehr wird auch zu klären sein, inwieweit eine etwaige Pflichtverletzung für einen unterbliebenen Insolvenzantrag ursächlich gewesen ist. Zudem wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, inwieweit ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers infolge eines der Schuldnerin analog § 31 BGB zuzurechnenden Mitverschuldens ihres Geschäftsführers (§ 254 Abs. 1 BGB) erheblich gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen ist (BGH, Urteil vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12, WM 2013, 1323 Rn. 29 ff).

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Erlaubt sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind. Andere Tätigkeit im Sinne des Satzes 1 kann auch eine andere Rechtsdienstleistung sein.

(2) Als erlaubte Nebenleistungen gelten Rechtsdienstleistungen, die im Zusammenhang mit einer der folgenden Tätigkeiten erbracht werden:

1.
Testamentsvollstreckung,
2.
Haus- und Wohnungsverwaltung,
3.
Fördermittelberatung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 64/12
Verkündet am:
7. März 2013
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 675; GmbHG aF § 64 Abs. 2

a) Das steuerberatende Dauermandat von einer GmbH begründet bei üblichem Zuschnitt
keine Pflicht, die Mandantin bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz
auf die Pflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, eine Überprüfung in Auftrag zu
geben oder selbst vorzunehmen, ob Insolvenzreife besteht.

b) Eine entsprechende drittschützende Pflicht trifft den steuerlichen Berater auch gegenüber
dem Geschäftsführer der Gesellschaft nicht.
BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12 - OLG Köln
LG Aachen
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richter Raebel, Dr. Pape, Grupp und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:
Im Umfang der Zulassung durch das Berufungsgericht wird die Revision des Klägers gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. Februar 2012 zurückgewiesen. Die weitergehende Revision wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist der Verwalter in dem am 10. Mai 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der C. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin), die von dem Beklagten steuerlich beraten worden war und von dem Geschäftsführer B. (nachfolgend: Zedent) geleitet wurde.
2
Die Schuldnerin befand sich schon im Jahr 2005 in der Krise. Um den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden, stellte der Zedent der Gesellschaft ein Darlehen über insgesamt 80.000 € zur Verfügung. Hierüber informierte er im Dezember 2005 den Beklagten. Dieser riet ihm, hinsichtlich des Rück- zahlungsanspruchs einen Rangrücktritt zu erklären. Am 26. Januar 2006 besprachen der Zedent und der Beklagte die Bilanz der Schuldnerin für das Jahr 2004. Am selben Tag gab der Zedent die vom Beklagten angeregte Rangrücktrittserklärung ab und erklärte zusätzlich den Rangrücktritt für die Rückgewähr von Sicherheiten, die er in der Vergangenheit der Schuldnerin zur Verfügung gestellt hatte. Die unter dem 6. Februar 2006 erstellte Bilanz der Schuldnerin für das Jahr 2004 wies einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 73.121,63 € aus.
3
Am 29. September 2006 veräußerte der Zedent seine Anteile an der Schuldnerin. Diese stellte am 5. Dezember 2006 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Nach der Verfahrenseröffnung forderte der Kläger den Zedenten auf, wegen Kreditrückführungen auf dem Geschäftskonto der Schuldnerin zwischen dem 26. Januar 2006 und dem 1. September 2006 in Höhe von insgesamt 265.372,03 € Schadensersatz zu leisten, weil dieser die Rückführung des Kredits trotz der Überschuldung der Gesellschaft zugelassen habe. Der Zedent konnte den Betrag nicht zahlen. Er schloss mit dem Kläger am 25. August 2009 einen Vergleich, durch den er unter anderem seine Ansprüche gegen den Beklagten aus steuerlicher Beratung an den Kläger abtrat.
4
Gestützt auf diese Abtretung verlangt der Kläger unter Anrechnung eines hälftigen Mitverschuldens des Zedenten Schadensersatz in Höhe von 132.686,01 €. Er meint, der Beklagte habe es - zuletzt bei der Unterredung am 26. Januar 2006 - schuldhaft unterlassen, auf eine mögliche Überschuldung der Gesellschaft und die Pflicht des Zedenten, die Überschuldung prüfen zu lassen, hinzuweisen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zu der Frage zugelassenen Revision, ob der Geschäftsführer einer GmbH in den Schutzbereich des zwischen der Gesellschaft und dem Steuerbe- rater geschlossenen Beratungsvertrages einbezogen sei, soweit die insolvenzrechtliche Innenhaftung des Geschäftsführers in Rede stehe, verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision des Klägers ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

I.


6
Das Berufungsgericht, dessen Urteil mehrfach (vgl. DStR 2012, 923; NZG 2012, 504; Stbg 2012, 327; DStRE 2012, 970) veröffentlicht ist, hat gemeint , eine Inanspruchnahme des Beklagten aus abgetretenem Recht scheide aus, weil diesen keine Schadensersatzverpflichtung gegenüber dem Zedenten treffe. Auf einen stillschweigend geschlossenen Auskunftsvertrag könne sich der Kläger nicht stützen. Es habe sich nicht um eine Beratungsleistung gegenüber dem Zedenten, sondern um eine solche gegenüber der GmbH gehandelt. Jedenfalls erschöpften sich die Pflichten des Beklagten in dem erteilten Rat. Eine Verpflichtung zur weiteren Aufklärung des Zedenten könne aus einem solchen Vertrag nicht hergeleitet werden. Der Kläger habe nicht hinreichend dargelegt , dass der Zedent den Beklagten Ende des Jahres 2005 oder Anfang des Jahres 2006 überhaupt zu einer Einschätzung dazu aufgefordert habe, ob die GmbH überschuldet und aus diesem Grund etwas zu veranlassen sei.
7
Die Voraussetzungen eines Anspruchs des Zedenten aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter seien ebenfalls nicht gegeben. Der Zedent sei nicht in den Schutzbereich des Steuerberatervertrages zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten einbezogen gewesen. Zwar komme eine solche Einbeziehung in Betracht, wenn aufgrund einer fehlerhaften Beratung durch den Steuerberater das Risiko einer haftungsrechtlichen Inanspruchnahme des Geschäftsführers nach §§ 191, 219 AO bestehe oder der Steuerberater wegen unrichtiger Angaben in der Steuererklärung für eine gegen den Geschäftsführer verhängte Geldstrafe wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung haften müsse (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2011 - IX ZR 193/10, ZInsO 2011, 2274). Vorliegend fehle es aber an der Schutzwürdigkeit des Zedenten und der Zumutbarkeit der Haftungserweiterung für den Beklagten, der seine Leistungen vorrangig im Interesse der Gesellschaft zu erbringen habe. Deren Geschäftsführer sei zur eigenverantwortlichen Prüfung der Überschuldung verpflichtet, soweit er Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit entgegen § 64 Abs. 2 GmbHG aF leiste. Dem steuerlichen Berater der Gesellschaft sei das Risiko, für solche Zahlungen haften zu müssen, nicht zumutbar. Es fehle auch an einer Pflichtverletzung des Beklagten. Aus dem Umstand, dass er bei Vorlage der Bilanz für das Jahr 2004 zutreffend über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft informiert und der Zedent auf die Feststellung des Fehlbetrages durch die Abgabe von Rangrücktrittserklärungen reagiert habe, sei zu entnehmen, dass dem Zedenten die Überschuldungssituation bewusst gewesen sei.

II.


8
Die Revision ist zulässig, soweit sie die Haftung der Beklagten wegen Verletzung einer drittschützenden Pflicht bei der steuerlichen Beratung der GmbH erreichen will. Im Übrigen ist sie mangels einer Zulassung unstatthaft und damit unzulässig (§ 543 Abs. 1 ZPO).
9
Das Berufungsgericht hat die Revision beschränkt auf die Frage zugelassen , ob der Geschäftsführer einer GmbH in den Schutzbereich des zwischen der Gesellschaft und dem Steuerberater geschlossenen Beratungsvertrages einbezogen ist, soweit es um die Haftung des Geschäftsführers wegen der Verletzung der Pflicht gemäß § 64 Satz 1 GmbHG (entsprechend § 64 Abs. 2 GmbHG aF) gegenüber der Gesellschaft geht. Dies ergibt sich, was ausreichend ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2004 - VI ZR 273/03, NJW 2004, 3176, 3177; vom 16. September 2009 - VIII ZR 243/08, BGHZ 182, 241 Rn. 11; vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, ZIP 2011, 2491 Rn. 18), aus den Urteilsgründen. Die Zulassungsfrage betrifft lediglich einen an den Kläger abgetretenen Anspruch des Zedenten aus einer möglichen Verletzung der drittschützenden Pflichten des mit der Schuldnerin bestehenden Beratervertrages. Ansprüche aus dem von dem Kläger behaupteten Auskunftsvertrag zwischen dem Zedenten und dem Beklagten werden von dieser Frage nicht berührt. Eine Beschränkung der Revisionszulassung auf einen abtrennbaren Teil eines prozessualen Anspruchs ist möglich (BGH, Urteil vom 23. September 2003 - XI ZR 135/02, NJW 2003, 3703; vom 16. September 2009, aaO; vom 12. Mai 2010 - VIII ZR 96/09, NJW 2010, 3015 Rn. 21; Ackermann in Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl. § 543 Rn. 4 f; Hk-ZPO/Kayser/Koch, 5. Aufl., § 543 Rn. 60; MünchKomm -ZPO/Krüger,4. Aufl., § 543 Rn. 35; Musielak/Ball, ZPO, 9. Aufl., § 543 Rn. 11; Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 543 Rn. 22).
10
Bezieht sich die Rechtsfrage, zu deren Klärung das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, wie hier auf einen abtrennbaren Teil des Streitstoffs, ist die Zulassungsentscheidung so auszulegen, dass das Berufungsgericht die Revision lediglich beschränkt auf diesen Teil des Streitgegenstands zugelassen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2009 - II ZR 63/08, ZIP 2010, 879 Rn. 4). Deshalb ist die Revision als unzulässig zu verwerfen, soweit sie Ansprüche des Klägers aus einem Beratungsvertrag des Zedenten mit dem Beklagten weiterverfolgt.

III.


11
Im Umfang der Zulassung bleibt die Revision des Klägers ohne Erfolg. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
12
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Beklagte aus dem mit der Schuldnerin abgeschlossenen Beratervertrag nicht die Pflicht hatte, die Schuldnerin auf eine möglicherweise bestehende insolvenzrechtliche Überschuldung und die Pflicht des Geschäftsführers, eine Überschuldungsprüfung in Auftrag zu geben, hinzuweisen.
13
a) Der Beklagte hatte für die Schuldnerin seit deren Gründung 2001 fortlaufend die monatlichen betriebswirtschaftlichen Auswertungen, die Lohnabrechnungen der Mitarbeiter, die Meldungen an das Finanzamt und die Sozialversicherungsträger , die Jahresabschlüsse und die Bilanzen zu fertigen und diese bei den Prüfungen der genannten Stellen zu unterstützen. Diese Tätigkeiten sind nach ihrem Gesamtbild als Wahrnehmung der allgemeinen steuerlichen Interessen des Auftraggebers einzustufen. Im Streitfall hat die Schuldnerin dem Beklagten aber nicht den ausdrücklichen Auftrag erteilt, die GmbH in der Frage des Bestehens einer Insolvenzantragspflicht zu beraten. Die Pflicht zum Hinweis auf die Erforderlichkeit einer Überprüfung der Insolvenzantragsvoraussetzungen ergibt sich aber auch nicht aus der Verletzung einer allgemeinen Vertragspflicht.
14
Welche Aufgaben der Steuerberater zu erfüllen hat, richtet sich nach Inhalt und Umfang des erteilten Mandats (BGH, Urteil vom 4. März 1987 - IVa ZR 222/85, WM 1987, 661, 662; vom 26. Januar 1995 - IX ZR 10/94, BGHZ 128, 358, 361). Der Steuerberater ist verpflichtet, sich mit den steuerrechtlichen Punkten zu befassen, die zur pflichtgemäßen Erledigung des ihm erteilten Auftrags zu beachten sind. Nur in den hierdurch gezogenen Grenzen des Dauermandats hat er den Auftraggeber auch ungefragt über die bei der Bearbeitung auftauchenden steuerrechtlichen Fragen zu belehren (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 1966 - VII ZR 132/64, WM 1967, 72, 73; vom 6. Dezember 1979 - VII ZR 19/79, WM 1980, 308, 309; vom 26. Januar 1995, aaO). Zu den vertraglichen Nebenpflichten des Steuerberaters gehört es, den Mandanten vor Schaden zu bewahren (§ 242 BGB) und auf Fehlentscheidungen, die für ihn offen zutage liegen, hinzuweisen (BGH, Urteil vom 7. Mai 1991 - IX ZR 188/90, WM 1991, 1303, 1304; vom 26. Januar 1995, aaO 362; vom 21. Juli 2005 - IX ZR 6/02, WM 2005, 1904, 1905 unter B. I. 1.a; Vill in Zugehör/G.Fischer/ Vill/D.Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 550 ff).
15
b) Gemessen an diesen Grundsätzen war es nicht Aufgabe des mit der allgemeinen steuerlichen Beratung der GmbH beauftragten Beraters, die Gesellschaft bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass es die Pflicht des Geschäftsführers ist, eine Überprüfung vorzunehmen oder in Auftrag zu geben, ob Insolvenzreife eingetreten ist und gegebenenfalls gemäß § 15a InsO Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt werden muss. Anders als bei einem ausdrücklichen Auftrag zur Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 9 ff) besteht eine solche Pflicht bei einem allgemeinen steuerrechtlichen Mandat nicht. Sie würde die Verantwortlichkeit des Beraters, sich mit den steuerrechtlichen Angelegenheiten zu befassen, erheblich erweitern. Der Berater müsste dann trotz der Beschränkung seiner Hauptpflichten auf die steuerrechtliche Beratung (vgl. § 33 StBerG und BGH, Urteil vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 10 f) auch die allgemeine wirtschaftsrechtliche Beratung, zu der die Prüfung des Vorliegens von Insolvenzgründen zu zählen ist, im Blick haben und der Gesellschaft neben steuerrechtlichen Ratschlägen ohne besonderen Auftrag auch insolvenz- und gesellschaftsrechtliche Hinweise erteilen.
16
c) Die Unterdeckung in der im Rahmen des Steuerberaters erstellten Bilanz kann zwar einen indiziellen Hinweis auf die möglicherweise drohende oder bereits eingetretene Überschuldung geben, sie weist diese aber nicht aus (Pape, in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2010, § 19 Rn. 53; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 19 Rn. 10). Festgestellt werden kann die Überschuldung im Sinne des § 19 Abs. 2 InsO nur durch Aufstellung einer Überschuldungsbilanz, die anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegt als die vom Steuerberater zu fertigende Bilanz. Die insolvenzrechtliche Überschuldung ist deshalb aus der Handelsbilanz auch nicht ohne weiteres zu entnehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2008 - II ZR 51/07, ZInsO 2008, 1019 Rn. 8; vom 8. März 2012 - IX ZR 102/11, ZInsO 2012, 732 Rn. 5 mwN).
17
aa) Im Hinblick auf die rechtlich komplexe Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Überschuldung im Sinne des § 19 InsO vorliegt (vgl. HmbKomm -InsO/Schröder, 4. Aufl., § 19 Rn. 12 ff; MünchKomm-InsO/Drukarcyk/ Schüler, 2. Aufl., § 19 Rn. 52 ff; Pape, aaO Rn. 34 ff; Sikora in Pape/Uhländer, InsO, § 19 Rn. 9 ff; Uhlenbruck, aaO Rn. 28 ff), hätte sich der Steuerberater mit schwierigen Rechtsfragen zu befassen, die für ihn - auch im Fall der Feststellung einer Unterdeckung in der Handelsbilanz - in aller Regel nicht offen zutage liegen. Ihm kann deshalb nicht die Pflicht auferlegt werden, auf bloßen äußeren Verdacht hin den Hinweis zu erteilen, die Gesellschaft sei möglicherweise überschuldet im Sinne des § 19 InsO, oder ohne konkreten Auftrag zunächst eine Fortführungsprognose zu erstellen (vgl. Pape, aaO Rn. 37 ff; Sikora aaO Rn. 16 ff) und sodann - je nach Ergebnis dieser Prognose - eine Prüfung der rechnerischen Überschuldung nach Fortführungs- oder Zerschlagungswerten (vgl. Pape, aaO Rn. 52 ff; Sikora aaO Rn. 28 ff) vorzunehmen.
18
Die Erkenntnis der Überschuldung setzt vielmehr voraus, dass weitere Untersuchungen - etwa hinsichtlich des Vorhandenseins von stillen Reserven und der bestehenden Fortführungsaussichten - angestellt werden, die für den Steuerberater nicht ohne weiteres aus dessen Kenntnis der steuerlichen Situation des Unternehmens folgen. So sind bei der Erstellung der Fortführungsprognose des § 19 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz InsO, die nach der Aufhebung des § 6 Abs. 3 FMStG durch Art. 18 des Gesetzes zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess und zur Änderung anderer Vorschriften vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2418) auf Dauer ausreicht, um eine rechnerische Überschuldung zu überwinden (vgl. Pape, aaO Rn. 34), subjektive und prognostische Elemente zu berücksichtigen, die sich dem Steuerberater im Rahmen seines allgemeinen Mandats nicht ohne weiteres erschließen. Ob Fortführungswilligkeit der Beteiligten besteht, ein umsetzbarer Finanzplan gegeben ist und ein schlüssiges und realisierbares Unternehmenskonzept für die Zukunft vorliegt (vgl. Pape, aaO Rn. 37 ff), kann der Steuerberater den Erkenntnissen, die er bei Wahrnehmung des allgemeinen Mandats gewinnt, nicht entnehmen. Für ihn wird nur die bilanzielle Überschuldung offenbar, die nicht einmal aus- reicht, um eine rechnerische Überschuldung im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz InsO erkennbar zu machen.
19
bb) Die im Schrifttum mehrheitlich und vereinzelt auch in der Rechtsprechung vertretene Auffassung, der Steuerberater habe im Rahmen seiner Vertragspflichten zur Beratung und Schadensverhütung kraft seines überlegenen Wissens den Geschäftsführer einer GmbH darüber aufzuklären, dass er verpflichtet sei, zur Klärung der Insolvenzreife eine Überschuldungsbilanz aufzustellen und bei Feststellung der Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft fristgerecht zu beantragen, wenn Überschuldung der Gesellschaft gemäß § 19 Abs. 2 InsO unmittelbar drohe oder bereits eingetreten sei (vgl. LG Wuppertal, ZInsO 2011, 1997, 1998 f; LG Saarbrücken, ZInsO 2012, 330, 337; Hölzle, DStR 2003, 2075; Gräfe, DStR 2010, 618 ff; Mutschler, DStR 2012, 539, 540; Reck, ZInsO 2000, 121, 122; Schmittmann, StuB 2009, 696; Sundermeier/Gruber, DStR 2000, 929; Wagner/ Zabel, NZI 2008, 660; Zugehör, NZI 2008, 652, 653; K. Schmidt in Schmidt/ Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 4. Aufl., Rn. 1.182; Gräfe in Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 4. Aufl., Rn. 291 Stichwort : Überschuldung), ist mit der Beschränkung der Pflichten des Steuerberaters auf die steuerliche Beratung bei einem allgemeinen steuerrechtlichen Mandat nicht in Übereinstimmung zu bringen. Auch aus der vertraglichen Nebenpflicht , den Mandanten vor Schaden zu bewahren, ergibt sich nicht die Verpflichtung des Steuerberaters, auf einen möglicherweise bestehenden Anlass zur Prüfung der Insolvenzreife hinzuweisen. Die Annahme, den Steuerberater treffe eine Hinweispflicht kraft seines überlegenen Wissens (vgl. Mutschler, aaO) oder seiner besonderen Autorität (vgl. K. Schmidt, aaO), ist nicht gerechtfertigt. Ein überlegenes Wissen im Hinblick auf eine drohende Überschuldung des Unternehmens im Fall einer bilanziellen Überschuldung hat der Steuerbera- ter durch seine Aufgabe, Jahresabschlüsse zu fertigen, nicht. Sein Wissen steht vielmehr hinter dem des Geschäftsführers zurück, der nicht nur die reinen Zahlen kennt, sondern auch die für eine Fortführungsprognose maßgeblichen weiteren Umstände. Der Geschäftsführer muss beurteilen, ob er das Unternehmen in seiner bisherigen Form fortführen kann. Dass der äußere Anlass für eine Überschuldungsprüfung gegeben ist, kann er ohne weiteres aus der Handelsbilanz , vorausgesetzt diese ist zutreffend erstellt, entnehmen, wenn diese eine Unterdeckung aufweist. Eine - möglicherweise auch drittschützende - Haftung des Steuerberaters für einen Insolvenzverschleppungsschaden kann deshalb nur eintreten, wenn dieser ausdrücklich mit der Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens beauftragt ist (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 9 ff).
20
Dem Steuerberater ist aufgrund der Erstreckung seines Berufsbildes gemäß § 57 Abs. 3 Nr. 3 StBerG auf "eine wirtschaftsberatende, gutachtliche oder treuhänderische Tätigkeit sowie die Erteilung von Bescheinigungen über die Beachtung steuerrechtlicher Vorschriften in Vermögensübersichten und Erfolgsrechnungen" grundsätzlich gestattet, entsprechende Aufgaben wahrzunehmen , wenn er den Auftrag dazu hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 10). Ein Konflikt zu § 5 Abs. 1 RDG tritt nicht ein, denn die Insolvenzund die Sanierungsberatung gehört als Nebenleistung zum Berufsbild des Steuerberaters/Wirtschaftsprüfers (Gräfe, DStR 2010, 618, 619). Deshalb ist diese berufsrechtlich zulässige Sonderberatung aber noch nicht Inhalt jedes steuerlichen Dauermandats.
21
Zutreffend sind die Entscheidungen und Literaturmeinungen, die eine Hinweis- und Warnpflicht des Steuerberaters auf die Pflichten bei möglicher Insolvenzreife im Falle eines allgemeinen Mandats ablehnen (vgl. OLG Celle, ZInsO 2011, 1004; ZIP 2012, 2353; OLG Schleswig, GI 1993, 373, 378 f; LG Koblenz, DStRE 2010, 647 ff; Hoth, ZInsO 2011, 1009; Farr, Die Besteuerung in der Insolvenz, Rn. 101). Es ist originäre Aufgabe des Geschäftsführers, die Zahlungsfähigkeit und eine etwaige Überschuldung des von ihm geleiteten Unternehmens im Auge zu behalten und auf eventuelle Anzeichen für eine Insolvenzreife zu reagieren (OLG Celle, ZInsO 2011, 1004, 1005). Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verpflichtet, für eine Organisation zu sorgen , die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht ; verfügt er selbst nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse, muss er sich gegebenenfalls fachkundig beraten lassen (BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 199; vom 20. Februar 1995 - II ZR 9/94, ZIP 1995, 560, 561; vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZInsO 2007, 660 Rn. 16; vom 27. März 2012 - II ZR 171/10, ZInsO 2012, 1177, Rn. 15; vom 19. Juni 2012 - II ZR 243/11, ZInsO 2012, 1536 Rn. 11). Weist die Handelsbilanz der Gesellschaft eine Überschuldung aus, hat er nach diesen Grundsätzen eine Überschuldungsprüfung selbst vorzunehmen oder gesondert in Auftrag zu geben. Auf den Steuerberater der Gesellschaft, den im Rahmen eines allgemeinen Mandats die Pflicht zur steuerlichen Beratung der Gesellschaft trifft, kann er diese Aufgabe nicht ohne besonderen Auftrag abwälzen.
22
d) Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. Februar 1987 (IVa ZR 232/85, GmbHR 1987, 463), demzufolge ein Steuerberater aus positiver Vertragsverletzung wegen verspäteter Stellung eines Konkursantrags wegen Überschuldung zum Schadensersatz verpflichtet sein kann, steht dieser Entscheidung nicht entgegen. In dem Verfahren aus dem Jahre 1987 ging es nicht um eine Schadensersatzpflicht des Beraters wegen des unterlassenen Hinweises auf eine möglicherweise bestehende Insolvenzantragspflicht. Dort war Grund für die Haftung des Steuerberaters vielmehr die fehlerhafte Erstellung der Bilanz , welche die bestehende rechnerische Überschuldung nicht erkennen ließ. Der Beratungsfehler lag mithin nicht in einer unterlassenen Warnung von einer möglicherweise bestehenden Insolvenzreife, sondern in der Schlechterfüllung des Auftrags, die Bilanz anzufertigen. Auf dieser fehlerhaften Grundlage konnte auch der Geschäftsführer der Auftraggeberin keine sachgerechten Entschließungen fassen.
23
e) Soweit der Beklagte dem Zedenten im Dezember 2005 auf Nachfrage den Rat erteilt hat, hinsichtlich der Rückzahlung des der Schuldnerin zur Verfügung gestellten Kredits eine Rangrücktrittserklärung abzugeben und der Zedent diesem Rat im Januar 2006 gefolgt ist, kann hieraus eine Haftung des Beklagten nicht abgeleitet werden. Die Empfehlung, eine entsprechende Erklärung abzugeben, welcher der Zedent ohne nähere Erkundigung nach deren Sinn und Zweck gefolgt sein will, war richtig; Rangrücktritte werden typischerweise im Zusammenhang mit einer drohenden Insolvenz zur Abwendung einer rechnerischen Überschuldung vorgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2001 - II ZR 88/99, BGHZ 146, 264, 273). Der Rücktritt war unter Umständen geeignet die bestehende Unterkapitalisierung zu beseitigen. Dass der Beklagte den Zedenten mit seiner Empfehlung in die Irre geführt und bei diesem die fehlerhafte Vorstellung hervorgerufen habe, er brauche sich um die Frage der Überschuldung nicht mehr zu kümmern, weil mit der Abgabe der Erklärungen am 26. Januar 2006 alles getan sei, um der Pflicht zur Überprüfung der möglicherweise gegebenen Insolvenzreife der Schuldnerin zu genügen, hat der Kläger selbst nicht vorgetragen. Dieser stützt seine Klage vielmehr auf die Behauptung , der Beklagte habe es gänzlich unterlassen, den Zedenten auf die bestehende Insolvenzgefahr aufmerksam zu machen. Der Vorwurf, der Beklagte ha- be außerhalb der Grenzen seines Mandats die Verletzung der Insolvenzantragspflicht durch den Zedenten verursacht, weil er diesem fälschlich den Eindruck vermittelt habe, der sich aus der Bilanz für das Jahr 2004 ergebende Anlass , eine Überschuldungsprüfung vorzunehmen, habe sich erledigt, kann dem Beklagten nicht gemacht werden. Dieser Anlass bestand nach dem eigenen Vorbringen des Klägers ungeachtet der erklärten Rangrücktritte weiter.
24
2. Eine Einbeziehung des Zedenten in den Schutzbereich des Steuerberatervertrages zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten, die zur Entstehung abtretbarer Ansprüche aus Beratungsverschulden im Zusammenhang mit einer Insolvenzverschleppungshaftung führen könnten, kommt nicht in Betracht.
25
a) Ein Dritter kann dann in den Schutzbereich vertraglicher Pflichten einbezogen sein, wenn der geschützte Dritte mit der Hauptleistung des Schutzpflichtigen bestimmungsgemäß in Berührung kommt, zu dieser Leistungsnähe ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrags hinzutritt und dem Schutzpflichtigen die Einbeziehung Dritter in sein vertragliches Haftungsrisiko erkennbar ist. Außerdem muss der Dritte für diese Haftungserstreckung selbst schutzwürdig sein (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 1996 - X ZR 104/94, BGHZ 133, 168, 173; vom 7. Mai 2009 - III ZR 277/08, BGHZ 181, 12 Rn. 17; vom 13. Oktober 2011 - IX ZR 193/10, ZInsO 2011, 2274 Rn. 6). Schutzwirkungen zugunsten Dritter werden insbesondere bei solchen Verträgen angenommen, mit denen der Auftraggeber von einer Person, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügt (z.B. öffentlich bestellter Sachverständiger, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater ), ein Gutachten oder eine gutachtliche Äußerung bestellt, um davon gegenüber einem Dritten Gebrauch zu machen (BGH, Urteil vom 2. April 1998 - III ZR 245/96, BGHZ 138, 257, 260 f; vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 18).
26
b) Eine Einbeziehung des Geschäftsführers in den Schutzbereich des Vertrags zwischen der Gesellschaft und dem Steuerberater kann hiernach zwar nicht generell verneint werden. Der Geschäftsführer kommt bestimmungsgemäß mit dem Vertrag in Berührung und für den Steuerberater, bei dem es sich grundsätzlich um eine Person handelt, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügt, ist ohne weiteres erkennbar, dass die Prüfung der Überschuldung für den Geschäftsführer rechtliche Wirkungen hat (zur Einbeziehung des Geschäftsführers in den ausdrücklichen Prüfauftrag des Steuerberaters vgl. BGH, Urteil vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 27 ff).
27
Vorliegend fehlt aber schon eine Hinweis- und Warnpflicht des Beraters gegenüber seiner Auftraggeberin, so dass eine Haftung des Beklagten aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bereits daran scheitert, dass den Beklagten aus dem mit der GmbH abgeschlossenen allgemeinen Steuerberatungsvertrag keine Schutzpflichten hinsichtlich der Aufklärung über eine möglicherweise bestehende Insolvenzantragspflicht treffen. Dies ergibt die Auslegung der vertraglichen Pflichten, die den Steuerberater aus einem allgemeinen steuerrechtlichen Beratungsmandat treffen. Die drittschützenden Pflichten aus einem solchen Vertrag können nicht weiter reichen als die dem Berater gegenüber seiner eigentlichen Vertragspartei obliegenden Warn- und Hinweispflichten. Der Dritte, der selbst keine vertraglichen Beziehungen zu dem Berater hat, kann nicht erwarten, dass dieser ihn über Gefahren und mögliche Risiken aufklärt , auf die er im Rahmen seines allgemeinen Mandats nicht hinzuweisen hat. Diese Pflichtenlage ist nur dann anders zu beurteilen, wenn der Berater ausdrücklich damit beauftragt ist, eine Überprüfung der Insolvenzreife vorzuneh- men, denn hier wird die Feststellung, ob ein Insolvenzgrund vorliegt oder auszuschließen ist, dem Auftraggeber schon bei Erfüllung der Hauptpflicht geschuldet.
28
c) Die vom Berufungsgericht in den Vordergrund gestellte Belehrungsbedürftigkeit der Auftraggeberin, von welcher der Berater grundsätzlich auch dann auszugehen hat, wenn es um die Beratung einer rechtlich und wirtschaftlich erfahrenen Person geht, die möglicherweise auch selbst über einschlägige Kenntnisse verfügt (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 2010 - IX ZR 189/09, WM 2010, 993 Rn. 14; vom 14. Juni 2012, aaO Rn. 37, jeweils mwN), begründet die Haftung des Beklagten nicht. Nur wenn die insolvenz- und gesellschaftsrechtliche Beratung als Haupt- oder Nebenaufgaben zum Vertragsinhalt des Steuerberaters gehört, kann mit einem Teil der Rechtsprechung erwogen werden, ob eine Hinweispflicht des Beraters dann entfällt, wenn der Geschäftsführer sich der bestehenden Insolvenzgefahr bereits bewusst ist (vgl. OLG Celle, ZInsO 2011, 1004; ZIP 2012, 2353; OLG Schleswig, GI 1993, 373, 381 f, bestätigt durch BGH, Beschluss vom 24. Februar 1994 - IX ZR 126/93, unveröffentlicht; LG Koblenz, DStRE 2010, 647 f).
Kayser Raebel Pape
Grupp Möhring

Vorinstanzen:
LG Aachen, Entscheidung vom 10.08.2011 - 8 O 551/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 23.02.2012 - 8 U 45/11 -

(1) Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Das Gleiche gilt für die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist; dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

(2) Bei einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 gilt Absatz 1 sinngemäß, wenn die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.

(3) Im Fall der Führungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist auch jeder Gesellschafter, im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit Satz 3 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag

1.
nicht oder nicht rechtzeitig stellt oder
2.
nicht richtig stellt.

(5) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 4 fahrlässig, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(6) Im Falle des Absatzes 4 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, ist die Tat nur strafbar, wenn der Eröffnungsantrag rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen wurde.

(7) Auf Vereine und Stiftungen, für die § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt, sind die Absätze 1 bis 6 nicht anzuwenden.

Der Tatbestand des Urteils liefert Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Der Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden.

(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit.

(2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

(1) Bei einer juristischen Person ist auch die Überschuldung Eröffnungsgrund.

(2) Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(3) Ist bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. Dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

Amtliche Leitsätze:

1. Einen vom Insolvenzverwalter zur Darlegung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO aufgestellten Liquiditätsstatus, der auf den Angaben aus der Buchhaltung des Schuldners beruht, kann der Geschäftsführer nicht mit der pauschalen Behauptung bestreiten, die Buchhaltung sei nicht ordnungsgemäß geführt worden. Er hat vielmehr im Einzelnen vorzutragen und ggf. zu beweisen, welche der in den Liquiditätsstatus eingestellten Verbindlichkeiten trotz entsprechender Verbuchung zu den angegebenen Zeitpunkten nicht fällig und eingefordert gewesen sein sollen. 

2. Bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO anhand einer Liquiditätsbilanz sind auch die innerhalb von drei Wochen nach dem Stichtag fällig werdenden und eingeforderten Verbindlichkeiten einzubeziehen. 

Tenor: 

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. März 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand: 

Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der K. GmbH, das auf Eigenantrag vom 13. Februar 2009 am 1. Mai 2009 eröffnet wurde. Er nimmt den Beklagten als Geschäftsführer der Schuldnerin gemäß § 64 Satz 1 GmbHG auf Ersatz von 4.725.195,81 € nebst Zinsen wegen Zahlungen, die im Zeitraum vom 1. Dezember 2008 bis zum 8. Januar 2009 vom Konto der Schuldnerin bei der D. Bank veranlasst wurden, in Anspruch. Der Kläger behauptet, die Schuldnerin sei spätestens seit dem 1. Dezember 2008 zahlungsunfähig gewesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe: 

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. 

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Der Kläger habe die von ihm behauptete Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zum 1. Dezember 2008 nicht dargetan. Die Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit richte sich auch im Rahmen von § 64 GmbHG nach § 17 Abs. 2 InsO. Der Kläger habe jedoch weder eine Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO noch eine Zahlungseinstellung gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO substantiiert vorgetragen. Der von ihm anhand der Buchhaltungsunterlagen der Schuldnerin erstellte und mehrfach korrigierte Liquiditätsstatus, in dem der Kläger zuletzt zum 1. Dezember 2008 fällige Gesamtverbindlichkeiten in Höhe von 3.517.275,91 € gegenüber verfügbaren Mitteln in Höhe von 67.454,43 € ausgewiesen habe, reiche für die Darlegung einer Zahlungsunfähigkeit zum Stichtag nicht aus. Dabei könne offen bleiben, ob der Vortrag des Klägers überhaupt dem Maßstab im Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 12. Juli 2007  genüge. Jedenfalls hätten der Beklagte und seine Streithelferin die Richtigkeit der Buchhaltung und damit des darauf beruhenden Liquiditätsstatus substantiiert bestritten, soweit dieser fällige Verbindlichkeiten von mehr als 505.112,89 € ausweise. Die Streithelferin habe im Einzelnen dargelegt, dass von den in der klägerischen Auflistung aufgeführten 519 Rechnungsposten lediglich 99 Positionen mit Rechnungen unterlegt worden seien. Diese stimmten lediglich in drei Positionen mit den in der klägerischen Tabelle enthaltenen Posten überein, woraus folge, dass diese Tabelle zu 99% unzutreffend sei. Der Beklagte habe darüber hinaus dargelegt, dass ausweislich der einzelnen Buchhaltungskonten zahlreiche Verbindlichkeiten bereits längst bezahlt und zahlreiche angebliche Forderungen nicht zur Insolvenztabelle angemeldet worden seien. Nach den von ihm im Einzelnen in einer „korrigierten Kreditorentabelle“ dargelegten Ergebnissen seiner Auswertung seien zum 1. Dezember 2008 nur Verbindlichkeiten in Höhe von 505.112,89 € belegt. Diesem Vorbringen sei der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Den damit schlüssig dargelegten Verbindlichkeiten zum Stichtag in Höhe von lediglich 505.112,89 € stünden unstreitig liquide Mittel in Höhe von 67.454,43 € gegenüber. Außerdem sei ein Anspruch der Schuldnerin gegen eine Schwestergesellschaft aus einem täglich kündbaren Darlehen in Höhe von 752.179,62 € zu berücksichtigen, das die Schuldnerin jederzeit, jedenfalls binnen drei Wochen hätte fällig stellen können. Dass dies tatsächlich erst mit Wirkung vom 27. Januar 2009 erfolgt sei, sei unschädlich.

Die Voraussetzungen einer Zahlungseinstellung der Schuldnerin habe der Kläger ebenfalls nicht dargetan. Die schlüssig dargelegten Stichtagsverbindlichkeiten von nur 505.112,89 € seien im Verhältnis zum Betrag der im Dreiwochenzeitraum beglichenen Altschulden nicht als wesentlich anzusehen. Bezüglich der nach Behauptung des Klägers bis zur Insolvenzeröffnung nicht beglichenen Forderungen habe der Beklagte zu einem Großteil deren fehlende Fälligkeit im Sinne von § 17 InsO dargelegt; der danach verbleibende Restbetrag sei im Verhältnis zu den weiteren Geldeingängen und Zahlungen im Dreiwochenzeitraum so gering, dass daraus nicht auf eine Zahlungseinstellung geschlossen werden könne.

II. 

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an den Vortrag des Klägers zur Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO überspannt. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zum 1. Dezember 2008 nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht auszuschließen.

1. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zum 1. Dezember 2008 gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht dargetan, überspannt die Anforderungen an den Vortrag des Klägers.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, so kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden.

Für die Darlegung der Zahlungsunfähigkeit bedarf es einer geordneten Gegenüberstellung der zu berücksichtigenden fälligen Verbindlichkeiten und liquiden Mittel des Schuldners, etwa in Form einer Liquiditätsbilanz. Von einer Zahlungsunfähigkeit ist danach regelmäßig auszugehen, wenn die Liquiditätslücke des Schuldners 10% oder mehr beträgt, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zuzumuten ist.

b) Der Vortrag des Klägers genügt diesen Anforderungen.

aa) Der Kläger hat die nach seiner Behauptung am Stichtag verfügbaren Mittel und fälligen Verbindlichkeiten mit Schriftsatz vom 6. März 2015 in einer Liquiditätsbilanz tabellarisch unter Angabe der der elektronischen Buchhaltung der Schuldnerin hierzu entnommenen Daten  chronologisch nach Kontonummern aufgelistet. Außerdem hat er mit Schriftsatz vom 24. November 2014 zu den Stichtagsverbindlichkeiten Ausdrucke der jeweiligen Einzelbuchhaltungskonten in entsprechender Reihenfolge und - soweit vorhanden - Rechnungen vorgelegt.

Zu den in den folgenden drei Wochen zu verzeichnenden Geldeingängen hat der Kläger mit Schriftsätzen vom 24. November 2014, 6. März 2015 und 11. September 2015 unter Darlegung der Bankkonten im Einzelnen vorgetragen. Die innerhalb dieses Zeitraums nach seiner Behauptung fällig werdenden Verbindlichkeiten hat er wiederum mit Schriftsatz vom 6. März 2015 in einer auf der Buchhaltung der Schuldnerin basierenden Tabelle alphabetisch nach Kontobezeichnung  aufgeführt. Zusätzlich hat er eine chronologische Tabelle der täglich fällig werdenden Gesamtbeträge einschließlich der nicht in der Buchhaltung erfassten Kosten vorgelegt und auch hierzu die Vorlage der Einzelbuchhaltungskonten angeboten.

Dass dabei in der Auflistung der am Stichtag fälligen Verbindlichkeiten in der Liquiditätsbilanz - anders als bei der Auflistung der anschließend fällig werdenden Verbindlichkeiten - das eingebuchte Belegdatum, die Belegnummer und das Fälligkeitsdatum nicht angegeben wurden, ist unschädlich, da sich die erforderlichen Angaben den vorgelegten Einzelbuchhaltungskonten entnehmen lassen. Die notwendigen Informationen über den jeweiligen Anspruch liegen damit vor, ohne dass es der zusätzlichen Angabe des Rechtsgrunds zu den einzelnen Verbindlichkeiten oder ihrer Fälligkeit bedurfte.

bb) Die Vorlage einer Rechnung war für die schlüssige Behauptung der Fälligkeit der jeweiligen Forderung nicht erforderlich.

Zwar setzt Fälligkeit einer Forderung im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO über die Fälligkeit nach § 271 BGB eine Gläubigerhandlung voraus, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt. Die Übersendung einer Rechnung ist hierfür ausreichend, aber nicht erforderlich. Das Merkmal des „ernsthaften Einforderns“ dient lediglich dem Zweck, solche Forderungen auszunehmen, die rein tatsächlich – also auch ohne rechtlichen Bindungswillen oder erkennbare Erklärung - gestundet sind.

Danach ist hier bereits aufgrund der entsprechenden Einbuchung der jeweiligen Verbindlichkeit in der Buchhaltung der Schuldnerin auch ohne Vorlage einer Rechnung von einem ernsthaften Einfordern der Gläubiger auszugehen. Die vom Kläger behaupteten Verbindlichkeiten sind in der Buchhaltung der Schuldnerin eingepflegt und als  zum Stichtag fällig ausgewiesen. Im Verhältnis zu dem für die ordnungsgemäße Rechnungslegung zuständigen Geschäftsführer kann die Gesellschaft - und damit hier auch der Kläger - davon ausgehen, dass der Geschäftsführer die Bücher so geführt hat oder durch Angestellte hat führen lassen, dass sie ein richtiges und vollständiges Bild von allen Geschäftsvorfällen vermitteln, die im Betrieb angefallen sind. Stützt sich die Gesellschaft im Prozess gegen ihren Geschäftsführer auf vorhandene Buchungen und Buchungsunterlagen, obliegt es daher dem Geschäftsführer, eine etwaige Unrichtigkeit der Buchhaltung darzulegen und zu beweisen.

c) Anders als vom Berufungsgericht angenommen war der Kläger auch nicht aufgrund des Bestreitens des Beklagten und seiner Streithelferin zu einer weiteren Substantiierung seines Vortrags gehalten.

aa) Die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden hängen davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner vorgetragen hat. In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung des darlegungspflichtigen Klägers gemäß § 138 Abs. 2 ZPO das einfache Bestreiten des Beklagten. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag darüber hinaus substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen. Je detaillierter der Vortrag der darlegungsbelasteten Partei ist, desto höher ist die Erklärungslast des Gegners gemäß § 138 Abs. 2 ZPO. Liegt danach hinreichender Gegenvortrag der nicht darlegungsbelasteten Partei vor, ist es wiederum Sache der darlegungs- und beweisbelasteten Partei, ihren Sachvortrag zu ergänzen und näher aufzugliedern.

bb) Nach diesen Maßstäben hätte es hier angesichts des detaillierten Vortrags des Klägers eines konkreten und substantiierten Bestreitens der von ihm aufgestellten Liquiditätsbilanz und der Auflistung der fällig werdenden Verbindlichkeiten durch den Beklagten oder seine Streithelferin bedurft. Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist indes nicht zu entnehmen, dass ihr Vorbringen bislang diesen Anforderungen genügt.

Der pauschale Einwand, die vom Kläger zugrunde gelegte Buchhaltung der Schuldnerin sei unrichtig, da der Beklagte bzw. seine Mitarbeiter der Pflicht zur ordnungsgemäßen Buchführung gemäß §§ 238, 239 HGB, § 41 GmbHG in der Endphase der werbenden Tätigkeit der Schuldnerin nicht mehr in vollem Umfang nachgekommen seien, genügt nicht.

Zwar ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass es dem Beklagten nicht von vorneherein verwehrt ist, sich auf die Unrichtigkeit der - von ihm nach §§ 238, 239 HGB, § 41 GmbHG zu verantwortenden - Buchhaltung zu berufen. Aus der Verpflichtung des Geschäftsführers einer GmbH, für die ordnungsmäßige Buchführung der Gesellschaft zu sorgen, ergibt sich keine unwiderlegbare Vermutung zu seinen Lasten dahin, der Inhalt einer Buchung gebe die Rechtswirklichkeit zutreffend wieder.

Der Beklagte kann sich als Geschäftsführer jedoch nicht auf die Behauptung beschränken, die Buchhaltung sei im fraglichen Zeitraum nicht mehr ordnungsgemäß geführt worden. Da der Geschäftsführer mit den finanziellen Verhältnissen der insolvent gewordenen Gesellschaft aufgrund seiner Tätigkeit vertraut ist, ist er vielmehr gehalten, im Einzelnen substantiiert darzulegen und ggf. zu beweisen, welche der in der Buchhaltung vorhandenen Buchungen in welcher Hinsicht unrichtig sein sollen . Dem Beklagten oblag es daher, im Einzelnen vorzutragen und ggf. zu beweisen, welche der vom Kläger in die Liquiditätsbilanz eingestellten Verbindlichkeiten konkret nicht bestanden haben oder nicht fällig gewesen sein sollen.

Mit der Auferlegung dieser Darlegungs- und Beweislast wird von dem beklagten Geschäftsführer nichts Unmögliches verlangt. Denn er ist berechtigt, zum Zwecke seiner Beweisführung Einsicht in die Buchhaltung der Gesellschaft zu nehmen . Dass sich die Buchhaltungsunterlagen der Schuldnerin hier beim Kläger befinden, vermag den Beklagten - anders als vom Berufungsgericht angenommen - daher nicht zu entlasten. Insbesondere ist nicht dargetan oder ersichtlich, dass der Kläger dem Beklagten die Einsicht und Auswertung der bei ihm befindlichen Unterlagen verwehrt hätte.

Anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Berufungsgericht angeführten Umstand, dass die Buchhaltung unstreitig nicht von dem Beklagten selbst sondern von seinen Mitarbeitern geführt wurde. Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, eine eigene Kenntnis von den Buchungsvorgängen über die vorhandenen Unterlagen hinaus könne von ihm im Hinblick auf die Delegation der Buchführung und insbesondere in Anbetracht des inzwischen verstrichenen Zeitraums nicht erwartet werden. Als Geschäftsführer war der Beklagte zwar nach § 41 GmbHG nicht zur eigenhändigen Buchführung verpflichtet, sondern durfte die technische Buchführung auch auf Unternehmensangehörige delegieren. Das enthebt ihn aber nicht von seiner grundsätzlichen Verantwortlichkeit für eine ordnungsgemäße Buchführung zu sorgen.

Auch der Einwand, eine Verletzung der ihm obliegenden Auswahl-, Einweisungs- und Überwachungspflicht durch den Beklagten sei weder vorgetragen noch festgestellt, trägt nicht. Ob dem Beklagten eine Verletzung seiner Pflichten aus § 41 GmbHG vorzuwerfen ist oder nicht, ändert nichts an der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast, da die Buchungsvorgänge unabhängig davon im Verhältnis zum Kläger grundsätzlich allein im Wahrnehmungs- und Verantwortungsbereich des Beklagten als Geschäftsführer lagen.

Den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ist ein hinreichend konkretes und substantiiertes Bestreiten des Beklagten und seiner Streithelferin nicht zu entnehmen.

Der vom Berufungsgericht angeführte Einwand der Streithelferin, von den 519 vom Kläger als zum Stichtag 1. Dezember 2008 fällig angegebenen Verbindlichkeiten seien lediglich 99 Positionen mit Rechnungen unterlegt, von denen wiederum nur drei mit den in der Tabelle des Klägers angegebenen Positionen übereinstimmten, und ein Vergleich der behaupteten Verbindlichkeiten mit den vorgelegten Rechnungen ergebe, dass lediglich ein Betrag von 1.128.656,03 € durch Rechnungen belegt sei, ist kein substantiiertes Bestreiten. Ob und inwieweit die Angaben des Klägers durch Rechnungen unterlegt sind, ist für die Schlüssigkeit und Substantiierung seines Vorbringens ohne Relevanz. Der Kläger ist nicht gehalten, das Entstehen und die Fälligkeit der Verbindlichkeiten durch Vorlage von Rechnungen zu belegen, sondern kann sich insoweit auf die entsprechenden Daten der Buchhaltung des Beklagten stützen. Es ist vielmehr Sache des Beklagten, darzulegen, dass die einzelnen Verbindlichkeiten entgegen der Buchungen nicht fällig waren, und dies ggf. durch Vorlage von Rechnungen oder auf andere Weise zu beweisen.

Ein ausreichendes Bestreiten ergibt sich auch nicht aus dem weiteren Einwand des Beklagten, ausweislich der einzelnen Buchungskonten im Anlagenkonvolut K 26 seien zahlreiche Verbindlichkeiten bereits längst bezahlt und zudem zahlreiche angebliche Forderungen nicht zur Insolvenztabelle angemeldet worden, so dass sich nach der von ihm erstellten „korrigierten Kreditorentabelle“ lediglich belegte Verbindlichkeiten in Höhe von 505.112,89 € ergäben. Dieser pauschalen Angabe ist nicht zu entnehmen, welche Verbindlichkeiten im Einzelnen trotz entsprechender Verbuchung nicht  bestanden haben oder aufgrund einer Stundungsabrede noch nicht fällig gewesen sein sollen. Eine solche Konkretisierung ergibt sich auch nicht aus der generellen Bezugnahme des Berufungsgerichts auf die gesamte „korrigierte Kreditorentabelle“ des Beklagten, zumal darin ein Großteil der Verbindlichkeiten lediglich mit der - als solche unzureichenden  - Begründung „Rechnung fehlt“ auf Null herabgesetzt wurden.

Der vom Berufungsgericht danach vorgenommene Rückschluss von „zahlreichen“ - nicht im Einzelnen festgestellten - Unrichtigkeiten auf eine Entkräftung des gesamten klägerischen Vorbringens, soweit dieser fällige Verbindlichkeiten über 505.112,89 € behauptet, ist nicht zulässig. Erforderlich wäre vielmehr eine konkrete Feststellung des Berufungsgerichts zu jeder einzelnen vom Kläger behaupteten Verbindlichkeit, ob diese nach der Darlegung des Beklagten als fällige Verbindlichkeit in die Liquiditätsbilanz einzustellen ist oder nicht, und sich danach insgesamt nur noch eine Liquiditätslücke von unter 10% ergibt. Hierzu bedürfte es konkreten Vortrags des Beklagten oder der Streithelferin dazu, welche Forderungen in der Bilanz des Klägers nicht bestehen oder nicht fällig gewesen sein sollen. Soweit mit dem Einwand fehlender Rechnungen die Fälligkeit der Verbindlichkeiten bestritten werden sollte, müsste im Einzelnen dargelegt und - je nach Stellungnahme des Klägers - ggf. bewiesen werden, warum die jeweilige Verbindlichkeit nicht fällig oder ernsthaft eingefordert gewesen sein soll. Gleiches gilt für den Vortrag des Beklagten, zahlreiche Forderungen seien bereits bezahlt gewesen, der konkret in Bezug auf die jeweilige Verbindlichkeit näher dargelegt und ggf. bewiesen werden müsste.

2. Der Rechtsfehler des Berufungsgerichts ist auch entscheidungserheblich. Nach dem Vortrag des Klägers zu den Verbindlichkeiten und verfügbaren Mitteln der Schuldnerin lag zum Stichtag 1. Dezember 2008 Zahlungsunfähigkeit vor, da bei der hierfür vorzunehmenden Liquiditätsbetrachtung nicht nur die am Stichtag bereits fälligen, sondern auch die in den nächsten drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten zu berücksichtigen sind.

a) Zahlungsunfähigkeit und nicht nur eine vorübergehende Zahlungsstockung liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, sich innerhalb von drei Wochen die zur Begleichung der fälligen Forderungen benötigten finanziellen Mittel zu beschaffen und die Liquiditätslücke auf unter 10% zurückzuführen.

Diese Beurteilung ist allein anhand objektiver Umstände vorzunehmen . In die zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit aufzustellende Liquiditätsbilanz sind auf der Aktivseite neben den verfügbaren Zahlungsmitteln  die innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel  einzubeziehen und zu den am Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten  sowie den innerhalb von drei Wochen fällig werdenden und eingeforderten Verbindlichkeiten  in Beziehung zu setzen.

b) Auch die innerhalb von drei Wochen nach dem Stichtag fällig werdenden Verbindlichkeiten  sind bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit zu berücksichtigen.

aa) Die Einbeziehung der Passiva II in die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist höchstrichterlich bislang nicht geklärt und in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur umstritten.

Nach der Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs sind in der Liquiditätsbilanz zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu setzen zu den am selben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten . Die fehlende Erwähnung der innerhalb von drei Wochen nach dem Stichtag fällig werdenden und eingeforderten Verbindlichkeiten könnte zwar dafür sprechen, dass sie nach Auffassung des IX. Zivilsenats nicht zu berücksichtigen sind. Eine klare Aussage in diesem Sinne ist seiner bisherigen Rechtsprechung indes - sei es in tragenden Erwägungen oder in einem obiter dictum - nicht zu entnehmen.

Auch der II. Zivilsenat hat die Frage bislang offen gelassen.

Nach einer Entscheidung des 1. Strafsenats  ist bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zur Abgrenzung von einer bloßen Zahlungsstockung eine Prognose zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit binnen drei Wochen durch eine Finanzplanrechnung vorzunehmen, in die die hinreichend konkret zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben der nächsten 21 Tage einzustellen, mithin zu berücksichtigen sind. Der 3. Strafsenat  und der 2. Strafsenat  haben wiederum ausgeführt, die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit sei in der Regel durch Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder kurzfristig herbeizuschaffenden Mittel vorzunehmen, ohne sich zur Berücksichtigung der innerhalb von drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten zu äußern.

In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur wird die Einbeziehung der Verbindlichkeiten, die erst innerhalb von drei Wochen nach dem Stichtag entstehen, unter Berufung auf die Rechtsprechung des IX. Zivilsenats teilweise abgelehnt.

Der weit überwiegende Teil des Schrifttums spricht sich jedoch für eine Einbeziehung der im Dreiwochenzeitraum fällig werdenden und eingeforderten Verbindlichkeiten aus.

bb) Der Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung, dass die innerhalb von drei Wochen nach dem Stichtag fällig werdenden und eingeforderten Verbindlichkeiten des Schuldners bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO in Abgrenzung von der bloßen Zahlungsstockung zu berücksichtigen sind.

Der Wortlaut des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist insoweit unergiebig. Ihm ist bereits nicht zu entnehmen, ob bei der Beurteilung der Liquidität überhaupt künftige Entwicklungen einzubeziehen sind. Vielmehr könnte die Vorschrift rein wortlautmäßig auch im Sinne einer bloßen Stichtagsbetrachtung verstanden werden, bei der weder künftige Verpflichtungen noch erst künftig zur Verfügung stehende Mittel zu berücksichtigen sind. Dann würde es bereits eine einseitige Abweichung vom Wortlaut der Vorschrift zu Gunsten des Schuldners darstellen, wollte man bei der Liquiditätsbewertung nur die künftig verfügbaren Mittel einbeziehen. 

Den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass der Begriff der Zahlungsunfähigkeit nicht rein stichtagsbezogen zu verstehen ist. Vielmehr ist auch die zeitliche Dauer einer etwaigen Liquiditätslücke zu berücksichtigen, um die Zahlungsunfähigkeit von einer nur vorübergehenden Zahlungsstockung abzugrenzen. Nach Auffassung des Gesetzgebers braucht im Gesetz nicht besonders zum Ausdruck gebracht werden, dass eine vorübergehende Zahlungsstockung keine Zahlungsunfähigkeit begründe, da es sich von selbst verstehe, dass ein Schuldner, dem in einem bestimmten Zeitpunkt liquide Mittel fehlen, der sich die Liquidität aber kurzfristig wieder beschaffen könne, im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO in der Lage sei, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Einer näheren Definition der Zahlungsunfähigkeit in zeitlicher Hinsicht - ebenso wie hinsichtlich ihrer Größenordnung - hat der Gesetzgeber sich nach der weiteren Gesetzesbegründung bewusst enthalten, um einer übermäßig einschränkenden Auslegung des Begriffs der Zahlungsunfähigkeit, etwa durch Annahme einer bloßen Zahlungsstockung auch bei einer über Wochen oder gar Monate fortbestehenden Illiquidität, entgegenzuwirken . Damit hat er erst Recht auch nicht danach differenziert, ob die Zahlungsunfähigkeit unter Einbeziehung künftiger Liquiditätszuflüsse und/oder künftig fällig werdender Verbindlichkeiten zu bestimmen ist.

Systematisch führt die Einbeziehung der im Dreiwochenzeitraum anfallenden weiteren Verbindlichkeiten zu keinen Abgrenzungsproblemen gegenüber der drohenden Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 InsO.

Zwar erfolgt die Prüfung der eingetretenen und der drohenden Zahlungsunfähigkeit damit anhand derselben Kriterien, da bei Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 Abs. 2 InsO nach allgemeiner Meinung entsprechend dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers auch erst künftig fällig werdende Verbindlichkeiten zu berücksichtigen sind. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass eingetretene Zahlungsunfähigkeit vorliegt, wenn der Schuldner eine bereits am Stichtag vorhandene Liquiditätslücke von 10% oder mehr nicht innerhalb von drei Wochen schließen kann, während eine solche Liquiditätslücke bei drohender Zahlungsunfähigkeit noch nicht besteht, sondern unter Berücksichtigung des weiteren Verlaufs voraussichtlich eintreten wird.

Damit verbleibt auch bei Berücksichtigung der Passiva II im Rahmen des § 17 InsO ein davon abgrenzbarer Anwendungsbereich des § 18 InsO in der Zeit vor und nach Ablauf des dreiwöchigen Prognosezeitraums. Ist der Schuldner innerhalb dieses Prognosezeitraums nicht in der Lage, seine Liquiditätslücke zu schließen, ist er am Stichtag bereits zahlungsunfähig, so dass sich die Frage einer drohenden Zahlungsunfähigkeit nicht mehr stellt. Ergibt die Liquiditätsprüfung hingegen, dass er seine Liquiditätslücke innerhalb dieser Frist schließen kann, gilt der Schuldner zum Stichtag als zahlungsfähig. Da ihm innerhalb der drei Wochen auch genügend liquide Mittel zur Deckung seiner Verbindlichkeiten zur Verfügung stehen, droht für diesen Zeitraum auch keine Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 InsO. Sowohl vor als auch nach Ablauf des Prognosezeitraums stellt sich aber die Frage, ob dann ggf. mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit  von einer in Zukunft drohenden Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 InsO auszugehen ist, weil später mit einer erheblichen, nicht mehr schließbaren Liquiditätslücke zu rechnen ist.

Zudem spricht in systematischer Hinsicht gerade der Umstand, dass eingetretene und drohende Zahlungsunfähigkeit aufeinander bezogene Insolvenzgründe sind , dafür, zur Vermeidung von Brüchen auch im Rahmen von § 17 InsO die innerhalb des Dreiwochenzeitraums fällig werdenden Verbindlichkeiten einzubeziehen.

Auch das in der Gesetzesbegründung zur Insolvenzordnung zum Ausdruck kommende Regelungsziel des Gesetzgebers spricht für eine Einbeziehung der Passiva II.

Ziel des Gesetzgebers war es, mit der Insolvenzordnung eine gegenüber der Konkursordnung frühzeitigere Verfahrenseröffnung zu erreichen, um damit die Sanierungsmöglichkeiten zu verbessern oder - falls das Vermögen liquidiert werden muss - die Insolvenzmasse weitgehend zu erhalten und bessere Verwertungsergebnisse zu erzielen, eine rechtsstaatlich korrekte gleichmäßige Gläubigerbefriedigung zu gewährleisten und die Rechte etwaiger Arbeitnehmer und den Schutz des Rechtsverkehrs zu wahren.

Diesem Ziel widerspräche es, würde man bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit lediglich die innerhalb von drei Wochen nach dem Stichtag flüssig zu machenden Mittel, nicht aber die in demselben Zeitraum fälligen Verbindlichkeiten einbeziehen, da damit der Zeitpunkt der Insolvenzreife theoretisch sogar auf Dauer verzögert werden könnte. Dem Schuldner würde ermöglicht, mit den neu hinzukommenden Mitteln lediglich die Altverbindlichkeiten zu begleichen und damit eine unter Umständen erhebliche Unterdeckung dauerhaft vor sich herzuschieben, die am Ende des Dreiwochenzeitraums sogar noch größer sein könnte als zu Beginn. Dann aber handelt es sich nicht mehr um eine - vom Gesetzgeber von der Zahlungsunfähigkeit ausgenommene - lediglich vorübergehende, sondern um eine dauerhafte Zahlungsunfähigkeit, die zeigt, dass das Unternehmen unterkapitalisiert und damit mangels ausreichenden Eigenkapitals insolvenzreif ist. Die Gegenansicht würde im Ergebnis eine permanente „erzwungene Stundung“ für Gläubiger hinnehmen  und ein Schneeballsystem sowie die damit verbundene Gefahr einer Insolvenzverschleppung begünstigen.

Auch der Einwand, im Interesse der Gläubiger bestehe gerade kein Anlass zur Annahme von Zahlungsunfähigkeit bzw. zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, wenn der Schuldner zwar eine „Bugwelle“ von Verbindlichkeiten vor sich herschiebe, diese aber ausnahmslos in drei Wochen erfüllen könne , trägt nicht. Dem steht das erklärte Ziel der Insolvenzordnung entgegen, durch eine frühzeitige Verfahrenseröffnung eine geordnete und gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger sicherzustellen und im Interesse des Rechtsverkehrs eine fortgesetzte Teilnahme von Schuldnern mit erheblichen Liquiditätsschwierigkeiten am Rechts- und Geschäftsverkehr zu verhindern.

Die Berücksichtigung von Passiva II führt daher auch nicht zu einer unbilligen Verschärfung der gesetzlich normierten Voraussetzungen . Zutreffend ist, dass der Schuldner danach in der Lage sein muss, Verbindlichkeiten, die möglicherweise erst wenige Tage vor Ablauf der Dreiwochenfrist fällig werden, in der verbleibenden kurzen Zeit auszugleichen. Das ist aber nicht unbillig, da er andererseits auch davon profitiert, dass die ihm erst kurz vor Ablauf der Dreiwochenfrist zufließenden Aktiva berücksichtigt werden. Es ist daher nur konsequent, ihm spiegelbildlich auch das Risiko aufzuerlegen, dass kurz vor Fristende neue Verbindlichkeiten fällig werden, die eine Erholung zunichtemachen.

Andernfalls würde die Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit zeitlich verzerrt und Aktiv- und Passivseite würden bei der Erstellung der Liquiditätsbilanz künstlich einer unterschiedlichen Bewertung unterworfen: Während der Zahlungsmittelbestand dynamisch, nämlich zeitraumbezogen ermittelt würde, würde der Bestand an fälligen Verbindlichkeiten ausschließlich statisch stichtagsbezogen festgestellt. Dies widerspräche nicht nur allgemeinen betriebswirtschaftlichen Bewertungsgrundsätzen , sondern würde zudem den Schuldnerinteressen in einseitiger - unbilliger - Weise der Vorzug von den berechtigten Interessen der Gläubiger geben, denen nach der gesetzgeberischen Wertung mit der Insolvenzordnung gerade ein größeres Gewicht zukommen sollte.

Die Berücksichtigung der Passiva II fügt sich zudem stimmig in andere Wertungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Zahlungseinstellung.

So setzt die Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung voraus, dass der Schuldner seine Zahlungen im Allgemeinen wieder aufgenommen hat . Das bedeutet, dass auch zwischenzeitlich neu entstandene Verbindlichkeiten beglichen werden müssen. Wollte man dies bei der Abgrenzung der Zahlungsunfähigkeit zur Zahlungsstockung anders sehen, würde dies zu einem Wertungsbruch zwischen dem Eintritt und der Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit führen.

Des Weiteren ist es nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Zusammenhang mit der Insolvenzanfechtung nach § 130 InsO u.a. als Indiz für eine Zahlungseinstellung gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO - und damit für Zahlungsunfähigkeit - anzusehen, wenn im relevanten Moment bestehende Verbindlichkeiten bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beglichen werden oder der Schuldner infolge der ständigen verspäteten Begleichung seiner Verbindlichkeiten einen Forderungsrückstand vor sich hergeschoben hat und dementsprechend ersichtlich am Rande des finanzwirtschaftlichen Abgrunds operierte. Wird die Existenz einer erheblichen Altforderung oder das Fortbestehen eines Forderungsrückstands bis zur Insolvenzeröffnung aber als Indiz für eine Zahlungseinstellung und damit für eine Zahlungsunfähigkeit gewertet, erfolgt damit auch indirekt die Berücksichtigung möglicher - vom Schuldner vorrangig beglichener - Neuverbindlichkeiten bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit.

Nicht durchgreifend ist schließlich auch der Einwand, die Einbeziehung künftig fälliger Verbindlichkeiten bei der Abgrenzung der Zahlungsstockung zur Zahlungsunfähigkeit sei unpraktikabel und berge die Gefahr, dass Insolvenzverfahren aufgrund von im Ergebnis unrichtigen Prognosen eröffnet würden.

Im Regelfall lassen sich der Eintritt der Fälligkeit und das ernsthafte Einfordern von Verbindlichkeiten zum Prognosezeitpunkt bereits mit der erforderlichen Sicherheit bewerten. Zum einen gibt es Verbindlichkeiten, die kalendermäßig fällig werden und bei denen bereits im Voraus davon auszugehen ist, dass sie im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit gemäß § 271 Abs. 1 BGB auch ernsthaft eingefordert werden. Das gilt etwa für fällige Löhne, Sozialversicherungsbeiträge oder Darlehensraten, bei denen es keiner Rechnung oder sonstigen Einforderungshandlung des Gläubigers bedarf . Zum anderen werden im Geschäftsverkehr nicht selten auch längere Zahlungsfristen eingeräumt, so dass gerade bei größeren Unternehmen, bei denen die größten Prognoserisiken bestehen könnten, viel dafür spricht, dass bei einem Großteil der Verbindlichkeiten bereits vor dem Stichtag durch Übersendung einer Rechnung mit Zahlungsziel die künftige Fälligkeit und das ernsthafte Einfordern der Forderung innerhalb des anschließenden Dreiwochenzeitraums feststehen.

Zudem wird in der Regel - sofern nicht bereits konkrete gegenteilige Anhaltspunkte vorliegen - von einem ernsthaften Einfordern der im Sinne des § 271 Abs. 1 BGB fällig werdenden Forderungen auszugehen sein. Das Merkmal des ernsthaften Einforderns setzt nach ständiger Rechtsprechung lediglich eine Gläubigerhandlung voraus, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt. Damit sollen nur Verbindlichkeiten von der Betrachtung ausgeschlossen werden, hinsichtlich derer mangels eines solchen erkennbar hervorgetretenen Willens eine „faktische Stundung“ in Betracht kommt. Letztlich ist auch nicht ersichtlich, warum das künftige ernsthafte Einfordern von Verbindlichkeiten des Schuldners schwieriger zu prognostizieren sein sollte, als das künftige Zahlungsverhalten von Drittschuldnern des Schuldners.

Einer Anfrage oder Vorlage nach § 132 Abs. 2 und 3 GVG zur Frage der Berücksichtigung der Passiva II bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit bedarf es nicht, da weder der IX. Zivilsenat noch der 2. oder der 3. Strafsenat bislang in einer die Entscheidung tragenden Weise abweichend entschieden haben.

c) Ausgehend davon war die Schuldnerin nach dem Vortrag des Klägers am 1. Dezember 2008 zahlungsunfähig.

Nach den Angaben des Klägers beliefen sich die am Stichtag vorhandenen verfügbaren und bis einschließlich 22. Dezember 2008 tatsächlich eingegangenen Mittel auf insgesamt 4.517.454,43 € . Dem standen nach dem Vortrag des Klägers am Stichtag fällige Verbindlichkeiten in Höhe von 3.517.265,91 € sowie bis zum 22. Dezember 2008 fällig gewordene und eingeforderte weitere Verbindlichkeiten in Höhe von 2.946.239,11 €, insgesamt mithin Verbindlichkeiten in Höhe von 6.463.505,02 € gegenüber. Damit bestand eine Liquiditätslücke in Höhe von 1.946.050,60 € und der Liquiditätsdeckungsgrad betrug nur 69,89%.

III. 

Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist . In der wiedereröffneten mündlichen Verhandlung wird das Berufungsgericht weitere Feststellungen zur Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin am 1. Dezember 2008 zu treffen haben.

Für das weitere Verfahren weist der Senat insbesondere auf Folgendes hin:

1. Zur Beurteilung, ob sogar von einer Zahlungseinstellung der Schuldnerin gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO auszugehen ist, wird das Berufungsgericht zunächst den Einwänden der Revisionsbegründung zur Bewertung der nach Vortrag des Klägers bis zur Insolvenzeröffnung nicht beglichenen Stichtagsforderungen nachzugehen haben. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass eine Zahlungseinstellung nicht nur aus einem einzelnen, sondern auch aus einer Gesamtschau mehrerer darauf hindeutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden kann. Hierbei werden auch der Vortrag des Klägers zu den vom 6. April 2008 bis zum 13. Februar 2009 wöchentlich fällig gewordenen und beglichenen Verbindlichkeiten der Schuldnerin sowie der von ihm vorgelegte Finanzplan für die Zeit vom 2. Dezember 2008 bis 13. Februar 2009 im Hinblick darauf zu würdigen sein, dass sich immer wieder erneuernde erhebliche Forderungsrückstände gegen die Annahme sprechen könnten, dass kein wesentlicher Teil der Verbindlichkeiten betroffen war und es sich um lediglich geringfügige Liquiditätslücken handelte.

Sollte das Berufungsgericht danach von einer Zahlungseinstellung ausgehen, bleibt dem Beklagten die Möglichkeit, die nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO bestehende Vermutung der Zahlungsunfähigkeit zu widerlegen, indem er konkret vorträgt und ggf. beweist, dass eine Liquiditätsbilanz im maßgebenden Zeitraum für die Schuldnerin eine Deckungslücke von weniger als 10% ausweist. Die bloße, unter Sachverständigenbeweis gestellte Behauptung genügt insoweit allerdings nicht. Der Beklagte ist als Geschäftsführer, der mit den finanziellen Verhältnissen der insolvent gewordenen GmbH aufgrund seiner Tätigkeit vertraut ist, vielmehr gehalten, zu einer Liquiditätsbilanz, die Zahlungsfähigkeit belegen soll, konkret vorzutragen.

2. Sofern eine Zahlungseinstellung gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO nicht festzustellen ist, bedarf es einer Prüfung der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO. Insoweit ist dem Beklagten und der Streithelferin Gelegenheit zu geben, die vom Kläger zum Nachweis der Zahlungsunfähigkeit aufgestellte Liquiditätsbilanz, insbesondere die darin in Ansatz gebrachten Verbindlichkeiten, konkret im Einzelnen zu bestreiten und ihr Vorbringen unter Beweis zu stellen. Sollte sich danach eine Liquiditätsbilanz der Schuldnerin ergeben, die im maßgeblichen Zeitraum eine Deckungslücke von weniger als 10% ausweist, wird das Berufungsgericht ggf. den jeweiligen Beweisangeboten nachzugehen haben.

In diesem Zusammenhang wird das Berufungsgericht auch zu berücksichtigen haben, dass die bisherigen Feststellungen nicht ausreichen, um den Darlehensrückzahlungsanspruch der Schuldnerin gegen ihre Schwestergesellschaft als kurzfristig verfügbares Zahlungsmittel in die Liquiditätsbewertung einzubeziehen. Dass die Schuldnerin am Stichtag die Möglichkeit gehabt hätte, das Darlehen sofort, jedenfalls aber innerhalb der nächsten drei Wochen fällig zu stellen, genügt dafür nicht.

Ob noch von einer vorübergehenden Zahlungsstockung oder schon von einer  Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist, ist allein anhand der objektiven Umstände zu beantworten . Zu den hierbei in eine Liquiditätsbilanz einzustellenden innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel zählen zwar auch kurzfristig verfügbare Kreditmittel, wobei ein sofort abrufbarer Kredit ungeachtet des Zeitpunkts seiner tatsächlichen Auszahlung bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit als Zahlungsmittel zu berücksichtigen ist ; auch liegt keine Zahlungsunfähigkeit vor, wenn der Schuldner im fraglichen Zeitraum noch in der Lage war, sich erforderlichenfalls weiteren Kredit zu verschaffen . Bei dem hier in Rede stehenden Darlehensrückzahlungsanspruch handelt es sich aber nicht um einen sofort abrufbaren Kredit, auf den die Schuldnerin jederzeit unmittelbar hätte zurückgreifen können, sondern um eine von der Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit der Darlehensnehmerin abhängige Forderung.

Die Berücksichtigung der auf diese Forderung zu leistenden Zahlungen setzt vielmehr voraus, dass sie innerhalb von drei Wochen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten bzw. einzuziehen sind. Dass die Schwestergesellschaft der Schuldnerin innerhalb von drei Wochen bereit und in der Lage gewesen wäre, das Darlehen entsprechend zurückzuführen, hat das Berufungsgericht indes nicht festgestellt. Insbesondere fehlt es auch an einer Feststellung dazu, wann die Schuldnerin den Anspruch überhaupt tatsächlich fällig gestellt hat, um daraus evtl. einen Rückschluss auf seine zeitnahe Erfüllung ziehen zu können. Insoweit könnte ferner zu berücksichtigen sein, dass verwertbare Vermögensgegenstände  dann in die Liquiditätsbewertung einbezogen werden können, wenn der Schuldner auch gewillt und konkret in der Lage ist, sie binnen der Frist von drei Wochen zu verwerten. Könnte er sich die erforderliche Liquidität durch die Verwertung von Vermögensgegenständen zwar verschaffen, ist hierzu aber nicht bereit, ist hingegen Zahlungsunfähigkeit gegeben.

 

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 64/12
vom
7. März 2013
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel, Dr. Pape, Grupp und die Richterin
Möhring
am 7. März 2013

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. Februar 2012 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Gründe:


1
Die statthafte Nichtzulassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg, weil sie keinen Zulassungsgrund aufdeckt. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
2
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig.
3
a) Soweit der Kläger vorsorglich Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich der Abweisung von Ansprüchen aus einem selbstständigen Auskunftsvertrag zwischen dem Beklagten und dem Geschäftsführer der Schuldnerin erhoben hat, ist diese Erklärung als uneingeschränkte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde auszulegen. Als bedingte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde wäre die Erklärung auch dann unzulässig, wenn die vorsorgliche Ein- legung so verstehen ist, dass über die Nichtzulassungsbeschwerde nur für den Fall entschieden werden soll, dass die Revisionszulassung durch das Berufungsgericht nur eingeschränkt erfolgt ist. In diesem Fall verstieße die Erklärung gegen den Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit von Prozesshandlungen, die unmittelbar auf die Verfahrenslage einwirken. Diese können nicht einmal - was in Bezug auf andere Prozesshandlungen ausnahmsweise zulässig sein kann - von einer innerprozessualen Bedingung abhängig gemacht werden, sondern sind schlechthin bedingungsfeindlich (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2007 - XII ZB 80/07, NJW-RR 2008, 85 Rn. 15 mwN; BAG, NJW 1996, 2533, 2534 mwN; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., vor § 128 Rn. 266; Zöller /Greger, ZPO, Vor § 128, 29. Aufl., Rn. 20). Danach ist es unzulässig, eine Nichtzulassungsbeschwerde nur für den Fall einzulegen, dass eine eingelegte Revision unzulässig ist, weil das Berufungsgericht diese nicht zugelassen hat (vgl. BAG, aaO; BAGE 49, 244, 246).
4
b) Als Prozesshandlung unterliegt die Erklärung der Nichtzulassungsbeschwerde der Auslegung. Die verfahrensrechtliche Erklärung ist frei zu würdigen und es ist unter Heranziehung aller erkennbaren Umstände und unter Beachtung der durch die gewählten Bezeichnungen bestehenden Auslegungsgrenzen zu ermitteln, welcher Sinn der Erklärung aus objektiver Sicht beizumessen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2007, aaO Rn. 11; vom 15. März 2006 - IV ZB 38/05, NJW-RR 2006, 862, 863 mwN). Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde einerseits nur vorsorglich erfolgen sollte, andererseits jedoch im Anschluss an die Begründung der Revision eine vollständige Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde abgegeben worden ist, in der beschränkt auf den Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde eine vermeintliche Obersatzabweichung gerügt wird, mit der das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Senats abge- wichen sei. Dies spricht letztlich für eine unbedingte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde , die in jedem Fall durchgeführt werden sollte.
5
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
6
a) Das Berufungsgericht hat an den Kläger abgetretene Ansprüche aus einem im Dezember 2005 konkludent abgeschlossenen selbstständigen Auskunftsvertrag zwischen dem Zedenten und dem Beklagten aus tatsächlichen und aus rechtlichen Gründen verneint. Der Kläger habe nicht hinreichend dargelegt , dass es zum Abschluss eines solchen Vertrages gekommen sei. Der Rat, eine Rangrücktrittserklärung abzugeben, sei für die GmbH von Bedeutung gewesen und deshalb dem Mandatsverhältnis mit der Gesellschaft zuzuordnen. Für einen weitergehenden Vertragsschluss mit dem Zedenten persönlich fehlten hinreichende Anhaltspunkte.
7
b) Hiergegen wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde ohne Erfolg. Gegen die tatsächliche Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Annahme eines konkludent abgeschlossenen Auskunftsvertrags nicht dargelegt sind, wird nichts vorgebracht, was eine Zulassung der Revision erfordern könnte. Die geltend gemachte Obersatzabweichung liegt nicht vor. Das Berufungsgericht ist nicht von dem Rechtsgrundsatz abgewichen, der Berater habe im Rahmen seines Auftrags grundsätzlich von der Beratungsbedürftigkeit des Mandanten auszugehen , diesen umfassend zu beraten, auf wirtschaftliche Fehlentscheidungen hinzuweisen und vor möglichen Schäden zu bewahren (BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 - IX ZR 246/02, WM 2004, 2034, 2036 mwN). Vielmehr hat es schon den Abschluss eines Steuerberatervertrags verneint, bei dessen Erfüllung sich die Belehrungs- und Schutzbedürftigkeit des Mandanten hätte auswirken können. Gründe, die der tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts entgegenstehen könnten, sind der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu entnehmen.
8
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
Kayser Raebel Pape
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Aachen, Entscheidung vom 10.08.2011 - 8 O 551/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 23.02.2012 - 8 U 45/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 193/10
Verkündet am:
13. Oktober 2011
Kirchgeßner
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Der Geschäftsführer kann als Dritter in den Schutzbereich eines Umsatzsteuermandates
einbezogen sein, welches die GmbH erteilt hat. Nach Maßgabe der
allgemeinen Voraussetzungen können die steuerlichen Berater der GmbH deshalb
verpflichtet sein, deren Geschäftsführern ihren Schaden aus einer steuerlichen
Inhaftungnahme zu ersetzen.

b) Die Verjährung für den Ersatzanspruch des Geschäftsführers gegen die steuerlichen
Berater der GmbH beginnt mit der Bekanntgabe des schadensbegründenden
Haftungsbescheids.
BGH, Urteil vom 13. Oktober 2011 - IX ZR 193/10 - OLG Köln
LG Bonn
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Oktober 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richter Raebel und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Pape

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 21. Oktober 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als in Höhe von mehr als 108.148,36 € zu dessen Nachteil erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger wurde nach der Umsatzsteuersonderprüfung einer GmbH, deren alleiniger Geschäftsführer er bis zum 18. August 2003 war, gemäß § 69 AO vom Finanzamt für die festgesetzten Steuernachforderungen nebst Zinsen und Säumniszuschlägen von zusammen 107.795,55 € durch Bescheid vom 3. Januar 2005 in Haftung genommen. Dieser Betrag ist durch den Einspruchsbescheid vom 27. Februar 2007 auf insgesamt 101.819,55 € herabgesetzt wor- den. Die beklagten Steuerberater und die von ihnen begründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts betreuten die GmbH seit dem Mai 2002 steuerlich in streitigem Umfang. Für das Entstehen der Steuernachforderung, die seiner persönlichen Haftung zugrunde liegt, macht der Kläger die Beklagten verantwortlich, weil sie bei der Betriebsprüfung Anforderungen der Finanzverwaltung nicht hinreichend nachgekommen seien und zuvor schon fehlerhafte Buchungen und Bilanzierungsarbeiten vorgenommen hätten. Zudem seien die umsatzsteuerrechtlich streitigen Zahlungen der schweizer I. AG an die steuerpflichtige GmbH, denen eine Netto-Rechnung zugrunde liege, auf die von der Finanzverwaltung im Ergebnis nicht gebilligte Gestaltungsberatung der Beklagten zurückzuführen. Der Kläger stützt seinen Anspruch auf den nach seiner Ansicht drittschützenden Beratungsvertrag der GmbH als eigenes Recht. Zugleich nimmt er die Beklagten aufgrund Abtretung der Schadensersatzansprüche durch die GmbH vom 17. August 2003 in Anspruch.
2
Das Berufungsgericht hat die Klageabweisung des Landgerichts zu dem noch von Interesse gebliebenen Teil des Streitgegenstandes bestätigt. Mit der vom Senat in diesem Umfang zugelassenen Revision wendet sich der Kläger gegen die Abweisung seiner Klage, soweit sie auf seine Inanspruchnahme als Haftungsschuldner gestützt ist.

Entscheidungsgründe:


3
Die Revision ist in dem nach dem Einspruchsbescheid noch bestehenden Haftungsumfang des Klägers von 101.819,55 € begründet. Die Sache selbst ist insoweit jedoch noch nicht zur Endentscheidung reif, weil die notwendigen Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen der Beraterhaftung fehlen. Im Übrigen hat die Revision im Ergebnis keinen Erfolg, weil der Schaden des Klägers während der Tatsacheninstanzen durch die Einspruchsentscheidung der Finanzverwaltung vom 27. Februar 2007 weggefallen ist.

I.


4
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in DStRE 2011, 785 abgedruckt ist, hat angenommen, der Kläger sei nicht als Dritter in den Schutzbereich des Beratungsvertrags zwischen seiner Anstellungs-GmbH und der beklagten Steuerberatersozietät einbezogen, weil jedenfalls die erforderliche Leistungsnähe des Klägers und das Interesse der Mandantin an seinem Schutz nicht bestanden habe. Der Geschäftsführer einer GmbH hafte nach den §§ 34, 69 AO nur dann für Steuerverbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich, wenn diese Steuern infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung seiner Pflichten vom Finanzamt gegen die GmbH nicht rechtzeitig festgesetzt oder von dieser nicht abgeführt worden seien. Fehle es an dem gesetzlich vorausgesetzten schweren Eigenverschulden des Geschäftsführers, werde er von einem durch die Berater schuldhaft verursachten Steuerschaden der GmbH persönlich nicht berührt. Infolge dessen stehe der Geschäftsführer der Tätigkeit des Steuerberaters für die GmbH als Person zu fern. Eine Schlechtleistung des steuerlichen Beraters gegenüber der GmbH wirke sich allenfalls als rechtlicher Reflex auf die spätere steuerliche Eigenhaftung des Geschäftsführers aus. Deshalb fehle auch die erforderliche Gläubigernähe des Klägers für eine Dritthaftung der Beklagten.
5
1. Diese Annahmen halten rechtlicher Prüfung nicht stand.
6
a) Die allgemeinen Voraussetzungen für die Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich vertraglicher Pflichten hat die Rechtsprechung des Bundesge- richtshofs in zahlreichen Entscheidungen geklärt. Der geschützte Dritte muss zunächst mit der Hauptleistung des Schutzpflichtigen bestimmungsgemäß in Berührung kommen. Zu dieser Leistungsnähe muss ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrags hinzutreten. Dem Schutzpflichtigen muss die Einbeziehung Dritter in sein vertragliches Haftungsrisiko erkennbar sein. Der Dritte muss für diese Haftungserstreckung letztlich selbst schutzwürdig sein (siehe zu diesen Voraussetzungen etwa BGH, Urteil vom 2. Juli 1996 - X ZR 104/94, BGHZ 133, 168, 173; vom 7. Mai 2009 - III ZR 277/08, BGHZ 181, 12 Rn. 17 ff). Von diesen Grundsätzen hat sich auch das Berufungsgericht leiten lassen.
7
b) Der steuerliche Berater einer GmbH schuldet für einen Schaden des Geschäftsführers aus einem Haftungsbescheid des Finanzamts keinen Ersatz, wenn ihm dieser Haftungsschaden nach allgemeinen Grundsätzen nicht zuzurechnen ist. Dieses Kriterium ist jedoch nicht geeignet, um die drittschützende Wirkung bestimmter Vertragspflichten festzustellen, die den steuerlichen Berater einer GmbH treffen können. Die Leistungsnähe des Geschäftsführers zur steuerlichen Beratung seiner Anstellungs-GmbH ergibt sich vielmehr aus § 34 Abs. 1 AO. Der Geschäftsführer hat die von ihren Beratern vorbereiteten Steuererklärungen der GmbH zu unterzeichnen und zu verantworten. Den Geschäftsführer trifft persönlich auch die Mitwirkungspflicht der GmbH gemäß § 90 AO, für deren Erfüllung er typischerweise auf die Unterstützung der steuerlichen Berater angewiesen ist, welche die GmbH beauftragt hat. Unrichtige Steuererklärungen und unzureichende Mitwirkung für die steuerpflichtige GmbH begründen ein spezifisches steuerliches Haftungsrisiko, dem der Geschäftsführer nach den §§ 69, 191, 219 AO ausgesetzt ist und welches bei entsprechender Einschaltung der Berater der GmbH auf deren Tätigkeit zurückgehen kann.
8
Ergeht nach den §§ 34, 69 AO ein Haftungsbescheid gegen den Geschäftsführer , so kann diese Heranziehung auch rechtswidrig sein, weil die offene Steuerschuld von Rechts wegen nicht besteht, die subjektiven Haftungsvoraussetzungen , Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit, nur formelhaft festgestellt worden sind und in Wahrheit fehlen oder das Finanzamt sein Ermessen nach den §§ 191, 219 AO fehlerhaft ausgeübt hat. Das Risiko der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme des Geschäftsführers einer GmbH wird unter Umständen erst geschaffen, wenn der steuerliche Berater infolge eigener Nachlässigkeit mit Bezug auf die Mitwirkungspflichten der Mandanten gemäß § 90 AO die Finanzverwaltung annehmen lässt, die von ihm betreute Gesellschaft habe bislang nicht offenbarte Steuertatbestände verwirklicht oder ungerechtfertigte Abzüge in Anspruch genommen, während pflichtmäßiges Handeln ihm ermöglicht hätte, die ungünstige Feststellung der Finanzverwaltung und damit den Steuerschaden der Mandantin zu vermeiden.
9
Dieses Risiko der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme des Geschäftsführers ist eine typische Begleiterscheinung pflichtwidrig verursachter Steuerfestsetzungen gegen eine zahlungsschwache GmbH, wenn zur vollen Begleichung der Steuerschuld später die Mittel fehlen. Es kommt für die Frage des Drittschutzes nicht darauf an, ob dieses Risiko sich verwirklicht oder nicht und ob ein ergangener Haftungsbescheid in seinen subjektiven Voraussetzungen und hinsichtlich der Ermessensausübung rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Geht eine Verletzung der Mitwirkungspflicht des Mandanten nach § 90 AO auf Versäumnisse des steuerlichen Beraters zurück, so können sich die Folgen bei der steuerrechtlich gebotenen Sachverhaltsfeststellung innerhalb des Beweismaßes und der anzustellenden Beweiswürdigung der Finanzverwaltung auch zum Nachteil eines möglichen Haftungsschuldners auswirken. Die Leistungsnähe des Geschäftsführers zur pflichtwidrigen steuerlichen Betreuung seiner Anstel- lungs-GmbH, die ungünstige Beweisfolgen und im weiteren vermeidbare Steuerfestsetzungen gegen die GmbH zur Folge hat, ist demnach so groß, dass der Geschäftsführer in den persönlichen Schutzbereich der verletzten Beraterpflichten einbezogen werden muss.
10
Ebenso kommt der Geschäftsführer einer GmbH mit der ihr gegenüber erbrachten Leistung bestimmungsgemäß in Berührung, wenn er von den steuerlichen Beratern der GmbH durch Fehler der Buchführung, ungerechtfertigte Vorsteuerabzüge oder Fehlbeurteilung umsatzsteuerpflichtiger Tatbestände als umsatzsteuerfrei in das Haftungsrisiko der §§ 69, 191, 219 AO verstrickt wird. Zwar erleidet dann die GmbH bei normativer Betrachtung keinen Schaden; sie wird nur der gesetzmäßigen Besteuerung unterworfen. Der Geschäftsführer ist aber durch seine Haftung auch im Rechtssinne geschädigt, weil er bei Erfüllung seiner Pflichten für Steuerausfälle durch die Zahlungsunfähigkeit der GmbH nicht einzustehen gehabt hätte.
11
aa) Dem Kläger ist von der Finanzverwaltung bei seiner Inhaftungnahme vorgeworfen worden, er habe im Zeitraum der Umsatzsteuersonderprüfung und im Juni 2003 als Geschäftsführer keine rechtzeitigen und richtigen Umsatzsteuervoranmeldungen veranlasst. Dieser Vorwurf beruhte objektiv auf den Feststellungen aus Anlass der Steuerprüfung und kann von der behaupteten Nachlässigkeit der Beklagten im Verlauf ihrer Durchführung beeinflusst worden sein, aber auch von den ihnen weiter zur Last gelegten Fehlern. Die Feststellungen des Finanzamts zum Verschulden des Klägers sind wenig aussagekräftig, weil sich der Kläger zu dem Vorwurf nicht näher eingelassen hat. Hier hätte nach dem Vortrag des Klägers berücksichtigt werden müssen, dass ihm nach seiner Abberufung als Geschäftsführer, also schon zur Zeit des Umsatzsteuerbescheids 2002 vom 3. August 2004 und des Umsatzsteuervorauszahlungsbe- scheids für März 2003 vom 29. Juli 2004, die Geschäfts- und Steuerunterlagen seiner früheren Anstellungs-GmbH nicht mehr zur Verfügung standen. Eine Beschaffungspflicht traf ihn grundsätzlich in dieser Hinsicht nicht (BFH/NV 2008, 521, 525 unter II., 5., c).
12
In diesem Rechtsstreit hat der Kläger dargelegt, inwiefern er die Umsatzsteuernachforderungen der Finanzverwaltung gegen die Anstellungs-GmbH für unbegründet hält. Da der maßgebende Steuersachverhalt bisher nicht vollständig vorgetragen und aufgeklärt worden ist, lässt sich für den Regressprozess rechtlich derzeit nicht abschließend prüfen, inwieweit gegen die GmbH zu Recht Umsatzsteuernachforderungen erhoben worden sind und der Kläger von der Finanzverwaltung im Einklang mit dem Gesetz für Anmeldeversäumnisse der GmbH in Haftung genommen worden ist. Auch das Ergebnis der gegen den Haftungsbescheid schwebenden finanzgerichtlichen Anfechtungsklage ist bisher nicht bekannt.
13
bb) Bei dem Verhalten des Klägers, welches ihm möglicherweise als vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden kann, der verspäteten und fehlerhaften Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen zwischen August 2002 und Juni 2003, waren Angehörige und Mitarbeiter der beklagten Steuerberatersozietät beteiligt. Der Geschäftsführer einer GmbH darf ebenso wie die Auftraggeberin im Blick auf die vertragliche Haftung darauf vertrauen, dass die von der Gesellschaft beauftragten Steuerberater die anstehenden steuerlichen Fragen fehlerfrei bearbeiten, ohne dass von seiner Seite eine Kontrolle notwendig ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 2010 - IX ZR 189/09, WM 2010, 993 Rn. 9 und 14). Insbesondere gilt dies, wenn auch die Buchführung von dem steuerlichen Berater zu besorgen ist, wie hier vom Kläger behauptet wird, für die Vorbereitung der Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteu- ererklärungen einer GmbH. Zur sorgfältigen Erfüllung solcher Vertragspflichten hat der Berater die Geschäftsunterlagen des Mandanten anzufordern, zu sichten , auf abziehbare Vorsteuern zu prüfen und steuerfreie Umsätze auszuscheiden.
14
Bei der steuerlichen Inhaftungnahme des Geschäftsführers einer GmbH für offene Steuerverbindlichkeiten der Gesellschaft gelten jedoch gegenüber der Finanzverwaltung andere Grundsätze. Zwar kann dem Geschäftsführer einer GmbH das Verschulden des steuerlichen Beraters der GmbH bei der Fertigung von Steuererklärungen nicht als eigenes Verschulden zugerechnet werden. Der Geschäftsführer haftet aber nach den §§ 34, 69 AO für die Verletzung der ihm in diesem Rechtsverhältnis abverlangten sorgsamen Auswahl und Überwachung derjenigen Personen, denen er die Erledigung der ihm auferlegten steuerlichen Pflichten für die GmbH übertragen hat. Für den Fall der Unterzeichnung einer vom Steuerberater entworfenen Umsatzsteuererklärung kann eine Haftung des die Unterschrift leistenden Geschäftsführers in Frage kommen, wenn er selbst nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls Anlass und Möglichkeiten hatte, die Richtigkeit der Steuererklärung zu überprüfen (BFH/NV 2008, 1983 mwN).
15
Der strengere Pflichtenmaßstab des steuerlichen Haftungsrechts im Vergleich zur bürgerlich-rechtlichen Beraterhaftung schafft demnach für den Geschäftsführer einer GmbH ein spezifisches Risiko, für die Folgen einer fehlerhaften Wahrnehmung des Steuermandats der Gesellschaft in Haftung genommen zu werden, obwohl dem Haftungsschuldner weder als Organwalter noch aufgrund des Steuerberatungsvertrags obliegt, die Tätigkeit der Berater mit ähnlicher Intensität zu überwachen. Dieses Pflichtengefälle, auf welches das Berufungsgericht nicht eingegangen ist, kann nur dadurch ausgeglichen wer- den, dass für entsprechende steuerliche Haftungsschäden des Geschäftsführers einer GmbH die vertragliche Dritthaftung des letztverantwortlichen Steuerberaters der GmbH eröffnet wird.
16
Für die Voraussetzungen der vorbezeichneten Dritthaftung sind die Grundsätze übertragbar, die der Bundesgerichtshof zur vertraglichen Haftung des Steuerberaters für einen steuerstrafrechtlichen Schaden des Auftraggebers aufgestellt hat (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 2010, aaO Rn. 9). Der Steuerberater hat den Geschäftsführer einer von ihm betreuten GmbH vor den Nachteilen zu schützen, die sich für ihn persönlich aus unrichtiger oder unvollständiger Darstellung steuerlich bedeutsamer Vorgänge der GmbH gegenüber dem Finanzamt ergeben. Seine Beraterpflicht besteht auch darin, den Geschäftsführer der Mandantin davor zu bewahren, sich durch Verletzung seiner steuerrechtlichen Geschäftsführerpflichten der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme gemäß §§ 69, 191, 219 AO auszusetzen. Die nach § 69 AO vorausgesetzte Schuldform mindestens grober Fahrlässigkeit des Geschäftsführers ändert davon so wenig etwas wie der zur Begehung einer Steuerstraftat erforderliche Vorsatz.
17
c) Das Interesse des Gläubigers am Schutz des Dritten, welches die vertragliche Dritthaftung voraussetzt, lässt sich für das steuerliche Haftungsrisiko des Geschäftsführers einer GmbH bei der steuerlichen Betreuung der Gesellschaft ebenfalls nicht schlechthin verneinen. Die unsorgfältige Führung der Bücher , die Schlechterfüllung der Beraterpflichten bei der Vorbereitung von Umsatzsteuervoranmeldungen einer GmbH und Nachlässigkeit in der Wahrnehmung der Mitwirkungspflicht der Mandantin bei der Ermittlung des Sachverhaltes begründen, wie ausgeführt, ein spezifisches Haftungsrisiko für den oder die Geschäftsführer, denen bei Zahlungsschwäche der GmbH von der Finanzver- waltung mangelhafte Kontrolle der Beratertätigkeit vorgeworfen wird. Die Vermeidung dieses Risikos liegt im Schutzbereich der Beraterpflichten. Die GmbH hat ein Interesse daran, ihren Geschäftsführer im Falle seiner haftungsrechtlichen Inanspruchnahme nicht stets selbst schadlos halten zu müssen. GmbH und Geschäftsführer haften nach § 44 AO in einem solchen Fall als Gesamtschuldner. Der Innenausgleich zwischen ihnen vollzieht sich gemäß § 426 Abs. 1 und 2 BGB. Die GmbH muss im Regelfall jedoch daran interessiert sein, solche Belastungen des Verhältnisses zu ihrem Leitungsorgan zu vermeiden.
18
Die haftungsrechtliche Inanspruchnahme des Geschäftsführers kann deshalb weder wegen fehlender Leistungsnähe noch in Ermangelung eines Gläubigerinteresses nur Rechtsreflex einer Schlechtleistung des steuerlichen Beraters der GmbH sein, wie das Berufungsgericht gemeint hat, wenn zwischen der Pflichtverletzung der Berater und dem Haftungsvorwurf gegen den Geschäftsführer ein spezifischer Risikozusammenhang besteht. So soll es nach dem Vortrag des Klägers im Streitfall liegen.
19
2. Mit der gegebenen Begründung kann das Berufungsurteil danach nicht bestehen bleiben. Es erweist sich, soweit die drittschützende Wirkung des Steuerberatungsvertrags zwischen der beklagten Sozietät und der damaligen Anstellungs-GmbH des Klägers verneint worden ist, auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).
20
a) Die geltend gemachte Einstandspflicht der Beklagten führt nicht zu einer unüberschaubaren Ausdehnung ihres vertraglichen Haftungsrahmens. Der geschützte Personenkreis ist durch § 34 Abs. 1 AO eindeutig bezeichnet. Die gesetzlichen Vertreter einer GmbH sind deren steuerlichen Beratern bekannt. Mit ihnen kann im Bedarfsfall auch über eine Beschränkung der sie be- treffenden Dritthaftung verhandelt werden. Damit, dass sich der persönliche Schutzbereich des Steuerberatungsvertrags mit einer GmbH in bestimmten Grenzen auf deren Geschäftsführer als möglicher Haftungsschuldner erstrecken würde, mussten die Beklagten trotz der ungeklärten Rechtslage rechnen.
21
b) In der beiderseitigen Interessenabwägung ist der Geschäftsführer einer GmbH als herangezogener Haftungsschuldner gegenüber den steuerlichen Beratern der Gesellschaft schutzwürdig. Der Gesamtschuldnerrückgriff gegen die im Regelfall zahlungsschwache Anstellungs-GmbH ist in seiner Durchsetzbarkeit unsicher. Kann das Finanzamt bei der steuerpflichtigen GmbH die Schuld beitreiben, kommt es gemäß § 219 AO nicht zum Haftungsbescheid. Aussichtsreich ist danach im Regelfall nur ein Vorgehen gegen den steuerlichen Berater der GmbH aus dem nach § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB übergegangenen Anspruch der Auftraggeberin. Auch dieser Rechtsschutz ist für den geschädigten Geschäftsführer indessen unzureichend. Zum einen hat die GmbH keinen eigenen Schadensersatzanspruch, wenn sich bei ihr lediglich die nicht vermeidbare gesetzliche Steuerpflicht verwirklicht. Zum anderen muss der Geschäftsführer , um den gesetzlichen Forderungsübergang herbeizuführen, die Haftungsschuld gegenüber dem Finanzamt zunächst begleichen. Mangels Forderungsberechtigung wäre eine bereits vorher erhobene Feststellungsklage gegen den steuerlichen Berater der GmbH derzeit unbegründet. Ist der Schadensersatzanspruch der GmbH nach § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB auf ihren gemäß § 44 AO samtverbindlich haftenden Geschäftsführer erst spät übergegangen, kann er auch verjährt sein. Denn der Schadensersatzanspruch der GmbH ist bereits mit den gegen sie ergangenen Festsetzungsbescheiden entstanden. Die Verjährung jenes Anspruchs läuft daher in der Regel wesentlich früher an, als der Schaden des Geschäftsführers durch die haftungsrechtliche Inanspruchnahme gemäß §§ 69, 191, 219 AO eintritt. Diese Schutzlücke muss durch einen auf der drittschützenden Wirkung des Steuerberatungsvertrages mit der GmbH beruhenden eigenen Schadensersatzanspruch des als Haftungsschuldner herangezogenen Geschäftsführers geschlossen werden.
22
Für den steuerlichen Berater ist diese Rechtsfolge zumutbar. Sie bedeutet nicht immer eine gegenständliche Ausweitung seines gegenüber der Auftraggeberin ohnehin bestehenden Haftungsrisikos; denn GmbH und geschützter Geschäftsführer sind hinsichtlich ihres Schadens, für den sie der Finanzverwaltung gesamtschuldnerisch haften, im Beraterregress Gesamtgläubiger. Der tatsächliche Aufschub der Haftungsverjährung, der sich nach § 429 Abs. 3, § 425 Abs. 2 BGB infolge der Bekanntgabe des Haftungsbescheides ergibt, ist für den Steuerberater hinnehmbar. Wird die GmbH durch die Haftung ihres Geschäftsführers aber von einer eigenen unvermeidbaren Steuerschuld befreit und hat der Geschäftsführer infolgedessen gegen sie einen Ausgleichsanspruch gemäß § 44 Abs. 1 AO, § 426 BGB, so können die schadensersatzpflichten Berater deswegen entsprechend § 255 BGB Vorteilsausgleichung verlangen und die GmbH in Rückgriff nehmen.
23
3. Der Schadensersatzanspruch des Klägers als seinerzeitiger Geschäftsführer der steuerpflichtigen GmbH aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist nach den §§ 195, 199 Abs. 1 BGB nicht verjährt. Das abstrakte gesetzliche Schuldverhältnis der steuerlichen Geschäftsführerhaftung gemäß §§ 69, 37 Abs. 1 AO konkretisiert sich in der Regel in mehreren Schritten. Sind Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis der GmbH nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt, so verwirklicht sich das erste Merkmal des Haftungstatbestandes für den Geschäftsführer zwar schon dann, wenn die richtige Steuerfestsetzung gegen die GmbH nachgeholt wird. Anders als in dem Fall, in dem sogleich gegen den Geschäftsführer Haftungsbescheid ergeht, ist mit der Bekanntgabe des Steuerbescheids gegen die GmbH aber nur der Anfangsschritt auf dem Wege zur steuerlichen Geschäftsführerhaftung vollzogen. Das so begründete Haftungsrisiko kann sich, sofern - wie hier - § 219 Satz 1 AO anzuwenden ist, nur dann zu einem Schaden verdichten, wenn die GmbH als Steuerschuldnerin nach Auffassung des Finanzamtes nicht leistungsfähig ist. Die haftungsrechtliche Inanspruchnahme des Geschäftsführers ist ferner nach § 69 AO nur zulässig, wenn das Finanzamt als subjektiven Haftungstatbestand die vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung steuerlicher Geschäftsführerpflichten in Bezug auf die Steuerschuld der GmbH feststellt. Letztlich muss das Finanzamt zum Erlass eines Haftungsbescheides sein Entschließungsermessen aus § 191 Abs. 1 Satz 1 AO zu Lasten des Geschäftsführers ausüben. Diese Entwicklung von der Vermögensgefährdung zum Vermögensschaden des Geschäftsführers ist zunächst offen. Nach der vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu § 68 StBerG vertretenen Risiko-Schaden-Formel (grundlegend BGH, Urteil vom 2. Juli 1992 - IX ZR 268/91, BGHZ 119, 69, 73 f; vom 11. Mai 1995 - IX ZR 140/94, BGHZ 129, 386, 389 f; letzthin etwa Urteil vom 19. Mai 2009 - IX ZR 43/08, WM 2009, 1376 Rn. 27), die auf die Anspruchsentstehung im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB übertragbar ist, tritt daher der Schaden des Geschäftsführers erst ein, wenn das Finanzamt seinen auf die Haftung bezogenen Entscheidungsprozess mit dem Erlass des Haftungsbescheids abgeschlossen hat. Aus dem Beschluss des Senats vom 23. März 2011 (IX ZR 212/08 Rn. 16) ist entgegen dem nicht amtlichen Leitsatz der Kurzveröffentlichung in DStR 2011, 2114 (m. Anm. Meixner und Schröder) nichts anderes zu entnehmen. Die ergänzenden Ausführungen des Berufungsurteils über eine zeitweilige Hemmung dieser mit Bekanntgabe des Haftungsbescheids in Lauf gesetzten Verjährung treffen zu. Die Revisionserwiderung wendet sich dagegen auch nicht.

II.


24
Das Berufungsurteil ist infolge seiner Rechtsfehler aufzuheben, soweit ein ersatzfähiger Schaden des Klägers in Höhe der nach dem Einspruchsbescheid vom 27. Februar 2007 verbleibenden Beschwer in Betracht kommt. Solange der Kläger die noch nicht bestandskräftige Haftungsverbindlichkeit allerdings nicht beglichen hat, kann er Schadensersatz von den Beklagten nur in Form der Freihaltung beanspruchen. Die Zurückverweisung gibt ihm Gelegenheit , seinen bisherigen Zahlungsantrag - wenn notwendig - den Gegebenheiten anzupassen. Ausreichende Feststellungen zu allen haftungsbegründenden Streitpunkten fehlen bisher und waren nach dem Standpunkt der Tatsacheninstanzen auch nicht nötig. Sie sind nunmehr nachzuholen.
25
1. Aufgeklärt werden muss neben dem Mandatsumfang der beklagten Steuerberatersozietät der vollständige streiterhebliche Umsatzsteuersachverhalt , um beurteilen zu können, ob die mittelbar schadensursächlichen Umsatzsteuernachforderungen vermeidbar waren. Die Auffassung der Finanzverwaltung unterliegt im Regressprozess gegen den Steuerberater der vollen Überprüfung des ordentlichen Richters, soweit es für die Feststellung der Pflichtverletzung des Beraters, der haftungsausfüllenden Kausalität des Schadens und seine Zurechnung an den Steuerberater hierauf ankommt. Prüfbar sein muss insbesondere , ob der Haftungsvorwurf der Finanzverwaltung gegen den Kläger begründet ist. Dazu sind zunächst die tatsächlich eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen im Prüfungszeitraum und im Juni 2003 vorzulegen.
26
2. Die Verteidigung der Beklagten, der Kläger habe selbst Unterlagen über die Vorgänge zwischen der GmbH und der I. AG beschaffen können , ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht ohne weiteres erheb- lich. Die Beklagten müssen im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast vortragen , welche umsatzsteuererheblichen Unterlagen ihnen die GmbH zu welchem Zeitpunkt übermittelt hat, welche Lücken sie wann und wie beanstandet haben und welche Ergänzungen daraufhin die GmbH wann veranlasst oder unterlassen hat. Voraussetzung dafür ist, dass dem Kläger weiterhin die geschäftlichen Unterlagen der steuerpflichtigen GmbH für die maßgebliche Zeit nicht zugänglich sind und er darlegen kann, dass ihm eine Einsicht in die Umsatzsteuerakten der Finanzverwaltung trotz des Anfechtungsprozesses gegen den Haftungsbescheid weiterhin verwehrt wird. Unabhängig davon müssen die Beklagten vortragen, welche Umsatzsteuervoranmeldungen der GmbH von ihnen im Prüfungszeitraum entworfen und vom Kläger unterzeichnet worden sind und wie sie zu den im Prüfbericht des Finanzamts vom 18. Juni 2004 bezeichneten Punkten die GmbH beraten haben.
27
Im Einzelnen dargestellt werden muss ferner, wie es zu der allgemeinen Prüfungsfeststellung des Finanzamtes in seinem Bericht vom 18. Juni 2004 kommen konnte, dass weder die GmbH (dort Berichtsfirma) nach dem Prüfungsbeginn am 12. Juni 2003 noch die Beklagten (dort Steuerbüro) für Auskünfte zur Verfügung standen. Für die Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität ist sodann von Belang, welchen Einfluss dies auf die Sachverhaltsfeststellung der Finanzverwaltung gehabt hat, inwieweit diese unrichtig ist und wie sie von Seiten der Beklagten hätte rechtzeitig richtig gestellt werden können.
28
3. Nicht zuzurechnen ist den Beklagten ein Haftungsschaden des Klägers , der ohne ihr Zutun durch einen Fehler der Finanzverwaltung entstanden ist. Dem Kläger durfte von der Finanzverwaltung nicht zur Last gelegt werden, er habe die 2004 gegen die GmbH festgesetzten Umsatzsteuernachforderun- gen nicht beglichen. Als dies hätte geschehen müssen, war der Kläger als Geschäftsführer abberufen. Auf die erst am 10. September 2004 im Handelsregister vorgenommene Eintragung des Geschäftsführerwechsels kommt es zeitlich für die Inhaftungnahme nicht an (vgl. BFH/NV 1985, 20, 21 unter 1.; Klein/ Rüsken, AO 10. Aufl. § 34 Rn. 6). Es ist nicht eindeutig, ob das Finanzamt dies beachtet hat, weil der Einspruchsbescheid vom 27. Februar 2007 Seite 7 unten den hier maßgebenden Zeitraum nicht nennt.
29
4. Sollte sich das Berufungsgericht abermals mit der Hilfsbegründung der Klage aus abgetretenem Recht befassen müssen, wird es zu prüfen haben, ob der Kläger den abgetretenen Anspruch als Sicherungstreuhänder auch im Interesse der GmbH zu verwalten hatte. Gegen die Wirksamkeit der Abtretung sind unter dieser Voraussetzung keine Bedenken zu erheben.
30
Die Unbegründetheit der Klage aus dem abgetretenen Recht der GmbH ergibt sich im Wesentlichen allerdings deshalb, weil hinsichtlich der festgesetzten Steuern, Säumniszuschläge und Zinsen die Verjährungseinrede der Beklagten durchgreift. Der Schadensersatzanspruch der GmbH wäre infolge der Bekanntgabe der Steuerbescheide vom 29. Juli 2004 und 3. August 2004 vor dem 15. Dezember 2004 entstanden, so dass er gemäß Art. 229 § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, § 6 EGBGB noch nach § 68 StBerG verjährte. Diese Verjährung war bereits vor Eingang des Mahnantrages des Klägers am 3. Januar 2008 eingetreten. Für eine Sekundärverjährung ist nichts vorgetragen.
31
Ausgeschlossen hiervon sind möglicherweise die Umsatzsteuern für den Monat Juni 2003 in Höhe von 10.782 € nebst Säumniszuschlägen von 1.720 € (Seite 4 des Einspruchsbescheides vom 27. Februar 2007), auf welche sich die genannten Festsetzungen nicht erstreckten. Hierzu ist bisher allerdings schon nicht hinreichend greifbar, was die GmbH den Beklagten als Pflichtwidrigkeit zur Last legen kann. Zudem müsste geprüft werden, inwieweit die GmbH die Umsatzsteuern für den Monat Juni 2003 vermeiden konnte, so dass sich hier nicht nur die unabwendbare gesetzliche Steuerlast verwirklicht hat und der GmbH ein Schaden im Rechtssinne nicht entstanden ist.
Kayser Raebel Vill
Lohmann Pape

Vorinstanzen:
LG Bonn, Entscheidung vom 10.02.2010 - 15 O 314/08 -
OLG Köln, Entscheidung vom 21.10.2010 - 8 U 12/10 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I I ZR 3 6 6 / 1 3 Verkündet am:
23. Juni 2015
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Der Einzug von Forderungen, die an die Bank zur Sicherheit abgetreten waren,
auf einem debitorischen Konto der GmbH und die anschließende Verrechnung
mit dem Sollsaldo ist grundsätzlich keine vom Geschäftsführer einer GmbH veranlasste
masseschmälernde Zahlung im Sinn von § 64 GmbHG, wenn vor Insolvenzreife
die Sicherungsabtretung vereinbart und die Forderung der Gesellschaft
entstanden und werthaltig geworden ist.

b) Eine Zahlung kann auch ausscheiden, soweit infolge der Verminderung des Debetsaldos
durch die Einziehung und Verrechnung einer Forderung weitere sicherungsabgetretene
Forderungen frei werden.
BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 - II ZR 366/13 - OLG Düsseldorf
LG Kleve
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. März 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann und
den Richter Prof. Dr. Strohn, die Richterin Dr. Reichart, die Richter Dr. Drescher
und Born

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 16. Oktober 2013 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagte war Geschäftsführerin der S GmbH (im Folgenden: Schuldnerin), über deren Vermögen am 16. Juni 2009 auf Eigenantrag vom 11. Juni 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Kläger ist zum Insolvenzverwalter bestellt.
2
Die Schuldnerin unterhielt u.a. bei der Sparkasse N. ein Konto- korrentkonto mit einer Kreditlinie von 150.000 €. Durch Globalzessionsvertrag vom 11. Dezember 2003 trat die Schuldnerin der Sparkasse zur Sicherung aller Forderungen aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung sämtliche bestehenden und künftigen Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen gegen Dritte mit Ausnahme der Anfangsbuchstaben X und Y sicherungshalber ab.
3
Zwischen dem 2. Mai 2008 und dem 10. Juni 2008 wurden auf das Kontokorrentkonto der Schuldnerin, das durchgängig im Soll geführt wurde, Zahlungseingänge in Höhe von insgesamt 41.116,12 € gebucht, davon zwei Rück- lastschriften in Höhe von zusammen 1.067,24 €. Die Sparkasse hat nach einer insolvenzrechtlichen Anfechtung 9.979,74 € an den Kläger ausbezahlt.
4
Mit der Klage hat der Kläger von der Beklagten Zahlung von 30.069,14 € nach § 64 Abs. 2 GmbHG aF verlangt, die Summe der auf dem Kontokorrent- konto gebuchten Eingänge in Höhe von 41.116,12 € abzüglich der Rücklastschriften in Höhe von 1.067,24 € und der von der Sparkasse geleisteten 9.979,74 €.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klä- gers hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung von 30.069,14 € nebst Zinsen verurteilt und ihr vorbehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbetrages an die Masse ihre Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
7
I. Das Berufungsgericht (OLG Düsseldorf I-15 U 35/13, juris) hat ausgeführt , die Beklagte sei dem Kläger wegen Verletzung ihrer Massesicherungspflicht durch Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife der Schuldnerin gemäß § 64 Abs. 2 S.1 GmbHG aF zum Schadensersatz verpflichtet. Seit Ende März 2008 sei die Schuldnerin zahlungsunfähig und damit insolvenzreif gewesen.
8
Der vom Geschäftsführer einer insolvenzreifen GmbH veranlasste Einzug von Forderungen auf ein debitorisches Bankkonto der GmbH sei grundsätzlich als eine ihm zuzurechnende, gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. verbotene Zahlung zu qualifizieren, weil dadurch das Aktivvermögen der Gesellschaft zu Lasten ihrer Gläubigergesamtheit (und zum Vorteil der Bank) geschmälert werde. Der Geschäftsführer müsse in diesem Stadium, wenn er schon seiner Insolvenzantragspflicht gemäß § 64 Abs. 1 GmbH-Gesetz aF nicht rechtzeitig nachkomme , aufgrund seiner Masseerhaltungspflicht wenigstens dafür sorgen, dass entsprechende Zahlungen als Äquivalent für dadurch erfüllte Gesellschaftsforderungen der Masse zugutekämen. Die primär auf Masseerhaltung zielende Sorgfaltspflicht des Geschäftsführers gebiete es, in einer derartigen Situation ein neues, kreditorisch geführtes Konto bei einer anderen Bank zu eröffnen und den aktuellen Gesellschaftsschuldnern die geänderte Bankverbindung unverzüglich bekannt zu geben. Die Beklagte habe ein solches Konto nicht eröffnet und hafte deshalb auf Schadensersatz.
9
An dieser Rechtsfolge vermöge der Umstand nichts zu ändern, dass die Einzahlungen auf das debitorisch geführte Konto der Schuldnerin bei der Sparkasse im Rahmen einer bereits am 11. Dezember 2003 erfolgten Globalabtre- tung aller der Schuldnerin gegenwärtig und zukünftig zustehenden Forderungen an die Bank erfolgt seien. Ob zugelassene Gutschriften auf einem debitorischen Konto für den Geschäftsführer einer insolvenzreifen GmbH im Falle einer Globalzession ausnahmsweise unschädlich seien, könne offengelassen werden, weil die Sparkasse bei Eingang der Zahlungen auf das bei ihr debitorisch geführte Konto und deren Verrechnung mit ihren Kontokorrentforderungen im Sinne des § 130 Abs. 2 InsO Kenntnis von den Umständen gehabt habe, die auf eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zumindest ab Mai 2008 schließen ließen, und damit jedenfalls der Tatbestand einer (weitergehenden) Insolvenzanfechtung nach Maßgabe des § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO gegeben wäre. Die Sparkasse habe kein anfechtungsfestes Absonderungsrecht (§ 51 Nr. 1 InsO) erworben. Sie habe anlässlich eines Bankgesprächs im März 2008 aus einem Kurzgutachten gewusst, dass die Schuldnerin bereits zu diesem Zeitpunkt faktisch infolge Zahlungsunfähigkeit insolvenzreif gewesen sei, weil die Kontokorrentkredite ausgelastet gewesen seien, die bestehenden Liquiditätsengpässe aus den Einkünften aus dem operativen Geschäft kurzfristig nicht hätten beseitigt werden können und die Sparkasse ihrerseits zu einer Ausweitung der Kreditlinie oder Umschuldung der Kreditvolumina nicht bereit gewesen sei.
10
II. Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
11
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Einzug von Forderungen einer insolvenzreifen GmbH auf ein debitorisches Konto grundsätzlich eine masseschmälernde Zahlung im Sinn von § 64 Abs. 2 GmbHG aF (§ 64 Satz 1 GmbHG nF) ist, weil dadurch das Aktivvermögen der Gesellschaft zu Gunsten der Bank geschmälert wird (BGH, Urteil vom 3. Juni 2014 - II ZR 100/13, ZIP 2014, 1523 Rn. 16; Urteil vom 26. März 2007 - II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 Rn. 12; Urteil vom 29. November 1999 - II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 187 f.). Der auf das debitorische Konto eingezahlte Betrag wird aufgrund der Kontokorrentabrede mit dem Sollsaldo bzw. mit dem Kreditrückzahlungsanspruch der Bank verrechnet und damit mit Gesellschaftsmitteln an einen Gläubiger, hier die Bank, gezahlt. Insoweit liegt der Fall im Ergebnis nicht anders als wenn die GmbH mit Barmitteln, die von einem ihrer Schuldner in ihre Kasse gelangt sind, einen Gläubiger durch Barzahlung befriedigt.
12
2. Der Einzug von Forderungen, die an die Bank zur Sicherheit abgetreten waren, auf einem debitorischen Konto der GmbH und die anschließende Verrechnung mit dem Sollsaldo stellen aber keine vom Geschäftsführer einer GmbH veranlasste masseschmälernde Zahlung im Sinn von § 64 Abs. 2 GmbHG aF (§ 64 Satz 1 GmbHG nF) dar, wenn vor Insolvenzreife die Sicherungsabtretung vereinbart und die Forderung der Gesellschaft entstanden und werthaltig geworden ist.
13
a) Der Einzug von Forderungen auf einem debitorischen Konto, die an die Bank zur Sicherheit abgetreten waren, ist grundsätzlich keine vom Geschäftsführer einer GmbH veranlasste masseschmälernde Zahlung im Sinn von § 64 Abs. 2 GmbHG aF (§ 64 Satz 1 GmbHG n.F.). § 64 Abs. 2 GmbHG aF meint mit „Zahlung“ eine Leistung der Schuldnerin, durch welche die den Gläu- bigern zur Verfügung stehende Vermögensmasse geschmälert wird. Soweit durch einen Vorgang die den Gläubigern zur Verwertung zur Verfügung stehende Masse nicht geschmälert wird, liegt keine Zahlung vor. § 64 Abs. 2 GmbHG aF soll wie die Parallelvorschrift § 130a Abs. 1 HGB im Interesse einer Gleichbehandlung der Gläubiger lediglich eine Schmälerung der Masse nach Eintritt der Insolvenzreife ausgleichen (st. Rspr., BGH, Urteil vom 18. November 2014 - II ZR 231/13, ZIP 2015, 71 Rn. 9, z.V.b. in BGHZ mwN).
14
Die Verrechnung des infolge der Einzahlung auf dem Konto gutgeschriebenen Betrags schmälert die Masse nicht, weil die zur Sicherheit an die Bank abgetretene und eingezogene Forderung den Gläubigern nicht zur Verwertung zur Verfügung steht und der Geschäftsführer die Verwertung zugunsten der Bank als ordentlicher Geschäftsmann nicht verhindern muss.
15
aa) Sicherungsabgetretene Forderungen eines Schuldners zählen zwar zur Insolvenzmasse im Sinn von § 35 InsO, die der Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterliegen. Sie stehen aber nicht als freie Masse den Gläubigern zur gleichmäßigen Befriedigung zur Verfügung, sondern nur dem Zessionar. Der Zessionar hat ein Absonderungsrecht (§ 51 Nr. 1 InsO). Auch der Insolvenzverwalter muss nach einer Verwertung den absonderungsberechtigten Gläubiger befriedigen (§ 170 Abs. 1 Satz 2 InsO). Dass die Kosten der Feststellung und der Verwertung vorweg zu entnehmen sind (§ 170 Abs. 1 Satz 1 InsO), führt nicht zu einer Teilverwertung zugunsten aller Gläubiger, weil damit nur die durch die Verwertung verursachten Kosten gedeckt werden sollen.
16
bb) Der Geschäftsführer einer GmbH muss die sicherungsabgetretene Forderung auch nicht durch Einziehung auf ein neu eröffnetes, kreditorisch geführtes Konto bei einer anderen Bank der Einziehung und Verrechnung auf dem debitorischen Konto entziehen (vgl. Strohn, NZG 2011, 1161, 1166). Besteht keine Globalzession zugunsten der Bank, muss der Geschäftsführer einer GmbH nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings dafür Sorge tragen, dass Schuldner nicht auf ein debitorisches Bankkonto einzahlen, und obliegt es ihm, eine Zahlung im Sinn von § 64 Abs. 2 GmbHG aF an die Bank etwa durch Eröffnung eines kreditorisch geführten Bankkontos oder Vereinbarung von Barzahlung zu vermeiden (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2007 - II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 Rn. 12; Urteil vom 29. November 1999 - II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 188).
17
Ist die Forderung im Rahmen einer Globalzession an die Bank abgetreten , kann der Geschäftsführer die Zahlung zugunsten der Bank zwar ebenfalls durch Vereinbarung einer Barzahlung oder Eröffnung eines Kontos bei einer anderen Bank und Umleitung der Zahlung auf dieses Konto verhindern. Durch Umleitung der Zahlung des jeweiligen Kunden auf die sicherungszedierte Forderung auf ein Konto bei einer anderen Bank wäre die Forderung der Schuldnerin auch mit Wirkung gegenüber der Zessionarin erloschen, zugleich das an der Forderung bestehende Absonderungsrecht. Die Sicherungsnehmerin hätte kein Ersatzabsonderungsrecht entsprechend § 48 InsO erworben, da der Einzug aufgrund der Einzugsermächtigung berechtigt gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2006 - IX ZR 185/04, ZIP 2006, 1009 Rn. 17 f. mwN; Urteil vom 12. Februar 2015 - IX ZR 180/12, ZIP 2015, 585 Rn. 12 f.). Die Schuldnerin war nach 9.1. der Globalabtretungsvereinbarung zur Einziehung im ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebe berechtigt, wie dies regelmäßig bei der Sicherungszession vereinbart wird. Unberechtigt kann der Forderungseinzug auf anderem Wege zwar sein, wenn das Konto bei der Zessionarin als Zielkonto vereinbart ist (vgl. MünchKomm InsO/Ganter, 3. Aufl., Vorbemerkungen vor §§ 49 bis 52 Rn. 171 und 173a); eine solche Vereinbarung über einen Forderungseinzug nur auf das Konto der Bank enthält die Globalabtretungsvereinbarung aber nicht.
18
Die Umleitung der Zahlungen auf ein anderes Konto entspräche aber nicht einem ordentlichen Geschäftsgebaren. Wenn der Gegenwert der abgetretenen Forderung nicht bei der Zessionarin, sondern unmittelbar beim Zedenten eingeht, ist die Schuldnerin meist jedenfalls auf Verlangen der Bank zur Weiterleitung verpflichtet, wie hier auch in 9.2. der Globalabtretungsvereinbarung vorgesehen ist. Die Weiterleitung ist dem Geschäftsführer nicht nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG aF/§ 64 Satz 2 GmbHG nF verboten, weil bereits die Einziehung mit der Verpflichtung zur Weiterleitung verbunden ist und er insoweit jedenfalls mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns handelt (vgl. auch BGH, Urteil vom 5. Mai 2008 - II ZR 38/07, ZIP 2008, 1229 Rn. 12 ff.). Da die eingezogene Forderung infolge der Sicherungsabtretung nicht mehr als freie Masse den Gläubigern zur gleichmäßigen Befriedigung zur Verfügung stand, verlangt auch der Zweck des Zahlungsverbots, die vorhandene Masse zu sichern , nicht, die Zahlung einzubehalten. Die Masse würde durch den Einzug von sicherungsabgetretenen Forderungen ohne Weiterleitung nicht nur erhalten , sondern vergrößert.
19
b) Eine masseschmälernde Leistung durch die Zahlung liegt aber vor, wenn die zur Sicherheit abgetretene Forderung erst nach Eintritt der Insolvenzreife entstanden ist oder zwar vor Eintritt der Insolvenzreife entstanden, aber erst danach werthaltig geworden ist und der Geschäftsführer dies verhindern konnte. Der Geschäftsführer kann zwar nach Insolvenzreife nicht verhindern, dass der Zessionar die ihm zur Sicherheit abgetretene Forderung verwertet. Er darf aber nicht bewirken, dass der Zessionar zu Lasten der Masse nach Insolvenzreife noch eine werthaltige Forderung erwirbt, § 64 Abs. 2 GmbHG aF.
20
aa) Die Bewirkung einer masseschmälernden Leistung kann bereits darin liegen, dass die Gesellschaft eine Forderung an einen ihrer Gläubiger abtritt und so die Forderung aus ihrem Vermögen absondert. Eine Sicherungszession, die erst nach Eintritt der Insolvenzreife vereinbart wird, steht daher einer Bewertung der dadurch verursachten Einziehungen von Forderungen auf ein debitorisches Konto als masseschmälernde Leistung nicht entgegen. Die Masseschmälerung tritt endgültig zwar erst mit dem Einzug der Forderung zugunsten des Zessionars ein, wenn der Schuldner zahlt und der Zessionar die Zahlung verrechnet. Die Verkürzung der Masse ist aber bereits unwiderruflich mit der Abtretung veranlasst. Die masseschmälernde Leistung durch den Geschäftsführer liegt in diesem Fall bereits in der Abtretungsvereinbarung, für die der Geschäftsführer danach gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG aF haftet, wenn die Forderung später zugunsten des Gläubigers eingezogen wird.
21
bb) Eine masseschmälernde Leistung wird dem entsprechend auch an die Bank als Zessionar bewirkt, wenn die Sicherungsabtretung zwar bereits vor Insolvenzreife vereinbart worden ist, die Forderung aber erst nach Insolvenzreife entsteht oder werthaltig gemacht wird.
22
Im Falle der Abtretung einer künftigen Forderung ist der Verfügungstatbestand mit dem Zustandekommen des Abtretungsvertrages abgeschlossen. Der Rechtsübergang auf den Gläubiger vollzieht sich jedoch erst mit dem Entstehen der Forderung (BGH, Urteil vom 19. September 1983 - II ZR 12/83, BGHZ 88, 205, 206; Urteil vom 20. September 2012 - IX ZR 208/11, ZIP 2012, 2358 Rn. 13). Wenn - wie hier - die Abtretung bereits vor der Insolvenzreife für künftige Forderungen vereinbart ist, liegt die Ursache für die Masseschmälerung nicht in der Abtretungsvereinbarung, sondern darin, dass die sicherungsabgetretene Forderung nicht mehr zugunsten des Vermögens der GmbH, sondern zugunsten des Zessionars entsteht. Wenn der Geschäftsführer der GmbH die Zession - etwa durch die Kündigung des Kontokorrentvertrages - oder das Entstehen der Forderung nach Eintritt der Insolvenzreife verhindern kann, liegt daher im Ergebnis eine von ihm veranlasste Leistung an die Bank vor, wenn die Forderung nach der Sicherungsabtretung an die Bank entsteht und von ihr verwertet wird. Das betrifft vor allem Verträge, die die Schuldnerin nach Eintritt der Insolvenzreife eingeht und bei denen der Anspruch auf die Gegenleistung für eine Leistung der Schuldnerin aufgrund der Sicherungsabtretung der Bank zusteht.
23
Das gleiche gilt, wenn der Anspruch auf die Gegenleistung rechtlich zwar bereits entstanden ist, zulasten des Vermögens der Schuldnerin aber erst nach Eintritt der Insolvenzreife werthaltig gemacht wird, etwa indem die Schuldnerin die von ihr vertraglich zugesagte Leistung erbringt. Die Masseschmälerung liegt in diesen Fällen darin, dass die abgetretene Forderung zugunsten des Gläubigers werthaltig gemacht worden ist. Die Wertschöpfung geschieht dann zu Lasten der Gläubigergesamtheit bzw. der Masse und zugunsten des gesicherten Gläubigers (vgl. zur Werthaltigmachung bei der Insolvenzanfechtung BGH, Urteil vom 29. November 2007 - IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 Rn. 36).
24
Dass der Geschäftsführer durch das „Zahlungsverbot“ des § 64 Abs. 2 GmbHG aF daran gehindert wird, das Unternehmen nach Insolvenzreife fortzuführen , ist ein Reflex dieser Vorschrift. § 64 Abs. 2 GmbHG aF soll in erster Linie im Interesse einer Gleichbehandlung der Gläubiger eine Schmälerung der Masse nach Eintritt der Insolvenzreife ausgleichen (st. Rspr., BGH, Urteil vom 18. November 2014 - II ZR 231/13, ZIP 2015, 71 Rn. 9, z.V.b. in BGHZ mwN; Beschluss vom 2. Dezember 2014 - II ZR 119/14, ZIP 2015, 68 Rn. 8). Damit wird der Geschäftsführer angehalten, nach Insolvenzreife die Masse zur Verwertung durch die Gläubiger zu erhalten (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2001 - II ZR 88/99, BGHZ 146, 264, 275). Das verbietet es ihm, das Unternehmen auf Kosten und Gefahr der Gläubigergesamtheit mit dem Risiko weiterer Masseminderungen fortzuführen. Soweit ausnahmsweise eine konkrete Chance auf Sanierung und Fortführung im Insolvenzverfahren zunichte gemacht werden würde, wenn der Betrieb ohne Begründung neuer Forderungen oder ihrer Werthaltigmachung eingestellt werden müsste, können Zahlungen zur Vermeidung noch größerer Nachteile mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sein und damit das Verschulden entfallen lassen (§ 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG aF; vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2001 - II ZR 88/99, BGHZ 146, 264, 274 f.; Beschluss vom 5. November 2007 - II ZR 262/06, ZIP 2008, 72 Rn. 6).
25
3. Eine Zahlung kann zwar auch ausscheiden, soweit infolge der Verminderung des Debetsaldos durch die Einziehung und Verrechnung einer Forderung weitere sicherungsabgetretene Forderungen frei geworden sind. Auf das Freiwerden von Sicherheiten hat sich die Beklagte aber nicht berufen.
26
Wenn eine Zahlung an einen absonderungsberechtigten, durch eine Gesellschaftssicherheit besicherten Gläubiger geleistet wird, liegt ein Aktiventausch vor, soweit infolge der Zahlung die Gesellschaftssicherheit frei wird und der Verwertung zugunsten aller Gläubiger zur Verfügung steht. Bei einem solchen Aktiventausch entfällt im wirtschaftlichen Ergebnis eine masseschädliche Zahlung (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 2014 - II ZR 231/13, ZIP 2015, 71 Rn. 9, z.V.b. in BGHZ mwN). Wenn die Sicherheit in der Abtretung von Forderungen besteht, bewirkt eine Zahlung an den Zessionar einen solchen Aktiventausch , soweit infolge dieses Vorgangs sicherungsabgetretene werthaltige Forderungen frei werden und in das zur gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger bestimmte Vermögen der Gesellschaft gelangen (vgl. auch zum umgekehrten Fall BGH, Urteil vom 25. Januar 2011 - II ZR 196/09, ZIP 2011, 422 Rn. 26). Dafür, dass infolge der Einzahlungen auf das debitorisch geführte Konto von der Globalzession erfasste Forderungen der Schuldnerin frei geworden wären, bestehen keine Anhaltspunkte.
27
4. Soweit danach infolge des Bestehens eines Absonderungsrechts der Bank im Einzug der Forderungen auf das debitorisch geführte Konto keine masseschmälernde Leistung liegt, ändert sich am Fehlen eines Anspruchs nach § 64 Abs. 2 GmbHG aF entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nichts, wenn die Bank kein anfechtungsfestes Absonderungsrecht erworben hat.
28
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Verrechnung auf dem Konto nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig, wenn die Bank die Möglichkeit zu der Verrechnung anfechtbar erworben hat. Bei der Einziehung einer Forderung auf ein Bankkonto, die von einer Globalzession zugunsten der Bank erfasst wird, ist die erforderliche objektive Gläubigerbenachteiligung gegeben , wenn die Bank an vor dem Eingang des Eröffnungsantrags entstandenen oder werthaltig gewordenen Forderungen kein anfechtungsfestes Absonderungsrecht erworben hat (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 2007 - IX ZR 30/07, BGHZ 174, 297 Rn. 13). Der anfechtbare Erwerb der Verrechnungslage hat zur Folge, dass eine vor Insolvenzeröffnung erfolgte Verrechnung des Sollsaldos mit dem gutzuschreibenden Betrag nach § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO mit der Verfahrenseröffnung insolvenzrechtlich unwirksam ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003 - IX ZR 28/03, ZIP 2003, 2370, 2371; Urteil vom 22. Juli 2004 - IX ZR 270/03, ZIP 2004, 1912, 1913; Beschluss vom 2. Juni 2005 - IX ZB 235/04, ZIP 2005, 1334, 1335; Urteil vom 28. September 2006 - IX ZR 136/05, BGHZ 169, 158 Rn. 11; Urteil vom 14. Februar 2013 - IX ZR 94/12, ZIP 2013, 588 Rn. 8). Der Insolvenzverwalter kann den Hauptanspruch - den aus der Gutschrift folgenden Herausgabeanspruch nach § 667 BGB gegen die Bank - geltend machen und den Aufrechnungs- oder Verrechnungseinwand mit der Gegeneinrede der Anfechtbarkeit abwehren (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2004 - IX ZR 195/03, BGHZ 159, 388, 393; Urteil vom 28. September 2006 - IX ZR 136/05, BGHZ 169, 158 Rn. 16; Urteil vom 14. Februar 2013 - IX ZR 94/12, ZIP 2013, 588 Rn. 8).
29
b) Dass der Insolvenzverwalter aufgrund der Anfechtbarkeit des Absonderungsrechts den Hauptanspruch auf Auskehr des erlangten Betrags gegen die Bank so geltend machen kann, als sei keine Verrechnung erfolgt, führt aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zum rückwirkenden Entstehen eines Anspruchs nach § 64 Abs. 2 GmbHG aF. Ein Vorgang, der keine masseschmälernde Zahlung ist, kann nicht nachträglich durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu einer masseschmälernden Zahlung werden, und aus einem entschuldigten Verhalten (§ 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG aF) kann kein schuldhaftes Verhalten werden. Der Anspruch nach § 64 Abs. 2 GmbHG aF setzt im Gegensatz zur Insolvenzanfechtung nicht eine Insolvenzeröffnung, sondern nur Insolvenzreife voraus (vgl. BGH, Urteil vom 11. September 2000 - II ZR 370/99, ZIP 2000, 1896, 1897 f.; Beschluss vom 23. September 2010 - IX ZB 204/09, ZIP 2010, 2107 Rn. 13 ff.; Beschluss vom 2. Dezember 2014 - II ZR 119/14, ZIP 2015, 68 Rn. 8).
30
c) Im Übrigen würde die erfolgreiche Geltendmachung des Herausgabeanspruchs durch den Insolvenzverwalter gegen die Bank dazu führen, dass ein gegebenenfalls zuvor bestehender Anspruch nach § 64 Abs. 2 GmbHG aF entfällt. Der Erstattungsanspruch gegen das Organ entfällt, wenn es dem Insolvenzverwalter gelingt, durch eine Insolvenzanfechtung eine Rückerstattung der Zahlung zu erreichen und so die Masseschmälerung wettzumachen (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1995 - II ZR 277/94, BGHZ 131, 325, 327; Urteil vom 3. Juni 2014 - II ZR 100/13, ZIP 2014, 1523 Rn. 14; Urteil vom 18. November 2014 - II ZR 231/13, ZIP 2015, 71 Rn. 9 z.V.b. in BGHZ). Soweit der Kläger Anfechtungserlöse erzielt hat, hat er sie auch von der errechneten Forderung in Abzug gebracht.
31
5. Soweit nach dem Vorstehenden trotz der Globalzession die Zahlungen auf das debitorische Konto zu einer Masseschmälerung geführt haben können, entfällt der Ersatzanspruch entgegen der Rechtsauffassung der Revision nicht schon dadurch teilweise, dass die Bank nach den Zahlungseingängen Verfügungen über das Konto zugelassen hat und zulasten des Kontos Zahlungen an Gläubiger der Gesellschaft geleistet wurden.
32
Wenn mit der Zahlung auf das debitorische Konto zugleich ermöglicht wird, andere Gläubiger mit den Mitteln dieses debitorischen Kontos zu befriedigen , ändert das nichts daran, dass die auf das debitorische Konto gelangte Zahlung am Ende in der Masse fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1999 - II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 187 f.; Urteil vom 3. Juni 2014 - II ZR 100/13, ZIP 2014, 1523 Rn. 17). Die Masseschmälerung durch die Verrechnung wird nicht durch einen Massezufluss ausgeglichen. Die Möglichkeit, aufgrund der Einzahlungen auf dem Konto einen zuvor ausgeschöpften Kreditrahmen in Anspruch zu nehmen, bewirkt noch keinen Zufluss von Vermögensmitteln (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 2014 - II ZR 231/13, ZIP 2015, 71 Rn. 16 f. z.V.b. in BGHZ). Wird die Kreditlinie später dadurch in Anspruch genommen, dass an Gläubiger der Gesellschaft Zahlungen geleistet werden, liegt ein Gläubigertausch , aber kein Massezufluss vor (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juni 2014 - II ZR 100/13, ZIP 2014, 1523 Rn. 15). Wenn aus einem debitorisch geführten Bankkonto eine Gesellschaftsschuld beglichen wird, wird lediglich der befriedigte Gläubiger durch die Bank als Gläubigerin ersetzt. An die Stelle der mit Kreditmitteln erfüllten Forderungen des Gesellschaftsgläubigers tritt eine entsprechend höhere Gesellschaftsverbindlichkeit gegenüber der Bank. Die verteilungsfähige Vermögensmasse wird davon grundsätzlich nicht berührt (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1999 - II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 187 f.; Urteil vom 26. März 2007 - II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 Rn. 8). Nur wenn die Bank über freie Sicherheiten verfügt, die sie zu einer abgesonderten Befriedigung nach §§ 50 f. InsO berechtigen, wird die Masse vermindert (BGH, Urteil vom 25. Januar 2011 - II ZR 196/09, ZIP 2011, 422 Rn. 26).
33
Zu einem Ausgleich für die vorangegangene Masseschmälerung durch die Einzahlung auf das debitorische Konto kommt es dagegen, wenn die Mittel nicht für Zahlungen an einzelne Gläubiger verwendet werden, sondern für die Masse gesichert werden, etwa durch Abhebung zugunsten der Barkasse oder Überweisung auf ein kreditorisch geführtes Konto der Gesellschaft. Dann fehlt der in der Zahlung auf das debitorische Konto liegende Vermögenszufluss der Masse im wirtschaftlichen Endergebnis nicht. Das gleiche gilt, wenn die eröffnete Kreditlinie zwar zur Zahlung an einen (Neu)-Gläubiger verwendet wird, damit aber im Gegenzug ein werthaltiger Gegenstand in die Masse gelangt, etwa durch einen mit den Kreditmitteln finanzierten Kauf. Wenn ein solcher Massezufluss mit dem Zahlungseingang auf dem debitorischen Konto noch in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang steht, kann der Ersatzanspruch wegen eines Aktiventausches entfallen (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 2014 - II ZR 231/13, ZIP 2015, 71 Rn. 9 z.V.b. in BGHZ). Wenn im unmittelbaren Zusammenhang mit der Zahlung auf ein debitorisches Konto aus der neu eröffneten Kreditlinie ein werthaltiger Gegenstand für die Masse erworben wird, fehlt der mit der Zahlung verbundene Vermögenszufluss der Masse am Ende des Vorgangs ebensowenig wie bei dem Erwerb des Gegenstands mit Mitteln, die ein Gesellschaftsschuldner zuvor bar in die Gesellschaftskasse eingezahlt hat.
34
III. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen , weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist. Das Berufungsgericht muss nach ergänzendem Vortrag der Parteien die erforderlichen Feststellungen zu den Zahlungseingängen treffen. Da Zahlungseingänge auf dem debitorischen Konto grundsätzlich als masseschmälernde Zahlungen anzusehen sind, liegt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die eingezogenen Forderungen von der Globalzession erfasst sind und vor Insolvenzreife entstanden sind bzw. werthaltig wurden, bei der beklagten Geschäftsführerin.
Bergmann Strohn Reichart Drescher Born
Vorinstanzen:
LG Kleve, Entscheidung vom 21.12.2012 - 8 O 42/12 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 16.10.2013 - I-15 U 35/13 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 204/12
Verkündet am:
6. Juni 2013
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Erklärt der vertraglich lediglich mit der Erstellung der Steuerbilanz betraute Steuerberater
, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung nicht vorliege, haftet er der Gesellschaft
wegen der Folgen der dadurch bedingten verspäteten Insolvenzantragstellung.
BGB § 249 A, Bb, Ha, Hd; ZPO § 287
Der durch eine verspätete Insolvenzantragstellung verursachte Schaden der Gesellschaft
bemisst sich nach der Differenz zwischen ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt
rechtzeitiger Antragstellung im Vergleich zu ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt des
tatsächlich gestellten Antrags.
Wird der Insolvenzantrag einer GmbH infolge einer fehlerhaften Abschlussprüfung
verspätet gestellt, trifft die Gesellschaft mit Rücksicht auf ihre Selbstprüfungspflicht in
der Regel ein Mitverschulden an dem dadurch bedingten Insolvenzverschleppungsschaden.
BGH, Urteil vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12 - OLG Köln
LG Köln
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Juni 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter
Prof. Dr. Gehrlein, Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Fischer

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 19. Juli 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 20. März 2007 über das Vermögen der A. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) am 1. Juni 2007 eröffneten Insolvenzverfahren.
2
Die in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführte Beklagte zu 1 war die Steuerberaterin der Schuldnerin; der Beklagte zu 2 war bis zu seinem Ausscheiden am 4. März 2009 Gesellschafter der Beklagten zu 1 und mit der Betreuung der Schuldnerin befasst. Die Beklagte zu 1 erstellte am 29. August 2005 den Jahresabschluss der Schuldnerin für den 31. Dezember 2004. In dem Bilanzbericht ist ausgeführt, dass zum Bilanzstichtag ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag von 46.541,38 € bestehe, es sich dabei aber nur um eine "Überschuldung rein bilanzieller Natur" handele, weil für Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 48.278,68 € Rangrücktrittserklärungen vorlägen und der Gesellschaft aufgrund des hohen Anteils an Stammkunden ein hoher Firmenwert innewohne.
3
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatzleistung in Anspruch , weil sie pflichtwidrig die zum 31. Dezember 2004 bei der Schuldnerin gegebene insolvenzrechtliche Überschuldung nicht erkannt hätten und die Schuldnerin mangels der gebotenen Antragstellung weitere Verbindlichkeiten in Höhe von 264.938,88 € eingegangen sei. Die Vorinstanzen haben die - unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 30 vom Hundert - auf Zahlung von 187.457,21 € gerichtete Klage abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

4
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es könne offenbleiben, ob die Beklagten den Geschäftsführer der Schuldnerin pflichtwidrig nicht hinreichend über eine tatsächlich bestehende insolvenzrechtliche Überschuldung aufgeklärt hätten. Jedenfalls fehle es an der Kausalität zwischen der behaupteten Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Schuldnerin bei pflichtgemäßer Beratung bereits zu einem früheren Zeitpunkt einen Insolvenzantrag gestellt hätte. Die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens erfordere tatsächliche Feststellungen, dass im Falle sachgerechter Aufklärung eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegen hätte. Neben der Stellung eines Insolvenzantrages sei im Streitfall ernsthaft in Betracht gekommen, die fehlenden Kapitalmittel durch Erwirken von qualifizierten Rangrücktrittserklärungen sowie durch die Aufnahme von weiteren Darlehen aufzubringen. Auch mit Rücksicht auf den Maßstab des § 287 ZPO fehle es an hinreichendem Vortrag, dass sich der Geschäftsführer der Schuldnerin bereits im August 2005 zur Stellung eines Insolvenzantrags entschlossen hätte.
6
Ferner sei nicht hinreichend dargelegt, dass das Anwachsen der Überschuldung infolge der Fortführung des Unternehmens einen durch die behauptete Pflichtverletzung zurechenbar entstandenen Schaden begründe. Insoweit genüge nicht der Vortrag, dass die Überschuldung infolge der Fortführung des Unternehmens in einen bestimmten Umfang angewachsen sei. Die Pflicht, den Mandanten über die Bedeutung einer bilanziellen Überschuldung zu belehren, diene nicht dazu, den Vertragspartner von jedweden Risiken freizustellen, die sich aus der Fortführung des Unternehmens ergeben könnten. Vielmehr bedürfe es einer näheren Darlegung, welche rechtsgeschäftlichen und unternehmerischen Entscheidungen im Einzelnen dem behaupteten Anwachsen der Überschuldung zugrunde lägen, um prüfen zu können, ob das Eingehen von Verbindlichkeiten , denen in der Regel eine Gegenleistung gegenüberstehe, einen dem Berater zurechenbaren Schaden darstelle. Insoweit komme es darauf an, ob infolge der Fehlberatung naheliegende unternehmerische Entscheidungen getroffen worden seien oder die weitere Geschäftsentwicklung auf von vorneherein nach kaufmännischen Grundsätzen nicht zu rechtfertigenden unterneh- merischen Entscheidungen beruhe. Trotz eines gerichtlichen Hinweises habe der Kläger sein Vorbringen hierzu nicht konkretisiert.

II.


7
Diese Ausführungen halten in wesentlichen Punkten rechtlicher Prüfung nicht stand.
8
1. Die Prozessführungsbefugnis des Klägers begegnet entgegen den Rügen der Beklagten keinen Bedenken.
9
Der Insolvenzverwalter ist gemäß § 208 Abs. 3 InsO auch nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit zur Verwaltung und Verwertung der Masse verpflichtet. Das Amt des Insolvenzverwalters bleibt folglich nach Abgabe der Erklärung einschließlich der Verwertungs- und Befriedigungsaufgabe uneingeschränkt bestehen (MünchKomm-InsO/Hefermehl, 2. Aufl., § 208 Rn. 43). Darum hat der Insolvenzverwalter nach Eintritt der Masseunzulänglichkeit erfolgversprechende Aktivprozesse, für deren Durchführung er die Gewährung von Prozesskostenhilfe beanspruchen kann (BGH, Beschluss vom 28. Februar 2008 - IX ZB 147/07, WM 2008, 880 Rn. 6 ff), im Interesse der Massemehrung einzuleiten und durchzuführen (OLG Celle, ZInsO 2004, 93; HK-InsO/Landfermann, 6. Aufl., § 208 Rn. 15; MünchKomm-InsO/Hefermehl, aaO § 208 Rn. 50). Obsiegt der Beklagte, muss er es hinnehmen, dass etwaige Kostenerstattungsansprüche unbefriedigt bleiben. Grund dafür ist, dass die Deckung der eigenen Prozesskosten durch den unterlegenen Gegner zu den allgemeinen Prozessrisiken einer obsiegenden Partei gehört (BGH, Urteil vom 26. Juni 2001 - IX ZR 209/98, BGHZ 148, 175, 179).
10
2. Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Kläger habe einen Zurechnungszusammenhang zwischen einer Pflichtverletzung der Beklagten und dem eingetretenen Schaden nicht nachgewiesen, lässt entscheidungserhebliches, beweisbewehrtes Klagevorbringen unter Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG, § 286 ZPO unberücksichtigt.
11
a) Gegen die Beklagten bestehen vertragliche Ansprüche, wenn sie - wovon nach dem revisionsrechtlich zugrundezulegenden Sachverhalt auszugehen ist - pflichtwidrig eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Schuldnerin nicht festgestellt haben.
12
aa) Grundsätzlich ist es nicht Aufgabe des mit der allgemeinen steuerlichen Beratung der GmbH beauftragten Beraters, die Gesellschaft bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass es die Pflicht des Geschäftsführers ist, eine Überprüfung vorzunehmen oder in Auftrag zu geben, ob Insolvenzreife eingetreten ist und gegebenenfalls gemäß § 15a InsO Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt werden muss. Hingegen besteht eine haftungsrechtliche Verantwortung, wenn dem steuerlichen Berater ein ausdrücklicher Auftrag zur Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens erteilt wird (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, DB 2013, 928 Rn. 15, 19). In dieser Weise ist der Streitfall gelagert.
13
bb) Soweit die Beklagte zu 1 als allgemeine steuerliche Beraterin den eine bilanzielle Überschuldung der Schuldnerin ausweisenden Jahresabschluss gefertigt hat, kann aus etwaigen insolvenzrechtlichen Fehlleistungen eine Haftung allerdings nicht hergeleitet werden. Die Beklagte zu 1 hat jedoch nicht lediglich eine Handelsbilanz erstellt, sondern darüber hinaus unter Bezug auf Rangrücktrittsvereinbarungen und den Firmenwert durch die weitergehende Bemerkung, dass es sich um eine "Überschuldung rein bilanzieller Natur" handele , eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Schuldnerin ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 1954 - II ZR 322/53, BGHZ 16, 17, 24 ff). In dem Hinweis auf eine rein bilanzielle Überschuldung findet die Bewertung unmissverständlichen Ausdruck, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung gerade nicht vorliegt. Der Hinweis auf die Rangrücktrittsvereinbarungen und den Firmenwert offenbart, dass die Beklagte zu 1 eine über die steuerliche Bilanzierung hinausgehende Leistung erbracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, DB 2013, 928 Rn. 18). Aufgrund der wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung der Angelegenheit handelte es sich insoweit nicht um eine bloße Gefälligkeit der Beklagten, sondern um eine zusätzliche Prüfung, auf deren Richtigkeit die Schuldnerin vertrauen durfte (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 12/05, WM 2009, 369 Rn. 6 ff). Wurde von ihr eine tatsächlich bestehende insolvenzrechtliche Überschuldung verkannt, hat die Beklagte zu 1 folglich gemäß § 634 Nr. 4 BGB Schadensersatz zu leisten. Für diese Verpflichtung hat auch der Beklagte zu 2 gemäß § 128 Satz 1, § 129 HGB persönlich einzustehen (BGH, Urteil vom 10. Mai 2012 - IX ZR 125/10, BGHZ 193, 193 Rn. 68 f), weil er der Beklagten zu 1 zu dem Zeitpunkt, als die - zu unterstellende, obendrein ihm selbst anzulastende - Pflichtwidrigkeit verwirklicht wurde, als Gesellschafter angehörte (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1982 - IVa ZR 291/80, BGHZ 83, 328, 330 f).
14
Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Rechtsauffassung handelte es sich bei dem Vermerk nicht nur um die Wiedergabe einer Auffassung der Geschäftsleitung der Schuldnerin ohne eigenen Erklärungswert. Eine hinreichende Distanzierung der Beklagten zu 1 ist dem Vermerk nicht zu entnehmen.

15
b) Das Berufungsgericht hat es nach Ablehnung eines zu Gunsten des Klägers eingreifenden Anscheinsbeweises verfahrensfehlerhaft versäumt, die von dem Kläger zum Beweis seines Vorbringens, in Kenntnis der Insolvenzreife der Schuldnerin hätten ihre Geschäftsführer die Geschäftstätigkeit beendet und Insolvenzantrag gestellt, beantragte Zeugenvernehmung durchzuführen.
16
aa) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass bei Feststellung der Insolvenzreife einer GmbH vielfach ein Anscheinsbeweis für das dadurch veranlasste Verhalten des Geschäftsführers ausscheidet, weil bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unterschiedliche Maßnahmen in Betracht kommen. Als Alternative zu einer Insolvenzantragstellung stand der Schuldnerin die Möglichkeit offen, innerhalb der Antragsfrist (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO; § 64 Abs. 1 GmbHG aF) eine Umstrukturierung des Unternehmens vorzunehmen und insbesondere die Insolvenz durch Zuführung neuer Mittel abzuwenden. Anders verhielte es sich nur, wenn eine Sanierungsfähigkeit der Gesellschaft angesichts der finanziellen Möglichkeiten ihrer Gesellschafter von vornherein ausgeschlossen war (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 40).
17
bb) Geht es darum, welche hypothetische Entscheidung der Geschäftsführer einer GmbH bei vertragsgerechtem Verhalten des rechtlichen Beraters getroffen hätte, liegt es nahe, ihn dazu in einem von der Gesellschaft geführten Rechtsstreit gemäß § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO als Partei zu vernehmen, weil es um eine innere, in seiner Person liegende Tatsache geht. Da die Feststellung, ob ein Schaden entstanden ist, nach den Beweisregeln des § 287 ZPO getroffen wird, gehört die Frage, wie sich der Geschäftsführer bei ordnungsgemäßer Beratung verhalten hätte, zu dem von § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO erfassten Be- reich (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2003 - IX ZR 167/02, WM 2004, 472, 474). Ist bei Klagen der GmbH eine Parteivernehmung ihres Geschäftsführers zum Nachweis seines mutmaßlichen Verhaltens angezeigt, kann in einem von dem Insolvenzverwalter geführten Rechtsstreit der Antrag, ihn zu diesem Thema als Zeuge zu hören, nicht abgelehnt werden. Der Beweisantritt zu einer Haupttatsache darf nicht aufgrund der Würdigung von Indiztatsachen übergangen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - IX ZR 173/03, WM 2007, 569 Rn. 10).
18
3. Dem Berufungsgericht kann ebenfalls nicht gefolgt werden, soweit es die Schadensdarlegung durch den Kläger beanstandet.
19
a) Ausgangspunkt jeder Schadensberechnung bildet die Differenzhypothese.
20
Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre. Die Differenzhypothese umfasst zugleich das Erfordernis der Kausalität zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und einer dadurch eingetretenen Vermögensminderung. Nur eine Vermögensminderung , die durch das haftungsbegründende Ereignis verursacht ist, das heißt ohne dieses nicht eingetreten wäre, ist als ersatzfähiger Schaden anzuerkennen (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 42; Beschluss vom 7. Februar 2013 - IX ZR 75/12, ZInsO 2013, 671 Rn. 10). Nach der Äquivalenztheorie ist jede Bedingung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Dabei ist zu beachten, dass zur Feststellung des Ursachenzusammenhangs nur die pflichtwidrige Handlung hin- weggedacht, nicht aber weitere Umstände hinzugedacht werden dürfen (BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - IX ZR 144/10, BGHZ 189, 299 Rn. 35). Die sich aus der Äquivalenz ergebende weite Haftung für Schadensfolgen grenzt die Rechtsprechung durch die weiteren Zurechnungskriterien der Adäquanz des Kausalverlaufs und des Schutzzwecks der Norm ein (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2012 - VI ZR 127/11, NJW 2012, 2964 Rn. 12).
21
b) Nach diesen Maßstäben haben die Beklagten grundsätzlich einen der Schuldnerin nach Eintritt der Insolvenzreife durch die Fortsetzung ihrer Geschäftstätigkeit erwachsenen Schaden zu ersetzen.
22
aa) Das Erfordernis eines Ursachenzusammenhangs zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden ist erfüllt. Hätte die Beklagte - wie zu unterstellen ist - die bestehende Überschuldung der Schuldnerin erkannt und der Geschäftsführer der Schuldnerin auf der Grundlage dieser Bewertung einen Insolvenzantrag gestellt, wären die bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Antragstellung eingetretenen weiteren Vermögensnachteile vermieden worden.
23
bb) Die hierdurch bewirkte Vertiefung der Überschuldung bildet eine grundsätzlich auch adäquate Schadensfolge.
24
(1) Der Zurechnungszusammenhang kann allerdings fehlen, sofern die Verluste nicht auf der Fortsetzung der üblichen Geschäftstätigkeit, sondern auf der Eingehung wirtschaftlich nicht vertretbarer Risiken beruht und dadurch der Bereich adäquater Schadensverursachung verlassen wurde. Dies kann erst in Betracht kommen, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Geschäftsleiters aus anderen Gründen als unvertretbar gelten muss (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1997 - II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253 f).
25
(2) Soweit das Berufungsgericht insoweit von dem Kläger eine Differenzierung nach Art der Verbindlichkeiten verlangt, hat es nicht berücksichtigt, dass die Frage, ob die Schuldnerin infolge der fehlerhaften Bilanz der Beklagten einen Schaden erlitten hat, auf der Grundlage von § 287 Abs. 1 ZPO zu beurteilen ist. Diese Vorschrift ist dazu geschaffen, dem Kläger eines Schadensersatzprozesses die Einzelbegründung seines Schadens abzunehmen, und vermindert damit in ihrem Anwendungsbereich auch die sonst strengeren Anforderungen an die Darlegung. Das gilt auch für den vom Berufungsgericht aufgeworfenen Gesichtspunkt, ob nicht einige oder sämtliche vom Kläger geltend gemachten Schäden in Gestalt der behaupteten Erhöhung der Überschuldung auf nach kaufmännischen Grundsätzen nicht verantwortbaren Entscheidungen beruhen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 1987 - IVa ZR 232/85, VersR 1988, 178 f). Außerdem hat das Berufungsgericht das durch seinen Hinweis veranlasste Vorbringen des Klägers nicht berücksichtigt, dass die von ihm vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertungen keine außergewöhnlichen Geschäftsvorfälle auswiesen. Bei dieser Sachlage kann die Klage nicht mangels einer schlüssigen Schadensdarlegung abgewiesen werden.
26
cc) Der sich in der Vertiefung der Überschuldung manifestierende Schaden der Schuldnerin ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der verletzten Norm zu begrenzen.

27
(1) Eine Ersatzpflicht der Organe gegenüber der Gesellschaft ist gegeben , wenn sich die Verbindlichkeiten eines insolvenzreifen Unternehmens wegen verspäteter Insolvenzantragstellung vermehren. Da auch eine überschuldete Gesellschaft verpflichtet bleibt, ihre Gläubiger nach Möglichkeit zu befriedigen , hat sie von allen ihr zustehenden Rechten Gebrauch zu machen, um dieser Pflicht zu genügen. Wird ein überschuldetes Unternehmen pflichtwidrig fortgeführt , kann es von dem verantwortlichen Organ Schadensersatz in Höhe der Steigerung seiner Überschuldung beanspruchen (RGZ 161, 129, 142 f; BGH, Urteil vom 29. Juni 1972 - II ZR 123/71, BGHZ 59,148, 149 f; vom 10. Oktober 1985 - IX ZR 153/84, NJW 1986, 581, 582 f). Dieser Schaden wird vom Schutzzweck der Insolvenzverschleppungshaftung umfasst.
28
(2) Wird aufgrund einer von einem Abschlussprüfer gefertigten fehlerhaften Überschuldungsbilanz ein Insolvenzantrag verspätet gestellt, erfasst der daraus sich ergebende Schadensersatzanspruch ebenfalls den gesamten Insolvenzverschleppungsschaden , der insbesondere durch die auf der Unternehmensfortführung beruhende Vergrößerung der Verbindlichkeiten erwächst (BGH, Urteil vom 18. Februar 1987 - IVa ZR 232/85, VersR 1988, 178 f; vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, DB 2013, 928 Rn. 19). Folglich bemisst sich der Schaden der Schuldnerin nach der Differenz zwischen ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt rechtzeitiger Antragstellung im Vergleich zu ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt des tatsächlich gestellten Antrags (vgl. Büchler, InsVZ 2010, 68, 75). Nachteile, die durch die gebotene Liquidation ohnedies eintreten würden, braucht der Schädiger hingegen nicht zu ersetzen. Gleiches gilt, wenn einige oder sämtliche geltend gemachten Schäden in Gestalt der behaupteten Erhöhung der unterstellten Überschuldung auch dann eingetreten wären, wenn das Insolvenzverfahren auf einen rechtzeitigen Antrag eröffnet worden wäre (BGH, Urteil vom 18. Februar 1987 - IVa ZR 232/85, VersR 1988, 178 f). Von dieser rechtlichen Würdigung ist der Senat - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - im Urteil vom 26. Oktober 2000 (IX ZR 289/99, NJW 2001, 517) nicht abgerückt.
29
4. Allerdings kann ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers infolge eines der Schuldnerin analog § 31 BGB zuzurechnenden Mitverschuldens ihres Geschäftsführers (§ 254 Abs. 1 BGB) erheblich gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 1997 - III ZR 275/96, NJWE-VHR 1998, 39, 40; Urteil vom 10. Dezember 2009 - VII ZR 42/08, BGHZ 183, 323 Rn. 54; OLG Schleswig, GI 1993, 373, 382 f). Dabei handelt es sich um eine zuvörderst dem Tatrichter obliegende, von den Umständen des konkreten Einzelfalls abhängige Bewertung (BGH, Urteil vom 25. Juni 1991 - X ZR 103/89, NJW-RR 1991, 1240, 1241).
30
a) Gemäß § 254 Abs. 1 BGB hängt, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat, die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt bei der Haftung wegen einer fehlerhaften Abschlussprüfung die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des betroffenen Unternehmens in Betracht. Allerdings ist im Hinblick darauf, dass es die vorrangige Aufgabe des Abschlussprüfers ist, Fehler in der Rechnungslegung des Unternehmens aufzudecken und den daraus drohenden Schaden von diesem abzuwenden , bei der Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB mehr Zurückhaltung als bei anderen Schädigern geboten. Daher lässt auch eine vorsätzliche Irreführung des Prüfers seine Ersatzpflicht nicht ohne weiteres gänzlich entfallen (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009, aaO Rn. 56). Andererseits ist der Mitverschuldenseinwand zu beachten, wenn dem Auftraggeber, der gemäß § 322 Abs. 2 Satz 2 HGB in eigener Verantwortung den zu prüfenden Jahresabschluss aufzustellen hat, und dem Prüfer nur Fahrlässigkeit anzulasten ist (vgl. MünchKommHGB /Ebke, 2. Aufl., § 323 Rn. 75; Winkeljohann/Feldmüller, Beck´scher Bilanzkommentar , 8. Aufl., § 323 Rn. 123). Da die Abschlussprüfung das gesellschaftsinterne Kontrollsystem nicht ersetzen soll, ist der GmbH ein auch nur fahrlässiges Mitverschulden anzulasten, wenn sie ihre Insolvenzreife nicht erkennt (Staub/Zimmer, HGB, 4. Aufl., § 323 Rn. 42; Winkeljohann/Feldmüller, Beck´scher Bilanzkommentar, 8. Aufl., § 323 Rn. 123; vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1975 - II ZR 111/72, BGHZ 64, 52, 62). Aufgrund der Gesamtwürdigung kann der Tatrichter im Einzelfall in Anwendung von § 254 BGB zu einem vollständigen Haftungsausschluss des Abschlussprüfers gelangen (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 1997, aaO).
31
b) Bei der Bewertung des wechselseitigen Verschuldensgrades kann insbesondere die Schwere der dem Abschlussprüfer vorzuwerfenden Pflichtverletzung , also etwa das Ausmaß, in dem das Ergebnis der Prüfung von den tatsächlichen Verhältnissen abweicht, von Bedeutung sein. Hat der Abschlussprüfer der Gesellschaft anstelle der tatsächlich verwirklichten Überschuldung einen erheblichen Vermögensüberschuss attestiert, kann er der Geschäftsführung Anlass geben, die gebotene Selbstprüfung der wirtschaftlichen Lage zu vernachlässigen und risikoträchtige Geschäfte einzugehen, indem etwa bei der Preiskalkulation großzügig verfahren und nicht genau auf die Kostendeckung Bedacht genommen wird. Hier dürfte von einem überwiegenden Verschulden des Abschlussprüfers auszugehen sein, weil er bei der Gesellschaft das irrige Vertrauen weckt, sich nicht in einer wirtschaftlichen Schieflage zu befinden.

32
Anders verhält es sich dagegen, wenn dem Abschlussprüfer lediglich anzulasten ist, das Vermögen der Gesellschaft infolge einer Überbewertung der stillen Reserven gleich hoch wie ihre Verbindlichkeiten angesetzt und deswegen eine Überschuldung abgelehnt zu haben. Auf der Grundlage eines solchen Prüfungsergebnisses muss dem Geschäftsführer bewusst sein, den Geschäftsbetrieb nur bei Vermeidung weiterer Verluste unter strikter Wahrung der Kostendeckung fortsetzen zu dürfen. Dann trägt er die primäre Verantwortung dafür , dass keine weiteren Einbußen entstehen. Wird hierdurch die Überschuldung vertieft, kann - was auch im Streitfall zu erwägen sein dürfte - in Betracht kommen, ein ganz überwiegendes Mitverschulden der Gesellschaft oder gar eine Haftungsfreistellung des Abschlussprüfers zugrundezulegen.

III.


33
Auf die begründete Revision des Klägers ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist mangels Endentscheidungsreife gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgerichtzurückzuverweisen.
Sofern das Berufungsgericht auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen zu einer Schadensersatzpflicht der Beklagten gelangen sollte, wird es sich mit der von ihnen erhobenen Einrede der Verjährung auseinanderzusetzen haben.
Kayser Gehrlein Vill
Lohmann Fischer

Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 06.10.2011 - 2 O 419/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 19.07.2012 - 8 U 55/11 -

(1) Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Das Gleiche gilt für die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist; dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

(2) Bei einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 gilt Absatz 1 sinngemäß, wenn die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.

(3) Im Fall der Führungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist auch jeder Gesellschafter, im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit Satz 3 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag

1.
nicht oder nicht rechtzeitig stellt oder
2.
nicht richtig stellt.

(5) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 4 fahrlässig, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(6) Im Falle des Absatzes 4 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, ist die Tat nur strafbar, wenn der Eröffnungsantrag rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen wurde.

(7) Auf Vereine und Stiftungen, für die § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt, sind die Absätze 1 bis 6 nicht anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 204/12
Verkündet am:
6. Juni 2013
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Erklärt der vertraglich lediglich mit der Erstellung der Steuerbilanz betraute Steuerberater
, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung nicht vorliege, haftet er der Gesellschaft
wegen der Folgen der dadurch bedingten verspäteten Insolvenzantragstellung.
BGB § 249 A, Bb, Ha, Hd; ZPO § 287
Der durch eine verspätete Insolvenzantragstellung verursachte Schaden der Gesellschaft
bemisst sich nach der Differenz zwischen ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt
rechtzeitiger Antragstellung im Vergleich zu ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt des
tatsächlich gestellten Antrags.
Wird der Insolvenzantrag einer GmbH infolge einer fehlerhaften Abschlussprüfung
verspätet gestellt, trifft die Gesellschaft mit Rücksicht auf ihre Selbstprüfungspflicht in
der Regel ein Mitverschulden an dem dadurch bedingten Insolvenzverschleppungsschaden.
BGH, Urteil vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12 - OLG Köln
LG Köln
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Juni 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter
Prof. Dr. Gehrlein, Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Fischer

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 19. Juli 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 20. März 2007 über das Vermögen der A. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) am 1. Juni 2007 eröffneten Insolvenzverfahren.
2
Die in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführte Beklagte zu 1 war die Steuerberaterin der Schuldnerin; der Beklagte zu 2 war bis zu seinem Ausscheiden am 4. März 2009 Gesellschafter der Beklagten zu 1 und mit der Betreuung der Schuldnerin befasst. Die Beklagte zu 1 erstellte am 29. August 2005 den Jahresabschluss der Schuldnerin für den 31. Dezember 2004. In dem Bilanzbericht ist ausgeführt, dass zum Bilanzstichtag ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag von 46.541,38 € bestehe, es sich dabei aber nur um eine "Überschuldung rein bilanzieller Natur" handele, weil für Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 48.278,68 € Rangrücktrittserklärungen vorlägen und der Gesellschaft aufgrund des hohen Anteils an Stammkunden ein hoher Firmenwert innewohne.
3
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatzleistung in Anspruch , weil sie pflichtwidrig die zum 31. Dezember 2004 bei der Schuldnerin gegebene insolvenzrechtliche Überschuldung nicht erkannt hätten und die Schuldnerin mangels der gebotenen Antragstellung weitere Verbindlichkeiten in Höhe von 264.938,88 € eingegangen sei. Die Vorinstanzen haben die - unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 30 vom Hundert - auf Zahlung von 187.457,21 € gerichtete Klage abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

4
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es könne offenbleiben, ob die Beklagten den Geschäftsführer der Schuldnerin pflichtwidrig nicht hinreichend über eine tatsächlich bestehende insolvenzrechtliche Überschuldung aufgeklärt hätten. Jedenfalls fehle es an der Kausalität zwischen der behaupteten Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Schuldnerin bei pflichtgemäßer Beratung bereits zu einem früheren Zeitpunkt einen Insolvenzantrag gestellt hätte. Die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens erfordere tatsächliche Feststellungen, dass im Falle sachgerechter Aufklärung eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegen hätte. Neben der Stellung eines Insolvenzantrages sei im Streitfall ernsthaft in Betracht gekommen, die fehlenden Kapitalmittel durch Erwirken von qualifizierten Rangrücktrittserklärungen sowie durch die Aufnahme von weiteren Darlehen aufzubringen. Auch mit Rücksicht auf den Maßstab des § 287 ZPO fehle es an hinreichendem Vortrag, dass sich der Geschäftsführer der Schuldnerin bereits im August 2005 zur Stellung eines Insolvenzantrags entschlossen hätte.
6
Ferner sei nicht hinreichend dargelegt, dass das Anwachsen der Überschuldung infolge der Fortführung des Unternehmens einen durch die behauptete Pflichtverletzung zurechenbar entstandenen Schaden begründe. Insoweit genüge nicht der Vortrag, dass die Überschuldung infolge der Fortführung des Unternehmens in einen bestimmten Umfang angewachsen sei. Die Pflicht, den Mandanten über die Bedeutung einer bilanziellen Überschuldung zu belehren, diene nicht dazu, den Vertragspartner von jedweden Risiken freizustellen, die sich aus der Fortführung des Unternehmens ergeben könnten. Vielmehr bedürfe es einer näheren Darlegung, welche rechtsgeschäftlichen und unternehmerischen Entscheidungen im Einzelnen dem behaupteten Anwachsen der Überschuldung zugrunde lägen, um prüfen zu können, ob das Eingehen von Verbindlichkeiten , denen in der Regel eine Gegenleistung gegenüberstehe, einen dem Berater zurechenbaren Schaden darstelle. Insoweit komme es darauf an, ob infolge der Fehlberatung naheliegende unternehmerische Entscheidungen getroffen worden seien oder die weitere Geschäftsentwicklung auf von vorneherein nach kaufmännischen Grundsätzen nicht zu rechtfertigenden unterneh- merischen Entscheidungen beruhe. Trotz eines gerichtlichen Hinweises habe der Kläger sein Vorbringen hierzu nicht konkretisiert.

II.


7
Diese Ausführungen halten in wesentlichen Punkten rechtlicher Prüfung nicht stand.
8
1. Die Prozessführungsbefugnis des Klägers begegnet entgegen den Rügen der Beklagten keinen Bedenken.
9
Der Insolvenzverwalter ist gemäß § 208 Abs. 3 InsO auch nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit zur Verwaltung und Verwertung der Masse verpflichtet. Das Amt des Insolvenzverwalters bleibt folglich nach Abgabe der Erklärung einschließlich der Verwertungs- und Befriedigungsaufgabe uneingeschränkt bestehen (MünchKomm-InsO/Hefermehl, 2. Aufl., § 208 Rn. 43). Darum hat der Insolvenzverwalter nach Eintritt der Masseunzulänglichkeit erfolgversprechende Aktivprozesse, für deren Durchführung er die Gewährung von Prozesskostenhilfe beanspruchen kann (BGH, Beschluss vom 28. Februar 2008 - IX ZB 147/07, WM 2008, 880 Rn. 6 ff), im Interesse der Massemehrung einzuleiten und durchzuführen (OLG Celle, ZInsO 2004, 93; HK-InsO/Landfermann, 6. Aufl., § 208 Rn. 15; MünchKomm-InsO/Hefermehl, aaO § 208 Rn. 50). Obsiegt der Beklagte, muss er es hinnehmen, dass etwaige Kostenerstattungsansprüche unbefriedigt bleiben. Grund dafür ist, dass die Deckung der eigenen Prozesskosten durch den unterlegenen Gegner zu den allgemeinen Prozessrisiken einer obsiegenden Partei gehört (BGH, Urteil vom 26. Juni 2001 - IX ZR 209/98, BGHZ 148, 175, 179).
10
2. Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Kläger habe einen Zurechnungszusammenhang zwischen einer Pflichtverletzung der Beklagten und dem eingetretenen Schaden nicht nachgewiesen, lässt entscheidungserhebliches, beweisbewehrtes Klagevorbringen unter Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG, § 286 ZPO unberücksichtigt.
11
a) Gegen die Beklagten bestehen vertragliche Ansprüche, wenn sie - wovon nach dem revisionsrechtlich zugrundezulegenden Sachverhalt auszugehen ist - pflichtwidrig eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Schuldnerin nicht festgestellt haben.
12
aa) Grundsätzlich ist es nicht Aufgabe des mit der allgemeinen steuerlichen Beratung der GmbH beauftragten Beraters, die Gesellschaft bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass es die Pflicht des Geschäftsführers ist, eine Überprüfung vorzunehmen oder in Auftrag zu geben, ob Insolvenzreife eingetreten ist und gegebenenfalls gemäß § 15a InsO Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt werden muss. Hingegen besteht eine haftungsrechtliche Verantwortung, wenn dem steuerlichen Berater ein ausdrücklicher Auftrag zur Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens erteilt wird (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, DB 2013, 928 Rn. 15, 19). In dieser Weise ist der Streitfall gelagert.
13
bb) Soweit die Beklagte zu 1 als allgemeine steuerliche Beraterin den eine bilanzielle Überschuldung der Schuldnerin ausweisenden Jahresabschluss gefertigt hat, kann aus etwaigen insolvenzrechtlichen Fehlleistungen eine Haftung allerdings nicht hergeleitet werden. Die Beklagte zu 1 hat jedoch nicht lediglich eine Handelsbilanz erstellt, sondern darüber hinaus unter Bezug auf Rangrücktrittsvereinbarungen und den Firmenwert durch die weitergehende Bemerkung, dass es sich um eine "Überschuldung rein bilanzieller Natur" handele , eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Schuldnerin ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 1954 - II ZR 322/53, BGHZ 16, 17, 24 ff). In dem Hinweis auf eine rein bilanzielle Überschuldung findet die Bewertung unmissverständlichen Ausdruck, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung gerade nicht vorliegt. Der Hinweis auf die Rangrücktrittsvereinbarungen und den Firmenwert offenbart, dass die Beklagte zu 1 eine über die steuerliche Bilanzierung hinausgehende Leistung erbracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, DB 2013, 928 Rn. 18). Aufgrund der wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung der Angelegenheit handelte es sich insoweit nicht um eine bloße Gefälligkeit der Beklagten, sondern um eine zusätzliche Prüfung, auf deren Richtigkeit die Schuldnerin vertrauen durfte (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 12/05, WM 2009, 369 Rn. 6 ff). Wurde von ihr eine tatsächlich bestehende insolvenzrechtliche Überschuldung verkannt, hat die Beklagte zu 1 folglich gemäß § 634 Nr. 4 BGB Schadensersatz zu leisten. Für diese Verpflichtung hat auch der Beklagte zu 2 gemäß § 128 Satz 1, § 129 HGB persönlich einzustehen (BGH, Urteil vom 10. Mai 2012 - IX ZR 125/10, BGHZ 193, 193 Rn. 68 f), weil er der Beklagten zu 1 zu dem Zeitpunkt, als die - zu unterstellende, obendrein ihm selbst anzulastende - Pflichtwidrigkeit verwirklicht wurde, als Gesellschafter angehörte (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1982 - IVa ZR 291/80, BGHZ 83, 328, 330 f).
14
Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Rechtsauffassung handelte es sich bei dem Vermerk nicht nur um die Wiedergabe einer Auffassung der Geschäftsleitung der Schuldnerin ohne eigenen Erklärungswert. Eine hinreichende Distanzierung der Beklagten zu 1 ist dem Vermerk nicht zu entnehmen.

15
b) Das Berufungsgericht hat es nach Ablehnung eines zu Gunsten des Klägers eingreifenden Anscheinsbeweises verfahrensfehlerhaft versäumt, die von dem Kläger zum Beweis seines Vorbringens, in Kenntnis der Insolvenzreife der Schuldnerin hätten ihre Geschäftsführer die Geschäftstätigkeit beendet und Insolvenzantrag gestellt, beantragte Zeugenvernehmung durchzuführen.
16
aa) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass bei Feststellung der Insolvenzreife einer GmbH vielfach ein Anscheinsbeweis für das dadurch veranlasste Verhalten des Geschäftsführers ausscheidet, weil bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unterschiedliche Maßnahmen in Betracht kommen. Als Alternative zu einer Insolvenzantragstellung stand der Schuldnerin die Möglichkeit offen, innerhalb der Antragsfrist (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO; § 64 Abs. 1 GmbHG aF) eine Umstrukturierung des Unternehmens vorzunehmen und insbesondere die Insolvenz durch Zuführung neuer Mittel abzuwenden. Anders verhielte es sich nur, wenn eine Sanierungsfähigkeit der Gesellschaft angesichts der finanziellen Möglichkeiten ihrer Gesellschafter von vornherein ausgeschlossen war (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 40).
17
bb) Geht es darum, welche hypothetische Entscheidung der Geschäftsführer einer GmbH bei vertragsgerechtem Verhalten des rechtlichen Beraters getroffen hätte, liegt es nahe, ihn dazu in einem von der Gesellschaft geführten Rechtsstreit gemäß § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO als Partei zu vernehmen, weil es um eine innere, in seiner Person liegende Tatsache geht. Da die Feststellung, ob ein Schaden entstanden ist, nach den Beweisregeln des § 287 ZPO getroffen wird, gehört die Frage, wie sich der Geschäftsführer bei ordnungsgemäßer Beratung verhalten hätte, zu dem von § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO erfassten Be- reich (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2003 - IX ZR 167/02, WM 2004, 472, 474). Ist bei Klagen der GmbH eine Parteivernehmung ihres Geschäftsführers zum Nachweis seines mutmaßlichen Verhaltens angezeigt, kann in einem von dem Insolvenzverwalter geführten Rechtsstreit der Antrag, ihn zu diesem Thema als Zeuge zu hören, nicht abgelehnt werden. Der Beweisantritt zu einer Haupttatsache darf nicht aufgrund der Würdigung von Indiztatsachen übergangen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - IX ZR 173/03, WM 2007, 569 Rn. 10).
18
3. Dem Berufungsgericht kann ebenfalls nicht gefolgt werden, soweit es die Schadensdarlegung durch den Kläger beanstandet.
19
a) Ausgangspunkt jeder Schadensberechnung bildet die Differenzhypothese.
20
Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre. Die Differenzhypothese umfasst zugleich das Erfordernis der Kausalität zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und einer dadurch eingetretenen Vermögensminderung. Nur eine Vermögensminderung , die durch das haftungsbegründende Ereignis verursacht ist, das heißt ohne dieses nicht eingetreten wäre, ist als ersatzfähiger Schaden anzuerkennen (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 42; Beschluss vom 7. Februar 2013 - IX ZR 75/12, ZInsO 2013, 671 Rn. 10). Nach der Äquivalenztheorie ist jede Bedingung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Dabei ist zu beachten, dass zur Feststellung des Ursachenzusammenhangs nur die pflichtwidrige Handlung hin- weggedacht, nicht aber weitere Umstände hinzugedacht werden dürfen (BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - IX ZR 144/10, BGHZ 189, 299 Rn. 35). Die sich aus der Äquivalenz ergebende weite Haftung für Schadensfolgen grenzt die Rechtsprechung durch die weiteren Zurechnungskriterien der Adäquanz des Kausalverlaufs und des Schutzzwecks der Norm ein (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2012 - VI ZR 127/11, NJW 2012, 2964 Rn. 12).
21
b) Nach diesen Maßstäben haben die Beklagten grundsätzlich einen der Schuldnerin nach Eintritt der Insolvenzreife durch die Fortsetzung ihrer Geschäftstätigkeit erwachsenen Schaden zu ersetzen.
22
aa) Das Erfordernis eines Ursachenzusammenhangs zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden ist erfüllt. Hätte die Beklagte - wie zu unterstellen ist - die bestehende Überschuldung der Schuldnerin erkannt und der Geschäftsführer der Schuldnerin auf der Grundlage dieser Bewertung einen Insolvenzantrag gestellt, wären die bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Antragstellung eingetretenen weiteren Vermögensnachteile vermieden worden.
23
bb) Die hierdurch bewirkte Vertiefung der Überschuldung bildet eine grundsätzlich auch adäquate Schadensfolge.
24
(1) Der Zurechnungszusammenhang kann allerdings fehlen, sofern die Verluste nicht auf der Fortsetzung der üblichen Geschäftstätigkeit, sondern auf der Eingehung wirtschaftlich nicht vertretbarer Risiken beruht und dadurch der Bereich adäquater Schadensverursachung verlassen wurde. Dies kann erst in Betracht kommen, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Geschäftsleiters aus anderen Gründen als unvertretbar gelten muss (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1997 - II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253 f).
25
(2) Soweit das Berufungsgericht insoweit von dem Kläger eine Differenzierung nach Art der Verbindlichkeiten verlangt, hat es nicht berücksichtigt, dass die Frage, ob die Schuldnerin infolge der fehlerhaften Bilanz der Beklagten einen Schaden erlitten hat, auf der Grundlage von § 287 Abs. 1 ZPO zu beurteilen ist. Diese Vorschrift ist dazu geschaffen, dem Kläger eines Schadensersatzprozesses die Einzelbegründung seines Schadens abzunehmen, und vermindert damit in ihrem Anwendungsbereich auch die sonst strengeren Anforderungen an die Darlegung. Das gilt auch für den vom Berufungsgericht aufgeworfenen Gesichtspunkt, ob nicht einige oder sämtliche vom Kläger geltend gemachten Schäden in Gestalt der behaupteten Erhöhung der Überschuldung auf nach kaufmännischen Grundsätzen nicht verantwortbaren Entscheidungen beruhen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 1987 - IVa ZR 232/85, VersR 1988, 178 f). Außerdem hat das Berufungsgericht das durch seinen Hinweis veranlasste Vorbringen des Klägers nicht berücksichtigt, dass die von ihm vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertungen keine außergewöhnlichen Geschäftsvorfälle auswiesen. Bei dieser Sachlage kann die Klage nicht mangels einer schlüssigen Schadensdarlegung abgewiesen werden.
26
cc) Der sich in der Vertiefung der Überschuldung manifestierende Schaden der Schuldnerin ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der verletzten Norm zu begrenzen.

27
(1) Eine Ersatzpflicht der Organe gegenüber der Gesellschaft ist gegeben , wenn sich die Verbindlichkeiten eines insolvenzreifen Unternehmens wegen verspäteter Insolvenzantragstellung vermehren. Da auch eine überschuldete Gesellschaft verpflichtet bleibt, ihre Gläubiger nach Möglichkeit zu befriedigen , hat sie von allen ihr zustehenden Rechten Gebrauch zu machen, um dieser Pflicht zu genügen. Wird ein überschuldetes Unternehmen pflichtwidrig fortgeführt , kann es von dem verantwortlichen Organ Schadensersatz in Höhe der Steigerung seiner Überschuldung beanspruchen (RGZ 161, 129, 142 f; BGH, Urteil vom 29. Juni 1972 - II ZR 123/71, BGHZ 59,148, 149 f; vom 10. Oktober 1985 - IX ZR 153/84, NJW 1986, 581, 582 f). Dieser Schaden wird vom Schutzzweck der Insolvenzverschleppungshaftung umfasst.
28
(2) Wird aufgrund einer von einem Abschlussprüfer gefertigten fehlerhaften Überschuldungsbilanz ein Insolvenzantrag verspätet gestellt, erfasst der daraus sich ergebende Schadensersatzanspruch ebenfalls den gesamten Insolvenzverschleppungsschaden , der insbesondere durch die auf der Unternehmensfortführung beruhende Vergrößerung der Verbindlichkeiten erwächst (BGH, Urteil vom 18. Februar 1987 - IVa ZR 232/85, VersR 1988, 178 f; vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, DB 2013, 928 Rn. 19). Folglich bemisst sich der Schaden der Schuldnerin nach der Differenz zwischen ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt rechtzeitiger Antragstellung im Vergleich zu ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt des tatsächlich gestellten Antrags (vgl. Büchler, InsVZ 2010, 68, 75). Nachteile, die durch die gebotene Liquidation ohnedies eintreten würden, braucht der Schädiger hingegen nicht zu ersetzen. Gleiches gilt, wenn einige oder sämtliche geltend gemachten Schäden in Gestalt der behaupteten Erhöhung der unterstellten Überschuldung auch dann eingetreten wären, wenn das Insolvenzverfahren auf einen rechtzeitigen Antrag eröffnet worden wäre (BGH, Urteil vom 18. Februar 1987 - IVa ZR 232/85, VersR 1988, 178 f). Von dieser rechtlichen Würdigung ist der Senat - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - im Urteil vom 26. Oktober 2000 (IX ZR 289/99, NJW 2001, 517) nicht abgerückt.
29
4. Allerdings kann ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers infolge eines der Schuldnerin analog § 31 BGB zuzurechnenden Mitverschuldens ihres Geschäftsführers (§ 254 Abs. 1 BGB) erheblich gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 1997 - III ZR 275/96, NJWE-VHR 1998, 39, 40; Urteil vom 10. Dezember 2009 - VII ZR 42/08, BGHZ 183, 323 Rn. 54; OLG Schleswig, GI 1993, 373, 382 f). Dabei handelt es sich um eine zuvörderst dem Tatrichter obliegende, von den Umständen des konkreten Einzelfalls abhängige Bewertung (BGH, Urteil vom 25. Juni 1991 - X ZR 103/89, NJW-RR 1991, 1240, 1241).
30
a) Gemäß § 254 Abs. 1 BGB hängt, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat, die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt bei der Haftung wegen einer fehlerhaften Abschlussprüfung die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des betroffenen Unternehmens in Betracht. Allerdings ist im Hinblick darauf, dass es die vorrangige Aufgabe des Abschlussprüfers ist, Fehler in der Rechnungslegung des Unternehmens aufzudecken und den daraus drohenden Schaden von diesem abzuwenden , bei der Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB mehr Zurückhaltung als bei anderen Schädigern geboten. Daher lässt auch eine vorsätzliche Irreführung des Prüfers seine Ersatzpflicht nicht ohne weiteres gänzlich entfallen (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009, aaO Rn. 56). Andererseits ist der Mitverschuldenseinwand zu beachten, wenn dem Auftraggeber, der gemäß § 322 Abs. 2 Satz 2 HGB in eigener Verantwortung den zu prüfenden Jahresabschluss aufzustellen hat, und dem Prüfer nur Fahrlässigkeit anzulasten ist (vgl. MünchKommHGB /Ebke, 2. Aufl., § 323 Rn. 75; Winkeljohann/Feldmüller, Beck´scher Bilanzkommentar , 8. Aufl., § 323 Rn. 123). Da die Abschlussprüfung das gesellschaftsinterne Kontrollsystem nicht ersetzen soll, ist der GmbH ein auch nur fahrlässiges Mitverschulden anzulasten, wenn sie ihre Insolvenzreife nicht erkennt (Staub/Zimmer, HGB, 4. Aufl., § 323 Rn. 42; Winkeljohann/Feldmüller, Beck´scher Bilanzkommentar, 8. Aufl., § 323 Rn. 123; vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1975 - II ZR 111/72, BGHZ 64, 52, 62). Aufgrund der Gesamtwürdigung kann der Tatrichter im Einzelfall in Anwendung von § 254 BGB zu einem vollständigen Haftungsausschluss des Abschlussprüfers gelangen (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 1997, aaO).
31
b) Bei der Bewertung des wechselseitigen Verschuldensgrades kann insbesondere die Schwere der dem Abschlussprüfer vorzuwerfenden Pflichtverletzung , also etwa das Ausmaß, in dem das Ergebnis der Prüfung von den tatsächlichen Verhältnissen abweicht, von Bedeutung sein. Hat der Abschlussprüfer der Gesellschaft anstelle der tatsächlich verwirklichten Überschuldung einen erheblichen Vermögensüberschuss attestiert, kann er der Geschäftsführung Anlass geben, die gebotene Selbstprüfung der wirtschaftlichen Lage zu vernachlässigen und risikoträchtige Geschäfte einzugehen, indem etwa bei der Preiskalkulation großzügig verfahren und nicht genau auf die Kostendeckung Bedacht genommen wird. Hier dürfte von einem überwiegenden Verschulden des Abschlussprüfers auszugehen sein, weil er bei der Gesellschaft das irrige Vertrauen weckt, sich nicht in einer wirtschaftlichen Schieflage zu befinden.

32
Anders verhält es sich dagegen, wenn dem Abschlussprüfer lediglich anzulasten ist, das Vermögen der Gesellschaft infolge einer Überbewertung der stillen Reserven gleich hoch wie ihre Verbindlichkeiten angesetzt und deswegen eine Überschuldung abgelehnt zu haben. Auf der Grundlage eines solchen Prüfungsergebnisses muss dem Geschäftsführer bewusst sein, den Geschäftsbetrieb nur bei Vermeidung weiterer Verluste unter strikter Wahrung der Kostendeckung fortsetzen zu dürfen. Dann trägt er die primäre Verantwortung dafür , dass keine weiteren Einbußen entstehen. Wird hierdurch die Überschuldung vertieft, kann - was auch im Streitfall zu erwägen sein dürfte - in Betracht kommen, ein ganz überwiegendes Mitverschulden der Gesellschaft oder gar eine Haftungsfreistellung des Abschlussprüfers zugrundezulegen.

III.


33
Auf die begründete Revision des Klägers ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist mangels Endentscheidungsreife gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgerichtzurückzuverweisen.
Sofern das Berufungsgericht auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen zu einer Schadensersatzpflicht der Beklagten gelangen sollte, wird es sich mit der von ihnen erhobenen Einrede der Verjährung auseinanderzusetzen haben.
Kayser Gehrlein Vill
Lohmann Fischer

Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 06.10.2011 - 2 O 419/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 19.07.2012 - 8 U 55/11 -

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 204/12
Verkündet am:
6. Juni 2013
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Erklärt der vertraglich lediglich mit der Erstellung der Steuerbilanz betraute Steuerberater
, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung nicht vorliege, haftet er der Gesellschaft
wegen der Folgen der dadurch bedingten verspäteten Insolvenzantragstellung.
BGB § 249 A, Bb, Ha, Hd; ZPO § 287
Der durch eine verspätete Insolvenzantragstellung verursachte Schaden der Gesellschaft
bemisst sich nach der Differenz zwischen ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt
rechtzeitiger Antragstellung im Vergleich zu ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt des
tatsächlich gestellten Antrags.
Wird der Insolvenzantrag einer GmbH infolge einer fehlerhaften Abschlussprüfung
verspätet gestellt, trifft die Gesellschaft mit Rücksicht auf ihre Selbstprüfungspflicht in
der Regel ein Mitverschulden an dem dadurch bedingten Insolvenzverschleppungsschaden.
BGH, Urteil vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12 - OLG Köln
LG Köln
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Juni 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter
Prof. Dr. Gehrlein, Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Fischer

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 19. Juli 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 20. März 2007 über das Vermögen der A. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) am 1. Juni 2007 eröffneten Insolvenzverfahren.
2
Die in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführte Beklagte zu 1 war die Steuerberaterin der Schuldnerin; der Beklagte zu 2 war bis zu seinem Ausscheiden am 4. März 2009 Gesellschafter der Beklagten zu 1 und mit der Betreuung der Schuldnerin befasst. Die Beklagte zu 1 erstellte am 29. August 2005 den Jahresabschluss der Schuldnerin für den 31. Dezember 2004. In dem Bilanzbericht ist ausgeführt, dass zum Bilanzstichtag ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag von 46.541,38 € bestehe, es sich dabei aber nur um eine "Überschuldung rein bilanzieller Natur" handele, weil für Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 48.278,68 € Rangrücktrittserklärungen vorlägen und der Gesellschaft aufgrund des hohen Anteils an Stammkunden ein hoher Firmenwert innewohne.
3
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatzleistung in Anspruch , weil sie pflichtwidrig die zum 31. Dezember 2004 bei der Schuldnerin gegebene insolvenzrechtliche Überschuldung nicht erkannt hätten und die Schuldnerin mangels der gebotenen Antragstellung weitere Verbindlichkeiten in Höhe von 264.938,88 € eingegangen sei. Die Vorinstanzen haben die - unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 30 vom Hundert - auf Zahlung von 187.457,21 € gerichtete Klage abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

4
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es könne offenbleiben, ob die Beklagten den Geschäftsführer der Schuldnerin pflichtwidrig nicht hinreichend über eine tatsächlich bestehende insolvenzrechtliche Überschuldung aufgeklärt hätten. Jedenfalls fehle es an der Kausalität zwischen der behaupteten Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Schuldnerin bei pflichtgemäßer Beratung bereits zu einem früheren Zeitpunkt einen Insolvenzantrag gestellt hätte. Die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens erfordere tatsächliche Feststellungen, dass im Falle sachgerechter Aufklärung eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegen hätte. Neben der Stellung eines Insolvenzantrages sei im Streitfall ernsthaft in Betracht gekommen, die fehlenden Kapitalmittel durch Erwirken von qualifizierten Rangrücktrittserklärungen sowie durch die Aufnahme von weiteren Darlehen aufzubringen. Auch mit Rücksicht auf den Maßstab des § 287 ZPO fehle es an hinreichendem Vortrag, dass sich der Geschäftsführer der Schuldnerin bereits im August 2005 zur Stellung eines Insolvenzantrags entschlossen hätte.
6
Ferner sei nicht hinreichend dargelegt, dass das Anwachsen der Überschuldung infolge der Fortführung des Unternehmens einen durch die behauptete Pflichtverletzung zurechenbar entstandenen Schaden begründe. Insoweit genüge nicht der Vortrag, dass die Überschuldung infolge der Fortführung des Unternehmens in einen bestimmten Umfang angewachsen sei. Die Pflicht, den Mandanten über die Bedeutung einer bilanziellen Überschuldung zu belehren, diene nicht dazu, den Vertragspartner von jedweden Risiken freizustellen, die sich aus der Fortführung des Unternehmens ergeben könnten. Vielmehr bedürfe es einer näheren Darlegung, welche rechtsgeschäftlichen und unternehmerischen Entscheidungen im Einzelnen dem behaupteten Anwachsen der Überschuldung zugrunde lägen, um prüfen zu können, ob das Eingehen von Verbindlichkeiten , denen in der Regel eine Gegenleistung gegenüberstehe, einen dem Berater zurechenbaren Schaden darstelle. Insoweit komme es darauf an, ob infolge der Fehlberatung naheliegende unternehmerische Entscheidungen getroffen worden seien oder die weitere Geschäftsentwicklung auf von vorneherein nach kaufmännischen Grundsätzen nicht zu rechtfertigenden unterneh- merischen Entscheidungen beruhe. Trotz eines gerichtlichen Hinweises habe der Kläger sein Vorbringen hierzu nicht konkretisiert.

II.


7
Diese Ausführungen halten in wesentlichen Punkten rechtlicher Prüfung nicht stand.
8
1. Die Prozessführungsbefugnis des Klägers begegnet entgegen den Rügen der Beklagten keinen Bedenken.
9
Der Insolvenzverwalter ist gemäß § 208 Abs. 3 InsO auch nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit zur Verwaltung und Verwertung der Masse verpflichtet. Das Amt des Insolvenzverwalters bleibt folglich nach Abgabe der Erklärung einschließlich der Verwertungs- und Befriedigungsaufgabe uneingeschränkt bestehen (MünchKomm-InsO/Hefermehl, 2. Aufl., § 208 Rn. 43). Darum hat der Insolvenzverwalter nach Eintritt der Masseunzulänglichkeit erfolgversprechende Aktivprozesse, für deren Durchführung er die Gewährung von Prozesskostenhilfe beanspruchen kann (BGH, Beschluss vom 28. Februar 2008 - IX ZB 147/07, WM 2008, 880 Rn. 6 ff), im Interesse der Massemehrung einzuleiten und durchzuführen (OLG Celle, ZInsO 2004, 93; HK-InsO/Landfermann, 6. Aufl., § 208 Rn. 15; MünchKomm-InsO/Hefermehl, aaO § 208 Rn. 50). Obsiegt der Beklagte, muss er es hinnehmen, dass etwaige Kostenerstattungsansprüche unbefriedigt bleiben. Grund dafür ist, dass die Deckung der eigenen Prozesskosten durch den unterlegenen Gegner zu den allgemeinen Prozessrisiken einer obsiegenden Partei gehört (BGH, Urteil vom 26. Juni 2001 - IX ZR 209/98, BGHZ 148, 175, 179).
10
2. Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Kläger habe einen Zurechnungszusammenhang zwischen einer Pflichtverletzung der Beklagten und dem eingetretenen Schaden nicht nachgewiesen, lässt entscheidungserhebliches, beweisbewehrtes Klagevorbringen unter Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG, § 286 ZPO unberücksichtigt.
11
a) Gegen die Beklagten bestehen vertragliche Ansprüche, wenn sie - wovon nach dem revisionsrechtlich zugrundezulegenden Sachverhalt auszugehen ist - pflichtwidrig eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Schuldnerin nicht festgestellt haben.
12
aa) Grundsätzlich ist es nicht Aufgabe des mit der allgemeinen steuerlichen Beratung der GmbH beauftragten Beraters, die Gesellschaft bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass es die Pflicht des Geschäftsführers ist, eine Überprüfung vorzunehmen oder in Auftrag zu geben, ob Insolvenzreife eingetreten ist und gegebenenfalls gemäß § 15a InsO Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt werden muss. Hingegen besteht eine haftungsrechtliche Verantwortung, wenn dem steuerlichen Berater ein ausdrücklicher Auftrag zur Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens erteilt wird (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, DB 2013, 928 Rn. 15, 19). In dieser Weise ist der Streitfall gelagert.
13
bb) Soweit die Beklagte zu 1 als allgemeine steuerliche Beraterin den eine bilanzielle Überschuldung der Schuldnerin ausweisenden Jahresabschluss gefertigt hat, kann aus etwaigen insolvenzrechtlichen Fehlleistungen eine Haftung allerdings nicht hergeleitet werden. Die Beklagte zu 1 hat jedoch nicht lediglich eine Handelsbilanz erstellt, sondern darüber hinaus unter Bezug auf Rangrücktrittsvereinbarungen und den Firmenwert durch die weitergehende Bemerkung, dass es sich um eine "Überschuldung rein bilanzieller Natur" handele , eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Schuldnerin ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 1954 - II ZR 322/53, BGHZ 16, 17, 24 ff). In dem Hinweis auf eine rein bilanzielle Überschuldung findet die Bewertung unmissverständlichen Ausdruck, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung gerade nicht vorliegt. Der Hinweis auf die Rangrücktrittsvereinbarungen und den Firmenwert offenbart, dass die Beklagte zu 1 eine über die steuerliche Bilanzierung hinausgehende Leistung erbracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, DB 2013, 928 Rn. 18). Aufgrund der wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung der Angelegenheit handelte es sich insoweit nicht um eine bloße Gefälligkeit der Beklagten, sondern um eine zusätzliche Prüfung, auf deren Richtigkeit die Schuldnerin vertrauen durfte (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 12/05, WM 2009, 369 Rn. 6 ff). Wurde von ihr eine tatsächlich bestehende insolvenzrechtliche Überschuldung verkannt, hat die Beklagte zu 1 folglich gemäß § 634 Nr. 4 BGB Schadensersatz zu leisten. Für diese Verpflichtung hat auch der Beklagte zu 2 gemäß § 128 Satz 1, § 129 HGB persönlich einzustehen (BGH, Urteil vom 10. Mai 2012 - IX ZR 125/10, BGHZ 193, 193 Rn. 68 f), weil er der Beklagten zu 1 zu dem Zeitpunkt, als die - zu unterstellende, obendrein ihm selbst anzulastende - Pflichtwidrigkeit verwirklicht wurde, als Gesellschafter angehörte (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1982 - IVa ZR 291/80, BGHZ 83, 328, 330 f).
14
Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Rechtsauffassung handelte es sich bei dem Vermerk nicht nur um die Wiedergabe einer Auffassung der Geschäftsleitung der Schuldnerin ohne eigenen Erklärungswert. Eine hinreichende Distanzierung der Beklagten zu 1 ist dem Vermerk nicht zu entnehmen.

15
b) Das Berufungsgericht hat es nach Ablehnung eines zu Gunsten des Klägers eingreifenden Anscheinsbeweises verfahrensfehlerhaft versäumt, die von dem Kläger zum Beweis seines Vorbringens, in Kenntnis der Insolvenzreife der Schuldnerin hätten ihre Geschäftsführer die Geschäftstätigkeit beendet und Insolvenzantrag gestellt, beantragte Zeugenvernehmung durchzuführen.
16
aa) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass bei Feststellung der Insolvenzreife einer GmbH vielfach ein Anscheinsbeweis für das dadurch veranlasste Verhalten des Geschäftsführers ausscheidet, weil bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unterschiedliche Maßnahmen in Betracht kommen. Als Alternative zu einer Insolvenzantragstellung stand der Schuldnerin die Möglichkeit offen, innerhalb der Antragsfrist (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO; § 64 Abs. 1 GmbHG aF) eine Umstrukturierung des Unternehmens vorzunehmen und insbesondere die Insolvenz durch Zuführung neuer Mittel abzuwenden. Anders verhielte es sich nur, wenn eine Sanierungsfähigkeit der Gesellschaft angesichts der finanziellen Möglichkeiten ihrer Gesellschafter von vornherein ausgeschlossen war (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 40).
17
bb) Geht es darum, welche hypothetische Entscheidung der Geschäftsführer einer GmbH bei vertragsgerechtem Verhalten des rechtlichen Beraters getroffen hätte, liegt es nahe, ihn dazu in einem von der Gesellschaft geführten Rechtsstreit gemäß § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO als Partei zu vernehmen, weil es um eine innere, in seiner Person liegende Tatsache geht. Da die Feststellung, ob ein Schaden entstanden ist, nach den Beweisregeln des § 287 ZPO getroffen wird, gehört die Frage, wie sich der Geschäftsführer bei ordnungsgemäßer Beratung verhalten hätte, zu dem von § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO erfassten Be- reich (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2003 - IX ZR 167/02, WM 2004, 472, 474). Ist bei Klagen der GmbH eine Parteivernehmung ihres Geschäftsführers zum Nachweis seines mutmaßlichen Verhaltens angezeigt, kann in einem von dem Insolvenzverwalter geführten Rechtsstreit der Antrag, ihn zu diesem Thema als Zeuge zu hören, nicht abgelehnt werden. Der Beweisantritt zu einer Haupttatsache darf nicht aufgrund der Würdigung von Indiztatsachen übergangen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - IX ZR 173/03, WM 2007, 569 Rn. 10).
18
3. Dem Berufungsgericht kann ebenfalls nicht gefolgt werden, soweit es die Schadensdarlegung durch den Kläger beanstandet.
19
a) Ausgangspunkt jeder Schadensberechnung bildet die Differenzhypothese.
20
Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre. Die Differenzhypothese umfasst zugleich das Erfordernis der Kausalität zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und einer dadurch eingetretenen Vermögensminderung. Nur eine Vermögensminderung , die durch das haftungsbegründende Ereignis verursacht ist, das heißt ohne dieses nicht eingetreten wäre, ist als ersatzfähiger Schaden anzuerkennen (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 42; Beschluss vom 7. Februar 2013 - IX ZR 75/12, ZInsO 2013, 671 Rn. 10). Nach der Äquivalenztheorie ist jede Bedingung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Dabei ist zu beachten, dass zur Feststellung des Ursachenzusammenhangs nur die pflichtwidrige Handlung hin- weggedacht, nicht aber weitere Umstände hinzugedacht werden dürfen (BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - IX ZR 144/10, BGHZ 189, 299 Rn. 35). Die sich aus der Äquivalenz ergebende weite Haftung für Schadensfolgen grenzt die Rechtsprechung durch die weiteren Zurechnungskriterien der Adäquanz des Kausalverlaufs und des Schutzzwecks der Norm ein (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2012 - VI ZR 127/11, NJW 2012, 2964 Rn. 12).
21
b) Nach diesen Maßstäben haben die Beklagten grundsätzlich einen der Schuldnerin nach Eintritt der Insolvenzreife durch die Fortsetzung ihrer Geschäftstätigkeit erwachsenen Schaden zu ersetzen.
22
aa) Das Erfordernis eines Ursachenzusammenhangs zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden ist erfüllt. Hätte die Beklagte - wie zu unterstellen ist - die bestehende Überschuldung der Schuldnerin erkannt und der Geschäftsführer der Schuldnerin auf der Grundlage dieser Bewertung einen Insolvenzantrag gestellt, wären die bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Antragstellung eingetretenen weiteren Vermögensnachteile vermieden worden.
23
bb) Die hierdurch bewirkte Vertiefung der Überschuldung bildet eine grundsätzlich auch adäquate Schadensfolge.
24
(1) Der Zurechnungszusammenhang kann allerdings fehlen, sofern die Verluste nicht auf der Fortsetzung der üblichen Geschäftstätigkeit, sondern auf der Eingehung wirtschaftlich nicht vertretbarer Risiken beruht und dadurch der Bereich adäquater Schadensverursachung verlassen wurde. Dies kann erst in Betracht kommen, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Geschäftsleiters aus anderen Gründen als unvertretbar gelten muss (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1997 - II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253 f).
25
(2) Soweit das Berufungsgericht insoweit von dem Kläger eine Differenzierung nach Art der Verbindlichkeiten verlangt, hat es nicht berücksichtigt, dass die Frage, ob die Schuldnerin infolge der fehlerhaften Bilanz der Beklagten einen Schaden erlitten hat, auf der Grundlage von § 287 Abs. 1 ZPO zu beurteilen ist. Diese Vorschrift ist dazu geschaffen, dem Kläger eines Schadensersatzprozesses die Einzelbegründung seines Schadens abzunehmen, und vermindert damit in ihrem Anwendungsbereich auch die sonst strengeren Anforderungen an die Darlegung. Das gilt auch für den vom Berufungsgericht aufgeworfenen Gesichtspunkt, ob nicht einige oder sämtliche vom Kläger geltend gemachten Schäden in Gestalt der behaupteten Erhöhung der Überschuldung auf nach kaufmännischen Grundsätzen nicht verantwortbaren Entscheidungen beruhen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 1987 - IVa ZR 232/85, VersR 1988, 178 f). Außerdem hat das Berufungsgericht das durch seinen Hinweis veranlasste Vorbringen des Klägers nicht berücksichtigt, dass die von ihm vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertungen keine außergewöhnlichen Geschäftsvorfälle auswiesen. Bei dieser Sachlage kann die Klage nicht mangels einer schlüssigen Schadensdarlegung abgewiesen werden.
26
cc) Der sich in der Vertiefung der Überschuldung manifestierende Schaden der Schuldnerin ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der verletzten Norm zu begrenzen.

27
(1) Eine Ersatzpflicht der Organe gegenüber der Gesellschaft ist gegeben , wenn sich die Verbindlichkeiten eines insolvenzreifen Unternehmens wegen verspäteter Insolvenzantragstellung vermehren. Da auch eine überschuldete Gesellschaft verpflichtet bleibt, ihre Gläubiger nach Möglichkeit zu befriedigen , hat sie von allen ihr zustehenden Rechten Gebrauch zu machen, um dieser Pflicht zu genügen. Wird ein überschuldetes Unternehmen pflichtwidrig fortgeführt , kann es von dem verantwortlichen Organ Schadensersatz in Höhe der Steigerung seiner Überschuldung beanspruchen (RGZ 161, 129, 142 f; BGH, Urteil vom 29. Juni 1972 - II ZR 123/71, BGHZ 59,148, 149 f; vom 10. Oktober 1985 - IX ZR 153/84, NJW 1986, 581, 582 f). Dieser Schaden wird vom Schutzzweck der Insolvenzverschleppungshaftung umfasst.
28
(2) Wird aufgrund einer von einem Abschlussprüfer gefertigten fehlerhaften Überschuldungsbilanz ein Insolvenzantrag verspätet gestellt, erfasst der daraus sich ergebende Schadensersatzanspruch ebenfalls den gesamten Insolvenzverschleppungsschaden , der insbesondere durch die auf der Unternehmensfortführung beruhende Vergrößerung der Verbindlichkeiten erwächst (BGH, Urteil vom 18. Februar 1987 - IVa ZR 232/85, VersR 1988, 178 f; vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, DB 2013, 928 Rn. 19). Folglich bemisst sich der Schaden der Schuldnerin nach der Differenz zwischen ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt rechtzeitiger Antragstellung im Vergleich zu ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt des tatsächlich gestellten Antrags (vgl. Büchler, InsVZ 2010, 68, 75). Nachteile, die durch die gebotene Liquidation ohnedies eintreten würden, braucht der Schädiger hingegen nicht zu ersetzen. Gleiches gilt, wenn einige oder sämtliche geltend gemachten Schäden in Gestalt der behaupteten Erhöhung der unterstellten Überschuldung auch dann eingetreten wären, wenn das Insolvenzverfahren auf einen rechtzeitigen Antrag eröffnet worden wäre (BGH, Urteil vom 18. Februar 1987 - IVa ZR 232/85, VersR 1988, 178 f). Von dieser rechtlichen Würdigung ist der Senat - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - im Urteil vom 26. Oktober 2000 (IX ZR 289/99, NJW 2001, 517) nicht abgerückt.
29
4. Allerdings kann ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers infolge eines der Schuldnerin analog § 31 BGB zuzurechnenden Mitverschuldens ihres Geschäftsführers (§ 254 Abs. 1 BGB) erheblich gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 1997 - III ZR 275/96, NJWE-VHR 1998, 39, 40; Urteil vom 10. Dezember 2009 - VII ZR 42/08, BGHZ 183, 323 Rn. 54; OLG Schleswig, GI 1993, 373, 382 f). Dabei handelt es sich um eine zuvörderst dem Tatrichter obliegende, von den Umständen des konkreten Einzelfalls abhängige Bewertung (BGH, Urteil vom 25. Juni 1991 - X ZR 103/89, NJW-RR 1991, 1240, 1241).
30
a) Gemäß § 254 Abs. 1 BGB hängt, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat, die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt bei der Haftung wegen einer fehlerhaften Abschlussprüfung die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des betroffenen Unternehmens in Betracht. Allerdings ist im Hinblick darauf, dass es die vorrangige Aufgabe des Abschlussprüfers ist, Fehler in der Rechnungslegung des Unternehmens aufzudecken und den daraus drohenden Schaden von diesem abzuwenden , bei der Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB mehr Zurückhaltung als bei anderen Schädigern geboten. Daher lässt auch eine vorsätzliche Irreführung des Prüfers seine Ersatzpflicht nicht ohne weiteres gänzlich entfallen (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009, aaO Rn. 56). Andererseits ist der Mitverschuldenseinwand zu beachten, wenn dem Auftraggeber, der gemäß § 322 Abs. 2 Satz 2 HGB in eigener Verantwortung den zu prüfenden Jahresabschluss aufzustellen hat, und dem Prüfer nur Fahrlässigkeit anzulasten ist (vgl. MünchKommHGB /Ebke, 2. Aufl., § 323 Rn. 75; Winkeljohann/Feldmüller, Beck´scher Bilanzkommentar , 8. Aufl., § 323 Rn. 123). Da die Abschlussprüfung das gesellschaftsinterne Kontrollsystem nicht ersetzen soll, ist der GmbH ein auch nur fahrlässiges Mitverschulden anzulasten, wenn sie ihre Insolvenzreife nicht erkennt (Staub/Zimmer, HGB, 4. Aufl., § 323 Rn. 42; Winkeljohann/Feldmüller, Beck´scher Bilanzkommentar, 8. Aufl., § 323 Rn. 123; vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1975 - II ZR 111/72, BGHZ 64, 52, 62). Aufgrund der Gesamtwürdigung kann der Tatrichter im Einzelfall in Anwendung von § 254 BGB zu einem vollständigen Haftungsausschluss des Abschlussprüfers gelangen (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 1997, aaO).
31
b) Bei der Bewertung des wechselseitigen Verschuldensgrades kann insbesondere die Schwere der dem Abschlussprüfer vorzuwerfenden Pflichtverletzung , also etwa das Ausmaß, in dem das Ergebnis der Prüfung von den tatsächlichen Verhältnissen abweicht, von Bedeutung sein. Hat der Abschlussprüfer der Gesellschaft anstelle der tatsächlich verwirklichten Überschuldung einen erheblichen Vermögensüberschuss attestiert, kann er der Geschäftsführung Anlass geben, die gebotene Selbstprüfung der wirtschaftlichen Lage zu vernachlässigen und risikoträchtige Geschäfte einzugehen, indem etwa bei der Preiskalkulation großzügig verfahren und nicht genau auf die Kostendeckung Bedacht genommen wird. Hier dürfte von einem überwiegenden Verschulden des Abschlussprüfers auszugehen sein, weil er bei der Gesellschaft das irrige Vertrauen weckt, sich nicht in einer wirtschaftlichen Schieflage zu befinden.

32
Anders verhält es sich dagegen, wenn dem Abschlussprüfer lediglich anzulasten ist, das Vermögen der Gesellschaft infolge einer Überbewertung der stillen Reserven gleich hoch wie ihre Verbindlichkeiten angesetzt und deswegen eine Überschuldung abgelehnt zu haben. Auf der Grundlage eines solchen Prüfungsergebnisses muss dem Geschäftsführer bewusst sein, den Geschäftsbetrieb nur bei Vermeidung weiterer Verluste unter strikter Wahrung der Kostendeckung fortsetzen zu dürfen. Dann trägt er die primäre Verantwortung dafür , dass keine weiteren Einbußen entstehen. Wird hierdurch die Überschuldung vertieft, kann - was auch im Streitfall zu erwägen sein dürfte - in Betracht kommen, ein ganz überwiegendes Mitverschulden der Gesellschaft oder gar eine Haftungsfreistellung des Abschlussprüfers zugrundezulegen.

III.


33
Auf die begründete Revision des Klägers ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist mangels Endentscheidungsreife gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgerichtzurückzuverweisen.
Sofern das Berufungsgericht auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen zu einer Schadensersatzpflicht der Beklagten gelangen sollte, wird es sich mit der von ihnen erhobenen Einrede der Verjährung auseinanderzusetzen haben.
Kayser Gehrlein Vill
Lohmann Fischer

Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 06.10.2011 - 2 O 419/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 19.07.2012 - 8 U 55/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 37/04
Verkündet am:
7. Dezember 2006
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Steuerberater haftet auch für einen durch fehlerhafte Beratung schuldhaft verursachten
Verzögerungsschaden des Mandanten, sofern die Vermeidung eines entsprechenden
Nachteils zum Inhalt der übernommenen Vertragspflichten gehörte.
BGH, Urteil vom 7. Dezember 2006 - IX ZR 37/04 - OLG München
LG München I
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Dezember 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter
Raebel, Vill und Cierniak und die Richterin Lohmann

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden die Urteile des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 14. Januar 2004 und der 26. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 19. März 2003, berichtigt mit Beschluss vom 15. Mai 2003, insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil erkannt ist.
Der Klageanspruch ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Die Revision des Beklagten wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten beider Rechtsmittelzüge.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus eigenem und abgetretenem Recht wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Die Klägerin, eine Molkereigenossenschaft, wollte auf ihrem ehemaligen Betriebsgrundstück einen Gebäudekomplex mit 83 Wohnungen, mehreren Läden und einer Gewerbeeinheit errichten. Ein Teil der Wohnungen sollte zur Deckung der Bau- und Finanzierungskosten verkauft, die restlichen Wohnungen sollten vermietet werden. Der Buchgewinn aus der Veräußerung der Grundstücksanteile sollte möglichst nach § 6b EStG von den Herstellungskosten der zur Vermietung vorgesehenen Wohn- und Gewerbeeinheiten abgezogen werden oder eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden. Der beklagte Verband, der die Klägerin in Steuerfragen beriet, vertrat in einem Schreiben vom 1. August 1997 die Auffassung, das Vorhaben könne durch die Klägerin selbst umgesetzt werden, ohne dass steuerliche Nachteile entstünden, empfahl aber, ein Auskunftsersuchen an das zuständige Finanzamt zu richten.
3
Die Klägerin beauftragte zusätzlich den Steuerberater K. , der zur Sicherung der Steuervorteile des § 6b EStG ein aufwändigeres Modell für erforderlich hielt. Danach sollte die Klägerin als Alleingesellschafterin eine GmbHTochter gründen und ihr den zum Verkauf bestimmten Miteigentumsanteil an dem Grundstück veräußern. Außerdem war die Gründung einer GmbH & Co. KG mit der Klägerin als alleiniger Kommanditistin und der GmbH-Tochter als Komplementärin vorgesehen. Die Klägerin sollte den restlichen Miteigentumsanteil in die KG einbringen. GmbH und KG sollten zur Errichtung der Anlage eine Bauherrengemeinschaft bilden. Die GmbH sollte ihre Wohneinheiten ver- äußern, die KG ihre Einheiten vermieten. Am 20. August beantragte K. beim zuständigen Finanzamt dazu eine verbindliche Auskunft. Mit notarieller Urkunde vom 4. September 1997 errichtete die Klägerin die vorgesehene GmbH.
4
Am 20. Oktober 1997 nahmen Vertreter des beklagten Verbandes an einer Sitzung des Vorstands der Klägerin teil. Sie empfahlen, die Anfrage K. zurückzuziehen und ein ihrem eigenen Vorschlag entsprechendes Auskunftsersuchen zu stellen. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 3 : 1 könne die Klägerin das Bauvorhaben auch selbst verwirklichen. Bis die Antwort des Finanzamts vorliege , dürfe keine Teilungserklärung abgegeben oder der Vertrag mit dem Generalunternehmer geschlossen werden, weil andernfalls die Steuervergünstigung des § 6b EStG entfallen könne. Bei einem früheren Baubeginn müsse der zu veräußernde Teil des Grundstücks auf eine Tochtergesellschaft übertragen werden.
5
Die Klägerin ließ ihre Anfrage zurücknehmen. Am 30. Oktober 1997 erhielt sie die Abriss- sowie die Baugenehmigung. Am 3. November 1997 beantragte der Beklagte für die Klägerin eine verbindliche Auskunft, ob für den auf die anteilige Veräußerung des Grund und Bodens entfallenden Gewinn eine Rücklage gemäß § 6b EStG gebildet und auf die zu aktivierenden Herstellungskosten der im Eigentum der Klägerin verbleibenden Wohneinheiten angerechnet werden könne, wenn diese selbst als Bauherrin auftrete. Die Klägerin, die am 15. Dezember 1997 mit den Rohbauarbeiten beginnen wollte, traf in der Folge Sicherungsmaßnahmen, ließ das Grundstück abräumen und begann mit der Erschließung. Am 17. Dezember 1997 ließ sie eine auf das Modell des Beklagten abgestimmte Teilungserklärung beurkunden.
6
Mit Schreiben vom 29. Dezember 1997, das der Klägerin am 8. Januar 1998 zuging, beschied das Finanzamt die Anfrage des Beklagten abschlägig. Am 12. Februar 1998 wiederholte der Steuerberater K. seine ursprüngliche Anfrage, die am 20. Februar 1998 positiv beschieden wurde. Die Bauarbeiten wurden am 28. Februar 1998 aufgenommen.
7
Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, sie falsch beraten und dadurch eine Bauverzögerung um 77 Tage verursacht zu haben. Sie verlangt Schadensersatz für die Kosten der dem Vorschlag des Beklagten entsprechenden Teilungserklärung , für Baumehrkosten und für den Mietausfall infolge der verspäteten Fertigstellung des Objekts in einer Gesamthöhe von 490.816,99 € nebst Zinsen. Die Tochtergesellschaften der Klägerin haben mit Erklärung vom 25. Februar 2002 ihre etwaigen Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten an die Klägerin abgetreten.
8
Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach zur Hälfte für gerechtfertigt erklärt. Das Oberlandesgericht hat die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen. Mit den vom Senat zugelassenen Revisionen verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter, der Beklagte beantragt Klageabweisung.

Entscheidungsgründe:


9
Nur die Revision der Klägerin hat Erfolg

I.


10
Revision des Beklagten
11
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Aktivlegitimation der Klägerin ergebe sich aus der Abtretung. Der Beklagte habe seine Pflicht zu einer risikolosen steuerlichen Beratung dadurch verletzt, dass er der Klägerin die Rücknahme des Auskunftsersuchens des Steuerberaters K. empfohlen habe, statt dessen Bescheidung abzuwarten. Dadurch sei der Klägerin dem Grunde nach ein Verzögerungsschaden entstanden, den der Beklagte zu ersetzen habe. Das ist im Ergebnis richtig.
12
1. Nach § 304 Abs. 1 ZPO kann das Gericht über den Grund eines Anspruchs vorab entscheiden, wenn dieser nach Grund und Betrag streitig ist und lediglich der Streit über den Anspruchsgrund entscheidungsreif ist. Dabei muss es nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich sein, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (vgl. BGH, Urt. v. 7. März 2005 – II ZR 144/03, WM 2005, 1624, 1625; v. 10 März 2005 – VII ZR 220/03, BGH-Report 2005, 932; v. 12. Februar 2003 – XII ZR 324/98, WM 2003, 1919, 1921). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist der Beklagte der Klägerin in einer noch zu klärenden Höhe zum Schadensersatz verpflichtet.
13
2. Die Klägerin ist aufgrund der Abtretungserklärungen vom 25. Februar 2002 auch hinsichtlich derjenigen Schäden aktivlegitimiert, die nicht bei ihr, sondern bei der GmbH und der KG entstanden sind. Die Tochtergesellschaften waren in den Schutzbereich des zwischen den Parteien bestehenden Beratungsvertrags einbezogen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Dritten aus einem zwischen anderen Personen geschlossenen Vertrag Rechte erwachsen, die den Charakter vertraglicher Ansprüche haben und die sich in ihrem Inhalt nach den zwischen den anderen Personen getroffenen vertraglichen Abmachungen bestimmen. Voraussetzung ist, dass der Dritte bestimmungsgemäß mit der unzureichend erbrachten vertraglichen Leistung in Berührung und durch sie zu Schaden gekommen ist, aber keine eigenen vertraglichen Ansprüche gegen den Schädiger hat (BGHZ 70, 327, 329; BGH, Urt. v. 22. Juli 2004 – IX ZR 132/03, WM 2004, 1825, 1827). Im vorliegenden Fall mussten sich Verzögerungen bei der Umsetzung des Konzeptes des Steuerberaters K. notwendig zum Nachteil der Tochtergesellschaften der Klägerin auswirken, welche als Bauherrengemeinschaft auftreten und die Vermietung übernehmen sollten. Das war den Vertretern des Beklagten bekannt, die der Klägerin am 20. Oktober 1997 die (vermeintlichen) Vorteile des eigenen Konzeptes erläuterten und sie dadurch zur Rücknahme der ersten Anfrage veranlassten. Sonstige vertragliche Schadensersatzansprüche stehen der GmbH und der KG nicht zu.
14
3. Der Beklagte hat die ihm obliegenden Beratungspflichten verletzt. Er hat am 20. Oktober 1997 erklärt, die Klägerin könne das Bauvorhaben mit einer Wahrscheinlichkeit von 3 : 1 auch in eigener Person verwirklichen, ohne steuerliche Nachteile zu befürchten, insbesondere die Anwendung des § 6b EStG auf den Gewinn aus der anteiligen Veräußerung des Grundstücks in Frage zu stellen. Dies entsprach nicht dem damaligen Stand der Steuerrechtsprechung und den einschlägigen Steuerrichtlinien und Erlassen (vgl. BGHZ 145, 256, 263; BGH, Urt. v. 20. Oktober 2005 – IX ZR 127/04, WM 2005, 2345).

15
a) Voraussetzung für den Abzug des bei der Veräußerung des Grund und Bodens entstandenen Gewinns von den Herstellungskosten der neu errichteten , zur Vermietung vorgesehenen Wohneinheiten oder zur Bildung einer den Gewinn mindernden Rücklage war nach § 6b Abs. 4 Nr. 2 EStG in der seinerzeit geltenden Fassung, dass die veräußerten Wirtschaftsgüter im Zeitpunkt der Veräußerung mindestens sechs Jahre ununterbrochen zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehörten. Anlagevermögen bilden diejenigen Wirtschaftsgüter, die bestimmt sind, dauernd dem Betrieb zu dienen (vgl. § 247 Abs. 2 HGB). Gemäß Abschnitt R 32 Abs. 1 Satz 7 und 8 EStR 1996 bleibt ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens, dessen Veräußerung beabsichtigt ist, so lange Anlagevermögen, wie sich seine bisherige Nutzung nicht ändert, auch wenn bereits vorbereitende Maßnahmen zu seiner Veräußerung getroffen worden sind. Bei Grundstücken des Anlagevermögens, die bis zu ihrer Veräußerung unverändert genutzt werden, ändert eine zum Zwecke der Veräußerung vorgenommene Parzellierung des Grund und Bodens oder die Aufteilung eines Gebäudes in Eigentumswohnungen nichts an der Zugehörigkeit zum Anlagevermögen (BMF v. 29. Oktober 1979, BStBl I 1979, 639; v. 13. Juli 1992 , DStR 1992, 1060; ebenso für den Fall der Parzellierung BFHE 110, 348; 197, 109;. a.A. bei Aufteilung eines zum Anlagevermögen gehörenden Mietshauses in Eigentumswohnungen allerdings noch BFHE 114, 354).
16
Nach Ansicht des Beklagten führte die geplante Bebauung des Grundstücks deshalb nicht zu einer Nutzungsänderung, weil das Grundstück zuvor Träger eines dem Anlagevermögen zuzurechnenden Bauwerks, nämlich des ehemaligen Betriebsgebäudes gewesen war. Die Errichtung eines neuen Gebäudes zum Zwecke der Aufteilung in Wohnungseigentum und der Veräußerung zahlreicher Einheiten ist jedoch schon vom Wortlaut des zitierten BMF- Schreibens nicht gedeckt. Sie steht den dort genannten Beispielsfällen der Parzellierung eines unbebauten Grundstücks oder der Aufteilung eines bereits vorhandenen Gebäudes in Eigentumswohnungen nicht gleich.
17
b) Der Beklagte hat außerdem die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum gewerblichen Grundstückshandel und den darauf beruhenden gemeinsamen Bund-Länder-Erlass der Finanzverwaltung vom 20. Dezember 1990 (BStBl I 1990, 884) nicht hinreichend berücksichtigt. Veräußert ein Steuerpflichtiger Wohneinheiten, die er auf eigenen Grundstücken errichtet hat, liegt regelmäßig ein Gewerbebetrieb vor, wenn innerhalb von fünf Jahren nach Fertigstellung mehr als drei Objekte an verschiedene Erwerber veräußert werden (BFHE 130, 34, 37; 148, 480, 482; 150, 418; BMF v. 20.12.1990, aaO Tz. 17 f). Der enge zeitliche Zusammenhang muss dabei nur zwischen der Errichtung und der Veräußerung der Wohneinheiten bestehen. Auf den Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks und darauf, ob dieses zuvor mit einem anderen Gebäude bebaut war, kommt es nicht an (BFHE 160, 249, 251). Bei einem gewerblichen Grundstückshandel , der spätestens mit der Errichtung der Wohnungen beginnt, sind die zur Bebauung und anschließenden Veräußerung bestimmten Grundstücke Umlaufvermögen (BFHE 95, 219; 151, 399; 163, 382, 385 f; 164, 381, 384; BFH/NV 1987, 646, 648; 1993, 225, 226; vgl. auch BMF v. 20.12.1990, aaO Tz. 27 unter 1a).
18
Im vorliegenden Fall ging es nicht um die Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerblichem Grundstückshandel, weil ohnehin alle Einkünfte der Klägerin als solche aus Gewerbebetrieb zu behandeln waren (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 8 Abs. 2 KStG, § 17 Abs. 2 GenG, § 238 Abs. 1 HGB). Entscheidend war, ob das Grundstück trotz der Bebauung mit einer Wohnungseigentumsanlage in der Absicht, zahlreiche Wohneinheiten zu veräußern, noch im Anlagevermögen der Klägerin bleiben würde; denn die angestrebte Anwendung des § 6b EStG setzte eine Veräußerung aus dem Anlagevermögen voraus (§ 6b Abs. 4 Nr. 2 EStG). Diese Frage war klar zu verneinen. Mit der Aufbereitung und Erschließung des Grundstücks, spätestens aber mit der Errichtung der Wohnungen zum Zwecke des Verkaufs wäre ein gewerblicher Grundstückshandel der Klägerin anzunehmen gewesen; damit wäre das dafür eingesetzte Betriebsvermögen – insbesondere der zum Verkauf bestimmte Miteigentumsanteil am Grundstück – zwingend als Umlaufvermögen zu qualifizieren gewesen (vgl. auch BFHE 200, 304).
19
c) Aufgabe des Beklagten war es, die Klägerin durch ausreichende Belehrung über die Voraussetzungen des § 6b EStG in die Lage zu versetzen, eine ihren Interessen entsprechende Entscheidung zu treffen (vgl. BGHZ 129, 386, 396; BGH, Urt. v. 16. Oktober 2003 – IX ZR 167/02, WM 2004, 472; v. 20. Oktober 2005 – IX ZR 127/04, WM 2005, 2345, 2346). Er hätte sie also darauf hinweisen müssen, dass sich mit dem von ihm vorgeschlagenen Konzept die Steuervergünstigung des § 6b EStG aus Rechtsgründen nicht erreichen ließ, statt eine Zustimmung des zuständigen Finanzamts mit einer Wahrscheinlichkeit von 3 : 1 in Aussicht zu stellen. Er hätte außerdem erläutern müssen , dass das Finanzamt nur einen bestimmt – nicht alternativ – gefassten Antrag auf Erteilung einer Auskunft mit Bindungswirkung bescheiden würde (vgl. BMF v. 24. Juni 1987, BStBl I, 474), dass also die den Vorschlag des Steuerberaters K. betreffende Anfrage und ein weiterer, auf seinen eigenen Vorschlag bezogener Antrag nicht gleichzeitig gestellt werden konnten. Dann hätte die Klägerin entscheiden können, ob sie im Hinblick auf die geringeren Kosten des Vorschlags des Beklagten gleichwohl die Anfrage K. zurückziehen und eine neue, dem Vorschlag des Beklagten entsprechende Anfrage an das zuständige Finanzamt richten sollte; den damit im (sehr wahrscheinlichen) Fall des Scheiterns der Anfrage verbundenen Verlust an Zeit und Geld hätte sie den möglichen Einsparungen im (unwahrscheinlichen) Fall einer Zustimmung des Finanzamts gegenüber stellen können. Infolge der unrichtigen Auskunft des Beklagten fehlte ihr jedoch eine ausreichende Entscheidungsgrundlage.
20
3. Das objektiv fehlerhafte Verhalten des Beklagten spricht zunächst für sein Verschulden (vgl. BGHZ 129, 386, 399; BGH, Urt. v. 20. Juni 1996 - IX ZR 106/95, WM 1996, 1832, 1835; v. 20. Januar 2005 - IX ZR 416/00, WM 2005, 999). Der Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
21
4. Um die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung eines steuerlichen Beraters für den geltend gemachten Schaden festzustellen, ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten, insbesondere wie der Mandant auf eine zutreffende Belehrung reagiert hätte und wie seine Vermögenslage dann wäre (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, Urt. v. 23. Oktober 2003 - IX ZR 249/02, WM 2004, 475, 476; v. 29. September 2005 - IX ZR 104/01, BGH-Report 2006, 164, 165). Hier folgt bereits aus der Vermutung beratungsgerechten Verhaltens (BGHZ 123, 311; BGH, Urt. v. 17. Mai 1992 - IX ZR 151/91, NJW-RR 1992, 1110 [Steuerberater]; Fischer in Zugehör /Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 1004 ff), dass die Klägerin bei vollständiger Aufklärung über die Steuerrechtslage und die höchst geringe Wahrscheinlichkeit, eine den Vorschlag des Beklagten billigende verbindliche Auskunft des Finanzamts zu erreichen, die Anfrage des Steuerberaters K. nicht zurückgezogen hätte. In diesem Fall hätte die Antwort des Finanzamts auf die das Modell K. betreffende Anfrage nicht erst am 20. Februar 1998 vorgelegen. Das Bauvorhaben hätte entsprechend früher begonnen und beendet werden können; die auf das Modell des Beklagten bezo- gene Teilungserklärung vom 17. Dezember 1997 wäre nicht beurkundet worden.
22
5. Die geltend gemachten Schadenspositionen – insbesondere die behaupteten „Verzögerungsschäden“ – fallen schließlich auch in den Schutzbereich der verletzten Beratungspflicht.
23
a) Der steuerliche Berater hat nur für solche Nachteile einzustehen, die im Schutzbereich der verletzten vertraglichen Pflichten liegen. Zu ersetzen sind solche Schadensfolgen, zu deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde (vgl. zur Anwaltshaftung BGH, Urt. v. 20. Oktober 1994 – IX ZR 116/93, NJW 1995, 449, 451; v. 21. September 1995 – IX ZR 228/94, NJW 1996, 48, 51).
24
b) Die Klägerin wollte den bei der anteiligen Veräußerung des Grundstücks anfallenden Gewinn gemäß § 6b EStG auf die Herstellungskosten der nicht zum Verkauf bestimmten Wohneinheiten anrechnen können. Ziel der Beratung , die sie in Anspruch nahm, war es also, Steuern zu sparen. Ein Schaden in Form einer unnötig hohen Steuerlast ist der Klägerin durch die unrichtige Auskunft des Beklagten nicht entstanden. Nachdem die negative Antwort des Finanzamts vorlag, konnte sie ihr Vorhaben in der vom Steuerberater K. vorgeschlagenen Form verwirklichen, welche die Anwendung des § 6b EStG ermöglichte.
25
c) Bei der Beratung am 20. Oktober 1997 ging es jedoch nicht nur um die Vermeidung einer hohen Steuerlast. Das den steuerlichen Zielen der Klägerin entsprechende Konzept des Steuerberaters K. lag bereits vor. Es stand auch schon ein konkreter Zeitplan im Raum. Die Klägerin, die ein umfangreiches ge- werbliches Objekt errichten wollte, legte aus wirtschaftlichen Gründen Wert auf einen möglichst frühzeitigen Baubeginn. Mitte Dezember 1997 sollten die Bauarbeiten beginnen. Beides war den Vertretern des Beklagten bekannt. Sie wussten außerdem, dass die Einholung einer verbindlichen Auskunft des Finanzamts über die Realisierbarkeit ihres eigenen Vorschlags die Rücknahme des bereits gestellten Antrags und im Fall einer negativen Antwort des Finanzamts eine Verzögerung des Bauvorhabens zur Folge haben würde. Zu ihren Pflichten gehörte es damit auch, die Aufnahme der Bauarbeiten nicht durch die steuerliche Abklärung eines Gestaltungsvorschlags zu verzögern, der kaum eine Aussicht auf eine Billigung durch das Finanzamt hatte. Da die Vertragspflichten des Beklagten somit erkennbar den Schutz des Interesses der Klägerin an der Vermeidung aller bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht sinnvoll erscheinender Verzögerungen umfasste, hat er auch für diejenigen Schäden einzustehen, die daraus entstanden sind, dass die Anfrage K. erst nach der Erledigung der zweiten, auf den Vorschlag des Beklagten bezogenen Anfrage neu gestellt und beantwortet werden konnte.

II.


26
Revision der Klägerin
27
Nach Ansicht des Berufungsgericht trifft die Klägerin ein hälftiges Mitverschulden , weil sie einerseits bereits Anfang August 1997 eine dem Rat des Beklagten entsprechende Auskunft habe einholen können, andererseits im Oktober 1997 dem Rat des Beklagten zur Rücknahme des Auskunftsantrags K. keine Folge habe leisten dürfen. Das ist rechtlich unhaltbar.
28
Nach 1. ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Berater, der seine Vertragspflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte verletzt hat, gegenüber dem Ersatzanspruch des Geschädigten regelmäßig nicht geltend machen, diesen treffe deshalb ein Mitverschulden, weil er der Auskunft vertraut und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe (BGHZ 134, 100, 114 f; BGH, Urt. v. 18. Dezember 1997 – IX ZR 153/96, WM 1998, 301, 304; v. 6. Februar 2003 – IX ZR 77/02, WM 2003, 1138, 1141). Das gilt auch im vorliegenden Fall. Der Klägerin kann nicht vorgeworfen zu werden, der (unrichtigen) Auskunft des Beklagten vertraut zu haben, sie könne das geplante Bauvorhaben mit einer Wahrscheinlichkeit von 3 : 1 auch in eigener Person verwirklichen, und daraufhin die erste Anfrage zurückgezogen zu haben. Daran, dass die Antwort des Finanzamts auf die Anfrage des Steuerberaters K. erst am 20. Februar 1998 vorlag, trifft sie folglich kein Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB).
29
2. Eine andere Frage ist die des Mitverschuldens im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität (§ 254 Abs. 2 BGB). Das gilt insbesondere hinsichtlich der Kosten der Teilungserklärung vom 17. Dezember 1997. Die Vertreter des Beklagten hatten am 20. Oktober 1997 darauf hingewiesen, dass die Teilungserklärung nicht beurkundet werden dürfe, bevor die Antwort des Finanzamts vorliege. Diesen Rat hat die Klägerin missachtet. Gleiches gilt hinsichtlich der Baumehrkosten. Dem Protokoll vom 20. Oktober 1997 nach hatten die Vertreter des Beklagten auch erklärt, bis zur Antwort des Finanzamts dürfe keinesfalls ein Vertrag mit dem Generalunternehmer abgeschlossen werden; die Mehrkosten sollen jedoch auf eine „Bauunterbrechung“ zurückzuführen sein. Ob und in welchem Umfang die Klägerin insoweit ein Mitverschulden trifft, ist jedoch erst im Betragsverfahren zu prüfen. Dass es sich um Ansprüche aus abgetretenem Recht der GmbH und der KG handelt, steht der Annahme eines Mitverschuldens nicht entgegen, weil die Tochtergesellschaften sich ein etwai- ges Verschulden der Klägerin gemäß § 278 Abs. 1 BGB zurechnen lassen müssten (§ 254 Abs. 2 Satz 2 BGB).

III.


30
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben, soweit zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, trifft der Senat eine eigene Sachentscheidung (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Das Landgericht wird im Betragsverfahren zu klären haben, ob und in welcher Höhe durch die Rücknahme des ersten Antrags auf eine verbindliche Auskunft Schäden entstanden sind und ob sich die Klägerin insoweit ein Mitverschulden anrechnen lassen muss.
Fischer Raebel Vill
Cierniak Lohmann
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 19.03.03- 26 O 12960/99 -
OLG München, Entscheidung vom 14.01.04- 15 U 2791/03

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 204/12
Verkündet am:
6. Juni 2013
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Erklärt der vertraglich lediglich mit der Erstellung der Steuerbilanz betraute Steuerberater
, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung nicht vorliege, haftet er der Gesellschaft
wegen der Folgen der dadurch bedingten verspäteten Insolvenzantragstellung.
BGB § 249 A, Bb, Ha, Hd; ZPO § 287
Der durch eine verspätete Insolvenzantragstellung verursachte Schaden der Gesellschaft
bemisst sich nach der Differenz zwischen ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt
rechtzeitiger Antragstellung im Vergleich zu ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt des
tatsächlich gestellten Antrags.
Wird der Insolvenzantrag einer GmbH infolge einer fehlerhaften Abschlussprüfung
verspätet gestellt, trifft die Gesellschaft mit Rücksicht auf ihre Selbstprüfungspflicht in
der Regel ein Mitverschulden an dem dadurch bedingten Insolvenzverschleppungsschaden.
BGH, Urteil vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12 - OLG Köln
LG Köln
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Juni 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter
Prof. Dr. Gehrlein, Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Fischer

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 19. Juli 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 20. März 2007 über das Vermögen der A. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) am 1. Juni 2007 eröffneten Insolvenzverfahren.
2
Die in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführte Beklagte zu 1 war die Steuerberaterin der Schuldnerin; der Beklagte zu 2 war bis zu seinem Ausscheiden am 4. März 2009 Gesellschafter der Beklagten zu 1 und mit der Betreuung der Schuldnerin befasst. Die Beklagte zu 1 erstellte am 29. August 2005 den Jahresabschluss der Schuldnerin für den 31. Dezember 2004. In dem Bilanzbericht ist ausgeführt, dass zum Bilanzstichtag ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag von 46.541,38 € bestehe, es sich dabei aber nur um eine "Überschuldung rein bilanzieller Natur" handele, weil für Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 48.278,68 € Rangrücktrittserklärungen vorlägen und der Gesellschaft aufgrund des hohen Anteils an Stammkunden ein hoher Firmenwert innewohne.
3
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatzleistung in Anspruch , weil sie pflichtwidrig die zum 31. Dezember 2004 bei der Schuldnerin gegebene insolvenzrechtliche Überschuldung nicht erkannt hätten und die Schuldnerin mangels der gebotenen Antragstellung weitere Verbindlichkeiten in Höhe von 264.938,88 € eingegangen sei. Die Vorinstanzen haben die - unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 30 vom Hundert - auf Zahlung von 187.457,21 € gerichtete Klage abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

4
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es könne offenbleiben, ob die Beklagten den Geschäftsführer der Schuldnerin pflichtwidrig nicht hinreichend über eine tatsächlich bestehende insolvenzrechtliche Überschuldung aufgeklärt hätten. Jedenfalls fehle es an der Kausalität zwischen der behaupteten Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Schuldnerin bei pflichtgemäßer Beratung bereits zu einem früheren Zeitpunkt einen Insolvenzantrag gestellt hätte. Die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens erfordere tatsächliche Feststellungen, dass im Falle sachgerechter Aufklärung eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegen hätte. Neben der Stellung eines Insolvenzantrages sei im Streitfall ernsthaft in Betracht gekommen, die fehlenden Kapitalmittel durch Erwirken von qualifizierten Rangrücktrittserklärungen sowie durch die Aufnahme von weiteren Darlehen aufzubringen. Auch mit Rücksicht auf den Maßstab des § 287 ZPO fehle es an hinreichendem Vortrag, dass sich der Geschäftsführer der Schuldnerin bereits im August 2005 zur Stellung eines Insolvenzantrags entschlossen hätte.
6
Ferner sei nicht hinreichend dargelegt, dass das Anwachsen der Überschuldung infolge der Fortführung des Unternehmens einen durch die behauptete Pflichtverletzung zurechenbar entstandenen Schaden begründe. Insoweit genüge nicht der Vortrag, dass die Überschuldung infolge der Fortführung des Unternehmens in einen bestimmten Umfang angewachsen sei. Die Pflicht, den Mandanten über die Bedeutung einer bilanziellen Überschuldung zu belehren, diene nicht dazu, den Vertragspartner von jedweden Risiken freizustellen, die sich aus der Fortführung des Unternehmens ergeben könnten. Vielmehr bedürfe es einer näheren Darlegung, welche rechtsgeschäftlichen und unternehmerischen Entscheidungen im Einzelnen dem behaupteten Anwachsen der Überschuldung zugrunde lägen, um prüfen zu können, ob das Eingehen von Verbindlichkeiten , denen in der Regel eine Gegenleistung gegenüberstehe, einen dem Berater zurechenbaren Schaden darstelle. Insoweit komme es darauf an, ob infolge der Fehlberatung naheliegende unternehmerische Entscheidungen getroffen worden seien oder die weitere Geschäftsentwicklung auf von vorneherein nach kaufmännischen Grundsätzen nicht zu rechtfertigenden unterneh- merischen Entscheidungen beruhe. Trotz eines gerichtlichen Hinweises habe der Kläger sein Vorbringen hierzu nicht konkretisiert.

II.


7
Diese Ausführungen halten in wesentlichen Punkten rechtlicher Prüfung nicht stand.
8
1. Die Prozessführungsbefugnis des Klägers begegnet entgegen den Rügen der Beklagten keinen Bedenken.
9
Der Insolvenzverwalter ist gemäß § 208 Abs. 3 InsO auch nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit zur Verwaltung und Verwertung der Masse verpflichtet. Das Amt des Insolvenzverwalters bleibt folglich nach Abgabe der Erklärung einschließlich der Verwertungs- und Befriedigungsaufgabe uneingeschränkt bestehen (MünchKomm-InsO/Hefermehl, 2. Aufl., § 208 Rn. 43). Darum hat der Insolvenzverwalter nach Eintritt der Masseunzulänglichkeit erfolgversprechende Aktivprozesse, für deren Durchführung er die Gewährung von Prozesskostenhilfe beanspruchen kann (BGH, Beschluss vom 28. Februar 2008 - IX ZB 147/07, WM 2008, 880 Rn. 6 ff), im Interesse der Massemehrung einzuleiten und durchzuführen (OLG Celle, ZInsO 2004, 93; HK-InsO/Landfermann, 6. Aufl., § 208 Rn. 15; MünchKomm-InsO/Hefermehl, aaO § 208 Rn. 50). Obsiegt der Beklagte, muss er es hinnehmen, dass etwaige Kostenerstattungsansprüche unbefriedigt bleiben. Grund dafür ist, dass die Deckung der eigenen Prozesskosten durch den unterlegenen Gegner zu den allgemeinen Prozessrisiken einer obsiegenden Partei gehört (BGH, Urteil vom 26. Juni 2001 - IX ZR 209/98, BGHZ 148, 175, 179).
10
2. Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Kläger habe einen Zurechnungszusammenhang zwischen einer Pflichtverletzung der Beklagten und dem eingetretenen Schaden nicht nachgewiesen, lässt entscheidungserhebliches, beweisbewehrtes Klagevorbringen unter Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG, § 286 ZPO unberücksichtigt.
11
a) Gegen die Beklagten bestehen vertragliche Ansprüche, wenn sie - wovon nach dem revisionsrechtlich zugrundezulegenden Sachverhalt auszugehen ist - pflichtwidrig eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Schuldnerin nicht festgestellt haben.
12
aa) Grundsätzlich ist es nicht Aufgabe des mit der allgemeinen steuerlichen Beratung der GmbH beauftragten Beraters, die Gesellschaft bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass es die Pflicht des Geschäftsführers ist, eine Überprüfung vorzunehmen oder in Auftrag zu geben, ob Insolvenzreife eingetreten ist und gegebenenfalls gemäß § 15a InsO Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt werden muss. Hingegen besteht eine haftungsrechtliche Verantwortung, wenn dem steuerlichen Berater ein ausdrücklicher Auftrag zur Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens erteilt wird (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, DB 2013, 928 Rn. 15, 19). In dieser Weise ist der Streitfall gelagert.
13
bb) Soweit die Beklagte zu 1 als allgemeine steuerliche Beraterin den eine bilanzielle Überschuldung der Schuldnerin ausweisenden Jahresabschluss gefertigt hat, kann aus etwaigen insolvenzrechtlichen Fehlleistungen eine Haftung allerdings nicht hergeleitet werden. Die Beklagte zu 1 hat jedoch nicht lediglich eine Handelsbilanz erstellt, sondern darüber hinaus unter Bezug auf Rangrücktrittsvereinbarungen und den Firmenwert durch die weitergehende Bemerkung, dass es sich um eine "Überschuldung rein bilanzieller Natur" handele , eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Schuldnerin ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 1954 - II ZR 322/53, BGHZ 16, 17, 24 ff). In dem Hinweis auf eine rein bilanzielle Überschuldung findet die Bewertung unmissverständlichen Ausdruck, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung gerade nicht vorliegt. Der Hinweis auf die Rangrücktrittsvereinbarungen und den Firmenwert offenbart, dass die Beklagte zu 1 eine über die steuerliche Bilanzierung hinausgehende Leistung erbracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, DB 2013, 928 Rn. 18). Aufgrund der wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung der Angelegenheit handelte es sich insoweit nicht um eine bloße Gefälligkeit der Beklagten, sondern um eine zusätzliche Prüfung, auf deren Richtigkeit die Schuldnerin vertrauen durfte (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 12/05, WM 2009, 369 Rn. 6 ff). Wurde von ihr eine tatsächlich bestehende insolvenzrechtliche Überschuldung verkannt, hat die Beklagte zu 1 folglich gemäß § 634 Nr. 4 BGB Schadensersatz zu leisten. Für diese Verpflichtung hat auch der Beklagte zu 2 gemäß § 128 Satz 1, § 129 HGB persönlich einzustehen (BGH, Urteil vom 10. Mai 2012 - IX ZR 125/10, BGHZ 193, 193 Rn. 68 f), weil er der Beklagten zu 1 zu dem Zeitpunkt, als die - zu unterstellende, obendrein ihm selbst anzulastende - Pflichtwidrigkeit verwirklicht wurde, als Gesellschafter angehörte (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1982 - IVa ZR 291/80, BGHZ 83, 328, 330 f).
14
Entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Rechtsauffassung handelte es sich bei dem Vermerk nicht nur um die Wiedergabe einer Auffassung der Geschäftsleitung der Schuldnerin ohne eigenen Erklärungswert. Eine hinreichende Distanzierung der Beklagten zu 1 ist dem Vermerk nicht zu entnehmen.

15
b) Das Berufungsgericht hat es nach Ablehnung eines zu Gunsten des Klägers eingreifenden Anscheinsbeweises verfahrensfehlerhaft versäumt, die von dem Kläger zum Beweis seines Vorbringens, in Kenntnis der Insolvenzreife der Schuldnerin hätten ihre Geschäftsführer die Geschäftstätigkeit beendet und Insolvenzantrag gestellt, beantragte Zeugenvernehmung durchzuführen.
16
aa) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass bei Feststellung der Insolvenzreife einer GmbH vielfach ein Anscheinsbeweis für das dadurch veranlasste Verhalten des Geschäftsführers ausscheidet, weil bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unterschiedliche Maßnahmen in Betracht kommen. Als Alternative zu einer Insolvenzantragstellung stand der Schuldnerin die Möglichkeit offen, innerhalb der Antragsfrist (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO; § 64 Abs. 1 GmbHG aF) eine Umstrukturierung des Unternehmens vorzunehmen und insbesondere die Insolvenz durch Zuführung neuer Mittel abzuwenden. Anders verhielte es sich nur, wenn eine Sanierungsfähigkeit der Gesellschaft angesichts der finanziellen Möglichkeiten ihrer Gesellschafter von vornherein ausgeschlossen war (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 40).
17
bb) Geht es darum, welche hypothetische Entscheidung der Geschäftsführer einer GmbH bei vertragsgerechtem Verhalten des rechtlichen Beraters getroffen hätte, liegt es nahe, ihn dazu in einem von der Gesellschaft geführten Rechtsstreit gemäß § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO als Partei zu vernehmen, weil es um eine innere, in seiner Person liegende Tatsache geht. Da die Feststellung, ob ein Schaden entstanden ist, nach den Beweisregeln des § 287 ZPO getroffen wird, gehört die Frage, wie sich der Geschäftsführer bei ordnungsgemäßer Beratung verhalten hätte, zu dem von § 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO erfassten Be- reich (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2003 - IX ZR 167/02, WM 2004, 472, 474). Ist bei Klagen der GmbH eine Parteivernehmung ihres Geschäftsführers zum Nachweis seines mutmaßlichen Verhaltens angezeigt, kann in einem von dem Insolvenzverwalter geführten Rechtsstreit der Antrag, ihn zu diesem Thema als Zeuge zu hören, nicht abgelehnt werden. Der Beweisantritt zu einer Haupttatsache darf nicht aufgrund der Würdigung von Indiztatsachen übergangen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - IX ZR 173/03, WM 2007, 569 Rn. 10).
18
3. Dem Berufungsgericht kann ebenfalls nicht gefolgt werden, soweit es die Schadensdarlegung durch den Kläger beanstandet.
19
a) Ausgangspunkt jeder Schadensberechnung bildet die Differenzhypothese.
20
Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre. Die Differenzhypothese umfasst zugleich das Erfordernis der Kausalität zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und einer dadurch eingetretenen Vermögensminderung. Nur eine Vermögensminderung , die durch das haftungsbegründende Ereignis verursacht ist, das heißt ohne dieses nicht eingetreten wäre, ist als ersatzfähiger Schaden anzuerkennen (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 Rn. 42; Beschluss vom 7. Februar 2013 - IX ZR 75/12, ZInsO 2013, 671 Rn. 10). Nach der Äquivalenztheorie ist jede Bedingung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Dabei ist zu beachten, dass zur Feststellung des Ursachenzusammenhangs nur die pflichtwidrige Handlung hin- weggedacht, nicht aber weitere Umstände hinzugedacht werden dürfen (BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - IX ZR 144/10, BGHZ 189, 299 Rn. 35). Die sich aus der Äquivalenz ergebende weite Haftung für Schadensfolgen grenzt die Rechtsprechung durch die weiteren Zurechnungskriterien der Adäquanz des Kausalverlaufs und des Schutzzwecks der Norm ein (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2012 - VI ZR 127/11, NJW 2012, 2964 Rn. 12).
21
b) Nach diesen Maßstäben haben die Beklagten grundsätzlich einen der Schuldnerin nach Eintritt der Insolvenzreife durch die Fortsetzung ihrer Geschäftstätigkeit erwachsenen Schaden zu ersetzen.
22
aa) Das Erfordernis eines Ursachenzusammenhangs zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden ist erfüllt. Hätte die Beklagte - wie zu unterstellen ist - die bestehende Überschuldung der Schuldnerin erkannt und der Geschäftsführer der Schuldnerin auf der Grundlage dieser Bewertung einen Insolvenzantrag gestellt, wären die bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Antragstellung eingetretenen weiteren Vermögensnachteile vermieden worden.
23
bb) Die hierdurch bewirkte Vertiefung der Überschuldung bildet eine grundsätzlich auch adäquate Schadensfolge.
24
(1) Der Zurechnungszusammenhang kann allerdings fehlen, sofern die Verluste nicht auf der Fortsetzung der üblichen Geschäftstätigkeit, sondern auf der Eingehung wirtschaftlich nicht vertretbarer Risiken beruht und dadurch der Bereich adäquater Schadensverursachung verlassen wurde. Dies kann erst in Betracht kommen, wenn die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Geschäftsleiters aus anderen Gründen als unvertretbar gelten muss (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1997 - II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253 f).
25
(2) Soweit das Berufungsgericht insoweit von dem Kläger eine Differenzierung nach Art der Verbindlichkeiten verlangt, hat es nicht berücksichtigt, dass die Frage, ob die Schuldnerin infolge der fehlerhaften Bilanz der Beklagten einen Schaden erlitten hat, auf der Grundlage von § 287 Abs. 1 ZPO zu beurteilen ist. Diese Vorschrift ist dazu geschaffen, dem Kläger eines Schadensersatzprozesses die Einzelbegründung seines Schadens abzunehmen, und vermindert damit in ihrem Anwendungsbereich auch die sonst strengeren Anforderungen an die Darlegung. Das gilt auch für den vom Berufungsgericht aufgeworfenen Gesichtspunkt, ob nicht einige oder sämtliche vom Kläger geltend gemachten Schäden in Gestalt der behaupteten Erhöhung der Überschuldung auf nach kaufmännischen Grundsätzen nicht verantwortbaren Entscheidungen beruhen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 1987 - IVa ZR 232/85, VersR 1988, 178 f). Außerdem hat das Berufungsgericht das durch seinen Hinweis veranlasste Vorbringen des Klägers nicht berücksichtigt, dass die von ihm vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertungen keine außergewöhnlichen Geschäftsvorfälle auswiesen. Bei dieser Sachlage kann die Klage nicht mangels einer schlüssigen Schadensdarlegung abgewiesen werden.
26
cc) Der sich in der Vertiefung der Überschuldung manifestierende Schaden der Schuldnerin ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der verletzten Norm zu begrenzen.

27
(1) Eine Ersatzpflicht der Organe gegenüber der Gesellschaft ist gegeben , wenn sich die Verbindlichkeiten eines insolvenzreifen Unternehmens wegen verspäteter Insolvenzantragstellung vermehren. Da auch eine überschuldete Gesellschaft verpflichtet bleibt, ihre Gläubiger nach Möglichkeit zu befriedigen , hat sie von allen ihr zustehenden Rechten Gebrauch zu machen, um dieser Pflicht zu genügen. Wird ein überschuldetes Unternehmen pflichtwidrig fortgeführt , kann es von dem verantwortlichen Organ Schadensersatz in Höhe der Steigerung seiner Überschuldung beanspruchen (RGZ 161, 129, 142 f; BGH, Urteil vom 29. Juni 1972 - II ZR 123/71, BGHZ 59,148, 149 f; vom 10. Oktober 1985 - IX ZR 153/84, NJW 1986, 581, 582 f). Dieser Schaden wird vom Schutzzweck der Insolvenzverschleppungshaftung umfasst.
28
(2) Wird aufgrund einer von einem Abschlussprüfer gefertigten fehlerhaften Überschuldungsbilanz ein Insolvenzantrag verspätet gestellt, erfasst der daraus sich ergebende Schadensersatzanspruch ebenfalls den gesamten Insolvenzverschleppungsschaden , der insbesondere durch die auf der Unternehmensfortführung beruhende Vergrößerung der Verbindlichkeiten erwächst (BGH, Urteil vom 18. Februar 1987 - IVa ZR 232/85, VersR 1988, 178 f; vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2013 - IX ZR 64/12, DB 2013, 928 Rn. 19). Folglich bemisst sich der Schaden der Schuldnerin nach der Differenz zwischen ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt rechtzeitiger Antragstellung im Vergleich zu ihrer Vermögenslage im Zeitpunkt des tatsächlich gestellten Antrags (vgl. Büchler, InsVZ 2010, 68, 75). Nachteile, die durch die gebotene Liquidation ohnedies eintreten würden, braucht der Schädiger hingegen nicht zu ersetzen. Gleiches gilt, wenn einige oder sämtliche geltend gemachten Schäden in Gestalt der behaupteten Erhöhung der unterstellten Überschuldung auch dann eingetreten wären, wenn das Insolvenzverfahren auf einen rechtzeitigen Antrag eröffnet worden wäre (BGH, Urteil vom 18. Februar 1987 - IVa ZR 232/85, VersR 1988, 178 f). Von dieser rechtlichen Würdigung ist der Senat - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - im Urteil vom 26. Oktober 2000 (IX ZR 289/99, NJW 2001, 517) nicht abgerückt.
29
4. Allerdings kann ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers infolge eines der Schuldnerin analog § 31 BGB zuzurechnenden Mitverschuldens ihres Geschäftsführers (§ 254 Abs. 1 BGB) erheblich gemindert oder sogar ganz ausgeschlossen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 1997 - III ZR 275/96, NJWE-VHR 1998, 39, 40; Urteil vom 10. Dezember 2009 - VII ZR 42/08, BGHZ 183, 323 Rn. 54; OLG Schleswig, GI 1993, 373, 382 f). Dabei handelt es sich um eine zuvörderst dem Tatrichter obliegende, von den Umständen des konkreten Einzelfalls abhängige Bewertung (BGH, Urteil vom 25. Juni 1991 - X ZR 103/89, NJW-RR 1991, 1240, 1241).
30
a) Gemäß § 254 Abs. 1 BGB hängt, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat, die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt bei der Haftung wegen einer fehlerhaften Abschlussprüfung die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des betroffenen Unternehmens in Betracht. Allerdings ist im Hinblick darauf, dass es die vorrangige Aufgabe des Abschlussprüfers ist, Fehler in der Rechnungslegung des Unternehmens aufzudecken und den daraus drohenden Schaden von diesem abzuwenden , bei der Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB mehr Zurückhaltung als bei anderen Schädigern geboten. Daher lässt auch eine vorsätzliche Irreführung des Prüfers seine Ersatzpflicht nicht ohne weiteres gänzlich entfallen (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009, aaO Rn. 56). Andererseits ist der Mitverschuldenseinwand zu beachten, wenn dem Auftraggeber, der gemäß § 322 Abs. 2 Satz 2 HGB in eigener Verantwortung den zu prüfenden Jahresabschluss aufzustellen hat, und dem Prüfer nur Fahrlässigkeit anzulasten ist (vgl. MünchKommHGB /Ebke, 2. Aufl., § 323 Rn. 75; Winkeljohann/Feldmüller, Beck´scher Bilanzkommentar , 8. Aufl., § 323 Rn. 123). Da die Abschlussprüfung das gesellschaftsinterne Kontrollsystem nicht ersetzen soll, ist der GmbH ein auch nur fahrlässiges Mitverschulden anzulasten, wenn sie ihre Insolvenzreife nicht erkennt (Staub/Zimmer, HGB, 4. Aufl., § 323 Rn. 42; Winkeljohann/Feldmüller, Beck´scher Bilanzkommentar, 8. Aufl., § 323 Rn. 123; vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1975 - II ZR 111/72, BGHZ 64, 52, 62). Aufgrund der Gesamtwürdigung kann der Tatrichter im Einzelfall in Anwendung von § 254 BGB zu einem vollständigen Haftungsausschluss des Abschlussprüfers gelangen (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 1997, aaO).
31
b) Bei der Bewertung des wechselseitigen Verschuldensgrades kann insbesondere die Schwere der dem Abschlussprüfer vorzuwerfenden Pflichtverletzung , also etwa das Ausmaß, in dem das Ergebnis der Prüfung von den tatsächlichen Verhältnissen abweicht, von Bedeutung sein. Hat der Abschlussprüfer der Gesellschaft anstelle der tatsächlich verwirklichten Überschuldung einen erheblichen Vermögensüberschuss attestiert, kann er der Geschäftsführung Anlass geben, die gebotene Selbstprüfung der wirtschaftlichen Lage zu vernachlässigen und risikoträchtige Geschäfte einzugehen, indem etwa bei der Preiskalkulation großzügig verfahren und nicht genau auf die Kostendeckung Bedacht genommen wird. Hier dürfte von einem überwiegenden Verschulden des Abschlussprüfers auszugehen sein, weil er bei der Gesellschaft das irrige Vertrauen weckt, sich nicht in einer wirtschaftlichen Schieflage zu befinden.

32
Anders verhält es sich dagegen, wenn dem Abschlussprüfer lediglich anzulasten ist, das Vermögen der Gesellschaft infolge einer Überbewertung der stillen Reserven gleich hoch wie ihre Verbindlichkeiten angesetzt und deswegen eine Überschuldung abgelehnt zu haben. Auf der Grundlage eines solchen Prüfungsergebnisses muss dem Geschäftsführer bewusst sein, den Geschäftsbetrieb nur bei Vermeidung weiterer Verluste unter strikter Wahrung der Kostendeckung fortsetzen zu dürfen. Dann trägt er die primäre Verantwortung dafür , dass keine weiteren Einbußen entstehen. Wird hierdurch die Überschuldung vertieft, kann - was auch im Streitfall zu erwägen sein dürfte - in Betracht kommen, ein ganz überwiegendes Mitverschulden der Gesellschaft oder gar eine Haftungsfreistellung des Abschlussprüfers zugrundezulegen.

III.


33
Auf die begründete Revision des Klägers ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist mangels Endentscheidungsreife gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgerichtzurückzuverweisen.
Sofern das Berufungsgericht auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen zu einer Schadensersatzpflicht der Beklagten gelangen sollte, wird es sich mit der von ihnen erhobenen Einrede der Verjährung auseinanderzusetzen haben.
Kayser Gehrlein Vill
Lohmann Fischer

Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 06.10.2011 - 2 O 419/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 19.07.2012 - 8 U 55/11 -

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Der Anspruch des Auftraggebers aus dem zwischen ihm und dem Rechtsanwalt bestehenden Vertragsverhältnis auf Ersatz eines fahrlässig verursachten Schadens kann beschränkt werden:

1.
durch schriftliche Vereinbarung im Einzelfall bis zur Höhe der Mindestversicherungssumme;
2.
durch vorformulierte Vertragsbedingungen für Fälle einfacher Fahrlässigkeit auf den vierfachen Betrag der Mindestversicherungssumme, wenn insoweit Versicherungsschutz besteht.
Für Berufsausübungsgesellschaften gilt Satz 1 entsprechend.

(2) Die Mitglieder einer Berufsausübungsgesellschaft ohne Haftungsbeschränkung haften aus dem zwischen ihr und dem Auftraggeber bestehenden Vertragsverhältnis als Gesamtschuldner. Die persönliche Haftung auf Schadensersatz kann auch durch vorformulierte Vertragsbedingungen beschränkt werden auf einzelne Mitglieder einer Berufsausübungsgesellschaft ohne Haftungsbeschränkung, die das Mandat im Rahmen ihrer eigenen beruflichen Befugnisse bearbeiten und namentlich bezeichnet sind. Die Zustimmungserklärung zu einer solchen Beschränkung darf keine anderen Erklärungen enthalten und muß vom Auftraggeber unterschrieben sein.

(1) Der Anspruch des Auftraggebers aus dem zwischen ihm und dem Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten bestehenden Vertragsverhältnis auf Ersatz eines fahrlässig verursachten Schadens kann beschränkt werden:

1.
durch schriftliche Vereinbarung im Einzelfall bis zur Höhe der Mindestversicherungssumme;
2.
durch vorformulierte Vertragsbedingungen auf den vierfachen Betrag der Mindestversicherungssumme, wenn insoweit Versicherungsschutz besteht.
Für Berufsausübungsgesellschaften gilt Satz 1 entsprechend.

(2) Die persönliche Haftung auf Schadensersatz kann durch vorformulierte Vertragsbedingungen beschränkt werden auf die Mitglieder einer Berufsausübungsgesellschaft ohne Haftungsbeschränkung, die das Mandat im Rahmen ihrer eigenen beruflichen Befugnisse bearbeiten und namentlich bezeichnet sind. Die Zustimmungserklärung zu einer solchen Beschränkung darf keine anderen Erklärungen enthalten und muß vom Auftraggeber unterschrieben sein.

(1) Der Abschlußprüfer, seine Gehilfen und die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft sind zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung und zur Verschwiegenheit verpflichtet; gesetzliche Mitteilungspflichten bleiben unberührt. Sie dürfen nicht unbefugt Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse verwerten, die sie bei ihrer Tätigkeit erfahren haben. Wer vorsätzlich oder fahrlässig seine Pflichten verletzt, ist der Kapitalgesellschaft und, wenn ein verbundenes Unternehmen geschädigt worden ist, auch diesem zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Mehrere Personen haften als Gesamtschuldner.

(2) Die Ersatzpflicht der in Absatz 1 Satz 1 genannten Personen für eine Prüfung ist vorbehaltlich der Sätze 2 bis 4 wie folgt beschränkt:

1.
bei Kapitalgesellschaften, die ein Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 316a Satz 2 Nummer 1 sind: auf sechzehn Millionen Euro;
2.
bei Kapitalgesellschaften, die ein Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 316a Satz 2 Nummer 2 oder 3, aber nicht nach § 316a Satz 2 Nummer 1 sind: auf vier Millionen Euro;
3.
bei Kapitalgesellschaften, die nicht in den Nummern 1 und 2 genannt sind: auf eine Million fünfhunderttausend Euro.
Dies gilt nicht für Personen, die vorsätzlich gehandelt haben, und für den Abschlussprüfer einer Kapitalgesellschaft nach Satz 1 Nummer 1, der grob fahrlässig gehandelt hat. Die Ersatzpflicht des Abschlussprüfers einer Kapitalgesellschaft nach Satz 1 Nummer 2, der grob fahrlässig gehandelt hat, ist abweichend von Satz 1 Nummer 2 auf zweiunddreißig Millionen Euro für eine Prüfung beschränkt. Die Ersatzpflicht des Abschlussprüfers einer Kapitalgesellschaft nach Satz 1 Nummer 3, der grob fahrlässig gehandelt hat, ist abweichend von Satz 1 Nummer 3 auf zwölf Millionen Euro für eine Prüfung beschränkt. Die Haftungshöchstgrenzen nach den Sätzen 1, 3 und 4 gelten auch, wenn an der Prüfung mehrere Personen beteiligt gewesen oder mehrere zum Ersatz verpflichtende Handlungen begangen worden sind, und ohne Rücksicht darauf, ob andere Beteiligte vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt haben.

(3) Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit besteht, wenn eine Prüfungsgesellschaft Abschlußprüfer ist, auch gegenüber dem Aufsichtsrat und den Mitgliedern des Aufsichtsrats der Prüfungsgesellschaft.

(4) Die Ersatzpflicht nach diesen Vorschriften kann durch Vertrag weder ausgeschlossen noch beschränkt werden.

(5) Die Mitteilung nach Artikel 7 Unterabsatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 ist an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu richten, bei dem Verdacht einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit auch an die für die Verfolgung jeweils zuständige Behörde.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 88/99 Verkündet am:
8. Januar 2001
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
GmbHG §§ 30, 31, 32 a, 32 b, 64 Abs. 2

a) Forderungen eines Gesellschafters aus der Gewährung eigenkapitalersetzender
Leistungen sind, soweit für sie keine Rangrücktrittserklärung abgegeben
worden ist, in der Überschuldungsbilanz der Gesellschaft zu passivieren.

b) Maßstab für die Prüfung, ob eine Zahlung des Geschäftsführers i.S.v. § 64
Abs. 2 Satz 2 GmbHG mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns
vereinbar ist, sind nicht allein die allgemeinen Verhaltenspflichten des Geschäftsführers
, sondern insbesondere auch der Zweck des § 64 Abs. 2
GmbHG, Masseverkürzungen der insolvenzreifen Gesellschaft und eine bevorzugte
Befriedigung einzelner Gesellschaftsgläubiger zu verhindern.

c) Zahlungen, die der Geschäftsführer dem Verbot des § 64 Abs. 2 GmbHG
zuwider geleistet hat, sind von ihm ungekürzt zu erstatten (Abweichung von
BGHZ 143, 184). Ihm ist in dem Urteil vorzubehalten, seinen Gegenanspruch
, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den der begünstigte
Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte, nach Erstattung
an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen. Etwa bestehende
Erstattungsansprüche der Masse gegen Dritte sind Zug um Zug an
den Geschäftsführer abzutreten.
BGH, Urt. v. 8. Januar 2001 - II ZR 88/99 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und die
Richter Prof. Dr. Henze, Prof. Dr. Goette, Dr. Kurzwelly und die Richterin Münke

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten zu 2 wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. Februar 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Gegenstand des Geschäftsbetriebs der im Jahr 1980 gegründeten und zuletzt mit einem Stammkapital von 750.000,-- DM ausgestatteten S. und B. GmbH, der späteren Gemeinschuldnerin, war die Herstellung und der Vertrieb von elektrischen Anlagen. Gesellschafter und Geschäftsführer waren
ursprünglich die Beklagten zu 1 und zu 2. Unter dem 25. Oktober 1993 hat der Beklagte zu 1 sein Geschäftsführeramt niedergelegt und zugleich seinen Geschäftsanteil auf seinen Sohn, den Beklagten zu 2, übertragen. Die Produktionsanlagen standen im wesentlichen im Eigentum der S. und B. Handels GmbH & Co. KG, der Beklagten zu 3, die die Maschinen und Betriebsvorrichtungen an die Gemeinschuldnerin im Wege einer Betriebsaufspaltung zusammen mit dem durch sie selbst von einer BGB-Gesellschaft, bestehend aus dem Beklagten zu 1 und seiner Ehefrau, gemieteten Betriebsgrundstück aufgrund eines Miet- und Pachtvertrages überlassen hatte.
Erstmals im Geschäftsjahr 1991/1992 erwirtschaftete die bis dahin sehr erfolgreiche Gesellschaft ein negatives Betriebsergebnis von annähernd 1,5 Mio. DM, das nach Auflösung von Gewinnrückstellungen zum Ausweis eines nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages von 85.702,-- DM in der Jahresbilanz zum 31. Januar 1992 führte. Beim nächsten Bilanzstichtag war der nicht gedeckte Fehlbetrag auf 1,272 Mio. DM angewachsen. Im November 1992 und im Mai 1993 gewährten die Gesellschafter der GmbH ein Darlehen i.H.v. jeweils 1 Mio. DM, wobei das Novemberdarlehen mit einer Rangrücktrittserklärung versehen war. Außerdem leitete die Geschäftsführung im Laufe des Jahres 1993 Umstrukturierungsmaßnahmen ein, die langfristig die Personalkosten reduzieren sollten, zunächst die Gesellschaft aber mit Abfindungszahlungen an ausscheidende Arbeitnehmer in Millionenhöhe belasteten. In der zweiten Jahreshälfte desselben Jahres mit Interessenten wegen der Übernahme des gesamten Unternehmens geführte Verhandlungen sind spätestens Mitte Dezember 1993 gescheitert. Auf den am 20. Dezember 1993 gestellten Antrag des Beklagten zu 2 hin ist am 21. Januar 1994 das Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter bestellt worden.
Dieser hat von den Beklagten mit einer einheitlichen, aber auf unterschiedliche Sachverhalte gestützten Klage Zahlung verschiedener Beträge gefordert. Nachdem das Landgericht nach § 145 ZPO verfahren ist, geht es im vorliegenden Rechtsstreit um einen Anspruch auf Zahlung von 119.254,-- DM, den der Kläger auf folgenden Sachverhalt stützt:
Nach dem ursprünglich übereinstimmenden, erstmals gegen Ende des Berufungsverfahrens von den Beklagten bestrittenen Vortrag des Klägers bestand zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten zu 3 eine seit 1981 praktizierte umsatzsteuerliche Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Die an die Beklagte zu 3 als Organträgerin geleisteten Miet- und Pachtzahlungen, die ihr wesentliches Einkommen ausmachten, blieben danach wegen des Organschaftsverhältnisses umsatzsteuerfrei; zu den von der Gemeinschuldnerin erzielten Umsätzen gab die Beklagte zu 3 als Organträgerin die vorgeschriebenen Umsatzsteuererklärungen ab, während die fälligen Zahlungen absprachegemäß unmittelbar von der Gemeinschuldnerin an das Finanzamt geleistet wurden. Am 10. Dezember 1993 stellte der Beklagte zu 2 für die Gemeinschuldnerin einen Scheck über 119.254,-- DM aus und reichte ihn bei dem Finanzamt ein, um damit die fällige Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Oktober 1993 zu begleichen. Der Scheck wurde am 17. Dezember 1993 eingelöst. Nach Meinung des Klägers hat die Verfahrensweise des Beklagten zu 2 nicht nur auf § 64 Abs. 2 GmbHG gestützte Erstattungsansprüche gegen ihn selbst, sondern außerdem auch einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu 3 ausgelöst, weil diese als Organträgerin und Steuerschuldnerin durch das Vorgehen der Gemeinschuldnerin von ihrer Umsatzsteuerverbindlichkeit befreit worden sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die zuletzt nur noch gegen die Beklagten zu 2 und zu 3 gerichtete Berufung des Klägers hatte gegenüber
der Beklagten zu 3 lediglich i.H.v. 3.500,-- DM nebst Zinsen, gegenüber dem Beklagten zu 2 aber in vollem Umfang Erfolg. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten zu 2 (im folgenden: Beklagter), der die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen will.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. 1. Das Berufungsgericht hat aus dem Umstand, daß der Beklagte am 20. Dezember 1993 den zur Verfahrenseröffnung führenden Konkursantrag gestellt und bereits in der Klageerwiderung die Umstände näher dargelegt hat, die hierfür Veranlassung gegeben haben, hergeleitet, daß die Gemeinschuldnerin Anfang Dezember 1993 überschuldet war. In der Richtigkeit dieser Beurteilung hat es sich durch die im Rechtsstreit vorgelegten Jahresbilanzen der Gesellschaft zum 31. Januar 1992 und zum 31. Januar 1993 bestätigt gesehen und hat es deswegen abgelehnt, auf den nicht nachgelassenen Schriftsatz des Beklagten vom 15. Januar 1999 die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
2. Mit Recht macht die Revision geltend, daß diese Beurteilung nicht in allen Punkten rechtsfehlerfrei ist, ohne daß sich allerdings deswegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Gemeinschuldnerin sei Anfang Dezember 1993 überschuldet gewesen, aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen im Ergebnis als unzutreffend erweist.

a) Schon im Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht nicht beachtet,
daß nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (BGHZ 125, 141, 146; Urt. v. 12. Juli 1999 - II ZR 87/98, ZIP 1999, 1524; zuletzt Urt. v. 18. Dezember 2000 - II ZR 191/99 z.V.b.) das Vorhandensein einer Überschuldung nicht auf der Grundlage einer fortgeschriebenen Jahresbilanz, mag deren negativem Ergebnis auch indizielle Bedeutung beikommen können, festgestellt werden kann, sondern daß es hierzu grundsätzlich der Aufstellung einer Überschuldungsbilanz bedarf, in welcher die Vermögenswerte der Gesellschaft mit ihren aktuellen Verkehrs- oder Liquidationswerten auszuweisen sind.

b) Auf die Erstellung einer derartigen Überschuldungsbilanz kann auch bei einer GmbH, die lediglich als Betriebsgesellschaft fungiert, ohne eigenen Grundbesitz ist und ihre Produkte im wesentlichen mit Hilfe gemieteter oder gepachteter Maschinen herstellt, grundsätzlich nicht verzichtet werden. Denn auch eine solche Gesellschaft kann im Einzelfall über eigenes Vermögen verfügen , das in der Jahresbilanz nicht mit den aktuellen Werten erfaßt worden ist, also stille Reserven enthält. Das hat auch das Berufungsgericht, wenn auch von anderem Ausgangspunkt aus, nicht verkannt und zugunsten des insofern darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten (Sen.Urt. v. 2. Juni 1997 - II ZR 211/95, ZIP 1997, 1648) als richtig unterstellt, daß der Verkehrswert der mit einem Buchwert von gut 490.000,-- DM erfaßten Gegenstände des Anlagevermögens um mindestens 650.000,-- DM höher anzusetzen ist.

c) Mangels gegenteiliger Feststellungen ist zugunsten des Beklagten das Vorhandensein stiller Reserven in dieser Höhe für das Revisionsverfahren zu unterstellen. Von den zum 31. Januar 1993 ermittelten Zahlen ausgehend beträgt nach den bisherigen tatrichterlichen Feststellungen das Maß der Überschuldung an dem im vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Zeitpunkt von Anfang Dezember mindestens 622.053,18 DM, wie ihn das Berufungsgericht - allerdings nicht rechtsfehlerfrei - schon für den 31. Januar 1993 als beste-
hend angenommen hat.
aa) Schon der Beklagte selbst hat nicht geltend gemacht, daß sich bei der grundsätzlich gebotenen Erstellung einer die aktuellen Verkehrswerte ausweisenden Überschuldungsbilanz Vermögenswerte finden ließen, die das Maß des in der Jahresbilanz ausgewiesenen Fehlbetrages über die oben behandelten stillen Reserven hinaus mindern würden.
bb) Das Maß der Überschuldung ist - anders als die Revision meint - auch nicht deswegen unrichtig ermittelt worden, weil das Berufungsgericht bei seiner Prüfung der Überschuldung bezogen auf den Monat Dezember 1993 von einem zu hohen Betrag der Passiva ausgegangen ist, indem es auch die Verbindlichkeiten aus eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen als Passiva angesetzt hat. Zwar durfte das mit einer Rangrücktrittserklärung versehene Gesellschafterdarlehen von November 1992 entgegen der Verfahrensweise des Berufungsgerichts nicht als Passivum erfaßt werden, so daß die Annahme , es habe bereits zum Ende des Geschäftsjahres 1992/93 eine Überschuldung bestanden, nicht rechtsfehlerfrei festgestellt worden ist. Zu seinen Gunsten kann der Beklagte hieraus jedoch deswegen nichts herleiten, weil an Stelle des aus dem Überschuldungsstatus herauszunehmenden Gesellschafterdarlehens vom November 1992 für den hier zu prüfenden Zeitpunkt das im Mai 1993 gewährte, zweifelsfrei eigenkapitalersetzend wirkende, nicht mit einem Rangrücktritt versehene Gesellschafterdarlehen von 1 Mio. DM getreten ist und weil diese Verbindlichkeit ebenso wie die seitens der Beklagten zu 3 durch Stehenlassen in funktionales Eigenkapital umqualifizierten Mietschulden von knapp 691.000,-- DM in der Überschuldungsbilanz zu erfassen waren. Auf die zwischen den Parteien umstrittene und von dem Berufungsgericht nicht geklärte Frage, ob die Gemeinschuldnerin im Laufe des Jahres 1993 weitere Verluste von mehr als 900.000,-- DM erwirtschaftet hat, kommt es danach
ebenso wenig an, wie auf die bilanziellen Auswirkungen der mit Abfindungen in Millionenhöhe verbundenen Umstrukturierungsmaßnahmen des Jahres 1993.
(1) Die Frage, ob die Forderungen aus eigenkapitalersetzend wirkenden Gesellschafterleistungen in der Überschuldungsbilanz als Passiva zu erfassen sind, ist nicht nur unter der Herrschaft der InsO umstritten, sie ist schon unter der Geltung des hier einschlägigen früheren Rechts nicht einheitlich beantwortet worden (vgl. nur Hommelhoff, FS Döllerer S. 245, 253 ff.; Fleck, FS Döllerer S. 109, 122 ff.; Kleindiek in v.Gerkan/Hommelhoff, Handbuch des Kapitalersatzrechts 2000, S. 202 ff.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 15. Aufl. § 64 Rdnr. 17 ff.; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG 17. Aufl. § 64 Rdnr. 18 je mit eingehender Dokumentation; speziell zur Rechtslage unter der Geltung der InsO Altmeppen, ZHR 164 [2000], 349 ff.; Rowedder, GmbHG 3. Aufl. § 63 Rdnr. 14; GK-AktG/Habersack, 4. Aufl. § 92 Rdnr. 57; Hüffer, AktG 4. Aufl. § 92 Rdnr. 11; Lutter, ZIP 1999, 641 ff.; Pape in Kübler/Prütting, InsO § 19 Rdnr. 14; HK-InsO/Kirchhof, § 19 Rdnr. 26; FK-InsO/Schmerbach, 2. Aufl. § 19 Rdnr. 18; Hess, InsO § 19 Rdnr. 36). Im Schrifttum im Vordringen war dabei die Auffassung , die sich gegen eine Passivierung aussprach. Begründet wurde dies mit dem Sinn der Überschuldungbilanz festzustellen, ob das Gesellschaftsvermögen ausreiche, alle außenstehenden Gesellschaftsgläubiger zu befriedigen; da in dieser Lage die Gesellschafter Leistungen auf ihre in funktionales Eigenkapital umqualifizierten Hilfen ohnehin nicht fordern dürften, seien deren Forderungen auch in der Überschuldungsbilanz nicht zu erfassen (vgl. etwa Hachenburg/Ulmer, GmbHG 8. Aufl. § 63 Rdnr. 46 a; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 15. Aufl. § 64 Rdnr. 17 c; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh aaO § 64 Rdnr. 18, der allerdings für Zweifelsfälle die Bildung einer Rückstellung fordert; ähnlich Fleischer, ZIP 1996, 773, 778 f. und Noack, FS Claussen S. 307, 314 f.; ferner OLG München, NJW 1994, 3112 m. abl. Anm. von Wolf,
DB 1995, 2277). Diese Gleichsetzung von funktionalem und statutarischem Eigenkapital führt zu einer vorrangigen Berücksichtigung des Erhaltungsinteresses der Mitgesellschafter des betroffenen Gesellschafters, es belastet in Grenzfällen jedoch den Geschäftsführer mit den schadenersatzrechtlichen (§ 64 GmbHG) und strafrechtlichen (§ 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG) Risiken der ihm abverlangten Entscheidung, ob jene Gesellschafterleistung als eigenkapitalersetzend einzustufen und ob demgemäß von der Stellung des Insolvenzantrags Abstand zu nehmen ist. Nicht zuletzt das Anliegen, den Geschäftsführer hiermit nicht zu belasten, sondern für zweifelsfreie und rechtssichere Verhältnisse zu sorgen, bewegt neben anderen Gründen die Vertreter der Gegenansicht dazu, grundsätzlich die Einstellung eigenkapitalersetzender Gesellschafterhilfen auf der Passivseite der Überschuldungsbilanz zu verlangen (vgl. etwa Scholz/K.Schmidt, GmbHG 9. Aufl. §§ 32 a/32 b Rdnr. 63; ders. GmbHR 1999, 9, 15 f.; Priester, ZIP 1994, 413, 416; Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz 2. Aufl. Rdnr. 610; GK-AktG/Habersack aaO § 92 Fn. 77; Fastrich, FS Zöllner S. 143, 159 ff.; OLG Düsseldorf, GmbHR 1999, 615, 617).
(2) In Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung zur Vorbelastungs - und Jahresbilanz (BGHZ 124, 282) wird allerdings allgemein angenommen , daß sich die Frage der Passivierung von Gesellschafterforderungen mit eigenkapitalersetzendem Charakter auch beim Überschuldungsstatus dann nicht stellt, wenn der betreffende Gesellschafter seinen Rangrücktritt, also sinngemäß erklärt hat, er wolle wegen der genannten Forderungen erst nach der Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger und - bis zur Abwendung der Krise - auch nicht vor, sondern nur zugleich mit den Einlagerückgewähransprüchen seiner Mitgesellschafter berücksichtigt, also so behandelt werden, als handele es sich bei seiner Gesellschafterleistung um statutarisches Kapital (mißverständlich Uhlenbruck aaO Rdnr. 613). Stellt sich der Gesellschafter in dieser Weise wegen seiner Ansprüche aus einer in funktionales Eigenkapital
umqualifizierten Drittleistung auf dieselbe Stufe, auf der er selbst und seine Mitgesellschafter hinsichtlich ihrer Einlagen stehen, besteht keine Notwendigkeit , diese Forderungen in den Schuldenstatus der Gesellschaft aufzunehmen. Einer darüber hinausgehenden Erklärung des Gesellschafters, insbesondere eines Verzichts auf die Forderung (vgl. hierzu BT-Drucks. 12/2443 S. 115 reSp) bedarf es nicht. Denn durch ihn würden - den allerdings nicht naheliegenden Fall der Überwindung der Krise oder des Vorhandenseins eines Liquidationsüberschusses unterstellt - ausschließlich die Mitgesellschafter begünstigt , während die Interessen der außenstehenden Gläubiger durch die beschriebene Rangrücktrittserklärung ebenso gewahrt worden sind, wie dem Wunsch der Gesellschafter, die GmbH erhalten zu können, Rechnung getragen worden ist (vgl. in diesem Sinn z.B. Kleindiek aaO S. 209 f. m.w.N.; Uhlenbruck aaO Rdnr. 612 f. m.w.N.; GK-AktG/Habersack aaO § 92 Rdnr. 58 f.; Hüffer aaO § 92 Rdnr. 11).
(3) Von dieser Ausnahme einer seitens des Gesellschafters abgegebenen Rangrücktrittserklärung abgesehen hält der Senat auch für den Überschuldungsstatus die Passivierung solcher Gesellschafterforderungen für erforderlich , die wegen ihres eigenkapitalersetzenden Charakters in der durch die Notwendigkeit der Prüfung der Überschuldungssituation gekennzeichneten Krise nicht bedient werden dürfen.
Derartige Gesellschafterforderungen verlieren nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats (BGHZ 140, 147, 153 m.w.N.) ihren Charakter als Verbindlichkeiten nicht; ebenso wenig wie sie mit dem Eintritt der Krise erlöschen , werden sie automatisch in dieser Situation zu statutarischem Eigenkapital. Die Umqualifizierung der von dem Gesellschafter als Drittem gewährten Leistung in funktionales Eigenkapital und das Eingreifen der von der Rechtsprechung entwickelten Eigenkapitalersatz- und der sog. Novellenregeln
(§§ 32 a und b GmbHG) hat lediglich zur Folge, daß der Gesellschafter während der Dauer der Krise seine Forderungen gegen die GmbH nicht durchsetzen darf. Nach Überwindung der Krise ist er jedoch nicht gehindert, die aus seiner Drittgläubigerstellung folgenden Rechte gegen die Gesellschaft - und zwar auch hinsichtlich der Rückstände (BGHZ 140, 147, 153) - zu verfolgen. Im Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern verliert er auch im Falle der Insolvenz der Gesellschaft diese Stellung als Gesellschaftsgläubiger nicht und kann deswegen - sofern nach Befriedigung aller anderen Gläubiger der Gesellschaft ein zu verteilender Betrag verbleibt - die bis dahin in der Durchsetzung gehemmten Ansprüche mit Vorrang vor den Forderungen der Mitgesellschafter bei der Verteilung des Liquidationserlöses geltend machen. Diese schon nach dem hier maßgeblichen früheren Recht geltenden Regeln sind in dem neuen Insolvenzrecht nunmehr in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ausdrücklich niedergelegt worden.
Bereits dieser Umstand, daß auch die zeitweise nicht durchsetzbaren, weil den Eigenkapitalersatzregeln unterworfenen Gesellschafterforderungen ihren Charakter als Verbindlichkeiten der Gesellschaft beibehalten, spricht für ihren Ausweis in der Überschuldungsbilanz. Es kommt hinzu, daß das von den sich gegen eine Passivierung dieser Ansprüche aussprechenden Stimmen besonders betonte Erhaltungsinteresse der Gesellschafter (vgl. etwa Lutter/Hommelhoff aaO § 64 Rdnr. 17 a und 17 b) gegenüber dem Interesse der Gläubiger und der Allgemeinheit an einer auf rechtssicherer Grundlage getroffenen Entscheidung über die Insolvenzreife keinen Vorzug verdient. Wenn nicht die Gesellschaft ohnehin in einer so desolaten Lage ist, daß es für die Frage ihrer Überschuldung auf die Passivierung der Forderungen aus eigenkapitalersetzend wirkenden Leistungen nicht mehr ankommt, haben es die Gesellschafter, denen an der Erhaltung der GmbH gelegen ist, in der Hand, durch Abgabe der oben näher beschriebenen Rangrücktrittserklärung deutlich
zu machen, daß sie jedenfalls für die Dauer der Krise auf ihre Position als Drittgläubiger verzichten. In den Grenzfällen erhält der Geschäftsführer eine zweifelsfreie und rechtssichere Grundlage für die von ihm zu treffende Entscheidung , ob die Gesellschaft überschuldet ist und er den Insolvenzantrag stellen muß. Diese Entscheidung dem Gesellschafter abzuverlangen und mit ihr und ihren schadenersatz- und strafrechtlichen Konsequenzen nicht den Geschäftsführer zu belasten, ist auch deswegen angezeigt, weil mit ihr der Gesellschafter klarstellt, daß er die Forderung nicht in Konkurrenz zu den außenstehenden Gläubigern geltend machen, sondern seine Hilfeleistung fortsetzen und verstärken und dadurch erreichen will, daß die Gesellschaft die Chance der Krisenüberwindung bewahrt. Trifft er diese Entscheidung nicht, so gibt er der Hoffnung, als nachrangiger Gesellschaftsgläubiger wenigstens einen Teilbetrag seiner Gesellschafterhilfe zurückzuerhalten, den Vorrang und läßt es damit zu, daß die GmbH in die Insolvenz geführt wird.
Für den Geschäftsführer bedeutet dies die Befreiung von den - trotz einer ausgedehnten Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatzrecht nach wie vor bestehenden (K.Schmidt, GmbHR 1999, 9, 15; a.A. Hachenburg/Ulmer aaO § 63 Rdnr. 46 a; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh aaO § 64 Rdnr. 18; Hommelhoff, FS Döllerer S. 245, 262 f.; Fleischer, ZIP 1996, 773, 776) - Unwägbarkeiten , ob eine Gesellschafterdrittleistung den Eigenkapitalersatzregeln unterliegt oder nicht; er kann den betreffenden Gesellschafter zur Abgabe einer Rangrücktrittserklärung auffordern und hat die Forderungen des Gesellschafters als Verbindlichkeiten zu passivieren, sofern er eine solche Ä ußerung nicht erhält.
(4) Da danach zwar das Darlehen über 1 Mio. DM vom November 1992 mit Rücksicht auf den erklärten Rangrücktritt nicht in den Überschuldungsstatus aufzunehmen war, wohl aber das gleich hohe, nicht mit einer Rangrück-
trittserklärung versehene Gesellschafterdarlehen vom Mai 1993 und auch die "stehen gelassenen" Mietschulden in Höhe von rund 691.000,-- DM passiviert werden mußten, hat das Berufungsgericht - auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen, die allerdings im wieder eröffneten Berufungsverfahren ggfs. ergänzt werden können - im Ergebnis zutreffend das Vorhandensein einer Überschuldung für den hier maßgeblichen Zeitpunkt bejaht.
II. Die Ausstellung und Begebung des Schecks über 119.254,-- DM durch den Beklagten in dieser Überschuldungssituation der Gemeinschuldnerin hat das Berufungsgericht als eine mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht in Einklang stehende Verhaltensweise (§ 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG) angesehen. Hiergegen wendet sich die Revision mit Recht, weil das Berufungsgericht den Sachvortrag des Beklagten, aus dem er herleiten will, daß er sich ordnungsgemäß verhalten hat, nicht vollständig geprüft hat.
1. Zu Lasten eines Geschäftsführers, der in der in § 64 GmbHG beschriebenen Lage der Gesellschaft Zahlungen aus ihrem Gesellschaftsvermögen leistet, wird allerdings vermutet, daß er dabei schuldhaft, nämlich nicht mit der von einem Vertretungsorgan einer GmbH zu fordernden Sorgfalt gehandelt hat (BGHZ 143, 184 ff. = ZIP 2000, 184 f. [unter II 1. b]; Urt. v. 1. März 1993 - II ZR 81/94 [früher: 61/92], ZIP 1994, 841; Urt. v. 11. September 2000 - II ZR 370/99, ZIP 2000, 1896 f.). Nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG kann er diese Vermutung durch den Nachweis widerlegen, daß die von ihm in der Insolvenzsituation bewirkte Leistung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar war. Der hierfür anzulegende Maßstab bestimmt sich nicht allein nach den allgemeinen Verhaltenspflichten eines Geschäftsführers, der bei seiner Amtsführung Recht und Gesetz zu wahren hat; er ist vielmehr an dem besonderen Zweck des § 64 Abs. 2 GmbHG auszurichten, die verteilungsfähige Vermögensmasse einer insolvenzreifen GmbH im Interesse der
Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern (BGHZ 143 aaO; Urt. v. 11. September 2000 aaO). Soweit Leistungen des Geschäftsführers in der Insolvenzsituation eine Masseverkürzung nicht zur Folge haben oder soweit durch sie im Einzelfall größere Nachteile für die Masse abgewendet werden (vgl. dazu Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdnr. 42; Baumbach /Hueck/Schulze-Osterloh aaO § 64 Rdnr. 73), kann deswegen das Verschulden nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG ausnahmsweise zu verneinen sein. Dagegen ist das Bestreben des Geschäftsführers, sich durch die genannte Leistung einer persönlichen deliktischen Haftung, etwa aus dem Gesichtspunkt des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 a StGB (vgl. dazu BGH, Urt. v. 16. Mai 2000 - VI ZR 90/99, ZIP 2000, 1339), zu entziehen, kein im Rahmen des § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG beachtlicher Umstand; vielmehr müßte in einem solchen - hier allerdings nicht gegebenen - Fall einer Pflichtenkollision das deliktische Verschulden verneint werden, wenn sich der Geschäftsführer - gemessen am Maßstab der dem Interesse der Gesamtheit der Gesellschaftsgläubiger dienenden Spezialvorschrift des § 64 Abs. 2 GmbHG - normgerecht verhält.
2. Daß die von dem Beklagten veranlaßte Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Oktober 1993 nach diesen Grundsätzen als schuldhafter Verstoß gegen die Masseerhaltungspflicht des § 64 Abs. 2 GmbHG einzustufen ist, hat das Berufungsgericht nicht ordnungsgemäß festgestellt.

a) Sollte nämlich, wie der Beklagte geltend gemacht hat, zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten zu 3 trotz der jahrelangen gegenteiligen Verfahrensweise keine umsatzsteuerliche Organschaft i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestanden haben, hätte der Beklagte auf eine eigene Steuerverbindlichkeit der Gemeinschuldnerin geleistet. Jedenfalls dann, wenn diese Zahlung in derselben Höhe auch im Konkursverfahren hätte geleistet werden müssen,
würde es an der Masseverkürzung fehlen, welche die tatbestandliche Voraussetzung für den geltend gemachten Ersatzanspruch ist. Das hängt u.a. von der nach der Verfahrenseröffnung vorhandenen Masse und der Höhe der ggfs. vor der Steuerschuld zu berichtigenden vorrangigen Forderungen anderer Gesellschaftsgläubiger ab. Tatrichterliche Feststellungen hierzu fehlen.
Sollte sich erweisen, daß es durch die Leistung des Beklagten zu einer Masseverkürzung gekommen ist, weil das Finanzamt dem Zweck des § 64 Abs. 2 GmbHG zuwider vorrangig vor anderen Gesellschaftsgläubigern Befriedigung erlangt hat, kann der Beklagte seiner Haftung nicht mit der Erwägung begegnen, er habe durch sein Vorgehen seiner Inanspruchnahme als Haftungsschuldner nach § 69 AO begegnen wollen. Einer derartigen Haftung war er schon nach den einschlägigen steuerrechtlichen Regeln nicht ausgesetzt. Denn danach war er, unabhängig von der Frage, ob die von ihm bewirkte Umsatzsteuervorauszahlung zu den vorrangig vor anderen Verbindlichkeiten zu erfüllenden Gesellschaftsschulden gehört hat (vgl. Klein/Rüsken, AO 7. Aufl. § 69 Rdnr. 38 m.w.N.), jedenfalls überhaupt nicht verpflichtet, in der Insolvenzsituation Zahlungen an das Finanzamt zu erbringen. Der Gefahr, nach § 69 AO belangt zu werden, setzte er sich allein dann aus, wenn er den das Abgabenrecht prägenden Grundsatz der anteiligen Tilgung verletzte, also andere Gesellschaftsgläubiger vor dem Steuerfiskus bevorzugt bediente (BFH, Urt. v. 2. März 1993 - VII R 90/90, BFH-NV 1994, 526, 527; Beermann, DStR 1994, 805, 808 f.; Klein/Rüsken aaO § 69 Rdnr. 39 m.w.N.; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO § 69 Rdnr. 14, 45).

b) Falls dagegen - wie die Parteien bis kurz vor der letzten mündlichen Verhandlung im zweiten Rechtszug übereinstimmend vorgetragen haben - zwischen der Beklagten zu 3 und der Gemeinschuldnerin eine umsatzsteuerliche Organschaft bestanden hat, könnte der Beklagte keinesfalls mit seiner Ansicht
durchdringen, er habe den in § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG niedergelegten Sorgfaltsmaßstab gewahrt. Denn dann wäre nicht die Gemeinschuldnerin, sondern allein die Beklagte zu 3 als Organträgerin Steuerschuldnerin gewesen. Durch die - den seinerzeit angeblich getroffenen Abreden folgende - Zahlung der Gemeinschuldnerin an das Finanzamt wäre dann einerseits die Steuerschuld der Beklagten zu 3 beglichen, zugleich aber auch deren gegenüber der GmbH bestehender Aufwendungsersatzanspruch erfüllt worden. Mit der von dem Beklagten veranlaßten Bezahlung der Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Oktober wäre danach dem Verbot des § 64 Abs. 2 GmbHG zuwider die Organträgerin wegen ihres Aufwendungsersatzanspruchs vor allen anderen Gesellschaftsgläubigern - das endgültige Bestehen einer Umsatzsteuerschuld unterstellt - masseverkürzend befriedigt worden. Dafür, daß der Beklagte in der geschehenen Weise handeln mußte, um einer Inanspruchnahme der Gemeinschuldnerin nach § 73 AO zu entgehen, weil die Beklagte zu 3 als Organträgerin außerstande war, die Steuerschuld zu erfüllen, gibt der Parteivortrag nichts her, abgesehen davon, daß die Inanspruchnahme der Organgesellschaft als Haftungsschuldnerin von einer entsprechenden Ermessensausübung (§ 191 AO, vgl. dazu Boeker aaO § 73 Rdnr. 22 ff.) seitens des Finanzamts abhängig ist. Auch in diesem Zusammenhang könnte sich der Beklagte jedenfalls nicht darauf berufen, er habe zur Abwendung seiner eigenen Haftung nach § 69 AO gehandelt, weil auch insofern der oben erörterte Grundsatz der anteiligen Tilgung anwendbar wäre und er nur für eine Bevorzugung einzelner Gläubiger gegenüber dem Steuerfiskus einstehen müßte.

c) Demgemäß kommt es ggfs. darauf an, ob eine umsatzsteuerliche Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vorgelegen hat.
Bei einer Betriebsaufspaltung, wie sie hier zwischen der Beklagten zu 3 und der Gemeinschuldnerin vorhanden war, fordert die finanzgerichtliche
Rechtsprechung (BFHE 172, 541; Boeker aaO § 73 Rdnr. 12; Klein/Rüsken aaO § 73 Rdnr. 5), daß das überlassene Betriebsgrundstück für die Umsatztätigkeit der Organgesellschaft "besonders gestaltet, ihrem Betriebsablauf angepaßt und dafür nach Lage, Größe und Bauart und Gliederung besonders zugeschnitten ist". Daß diese Voraussetzung hier erfüllt ist, nachdem der seit 1981 von der Gemeinschuldnerin geführte Betrieb schon vorher jahrzehntelang auf demselben mit Produktionshallen, Maschinen usw. ausgestatteten Gelände betrieben worden war, läßt sich mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausschließen.
Nach der Rechtsprechung des BFH (Urt. v. 28. Januar 1999 - V R 32/98, DStR 1999, 497 f.) kann entgegen der von dem Beklagten im Berufungsverfahren vertretenen Ansicht auch nicht ohne nähere tatrichterliche Prüfung ausgeschlossen werden, daß es an der für eine umsatzsteuerliche Organschaft erforderlichen organisatorischen Eingliederung, nämlich einem Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen der Beklagten zu 3 und der Gemeinschuldnerin fehlt. Denn eine solche organisatorische Eingliederung wird bereits dann angenommen , wenn durch die Personenidentität der Geschäftsführungsorgane in beiden Gesellschaften sichergestellt ist, daß "eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht stattfindet".
III. Die danach gebotene Aufhebung und Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht - ggfs. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien - die Gelegenheit , die fehlenden Feststellungen zu treffen. Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat auf folgendes hin:
1. § 64 Abs. 2 GmbHG ist, wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat, keine Schadenersatznorm, sondern enthält einen Ersatzanspruch eigener Art (Sen.Urt. v. 18. März 1974 - II ZR 2/72, NJW 1974, 1088 f.; vgl. auch BGHZ
143, 184 ff. = ZIP 2000, 184). Er ist seiner Natur nach darauf gerichtet, das Gesellschaftsvermögen wieder aufzufüllen, damit es im Insolvenzverfahren zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung steht. Diesem Zweck widerspräche es, könnte der Geschäftsführer , der dem Verbot des § 64 GmbHG zuwider masseverkürzende Leistungen erbracht hat, auf andere Möglichkeiten der Rückführung der ausgezahlten Beträge (BGHZ 131, 325 ff.) verweisen oder den Erstattungsanspruch im voraus um den zu diesem Zeitpunkt regelmäßig nicht feststellbaren Betrag kürzen, den der durch die verbotene Zahlung begünstigte Gläubiger erhalten hätte (a.A. Roth/Altmeppen aaO § 64 Rdnr. 26; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh aaO § 64 Rdnr. 76) oder - wie der Beklagte meint - sich gar mit einer bloßen Sicherstellung bis zum Abschluß des Insolvenzverfahrens begnügen. Vielmehr kann der Zweck der Vorschrift nur dadurch erreicht werden, daß der Geschäftsführer den ausgezahlten Betrag ungekürzt erstattet. Damit es nicht zu einer Bereicherung der Masse kommt, ist ihm in dem Urteil vorzubehalten, nach Erstattung an die Masse seine Rechte gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen; dabei deckt sich der ihm zustehende Anspruch nach Rang und Höhe mit dem Betrag, den der begünstigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte. Soweit der Entscheidung des Senats vom 29. November 1999 (BGHZ 143, 184 ff. = ZIP 2000, 184, 186) etwas anderes entnommen werden könnte, wird hieran nicht festgehalten.
2. Sollte sich auf Grund der erneuten Verhandlung ergeben, daß hinsichtlich der von der Gemeinschuldnerin bewirkten Umsatzsteuervorauszahlung ein Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt besteht, kann der Beklagte von dem Kläger in entsprechender Anwendung von § 255 BGB ggfs. Abtretung dieser Forderung Zug um Zug gegen Erfüllung des geltend gemachten Ersatzanspruchs verlangen.
Falls die Beklagte zu 3 dagegen bereits jene 119.254,-- DM vom Finanzamt erstattet bekommen haben sollte, hätte der Kläger gegen sie - gleichgültig ob eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft vorgelegen hat oder nicht - einen Aufwendungsersatz- oder Bereicherungsanspruch, den er in gleicher Weise an den Beklagten abzutreten hätte.
3. Die hilfsweise - auf Grund der Unterstellung, es liege eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten zu 3 vor - erklärte Aufrechnung mit den der Beklagten zu 3 zustehenden Erstattungsforderungen wegen der von dem Kläger vereinnahmten Umsatzsteuerrückzahlungen von zusammen 101.372,30 DM für die Monate November und Dezember 1993 greift nicht durch. Es fehlt schon an dem Vortrag, daß die Beklagte zu 3 überhaupt jene Vorauszahlungen aus ihrem Vermögen geleistet hat. Außerdem ist nicht behauptet worden, die Beklagte zu 3 habe ihren etwaigen Erstattungsanspruch gegen den Kläger an den Beklagten abgetreten und dieser
habe sich ihrer Aufrechnungserklärung angeschlossen. Jedenfalls scheitert die Aufrechnung bereits an § 55 Nr. 2 KO. Denn der Beklagte ist vor Eröffnung des Verfahrens nach § 64 Abs. 2 GmbHG erstattungspflichtig geworden, während der Steuererstattungsanspruch, dessen sich die Beklagte zu 3 berühmt, erst nach der Konkurseröffnung, nämlich Ende des Jahres 1994 entstanden ist.
Röhricht Henze Goette
Kurzwelly Münke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 235/03 Verkündet am:
11. Juli 2005
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Der faktische Geschäftsführer einer GmbH ist nicht nur zur rechtzeitigen
Stellung des Insolvenzantrages nach § 64 Abs. 1 GmbHG verpflichtet, sondern
hat auch die haftungsrechtlichen Folgen einer Versäumung dieser
Pflicht (hier: Ersatz von Zahlungen nach § 64 Abs. 2 GmbHG) zu tragen (i.
Anschl. an Senat, BGHZ 104, 44; 150, 61).

b) Für die Stellung und Verantwortlichkeit einer Person als faktischer Geschäftsführer
einer GmbH ist es erforderlich, daß der Betreffende nach dem
Gesamterscheinungsbild seines Auftretens die Geschicke der Gesellschaft
- über die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung
hinaus - durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des
rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die
Hand genommen hat.

c) In die Entscheidung, durch die der (faktische) Geschäftsführer zum Ersatz
von Zahlungen i. S. von § 64 Abs. 2 GmbHG verurteilt wird, ist der Vorbehalt
hinsichtlich seines Verfolgungsrechts gegen den Insolvenzverwalter
bezüglich seiner Gegenansprüche nach Erstattung an die Masse von Amts
wegen aufzunehmen (Ergänzung zu BGHZ 146, 264).
BGH, Urteil vom 11. Juli 2005 - II ZR 235/03 - OLG Stuttgart
LG Ellwangen
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 11. Juli 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette
und die Richter Dr. Kurzwelly, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Strohn und Caliebe

für Recht erkannt:
I. Auf die Revision des Beklagten wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 8. Juli 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte ohne Vorbehalt der Verfolgung seiner Rechte gegen den Kläger nach Erstattung an die Masse verurteilt worden ist.
II. Auf die Berufung des Beklagten wird - unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels - das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Ellwangen vom 20. Dezember 2002 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt: Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 147.944, 98 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10. Juli 2001 zu zahlen.
Dem Beklagten wird vorbehalten, nach Erstattung des Ver urteilungsbetrages an die Masse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 5 % und dem Beklagten zu 95 % auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der H. GmbH (im folgenden: Schuldnerin) den Beklagten als faktischen (Mit-)Geschäftsführer der Schuldnerin gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG auf Ersatz von nach Eintritt der Insolvenzreife geleisteten Zahlungen in Anspruch.
Die Schuldnerin erwarb Anfang 1998 von dem Gesamtvollstreckungsverwalter der in die Insolvenz geratenen G. GmbH in B., an der u.a. der Beklagte als Gesellschafter beteiligt gewesen war, deren Auftragsbestand und führte seit dem 1. März 1998 deren Geschäftsbetrieb weiter. Für die Nutzung des Betriebsgrundstücks in B. und das betriebsnotwendige Anlagevermögen hatte die Schuldnerin - wie zuvor die G. GmbH - an die Gr. GbR, an der der Beklagte zur Hälfte beteiligt war, einen monatlichen Mietzins in Höhe von 40.600,00 DM zu entrichten; außerdem hatte sie an die Gr. GmbH, deren Geschäftsführer und Mitgesellschafter zu 1/ 2 ebenfalls der Beklagte war, für ein Darlehen über 100.000,00 DM monatliche Zins- und Tilgungsraten von 6.878,00 DM zu erbringen. Für diese Gesellschaft führte die Schuldnerin außerdem aufgrund laufender Geschäftsbeziehung Aufträge aus und bezog Material von ihr.
Der Beklagte war aufgrund einer Vollmacht des Alleingesellschafters der Schuldnerin, Gru., vom 1. April 1998 berechtigt, diesen umfassend bei der Schuldnerin zu vertreten, und zwar insbesondere bei Gesellschafterversammlungen und allen anderen Tätigkeiten, Aufgaben und Überwachungen als Gesellschafter. Zudem war der Beklagte gegen eine monatliche Vergütung von 5.000,00 DM für den gesamten finanziellen Bereich der Schuldnerin - unter Ausschluß des satzungsmäßigen Geschäftsführers Ga. - allein zuständig und hatte auch allein Bank- und Zeichnungsvollmacht über das einzige Geschäftskonto der Schuldnerin bei der Kreissparkasse He.. Daher nahm auch nur der Beklagte die Überweisung sämtlicher Zahlungen für den laufenden Geschäftsbetrieb der Schuldnerin von diesem Konto vor und veranlaßte die Übersendung der Kontoauszüge an seine Geschäftsadresse bei der Gr. GmbH in He., die spätestens ab Januar 2000 die Buchhaltung der Schuldnerin gegen ein Honorar von 7.600,00 DM monatlich führte. Etwa einmal monatlich suchte der Beklagte den Betriebssitz der Schuldnerin in B. auf, um die Tätigkeit des satzungsmäßigen Geschäftsführers Ga. vor Ort zu kontrollieren und diesem Weisungen und Anleitungen zu erteilen. Dieser hatte faktisch die Stellung eines für die Akquisition von Aufträgen zuständigen Außendienstmitarbeiters der Schuldnerin und eines Kontrolleurs der Durchführung ihrer Auftragsarbeiten vor Ort. In finanzieller Hinsicht verfügte Ga. lediglich über eine Bargeldkasse bis maximal 5.000,00 DM, von der er in B. anfallende Unkosten begleichen durfte, deren Auffüllung aber von der Bewilligung und Überweisung durch den Beklagten abhing ; größere Anschaffungen durfte Ga. ohne Rücksprache mit dem Beklagten ebensowenig tätigen wie Einstellungen und Entlassungen von Arbeitnehmern oder Lohnerhöhungen.
Die Schuldnerin, die sich seit der Übernahme des Geschäftsbetriebs der G. GmbH in beengten finanziellen Verhältnissen befand und
über keine stillen Reserven oder Sachanlagen verfügte, geriet zunehmend in wirtschaftliche Schwierigkeiten und war schließlich bereits zum 31. Dezember 1999 mit einem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 436.885,96 DM nicht nur rechnerisch überschuldet, sondern insolvenzreif. Gleichwohl stellte der Geschäftsführer Ga. erst unter dem 7. August 2000 Insolvenzantrag , aufgrund dessen das Insolvenzverfahren am 9. Oktober 2000 eröffnet wurde. In der Zeit von Anfang Januar bis Mitte Juli 2000 leistete die Schuldnerin auf Veranlassung des Beklagten Mietzinszahlungen an die Gr. GbR und Darlehensraten sowie Zahlungen für Lieferungen und Leistungen an die Gr. GmbH in einem Gesamtumfang von 289.355,24 DM (= 147.944,98 €).
Das Landgericht hat der auf Erstattung dieser Zahlungen gerichteten Klage in vollem Umfang stattgegeben, das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision des Beklagten bleibt überwiegend erfolglos (I.); sie ist nur insoweit begründet, als die Vorinstanzen es versäumt haben, in das Urteil den gebotenen (BGHZ 146, 264) Vorbehalt hinsichtlich des Verfolgungsrechts des Beklagten gegen den Insolvenzverwalter bezüglich seiner Gegenansprüche nach Erstattung der Klageforderung an die Masse aufzunehmen (II.).
I. Ohne Erfolg wendet sich der Beklagte dagegen, daß die Vorinstanzen ihn als faktischen Geschäftsführer der Schuldnerin und in dieser Eigenschaft als erstattungspflichtig i.S. des § 64 Abs. 2 GmbHG für die von ihm nach Insolvenz-
reife veranlaßten Zahlungen an die Gr. GbR sowie die Gr. GmbH im Umfang der Klageforderung angesehen haben.
1. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung kommt es für die Beurteilung der Frage, ob jemand faktisch wie ein Organmitglied gehandelt und als Konsequenz seines Verhaltens sich wie ein nach dem Gesetz bestelltes Organmitglied zu verantworten hat, auf das Gesamterscheinungsbild seines Auftretens an. Danach ist es allerdings nicht erforderlich, daß der Handelnde die gesetzliche Geschäftsführung völlig verdrängt. Entscheidend ist vielmehr, daß der Betreffende die Geschicke der Gesellschaft - über die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung hinaus - durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen hat (BGHZ 150, 61, 69 f.; BGHZ 104, 44, 48; vgl. ferner Sen.Urt. v. 27. Juni 2005 - II ZR 113/03, Umdr. S. 6, z.V.b.).
2. Von diesen Rechtsprechungsgrundsätzen des Senats ist das Berufungsgericht - in Übereinstimmung mit dem Landgericht - zutreffend ausgegangen und hat auf dieser Grundlage in tatrichterlicher Würdigung die Überzeugung gewonnen, daß der Beklagte faktischer (Mit-)Geschäftsführer der Schuldnerin war; revisible Rechtsfehler sind ihm dabei - entgegen der Ansicht des Beklagten - nicht unterlaufen.

a) Das gilt im Rahmen des Gesamterscheinungsbildes des Auftretens des Beklagten zweifellos für dessen maßgeblich die Geschicke der Schuldnerin lenkende Tätigkeit im internen Geschäftsführungsbereich. Die Vorinstanzen haben insoweit aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme unter sorgfältiger Würdigung insbesondere der bedeutsamen Aussage des Zeugen Ga. umfangreiche Feststellungen dazu getroffen, daß der Beklagte im Innenverhältnis in
nahezu sämtlichen Bereichen der Schuldnerin - Führung des wesentlichen kaufmännischen und finanziellen Geschäftsbereichs einschließlich der laufenden alleinigen Verfügung über das einzige Geschäftskonto, der Buchhaltung, der Personalentscheidungen sowie der Erteilung von Weisungen gegenüber dem satzungsmäßigen Geschäftsführer Ga. auf dem Gebiet der Unternehmenspolitik und -organisation - die Geschicke der Schuldnerin wesentlich bestimmt hat; dagegen vermag die Revision - wie sie selbst einräumen muß - nichts zu erinnern.

b) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Oberlandesgericht - im Anschluß an das Landgericht - auch hinreichende Feststellungen zu einem eigenen maßgeblichen Handeln des Beklagten mit Außenwirkung im Sinne einer faktischen Geschäftsführung für die Schuldnerin getroffen. So war es dem Beklagten vorbehalten, aufgrund der ihm vom Alleingesellschafter erteilten weitreichenden Vollmacht allein die Bankgeschäfte der Schuldnerin, die typischerweise in die Kompetenz der Geschäftsführung einer GmbH fallen, zu führen. Dabei kommt besondere Bedeutung dem ungewöhnlichen Umstand zu, daß nur der Beklagte Bankvollmacht über das einzige Gesellschaftskonto im Außenverhältnis zur Kreissparkasse hatte, während der satzungsmäßige Geschäftsführer Ga. - was auch der Sparkasse gegenüber zur Sprache gekommen ist - offenbar bewußt von jeglicher Verfügungsbefugnis ausgeschlossen worden ist. Dementsprechend ist auch in diesem Zusammenhang die Feststellung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, daß gerade die Tatsache, daß der Beklagte es war, der darüber entschied, welche Gläubiger vorrangig bedient werden sollten - nämlich nahezu ausschließlich die von ihm selbst geführten beiden Gr.-Gesellschaften -, durchaus erhebliche "Außenwirkung" hatte. Hinzu kommt, daß nach den vom Berufungsgericht gebilligten Feststellungen des Landgerichts der Beklagte auch - in einem Fall urkundlich belegt - maßgeb-
liche Verhandlungen mit der Kreissparkasse über die Bedienung bestimmter Außenstände geführt hat; dabei ist der Umstand, daß der Beklagte den Schriftverkehr auch auf Geschäftsbögen der Gr. GmbH geführt hat, unerheblich, weil zum einen das Handeln nicht für jene Gesellschaft, sondern für die Schuldnerin aus dem Kontext klar hervorging und zum anderen der Geschäftspartnerin aus der laufenden Geschäftsverbindung bekannt war, daß der Beklagte insoweit für die Schuldnerin handelte und sich im übrigen standardmäßig die Geschäftsunterlagen , wie Kontoauszüge und dergleichen, an die Adresse jener Gr. GmbH senden ließ. Schließlich hat sich der Tatrichter auch revisionsrechtlich einwandfrei davon überzeugt, daß der Beklagte in gewissem Umfang auch im sonstigen Geschäftsverkehr mit Geschäftspartnern wie ein Geschäftsführer der Schuldnerin aufgetreten ist, und zwar sowohl vor der Berufung des Zeugen Ga. zum satzungsmäßigen Geschäftsführer als auch danach, so u.a. aus Anlaß der Vereinbarung von Zahlungsbedingungen mit der R. GmbH, der Hauptlieferantin der Schuldnerin; der dagegen gerichtete Einwand der Revision, der Beklagte habe lediglich vergessen, den Zusatz "Geschäftsführer" auf dem Bestätigungsschreiben für die R. GmbH zu streichen, ist unerheblich, weil es entscheidend auf die objektive Außenwirkung seines Handelns ankommt und dieses dokumentierte Verhalten im Gesamtzusammenhang ein aussagekräftiges Indiz für sein Auftreten als faktischer Geschäftsführer auch im übrigen darstellt.

c) Soweit die Revision die einzelnen Elemente der Würdigung des Gesamterscheinungsbildes des Auftretens des Beklagten für die Schuldnerin anders als das Oberlandesgericht gewichten möchte, handelt es sich um den revisionsrechtlich unzulässigen Versuch, die maßgebliche tatrichterliche Würdigung durch eine eigene zu ersetzen. Jedenfalls im vorliegenden Fall der Aufteilung der Geschäftsführungszuständigkeiten zwischen dem namentlich für Akquisiti-
on, Außenwerbung und Ausführungskontrolle zuständigen eigentlichen Geschäftsführer Ga. und dem für den wesentlichen kaufmännischen und finanziellen Bereich faktisch verantwortlichen Beklagten reichen die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen zur Tätigkeit des Beklagten in seinem Ressort auch bezüglich seines Handelns im Außenverhältnis aus, um sein gesamtes Auftreten für die Beklagte als faktische Geschäftsführung einzustufen.
II. Demgegenüber kann die vorbehaltlose Verurteilung des Beklagten keinen Bestand haben.
Die Vorinstanzen haben zwar unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Senatsurteil BGHZ 146, 264 zutreffend den Einwand des Beklagten hinsichtlich einer Kürzung des Ersatzanspruchs der Schuldnerin um die fiktiv auf die vom Beklagten unzulässig beglichenen Forderungen entfallende Insolvenzquote zurückgewiesen , weil nach der neueren Senatsrechtsprechung der nach § 64 Abs. 2 GmbHG als faktischer Geschäftsführer in Anspruch genommene Beklagte die verbotswidrigen Zahlungen der Insolvenzmasse ungekürzt zu erstatten hat. Dabei haben beide Tatgerichte aber übersehen, daß der Senat in demselben Urteil entschieden hat, daß zur Vermeidung einer Bereicherung der Masse dem erstattungspflichtigen Geschäftsführer im Urteil vorzubehalten ist, seinen Gegenanspruch, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den der begünstigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte, nach Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen (BGHZ 146, 264, 279 sowie Leitsatz c).
Die insoweit erforderliche Korrektur der vorinstanzlichen Urteile durch Einfügung des gebotenen Vorbehalts kann der Senat selbst vornehmen, da die Sache endentscheidungsreif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Eines ausdrücklichen Antrags des Beklagten auf Vorbehalt seiner Rechte bedurfte es schon deshalb
nicht, weil § 64 Abs. 2 GmbHG stets die Konstellation zugrunde liegt, daß das auch für diesen Ersatzanspruch eigener Art sinngemäß geltende schadensrechtliche Bereicherungsverbot letztendlich eine Reduzierung der Haftung um die sich am Schluß des Insolvenzverfahrens etwa ergebende Insolvenzquote erfordert.
Goette Kurzwelly Gehrlein
Strohn Caliebe

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 296/12
vom
19. Februar 2013
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Februar 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann und den Richter Dr. Strohn, die Richterin
Dr. Reichart, die Richter Dr. Drescher und Born

beschlossen:
Der Gegenstandswert für die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 23. August 2012 wird auf 2.000 € festgesetzt.

Gründe:

1
Der Wert des Beschwerdegegenstands für das beabsichtigte Revisionsverfahren , der hier sowohl für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 26 Nr. 8 EGZPO) als auch für den Gebührenstreitwert (§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 62 Satz 1 GKG) maßgebend ist, bemisst sich nach dem Interesse des Beklagten an der Abänderung des Beschlusses.
2
Der Beklagte wurde als Geschäftsführer einer GmbH zur Erstattung von Zahlungen nach Insolvenzreife in Höhe von 36.661,39 € verurteilt (§ 64 Satz 1 GmbHG). Der Beklagte begehrt die Zulassung der Revision, um den angefochtenen Beschluss aufheben zu lassen, soweit ihm die Geltendmachung von Rechten gegen den Insolvenzverwalter nicht vorbehalten wurde. Entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde ist für die Beschwer des Beklagten nicht der gegen ihn zugesprochene Betrag maßgeblich.

3
Um eine ungerechtfertigte Bereicherung der Insolvenzmasse zu verhindern , ist dem gemäß § 64 GmbHG verurteilten Geschäftsführer von Amts wegen vorzubehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbetrages an die Masse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken , welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen (BGH, Urteil vom 8. Januar 2001 - II ZR 88/99, BGHZ 146, 264, 279; Urteil vom 11. Juli 2005 - II ZR 235/03, ZIP 2005, 1550, 1551 f.).
4
Es kann dahinstehen, ob angesichts des Umstands, dass dieser Vorbehalt dem Geschäftsführer weder einen vollstreckbaren Titel noch einen durchgreifenden Einwand in der Zwangsvollstreckung durch den Insolvenzverwalter verschafft, überhaupt ein an dem zukünftigen Anspruch des Geschäftsführers orientierter Betrag für die Bemessung der Beschwer maßgeblich sein kann oder ob nicht ein Regelwert von 3.000 € anzusetzen ist. Der Wert des Vorbehalts ist jedenfalls durch die konkrete Aussicht des Geschäftsführers auf Durchsetzung seiner Ansprüche im Insolvenzverfahren der Höhe nach begrenzt, kann also maximal so hoch sein, wie die Insolvenzquote der Gläubiger, die die Zahlungen erhalten haben. Denn der dem Geschäftsführer zustehende Anspruch deckt sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag, den der begünstigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte (BGH, Urteil vom 8. Januar 2001 - II ZR 88/99, BGHZ 146, 264, 279).
5
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat schon keine Angaben dazu gemacht , ob den begünstigten Gläubigern im Insolvenzverfahren überhaupt ein Anspruch zugestanden hätte und wenn ja, in welchem Rang. Es fehlen zudem Ausführungen zu einer hypothetischen Insolvenzquote. Der erkennende Senat bewertet den vom Beklagten erstrebten Vorbehalt deshalb mit ca. 5% des Erstattungsanspruchs , mithin mit 2.000 €.
Bergmann Strohn Reichart Drescher Born

Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 29.02.2012 - 100 O 31/11 -
KG, Entscheidung vom 23.08.2012 - 23 U 67/12 -

(1) Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird (Zurückbehaltungsrecht).

(2) Wer zur Herausgabe eines Gegenstands verpflichtet ist, hat das gleiche Recht, wenn ihm ein fälliger Anspruch wegen Verwendungen auf den Gegenstand oder wegen eines ihm durch diesen verursachten Schadens zusteht, es sei denn, dass er den Gegenstand durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt hat.

(3) Der Gläubiger kann die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung abwenden. Die Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 296/12
vom
19. Februar 2013
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Februar 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann und den Richter Dr. Strohn, die Richterin
Dr. Reichart, die Richter Dr. Drescher und Born

beschlossen:
Der Gegenstandswert für die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 23. August 2012 wird auf 2.000 € festgesetzt.

Gründe:

1
Der Wert des Beschwerdegegenstands für das beabsichtigte Revisionsverfahren , der hier sowohl für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 26 Nr. 8 EGZPO) als auch für den Gebührenstreitwert (§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 62 Satz 1 GKG) maßgebend ist, bemisst sich nach dem Interesse des Beklagten an der Abänderung des Beschlusses.
2
Der Beklagte wurde als Geschäftsführer einer GmbH zur Erstattung von Zahlungen nach Insolvenzreife in Höhe von 36.661,39 € verurteilt (§ 64 Satz 1 GmbHG). Der Beklagte begehrt die Zulassung der Revision, um den angefochtenen Beschluss aufheben zu lassen, soweit ihm die Geltendmachung von Rechten gegen den Insolvenzverwalter nicht vorbehalten wurde. Entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde ist für die Beschwer des Beklagten nicht der gegen ihn zugesprochene Betrag maßgeblich.

3
Um eine ungerechtfertigte Bereicherung der Insolvenzmasse zu verhindern , ist dem gemäß § 64 GmbHG verurteilten Geschäftsführer von Amts wegen vorzubehalten, nach Erstattung des Verurteilungsbetrages an die Masse seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken , welche die durch die verbotswidrigen Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Kläger als Insolvenzverwalter zu verfolgen (BGH, Urteil vom 8. Januar 2001 - II ZR 88/99, BGHZ 146, 264, 279; Urteil vom 11. Juli 2005 - II ZR 235/03, ZIP 2005, 1550, 1551 f.).
4
Es kann dahinstehen, ob angesichts des Umstands, dass dieser Vorbehalt dem Geschäftsführer weder einen vollstreckbaren Titel noch einen durchgreifenden Einwand in der Zwangsvollstreckung durch den Insolvenzverwalter verschafft, überhaupt ein an dem zukünftigen Anspruch des Geschäftsführers orientierter Betrag für die Bemessung der Beschwer maßgeblich sein kann oder ob nicht ein Regelwert von 3.000 € anzusetzen ist. Der Wert des Vorbehalts ist jedenfalls durch die konkrete Aussicht des Geschäftsführers auf Durchsetzung seiner Ansprüche im Insolvenzverfahren der Höhe nach begrenzt, kann also maximal so hoch sein, wie die Insolvenzquote der Gläubiger, die die Zahlungen erhalten haben. Denn der dem Geschäftsführer zustehende Anspruch deckt sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag, den der begünstigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte (BGH, Urteil vom 8. Januar 2001 - II ZR 88/99, BGHZ 146, 264, 279).
5
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat schon keine Angaben dazu gemacht , ob den begünstigten Gläubigern im Insolvenzverfahren überhaupt ein Anspruch zugestanden hätte und wenn ja, in welchem Rang. Es fehlen zudem Ausführungen zu einer hypothetischen Insolvenzquote. Der erkennende Senat bewertet den vom Beklagten erstrebten Vorbehalt deshalb mit ca. 5% des Erstattungsanspruchs , mithin mit 2.000 €.
Bergmann Strohn Reichart Drescher Born

Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 29.02.2012 - 100 O 31/11 -
KG, Entscheidung vom 23.08.2012 - 23 U 67/12 -