Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Dez. 2015 - RiZ (R) 2/15
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der Bundesgerichtshof - Dienstgericht des Bundes - hat am 2. Dezember 2015 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Mayen, den Richter am Bundesgerichtshof Dr. Drescher, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Menges sowie die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Koch und Gericke
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Antragsteller, der Richter am Oberlandesgericht Karlsruhe ist, hat ein Prüfungsverfahren gegen eine Maßnahme der Dienstaufsicht der früheren Präsidentin des Oberlandesgerichts Karlsruhe beantragt. Das Dienstgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Gegen die Zurückweisung seiner Berufung durch den Dienstgerichtshof hat er beim Dienstgericht des Bundes Revision eingelegt.
- 2
- Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. B. , der nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs als Vorsitzender des Dienstgerichts zur Mitwirkung an dem Revisionsverfahren berufen ist, hat angezeigt, dass er seit über 20 Jahren mit dem neu ernannten Präsidenten des Oberlandesgerichts Karlsruhe befreundet sei, die Familien früher mehrfach gemeinsame Sommerurlaube verbracht hätten und sie sich weiterhin regelmäßig zu Geburtstagsfeiern und ähnlichen Anlässen einladen würden.
II.
- 3
- Auf die Selbstanzeige ist die Ablehnung für begründet zu erklären, § 80 Abs. 1 Satz 1 DRiG, § 54 Abs. 1 VwGO, §§ 48, 42 Abs. 2 ZPO. Die Besorgnis der Befangenheit führt zur Ablehnung, wenn aus der Sicht eines Verfahrensbeteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 15. März 2012 - V ZB 102/11, NJW 2012, 1890 Rn. 10; Beschluss vom 10. Juni 2013 - AnwZ (Brfg) 24/12, NJW-RR 2013, 1211 Rn. 6; Beschluss vom 24. November 2014 - BLw 2/14, MDR 2015, 608 Rn. 3). Besondere persönliche Beziehungen des Richters zu einem Verfahrensbeteiligten können geeignet sein, ein solches Misstrauen eines Verfahrensbeteiligten in die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (BGH, Beschluss vom 24. April 2013 - RiZ 4/12, juris Rn. 28; Beschluss vom 15. März 2011 - II ZR 237/09, WM 2011, 812 Rn. 2; Beschluss vom 15. März 2011 - II ZR 244/09, NJW-RR 2011, 648 Rn. 2). Eine Bekanntschaft oder lockere Freundschaft stellt allerdings regelmäßig noch keine für eine Besorgnis der Befangenheit ausreichende besondere persönliche Beziehung dar (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2009 - I ZR 168/06, juris Rn. 6 f.; Beschluss vom 13. Juni 2005 - X ZR 195/03, juris Rn. 8; BAG, NZA-RR 2010, 516, 517). Die von Vorsitzendem Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. B. angezeigten Umstände begründen aber die Besorgnis der Befangenheit, weil danach eine über eine Bekanntschaft oder lockere Freundschaft hinausreichende per- sönliche Beziehung zum Präsidenten des Oberlandesgerichts Karlsruhe besteht.
- 4
- Dass das Land und nicht der Präsident des Oberlandesgerichts Karlsruhe im Prüfungsverfahren unmittelbar beteiligter Rechtsträger ist, steht dem nicht entgegen. Der Präsident des Oberlandesgerichts vertritt das Land im Prüfungsverfahren nach § 8 des Landesrichter- und -staatsanwaltsgesetzes Baden-Württemberg (LRiStAG BW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Mai 2000 (GBl. 2000, 503), § 11 Satz 1 der Verordnung des Innenministeriums , Finanz- und Wirtschaftsministeriums, des Kultusministeriums, des Wissenschaftsministeriums , des Umweltministeriums, des Sozialministeriums, des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, des Justizministeriums , des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur und des Integrationsministeriums über die Regelung beamtenrechtlicher Zuständigkeiten (Beamtenrechtszuständigkeitsverordnung - BeamtZuVO) vom 8. Mai 1996 (GBl. 1996, 402) in der Fassung vom 9. November 2010 (GBl. 2010, 793, 977), § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BeamtZuVO (in der Fassung vom 3. Dezember 2013, GBl.2013, 449, 475). Als gesetzlicher Vertreter steht er hinsichtlich seines Interesses am Verfahrensausgang dem unmittelbar beteiligten Rechtsträger gleich.
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 04.12.2012 - RDG 6/12 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 17.04.2015 - DGH 2/13 -
Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Dez. 2015 - RiZ (R) 2/15
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(1) Für die Revision im Versetzungsverfahren und im Prüfungsverfahren gelten die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung sinngemäß. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht wirkt an dem Verfahren nicht mit.
(2) Die Revision ist stets zuzulassen.
(3) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf der Nichtanwendung oder unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm beruht.
(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten §§ 41 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter oder ehrenamtlicher Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat.
(3) Besorgnis der Befangenheit nach § 42 der Zivilprozeßordnung ist stets dann begründet, wenn der Richter oder ehrenamtliche Richter der Vertretung einer Körperschaft angehört, deren Interessen durch das Verfahren berührt werden.
Das für die Erledigung eines Ablehnungsgesuchs zuständige Gericht hat auch dann zu entscheiden, wenn ein solches Gesuch nicht angebracht ist, ein Richter aber von einem Verhältnis Anzeige macht, das seine Ablehnung rechtfertigen könnte, oder wenn aus anderer Veranlassung Zweifel darüber entstehen, ob ein Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen sei.
(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I. Der Richter Dr. K. hat angezeigt:
"Die L. ist und war ein großer Mandant meiner früheren Kanzlei F. ... , insbesondere in den Bereichen Vergaberecht, öffentliches Recht und Vertragsrecht. Selbst bin ich von ca. 1995 bis etwa 2001 in erheblichem Umfang für die L. vergaberechtlich tätig gewesen, danach noch gelegentlich in diesem Rechtsgebiet. Zumindest im Jahre 2004 war ich allerdings nicht mehr in Mandaten der L. tätig. Soweit ich erkennen kann,
war F. ... in der jetzt terminierten Sache in den Vorinstanzen nicht beauftragt."
Den Parteien ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Die Klägerin hat erklärt, aus ihrer Sicht sei kein Grund zur Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit gegeben. Die Beklagte hat sich nicht geäußert.
II. Es besteht keine Besorgnis der Befangenheit.
1. Die Besorgnis der Befangenheit setzt einen Grund voraus, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Sie ist mit anderen Worten gegeben, "wenn Umstände vorliegen , die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen" (§ 1036 ZPO). Es muß sich um objektive Gründe handeln, die vom Standpunkt einer Partei aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen der Partei scheiden aus. Entscheidend ist, ob ein Prozeßbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln (BGH, Urt. v. 14.03.2003 - IXa ZB 27/03, NJW-RR 2003, 1220).
2. Bei Anlegung dieses Maßstabs ist eine Befangenheit des Richters Dr. K. nicht zu besorgen. Es liegen keine Umstände vor, die auch nur den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit begründen.
Herr Dr. K. war mit der vorliegenden Sache nicht vorab befaßt. Während der Zeit seiner Anwaltstätigkeit war er in dieser Sache weder zum Prozeßbevollmächtigten der Klägerin bestellt - in welchem Falle er schon von Gesetzes wegen von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen wäre (§ 41 Nr. 4 ZPO) -, noch hat er die Klägerin in dieser Sache beraten. Er hat die Klägerin überhaupt nur im Vergaberecht betreut, das hier keine Rolle spielt. Er kann deshalb der rechtlichen Problematik des Falles unbefangen gegenübertreten.
Herr Dr. K. steht auch nicht in nahen geschäftlichen oder persönlichen Beziehungen zu der Klägerin. Geschäftliche Beziehungen haben in Gestalt des früheren Mandatsverhältnisses bestanden, sind aber inzwischen endgültig gelöst. Sie haben auch nicht etwa zu nahen persönlichen Beziehungen geführt, die gegebenenfalls das Ende der geschäftlichen Beziehung überdauert haben könnten. Von dem früheren Mandatsverhältnis ist vielmehr allenfalls eine bloße Bekanntschaft mit leitenden Angestellten der Klägerin verblieben, die keine Besorgnis der Befangenheit begründen kann (Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 42 Rdn. 4 mit Rechtsprechungsnachweisen; vgl. demgegenüber zu einer nahen persönlichen Beziehung als Ablehnungsgrund - Ehe mit einer Führungskraft - BGH, Urt. v. 15.12.1994 - I ZR 121/92, NJW 1995, 1677, 1679).
Unter solchen Umständen besteht bei vernünftiger Betrachtung in der Regel kein Anlaß zu der Befürchtung, daß ein Richter, der früher Rechtsanwalt war, seine Amtspflicht zur unparteilichen Entscheidung nicht erfüllen kann oder will. Es ist im allgemeinen nicht zu besorgen, daß ein Richter und ehemaliger Rechtsanwalt nur wegen der aus einem früheren Mandatsverhältnis herrührenden Bekanntschaft mit einer Partei die streitige Rechtsfrage nicht offen und un-
befangen beurteilen wird. Besondere Umstände, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnten, sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
Melullis Keukenschrijver Ambrosius
Meier-Beck Asendorf