Bundesgerichtshof Beschluss, 21. März 2018 - X ZR 88/16

bei uns veröffentlicht am21.03.2018
vorgehend
Landgericht Berlin, 16 O 183/14, 21.07.2015
Kammergericht, 23 U 94/15, 04.08.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 88/16
vom
21. März 2018
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2018:210318BXZR88.16.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. März 2018 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski, Hoffmann und Dr. Deichfuß sowie die Richterin Dr. Marx

beschlossen:
Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 4. August 2016 wird auf Kosten des Klägers verworfen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe:


I. Der Kläger, ein Verbraucherverband, verlangt von der Beklagten,
1
einem Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Großbritannien, in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Verwendung der folgenden Klausel zu unterlassen: "10.4 Rollstühle und Mobilitätshilfen, die nicht manuell in den Frachtraum gehoben werden können, können nur befördert werden , wenn beide Flughäfen über die Einrichtung verfügen, die zum Ein-/Ausladen des Geräts benötigt wird. Bitte beachten Sie, dass einige Flughäfen möglicherweise nicht über die für das Heben von schweren Rollstühlen und Mobilitätshilfen benötigte Ausrüstung verfügen."
2
Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Der Streitwert ist entsprechend der Wertangabe des Klägers auf 2.500 € festgesetzt worden. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht. Der Kläger macht geltend, für den Wert der Beschwer sei auf das Interesse der Verbraucher abzustellen, die auf schwere Rollstühle und Mobilitätshilfen angewiesen seien. Sofern sie bei der Mitnahme dieser Hilfsmittel in Anwendung der Klausel keine Unterstützung erführen , könnten sie die Reise überhaupt nicht antreten. Danach sei der Wert der Beschwer zu bemessen.
3
II. Die Beschwerde ist gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt.
4
1. Streitwert und Beschwer in Verfahren nach dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) richten sich allein nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der gesetzwidrigen AGB-Bestimmung, nicht hingegen nach der wirtschaftlichen Bedeutung eines Klauselverbots. Auf diese Weise sollen Verbraucherschutzverbände vor Kostenrisiken bei der Wahrnehmung der ihnen im Allgemeininteresse eingeräumten Befugnisse zur Befreiung des Rechtsverkehrs von unwirksamen AGB geschützt werden. Den Wert setzt der Bundesgerichtshof in ständiger Praxis mit 2.500 € je angegriffener Teilklausel an (vgl. statt vieler: BGH, Beschluss vom 19. Januar 2017 - III ZR 296/16, juris Rn. 5 f. mwN).
5
2. Dieser Wert ist auch im Streitfall angemessen. Gründe dafür, den Wert der Beschwer ausnahmsweise über diesem Betrag anzusetzen, bestehen nicht. Zwar ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, der herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung einer Klausel für die betroffenen Verkehrskreise im Einzelfall ausnahmsweise durch die Bemessung mit einem höheren Wert Rechnung zu tragen, wenn die Entscheidung über die Wirksamkeit einer bestimmten Klausel nicht nur für deren Verwender und die Vertragspartner, sondern für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist. Dies kommt etwa in Betracht, wenn es um umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2017 - III ZR 296/16, aaO Rn. 6 mwN).
6
Umstände, die im Streitfall eine solche Abweichung rechtfertigen könnten , sind indessen weder dargetan noch sonst ersichtlich. Dass eine gewisse Zahl von Fluggästen aufgrund der mit der angegriffenen Klausel verbundenen Beschränkung der seitens der Beklagten zu erbringenden Leistung daran gehindert sein könnte, eine beabsichtigte Reise überhaupt anzutreten, kennzeichnet das individuelle Interesse dieser Fluggäste und nicht das Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung einer AGB-Klausel. Dieses Interesse der Allgemeinheit ist nicht gleichzusetzen mit der Summe der Einzelinteressen der Fluggäste , die von der Klausel betroffen sind. Es kann deshalb offen bleiben, in welcher Höhe diese Einzelinteressen im Einzelfall zu bemessen wären. Eine Frage von überragender wirtschaftlicher Tragweite, die Gegenstand kontroverser Erörterung wäre, ist nicht erkennbar und wird von der Nichtzulassungsbeschwerde auch nicht geltend gemacht.
7
III. Die vorstehenden Ausführungen gelten auch für die Bemessung des Streitwerts des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens.
Meier-Beck Grabinski Hoffmann Deichfuß Marx
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 21.07.2015 - 16 O 183/14 -
KG Berlin, Entscheidung vom 04.08.2016 - 23 U 94/15 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. März 2018 - X ZR 88/16

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Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2017 - III ZR 296/16

bei uns veröffentlicht am 19.01.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS III ZR 296/16 vom 19. Januar 2017 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2017:190117BIIIZR296.16.0 Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Januar 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter Sei

Referenzen

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Diesen Wert setzt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung mit 2.500 € je angegriffener Teilklausel an (z.B. Senatsbeschlüsse vom 28. Oktober 2015 - III ZR 64/15 aaO Rn. 6 und III ZR 36/15 aaO Rn. 5; vom 8. September 2011 aaO Rn. 1 und vom 28. September 2006 aaO Rn. 3; BGH, Beschlüsse vom 6. März 2013 aaO Rn. 3; vom 26. September 2012 - IV ZR 203/11, aaO Rn. 21 und IV ZR 208/11, aaO Rn. 21). Dies ist auch in dem vorliegenden Fall angemessen. Gründe dafür, den Wert der Beschwer ausnahmsweise über diesem Betrag anzusetzen, bestehen nicht. Zwar ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, der herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung einer Klausel für die betroffenen Verkehrskreise im Einzelfall ausnahmsweise durch die Bemessung mit einem höheren Wert Rechnung zu tragen, wenn die Entscheidung über die Wirksamkeit einer bestimmten Klausel nicht nur für deren Verwender und die Vertragspartner, sondern für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist. Dies kommt etwa in Betracht, wenn es um äußerst umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht, über deren Beantwortung bereits vielfältig und mit kontroversen Ergebnissen gestritten wird (Senatsbeschlüsse vom 28. Oktober 2015 - III ZR 64/15 aaO und III ZR 36/15 aaO; BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 2015 aaO Rn. 6; vom 9. Dezember 2014 aaO Rn. 6 und vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 405/12, BeckRS 2013, 22513 Rn. 6). Umstände, die im Streitfall eine solche Abweichung rechtfertigen könnten, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.