Bundesgerichtshof Urteil, 21. Nov. 2017 - 1 StR 261/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:211117U1STR261.17.0
bei uns veröffentlicht am21.11.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 261/17
vom
21. November 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags
ECLI:DE:BGH:2017:211117U1STR261.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. November 2017, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, Bellay und die Richterinnen am Bundesgerichtshof Cirener, Dr. Fischer,
Staatsanwältin als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Rechtsanwältin als Vertreterin des Nebenklägers,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers gegen das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 21. November 2016 werden verworfen. Der Nebenkläger trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft einschließlich sämtlicher im Revisionsverfahren entstandener gerichtlicher Auslagen und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Gegen dieses Urteil wendet sich die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft mit der Beanstandung der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Revision des Nebenklägers rügt die Verletzung materiellen Rechts. Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.

2
Die Anklage legt dem Angeklagten zur Last, am 29. Januar 2016 gegen 21.40 Uhr nacheinander die Geschädigte H. und den Nebenkläger mit einem etwa 30 cm langen „Outdoor-Beil“ mit einer scharfen, spitz zulaufenden Klinge mit einer Länge von etwa 11 cm vorsätzlich verletzt zu haben.
3
Der erheblich alkoholisierte Angeklagte habe sich zunächst zur Wohnung der Geschädigten H. begeben, um eine Geldforderung von 50 Euro einzutreiben. Ihm sei jedoch nicht geöffnet worden. Als H. wenig später zum Zigarettenholen die Wohnung verlassen habe, sei ihr der Angeklagte in einem schmalen Verbindungsweg plötzlich und überraschend gegenübergetre- ten und habe sie angeschrien „ich mach dich weg“. Er habe sie am Arm ge- packt und gegen eine Wand gedrückt. Dann habe er mit dem Beil vor H. herumgefuchtelt, die ihre Hände schützend vor ihren Körper gehalten habe , und ihr dabei eine einen Zentimeter lange Schnittwunde zwischen dem zweiten und dritten Finger der rechten Hand zugefügt. Aufgrund der Hilfeschreie von H. sei der Nebenkläger hinzugeeilt und habe versucht, den Angeklagten wegzustoßen oder wegzuziehen. Der Angeklagte habe daraufhin mit dem Handbeil ausgeholt und habe von oben herab in Richtung des Kopfes des Nebenklägers geschlagen. Dabei habe er den Nebenkläger, der den Schlag abfangen wollte, erheblich an der linken Hand verletzt, so dass diese operativ habe versorgt werden müssen.

II.

4
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
1. Bei dem vielfach vorbestraften Angeklagten bestehen mehrere psychopathologische Krankheitsbilder, nämlich eine ausgeprägte Polytoxikomanie und eine hirnorganische Wesensveränderung aufgrund durch exzessiven Alkoholkonsums hervorgerufenen Nervenzelluntergangs im Gehirn, begleitet von einer intellektuellen Minderbegabung. Die Störungen wirken sich dabei insbesondere so aus, dass der Angeklagte wichtige und unwichtige Dinge vermischt, völlig unreflektiert und im Übermaß Alkohol und Drogen konsumiert sowie persönlichkeitsbedingt eine hohe Kritiklosigkeit, Verführbarkeit, Unorganisiertheit, Impulshaftigkeit sowie fehlende Selbstkritik und fehlende Eigenreflexion zeigt. Aufgrund der psychopathologischen Krankheitsbilder und der intellektuellen Minderbegabung ist der Angeklagte zu kreativen Lügen nicht in der Lage. Eine erhöhte Aggressivität ist beim Angeklagten nicht vorhanden.
6
2. Am Abend des 29. Januar 2016 begab sich der Angeklagte in ein Wäldchen am Stadtrand von F. , um dort mit einem von ihm um den Hals hängend mitgeführten 30 cm langen „Outdoor-Beil“ mit einer etwa 11 cm langen scharfen Klinge und einem Gewicht von wenigen 100 Gramm Wurzeln auszugraben, die er später in Weihnachtskrippen einbauen wollte. Nachdem er in erheblichem Umfang Bier konsumiert, einen Joint mit synthetischen Drogen geraucht und eine Tablette Rohypnol eingenommen hatte, begab sich der Angeklagte am Abend zur Wohnung der H. , um sowohl gegenüber ihr als auch gegenüber dem Nebenkläger Geldforderungen von jeweils 50 Euro einzutreiben. Da beide auf sein Klingeln an der Wohnungstür nicht öffneten, warf er kleine Geldmünzen gegen das rückwärtige Fenster, was ebenfalls ignoriert wurde.
7
Gegen 21.30 Uhr verließen H. und der Nebenkläger die Wohnung , nachdem sie nach einem lauten Geräusch festgestellt hatten, dass ein Briefkasten beschädigt war, und sie den Angeklagten als Täter vermuteten. Im sog. Hexengässla trafen sie auf den Angeklagten, wobei es zu einer tätlichen Auseinandersetzung kam, an der alle drei beteiligt waren. Der Angeklagte brachte dabei das von ihm mitgeführte „Outdoor-Beil“ zum Einsatz, wobei H. und der Nebenkläger durch dieses verletzt wurden. H. zog sich dabei eine etwa einen Zentimeter lange Schnittwunde an der rechten Hand sowie Unterblutungen an beiden Armen zu. Der Nebenkläger erlitt eine Schnittwunde am rechten Daumen mit Teildurchtrennung der langen Strecksehne des Daumens sowie eine Verletzung einer Arterie, die sofort zu einem spritzenden Blutaustritt führte. Der Angeklagte erlitt Unterblutungen am Auge und am rechten Knie sowie Hautdefekte und beklagte Prellungen am Rippenbogen. Die Auseinandersetzung endete damit, dass der Nebenkläger wegrannte und H. ihm auf Zuruf folgte. Der Angeklagte entfernte sich in Richtung seiner Unterkunft. Als er die dort bereits wartende Polizei bemerkte, warf er das Beil in einer Entfernung von wenigen hundert Metern in ein Gebüsch.
8
Aufgrund der Wirkungen des Alkohols und der vom Angeklagten zudem konsumierten Drogen sowie seiner hirnorganischen Wesensveränderung war zum Tatzeitpunkt bei erhaltener Einsicht in das Unrecht seines Tuns die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgehoben.
9
3. Der nähere Ablauf der tätlichen Auseinandersetzung war für das Landgericht nicht aufklärbar. Ausgehend von einer Gesamtwürdigung aller bedeutsamen Umstände ist das Landgericht unter Anwendung des Zweifelssatzes zugunsten des Angeklagten von folgendem Tatgeschehen ausgegangen:
10
Unmittelbar nach dem Zusammentreffen attackierten H. und der Nebenkläger den Angeklagten mit Pfefferspray. Um sich gegen weitere An- griffe zu verteidigen, ergriff der Angeklagte das von ihm mitgeführte „OutdoorBeil“ und richtete es gegen die Angreifer. Verletzungen der Angreifer im Rah- men von mit Verteidigungswillen geführten Handlungen nahm er dabei billigend in Kauf. H. und der Nebenkläger schlugen sodann auf den Angeklag- ten ein, der sich u.a. durch Einsatz des „Outdoor-Beils“ zurWehr setzte. Die von H. erlittene Schnittwunde wurde nicht dadurch verursacht, dass der Angeklagte gezielt nach ihr schlug. Vielmehr griff sie selbst in die Schneide des Beils, mit dem der Angeklagte vor ihr in seitlicher Bewegung hin und her fuchtelte. Die Schnittwunde des Nebenklägers entstand dadurch, dass der Angeklagte mit dem Beil einen seitlich gegen den Körper des Nebenklägers gerichteten Schlag ausführte. Andere Mittel, den gemeinschaftlich von H. und dem Nebenkläger geführten Angriff effektiv abzuwehren, standen dem Angeklagten nicht zur Verfügung. Im Hinblick auf seine massiv blutende Verletzung verließ der Nebenkläger fluchtartig den Tatort, während H. noch weiter auf den Angeklagten einschlug und – als dieser aufgrund der Wirkungen des Pfeffersprays oder der Schläge schließlich zu Boden gegangen war – auch noch eintrat. Auf das Zurufen des Nebenklägers ließ auch sie vom Angeklagten ab und folgte dem Nebenkläger.
11
Auf dieser Grundlage hat das Landgericht angenommen, dass die vom Angeklagten der Geschädigten H. und dem Nebenkläger zugefügten Verletzungen auch im Rahmen einer durch Notwehr (§ 32 StGB) gerechtfertigten Verteidigungshandlung entstanden sein konnten. Es hat daher den Angeklagten – der im Übrigen wegen seines Rausches nicht ausschließbar schuldunfähig gewesen sei – nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.

III.

12
Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.
13
1. Die Aufklärungsrüge, mit der die Staatsanwaltschaft die unterlassene Vernehmung zweier Polizeibeamter beanstandet, ist jedenfalls unbegründet.
14
Sie enthält zwar neben der Benennung der beiden Polizeibeamten als Beweismittel die konkrete Tatsachenbehauptung, diese Zeugen „hätten bekun- det, dass es am Abend nach der Festnahme des Angeklagten keinerlei Anhaltspunkte dafür gab, dieser könne zuvor mittels Pfefferspray attackiert worden sein“ (RB S. 11).Zu dieser Beweisaufnahme musste sich das Landgericht jedoch nicht gedrängt sehen. Denn das Landgericht ist von der Annahme, dass bei der Festnahme des Angeklagten keine Anzeichen für die Anwendung von Pfefferspray vorhanden waren, bereits aufgrund der Vernehmung von Polizeioberkommissar S. ausgegangen, der den Angeklagten nach Mitternacht der Tatnacht festgenommen hatte (UA S. 21). Dieser hatte bekundet, „dass er am Angeklagten keinen Pfefferspraygeruch wahrgenommen habe, wo- bei er den durchdringenden Geruch an einer Oberbekleidung, die (frisch) mit Pfefferspray in Kontakt gekommen sei, bestimmt erkannt hätte“ (UA S. 21).
Damit liegt kein Aufklärungsdefizit vor. Vielmehr hat das Landgericht lediglich aus dem Fehlen von Anhaltspunkten für einen Pfeffersprayeinsatz im Festnahmezeitpunkt nicht den von der Beschwerdeführerin erstrebten Schluss gezogen , dass im Rahmen des Tatgeschehens kein Pfefferspray eingesetzt worden sei (UA S. 16).
15
2. Auch die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf.
16
a) Das Urteil genügt den Darstellungsanforderungen des § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO.
17
Das Landgericht hat in den Urteilsgründen zuerst den Anklagevorwurf aufgezeigt und sodann den festgestellten Sachverhalt geschildert, wobei es in einer geschlossenen Darstellung zunächst diejenigen Tatsachen zum objektiven Tatbestand festgestellt hat, die es für erwiesen hält (vgl. zu den Darstellungsanforderungen BGH, Urteil vom 10. August 2011 – 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110). Erst im Anschluss daran folgt die Beweiswürdigung, in der das Landgericht dargelegt hat, aus welchen Gründen es sich vom Tatvorwurf nicht überzeugen konnte (vgl. dazu BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 – 1 StR 722/13 mwN). Diese Darstellung ermöglichte dem Senat die Überprüfung, ob dem Landgericht Rechtsfehler unterlaufen sind, insbesondere, ob der den Entscheidungsgegenstand bildende Sachverhalt erschöpfend gewürdigt worden ist (vgl. dazu BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, BGHSt 52, 314).
18
b) Auch die Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung stand.
19
aa) Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 10. Mai 2017 – 2 StR 258/16 und vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2016 – 1 StR 597/15, Rn. 27 mwN [insoweit in NStZ-RR 2016, 272 nicht abgedruckt]).
20
Das Urteil muss zudem erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände , die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792, 2793 mwN). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn der Tatrichter an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt und dabei nicht beachtet hat, dass eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und von niemandem anzweifelbare Gewissheit nicht erforderlich ist. Denn es genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige und nicht bloß auf denktheoretische Möglichkeiten gegründete Zweifel nicht zulässt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 12. Juli 2017 – 1 StR 535/16, Rn. 7; vom 12. Januar 2017 – 1 StR 360/16, Rn. 10 und vom 11. Mai 2017 – 4 StR 554/16, Rn. 6; jeweils mwN). Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 27. September 2017 – 2 StR 146/17, NStZ-RR 2017, 383 und vom 22. September 2016 – 2 StR 27/16, Rn. 26, jeweils mwN).
21
bb) Ausgehend von diesen Maßstäben hält die Beweiswürdigung rechtlicher Nachprüfung stand.
22
(1) Der Senat besorgt nicht, das Landgericht könnte überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung von der Schuld des Angeklagten gestellt haben. Dies gilt auch, soweit das Landgericht davon ausgegangen ist, dass Teile der Einlassung des Angeklagten diesem „nicht zwingend zu widerlegen“ seien (UA S. 16). Das Landgericht hat dies angenommen für die Behauptungen des Angeklagten, der Nebenkläger habe zuerst die Auseinandersetzung mit ihm gesucht, H. oder der Nebenkläger hätten ein Pfefferspray eingesetzt, beide hätten auf ihn eingeschlagen sowie für die Einlassung des Angeklagten, er habe das mitgeführte „Outdoor-Beil“ zur Verteidigung eingesetzt (UA S. 16). Es hat hierdurch jedoch nicht gegen den Zweifelssatz verstoßen. Denn das Landgericht hat diese Behauptungen des Angeklagten nicht als unwiderlegbar seinen Feststellungen zugrunde gelegt. Vielmehr hat es eine rechtsfehlerfreie Gesamtwürdigung aller festgestellten Indiztatsachen durchgeführt, bei der es den Umstand, dass es für diese Teile der Einlassung des Angeklagten keine Beweise gibt, berücksichtigt hat (UA S. 25 f.). Erst aufgrund dieser Gesamtwürdigung ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass es Zweifel an der dem Angeklagten zur Last liegenden Tatbegehung nicht zu überwinden ver- mochte. Dies rechtfertigte die Freisprechung des Angeklagten aus tatsächlichen Gründen nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“. Angesichts der vorgenomme- nen Gesamtwürdigung bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, das Landgericht könnte rechtsfehlerhaft davon ausgegangen sein, dass für eine Verurteilung eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und von niemandem anzweifelbare Gewissheit erforderlich sei.
23
(2) Das Urteil lässt auch erkennen, dass das Landgericht all diejenigen Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat.
24
Insbesondere hat es ausdrücklich in den Blick genommen, dass H. und der Nebenkläger eine für sich plausibel erscheinende Schilderung des Geschehens abgegeben haben. Es hat aber rechtsfehlerfrei auch die „vielfälti- gen Unwägbarkeiten“ in Bezug auf das Vorgeschehen, darunter den Grund für das Verlassen der Wohnung, in die Gesamtwürdigung eingestellt. Ohne Rechtsfehler durfte das Landgericht angesichts der Feststellungen der Sachverständigen Fe. zum Vorhandensein von Antragungen von typischen Inhaltsstoffen von Pfeffersprays (UA S. 20) den Einsatz von Pfefferspray im Rahmen der Auseinandersetzung als naheliegend (UA S. 25) werten. Das Landgericht hat in seine Gesamtwürdigung auch eingestellt, dass die Einlas- sung des Angeklagten „massiv problembehaftet“ war und er nicht nur mehrfach wechselnde Tatschilderungen abgegeben, sondern anfangs auch jegliche Verwendung einer Waffe bestritten, die Waffe sogar versteckt und davon gespro- chen hatte, dass er dem Nebenkläger eine „Lektion erteilen“ wolle (UA S. 26).
25
Der Umstand, dass das Landgericht sich trotz dieser Unstimmigkeiten im Einlassungsverhalten des Angeklagten in der Gesamtschau nicht mit hinreichender Sicherheit von einem dem Tatvorwurf entsprechenden Geschehen überzeugen konnte, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Denn es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre. Es bestehen hier auch keine Anhaltspunkte dafür, das Landgericht könnte verkannt haben, dass für die Überzeugungsbildung ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht zulässt, ausreicht.
26
(3) Die Beweiswürdigung ist auch nicht deshalb lückenhaft, weil das Landgericht die Angaben des Angeklagten im Ermittlungsverfahren nicht im Einzelnen dargestellt hat. Zwar kann ein Wechsel der Einlassung eines Beschuldigten im Laufe des Verfahrens ein Indiz für die Unrichtigkeit seiner Einlassung in der Hauptverhandlung sein und ihre Bedeutung für die Beweiswürdigung verringern oder sogar ganz entfallen lassen (vgl. BGH, Urteile vom 6. November 2003 – 4 StR 270/03, NStZ-RR 2004, 88 und vom 16. August 1995 – 2 StR 94/95, BGHR StPO § 261 Einlassung 6). Eine widerlegte Einlassung kann aber grundsätzlich nicht allein zur Grundlage einer dem Angeklagten ungünstigen Sachverhaltsdarstellung gemacht werden (vgl. Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 261 Rn. 11a). Vielmehr bedarf es einer Gesamtwürdigung aller Indizien, in die der Umstand, dass die Einlassung des Angeklagten widerlegt worden ist, einzubeziehen ist.
27
Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil. Das Landgericht hat ausdrücklich berücksichtigt, dass der Angeklagte mehrfach wechselnde Tatschilderungen abgegeben und zunächst sogar jegliche Verwendung einer Waffe bestritten hatte (UA S. 26). Es hat rechtsfehlerfrei die in weiten Teilen widerlegte Einlassung des Angeklagten (UA S. 15) als „massiv problembehaf- tet“ in dieGesamtwürdigung im Rahmen der Beweisaufnahme eingestellt (UA S. 26). Auf die Einzelheiten seiner Einlassungen bei polizeilichen Vernehmungen im Ermittlungsverfahren kam es hier ersichtlich nicht an. Denn das Landgericht hat dargelegt, dass der Angeklagte an einer hirnorganischen Persönlichkeitsstörung leidet und sich aufgrund seines Alkohol- und Drogenkonsums zum Tatzeitpunkt in einem Zustand nicht ausschließbar vollständig aufgehobener Steuerungsfähigkeit befand, die sich dergestalt auf sein Einlassungsverhalten ausgewirkt haben konnte, dass er die Geschehensabläufe abweichend von der Realität erinnerte oder Erinnerungslücken konfabulatorisch ausfüllte (UA S.

26).


IV.

28
Die zuletzt nur noch auf die Sachrüge gestützte Revision des Nebenklägers ist ebenfalls unbegründet.
29
Die Beweiswürdigung hält aus den bereits zur Revision der Staatsanwaltschaft ausgeführten Gründen rechtlicher Nachprüfung stand. Der Erörterung eines möglichen Notwehrexzesses bedurfte es nicht, weil es an Anhaltspunkten für eine mögliche Überschreitung der Grenzen der Notwehr fehlt. Solche ergeben sich auch nicht aus der Art der vom Nebenkläger erlittenen Verlet- zungen. Zudem durfte das Landgericht unter Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ zugunsten des Angeklagten davon ausgehen, dass dieser mit dem Beil lediglich einen seitlich geführten Schlag gegen den Körper des Nebenklägers ausführte, nachdem er es vorher bereits drohend vor sich her geschwungen hatte, wobei ihm andere Mittel, um den gegen ihn geführten Angriff abzuwehren, nicht zur Verfügung standen (UA S. 9, 24).

V.

30
Wegen der Kostenentscheidung verweist der Senat auf BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1957 – 1 StR 33/57, BGHSt 11, 189 und BGH, Urteil vom 30. September 2004 – 5 StR 312/04 mwN. Angesichts des weitergehenden Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, das sich auch gegen den Freispruch vom Tatvorwurf einer gefährlichen Körperverletzung gegenüber H. richtet, erscheint es angemessen, hier von einer Belastung des Nebenklägers mit gerichtlichen Auslagen des Revisionsverfahrens neben der Staatskasse ganz abzusehen. Graf Jäger Bellay Cirener Frau RinBGH Dr. Fischer ist wegen urlaubsbedingter Abwesenheit an der Unterschrift gehindert. Graf

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 21. Nov. 2017 - 1 StR 261/17

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 21. Nov. 2017 - 1 StR 261/17

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafgesetzbuch - StGB | § 32 Notwehr


(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig. (2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.
Bundesgerichtshof Urteil, 21. Nov. 2017 - 1 StR 261/17 zitiert 4 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

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Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Jan. 2019 - 5 StR 559/18

bei uns veröffentlicht am 24.01.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 559/18 vom 24. Januar 2019 in dem Sicherungsverfahren gegen ECLI:DE:BGH:2019:240119B5STR559.18.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 24

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(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 114/11
vom
10. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. August
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
die Nebenklägerin persönlich,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 27. Oktober 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf der sexuellen Nötigung u.a. aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der Nebenklägerin. Diese hat mit der Sachrüge Erfolg, da die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtsfehlerhaft ist. Eines näheren Eingehens auf die zusätzlich erhobenen Aufklärungsrügen bedarf es somit nicht.

I.


2
1. In der (im Wesentlichen auf den Angaben der Nebenklägerin im Ermittlungsverfahren beruhenden) unverändert zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft Konstanz vom 12. Juli 2010 ist dem Angeklagten zur Last gelegt worden, dass er bei der Behandlung der Nebenklägerin in mindestens acht Fällen gegen deren Willen aus sexuellen Gründen mit seinem Finger in deren Vaginalbereich eingedrungen sei. Der Angeklagte hat die Vorwürfe bestritten. Das Landgericht hat sich nicht von seiner Schuld zu überzeugen vermocht. Hinsichtlich des Sachverhalts konnte es lediglich folgende Feststellungen treffen:
3
In der Zeit von August bis November 2009 begab sich die damals 18 Jahre alte Nebenklägerin wegen ihres Heuschnupfens mindestens fünf Mal in die Behandlung des als Heilpraktiker tätigen Angeklagten. Dieser war ihr persönlich bekannt, da sie bei dessen Tochter eine Ausbildung zur Kosmetikerin absolvierte. Zur Behandlung des Heuschnupfens führte der Angeklagte bei der Nebenklägerin jeweils zunächst eine Eigenblutbehandlung durch, bei der er ihr das zuvor entnommene Blut in ihren Gesäßmuskel spritzte und die Einstichstelle mit einer schmerzstillenden Salbe massierte. Anschließend nahm er noch eine Lymphdrainage vor, bei der er die Lymphknoten mit einem Massagegerät abtastete.
4
Mitte bzw. Ende November 2009 kam es wegen häufiger Krankmeldungen zu einem Streit zwischen der Nebenklägerin und ihrer Arbeitgeberin, der Tochter des Angeklagten, woraufhin die Nebenklägerin ihren Ausbildungsplatz vorzeitig kündigte.
5
In einem Brief vom 13. Januar 2010 schrieb der Angeklagte der Nebenklägerin Folgendes: „Meine Liebe Jenni. Beginnend möchte ich dich bitten, dass dieser Brief nur uns beide betrifft !!!! Es tut mir sehr leid, dass ich dich nicht mehr hier haben kann. (…) Ich hoffe, dass die Zuneigung zu dir nicht der Grund deiner Kündi- gung gewesen ist. (…) Bitte (…) mach keine trotz Aktionen mit der A. (…). Ich grüße und küsse dich herzlich, bitte melde dich. PS: Wenn du mir schreiben willst, dann schreibe als Absender Apotheke R. “.
6
Dieser Brief veranlasste die Nebenklägerin, zur Polizei zu gehen und gegen den Angeklagten Anzeige zu erstatten.
7
2. Zur Begründung des Freispruchs hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
8
Die Nebenklägerin und die Zeugin G. , die einen (von der Staats- anwaltschaft nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellten) „vergleichbaren Vorfall“ wie die Nebenklägerin geschildert habe, hätten auf die Strafkammer zwar „keinen unglaubwürdigen Eindruck“ gemacht. Dennoch seien Zweifel an der Glaubhaf- tigkeit der Aussagen der beiden miteinander bekannten Zeuginnen verblieben. So habe es in der Aussage der Nebenklägerin „Unsicherheiten bzw. Abweichungen zu ihren polizeilichen Angaben, die auch den Kernbereich der Tatvor- würfe betreffen“, gegeben. Außerdem hätten beide Zeuginnen ein Belastungs- motiv, da sie beide mit der Tochter des Angeklagten Streit gehabt hätten.

II.


9
Das freisprechende Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Insbesondere ist es ihm verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch seine eigene zu ersetzen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20).
11
Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich somit darauf, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes , wenn sie lückenhaft ist, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 15. Juli 2008 - 1 StR 231/08 und 9. März 2011 - 2 StR 467/10 mwN). Insbesondere ist die Beweiswürdigung auch dann rechtsfehlerhaft, wenn die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt werden (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20, sowie BGH, Urteil vom 21. November 2006 - 1 StR 392/06) oder sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, dass die einzelnen Beweisergebnisse in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2008 - 1 StR 231/08 mwN).

12
2. Diesen Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung wird das angefochtene Urteil in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.
13
a) Die Beweiswürdigung ist bereits deshalb rechtsfehlerhaft, weil es an einer geschlossenen Darstellung der Aussagen der Nebenklägerin und der Zeugin G. fehlt.
14
Zwar ist der Tatrichter grundsätzlich nicht gehalten, im Urteil Zeugenaussagen in allen Einzelheiten wiederzugeben. In Fällen, in denen - wie hier - Aussage gegen Aussage steht, muss aber der entscheidende Teil einer Aussage in das Urteil aufgenommen werden, da dem Revisionsgericht ohne Kenntnis des wesentlichen Aussageinhalts ansonsten die sachlich-rechtliche Überprüfung der Beweiswürdigung nach den oben aufgezeigten Maßstäben verwehrt ist.
15
aa) Die Darstellung der Aussagen der Nebenklägerin bei der Polizei und in der Hauptverhandlung beschränkt sich auf die Wiedergabe und Bewertung einzelner aus dem Gesamtzusammenhang der Aussage gerissener Angaben, die das Landgericht als „Unsicherheiten bzw. Abweichungen“ bezeichnet, „die auch den Kernbereich der Tatvorwürfe betreffen“. Die Bekundungen der Ne- benklägerin zu den von ihr erhobenen Vergewaltigungsvorwürfen, insbesondere konkrete Details zum unmittelbaren Tatgeschehen, werden dagegen nicht mitgeteilt. Auch ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, ob die Nebenklägerin die vom Landgericht aufgezeigten Widersprüche im Aussageinhalt nachvollziehbar erklären konnte oder nicht. Auf dieser Grundlage kann der Senat schon nicht hinreichend überprüfen, ob das Landgericht eine fachgerechte Analyse der - im Urteil nicht weiter mitgeteilten - Aussage der Nebenklägerin zum Kern- geschehen vorgenommen und die dabei von ihr aufgezeigten „Unsicherheiten bzw. Abweichungen“ zutreffend gewichtet hat (zur Gewichtung von Aussage- konstanz und Widerspruchsfreiheit vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1997 - 4 StR 526/96).
16
bb) Eine zusammenhängende Schilderung der von der Zeugin G. gegen den Angeklagten erhobenen Vorwürfe ist den Urteilsgründen ebenfalls nicht zu entnehmen. Die Ausführungen im angefochtenen Urteil beschränken sich auf den Hinweis, die Zeugin habe einen „vergleichbaren Vorfall“ geschildert. Weitere Einzelheiten der Aussage werden nicht mitgeteilt. Der Senat kann daher auch in Bezug auf die Aussage der Zeugin G. nicht überprüfen, ob das Landgericht die für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung wesentlichen Umstände erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat, zumal das Landgericht seine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin G. mit einem Streit zwischen ihr und der Tochter des Angeklagten begründet hat, ohne hierüber nähere Einzelheiten, z.B. zur Ursache, zum genauen Zeitpunkt, zum Verlauf oder zur Intensität des Streits, mitzuteilen.
17
b) Das Landgericht hat seine Zweifel an der Schuld des Angeklagten wesentlich auf „Abweichungen bzw. Unsicherheiten“ in der Aussage der Ne- benklägerin gestützt. So habe die Nebenklägerin unterschiedliche Angaben zum erstmaligen Einsatz eines Massagestabes - bei der ersten bzw. bei der zweiten Behandlung durch den Angeklagten - gemacht. Auch habe sie sich an die Anzahl der Behandlungstermine nur noch „grob“ erinnern können; zunächst habe sie von vier bis fünf, später dann von fünf bis acht Terminen gesprochen. Bei der Bewertung dieser ungenauen Gedächtnisleistungen der Nebenklägerin hätte sich das Landgericht mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob diese derart schwerwiegend sind, dass sie Rückschlüsse auf den Wahrheitsgehalt der Aussage erlauben. Denn nicht jede Inkonstanz stellt bereits einen Hinweis auf eine mangelnde Glaubhaftigkeit der Angaben insgesamt dar (BGH, Urteil vom 30. Juli 1999 - 1 StR 618/98, BGHSt 45, 164, 172). Das Landgericht lässt dabei zudem auch die Einlassung des Angeklagten außer Acht, die in diesem Zusammenhang nicht wesentlich von den Angaben der Nebenklägerin abweicht. So hat der Angeklagte nicht nur angegeben, dass er die Nebenklägerin fünfmal in seiner Praxis behandelt habe, sondern auch, dass er dabei regelmäßig das Massagegerät eingesetzt habe.
18
c) Aus dem Brief vom 13. Januar 2010, den der Angeklagte an die Nebenklägerin geschrieben hat und der letztlich nach den Feststellungen der Aus- löser für ihre Strafanzeige gewesen ist, konnte das Landgericht keine „zwingenden Schlüsse“ hinsichtlich der Tatvorwürfe ziehen. Diese Formulierung lässt besorgen, dass das Landgericht die Anforderungen, die an die richterliche Überzeugung von der Schuld des Angeklagten zu stellen sind, überspannt hat. Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende Gewissheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2003 - 5 StR 358/03 mwN).
19
d) Bei der Bewertung des Briefes vom 13. Januar 2010 hat sich das Landgericht zudem lediglich mit den Textstellen auseinandergesetzt, in denen der Angeklagte von seiner Zuneigung zu der Nebenklägerin spricht, sie auffordert , Trotzreaktionen zu unterlassen, und sie bittet, bei Schreiben an ihn einen falschen Absender anzugeben. Dagegen bleibt die für ein Schreiben eines Therapeuten an seine Patientin ungewöhnliche Grußformel „ich küsse dich herzlich“ unerörtert. Für eine Erörterung auch dieser Textstelle hätte hier schon deshalb Anlass bestanden, weil der Angeklagte an anderer Stelle des Briefes seine Zuneigung zur Nebenklägerin zum Ausdruck bringt, so dass die von ihm verwendete Grußformel darauf hindeuten könnte, dass es bei der Behandlung der Nebenklägerin zu sexuellen Handlungen gekommen war.
20
e) Die erforderliche Gesamtschau der Beweisergebnisse fehlt.
21
Liegen mehrere Beweisanzeichen vor, so genügt es nicht, sie jeweils einzeln abzuhandeln. Das einzelne Beweisanzeichen ist vielmehr mit allen anderen Indizien in eine Gesamtwürdigung einzustellen. Erst die Würdigung des gesamten Beweisstoffes entscheidet letztlich darüber, ob der Richter die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten und den sie tragenden Feststellungen gewinnt. Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln können (BGH, Urteile vom 30. März 2004 - 1 StR 354/03 und 15. Juli 2008 - 1 StR 231/08 jew. mwN).
22
Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, dass die Umstände, die für eine Täterschaft des Angeklagten sprechen, im Zusammenhang gewürdigt worden sind. Das Landgericht hat diese lediglich einzeln erörtert und nur geprüft, ob sie für sich allein zur Überführung des Angeklagten ausreichen. Dies genügt hier den Anforderungen an eine lückenlose Beweiswürdigung schon deshalb nicht, weil die Nebenklägerin und die Zeugin G. - wie dies an mehreren Stellen des Urteils ausgeführt wird (UA S. 7, 13 und 14) - auf das Landgericht „keinen unglaubwürdigen Eindruck“ gemacht haben. Der Senat kann daher nicht aus- schließen, dass das Landgericht bei einer umfassenden Gesamtschau der belastenden Umstände den jeweils isoliert aufgezeigten Zweifeln an der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Nebenklägerin und der Zeugin G. ein geringe- res Gewicht beigemessen und sich nicht nur von der Richtigkeit ihrer Angaben, sondern letztlich auch von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt hätte.
Nack Wahl Elf Graf Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 7 2 2 / 1 3
vom
8. Mai 2014
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Mai 2014,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Rothfuß,
Prof. Dr. Jäger
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
- in der Verhandlung -,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
- bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Vertreter für
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 7. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubter Einreise in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt ohne Pass in Tateinheit mit Urkundenfälschung“ sowie wegen „vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Von dem weiteren Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführen eines Springmessers gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die wirksam auf den Freispruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die die Verletzung sachlichen Rechts beanstandet.
2
Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

3
1. Dem Angeklagten ist mit der Anklage vorgeworfen worden, sich am 23. Juli 2011 gegen 14.00 Uhr gemeinsam mit dem gesondert Verfolgten D. in eine Münchener Parkanlage begeben zu haben, um sich dort in den Besitz von Kokain- und Heroingemisch zu bringen. Die Betäubungsmittel seien zuvor von beiden gemeinschaftlich erworben und von den Vorbesitzern in der Parkanlage vergraben worden. Der Angeklagte habe um das Versteck gewusst und ein funktionsfähiges Springmesser mit einer Klingenlänge von sieben Zentimetern mit sich geführt. Es habe sich um 51,8 Gramm Heroingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von 1,7 Gramm Heroinhydrochlorid und 303,2 Gramm Kokaingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von 9 Gramm Kokainhydrochlorid gehandelt.
4
2. Das Landgericht hat zur Begründung des Freispruchs ausgeführt, dass es den Angeklagten der Tat nicht mit der erforderlichen Sicherheit für überführt erachte. Hierzu stellt es die erhobenen Zeugenaussagen dar. So habe der gesondert Verfolgte D. bekundet, der Angeklagte habe mit dem vergrabenen Päckchen nichts zu tun. Der Angeklagte habe gesagt, er müsse urinieren und sei ihm - dem Zeugen - bei der Suche nach den vergrabenen Betäubungsmitteln gefolgt. Sofern er, der Zeuge, früher etwas anderes gesagt habe, nämlich dass das gesamte Kokain dem Angeklagten gehört habe, sei dies gelogen gewesen. Sodann werden noch die Angaben von zwei Polizeibeamten mitgeteilt, die den Angeklagten und D. in der Parkanlage beobachtet haben. Danach habe einer gegraben, während der andere daneben gestanden und geschaut habe, zuvor hätten beide mit den Füßen am Boden gescharrt. Uriniert habe keiner von beiden. Diese Angaben begründeten zwar „gewisse Zweifel“ an der Version des D. , dennoch sei der Nachweis der Tat nicht zu führen.

II.


5
Das Urteil hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.
6
Es unterliegt der Aufhebung, weil es an einem durchgreifenden Darstellungsmangel leidet. Wird der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen , so müssen nach Mitteilung des Anklagevorwurfs im Urteil zunächst diejenigen Tatsachen festgestellt werden, die das Tatgericht für erwiesen erachtet. Erst auf dieser Grundlage ist in der Beweiswürdigung darzulegen, aus welchen Gründen die zur Verurteilung notwendigen Feststellungen nicht getroffen werden konnten (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2003 – 1 StR 544/02, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 13 mwN; Urteil vom 17. März 2009 – 1 StR 479/08, NStZ 2009, 512, 513; Urteil vom 3. März 2010 – 2 StR 427/09, NStZRR 2010, 182). Nur hierdurch wird das Revisionsgericht in die Lage versetzt, nachprüfen zu können, ob der Freispruch auf rechtlich bedenkenfreien Erwägungen beruht (BGH, Urteil vom 5. Februar 2013 – 1 StR 405/12, NJW 2013, 1106; vom 27. Oktober 2011 – 5 StR 236/11; vom 17. Mai 1990 - 4 StR 208/90, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 4; vom 26. September 1989 – 1 StR 299/89, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 2). Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht.
7
Denn das Landgericht stellt nicht dar, von welchem Geschehensablauf es sich aufgrund einer würdigenden Gesamtschau des dargestellten Beweisertrags überzeugt hat. Dass die Beweisaufnahme hierzu Erkenntnisse erbracht hat, belegen die sich auf eine Darstellung der Zeugenaussagen beschränkenden Urteilsausführungen.
8
Indem es das Landgericht unterlässt, diese Erkenntnisse dahingehend zu würdigen, was sich in der Parkanlage zugetragen hat und wie sich der Angeklagte dort verhalten hat, ist dem Revisionsgericht keine Nachprüfung möglich , ob es in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zum Freispruch gelangt ist. Denn das genaue, über die Angaben im mitgeteilten Anklagesatz hinausgehend präzisierte Verhalten des Angeklagten vor Ort wäre ein gewichtiges Beweisanzeichen für die Frage einer Tatbeteiligung.
9
Dass eine würdigende Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Angaben des D. erforderlich gewesen wäre, wird durch das unaufgelöste Spannungsverhältnis zwischen dessen Angaben und den für glaubhaft erachteten Angaben der Polizeibeamten belegt. Auf dieser Grundlage hat das Landge- richt selbst erkannt, dass „Zweifel“ an den entlastenden Angaben „begründet“ sind. Dies lässt sich zum einen schon schwerlich mit der an anderer Stelle des Urteils gemachten Wertung, die Angaben des D. seien glaubhaft, vereinbaren ; zum anderen hätte es aber Anlass sein müssen, sich eine Überzeugung vom genauen Geschehensablauf im Park zu verschaffen, anstatt die Zeugenaussagen unaufgelöst nebeneinander stehen zu lassen. Bei dieser Würdigung wäre auch der Wechsel des Einlassungsverhaltens des D. zu bewerten gewesen , der nach den Feststellungen ursprünglich den wegen Kokainhandels verurteilten Angeklagten als Verantwortlichen für das Kokain benannt hat. Raum Wahl Rothfuß Jäger Cirener

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 258/16
vom
10. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Bandenhehlerei u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:100517U2STR258.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. Mai 2017, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, Zeng, Dr. Grube,
Staatsanwalt in der Verhandlung, Staatsanwalt bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten H. – in der Verhandlung –, Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten K. – in der Verhandlung –, Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten P. – in der Verhandlung – ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 27. Januar 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagten H. und K. hinsichtlich Fall 3 der Anklage freigesprochen worden sind. Die Revision betreffend den Angeklagten P. wird verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels betreffend den Angeklagten P. sowie die diesem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. unter Freisprechung im Übrigen wegen Begünstigung zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Den Angeklagten P. hat es wegen Hehlerei zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Wegen überlanger Verfahrensdauer hat es jeweils angeordnet, dass ein Monat der Freiheitsstrafe als vollstreckt gelte. Den Angeklagten K. hat das Landgericht freigesprochen.
2
Gegen dieses Urteil wenden sich die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten und auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft. Die wirksam auf die Freisprechung der Angeklagten H. und K. vom Vorwurf Ziffer 3 der Anklage und hinsichtlich des Angeklagten P. auf den Strafausspruch beschränkten Rechtsmittel haben den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg.

I.

3
Die Anklage legt den drei Angeklagten unter Ziffer 3 zur Last, sich gemeinsam zum Zweck des gewinnbringenden Weiterverkaufs zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt zwischen dem 21. September 2013 und dem 7. März 2014 eine Vielzahl von hochwertigen Bekleidungsstücken und Taschen sowie mehrere Packungen Kaffee und Fertiggerichte aus einem am 21./22. September 2013 begangenen Einbruchsdiebstahl bei einer Firma in Ho. verschafft und einen Teil dieser Gegenstände in einer von dem Angeklagten H. genutzten Garage in He. eingelagert zu haben. Die weiteren Gegenstände aus dem Diebesgut seien von den Angeklag- ten in einer Garage des Angeklagten K. in N. eingelagert worden, wo sie am 7. März 2014 sichergestellt worden seien.

II.

4
Zu diesen den Angeklagten zur Last gelegten Taten hat das Landgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
1. Zwischen dem Nachmittag des 21. September 2013 und dem Abend des 22. September 2013 drangen unbekannte Täter in ein Firmengelände in Ho. ein und entwendeten nach dem Aufbrechen von sieben Lkw-Containern und zwei Lastwagen zahlreiche hochwertige Bekleidungsartikel und Accessoires sowie größere Mengen Kaffee, Kaffeepads und Fertiggerichte.
6
Im Zeitraum zwischen 21. September 2013 bis einige Tage vor dem 7. März 2014 verschaffte sich der Angeklagte P. aus diesem Diebstahl 22 Kleidungsstücke und vier Taschen sowie drei Kartons mit Kaffee, einen Karton mit Fertiggerichten und weitere 11 Packungen Kaffee mit einem Einkaufswert von 1.652 Euro. Er lagerte die Gegenstände in einer ihm zugänglichen, vom Angeklagten K. genutzten Garage in N. . Einige Tage, bevor sie am 7. März 2014 im Rahmen einer Durchsuchung sichergestellt wurden, hatte der Angeklagte K. die Gegenstände zufällig vorgefunden und den Angeklagten P. aufgefordert, die Sachen aus der Garage zu entfernen. Bereits am 25. September 2013 waren bei der Durchsuchung einer vom Angeklagten H. genutzten Garage in He. eine große Anzahl von Bekleidungsstücken und Accessoires in Originalverpackung sowie 22 Packungen Kaffee und zwei Kartons mit Fertiggerichten gefunden worden, die ebenfalls aus dem Einbruch in Ho. stammten.
7
2. Der Angeklagte P. hat sich nicht zum Tatvorwurf eingelassen. Der Angeklagte H. hat sich dahin eingelassen, er sei einige Tage vor der Durchsuchung der Garage in He. von einem Bekannten gefragt worden, ob dieser Gegenstände aus einem Umzug bei ihm unterstellen könne. An diesem Tag seien jedoch keine Umzugsgegenstände zu ihm gekommen, sondern zum großen Teil Originalkartons, deren Inhalt er nicht gekannt habe. Zum Teil habe der Bekannte auch Jacken aufgehängt, wobei ihm zu diesem Zeitpunkt klar gewesen sei, dass diese Dinge aus einer rechtswidrigen Tat stammen mussten. Insofern habe er offensichtlich einen Fehler gemacht und wisse, dass er sich hierbei strafbar gemacht habe.
8
Der Angeklagte K. hat angegeben, er habe wenige Tage vor der Durchsuchung vom 7. März 2014 die von ihm genutzte Garage in N. aufgesucht und Müllsäcke sowie eine Kiste vorgefunden, deren Inhalt er sich angesehen habe. Außerdem habe er eine Einkaufstüte berührt, in der sich originalverpackte Kleidungsstücke befunden haben. Angesichts der Vielzahl der Gegenstände habe er vermutet, dass es sich um gestohlene Ware handeln müsse. Da neben ihm selbst nur der Mitangeklagte P. Zugriff auf die Garage gehabt habe, müsse dieser die Sachen dort gelagert haben. Er habeP. daher umgehend aufgefordert, die Sachen aus der Garage zu entfernen. Da dieser sich arbeitsbedingt in Bayern aufgehalten habe, sei es schwierig gewesen , einen Termin zur Abholung der Sachen zu vereinbaren. Wegen der zwischenzeitlichen Verhaftung des P. sei es dann nicht mehr zum Abtransport der Sachen gekommen.
9
3. Das Landgericht hat die Einlassungen der Angeklagten H. und K. als unwiderlegbar angesehen. Aufgrund der Angaben des Angeklagten K. hat es sich von der Täterschaft des Angeklagten P. überzeugt. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht zu Lasten desAngeklagten P. unter anderem strafschärfend gewertet, dass dieser sich Stehlgut im Wert von mindestens 1.600 Euro verschafft hat.

III.

10
Die zulässig beschränkten Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft haben, soweit sie sich gegen die Freisprüche der Angeklagten H. und K. bezüglich Ziffer 3 der Anklage richten, mit der Sachrüge Erfolg. Die Revision betreffend den Angeklagten P. ist dagegen unbegründet.
11
1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
12
2. Da das Urteil keine Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten K. enthält, genügt es unter den hier gegebenen Umständen bereits nicht den Darstellungsanforderungen des § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO.
13
a) Bei freisprechenden Urteilen ist der Tatrichter aus sachlich-rechtlichen Gründen dann zu Feststellungen zur Person des Angeklagten verpflichtet, wenn diese für die Beurteilung des Tatvorwurfs eine Rolle spielen können. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an; für eine schematische Betrachtungsweise ist kein Raum (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 2014 – 4 StR 15/14, Rn. 8; Beschluss vom 5. März 2015 – 3 StR 514/14, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 18; Urteil vom 2. April 2014 – 2 StR 554/13, NStZ 2014, 419; Urteil vom 11. März 2010 – 4 StR 22/10, BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 16 jeweils mwN).
14
b) Danach waren hier Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen veranlasst. Dem Angeklagten lag gewerbsmäßige Hehlerei zur Last. Für die Beurteilung eines derartigen Tatvorwurfs kann es von erheblicher Bedeutung sein, ob der Angeklagte in der Vergangenheit bereits durch vergleichbare Taten oder andere Vermögensdelikte in Erscheinung getreten ist.
15
3. Auch die Beweiswürdigung weist Rechtsfehler auf.
16
a) Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag.
17
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen , wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2016 – 1 StR 597/15, Rn. 27, zit. nach juris, mwN [insoweit in NStZ-RR 2016, 272 nicht abgedruckt]). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen , erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792, 2793 mwN). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind. Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen , für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. etwa Senat, Urteil vom 22. September 2016 – 2 StR 27/16, Rn. 26, zit. nach juris mwN).
18
b) Diesen Anforderungen an die Beweiswürdigung genügt das Urteil nicht.
19
(1) Die Erwägungen des Landgerichts zum Wahrheitsgehalt der Einlassung des Angeklagten K. begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
20
Die Strafkammer hat ihrer Beweiswürdigung im Wesentlichen die Einlassung des Angeklagten K. zu Grunde gelegt, ohne diese jedoch – wiegeboten – einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen. Bei entsprechender Prüfung hätte sich die Frage ergeben, wie die Einlassung K. s, er habe P. umgehend nach der am 7. März 2014 erfolgten Durchsuchung der Garage zur Entfernung der Sachen aufgefordert, man habe aber wegen eines beruflichen Aufenthalts des P. in Bayern keinen Abholungstermin finden können, mit dem Umstand vereinbar ist, dass sich P. zwischen dem 4. Februar 2014 und dem 5. Juni 2014 in Untersuchungshaft befand (UA S. 7).
21
(2) Seine Erwägungen hat das Landgericht zudem auf einen Erfahrungssatz gestützt, den es nicht gibt. Die Kammer hat angenommen, es spreche für den Wahrheitsgehalt der Angaben des Angeklagten K. , dass er diese inder Hauptverhandlung wiederholte, als er sich nicht mehr in Untersuchungshaft befand. Wären seine belastenden Angaben nämlich unrichtig, wäre zu erwarten gewesen, dass er in der Hauptverhandlung von diesen abrückt, schweigt oder die Aussage verweigert (UA S. 23). Damit hat die Kammer verkannt, dass die den Mitangeklagten P. belastenden Angaben aus Sicht des Angeklagten K. auch noch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung geeignet und erforderlich waren, um sich selbst zu entlasten.
22
(3) Die Beweiswürdigung hinsichtlich des Angeklagten H. ist bereits deshalb durchgreifend rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht die Einlassung des Angeklagten, ein „Bekannter“ habe die gestohlenen Gegenstände in der Garage in He. eingelagert, als „nicht zu widerlegen“ angesehen hat, obwohl für deren Richtigkeit keine Anhaltspunkte ersichtlich waren.
23
Den Bekannten hat der Angeklagte H. weder namentlich benannt noch in sonstiger Weise näher individualisiert. Die indiziell nachteilige Wirkung dieses Teilschweigens (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 2002 – 3 StR 370/01, NStZ 2003, 45) hat das Landgericht nicht gesehen. Auch hat das Landgericht keine tatsächlichen Umstände festgestellt, die für eine Einlagerung durch eine weitere Person sprechen. Dass sich der Angeklagte H. auch im Rahmen seiner Einlassung zum Tatvorwurf Ziffer 1 der Anklage mit dem Hinweis auf ei- nen nicht näher genannten „Bekannten“ als Täterentlastet hat (UA S. 52), hat das Landgericht bei der Würdigung der Einlassung ebenfalls nicht berücksichtigt. Es hat damit die nahe liegende Möglichkeit außer Betracht gelassen, dass es sich um eine bloße Schutzbehauptung handeln könnte.
24
(4) Als lückenhaft erweist sich die Beweiswürdigung hinsichtlich des Angeklagten H. , weil das Landgericht im Rahmen der Gesamtwürdigung nicht in den Blick genommen hat, dass der Angeklagte H. im Vorfeld der Sicherstellung eines Teils des Diebesguts am 7. März 2014 in N. beim Einlagern von Gegenständen in der vom Angeklagten K. genutzten Garage beobachtet worden war (UA S. 19).
25
(5) Die Ausführungen des Landgerichts zu den in der Einlassung offen bleibenden Fragen, ob, und wenn ja, wie und mit welcher Zielrichtung der Angeklagte H. tätig geworden ist, nachdem er von der Einlagerung von Diebesgut durch den „Bekannten“ Kenntnis erlangt hatte, lassen überdies besorgen , das Landgericht habe nicht beachtet, dass es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten ist, zugunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 3. Juni 2015 – 5 StR 55/15, NStZ-RR 2015, 255).
26
4. Der von der Revision angegriffene Rechtsfolgenausspruch betreffend die Verurteilung des Angeklagten P. hält rechtlicher Nachprüfung stand.
27
a) Dass das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung lediglich auf den Einkaufswert der in der Garage in N. sichergestellten Gegenstände abgestellt hat, folgt daraus, dass sich der Angeklagte P. nach den Feststellungen nur diesen Teil des Stehlguts verschafft hat (UA S. 30, 36).
28
b) Auch die vom Landgericht bei der Bewährungsentscheidung angestellte Legalprognose begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Den dem Tatrichter bei der Gesamtwürdigung nach § 56 Abs. 1 StGB eingeräumten weiten Bewertungsspielraum (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 56 Rn. 11 mwN) hat die Straf- kammer hier nicht überschritten, sondern alle wesentlichen, für die Entscheidung maßgeblichen Umstände erwogen. Appl Krehl Eschelbach Zeng Grube

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 420/14
vom
12. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Februar
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung –,
Richterin am Landgericht – bei der Verkündung –
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Pflichtverteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 24. März 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte vom Vorwurf des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung freigesprochen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs und fahrlässigen unerlaubten Besitzes eines nach dem Waffengesetz verbotenen Gegenstandes zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Vom Vorwurf, einen (besonders) schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie einen Diebstahl begangen zu haben, hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Mit ihrer vom Generalbundesanwalt vertretenen, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den hinsichtlich der Raubtat ergangenen Teilfreispruch.
2
Ausweislich der Ausführungen in der Revisionsrechtfertigung, mit denen die Beschwerdeführerin ausschließlich den Freispruch vom Vorwurf des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung als sachlich-rechtlich fehlerhaft beanstandet, ist das Rechtsmittel ungeachtet des in der Revisionsbegründung abschließend formulierten umfassenden Aufhebungsantrags auf diesen Teilfreispruch beschränkt (vgl. BGH, Urteile vom 12. April 1989 – 3 StR453/88, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3; vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 468/14 Rn. 7 mwN; Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 344 Rn. 7).
3
Die wirksam beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.


4
Zu dem in der zugelassenen Anklage gegen den Angeklagten erhobenen Vorwurf, gemeinsam mit einem bislang unbekannten Täter einen schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begangen zu haben, hat die Strafkammer folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
In den frühen Morgenstunden des 10. Juli 2013 gegen 2.00/2.30 Uhr klingelte es an der Wohnungstür des Geschädigten. Unbedarft öffnete er die Wohnungstür und erblickte zwei schwarz gekleidete und mit Sturmhauben maskierte männliche Personen, welche ihn unvermittelt zurück in seine Wohnung drängten und zu Boden zwangen. Einer der beiden Männer hielt einen schwarzen, etwa 50 bis 80 cm langen Schlagstock in der Hand und fuchtelte mit diesem herum, wobei er den Geschädigten auch am linken Unterarm traf. Während einer der beiden maskierten Männer den Geschädigten mit dem Fuß auf dem Brustkorb am Boden hielt, trug der andere verschiedene elektronische Geräte in der Wohnung zusammen. Er holte einen Rucksack aus dem Schlafzimmer und verstaute darin einen Laptop Sony Vaio, eine Playstation 3 sowie eine Toshiba Festplatte. Ferner stellte er ein Mischpult Traktor Kontrol S2, welches sich in einem Karton befand, zur Mitnahme bereit. Anschließend forderten die Täter den Geschädigten auf, sowohl seine Geldbörse als auch sein Mobiltelefon , ein Apple iPhone 4-8 GB, herauszugeben. Aus Angst und unter dem Eindruck des Überfalls stehend übergab der Geschädigte die geforderten Gegenstände. In der Geldbörse befanden sich u.a. der Personalausweis, der Führerschein und die Krankenkassenkarte des Geschädigten. Unter Mitnahme der genannten Gegenstände verließen die Täter sodann die Wohnung.
6
Das Mobiltelefon des Geschädigten verkaufte der Angeklagte am 22. Juli 2013 für 130 € an den Bruder seiner ehemaligen Freundin, nachdem er es in der Zeit vom 12. Juli 2013 bis zum Verkauf selbst genutzt hatte. Das entwendete Laptop nutzte der Angeklagte vom 12. Juli bis 15. Juli 2013 und veräußerte es anschließend für 100 € an seine ehemalige Freundin. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten konnten am 22. Juli 2013 das Mischpult des Geschädigten sowie dessen Führerschein und Krankenkassenkarte aufgefunden werden.
7
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Beteiligung an dem Raubüberfall zum Nachteil des Geschädigten freigesprochen, weil nicht habe festgestellt werden können, wie der Angeklagte an die Gegenstände aus der Tatbeute gelangt sei. Die tatsächlichen Voraussetzungen für eine wahldeutige Verurteilung wegen Diebstahls oder Hehlerei hat es verneint.

II.


8
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet. Die dem Teilfreispruch zugrunde liegende Beweiswürdigung hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
9
1. Das Revisionsgericht hat es regelmäßig hinzunehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 – 1 StR 305/66, BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 18. Januar 2011 – 1 StR 600/10, NStZ 2011, 302; vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16). Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78 aaO). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 – 4 StR 360/12, NStZ 2013, 180). Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2011 – 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110, 111). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (vgl. BGH, Urteile vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97 aaO; vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH, Urteile vom 17. Juli 2014 – 4 StR 129/14 Rn. 7; vom 18. August 2009 – 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85, 86; vom 21. Oktober 2008 – 1 StR 292/08, NStZ-RR 2009, 90, 91).
10
2. Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht in jeder Hinsicht gerecht.
11
a) Die Strafkammer hat die Einlassung des Angeklagten, er sei, nachdem er am Tattag bis gegen 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr bei seiner Schwester gewesen sei, von dort an die Schwimmhalle in Bitterfeld gefahren worden, wo er seinen Bekannten K. O. getroffen habe, der ihm „schöne Dinge“ angeboten und gefragt habe, ob er daran Interesse habe, als unglaubhaft bewertet. Dabei hat sie sich u.a. auf die Zeugenaussage der Schwester des Angeklagten gestützt, die bekundet hat, den Angeklagten gegen 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr gemeinsam mit einer Freundin von ihr zur Haustür begleitet, ihn anschließend aber nicht zur Schwimmhalle gefahren zu haben. Wenn das Landgericht dieses Beweisergebnis dahingehend bewertet, dass dem Angeklagten für die Tatzeit ein Alibi fehlt (UA S. 22), liegt dem ersichtlich die Annahme zugrunde, dass es dem Angeklagten nach den zeitlichen und räumlichen Gegebenheiten möglich war, nach dem Verlassen der Wohnung der Schwester um 1.00 Uhr bzw. 1.30 Uhr die wenig später um 2.00/2.30 Uhr verübte Raubtat zu begehen. Die objektiv belegte Gelegenheit zur Tatausführung, die daraus resultiert, dass der Angeklagte maximal 1 ½ Stunden vor der Tat in der eine Tatausführung ermöglichenden Nähe zum Tatort unterwegs war, stellt aber ein den Angeklagten belastendes Indiz dar, das in seinem Beweiswert durch den bloßen Hinweis auf das fehlende Alibi zur Tatzeit nicht erschöpfend erfasst wird und daher in die tatrichterlichen Überlegungen hätte einbezogen werden müssen.
12
b) Im Rahmen der Gesamtwürdigung der Beweisergebnisse wäre zudem zu erörtern gewesen, dass der Angeklagte nicht nur über ohne weiteres selbst zu nutzende oder wirtschaftlich verwertbare Gegenstände aus der Beute verfügte , sondern mit dem Führerschein und der Krankenkassenkarte des Geschädigten auch solche Beutestücke in Besitz hatte, denen kein unmittelbarer Vermögenswert zukommt und für deren Überlassung durch einen Raubtäter kein nachvollziehbarer Anlass erkennbar ist.
13
c) Mit seiner der Ablehnung einer wahldeutigen Verurteilung zugrunde liegenden Annahme, der Erwerb der Gegenstände aus der Beute könne auch auf einem dritten Weg erfolgt sein, der in seiner konkreten Gestalt nicht näher bekannt sei, hat die Strafkammer schließlich eine Sachverhaltsvariante für möglich erachtet, für welche sich aus dem Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte ergeben. Soweit die Strafkammer in der Unglaubhaftigkeit der Schilderung des Angeklagten über den (hehlerischen) Erwerb der Gegenstände von seinem Bekannten K. O. einen Anhalt für ihre Annahme gesehen hat, hat sie verkannt, dass der widerlegten Einlassung des Angeklagten keine Beweisbedeutung zukommt, die gegen eine anderweitige hehlerische Erlangung der Beutestücke durch den Angeklagten spricht. Das Landgericht hat es insoweit versäumt, eine umfassende Würdigung aller Beweisumstände vorzunehmen und auf dieser Grundlage zu prüfen und zu entscheiden, ob die Beweisergebnisse die Überzeugung zu tragen vermögen, dass der Angeklagte die Gegenstände aus der Tatbeute entweder durch die Raubtat oder im Wege der Hehlerei erlangt hat.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR521/14
vom
24. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen des Verdachts der schweren Vergewaltigung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
24. März 2015, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt K.
als Verteidiger,
Rechtsanwalt Ba.
als Vertreter der Nebenklägerin Bö. ,
Rechtsanwältin T.
als Vertreterin der Nebenklägerin H. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 24. März 2014 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen und Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und ihn hinsichtlich weiterer vier Tatvorwürfe aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Revision des Angeklagten hat der Senat im Beschlusswege gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision gegen die Freisprüche des Angeklagten wegen drei der weiteren ihm vorgeworfenen Straftaten. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
1. Dem Angeklagten lag zur Last, in zwei Fällen jeweils eine schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begangen zu haben, indem er im Mai 2010 die Geschädigte Bö. und im Juni 2010 die Geschädigte H. durch heimliche Beibringung eines bewusstseinstrüben- den Mittels (sog. K.O.-Tropfen) in einen willenlosen Zustand versetzt und diesen jeweils zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs ausgenutzt habe. Darüber hinaus war ihm vorgeworfen worden, eine räuberische Erpressung in Tateinheit mit Anstiftung zum Betrug verübt zu haben; er habe U. und L. unter Androhung körperlicher Repressalien dazu gebracht, dass L. unter Vortäuschung von Zahlungswilligkeit und -fähigkeit einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen und anschließend dem Angeklagten das erlangte Mobiltelefon nebst SIM-Karte weisungsgemäß ausgehändigt habe.
3
2. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
4
a) Die Nebenklägerin Bö. lernte den Angeklagten über einen Chat kennen und verabredete sich mit ihm für den Abend des 12. Mai 2010. Begleitet von ihrer Freundin P. und einem Bekannten des Angeklagten besuchten sie eine Diskothek, in der sie Alkohol tranken und sich küssten. Als ihr aufgrund des Alkoholkonsums schlecht wurde, wurde sie von mehreren Personen vor die Diskothek gebracht. Anschließend fuhr sie mit dem Angeklagten in einem Taxi zu dessen Wohnung. Dabei war sie alkoholbedingt enthemmt; sie wusste jedoch noch, was sie tat, und konnte sich ihrem Willen entsprechend ohne erhebliche Beeinträchtigung steuern und äußern (UA S. 51). Nachdem sie, in der Wohnung angelangt, weiterhin unter Übelkeit gelitten hatte, zog sie sich aus, legte sich ins Bett und schlief ein. Am nächsten Morgen verließ die Nebenklägerin Bö. die Wohnung des noch schlafenden Angeklagten, ohne ihn zu wecken , weil ihr Verhalten ihr peinlich war. Sie ließ sich von ihrem ehemaligen Freund nach Hause bringen, mit dem sie noch am selben Abend an einer Feier teilnahm.
5
b) In der Nacht zum 3. Juni 2010 besuchte die Nebenklägerin H. , die „gerne Schnaps trank, diesen gut vertrug und am Vortag oderam Morgen des 3. Juni 2010 Crystal konsumiert hatte“ (UA S. 53), mit Freunden eine Diskothek. Dort traf sie den ihr bereits bekannten Angeklagten, mit dem sie früher „gelegentlich Zärtlichkeiten in nicht näher ermittelbarer Art“ (UA S. 52) ausge- tauscht hatte. Gemeinsam mit dem Angeklagten konsumierte sie innerhalb von zehn bis zwanzig Minuten jeweils zehn Gläser mit 4 cl „Wodka-Energy“. Etwa eine Stunde später fuhr sie mit dem Angeklagten und einem ihm Bekannten zu dessen Wohnung. Dort spielten sie bei weiterem Alkoholkonsum zu Dritt ein Spiel, in dessen Verlauf sie sich einzelne Kleidungsstücke auszogen und H. , die alkoholbedingt – lediglich – enthemmt ihre Mitspieler küsste. Außerdem kam es zwischen ihr und dem Angeklagten zum Geschlechtsverkehr. Nachdem sie zuvor ihren Freunden gegenüber telefonisch ihre baldige Rückkehr in die Diskothek angekündigt hatte, nutzte nicht ausschließbar der Bekannte des Angeklagten einen Toilettenbesuch H. s dazu, aus ihrem Mobiltelefon die SIM-Karte zu entfernen, zu zerbrechen und zu verstecken, weil er sich bei ihrem längeren Aufenthalt in seiner Wohnung einen intensiveren Austausch von Zärtlichkeiten mit ihr erhoffte. Gegen 6:00 Uhr schlief H. auf einem Sofa ein. Als sie kurz darauf wieder erwachte, war ihr aufgrund des vorangegangenen Alkohol- und Drogenkonsums schwindelig und ihr fiel ein, dass sie einen Termin beim Arbeitsamt hatte. Sie verließ die Wohnung und fuhr zunächst zu ihren Freunden, denen gegenüber sie über Schmerzen an den Oberschenkeln klagte und andeutete, sexuell bedrängt worden zu sein. Sie konsumierte Liquid Ecstasy und ließ sich von ihrer Hausärztin krankschreiben.
6
c) Am 22. Mai 2010 schloss L. auf Veranlassung seines Freundes U. einen Mobilfunkvertrag, der die Aushändigung eines Mobiltelefons umfasste. Hierbei täuschte er seine tatsächlich nicht bestehende Zahlungswilligkeit und -fähigkeit vor. Die bis zum 13. Juli 2010 angefallenen Tele- fonkosten in Höhe von 355 Euro entrichtete er nicht. Um sich weiteren Forderungen des Mobilfunkanbieters und Vorwürfen seiner Mutter zu entziehen, dachte er sich aus, dass der sich mittlerweile in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte ihn und U. unter Ankündigung, diesen andernfalls töten zu wollen , gezwungen habe, den Vertrag abzuschließen.
7
3. Die angefochtenen Freisprüche halten sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.
8
a) Die Beweiswürdigung ist dem Tatgericht vorbehalten (§ 261 StPO). Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, da die Beweiswürdigung Sache des Tatgerichts ist. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 10. Dezember 2014 – 5 StR 136/14 mwN). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, NStZ-RR 2014, 87; Sander in LR-StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 182 mwN).
9
b) Daran gemessen ist die Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landgericht die erforderliche Gesamtwürdigung der be- und entlastenden Umstände in jedem der angegriffenen Fälle vorgenommen und sich mit den Angaben der betroffenen Nebenklägerinnen ausführlich auseinandergesetzt. Die Schlussfolgerungen und Wertungen des Landgerichts sind tatsachenfundiert, lassen keine Rechtsfehler erkennen und halten sich im tatgerichtlichen Beurteilungsspielraum. Die Revision hat weder Widersprüche noch wesentliche Erörterungsmängel aufgezeigt. Die Beanstandungen der Revision zielen auf eine andere Bewertung von Tatsachen ab, die das Landgericht aber allesamt bedacht hat.
10
aa) Hinsichtlich der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat zum Nachteil der Nebenklägerin Bö. hat das Landgericht nicht ausschließen können, dass deren Erinnerungsvermögen – entgegen ihren Angaben – bei alkoholbedingter Enthemmung nicht vorübergehend aufgehoben, sondern insgesamt erhalten geblieben war. Nachvollziehbar hat es das Landgericht insbesondere aufgrund der Aussage der Zeugin Br. für möglich gehalten, dass Bö. sich ein Erlebnis, das ihr die Zeugin Br. im Zusammenhang mit einer Verabreichung von „K.O.-Tropfen“ geschildert hatte, zu eigen gemacht habe, um eine freiwillige Übernachtung bei dem Angeklagten gegenüber ihrer Mutter und ihrem ehemaligen Freund zu rechtfertigen (UA S. 83 f.). Die Zeugin Br. war von der Mutter der Nebenklägerin um ein Gespräch mit ihrer Tochter gebeten worden, weil die Mutter vermutet hatte, dass es eine Verbindung mit dem ihr von Br. berichteten Geschehen gäbe (UA S. 73). Das Landgericht hat weiter bedacht, dass die Nebenklägerin ihre Angaben zur Aufnahme der alkoholischen Getränke, zu ihrer Erinnerungslücke und ihrem Zustand beim Erwachen gegenüber verschiedenen Personen im Zeitablauf verändert hatte. Es vermochte nicht festzustellen, dass sie zu ihren wechselnden Schilderungen (vgl. UA S. 69, 71) etwa durch gravierende Angstzustände oder eine erhebliche Beeinträchtigung des seelischen Befindens und der körperlichen Gesundheit veranlasst worden sein könnte, da sie am Abend nach dem Geschehen mit Freunden feierte und Geschlechtsverkehr hatte (UA S. 75). Vielmehr hat das Landgericht nicht ausschließen können, dass die Nebenklägerin und ihre Freundin P. frühzeitig Handlungen, soweit sie elterlichen Erwartungen nicht entsprachen, nicht oder nicht vollständig preisgegeben oder aber der Beigabe von „K.O.-Tropfen“ zugeschrieben hätten. Insoweit hatte das Landgericht neben der Aussage der Zeugin Br. auch die Angaben der Zeugin P. in deren polizeilicher Vernehmung zu berücksichtigen, in der sie einräumte, dass Bö. deren Mutter das Geschehen anders geschildert und sie „wohl angeschwindelt habe, weil sie Ärger befürchtet habe, wenn sie die Wahrheit sage“ (UA S. 79 f.). Gegen diese Beweiswürdigung ist nichts zu erinnern.
11
bb) In dem die Nebenklägerin H. betreffenden Fall ist das Landgericht von einem nicht ausschließbar einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zwischen dem Angeklagten und H. ausgegangen. Es hat dabei sämtliche – fürsich genommen gewichtigen belastenden – Indizien, wie Schmerzen und eine schwache Unterblutung an der Oberschenkelinnenseite, Nachweis von Sperma des Angeklagten in der Scheide der Nebenklägerin und von Gammahydroxybuttersäure (GHB) im Urin der Nebenklägerin (UA S. 94, 96) erkannt und bewertet, sich aber nach umfassender Gesamtwürdigung im Ergebnis nicht von dem in der Anklage vorgeworfenen Tatgeschehen zu überzeugen vermocht. Das Landgericht hat der Nebenklägerin H. nicht geglaubt, dass sie sich nicht habe erinnern können, ob es jemals zwischen ihr unddem Angeklagten Zärtlichkeiten in ansonsten unbeeinträchtigten Situationen gegeben habe (UA S. 84, 87, 98). Es hat ferner bedacht, dass aus sachverständiger Sicht eine Substanz mit dem Wirkstoff GHB auch noch nach dem vorgeworfenen Tatgeschehen eingenommen worden sein könnte. Das Landgericht ist insofern zu dem – nach den Gesamtumständen möglichen – Schluss gekommen, dass H. , in deren Urin auch Amphetamine nachgewiesen worden sind, am nächsten Morgen in der Wohnung ihrer Drogen konsumierenden Freunde Liquid Ecstasy eingenommen hat. Auch haben sich für die sachverständig beratene Strafkammer die von der Nebenklägerin beschriebene Erinnerungslücke und der Umstand, dass sie beim nächtlichen Telefonat mit ihrer Freundin „durcheinander“ gewirkt habe, allein durch den massiven Alkoholkonsum und nicht durch die Einnahme eines Narkosemittels erklären lassen (UA S. 88, 97). Die gewissen Parallelen zu den weiteren Anklagevorwürfen der übrigen Nebenklägerinnen mit dem Angeklagten hat das Landgericht gesehen (UA S. 98), es vermochte sich jedoch letztlich insbesondere wegen der Alkoholgewöhnung und der wechselnden Angaben der Nebenklägerin H. zu ihrem Erinnerungsvermögen nicht von einer erheblichen Willensbeeinträchtigung bei Durchführung des Geschlechtsverkehrs zu überzeugen. Diese Würdigung hat der Senat angesichts des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs hinzunehmen.
12
c) Auf die wenig verlässlichen, von erheblichem Belastungseifer getragenen und zum Teil widersprüchlichen Angaben der Zeugen U. und L. hat die Strafkammer auch eingedenk der erst im August 2010 erfolgten Anzeigenerstattung zu Recht keine Verurteilung gestützt.
Sander Schneider König
Berger Bellay
27
a) Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat es die tatrichter- liche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178). Dem Tatgericht obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 11. November 2015 – 1 StR 235/15, wistra 2016, 78, vom 1. Juli 2008 – 1 StR 654/07 und vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, wistra 2008, 398; jeweils mwN).
7
1. Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Deshalb ist es vom Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen, wenn der Angeklagte freigesprochen wird, weil der Tatrichter Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtlich zu beanstanden sind die Beweiserwägungen ferner dann, wenn sie erkennen lassen, dass das Gericht überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt und dabei nicht beachtet hat, dass eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und von niemandem anzweifelbare Gewissheit nicht erforderlich ist, sondern ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit genügt, das vernünftige und nicht bloß auf denktheoretische Möglichkeiten gegründete Zweifel nicht zulässt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 12. Januar 2017 – 1 StR 360/16, Rn. 10 und vom 11. Mai 2017 – 4 StR 554/16, Rn. 6 jeweils mwN). Zudem muss das angefochtene Urteil erkennen lassen, dass das Tatgericht solche Umstände, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Dabei dürfen die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet werden, sondern müssen in eine umfassende Gesamtwürdi- gung eingestellt worden sein (st. Rspr.; etwa BGH, Urteile vom 2. April 2015 – 3 StR 635/14, Rn. 3 und vom 12. Januar 2017 – 1 StR 360/16, Rn. 10, NStZ- RR 2017, 185 mwN).
10
1. Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatgerichts, das sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld des Angeklagten zu bilden hat (§ 261 StPO). Die tatsächlichen Schlussfolgerungen des Tatgerichts müssen nicht zwingend sein; es genügt, dass sie möglich sind und das Tatgericht von ihrer Richtigkeit überzeugt ist (vgl. BGH, Urteile vom 30.März 2004 – 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 238 und vom 1. Juli 2008 – 1StR 654/07). Das Revisionsgericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatgerichts mit Rechtsfehlern behaftet ist, weil sie Lü- cken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesicherten Erfahrungswissen nicht übereinstimmt oder sich so weit von einer Tatsachengrundlage entfernt, dass sich die gezogenen Schlussfolgerungen letztlich als reine Vermutung erweisen (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, NStZ 2013, 420 mwN). Zudem muss das Urteil erkennen lassen, dass das Tatgericht solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Dabei dürfen die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet werden, sondern müssen in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt worden sein (BGH, Urteile vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, NStZ-RR 2014, 87 und vom 2. April 2015 – 3 StR 635/14).
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1. Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Deshalb ist es vom Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen, wenn der Angeklagte freigesprochen wird, weil der Tatrichter Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtlich zu beanstanden sind die Beweiserwägungen ferner dann, wenn sie erkennen lassen, dass das Gericht überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt und dabei nicht beachtet hat, dass eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und von niemandem anzweifelbare Gewissheit nicht erforderlich ist, sondern ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit genügt, das vernünftige und nicht bloß auf denktheoretische Möglichkeiten gegründete Zweifel nicht zulässt (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteil vom 13. November 1997 – 4 StR 363/97, NStZ 1998, 265, 266 mwN).
26
Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt , dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind; dies gilt auch, soweit der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. In sachlich-rechtlicher Hinsicht liegt ein Rechtsfehler vor, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Insbesondere sind die Beweise erschöpfend zu würdigen. Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen , erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden. Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung schließlich dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind. Dabei ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. etwa BGH, Urteil vom 26. April 2012 - 4 StR 599/11 mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 270/03
vom
6. November 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. November
2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Richterin am Bundesgerichtshof
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Richter am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Münster vom 10. März 2003 mit den Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II 5 der Urteilsgründe,
b) im Gesamtstrafausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (Fall II 5 der Urteilsgründe) und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen (Fälle II 1 bis 4 der Urteilsgründe) unter Einbeziehung der Strafe aus einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde; außerdem hat es eine Maßregelanordnung nach § 69 a StGB und eine Verfallsanordnung nach § 73 StGB getroffen sowie die sichergestellten Betäubungsmittel eingezogen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Sie wendet sich gegen den Schuldspruch im Fall II 5 der Urteilsgründe und erstrebt insoweit eine Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, jedenfalls aber wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge; außerdem richtet sich der Revisionsangriff gegen den Strafausspruch und die Strafaussetzung zur Bewährung. Das vom Generalbundesanwalt nur zum Teil vertretene Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg; eines Eingehens auf die erhobene Verfahrensbeschwerde bedarf es daher nicht.
1. Der Schuldspruch im Fall II 5 der Urteilsgründe hat keinen Bestand.

a) Nach den insoweit getroffenen Feststellungen hatte sich der Angeklagte gegenüber dem in den Niederlanden tätigen Drogenhändler "Chris" bereit erklärt, Drogenkurierfahrten zu Abnehmern in Deutschland, vornehmlich in Hannover, Hamburg und Berlin, durchzuführen. Für jede Fahrt sollte er unabhängig von der zu transportierenden Rauschgiftmenge 1.000 Euro erhalten. Entsprechend dieser Abrede übernahm der Angeklagte am 7. Mai 2002 von einem Beauftragten des "Chris" - möglicherweise bereits in Deutschland - 24,891 kg Haschisch und 9,933 kg Marihuana, um es unter anderem nach Hannover zu bringen. Nach der Übernahme fuhr der Angeklagte, der - wie er wußte - nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war, mit seinem Kraftfahrzeug zunächst nach Steinfurt. Gegen 22.45 Uhr wurde er von einer zivilen Polizeistreife , die in der Nähe seines Hauses auf ihn gewartet hatte, bemerkt und
nach einer Verfolgungsfahrt festgenommen. Die ihm um 23.58 Uhr entnommene Blutprobe wies Cocainmetabolite auf, da der Angeklagte etwa drei Stunden vor seiner Festnahme in den Niederlanden Kokain konsumiert hatte.

b) Mit Recht beanstandet die Revisionsführerin, daß das Landgericht den Angeklagten nur wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt hat.
Dieser Schuldspruch ist auf die Sachrüge aufzuheben, weil die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils in Bezug auf eine mögliche Einfuhr der Betäubungsmittel lückenhaft ist.
Die Strafkammer hat den Angeklagten nicht wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt, weil sie ihren Feststellungen die Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung zugrundegelegt hat, die von denjenigen bei der polizeilichen Vernehmung nach seiner Festnahme abweichen. Damals hatte er - unter detaillierter Schilderung des Geschehensablaufs - angegeben, die in seinem Fahrzeug sichergestellten Betäubungsmittel in der Nähe von Enschede übernommen und nach Deutschland transportiert zu haben, und zwar aufgrund einer Vereinbarung mit einem Türken namens "G. ", den er in den Niederlanden kennengelernt habe. In der Hauptverhandlung hat er dagegen behauptet, die Betäubungsmittel nicht aus den Niederlanden eingeführt, sondern sie erst in Deutschland übernommen zu haben, um sie für seinen Auftraggeber, den niederländischen Drogenhändler "Chris", unter anderem nach Hannover zu bringen. Die Strafkammer hat diese Darstellung für "möglich" gehalten, weil der Angeklagte im Laufe des Ermitt-
lungsverfahrens durch Vermittlung seines Verteidigers an die Polizei herangetreten und umfangreiche Angaben zu seinem Auftraggeber "Chris" gemacht hat, die sich als zutreffend erwiesen haben.
An die Bewertung der Einlassung des Angeklagten sind die gleichen Anforderungen zu stellen wie an die Beurteilung sonstiger Beweismittel. Der Tatrichter hat sich aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung zu bilden (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGHR StPO § 261 Einlassung 6 m.w.N.). Eine solche Würdigung des Wechsels der Einlassung lassen die Urteilsgründe vermissen. Auch wenn der Angeklagte bei der ersten polizeilichen Vernehmung seinen wahren Auftraggeber "Chris" noch nicht nennen wollte, bestand keine Veranlassung, unrichtige Angaben zum Übernahmeort zu machen. Zudem hätte sich das Landgericht in den Urteilsgründen damit auseinandersetzen müssen, daß sich der Angeklagte nach den Feststellungen drei Stunden vor seiner Festnahme, die in der Umgebung von Steinfurt erfolgte, in den Niederlanden aufgehalten hatte. Da das Landgericht nicht mitteilt, ob und gegebenenfalls in welcher Weise der Angeklagte diesen Aufenthalt, der nach seiner Einlassung in der Hauptverhandlung nicht der Übernahme der Betäubungsmittel gedient hatte, erklärt hat, vermag der Senat nicht zu überprüfen, ob das Landgericht die Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewißheit überspannt hat.
2. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II 5 der Urteilsgründe führt zum Wegfall der insoweit verhängten Einzelstrafe von einem Jahr und zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe.
3. Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
Erfolgt keine Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wird der Tatrichter aufgrund wertender Betrachtung zu prüfen haben, ob sich der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als Täter oder Gehilfe schuldig gemacht hat (vgl. dazu BGHSt 34, 124, 125; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 54, 57 m.w.N.). Im Falle eines Schuldspruchs wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge kommt auch eine tateinheitliche Verurteilung wegen (täterschaftlichen) unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Betracht ; gegenüber täterschaftlichem unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tritt der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge dagegen als Auffangtatbestand zurück (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 47 und § 29 a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 1). Sollte der Angeklagte wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt werden, kann tateinheitlich unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (als Täter oder Gehilfe) vorliegen. Der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge tritt dagegen gegenüber der unerlaubten Einfuhr dieser Betäubungsmittel zurück (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 332; vgl. auch Körner BtMG 5. Aufl. § 29 a Rdn. 158). !#" $&% ' ( ) * + , - Ernemann Sost-Scheible

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

5 StR 312/04

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 30. September 2004
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 29. und 30. September 2004, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf
als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin B
als Verteidigerin,
Rechtsanwältin R
als Vertreterin der Nebenklägerin G und des
Nebenklägers Ge ,
Rechtsanwalt S
als Vertreter des Nebenklägers T ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
in der Sitzung vom 30. September 2004 für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. Dezember 2003 werden verworfen.
2. Die Nebenkläger tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft einschließlich sämtlicher im Revisionsverfahren entstandener gerichtlicher Auslagen und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen , sich am 28. Juli und 5. August 2002 an bewaffnet ausgeführten Raubüberfällen auf Berliner Gaststätten – als Führer des jeweiligen Tatfahrzeuges – beteiligt zu haben. Es ist den – einzigen – belastenden Aussagen der inzwischen rechtskräftig verurteilten Mittäter Ö und A nicht gefolgt. Dagegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird. Die am 5. August 2002 in der Gaststätte „M “ verletzten G , Ge und T haben sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlossen. Sie beanstanden mit ihren Revisionen den Freispruch im Blick auf den zur Nebenklage berechtigenden Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung.
Die mit Verfahrensrügen und der Sachrüge geführten Rechtsmittel bleiben erfolglos.
1. Die von der Staatsanwaltschaft und den Nebenklägern erhobenen Verfahrensrügen im Zusammenhang mit der unterbliebenen Zeugenvernehmung eines Namensvetters des Angeklagten scheitern schon aus folgenden Gründen an unvollständigen Sachvorträgen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO): Bei der hier gegebenen Sachlage war zur Beurteilung des von den Nebenklägern gestellten, vom Landgericht als unzulänglich erachteten Beweisantrags eine Kenntnis der polizeilichen Ermittlungen im Zusammenhang mit einem vom Haupttäter angegebenen Kennzeichen des Fluchtfahrzeugs unerläßlich, insbesondere bezogen auf das dem Zeugen zugeordnete ähnliche Kennzeichen. Hierzu werden lediglich allgemeine Ermittlungsansätze eines Kriminalbeamten mitgeteilt, ohne daß deutlich gemacht wird, ob sich die polizeilichen Ermittlungen hierauf beschränkt haben oder ob es hierzu weitergehende Ermittlungen , insbesondere zur Frage einer Beziehung zwischen dem Angeklagten und dem benannten Zeugen, gegeben hat. So verdeutlicht das ergänzende Vorbringen der Nebenklagevertreter in der Revisionshauptverhandlung zu Erkenntnissen des ermittelnden Kriminalbeamten, in Berlin lebten nur drei weitere Personen mit diesem Familiennamen, die Möglichkeit derart gebotenen Vortrags, der freilich im Rahmen der Revisionsbegründung hätte erfolgen müssen. Nur eine Kenntnis dieses Verfahrensgeschehens ermöglichte die erforderliche umfassende Beurteilung der Auffassung des Landgerichts, der Antrag sei ein „ins Blaue hinein“ gestellter Scheinbeweisantrag gewesen. Ob, was nicht ganz fernliegt, keine hinreichende Konnexität zwischen der eher allgemein gehaltenen Beweisbehauptung und dem als Beweismittel benannten Zeugen besteht (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 9), bedarf danach keiner Entscheidung.
2. Auch die weiteren Verfahrensrügen der Nebenkläger bleiben erfolglos.

a) Die im Zusammenhang mit der behaupteten unrichtigen Belehrung des Zeugen Ö nach § 55 StPO erhobene Aufklärungsrüge scheitert – jenseits fehlenden weiteren Vortrags – jedenfalls deshalb, weil schon das Vorbringen, die Strafkammer hätte das Aussageverhalten „unvollständig gewürdigt“ und wäre ohne den behaupteten Rechtsfehler „sicher zu einer anderen Bewertung gelangt“, nicht die hier gebotene bestimmte Beweisbehauptung darstellt (vgl. BGH NStZ 2004, 112 m.w.N.).

b) Die Rüge, das Landgericht habe gegen § 244 Abs. 2 StPO verstoßen , weil es den Angeklagten vor Ergreifung und Vernehmung eines weiteren Tatverdächtigen, des bulgarischen Staatsangehörigen „Me “, freigesprochen habe, ist unbegründet. Das Aufklärungsbegehren richtet sich nicht auf ein für die Hauptverhandlung zur Verfügung stehendes Beweismittel.
3. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält sachlichrechtlicher Prüfung stand. Die Schlußfolgerung des Landgerichts, es hätte eine Verurteilung des Angeklagten auf die in sich widersprüchlichen und wechselnden Angaben der bereits rechtskräftig verurteilten Zeugen Ö und A guten Gewissens nicht stützen können, beruht auf einer nachvollziehbaren Bewertung der Motive und des Inhalts der Aussagen dieser Zeugen und ist vom Revisionsgericht hinzunehmen (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2).
Der Zeuge Ö hatte den Angeklagten erstmalig aus Enttäuschung über den Angeklagten und in der Absicht, durch Benennung eines Mittäters Strafmilderung zu erlangen, in seiner eigenen Hauptverhandlung belastet. Von einem als sicher erinnerlich angegebenen Kennzeichen des Täterfahrzeugs rückte er wieder ab. In seiner polizeilichen Vernehmung vom 11. November 2002 hatte er einen anderen Mittäter als Lieferanten von Masken und einer Pistole für die beiden Überfälle benannt und widersprüchliche Angaben über die Verletzung eines im Rollstuhl sitzenden Opfers gemacht. In der Hauptverhandlung hat der Zeuge den Angeklagten zunächst damit belastet, dieser habe jeweils eine Pistole zur Verfügung gestellt. Anschließend hat er sich aber auf Nichtwissen berufen und zur Begründung wechselnder Aussagen bemerkt: „Ich habe damals so eine Geschichte erzählt, ich sage hier die Wahrheit.“ Schließlich hat der auf Antrag der Nebenkläger gehörte Zeuge C den Zeugen Ö sogar der Falschaussage zu seinem Nachteil bezichtigt.
Der wegen neun Überfällen rechtskräftig verurteilte Zeuge A ordnete eine Mitwirkung des Angeklagten – in drei Versionen – lediglich einem, aber hier nicht verfahrensgegenständlichen Tatgeschehen zu, an dem er selbst nicht beteiligt war. Auch dieser Zeuge hat den Angeklagten in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung erstmalig belastet. Nach Vorhalt der Aussagen des Zeugen Ö hat sich A dessen Aussage pauschal angeschlossen.
Damit liegt die Wertung des Landgerichts auf der Hand, Aussageverhalten und Inhalt der Aussagen der Belastungszeugen seien nicht vertrauenswürdig.
4. Wegen der Kostenentscheidung verweist der Senat auf BGHSt 11, 189 und BGH, Beschl. vom 10. Juli 2003 – 3 StR 130/03 (vgl. auch Hilger in Löwe-Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 473 Rdn. 95). Angesichts der Mehrzahl von Nebenklägern und des weitergehenden Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, das ersichtlich allein zur Revisionshauptverhandlung geführt hat, erscheint es angemessen, hier von einer Belastung der Nebenkläger mit gerichtlichen Auslagen des Revisionsverfahrens neben der Staatskasse ganz abzusehen.
Basdorf Häger Raum Brause Schaal