Bundesgerichtshof Urteil, 08. Sept. 2011 - 1 StR 38/11

bei uns veröffentlicht am08.09.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 38/11
vom
8. September 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
8. September 2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 2. August 2010 aufgehoben , soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in weiteren zwölf Fällen hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Gegen diesen Teilfreispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
1. Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift vom 6. Januar 2010 hat die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last gelegt, in 17 Fällen dadurch Umsatzsteuer hinterzogen zu haben, dass er für sechs von ihm geleitete Unternehmen mit Sitz in Luxemburg, Belgien, Frankreich und Polen für die Jahre 2002 bis 2005 vorsätzlich keine Umsatzsteuerjahreserklärungen abgegeben habe. Hierzu sei er aber verpflichtet gewesen , weil er über diese Firmen an deutsche Landwirte und Winzer, die umsatzsteuerlich von der Pauschalregelung des § 24 UStG Gebrauch gemacht haben, Lieferungen von Pflanzenschutzmitteln ausgeführt habe. Die Lieferungen seien für ihn in Deutschland steuerpflichtig gewesen.
3
2. Nach den Feststellungen des Landgerichts lieferte der Angeklagte in den Jahren 2002 bis 2005 als alleinverantwortlich Handelnder mehrerer Gesellschaften , die in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Deutschland ihren Sitz hatten und lediglich in Luxemburg, Frankreich und Belgien Lagerräumlichkeiten unterhielten, Pflanzenschutzmittel an deutsche Landwirte und Winzer. Die Empfänger wurden als Betreiber landwirtschaftlicher Betriebe umsatzsteuerlich nach § 24 UStG besteuert. Die den Lieferungen zugrunde liegenden Bestellungen erfolgten zumeist über Sammelbesteller für Einkaufs- gemeinschaften, die vom Angeklagten Bestellscheine mit angefügten „Speditionsauftragsschreiben“ erhalten ha tten. Hinsichtlich der Art und Menge der Be- ladung sowie des Zeitpunkts der Auslieferung wurden die Speditionen allein vom Angeklagten angewiesen, die Landwirte bzw. Sammelbesteller teilten allein die Abladestelle in Deutschland mit.
4
Das Landgericht ist der Ansicht, die Lieferungen hätten der deutschen Umsatzbesteuerung unterlegen, weil es sich um Versandgeschäfte gehandelt habe und deshalb der Ort der Lieferung gemäß § 3c UStG jeweils in Deutschland gelegen habe. Der Angeklagte sei deshalb verpflichtet gewesen, für die von ihm geleiteten Firmen in der Bundesrepublik Deutschland Umsatzsteuererklärungen abzugeben, was er pflichtwidrig unterlassen habe.
5
Das Landgericht hat sich die Überzeugung gebildet, dass der Angeklagte bis zu einer Befragung durch die luxemburgische Steuerfahndung im Oktober oder November 2005 davon ausgegangen ist, die von ihm getätigten Geschäfte unterlägen nicht der Umsatzsteuer (UA S. 10). Es hat den Angeklagten daher - nach einer Teileinstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO hinsichtlich zweier Fälle - nur wegen dreier im Jahr 2006 begangener Taten der pflichtwidrigen Nichtabgabe von Umsatzsteuerjahreserklärungen für das Jahr 2005 wegen Steuerhinterziehung verurteilt (Fälle 4, 14, und 17 der Anklageschrift). Der Angeklagte war insoweit geständig (UA S. 11). Vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in weiteren zwölf Fällen hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, es konnte sich insoweit von einem Hinterziehungsvorsatz des Angeklagten nicht überzeugen. Dem Angeklagten sei für die Zeit vor dem Erscheinen der luxemburgischen Steuerfahnder bei ihm im Jahr 2005 nicht nachzuweisen gewesen, gewusst zu haben, dass bei dem von ihm gewählten Geschäftsmodell eine Steuerpflicht nach deutschem Umsatzsteuerrecht eintritt. Eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit kenne § 370 AO nicht (UA S. 41).

II.

6
Der Teilfreispruch wegen Annahme eines Tatumstandsirrtums hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand. Zum einen beruhen die deswegen ebenfalls aufzuhebenden Feststellungen zum Tatvorsatz auf einer in sich widersprüchlichen sowie lückenhaften und damit nicht tragfähigen Beweiswürdigung (a). Zum anderen hat das Landgericht nicht geprüft, ob sich der Angeklagte zumindest einer leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) schuldig gemacht hat, was einem Freispruch entgegenstehen würde (b). Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer tatrichterlicher Prüfung auf der Grundlage diesbezüglich insgesamt neu zu treffender Feststellungen.
7
a) Die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
aa) Allerdings muss es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09 Rn. 18, HFR 2010, 866; vom 11. September 2007 - 5 StR 213/07, wistra 2008, 22, 24; vom 6. September 2006 - 5 StR 156/06, wistra 2007, 18, 19; jew. mwN).
9
bb) Derartige Rechtsfehler in der Beweiswürdigung liegen hier vor; die Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite können daher keinen Bestand haben.
10
(1) Die Beweiswürdigung ist in sich widersprüchlich. Sie setzt sich hinsichtlich des freisprechenden Teils des Urteils in Widerspruch zu den die Verurteilung betreffenden Feststellungen.
11
Das Landgericht hat als gegen einen Tatvorsatz des Angeklagten sprechenden Umstand gewertet, dass er seine geschäftliche Tätigkeit nicht verheimlicht , sondern Rechnungen mit ausländischer Umsatzsteuer erstellt habe (UA S. 39). Weiter hat es ausgeführt, die Tatsache, dass der Angeklagte die angefallenen ausländischen Umsatzsteuern in seinen Rechnungen aufgeführt und „wohl“ im Ausland erklärt und abgeführt habe, sei ein Indiz dafür, dass ihm die Steuerbarkeit der Umsätze nach deutschem Umsatzsteuerrecht nicht bewusst gewesen sei (UA S. 40). Diese Wertungen lassen sich nicht mit den - im Rahmen der Verurteilung strafschärfend gewerteten (UA S. 34) - Feststellungen vereinbaren, dass der Angeklagte ab dem Jahr 2005, in dem er von der luxemburgischen Steuerfahndung aufgesucht worden war, „die zuvor aufgebau- ten Unternehmensstrukturen fortgeführt und somit im Ergebnis ein aufwendiges Täuschungssystem genutzt“ habe. Durch die Firmenverlagerung nach Polen, die fortgesetzte Einschaltung von Firmen in Belgien, Luxemburg und Frankreich und die Gründung von Zwischenlagern in Deutschland habe er insbesondere „hinsichtlich der Lieferwege und der Umsatzermittlung einen schwer aufklärbaren Sachverhalt geschaffen“ (UA S. 34). War das Gesamtsystem aber schon vor dem Erscheinen der Steuerfahnder auf Täuschung angelegt, dann konnte die Ausstellung von Rechnungen mit gegenüber dem deutschen Steuersatz zum Teil deutlich niedrigeren ausländischen Umsatzsteuersätzen zwischen drei und zwölf Prozent (UA S. 9) kein Indiz für eine beabsichtigte Steuerehrlichkeit des Angeklagten sein.
12
(2) Die Beweiswürdigung ist zudem lückenhaft. Denn das Landgericht hat wesentliche, den Urteilsfeststellungen zu entnehmende belastende Umstände nicht in die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite eingestellt.
13
Zwar können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt vielmehr von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalls ab; dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt. Insbesondere dann, wenn das Tatgericht auf Freispruch erkennt, obwohl gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss es jedoch in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (vgl. BGH, Urteile vom 6. September 2006 - 5 StR 156/06, wistra 2007, 18, 19 und vom 22. August 2002 - 5 StR 240/02, wistra 2002, 430 mwN).
14
Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht gerecht. Sie ist lückenhaft, weil sie sich mit wesentlichen, den Angeklagten belastenden Umständen nicht auseinandersetzt, die für die subjektive Tatseite bedeutsam sind (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1986 - 3 StR 500/86, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2). Zu einer umfassenden Gesamtwürdigung aller den Angeklagten be- und entlastenden Umstände hätte sich das Landgericht hier schon deshalb gedrängt sehen müssen, weil der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen noch nach entsprechenden Hinweisen der luxemburgischen Steuerfahndung auf die in Deutschland bestehende Steuerpflicht das bisherige System der Vermeidung der Besteuerung in Deutschland unverändert fortsetzte.
15
Das Landgericht hätte - worauf der Generalbundesanwalt bereits in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat - auch in die Gesamtwürdigung einbeziehen müssen, dass der Angeklagte den steuerlich bedeutsamen Ort der Lieferung in seinen Rechnungen jedenfalls teilweise absichtlich falsch deklariert hat, was für eine bewusste Täuschung der Finanzbehörden spricht. So hat der Angeklagte auch die Lieferungen seiner polnischen Firmen als Abholgeschäfte mit dem Umsatzsteuersatz von drei Prozent deklariert (UA S. 9 f.), obwohl er nach den Feststellungen in Polen gar kein Warenlager unterhielt (UA S. 4, 38) und die Kunden selbst bei der Bestellung keinen Kontakt nach Polen hatten (UA S. 32). Dieser primär den Fall 15 der Urteilsgründe betreffende Umstand der Ausstellung falscher Rechnungen war auch für die Vorsatzfrage hinsichtlich der Tatvorwürfe betreffend die Jahre 2002 bis 2004 von erheblicher Bedeutung.
16
b) Der Teilfreispruch kann auch deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht nicht geprüft hat, ob das Verhalten des Angeklagten nicht zumindest den Bußgeldtatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) verwirklicht hat. § 378 AO wirkt in solchen Fällen wie ein Auffangtatbestand (BGH, Beschluss vom 13. Januar 1988 - 3 StR 450/87, BGHR AO § 378 Leichtfertigkeit 1; BGH, Urteil vom 23. Februar 2000 - 5 StR 570/99, NStZ 2000, 320, 321; BGH, Urteil vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09 Rn. 39 ff., HFR 2010,

866).

17
Leichtfertig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Einzelfalls und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist, obwohl sich ihm aufdrängen musste, dass dadurch eine Steuerverkürzung eintreten wird (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2009 aaO Rn. 40).
18
Jeder Steuerpflichtige muss sich über diejenigen steuerlichen Pflichten unterrichten, die ihn im Rahmen seines Lebenskreises treffen. Dies gilt in besonderem Maße in Bezug auf solche steuerrechtlichen Pflichten, die aus der Ausübung eines Gewerbes oder einer freiberuflichen Tätigkeit erwachsen. Bei einem Kaufmann sind deshalb jedenfalls bei Rechtsgeschäften, die zu seiner kaufmännischen Tätigkeit gehören, höhere Anforderungen an die Erkundigungspflichten zu stellen als bei anderen Steuerpflichtigen (vgl. BFH, Urteil vom 19. Februar 2009 - II R 49/07 mwN, BFHE 225, 1). In Zweifelsfällen hat er von sachkundiger Seite Rat einzuholen (vgl. dazu auch Joecks in Franzen/ Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 378 AO Rn. 39 mwN). Dies gilt insbe- sondere dann, wenn er die erkannte Steuerpflichtigkeit eines Geschäfts durch eine modifizierte Gestaltung des Geschäfts zu vermeiden sucht (zu den Erkundigungspflichten vgl. auch Sahan in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht , § 378 AO Rn. 28 ff.). Zudem ist es Steuerpflichtigen regelmäßig möglich und zumutbar, offene Rechtsfragen nach Aufdeckung des vollständigen und wahren Sachverhalts im Besteuerungsverfahren zu klären (vgl. BVerfG - Kammer - Beschlüsse vom 16. Juni 2011 - 2 BvR 542/09 und vom 29. April 2010 - 2 BvR 871/04, 2 BvR 414/08, wistra 2010, 396, 404, jew. mwN).
19
Im vorliegenden Fall war deshalb in den Blick zu nehmen, dass der Angeklagte für sechs Unternehmen als alleinverantwortlich Handelnder tätig war, die jeweils in großem Umfang grenzüberschreitenden Handel mit Pflanzenschutzmitteln an Landwirte und Winzer durchführten. Er hatte erkannt, dass die Durchführung der von ihm geplanten Lieferungen als „Versandgeschäfte“ zu einer Steuerpflicht in Deutschland führen würde und wählte deswegen eine Ge- schäftsabwicklung, die nach seiner Wertung als „Abholgeschäfte“ im Empfän- gerstaat Deutschland nicht steuerbar waren. Ob er hierbei Rechtsrat eingeholt hatte, hat das Landgericht nicht festgestellt.

III.

20
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat im Hinblick auf die subjektive Tatseite auf Folgendes hin:
21
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört zum Vorsatz der Steuerhinterziehung, dass der Täter den Steueranspruch dem Grunde und der Höhe nach kennt oder zumindest für möglich hält und ihn auch verkürzen will (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 1953 - 5 StR 342/53, BGHSt 5, 90, 91 f.; BGH, Urteil vom 5. März 1986 - 2 StR 666/85, wistra 1986, 174; BGH, Urteil vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09 Rn. 37, HFR 2010, 866; BGHR AO § 370 Abs. 1 Vorsatz 2, 4, 5). Für eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung bedarf es dabei keiner Absicht oder eines direkten Hinterziehungsvorsatzes ; es genügt, dass der Täter die Verwirklichung der Merkmale des gesetzlichen Tatbestands für möglich hält und billigend in Kauf nimmt (Eventualvorsatz ). Der Hinterziehungsvorsatz setzt deshalb weder dem Grunde noch der Höhe nach eine sichere Kenntnis des Steueranspruchs voraus (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09 Rn. 37, HFR 2010, 866; zu strenge Anforderungen OLG München, Beschluss vom 15. Februar 2011 - 4 St RR 167/10 mit Anm. Roth, StRR 2011, 235).
22
2. Hat der Steuerpflichtige irrtümlich angenommen, dass ein Steueranspruch nicht entstanden ist, liegt nach dieser Rechtsprechung ein Tatumstandsirrtum vor, der den Vorsatz ausschließt (§ 16 Abs. 1 Satz 1 StGB).
23
3. Ob dies auch dann gilt, wenn der Irrtum über das Bestehen eines Steueranspruchs allein auf einer Fehlvorstellung über die Reichweite steuerlicher Normen - hier etwa des § 3c UStG über den Ort der Lieferung in besonderen Fällen - beruht, oder ob dann vielmehr ein Verbotsirrtum (§ 17 StGB) gegeben ist, wird in der neueren Literatur teilweise in Frage gestellt (vgl. Allgayer in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 369 AO Rn. 28 mwN; vgl. zum Irrtum über die Arbeitgebereigenschaft in § 266a StGB auch BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2009 - 1 StR 478/09, NStZ 2010, 337).
24
4. Der Senat braucht diese Frage hier nicht zu entscheiden, denn sie stellt sich erst dann, wenn ein rechtserheblicher Irrtum über das Bestehen eines Steueranspruchs festgestellt ist. Ein solcher Irrtum liegt aber dann nicht vor, wenn der Erklärungspflichtige hinsichtlich der Verkürzung eines Steueran- spruchs mit Eventualvorsatz handelt. Bei der Klärung der Frage, ob ein solcher Irrtum bestanden hat, ist Folgendes zu beachten:
25
a) Die bloße Berufung eines Angeklagten auf einen derartigen Irrtum nötigt das Tatgericht nicht, einen solchen Irrtum als gegeben anzunehmen. Es bedarf vielmehr einer Gesamtwürdigung aller Umstände, die für das Vorstellungsbild des Angeklagten von Bedeutung waren. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten eines Angeklagten Umstände oder Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen - außer der bloßen Behauptung des Angeklagten - keine Anhaltspunkte bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 18. August 2009 - 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85).
26
b) Ein Tatumstandsirrtum scheidet bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen im Übrigen dann aus, wenn der Täter es für möglich hält, dass er die Finanzbehörde über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dass durch sein Verhalten Steuern verkürzt werden oder dass er oder ein anderer nicht gerechtfertigte Vorteile erlangt. Weitergehende Einschränkungen der Annahme eines Eventualvorsatzes ergeben sich auch nicht aus der voluntativen Seite des Vorsatzes. Ob der Täter will, dass ein Steueranspruch besteht, ist für den Hinterziehungsvorsatz bedeutungslos. Es kommt insoweit allein auf die Vorstellung des Täters an, ob ein solcher Steueranspruch besteht oder nicht. Hält er die Existenz eines Steueranspruchs für möglich und lässt er die Finanzbehörden über die Besteuerungsgrundlagen gleichwohl in Unkenntnis, findet er sich also mit der Möglichkeit der Steuerverkürzung ab, handelt er mit bedingtem Tatvorsatz.
27
Ob ein Angeklagter das Bestehen eines Steueranspruchs für möglich gehalten hat, muss vom Tatgericht im Rahmen der Beweiswürdigung geklärt werden. Dabei hat das Gericht bei Kaufleuten deren Umgang mit den in ihrem Gewerbe bestehenden Erkundigungspflichten in die Würdigung einzubeziehen. Informiert sich ein Kaufmann über die in seinem Gewerbe bestehenden steuerrechtlichen Pflichten nicht, kann dies auf seine Gleichgültigkeit hinsichtlich der Erfüllung dieser Pflichten hindeuten. Dasselbe gilt, wenn es ein Steuerpflichtiger unterlässt, in Zweifelsfällen Rechtsrat einzuholen. Auch in Fällen, in denen ein nicht steuerlich sachkundiger Steuerpflichtiger eine von ihm für möglich gehaltene Steuerpflicht dadurch vermeiden will, dass er von der üblichen Geschäftsabwicklung abweichende Vertragskonstruktionen oder Geschäftsabläufe wählt, kann es für die Inkaufnahme einer Steuerverkürzung sprechen, wenn er keinen zuverlässigen Rechtsrat einholt, sondern allein von seinem laienhaften Rechtsverständnis ausgeht. Dies gilt nicht nur bei rechtlich schwierigen oder ungewöhnlichen Inlandsgeschäften, sondern gerade auch bei grenzüberschreitenden Lieferungen oder Leistungen.
28
5. Im vorliegenden Fall wird es daher für die Frage des Tatvorsatzes darauf ankommen, ob der Angeklagte eine Steuerentstehung in Deutschland für möglich erachtet hat. Im Hinblick darauf, dass er - jedenfalls nach den bisherigen Feststellungen - gerade zur Vermeidung einer Besteuerung in Deutschland zugunsten der Anwendung niedrigerer ausländischer Steuersätze die bei Versandgeschäften übliche Geschäftsabwicklung verändert hat, wird dabei der Frage, ob er sachkundigen Rechtsrat eingeholt hat, besondere Bedeutung zukommen. Dasselbe gilt, wenn das neue Tatgericht wieder zu entsprechenden Feststellungen gelangen sollte, für den Umstand, dass der Angeklagte die luxemburgischen Steuerfahndungsbeamten gebeten hat, die deutschen Finanzbehörden nicht zu informieren (UA S. 13).
29
6. Sollte das neue Tatgericht aufgrund seiner Beweisaufnahme und Beweiswürdigung bezogen auf die Fälligkeitszeitpunkte für die Abgabe von Umsatzsteuererklärungen wieder zur Annahme eines vorsatzausschließenden Tat- umstandsirrtums des Angeklagten gelangen, wird es die Prüfung einer Unterlassenstrafbarkeit auch darauf zu erstrecken haben, ob der Irrtum noch vor Wegfall der Erklärungspflicht, insbesondere vor Eintritt der steuerlichen Festsetzungsverjährung wieder entfallen ist. Bedeutung könnte insoweit dem Umstand zukommen, dass der Angeklagte - jedenfalls nach den bisherigen Feststellungen - von der luxemburgischen Steuerfahndung auf die Bedenken gegen seine steuerliche Behandlung der Lieferungen nach Deutschland hingewiesen wurde (UA S. 13). RiBGH Hebenstreit befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift gehindert. Nack Wahl Nack Jäger Sander

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Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Okt. 2011 - 1 StR 41/09

bei uns veröffentlicht am 20.10.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 41/09 vom 20. Oktober 2011 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja BGHR: ja Veröffentlichung: ja _____________________ AO § 370 Abs. 1; UStG § 4 Nr. 1 Buchstabe b, § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 3 Zur Versagung de

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Sept. 2012 - 1 StR 140/12

bei uns veröffentlicht am 06.09.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 140/12 vom 6. September 2012 BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja AO § 370 Abs. 1, § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, § 41 Abs. 1 Satz 1 Zur Zurechnung erworbener Geschäftsanteile bei formunwirksamer

Referenzen

(1) Hat der Gesamtumsatz des Unternehmers (§ 19 Absatz 3) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600 000 Euro betragen, wird die Steuer für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze vorbehaltlich der Sätze 2 bis 4 wie folgt festgesetzt:

1.
für die Lieferungen von forstwirtschaftlichen Erzeugnissen, ausgenommen Sägewerkserzeugnisse, auf 5,5 Prozent,
2.
für die Lieferungen der in der Anlage 2 nicht aufgeführten Sägewerkserzeugnisse und Getränke sowie von alkoholischen Flüssigkeiten, ausgenommen die Lieferungen in das Ausland und die im Ausland bewirkten Umsätze, und für sonstige Leistungen, soweit in der Anlage 2 nicht aufgeführte Getränke abgegeben werden, auf 19 Prozent,
3.
für die übrigen Umsätze im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 1 auf 9,0 Prozent der Bemessungsgrundlage.
Die Befreiungen nach § 4 mit Ausnahme der Nummern 1 bis 7 bleiben unberührt; § 9 findet keine Anwendung. Die Vorsteuerbeträge werden, soweit sie den in Satz 1 Nr. 1 bezeichneten Umsätzen zuzurechnen sind, auf 5,5 Prozent, in den übrigen Fällen des Satzes 1 auf 9,0 Prozent der Bemessungsgrundlage für diese Umsätze festgesetzt. Ein weiterer Vorsteuerabzug entfällt. § 14 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass der für den Umsatz maßgebliche Durchschnittssatz in der Rechnung zusätzlich anzugeben ist.

(2) Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten

1.
die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft, der Wein-, Garten-, Obst- und Gemüsebau, die Baumschulen, alle Betriebe, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen, die Binnenfischerei, die Teichwirtschaft, die Fischzucht für die Binnenfischerei und Teichwirtschaft, die Imkerei, die Wanderschäferei sowie die Saatzucht;
2.
Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51a des Bewertungsgesetzes zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören.
Zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören auch die Nebenbetriebe, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sind.

(3) Führt der Unternehmer neben den in Absatz 1 bezeichneten Umsätzen auch andere Umsätze aus, so ist der land- und forstwirtschaftliche Betrieb als ein in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführter Betrieb zu behandeln.

(4) Der Unternehmer kann spätestens bis zum 10. Tag eines Kalenderjahres gegenüber dem Finanzamt erklären, dass seine Umsätze vom Beginn des vorangegangenen Kalenderjahres an nicht nach den Absätzen 1 bis 3, sondern nach den allgemeinen Vorschriften dieses Gesetzes besteuert werden sollen. Die Erklärung bindet den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre; im Falle der Geschäftsveräußerung ist der Erwerber an diese Frist gebunden. Sie kann mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zum 10. Tag nach Beginn dieses Kalenderjahres zu erklären. Die Frist nach Satz 4 kann verlängert werden. Ist die Frist bereits abgelaufen, so kann sie rückwirkend verlängert werden, wenn es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsfolgen bestehen zu lassen.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen überprüft jährlich die Höhe des Durchschnittssatzes im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 und Satz 3 und berichtet dem Deutschen Bundestag über das Ergebnis der Überprüfung. Der Durchschnittssatz wird ermittelt aus dem Verhältnis der Summe der Vorsteuern zu der Summe der Umsätze aller Unternehmer, die ihre Umsätze nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3 versteuern, in einem Zeitraum von drei Jahren. Der ermittelte Durchschnittssatz wird auf eine Nachkommastelle kaufmännisch gerundet. Soweit nach der Überprüfung eine Anpassung des Durchschnittssatzes in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und Satz 3 erforderlich ist, legt die Bundesregierung kurzfristig einen entsprechenden Gesetzentwurf vor.

(1) Als Ort der Lieferung eines innergemeinschaftlichen Fernverkaufs gilt der Ort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Beförderung oder Versendung an den Erwerber befindet. Ein innergemeinschaftlicher Fernverkauf ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates oder aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in die in § 1 Absatz 3 bezeichneten Gebiete an den Erwerber befördert oder versandt wird, einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist. Erwerber im Sinne des Satzes 2 ist ein in § 3a Absatz 5 Satz 1 bezeichneter Empfänger oder eine in § 1a Absatz 3 Nummer 1 genannte Person, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreitet noch auf ihre Anwendung verzichtet; im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend.

(2) Als Ort der Lieferung eines Fernverkaufs eines Gegenstands, der aus dem Drittlandsgebiet in einen anderen Mitgliedstaat als den, in dem die Beförderung oder Versendung des Gegenstands an den Erwerber endet, eingeführt wird, gilt der Ort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Beförderung oder Versendung an den Erwerber befindet. § 3 Absatz 3a Satz 4 und 5 gilt entsprechend.

(3) Der Ort der Lieferung beim Fernverkauf eines Gegenstands, der aus dem Drittlandsgebiet in den Mitgliedstaat, in dem die Beförderung oder Versendung der Gegenstände an den Erwerber endet, eingeführt wird, gilt als in diesem Mitgliedstaat gelegen, sofern die Steuer auf diesen Gegenstand gemäß dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18k zu erklären ist. § 3 Absatz 3a Satz 4 und 5 gilt entsprechend. Bei einem Fernverkauf nach § 3 Absatz 3a Satz 2 gilt Satz 1 für die Lieferung, der die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes gemäß § 3 Absatz 6b zugeschrieben wird, entsprechend, auch wenn die Steuer auf diesen Gegenstand nicht gemäß dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18k zu erklären ist und ein Unternehmer oder dessen Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer für die Einfuhr des Gegenstands ist.

(4) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn der leistende Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte oder in Ermangelung eines Sitzes, einer Geschäftsleitung oder einer Betriebsstätte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in nur einem Mitgliedstaat hat und der Gesamtbetrag der Entgelte der in § 3a Absatz 5 Satz 2 bezeichneten sonstigen Leistungen an in § 3a Absatz 5 Satz 1 bezeichnete Empfänger mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt oder Sitz in anderen Mitgliedstaaten sowie der innergemeinschaftlichen Fernverkäufe nach Absatz 1 Satz 2 und 3 insgesamt 10 000 Euro im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überschritten hat und im laufenden Kalenderjahr nicht überschreitet. Der leistende Unternehmer kann dem Finanzamt erklären, dass er auf die Anwendung des Satzes 1 verzichtet. Die Erklärung bindet den Unternehmer mindestens für zwei Kalenderjahre.

(5) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für

1.
die Lieferung neuer Fahrzeuge,
2.
die Lieferung eines Gegenstands, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert wird, und für
3.
die Lieferung eines Gegenstands, auf die die Differenzbesteuerung nach § 25a Absatz 1 oder 2 angewendet wird.
Bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren gelten die Absätze 1 bis 3 nicht für Lieferungen an eine in § 1a Absatz 3 Nummer 1 genannte Person.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Ordnungswidrig handelt, wer als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 bezeichneten Taten leichtfertig begeht. § 370 Abs. 4 bis 7 gilt entsprechend.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(3) Eine Geldbuße wird nicht festgesetzt, soweit der Täter gegenüber der Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, bevor ihm oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so wird eine Geldbuße nicht festgesetzt, wenn der Täter die aus der Tat zu seinen Gunsten verkürzten Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. § 371 Absatz 4 gilt entsprechend.

5 StR 213/07

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 11. September 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. September
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
alsVerteidiger,
Justizhauptsekretärin
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 6. April 2006 in den Fällen I.2.a und I.2.b der Urteilsgründe (Fälle 1 und 2 der Anklage ) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in zwei Fällen sowie des versuchten Betruges aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hinsichtlich eines weiteren Tatvorwurfs des versuchten Betruges (Fall 3 der Anklage) hat es das Verfahren wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung eingestellt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf eine Verfahrens- und die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft , die vom Generalbundesanwalt vertreten wird. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, soweit die Staatsanwaltschaft die Freisprechung des Angeklagten vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in zwei Fällen beanstandet. Im Übrigen ist es unbegründet.

I.


2
1. Mit ihrer Anklage hat die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last gelegt, gemeinschaftlich mit dem gesondert verfolgten Steuerberater eine Steuerhinterziehung mit einer Verkürzungssumme von 19,5 Mio. DM begangen zu haben. Der Steuerberater habe als Testamentsvollstrecker nach dem Tod des Vaters des Angeklagten aufgrund eines gemeinsam mit dem Angeklagten gefassten Tatentschlusses in einer beim Finanzamt eingereichten Erbschaftsteuererklärung bewusst Nachlasswerte im Umfang von 65,1 Mio. DM verschwiegen (Fall 1 der Anklage).
3
Ferner habe der Steuerberater – ebenfalls gemeinsam mit dem Angeklagten – im Rahmen eines Einspruchs gegen einen ablehnenden Stundungsbescheid mit falschen Angaben über die finanzielle Situation eines von dem Angeklagten im Wege der Erbfolge erworbenen Unternehmens zu Unrecht eine zinslose Stundung der festgesetzten Erbschaftsteuer von 10,9 Mio. DM erwirkt, wodurch ein Zinsschaden von mehr als 1 Mio. DM entstanden sei (Fall 2 der Anklage).
4
Weiterhin habe der Angeklagte im August 2002 in einem seinem pflichtteilsberechtigten Bruder übersandten Nachlassverzeichnis bewusst Nachlasswerte im Umfang von 24,8 Mio. DM verschwiegen, damit dieser täuschungsbedingt einen Teil seines Pflichtteilsanspruchs in Höhe von 6,2 Mio. DM nicht geltend machen werde (Fall 3 der Anklage).
5
Schließlich habe der Angeklagte seinem Bruder im Juni 2004 ein geändertes Nachlassverzeichnis übergeben, in dem er zu Unrecht angegeben habe, ein Privathaus in den USA habe zum Todeszeitpunkt des Erblassers nicht in dessen, sondern im Eigentum des Angeklagten gestanden (Fall 4 der Anklage).
6
2. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
7
a) Der Angeklagte ist Alleinerbe eines am 5. Mai 2001 verstorbenen Wissenschaftlers und Unternehmers. Das Rohvermögen des Nachlasses hat einen Wert von ungefähr 177 Mio. DM, wovon etwa 102 Mio. DM auf in- und ausländisches Betriebsvermögen entfallen. Kernstück des Nachlasses ist eine vom Erblasser aufgebaute Unternehmensgruppe.
8
Testamentsvollstrecker wurde der vormals mitangeklagte Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, ein langjähriger Vertrauter des Erblassers und dessen Berater in allen geschäftlichen sowie privaten Finanz- und Steuerangelegenheiten. Er identifizierte sich „hochgradig“ mit dem Unternehmen und den Zielen des Erblassers. Die Testamentsvollstreckung durch den Steuerberater lag im Interesse des Angeklagten, der die Unternehmensführung drei Jahre nach dem Tod des Erblassers übernehmen sollte. Bereits am 21. Mai 2001 vereinbarte er deshalb schriftlich mit dem Steuerberater, die Unternehmensgruppe als Lebenswerk des Erblassers „intensiv und einverständlich“ fortzuführen. Der Steuerberater verpflichtete sich in dieser Vereinbarung , den Angeklagten über seine Verwaltungstätigkeit als Testamentsvollstrecker laufend zu unterrichten, einzelne Maßnahmen mit ihm abzustimmen und ihm Einsicht in die Nachlass- und Firmenunterlagen zu gewähren. Im Gegenzug verpflichtete sich der Angeklagte, dem Steuerberater für die Testamentsvollstreckung einen Stundensatz von 200 DM zuzüglich Spesen sowie eine Abschlussvergütung von 500.000 DM zu zahlen, wobei die Steuerberatertätigkeit gesondert vergütet werden sollte.
9
Zum Nachlass gehörten auch sämtliche Gesellschaftsanteile im Gesamtwert von umgerechnet 1,4 Mio. DM an einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft , in deren Bestand sich wertvolle Fluggeräte befanden, von denen der Angeklagte und der Steuerberater Kenntnis hatten. Es bestand zudem ein Darlehensrückzahlungsanspruch gegenüber der Kapitalgesellschaft in Höhe von umgerechnet 38,2 Mio. DM, den der Angeklagte durch Veräußerung eines Flugzeuges im Sommer 2001 teilweise realisierte. Der Erblasser hatte weitere Guthaben in den USA in Höhe von umgerechnet 3,7 Mio. DM.
10
Am 5. Juni 2001 suchte der Angeklagte mit dem Steuerberater die Privatbank W. & Co. Privatbankiers und die Z-Bank in Zürich auf, um ein Depot des Erblassers mit einem Wert von umgerechnet 20,8 Mio. DM sowie ein Privatkonto, das beim Ableben des Erblassers ein Guthaben von umgerechnet rund 70.000 DM aufwies, auf den Namen des Angeklagten umschreiben zu lassen. Die Erträge aus diesen Vermögenswerten in der Schweiz hatte der Steuerberater für den Erblasser zu dessen Lebzeiten in seinen Einkommensteuererklärungen nicht angegeben.
11
Am 8. Juni 2001 übergab der Steuerberater dem Angeklagten eine „vorläufige Erbschaftsteuerberechnung“, die von einem Betriebsvermögen von 89,9 Mio. DM, einem Gesamtvermögen von rund 100 Mio. DM und einem sich daraus ergebenden Pflichtteilsanspruch des Bruders des Angeklagten in Höhe von 25 Mio. DM ausging. Sie schloss – unter Berücksichtigung des Entlastungsbetrages für Betriebsvermögen nach dem ErbStG – mit einem Erbschaftsteuerbetrag von 11,9 Mio. DM. Dieser Berechnung war eine Kopie des die Steuersätze enthaltenden Gesetzeswortlautes des § 19 ErbStG beigefügt.
12
Nachdem das Finanzamt am 11. September 2001 dem Steuerberater als Testamentsvollstrecker zur Abgabe der Erbschaftsteuererklärung aufgefordert hatte (§ 31 Abs. 5 Satz 1 ErbStG), notierte der Angeklagte am 2. Oktober 2001 in sein Geschäftsbuch: „- DM 11 – 15 M. Erbschaftsteuer ... - 90 M f steuerl. Zwecke - nur inländisches Vermögen - Abgabe Steuererklärung 18.10.01 - Stundungsmögl. wg. Betriebsgefährdung …“. Von der Möglichkeit, von dem Angeklagten als Erben die Mitunterzeichnung der Erbschaftsteuererklärung zu verlangen (§ 31 Abs. 5 Satz 2 ErbStG), machte das Finanzamt keinen Gebrauch.
13
b) Der Steuerberater verschwieg in der von ihm am 4. Dezember 2001 in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker beim Finanzamt eingereichten und als „vorläufig“ bezeichneten Erbschaftsteuererklärung die ausländischen Vermögenswerte des Erblassers mit Ausnahme eines Bankkontos über 200.000 DM, zu dem er fälschlich angab, der Kontostand liege noch nicht vor. Ferner machte er keine Angaben zu dem Privathaus in den USA, das im Jahr 1996 mit Geldmitteln des Erblassers erworben worden war. Der Angeklagte hatte ihm hierzu am 3. Dezember 2001 schriftlich mitgeteilt, das Haus sei auf Wunsch seines Vaters von ihm direkt erworben worden. Das Landgericht konnte insoweit weder ausschließen, dass der Erblasser beim Erwerb im Jahr 1996 als Vertreter des Angeklagten aufgetreten war, noch, dass er dem Angeklagten das Haus geschenkt hatte.
14
Abgesehen von dem Schreiben des Angeklagten vom 3. Dezember 2001 konnte das Landgericht weder einen Schriftwechsel noch mündliche Absprachen zwischen dem Angeklagten und dem Steuerberater über den Inhalt der Erbschaftsteuererklärung feststellen. „Vermutlich“ im Rahmen einer Besprechung am 4. Dezember 2001 erhielt der Angeklagte vom Steuerberater eine Abschrift der Erbschaftsteuererklärung, die er in seinen Unter- lagen abheftete. In Unkenntnis der verschwiegenen Nachlassgegenstände setzte das Finanzamt die Erbschaftsteuer mit Bescheid vom 18. Dezember 2001 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 10,9 Mio. DM fest.
15
c) Mit demselben Steuerbescheid wurde die vom Steuerberater gemäß § 28 ErbStG beantragte Stundung der Erbschaftsteuer abgelehnt. Dagegen legte der Steuerberater am 16. Januar 2002 auch im Namen des Angeklagten Einspruch ein, wobei er das Auslandsvermögen weiterhin verschwieg. Hierauf stundete das Finanzamt die Erbschaftsteuer schließlich zinslos bis zum 18. Dezember 2003. Nach Durchsuchungsmaßnahmen am 20. August 2003 beim Angeklagten und beim Steuerberater nahm das Finanzamt die Stundung zurück.
16
d) Am 8. November 2001 übermittelte der Steuerberater dem pflichtteilsberechtigten Bruder des Angeklagten, ein nicht unterschriebenes Nachlassverzeichnis , in dem der Nachlasswert unrichtig mit 111,5 Mio. DM angegeben war und in dem das vorgenannte Auslandsvermögen – mit Ausnahme des „Privathauses“ – nicht enthalten war. Der Bruder verlangte auch über einen anwaltlichen Vertreter Erläuterung zu ausländischen, insbesondere schweizerischen Konten. Nachdem er nähere Informationen über die Fluggesellschaft und deren Flugzeuge erlangt hatte, bezichtigte er den Angeklagten der Lüge und verwies darauf, dass zum Nachlass Schwarzgeldkonten in Millionenhöhe gehörten. Der Steuerberater und der Angeklagte übersandten ihm im August 2002 und März 2003 ein zweites und ein drittes Nachlassverzeichnis über einen Nachlasswert von 142,2 bzw. 117 Mio. DM, die wiederum nicht vollständig waren. Am 5. November 2003 stellte der Bruder Strafantrag gegen den Angeklagten wegen Betruges.
17
e) Im Juni 2004 wurde dem Bruder ein vom Angeklagten unterschriebenes viertes Nachlassverzeichnis über einen Nachlasswert von 122,6 Mio. DM übergeben. Es enthielt anstelle des Privathauses nurmehr eine Geldschenkung zum Erwerb der Immobilie in Höhe von 200.000 US- Dollar. Im Hinblick darauf stellte der Bruder im Juli 2004 gegen den Angeklagten einen weiteren Strafantrag wegen Betruges. Insgesamt leistete der Angeklagte an seinen Bruder bislang Pflichtteilszahlungen in Höhe von 18,7 Mio. €.
18
3. Der Angeklagte hat den äußeren Geschehensablauf sowie – mit Ausnahme der Eigentümerstellung an dem Haus in den USA – seine Kenntnis von den zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenständen eingeräumt. Einen gemeinsamen Tatplan mit dem Steuerberater und jedes Wissen um eine Steuerverkürzung hat er jedoch bestritten. Der Steuerberater habe die steuerlichen Erklärungen selbständig und eigenverantwortlich abgegeben und keine Rücksprachen mit ihm gehalten. Mit der Thematik der Stundung sei er ebenso wenig befasst gewesen wie mit der Erbschaftsteuererklärung selbst. Er habe sich auf den Steuerberater verlassen und die beantragte Stundung als „Selbstläufer“ angesehen.
19
Die Strafkammer hat die Einlassung des Angeklagten zum Vorwurf der Steuerhinterziehung als nicht mit der für eine Verurteilung notwendigen Sicherheit widerlegbar erachtet. Sie hat sich die Überzeugung gebildet, dass es dem Testamentsvollstrecker aufgrund seiner Persönlichkeit, seiner Stellung im Unternehmen und seines persönlichen Verhältnisses zum Erblasser zuzutrauen sei, die Erbschaftsteuerhinterziehung eigenständig und ohne Absprache mit dem Angeklagten vorgenommen zu haben. Wegen seiner Mitwirkung am Verschweigen ausländischer Vermögenswerte in der Zeit vor dem Erbfall habe der Steuerberater ein eigenes Motiv zur Abgabe weiterer unvollständiger Steuererklärungen gehabt. Zudem sei eine intensive Zusammenarbeit mit dem Angeklagten bei der Erstellung der Erbschaftsteuerklärung nicht feststellbar. Zwar ergebe sich angesichts der allgemein engen Zusammenarbeit zwischen dem Steuerberater und dem Angeklagten der Verdacht, dass auch der wesentliche Inhalt der Erbschaftsteuererklärung abgesprochen gewesen sein könnte. Mangels objektiver Anhaltspunkte hierfür sei aber nicht ausschließbar, dass der Steuerberater die Steuerhinterzie- hung allein begangen habe. Auch von einem späteren Erkennen der Unrichtigkeit der eingereichten Erbschaftsteuererklärung mit der Folge einer strafbaren Unterlassung der Berichtigung der Erklärung durch den Angeklagten (§ 370 Abs. 1 Nr. 2, § 153 Abs. 1 AO) konnte sich das Landgericht – jenseits von Zweifeln, ob eine solche Tat überhaupt von der Anklage erfasst war – nicht überzeugen.
20
4. Soweit dem Angeklagten im Hinblick auf das zweite Nachlassverzeichnis ein versuchter Betrug zum Nachteil des Bruders zur Last lag, hat das Landgericht das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt. Der Geschädigte habe – auch unter Berücksichtigung des dritten Nachlassverzeichnisses – die Strafantragsfrist gemäß § 77b Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 263 Abs. 4, § 247 StGB versäumt.
21
5. Vom Vorwurf des versuchten Betruges durch Übergabe des vierten Nachlassverzeichnisses hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Es konnte sich nicht vom Vorliegen einer Täuschung überzeugen. Die Eigentumslage an dem Privathaus sei nicht aufzuklären. Im Übrigen fehle es im Blick auf die vorangegangenen Auseinandersetzungen des Angeklagten mit seinem Bruder und auf dessen Misstrauen an einem Täuschungsvorsatz.

II.


22
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, soweit der Angeklagte vom Vorwurf der Steuerhinterziehung freigesprochen worden ist; eines Eingehens auf die Verfahrensrüge bedarf es daher nicht. Jenseits davon deckt die Revision keinen Rechtsfehler auf. Im Fall 3 der Anklage fehlt es an der Verfahrensvoraussetzung eines rechtzeitigen Strafantrages. Hinsichtlich Fall 4 der Anklage ist die Beweiswürdigung des Landgerichts revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
23
1. Die Sachrüge führt im Fall 1 der Anklage zur Aufhebung der Freisprechung des Angeklagten vom Vorwurf der Steuerhinterziehung, weil die Beweiswürdigung des Landgerichts sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht standhält.
24
a) Allerdings muss es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob diesem Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; BGH wistra 2007, 18, 19; BGH NJW 2006, 925, 928 m.w.N., insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt; BGH, Urteil vom 21. Juni 2007 – 5 StR 532/06). Der Überprüfung unterliegt ebenfalls, ob das Landgericht überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ-RR 2005, 147; BGH NStZ 2004, 35, 36; BGH wistra 1999, 338, 339; jeweils m.w.N.). Ein Rechtsfehler kann auch darin liegen, dass der Tatrichter eine nach den Feststellungen nicht nahe liegende Schlussfolgerung gezogen hat, ohne konkrete Gründe anzuführen , die dieses Ergebnis stützen können. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte vorhanden sind (st. Rspr.; BGH NStZ-RR 2003, 371; BGH NStZ 2004, 35, 36; BGH, Urteil vom 21. Juni 2007 – 5 StR 532/06).
25
b) Hier erweist sich die Beweiswürdigung als lückenhaft und widersprüchlich. Das Landgericht hat mehrere gewichtige den Angeklagten belastende Umstände unbeachtet gelassen. Darüber hinaus lässt die Beweiswürdigung die gebotene Gesamtschau mit dem Verhalten des Angeklagten in der zivilrechtlichen Auseinandersetzung über die Höhe des Pflichtteils mit seinem Bruder vermissen.
26
aa) Allerdings können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt vielmehr von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalls ab; dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt. Insbesondere wenn das Tatgericht auf Freispruch erkennt, obwohl nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss es jedoch in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise wesentlichen gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (BGH wistra 2007, 18, 19; 2002, 430 m.w.N.).
27
bb) Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht gerecht. Es fehlt schon die gebotene Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass der Steuerberater dem Angeklagten bereits am 8. Juni 2001 eine „vorläufige Erbschaftsteuerberechnung“ vorgelegt hatte, insbesondere ferner mit der Notiz des Angeklagten vom 2. Oktober 2001 zur abzugebenden Steuererklärung (UA S. 14) und mit dem Fax vom 14. September 2002 (UA S. 17). Diese vom Landgericht festgestellten Gegebenheiten enthalten gewichtige Indizien, die das Landgericht in der Beweiswürdigung hätte erörtern müssen (vgl. auch BGH wistra 2005, 33, 34). Denn diese Umstände sprechen gegen die Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten, der Steuerberater habe die steuerlichen Erklärungen selbständig und eigenverantwortlich abgegeben und mit ihm keine Rücksprachen gehalten.
28
So stimmt die dem Angeklagten vom Steuerberater übergebene vorläufige Erbschaftsteuerberechnung, bei der erkennbar bereits das später gegenüber dem Finanzamt nicht erklärte Auslandsvermögen außer Ansatz geblieben ist, im Wesentlichen mit den Werten des aufgrund der unrichtigen Erbschaftsteuererklärung ergangenen Steuerbescheids überein, der die vom Steuerberater erwartete, aber zu niedrige Festsetzung von Erbschaftsteuer enthält. Diese Steuerberechnung lag dem Angeklagten, der seine Kenntnis von den zum Nachlass gehörenden Vermögensgegenständen eingeräumt hat, bereits mehrere Monate vor Abgabe der Erbschaftsteuererklärung vor.
29
Der sich aus dieser Berechnung ergebende Steuerbetrag steht auch im Einklang mit der Notiz des Angeklagten vom 2. Oktober 2001 „DM 11 – 15 M. Erbschaftsteuer“. Das Landgericht hätte in diesem Zusammenhang insbesondere würdigen müssen, welche Bedeutung dem Vermerk des Angeklagten „nur inländisches Vermögen“ zukam. Hierzu musste sich das Landgericht auch deshalb gedrängt sehen, weil der Angeklagte am 5. Juni 2001 – und damit nur drei Tage vor dem Erhalt der vorläufigen Steuerberechnung – mit dem zu diesem Zeitpunkt noch nicht zum Testamentsvollstrecker ernannten Steuerberater zur Umschreibung von Auslandskonten des Erblassers auf sich in die Schweiz reiste, zumal da er wegen der Anordnung der Testamentsvollstreckung zu einer Verfügung hierüber ohne Zustimmung des Testamentsvollstreckers nicht berechtigt war (vgl. § 2211 Abs. 1 BGB).
30
Auch kam ersichtlich der Frage Bedeutung zu, ob und inwieweit der Angeklagte die ausländischen Bankkonten tatsächlich auf sich umschreiben ließ und gegebenenfalls für welche Zwecke er die Bankguthaben verwendete , insbesondere ob er nach einer Umschreibung der Konten auf sich hieraus erzielte Kapitalerträge in seiner Einkommensteuererklärung angab. Denn die Verwendung dieser Vermögenswerte kann Schlüsse auch darauf zulassen, ob der Angeklagte – wie bereits der Erblasser – dieses Auslandsvermögen der Besteuerung durch den deutschen Fiskus insgesamt entziehen wollte.
31
Auf die Erörterung dieser Umstände durfte das Landgericht schon deshalb nicht verzichten, weil es die von dem Angeklagten aufgestellte Behauptung , er sei vom Steuerberater nicht eingeweiht worden, selbst als fernliegende und nicht der Lebenserfahrung entsprechende Möglichkeit gewertet hat (UA S. 23). Bei einer solchen Sachlage müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass sich das Landgericht mit allen für die Entscheidung wesent- lichen Gesichtspunkten auseinandergesetzt hat, die geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen (vgl. BGH StV 1986, 421; 1983, 360). Daran fehlt es hier.
32
Schließlich erweist sich auch die Annahme des Landgerichts, eine Tendenz des Angeklagten, sich „über die steuerrechtlichen Angelegenheiten zu unterrichten und sich ein eigenes Bild zu machen“, sei nicht ersichtlich, als nicht nachvollziehbar. Gegen diese Annahme spricht bereits der Umstand, dass der Angeklagte am 2. Oktober 2001 in seinem Geschäftsbuch sowohl die Höhe der zu erwartenden Erbschaftsteuerfestsetzung als auch den Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung vermerkte, obwohl er selbst zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung überhaupt nicht verpflichtet war (§ 31 Abs. 5 ErbStG). Hinzu kommt, dass die Höhe der Erbschaftsteuerschuld, die im Wesentlichen aus dem geerbten Betriebsvermögen resultiert, für die Unternehmensführung von ganz wesentlicher Bedeutung war. An ihr hatte aber der Angeklagte, der das Unternehmen nach Beendigung der dreijährigen Testamentsvollstreckung übernehmen wollte, erhebliches Interesse. Denn nach den Feststellungen hatte er bereits am 21. Mai 2001 schriftlich mit dem Steuerberater vereinbart, „das Lebenswerk des Erblassers intensiv und einverständlich fortzuführen“ (UA S. 12), weshalb der Steuerberater den Angeklagten über seine Verwaltungstätigkeit als Testamentsvollstrecker laufend zu unterrichten hatte. Die Strafkammer geht selbst davon aus, dass diese Vereinbarung „Ausdruck des gemeinsamen Willens von Testamentsvollstrecker und Erben (war), anstehende Entscheidungen einvernehmlich und zum Wohle des Unternehmens zu treffen“ (UA S. 28).
33
Im Übrigen lässt das Urteil auch Feststellungen zum Einlassungsverhalten des vormaligen mitangeklagten Steuerberaters vermissen. Zwar hatte dieser zunächst als Mitangeklagter ein Schweigerecht und dann als Zeuge gemäß § 55 StPO ein Auskunftsverweigerungsrecht, von dem er auch Gebrauch gemacht hat (UA S. 4). Da der Steuerberater aber der zentrale und unmittelbare Zeuge für die Frage ist, ob eine Absprache mit dem Ange- klagten über den Inhalt der Erbschaftsteuererklärung vorgelegen hat, wäre in der Beweiswürdigung zu referieren gewesen, wie er sich im Ermittlungsverfahren (vgl. UA S. 36) eingelassen hat.
34
cc) Eine weitere erhebliche Lücke besteht darin, dass die Beweiswürdigung die gebotene Gesamtbetrachtung mit den Feststellungen zu den Betrugsvorwürfen nicht enthält (vgl. auch BGH NStZ 2002, 48, 49). Das Landgericht hätte das Verhalten des Angeklagten im Zusammenhang mit der Erstellung der Nachlassverzeichnisse für den pflichtteilsberechtigten Bruder auch im Rahmen der Prüfung des Tatvorwurfs der Steuerhinterziehung erörtern müssen. Denn nach den Urteilsfeststellungen fehlten auch in den ersten drei Nachlassverzeichnissen die wesentlichen ausländischen Nachlasswerte. Das Landgericht hätte sich daher mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob aus dem Umstand, dass der Angeklagte Vermögenswerte gegenüber dem Bruder verschwiegen hat, Schlüsse auf ein mögliches Interesse des Angeklagten, dass der Testamentsvollstrecker eine unvollständige Erbschaftsteuererklärung abgibt, gezogen werden können. Denn hierin könnte eine einheitliche Vorgehensweise zum Verschweigen der ausländischen Vermögenswerte zum Ausdruck kommen, zumal da der Pflichtteil ein Abzugsposten bei der Berechnung der Erbschaftsteuerschuld ist. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstands, dass der Angeklagte das in gleicher Weise wie die Erbschaftsteuererklärung unvollständige dritte Nachlassverzeichnis vom 28. März 2003 allein unterschrieben (UA S. 21) und im Telefax vom 14. September 2002 von „unsere Erbschaftsteuererklärung“ gesprochen hatte (UA S. 17).
35
c) Der Freispruch in diesem Fall kann auch deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen aufgrund unterlassener Berichtigung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO) – unter der Prämisse des Landgerichts, dass der Angeklagte nicht nachweislich vorsätzlich an der Steuerhinterziehung des Steuerberaters mitgewirkt habe – mit einer noch deutlich kargeren Beweiswürdigung verneint hat (UA S. 37 f.), die aus denselben Gründen unzulänglich ist.
36
Entgegen der gegenteiligen Neigung des Landgerichts (UA S. 39) umfasst der von der Anklage beschriebene Lebenssachverhalt auch den Umstand , dass der Angeklagte die vom Steuerberater beim Finanzamt eingereichte Erbschaftsteuererklärung nicht nachträglich berichtigt hat. Erkennt ein Steuerpflichtiger nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Steuererklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, so ist er verpflichtet, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen (§ 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO). Die vom Steuerberater beim Finanzamt eingereichte Steuererklärung war jedenfalls auch für den Angeklagten im Sinne des § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 31 Abs. 5 Satz 1 ErbStG abgegeben. Denn als Erbe war er gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG Steuerschuldner. Dem Umstand, dass das Finanzamt von der Möglichkeit, von dem Angeklagten eine Mitunterzeichnung der Steuererklärung zu verlangen (§ 31 Abs. 5 Satz 2 ErbStG), keinen Gebrauch gemacht hat, kommt für die Frage der Berichtigungspflicht keine Bedeutung zu.
37
Die Frage, ob der Angeklagte die vom Steuerberater abgegebene Erbschaftsteuererklärung nachträglich hätte berichtigen müssen, bezieht sich unmittelbar auf den im Anklagesatz geschilderten Sachverhalt und betrifft daher ein- und dieselbe Tat im prozessualen Sinn (§ 264 StPO); zu dem mit der Anklage dem Tatrichter unterbreiteten historischen Lebensvorgang gehört somit auch die unterlassene Berichtigung einer gegebenenfalls nachträglich als unrichtig erkannten Steuererklärung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Der verfahrensrechtliche Tatbegriff umfasst das gesamte Verhalten des Angeklagten , soweit es mit dem durch den Eröffnungsbeschluss bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet (BGHSt 45, 211, 212). Zwar ist die Pflicht zur Berichti- gung von Erklärungen im Sinne von § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO eine von der Primärpflicht zur Abgabe einer inhaltlich zutreffenden Steuererklärung unabhängige eigenständige Pflicht, die erst dann entsteht, wenn ein Steuerpflichtiger nachträglich erkennt, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist. Der Umstand , dass es sich um unterschiedliche Pflichten handelt, steht aber hier der Zuordnung der unterlassenen Berichtigung zu dem von der Anklage geschilderten Geschehen als einem einheitlichen historischen Vorgang nicht entgegen.
38
Freilich bilden mehrere im Sinne von § 53 StGB sachlichrechtlich selbständige Handlungen nur dann eine einheitliche prozessuale Tat, wenn die einzelnen Handlungen nicht nur äußerlich ineinander übergehen, sondern wegen der ihnen zugrundeliegenden Vorkommnisse unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung auch innerlich derart miteinander verknüpft sind, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden kann und ihre getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden wird (st. Rspr.; vgl. BGHSt 49, 359, 362; 29, 288, 292 f.). Insbesondere für das Verhältnis von Diebstahl und Hehlerei ist anerkannt, dass auch bei sich rechtlich oder tatsächlich wechselseitig ausschließenden Straftatbeständen die für die Annahme eines einheitlichen geschichtlichen Lebensvorgangs erforderliche innere Verknüpfung zweier zeitlich und räumlich getrennter Vorgänge vorliegen kann, wenn die in der Anklage nach Objekt, Ort und Zeit der Handlung konkretisierte Straftat Grundlage für die Verurteilung wegen der anderen Straftat bildet. Denn in einem solchen Fall hat der Tatrichter im Hinblick auf denselben Gegenstand die vorangegangene Tat zu erörtern und sie nach Ort, Zeit und anderen Umständen einzugrenzen (vgl. BGHSt 35, 172, 174; BGH NStZ 1999, 523, 524).
39
Im Verhältnis von Steuerhinterziehung durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) durch Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung zu einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) wegen Nichtberichtigung der nachträglich als unrichtig erkannten Steuererklärung gilt nichts anderes. Zum einen beziehen sich beide Tatvarianten auf denselben Steueranspruch; zum anderen kann der Tatrichter nur dann prüfen, ob eine Berichtigungspflicht gemäß § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bestanden hat, wenn er geklärt hat, ob sich der Angeklagte wegen einer nach Ort, Zeit und konkretem Steueranspruch eingegrenzten Steuerhinterziehung strafbar gemacht hat. Hierin liegt der innere Zusammenhang, der die zwei getrennten Vorgänge zu einem einheitlichen geschichtlichen Lebenssachverhalt verbindet. Der Umstand, dass beide Vorgänge zeitlich weit auseinanderliegen können , steht der Annahme einer einheitlichen Tat im prozessualen Sinn nicht entgegen (vgl. auch BGHSt 38, 37, 40).
40
2. Die Beweiswürdigung zur ungerechtfertigten Erlangung einer zinslosen Stundung der Erbschaftsteuer gemäß § 28 ErbStG – ein Steuervorteil im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 2 AO – hängt mit dem ersten Vorwurf der Erbschaftsteuerhinterziehung derart eng zusammen, dass sie mit der Aufhebung des deshalb erfolgten Freispruchs die Grundlage verliert. Der Freispruch ist auch insoweit aufzuheben, wenngleich nicht ausgeschlossen erscheint, dass insoweit die weiteren speziellen Erwägungen des Landgerichts (UA S. 32 f.) auch bei abweichender Beurteilung der Beweislage zum ersten Tatvorwurf einer Verurteilung für sich allein entgegenstehen könnten.
41
3. Bestand hat dagegen die Einstellung des Verfahrens im Fall 3 der Anklage wegen des Verfahrenshindernisses eines rechtzeitigen Strafantrages des Antragsberechtigten. Da sich der Tatvorwurf des versuchten Betruges gegen einen Angehörigen (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB) richtete, hatte der Bruder als Anzeigeerstatter die dreimonatige Strafantragsfrist des § 77b Abs. 1 StGB zu beachten. Zum Zeitpunkt des Strafantrags gegen den Angeklagten am 5. November 2003 war diese Frist indes bereits verstrichen.
42
a) Nach § 77b Abs. 2 Satz 1 StGB beginnt die Strafantragsfrist mit Ablauf des Tages, an dem der Berechtigte von der Tat und der Person des Täters Kenntnis erlangt. Bei einer versuchten Straftat ist insoweit die Kenntnis von der letzten auf den Tatbestandserfolg gerichteten Handlung maßgebend (LG Konstanz NJW 1984, 1767, 1768; Stree/Sternberg-Lieben in Schönke /Schröder, StGB 27. Aufl. § 77b Rdn. 8; Jähnke in LK 11. Aufl. § 77b Rdn. 6). Für den Tatversuch kann damit die Antragsfrist schon vor einer Vollendung der Tat abgelaufen sein. Tritt diese noch ein, beginnt mit der Beendigung der Tat eine neue Strafantragsfrist (vgl. LG Konstanz aaO).
43
b) Die Kenntnis von Tat und Täter erfordert nicht die Gewissheit über sämtliche Einzelheiten des strafrechtlichen Geschehens, sondern lediglich das Wissen von Tatsachen, die einen Schluss auf die wesentlichen Tatumstände und den Täter zulassen (BGHSt 44, 209, 212; Stree/Sternberg-Lieben aaO § 77b Rdn. 10 m.w.N.; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 77b Rdn. 4; Jähnke aaO § 77b Rdn. 8). Das Ausmaß der erforderlichen Tatsachenkenntnis bestimmt sich danach, ob dem Berechtigten gemäß dem Standpunkt eines besonnenen Menschen der Entschluss zugemutet werden kann, gegen den anderen mit dem Vorwurf einer strafbaren Handlung hervorzutreten und die Strafverfolgung herbeizuführen (BGHSt aaO; Jähnke aaO Rdn. 7).
44
c) Ausgehend von diesen Maßstäben hat das Landgericht den Zeitpunkt der Kenntnis des pflichtteilsberechtigten Bruders von Tat und Täter rechtsfehlerfrei bestimmt. Die letzte und damit maßgebende Täuschungshandlung war hier die Übersendung des vom Angeklagten unterzeichneten dritten Nachlassverzeichnisses am 28. März 2003 an seinen Bruder. Hierzu steht die Übergabe des vierten Nachlassverzeichnisses am 1. Juni 2004, als der Strafantrag gegen den Angeklagten bereits gestellt war, nicht mehr in natürlicher Handlungseinheit. Denn die dem Angeklagten insoweit zur Last gelegte Täuschung bezieht sich nicht mehr auf die bisher verschwiegenen Nachlasswerte, sondern erstmals auf die Eigentumsverhältnisse an dem Haus in den USA.
45
Zum Zeitpunkt der Übergabe des dritten Nachlassverzeichnisses im März 2003 hatte der pflichtteilsberechtigte Bruder bei der gebotenen wertenden Betrachtung aber bereits ausreichende Kenntnis von Tat und Täter. Die wesentlichen Tatsachen für die Strafbarkeit wegen versuchten Betruges sind hier das Verschweigen der zum Nachlass gehörenden ausländischen Bankkonten sowie der Beteiligung des Erblassers an der Fluggesellschaft einschließlich der Dimension der verschwiegenen Nachlasswerte. Diese Umstände waren dem Bruder spätestens im Februar 2003 bekannt. Das teuerste Fluggerät und die Fluggesellschaft als Nachlassgegenstände hatte er bereits im Juni 2002 sicher entdeckt. Auf die schweizerischen Konten wies er bereits im November 2001 hin; im Jahr 2002 nannte er auch amerikanische Konten. Er hatte auch eine zutreffende Vorstellung von der Größenordnung der verschwiegenen Nachlasswerte. Der Umstand, dass der Bruder erst im Oktober 2003 durch Akteneinsicht Gewissheit über die Tat und über die genaue Höhe der verschwiegenen Vermögenswerte erlangte, steht der Annahme einer für einen Strafantrag ausreichenden Kenntnis bereits im März 2003 nicht entgegen.
46
4. Die Freisprechung des Angeklagten vom Tatvorwurf eines durch Übergabe des vierten Nachlassverzeichnisses begangenen Betrugsversuchs im Fall 4 der Anklage hat ebenfalls Bestand; insoweit liegt ein fristgemäßer Strafantrag vor. Im Gegensatz zu den Fällen 1 und 2 der Anklage hält hier die Beweiswürdigung des Tatrichters revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.
47
Das Landgericht hat alle maßgeblichen für und gegen eine Tatbegehung durch den Angeklagten sprechenden Umstände berücksichtigt und hat sie in einer Gesamtschau gewertet. Dass es sich im Ergebnis nicht davon überzeugen konnte, dass das Hausgrundstück noch zum Zeitpunkt des Erbfalls im Eigentum des Erblassers stand und nicht bereits mit Erwerb oder kurz danach im Wege einer Vorschenkung auf den Angeklagten übertragen wurde, ist daher revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
Basdorf Raum Brause Schaal Jäger
5 StR 156/06

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 6. September 2006
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 5. und 6. September 2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richterin Elf,
Richter Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
alsVerteidiger,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
am 6. September 2006 für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25. Januar 2005 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Unterschlagung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und ihn vom Vorwurf der gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung in sechs Fällen freigesprochen. Die von der Bundesanwaltschaft vertretene Revision der Staatsanwaltschaft richtet sich gegen die Freisprechung des Angeklagten und dagegen, dass das Landgericht die Unterschlagungen nicht als veruntreuende im Sinne des § 246 Abs. 2 StGB gewürdigt hat. Der Angeklagte erstrebt mit seiner Revision die Aufhebung der Verurteilung. Beide Rechtsmittel haben Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
a) Der jetzt 28 Jahre alte Angeklagte ist gelernter Wasserbautechniker. Nach Tätigkeiten als Kurierfahrer und Versicherungsmakler wurde er am 26. November 2001 Gesellschafter und Geschäftsführer der NAGS (NAGS) in Berlin. Dieses Handelsunternehmen hatte der gesondert verfolgte, einschlägig wegen Steuerhinterziehung vorbestrafte S. zu dem Zweck gegründet, durch einen fingierten Handel mit Computerprozessoren Umsatzsteuer zu hinterziehen.
4
b) S. verschaffte der NAGS zwischen Februar und Juli 2002 135 total gefälschte, auf die Firma H. AG in Berlin als Ausstellerin lautende Eingangsrechnungen über gelieferte Computerprozessoren mit einer Rechnungssumme von insgesamt fast 33,4 Mio. Euro zuzüglich eines Umsatzsteuerausweises in Höhe von rund 5,3 Mio. Euro. Die beiden ersten Rechnungen vom 19. und 25. Februar 2002 lauteten jeweils über 487.470 Euro zuzüglich 77.995,20 Euro Umsatzsteuer. Die übrigen 133 Rechnungen wiesen jeweils 243.735 Euro zuzüglich 38.997,60 Euro Umsatzsteuer aus. Alle Rechnungen ab dem 25. Februar 2002 trugen der Wahrheit widersprechende Scheck- und Barzahlungsvermerke. Auch die Rechnung vom 19. Februar 2002 war mit einer Quittung versehen. Auf keinem der Geschäftskonten der NAGS wurden den Schecksummen entsprechende Belastungen festgestellt. Es fanden auch keine Barzahlungen an die H. AG statt.
5
S. organisierte tatsächlich auch 135 Lieferungen elektronischer Bauteile unbekannter, aber jedenfalls minderwertiger Art durch einen angeblichen Mitarbeiter Sc. der Firma H. AG. Er verkaufte die Bauteile als Computerprozessoren des Typs PT 4 – E 2 des Herstellers AMD an die deutschen Exportunternehmen ACG AG (ACG; 101 Lieferungen) und WIN KG (WIN; 34 Lieferungen) mit Ausgangsrechnungen der NAGS über fast 34,4 Mio. Euro zuzüglich ausgewiesener Umsatzsteuer in Höhe von rund 5,5 Mio. Euro zum umsatzsteuerfreien Export an die Firma EM. in Malaysia. In jenem Unternehmen saßen Vertrauensleute des S. , die zunächst das Interesse der deutschen Exportunternehmen an der Abwicklung des angeblichen Großauftrags der nicht selbst exportieren- den NAGS geweckt hatten; naheliegend entfernten sie die Warenlieferungen und die Rechnungen der Exporteure im Interesse S. s aus dem Geschäftsgang des Unternehmens. Die Rechnungen der ACG und WIN wurden jedenfalls nicht von der EM. bezahlt.
6
Die Zahlungen an die Exporteure und die NAGS erfolgten tatsächlich entsprechend einem von S ersonnenen Zahlungskreislauf, in den der Angeklagte eingebunden war: Er unterzeichnete für die NAGS einen mit den Zeugen K. , Ko. und N. abgeschlossenen Darlehensvertrag über 260.000 Euro zum Ankauf der Computerprozessoren bei der

H.

AG zu einem monatlichen Zinssatz von 4,5 %. Die Darlehenssumme wurde auf ein Konto der eine GbR bildenden Zeugen bei der Hypo-Vereinsbank in Berlin eingezahlt, aber nicht bestimmungsgemäß verwendet. Jeweils einer dieser Zeugen überwies vielmehr als angeblicher Treuhänder der EM. an die ACG oder WIN vor jeder Lieferung den jeweiligen Betrag der Rechnungen der Exporteure über fast 259.000 Euro als angebliche Vorauszahlung der EM. . Die Exportunternehmen überwiesen sodann nach Anzeige des Wareneingangs durch ihre Spediteure die in den Rechnungen der NAGS ausgewiesenen Bruttobeträge über jeweils rund 291.000 Euro telegrafisch auf ein Konto der Hypo-Vereinsbank in Berlin, über das die NAGS, vertreten durch den Angeklagten, und der Zeuge K. gemeinsam verfügungsbefugt waren.
7
Hierdurch erlangte S. Zugriff auf die von der ACG und WIN gezahlten Bruttobeträge einschließlich Umsatzsteuer, während die angeblich für die EM. geleisteten Zahlungen Ausfuhrlieferungen betrafen und keine Umsatzsteuer enthielten (§ 4 Nr. 1 Buchstabe a, § 6 UStG). Sobald die Bank den Zahlungseingang angezeigt hatte, gab der Angeklagte die noch bei den Speditionen der Exporteure lagernde Ware zur Ausfuhr frei. Der Angeklagte begab sich dann jeweils mit einem Vertreter der Kreditgeber zur Bank. Sie veranlassten gemeinsam zwei Barauszahlungen über jeweils 259.000 Euro und etwa 32.000 Euro. Der Vertreter der Darlehensgeber zahlte sogleich auf das Konto der GbR 259.000 Euro in bar ein. Dieses Geld stand damit für die nächste „Vorauszahlung“ an die ACG oder WIN zur Verfügung. Der Angeklagte zahlte auf ein anderes Geschäftskonto der NAGS jeweils 32.000 Euro ein. Von diesem Konto hob der Angeklagte zwischen dem 21. Februar und 17. Juli 2002 – nach jeder Zahlung der Exporteure – insgesamt etwa 2 Mio. Euro in bar ab. Dieses Geld übergab er S. .
8
Der Steuerberater Kr. erstellte mit den gefälschten Eingangsrechnungen und den an die ACG und WIN gerichteten Ausgangsrechnungen , die ihm der mit der vorbereitenden Buchführung der NAGS betraute Zeuge He. übergab, für die Monate Februar bis Juli 2002 die Umsatzsteuervoranmeldungen für die NAGS. Diese wurden zwischen dem 3. April und 2. Oktober 2002 beim Finanzamt eingereicht. Sie führten zu einer Verkürzung der von der NAGS zu entrichtenden Umsatzsteuer in Höhe von rund 5,3 Mio. Euro.
9
c) Der Angeklagte schloss auf Weisung des S. am 23. April und 14. Mai 2002 Leasingverträge über je ein Firmenfahrzeug ab. Ein Pkw Mercedes-Benz CLK Cabrio (Preis 54.000 Euro) wurde für den Angeklagten , ein weiterer S 600 lang (Kaufpreis 112.000 Euro) für S. beschafft. Am 6. Juni 2002 erwarb der Angeklagte für die NAGS einen überwiegend kreditfinanzierten PKW BMW Coupé 330 Ci A für 49.000 Euro, der von T. , einem weiteren Mitarbeiter der NAGS, genutzt wurde. Auch den Zeugen A. , Ha. , He. , Hä. und A. standen vom Angeklagten beschaffte , im Eigentum Dritter stehende Firmenfahrzeuge zur Verfügung.
10
Ende Juli, spätestens im Laufe des August 2002 stellte die NAGS ihre Geschäftstätigkeit auf Weisung des S. ein. Der Angeklagte übte die ihm kraft Gesetzes zugewiesene Funktion eines Liquidators nicht aus. Er überließ die Firmenfahrzeuge der alleinigen Verfügung durch S. . Der Angeklagte und S. reisten später nach einem Aufenthalt in der Schweiz nach Dubai. Auf Weisung des S. versandte der Zeuge Ha. im September oder Oktober 2002 die von dem Angeklagten, S. und T. in Deutschland genutzten Pkw per Luftfracht nach Dubai. Dort übernahmen der Angeklagte und S. ihre Fahrzeuge wieder. Der Angeklagte nutzte das Cabrio noch einige Zeit, bis es von S. einem Geschäftsfreund geschenkt wurde. Nach Auftreten von Zahlungsrückständen kündigten die Leasinggeber und die finanzierende Bank im Dezember 2002 die mit der NAGS abgeschlossenen Verträge. Die übrigen Firmenfahrzeuge wurden nach Ablauf der den Besitz begründenden Verträge an die Kfz-Händler zurückgegeben.
11
d) Der Angeklagte wurde am 9. August 2003 in Dubai wegen Drogenbesitzes und Drogenkonsums zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und nach Teilverbüßung dieser Strafe am 23. Dezember 2003 nach Deutschland ausgeliefert.
12
2. Der Angeklagte hat sich hinsichtlich der Vorwürfe der Unterschlagungen damit verteidigt, er habe Versprechungen S. s vertraut, dieser werde die zwischen der NAGS und den Sicherungsnehmern abgeschlossenen Verträge übernehmen und für eine Weiterzahlung der Raten sorgen. Solches hat das Landgericht als Schutzbehauptung widerlegt, weil der Angeklagte alle Fahrzeuge der von ihm nicht zu kontrollierenden Willkür

S.

s überantwortet und dadurch die konkrete Gefahr einer dauerhaften Enteignung der Eigentümer bewirkt habe.
13
Demgegenüber hat das Landgericht hinsichtlich der mittäterschaftlich angelasteten Steuerhinterziehungen die Einlassungen des Angeklagten als nicht mit einer für eine Verurteilung notwendigen Sicherheit wider- legt erachtet. Insoweit hat sich der Angeklagte darauf berufen, er sei zwar von S. gesteuerten, aber realen Handelsgeschäften mit großen Gewinnspannen ausgegangen. Von den an S. bar übergebenen Geldern seien jeweils 25.000 Euro an den Lieferanten, die H. AG, gegangen. Die restlichen 7.000 Euro seien der Profit der NAGS gewesen.
14
3. Die gegen die Freisprechung des Angeklagten gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg. Der Senat kann es deshalb dahingestellt sein lassen, ob die Zurückweisung des Beweisantrags der Staatsanwaltschaft als bedeutungslos schon wegen dem Antrag nicht zu entnehmender Konnexität (vgl. BGHSt 43, 321, 329 f.) oder deshalb nicht gegen § 244 Abs. 6 StPO verstoßen konnte, weil die Staatsanwaltschaft verpflichtet war, auf eine vollständige Behandlung des von ihr gestellten Beweisantrags hinzuwirken (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag

37).


15
Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar muss es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf , ob diesem Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; BGH NJW 2006, 925, 928 m.w.N., insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt).
16
Hier erweist sich die Beweiswürdigung des Landgerichts als lückenhaft. Freilich können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab; dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt. Insbesondere wenn das Tatgericht auf Freispruch erkennt, obwohl – wie hier – nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss es allerdings in seiner Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise wesentlichen gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (BGH wistra 2002, 430 m.w.N.). Dem wird das angefochtene Urteil namentlich hinsichtlich der Bewertung der Kenntnis des Angeklagten von der Nichtbezahlung der H. -Rechnungen und der Indizwirkung der Beteiligung des Angeklagten an dem von S. initiierten Zahlungskreislauf nicht gerecht.
17
a) Zwar hat das Landgericht die Einlassung des Angeklagten, er habe darauf vertraut, dass jede Rechnung der Firma H. mit 25.000 Euro aus dem vom Angeklagten an S. übergebenen Bargeld bezahlt worden sei, einer kritischen Prüfung unterzogen. In diese sind aber wesentliche belastende Umstände nicht einbezogen worden, so dass auch die vorgenommene Gesamtwürdigung nicht mehr tragfähig ist.
18
Das Landgericht hat nicht erwogen, dass der Zeuge Ha. die fingierten Eingangsrechnungen zunächst dem Angeklagten übergeben hat. Zwar hat die Wirtschaftsstrafkammer solches in einer eher distanzierenden Weise ausgedrückt, wonach Sc. dem „Ha. zufolge ihm jeweils Rechnungen für die jeweilige Lieferung überreicht haben, die er dann dem Angeklagten übergeben haben will“ (UA S. 23). Gleichwohl handelt es sich insoweit um eine Feststellung. Das Landgericht hält nämlich die Aussage des Zeugen Ha. zur Entgegennahme von Paketen, zum Erhalt der Rechnungen und zur Nichtübergabe von Bargeld bei Lieferung für glaubhaft, ohne eine Einschränkung für die Übergabe der Rechnungen an den Angeklagten vorzunehmen. Der somit festgestellte vorübergehende – bis zur Einstellung in die dem Zeugen He. anvertraute Buchführung – Besitz des Angeklagten an den Rechnungen hätte bei der gegebenen erheblichen Verdachtslage aber jedenfalls erfordert, eine naheliegende Kenntnisnahme des Angeklagten vom Inhalt der Rechnungen zu erörtern und gegebenenfalls unter Einbeziehung der Einzelheiten des dem Angeklagten bekannten Zahlungskreislaufs zu würdigen. Solches hätte den Schluss rechtfertigen können, dass dem Angeklagten klar war, dass die NAGS, die aus jedem Verkauf lediglich 32.000 Euro – die vom Angeklagten bar abgehobenen Beträge – erzielt hat, unter keinen Umständen die auf den Rechnungen der H. AG vermerkten hohen Zahlungen an die H. AG zu leisten in der Lage gewesen wäre.
19
b) Darüber hinaus begründet die vom Landgericht ausschließlich als entlastend gewürdigte Barzahlung in Höhe von jeweils 25.000 Euro auf die 133 H. -Rechnungen einen Wertungsfehler (vgl. BGH wistra 2002, 260, 262; BGH, Urteil vom 16. März 2004 – 5 StR 490/03). Nach den Feststellungen des Landgerichts war dem Angeklagten aufgrund der von ihm eigenhändig mit vorgenommenen Verteilung des Verkaufserlöses jeweils nach Eingang der vollständigen Zahlungen der ACG und WIN auf die Ausgangsrechnungen der NAGS bekannt, dass von dem Erlös in Höhe von jeweils 291.000 Euro, der jeweiligen Gutschrift auf dem Gemeinschaftskonto, für die Geschäftstätigkeit der NAGS lediglich 32.000 Euro zur Verfügung standen. Bei der jeweiligen Zahlung an die H. in Höhe von 25.000 Euro hätte es sich aber aufgedrängt, dass zu diesem Preis keine hochwertigen Prozessoren bezogen worden sein konnten, mit denen allein der nahezu zwölffache Verkaufspreis hätte erzielt werden können. Schließlich hätten auch die weiteren einen Verdacht begründenden Umstände, die Übergabe der wertvollen Prozessoren auf einem Parkplatz vor dem Geschäftshaus der NAGS und die Abwicklung (nur) eines Teils des Kerngeschäfts dieses Unternehmens im Wege der Barzahlung, mit in die Betrachtung einbezogen werden müssen.
20
c) Schließlich weist die Revision zu Recht darauf hin, dass das Landgericht in dem Indizienkomplex, in welchem es einen von Bankmitarbeitern erhobenen Geldwäscheverdacht als beim Angeklagten nicht vorsatzbegründend würdigt, die für die NAGS wirtschaftlich nachteiligen Umstände des vom Angeklagten mit betriebenen Zahlungskreislaufs nicht beweiswürdigend einbezogen hat. Die jeweiligen „Vorauszahlungen“ auf die Ausgangsrechnungen der ACG und der WIN stellen sich angesichts der – in Anwesenheit des Angeklagten den Bankmitarbeitern offenbarten – Treuhänderstellung im Ergebnis als Subventionierung der Endabnehmer in Malaysia dar, gespeist aus den Verkaufserlösen der NAGS in Deutschland. Der angebliche Endabnehmer EM. hat nämlich zu keiner Zeit irgendeine Zahlung an die Exporteure oder die NAGS geleistet, was sich auch dem Angeklagten aufgrund der vorstehend geschilderten, ihm bekannten Umstände erschließen musste. Denn der Angeklagte wusste zugleich, dass die GbR tatsächlich Kreditgeberin der NAGS war. Ein solches Geschäft wäre bei Annahme eines legalen Hintergrundes so offensichtlich ruinös für die NAGS, dass dieser Umstand, wie auch die exorbitante Höhe des Darlehenszinses und der wirtschaftlich unsinnige Zahlungsweg über die Exporteure, in die Gesamtwürdigung hätte einbezogen werden müssen. Naheliegend hätte sich dann der Blick darauf richten können, dass die Geschäftstätigkeit der NAGS allein darauf ausgerichtet war, die von den Exportunternehmen an sie gezahlte Umsatzsteuer für sich abzuzweigen. Denn die NAGS musste die von ihr vereinnahmte Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abführen, weil sie diese Beträge mit den Vorsteuerbeträgen aus den Scheinrechnungen der H. AG verrechnete. Den Exportunternehmen drohte aus den für sie umsatzsteuerfreien Ausfuhrlieferungen ebenfalls kein Nachteil, da sie in ihren Steueranmeldungen gemäß § 18 Abs. 1, 3 UStG die Umsatzsteuerbeträge aus den NAGSRechnungen als Vorsteuern in Abzug bringen konnten (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchstabe a, § 4 Nr. 1 Buchstabe a, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG).
21
Die Sache bedarf demnach neuer Aufklärung und Bewertung. Der Senat weist darauf hin, dass eine Beihilfestrafbarkeit in Betracht kommt, auch wenn wieder festgestellt werden sollte, dass der Angeklagte Einzelheiten der Haupttat nicht gekannt hat (vgl. BGHSt 46, 107, 109). Sollte dagegen dem Angeklagten klar geworden sein, dass die Gründung und Geschäftstätigkeit der NAGS ausschließlich – neben dem Erwerb der fremdfinanzierten Pkws – darauf ausgerichtet war, ihren Gewinn durch Umsatzsteuerhinterziehung zu erreichen, wird die Annahme von Mittäterschaft nahe liegen.
22
Mit Blick auf die vom Senat gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 370a AO geäußerten Bedenken (BGH wistra 2005, 30, 31 f.; NJW 2004, 2990, 2991 f.) wird es sich für den neuen Tatrichter anbieten, die Strafverfolgung gemäß § 154a StPO auf die Vorschrift des § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 AO zu beschränken.
23
4. Auch die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die erhobene Verfahrensrüge kommt es nicht an.
24
Für eine Zueignung ist es in den hier zu beurteilenden Fällen bestehender Sicherungsübereignung erforderlich, dass der Täter ein Verhalten an den Tag gelegt hat, das den sicheren Schluss darauf zulässt, dass er den Sicherungsgegenstand unter Ausschluss des Sicherungseigentümers seinem eigenen Vermögen einverleiben will (BGHSt 34, 309, 312). Im Fall der vom Landgericht angenommenen Drittzueignung muss das Verhalten des Täters darauf gerichtet sein, dass das Sicherungsgut dem Vermögen des Dritten zugeführt wird (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 246 Rdn. 5; Kudlich JuS 2001, 767, 771). Die Tathandlung muss zu einer Stellung des Dritten in Bezug auf die Sache führen, wie sie auch bei der Selbstzueignung für die Tatbestandserfüllung notwendig wäre (Tröndle/Fischer aaO Rdn. 11a). Bei der Unterschlagung von Sicherungsgut zum eigenen Vorteil ist dies anerkannt, falls der Sicherungsgeber das Sicherungsgut in einer Art und Weise weiter nutzt, die zum Ausdruck bringt, dass der Täter das Sicherungseigentum nicht mehr achtet, sondern den bisherigen Fremdbesitz an den Gegenständen in Eigenbesitz umwandeln wollte (BGHSt 34, 309, 313). Im Falle der Drittzueignung durch den Sicherungsgeber muss demnach bei der hier zu würdigenden Übertragung des unmittelbaren Besitzes auf den Dritten zum Ausdruck kommen, dass der bisherige Fremdbesitz durch dem Dritten auf Dauer verschafften Eigenbesitz ersetzt werden soll (vgl. Schenkewitz NStZ 2003, 17, 20; Kudlich aaO). Solches wird für den Angeklagten durch die Feststellung des Landgerichts für die angenommene Tatzeit der Übergabe der Fahrzeuge an S. (August 2002) aber nicht ausreichend belegt.
25
Das Landgericht stellt zwar das Bewusstsein des Angeklagten fest, dass S. im Zeitpunkt der Übernahme der Fahrzeuge wie ein Eigentümer über diese verfügen würde und dass den Eigentümern hierdurch die Fahrzeuge entzogen werden würden. Diese Feststellung beruht indes auf einer Schlussfolgerung, die von der sie begründenden Beweiswürdigung nicht getragen wird. Für den Tatzeitpunkt werden nämlich keine Umstände benannt, die eine Vorstellung des Angeklagten hinreichend belegen, S. werde das Sicherungseigentum missachten. Das Landgericht hat den Angeklagten als undoloses Werkzeug des S. angesehen; er habe nicht einmal das von S. gesteuerte Umsatzsteuerkarussell durchschaut. Soweit das Landgericht auch auf die wesentlich spätere Inbesitznahme der drei Pkw in Dubai abstellt und in der Nutzung des Fahrzeugs des Angeklagten möglicherweise eine nachträgliche Billigung zur Begründung von Eigenbesitz des S. sieht, wirken diese Umstände auf das Vorstellungsbild des Angeklagten zur angenommenen früheren Tatzeit, der Einstellung der Geschäftstätigkeit in Deutschland, aber nicht zurück. Die Verbringung der Fahrzeuge zum ersichtlich erst später festgelegten Fluchtort beruht ausschließlich auf einer neuen Entschließung S. s, die sogar noch Raum für eine Achtung des Sicherungseigentums hinsichtlich der übrigen Kfz ließ.
26
Demnach hat der Angeklagte die drei Pkw jedenfalls nicht täterschaftlich einem Dritten zugeeignet, sondern S. durch Besitzverschaffung lediglich die Gelegenheit für die von diesem vollzogene Unterschlagung geboten. Dies hätte bei Vorliegen eines Beihilfevorsatzes bei dem Angeklagten zur Bestrafung wegen Beihilfe zur Unterschlagung führen können (vgl. Maurach/Schröder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil Band 1 9. Aufl. S. 404 f.; Tröndle/Fischer aaO § 246 Rdn. 11a mit Nachweisen der weitergehenden Gegenauffassung; Schenkewitz aaO; Kudlich aaO). Auch dieser ist indes nicht hinreichend belegt.
27
Auf die festgestellte Inbesitznahme des Pkw Mercedes-Benz CLK in Dubai durch den Angeklagten hat das Landgericht seine Verurteilung nicht gestützt. Gleiches gilt für den weiteren Umgang mit den übrigen Fahrzeugen durch S. in Dubai; insoweit hatte der Angeklagte als Geschäftsführer , beziehungsweise Liquidator der NAGS eine Garantenstellung.
28
Die Sache bedarf demnach auch insoweit neuer Aufklärung und Bewertung. Der Senat weist darauf hin, dass bei der Bewertung des Vorstellungsbildes des Angeklagten die einen Tatkomplex betreffenden belastenden Indizien wegen der hier vorliegenden Verschränkung der Sachverhalte auch für den jeweils anderen Tatkomplex beweiswürdigend heranzuziehen sind (vgl. BGH wistra 2002, 260, 261; 430).
29
5. Die für die Verurteilungsfälle auf die Nichtannahme der Qualifikation des § 246 Abs. 2 StGB beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat ebenfalls Erfolg. Die hier vorliegenden Sicherungsübereignungen begründen ein Anvertrautsein (vgl. BGHSt 16, 280, 282; Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 246 Rdn. 29). Dies wird es rechtfertigen, im Fall einer erneuten Verurteilung die Strafe dem Qualifikationstatbestand zu entnehmen.
30
6. Für die eventuell neu vorzunehmende Strafzumessung weist der Senat auf Folgendes hin:
31
a) Der durch die Unterschlagung begründete Schaden der Eigentümer bestimmt sich nach dem Wiederbeschaffungswert der Fahrzeuge im Zeitpunkt der Unterschlagungshandlungen. Deshalb darf nicht auf die Höhe der noch offenen Forderungen der Darlehens- bzw. Leasinggeber abgestellt werden, die rückständige Raten oder einen entgangenen Gewinn in Form eines Zinsausfallschadens enthalten werden.
32
b) Die Verfahrensdauer während des Revisionsverfahrens ist allein durch verzögerte Zustellungen um sechs Monate verlängert worden; seit der Fertigstellung des Urteils hat es über ein Jahr bis zum Eingang der Verfahrensakte bei der Bundesanwaltschaft gedauert. Solches wird Anlass geben, im Rahmen der Strafzumessung eine Art. 6 Abs. 1 MRK verletzende Verfahrensverzögerung im Rechtsmittelverfahren zu prüfen und zu bewerten (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2006 – 5 StR 587/05; vgl. im Übrigen BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13 und 16).
Basdorf Raum Brause Elf Jäger
5 StR 240/02

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 22. August 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Betruges u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
22. August 2002, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt G
als Verteidiger für die Angeklagte Z
Rechtsanwalt J
als Verteidiger für den Angeklagten H
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. November 2001 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit die Angeklagten freigesprochen worden sind,
b) in sämtlichen Strafaussprüchen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagte Z wegen Unterschla- gung (Einzelgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu 30 DM) und wegen – gemeinschaftlich mit dem Angeklagten H begangenen – Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung (Einzelfreiheitsstrafe von vier Monaten) unter Einbeziehung anderweit verhängter 13 Freiheitsstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten H hat es eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 80 DM festgesetzt. Von weiteren Tatvorwürfen hat das Landgericht die Angeklagten – bei H versehentlich ohne entsprechende Tenorierung – freigesprochen. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft richten sich mit der Sachrüge gegen die Freisprüche und – inso- weit rechtswirksam beschränkt – gegen sämtliche Strafaussprüche. Die Rechtsmittel haben in vollem Umfang Erfolg.

I.


Nach den – infolge der Rechtsmittelbeschränkung bestandskräftigen – Feststellungen des Landgerichts nahm die Angeklagte Z im Frühjahr 1999 während eines Besuchs des Zeugen D dessen Dokumententasche mit und leugnete einige Tage später in der Absicht, sie zu behalten , deren Besitz. Im Zusammenwirken mit ihrem Lebenspartner H fingierte sie am 18. November 1998 zu Lasten eines Geschäftskontos der Firma M M G bei der Commerzbank Berlin eine Überweisung in Höhe von über 8.000 DM zugunsten des Kontos des Angeklagten H bei der Berliner Sparkasse, über das dieser allein verfügungsberechtigt war.
Vom Vorwurf, auf gleiche Art und Weise die Firma M am 10. November 1998 um ebenfalls über 8.000 DM geschädigt (Fall VI 4) und dies zum Nachteil der Firma B am gleichen Tag in Höhe von ca. 4.000 DM und des A O bereits am 3. September 1998 in Höhe von über 3.500 DM versucht zu haben (Fälle VI 3 und 2), sprach das Landgericht die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen frei.
Die Angeklagte Z wurde ferner von dem Vorwurf freigesprochen , zwischen April 1997 und Juni 1998 Personalausweis, Führerschein , Euroscheck- und Kontokarte des A O unterschlagen zu haben (Fall VI 1). Beide Angeklagte wurden auch von den weiteren Vorwürfen freigesprochen, diesen Personalausweis am 19. April 1999 zur Eröffnung eines Kontos unter dem Namen O bei der Postbank mißbraucht (Fall VI 6) und darauf am 3. Mai 1999 zwei Überweisungen über ca. 14.000 DM bewirkt und eine weitere in Höhe von 8.300 DM zu veranlassen versucht zu haben (Fälle VI 8, 9 und 7).

Schließlich wurden beide Angeklagte vom Vorwurf freigesprochen, am 27. November 1998 eine Straftat durch Benennung einer nicht existierenden Person als Verursacher der davor erfolgten Überweisungen zu Lasten der Firma M vorgetäuscht zu haben (Fall VI 5).

II.


1. Die Sachrüge führt zur Aufhebung der Freisprüche, weil die Beweiswürdigung des Landgerichts sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht standhält.
Zwar muß das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob diesem Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze und gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; BGH NStZ 2002, 48; BGH NStZ-RR 2000, 171; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33 m. w. N.).
Hier erweist sich die Beweiswürdigung des Landgerichts als lückenhaft. Freilich können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab; dieser kann so beschaffen sein, daß sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt. Insbesondere wenn das Tatgericht auf Freispruch erkennt, obwohl – wie hier – nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen die Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muß es allerdings in seiner Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise
wesentlichen gegen die Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen (BGH wistra 2002, 260, 261; BGH NStZ-RR 2000, 171) und in einer Gesamtwürdigung betrachten (BGH NJW 2002, 2188, 2189; 2002, 1811, 1812; BGH NStZ 2002, 48). Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.

a) Im Verurteilungsfall II 2 hat sich das Landgericht mit rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung von einem mittäterschaftlichen Zusammenwirken der Angeklagten überzeugt. Dieser Fall hatte nicht anders als die Freispruchsfälle VI 2 bis 4 und 7 bis 9 fingierte Überweisungen zum Gegenstand. Das Landgericht hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, die Parallelen zu dem Verurteilungsfall gesamtwürdigend hinreichend zu berücksichtigen. Es hat insoweit insbesondere in der Mehrzahl der Fälle festgestellt, daß die Überweisung mit der gleichen (freilich eher geringeren) Wahrscheinlichkeit der Urheberschaft der Angeklagten Z wie im Verurteilungsfall erfolgt ist. Dabei begegnet auch die Annahme des Landgerichts, eine gutachterliche Bestätigung der Urheberidentität zwischen den Fällen sei nicht geeignet, eine weitergehende indizielle Belastung zu begründen (UA S. 21, 26), vor dem Hintergrund der Erweislichkeit ihrer Urheberschaft in einem der Fälle durchgreifenden Bedenken. Die Fälle VI 2 bis 4 betrafen zudem in gleicher Weise wie der Verurteilungsfall eine beabsichtigte Begünstigung des eigenen Kontos des Angeklagten H , über das dieser allein verfügungsberechtigt war. Die Fälle VI 7 bis 9 betrafen ein fingiertes Konto, für welches die Wohnanschrift der Angeklagten angegeben worden war; diese waren im Besitz von dem Kontoinhaber abhanden gekommenen Papieren. Diese Umstände hätten eine Gesamtschau aller Beweisanzeichen erfordert, die wegen ihrer Häufigkeit und gegenseitigen Durchdringung die Überzeugung von der Richtigkeit der Vorwürfe hätte begründen können (vgl. aus der st. Rspr. des BGH NJW 2002, 2188, 2189; 2002, 1811, 1812 m. w. N.).

b) Zudem widersprechen die für die Teilfreisprechung wesentlichen Erwägungen des Landgerichts über die mögliche Mitwirkung eines weiteren
unbekannten Täters den im Verurteilungsfall fehlerfrei getroffenen Feststellungen , wonach sich am 18. November 1998 und 22. Oktober 1999 weder ein Dritter in der Wohnung der Angeklagten aufhielt noch an der Überweisung mitwirkte (UA S. 14 f.; 12, 20). Verdächtigen Funden in jener Wohnung hätte daher die gleiche Indizwirkung wie im Verurteilungsfall zuerkannt werden müssen.

c) Allein wegen des jeweils engen Zusammenhangs mit den Kontenmißbrauchsfällen sind auch die Freisprüche in den Fällen VI 1, 5 und 6 aufgrund der in jenen Fällen nicht ausreichend, zudem widersprüchlich vorgenommenen Gesamtwürdigung ihrerseits als nicht tragfähig begründet anzusehen.
2. Die Revisionen dringen auch hinsichtlich der Strafaussprüche durch.

a) Die gegen die Angeklagte Z festgesetzte Geldstrafe ist allein schon deshalb aufzuheben, weil das Landgericht die Reihenfolge der Taten verwechselt und dadurch übersehen hat, daß die Unterschlagung im Frühjahr 1999 der anderen abgeurteilten Tat vom 18. November 1998 nachfolgte. Folglich hat das Landgericht, das in dem weiteren Verurteilungsfall im Blick auf parallele Straftaten eine kurzfristige Freiheitsstrafe verhängt hat, im Falle der Unterschlagung zu Unrecht ein Vorleben der Angeklagten ohne Straftaten angenommen.

b) Die für den gemeinschaftlichen Betrug in Tateinheit mit Urkundenfälschung gegen beide Angeklagte festgesetzten Strafen sind aufzuheben, weil dem neuen Tatrichter – falls er zu Schuldsprüchen kommt – Gelegenheit gegeben werden muß, für Taten einer Serie angemessene Strafen, gegebenenfalls auch aufgrund gewerbsmäßiger Begehung von Betrug (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB) und Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB), festzusetzen. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der ge-
gen die Angeklagte Z festgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.

III.


Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
Für die Beweiswürdigung zu den erneut zu prüfenden Anklagevorwürfen begründet die rechtskräftige Verurteilung der Angeklagten wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung nicht mehr als ein gravierendes Indiz für ihre Täterschaft in diesem von ihnen nicht angefochtenen Parallelfall (vgl. BGHSt 43, 106, 107 f.).
Im Fall von weiteren Schuldsprüchen ist für die von der Anklage noch angenommene bandenmäßige Begehung nach BGHSt 46, 321, 329 kein Raum. Bei der Strafzumessung werden die aus einer späten Aburteilung abzuleitenden Strafmilderungsgründe zu bedenken sein (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13).
Angesichts des sehr unterschiedlichen Gewichts der lange zurückliegenden Vorwürfe und des erheblichen Aufwands für deren rechtliche und tatsächliche Klärung wird sich eine Anwendung des § 154 Abs. 2 StPO hinsichtlich der angelasteten Vergehen nach §§ 145d, 246, 281 StGB anbieten. Hinsichtlich möglicher Gesamtstrafenbildung mit Geldstrafen einschließlich der Begründung von Zäsuren durch entsprechende Verurteilungen erfordert der zwingend anzuwendende § 55 StGB grundsätzlich die Überprüfung der Angaben der Angeklagten über die Bezahlung von Geldstrafen.
Basdorf Häger Raum Brause Schaal

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Ordnungswidrig handelt, wer als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 bezeichneten Taten leichtfertig begeht. § 370 Abs. 4 bis 7 gilt entsprechend.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(3) Eine Geldbuße wird nicht festgesetzt, soweit der Täter gegenüber der Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, bevor ihm oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so wird eine Geldbuße nicht festgesetzt, wenn der Täter die aus der Tat zu seinen Gunsten verkürzten Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. § 371 Absatz 4 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
5 StR 570/99
URTEIL
vom 23. Februar 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
23. Februar 2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Nack,
Richterin Dr. Tepperwien,
Richterin Dr. Gerhardt
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 10. Juni 1999 im Einzelstrafausspruch zu Fall II. 2. e (Einkommensteuerhinterziehung 1995) und im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft – die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird – richtet sich zum einen gegen den Teilfreispruch vom Vorwurf des Betruges. Zum andern wird ein höherer Verkürzungserfolg bei der Steuerhinterziehung durch Nichtabgabe der Einkommensteuererklärung 1995 geltend gemacht. Die Revision hat im Umfang der Urteilsformel Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet.

I.


Der Angeklagte war in der Verwaltung des Bayerischen Landtages tätig , zuletzt als Verwaltungschef im Range eines Ministerialdirektors. Der Freispruch vom Betrugsvorwurf betrifft die Schädigung von Kollegen und Bekannten des Angeklagten, die er zu Geldanlagen in einen vorgetäuschten Handel mit sogenannten Bankgarantien veranlaßt hat. Bei der Steuerhinterziehung geht es darum, daß der Angeklagte die Finanzbehörde über im Jahr 1995 „erzielte Renditen“ aus seiner eigenen Geldanlage in Höhe von 30.000 DM in Unkenntnis gelassen hat.
1. Initiator des betrügerischen Anlagesystems war der Rechtsanwalt U . Er gab vor, mit den Anlagebeträgen Bankgarantien zu erwerben. Durch deren Wiederverkauf würden risikolos außergewöhnlich hohe Renditen – ca. 70 % im Jahr – erzielt werden. Da es keinen Markt für Bankgarantien gab, zielte seine Tätigkeit spätestens seit Mitte 1993 allein darauf ab, an das Geld gutgläubiger Anleger zu kommen. Um den Betrug über längere Zeit durchführen zu können, zahlte er die „Renditen“ der zuerst angeworbenen Anleger aus den später geworbenen Anlagebeträgen aus. Im Mai 1995 brach das System zusammen und U s tellte die Zahlungen ein. Der dem Angeklagten angelastete Betrugsvorwurf umfaßt Anwerbungen im letzten Jahr vor dem Zusammenbruch.
Der Angeklagte, der schon länger auf der Suche nach lukrativen Kapitalanlagemöglichkeiten war, kam im Frühjahr 1994 in Kontakt mit U . Er fragte Bekannte und Kollegen, was sie von dieser Geldanlage hielten. Sie rieten ihm davon ab. Ein Kollege hatte ihm von seinen darauf getätigten Erkundigungen in Bankenkreisen berichtet. Das Ergebnis der Recherche war, daß es keinen Handel für Bankgarantien gäbe; der Kollege äußerte vielmehr den Verdacht eines betrügerischen Schneeballsystems. Gleichwohl, und obwohl er keine detaillierten Informationen über das Anlagesystem einholte, legte der Angeklagte am 1. Mai 1994 selbst einen Betrag von 100.000 DM an.
In der Folgezeit warb der Angeklagte zehn Bekannte und Kollegen an, die im Vertrauen auf seine Angaben jeweils Geldbeträge zwischen 50.000 DM und 150.000 DM, insgesamt über 700.000 DM, anU zahlten und letztlich etwa zwei Drittel ihrer Anlage verloren. Für die Anwerbung erhielt der Angeklagte, was er den Anlegern verschwieg, Vermittlungsprovisionen in Höhe von insgesamt ca. 65.000 DM. Im März 1995 veranlaßte der Angeklagte zwei Anleger, jeweils weitere 10.000 DM an Anlagevermittler U zu übergeben – der das Geld selbst vereinnahmte – mit dem Versprechen , das Geld in sogenannten „Blocked Funds“ anzulegen. Dafür stellte er eine Rendite von 100 % bis 150 % innerhalb von acht Wochen in Aussicht.
2. Hinsichtlich des Betrugsvorwurfs hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Er habe ohne Täuschungswillen und damit ohne Betrugsvorsatz gehandelt. An die Existenz eines derartigen Handels mit Bankgarantien habe er selbst geglaubt. Er sei von dieser Anlagemöglichkeit begeistert gewesen. Gerade der Umstand, daß Banken einen solchen Markt in Abrede stellten, habe ihn wegen der „Faszination des Geheimen gefangengenommen“; er glaube sogar noch heute an die Existenz dieses geheimen Marktes. Bezüglich der „Blocked Funds“ seien seine Angaben über die Rendite für die Entscheidung der Anleger nicht kausal gewesen.
Soweit es die Steuerhinterziehung betrifft, geht das Landgericht davon aus, der Angeklagte habe bezüglich des Unterlassens der Angabe der 1995 „erzielten Renditen“ aus seiner eigenen Anlage – da er keine Einkommensteuererklärung abgab, wurde seine Steuer am 18. März 1997 im Wege der Schätzung festgesetzt – ohne Vorsatz gehandelt. Ihm sei seine Einlassung nicht zu widerlegen gewesen. Er habe sich dahin eingelassen, einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 27. Juni 1996 gelesen zu haben, in dem von einem Beschluß des Bundesfinanzhofs berichtet wurde, wonach scheinbare Gewinne von betrogenen Anlegern nicht versteuert werden müßten. Deshalb sei er davon ausgegangen, daß er seine „vereinnahmten Renditen“ nicht versteuern müsse. Auch ein leichtfertiges Handeln könne ihm nicht zur Last gelegt werden.

II.

Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen den Freispruch vom Betrugsvorwurf richtet. Sie hat jedoch bezüglich des Schuldumfangs der Steuerhinterziehung Erfolg; insoweit waren die wegen Einkommensteuerhinterziehung im Jahre 1995 verhängte Einzelstrafe und als Folge davon die Gesamtstrafe aufzuheben.
1. Daß das Landgericht keinen Betrugsvorsatz, auch keinen wenigstens bedingten Vorsatz, feststellen konnte, begründet keinen durchgreifenden Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten. Der Revision ist allerdings zuzugeben , daß es kaum nachvollziehbar erscheint, daß der Angeklagte das betrügerische Anlagesystem nicht erkannt oder wenigstens für möglich gehalten haben soll. Immerhin war er von Kollegen gewarnt worden. Die Vertragsgestaltung war – wie er aus seinem eigenen „Treuhandauftrag“ an U erkennen konnte – äußerst dubios und enthielt zahlreiche Unklarheiten. Die versprochene Rendite von 6 % – pro Monat – hätte insbesondere bei einem Juristen mit der beruflichen Erfahrung des Angeklagten – mindestens – den Verdacht erwecken müssen, daß hinter dem System nur ein Betrug stecken kann. Auch erscheint es nicht fernliegend, daß er, um an seine Vermittlungsprovision zu kommen, eine Schädigung der Anleger billigend in Kauf genommen hat.
Diese für einen Betrugsvorsatz sprechenden signifikanten Indizien hat das Landgericht indes gesehen und gewürdigt. Es hat bedacht, daß ein objektiver Betrachter das Anlagesystem als abstrus erkennen mußte. Es hat die Diskrepanz zwischen dem intellektuellen Vermögen des Angeklagten und seinem gleichwohl irrationalen Verhalten in Anlagefragen – wie seine eigene Geldanlage zeigt – gesehen. Hinzu kommt, daß es sich bei den – grob leichtfertig handelnden – Anlegern um Bekannte und Kollegen des Angeklagten handelt, was gegen einen, auch bedingten, Schädigungsvorsatz sprechen kann.
Auch ein strafbares Handeln ohne Erlaubnis nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG liegt nicht vor. Bei den Geldanlagen handelte es sich nicht um Bankgeschäfte, die einer Erlaubnis nach § 32 KWG bedürfen (vgl. BGH, Beschluß vom 24. August 1999 – 1 StR 385/99 –). Das unerlaubte Erbringen von Finanzdienstleistungen nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG ist erst ab dem 1. Januar 1998 strafbar.
2. Hingegen hat das Landgericht zu Unrecht einen Irrtum des Angeklagten – offenbar ist ein Tatbestandsirrtum gemeint – hinsichtlich der Steuerpflichtigkeit der Renditen angenommen.
Das Landgericht hat bei der Annahme eines vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtums zu hohe Anforderungen an den Vorsatznachweis gestellt. Allein aufgrund der vom Angeklagten behaupteten Lektüre eines für die konkrete steuerrechtliche Frage wenig aussagekräftigen Zeitungsartikels durfte das Landgericht nicht von der Unwiderlegbarkeit der Angaben des Angeklagten ausgehen. Zudem ist nur festgestellt, daß der Angeklagte nach der Lektüre dieses Artikels „davon ausgehen konnte“, daß er die Renditen nicht zu versteuern habe, nicht aber, ob er tatsächlich davon ausgegangen ist. Das Landgericht hat sich darüber hinaus auch nicht damit auseinandergesetzt , daß der Angeklagte die aus der eigenen Kapitalanlage erzielten Renditen nicht nur für das Jahr 1995, sondern bereits für das Jahr 1994 nicht erklärt hatte. Für 1994 konnte das Verhalten des Angeklagten nicht durch den Zeitungsartikel vom 27. Juni 1996 beeinflußt worden sein, da der für die Vollendung und Beendigung der Tat maßgebliche Abschluß der Veranlagungsarbeiten der Finanzbehörden (vgl. BGHSt 30, 122, 123) bereits Ende Mai 1996 erfolgt war. Damit liegt nahe, daß die Nichterklärung der genannten Einkünfte nicht auf der Kenntnis des Zeitungsartikels beruhte. Im übrigen stellte der Zeitungsartikel, auf dessen Lektüre sich der Angeklagte beruft, ohnehin keine hinreichende Vertrauensgrundlage dar. In dem Zeitungsartikel wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Finanzämter von einer Steuerpflicht derartiger Renditen ausgehen. In einem solchen Fall trifft den
Steuerpflichtigen gemäß § 90 Abs. 1 Satz 2 AO eine Offenbarungspflicht für den zugrunde liegenden Sachverhalt, auch wenn er hinsichtlich der Steuerpflicht eine andere Rechtsauffassung als die Finanzbehörden vertritt (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1999 – 5 StR 221/99 –). Schließlich hat das Landgericht auch nicht näher begründet, weshalb nicht wenigstens eine leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO (iVm § 21 OWiG) vorliegt.
Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung der im Fall II. 2. e festgesetzten Einzelstrafe (Einkommensteuerhinterziehung 1995), da deren Schuldumfang nicht zutreffend bemessen wurde, und zur Aufhebung der Gesamtstrafe.
Harms Häger Nack Tepperwien Gerhardt
39
Sollte sich auch die neue Strafkammer nicht von einem Tatvorsatz der Angeklagten überzeugen können, wird sie Gelegenheit haben, gemäß § 82 Abs. 1 OWiG die in der Anklage bezeichnete Tat zugleich unter dem Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit zu beurteilen. Bestehen - wie hier - Anhaltspunkte dafür, dass sich die Angeklagten zumindest leichtfertig verhalten haben, kommt ein Freispruch vom Vorwurf der Steuerhinterziehung wegen nicht erwiesenen Tatvorsatzes nur in Betracht, wenn zugleich geprüft wird, ob sich die Angeklagten einer Ordnungswidrigkeit der leichtfertigen Steuerhinterziehung im Sinne von § 378 AO schuldig gemacht haben.

(1) Ordnungswidrig handelt, wer als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 bezeichneten Taten leichtfertig begeht. § 370 Abs. 4 bis 7 gilt entsprechend.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(3) Eine Geldbuße wird nicht festgesetzt, soweit der Täter gegenüber der Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, bevor ihm oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so wird eine Geldbuße nicht festgesetzt, wenn der Täter die aus der Tat zu seinen Gunsten verkürzten Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. § 371 Absatz 4 gilt entsprechend.

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Sollte sich auch die neue Strafkammer nicht von einem Tatvorsatz der Angeklagten überzeugen können, wird sie Gelegenheit haben, gemäß § 82 Abs. 1 OWiG die in der Anklage bezeichnete Tat zugleich unter dem Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit zu beurteilen. Bestehen - wie hier - Anhaltspunkte dafür, dass sich die Angeklagten zumindest leichtfertig verhalten haben, kommt ein Freispruch vom Vorwurf der Steuerhinterziehung wegen nicht erwiesenen Tatvorsatzes nur in Betracht, wenn zugleich geprüft wird, ob sich die Angeklagten einer Ordnungswidrigkeit der leichtfertigen Steuerhinterziehung im Sinne von § 378 AO schuldig gemacht haben.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

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Sollte sich auch die neue Strafkammer nicht von einem Tatvorsatz der Angeklagten überzeugen können, wird sie Gelegenheit haben, gemäß § 82 Abs. 1 OWiG die in der Anklage bezeichnete Tat zugleich unter dem Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit zu beurteilen. Bestehen - wie hier - Anhaltspunkte dafür, dass sich die Angeklagten zumindest leichtfertig verhalten haben, kommt ein Freispruch vom Vorwurf der Steuerhinterziehung wegen nicht erwiesenen Tatvorsatzes nur in Betracht, wenn zugleich geprüft wird, ob sich die Angeklagten einer Ordnungswidrigkeit der leichtfertigen Steuerhinterziehung im Sinne von § 378 AO schuldig gemacht haben.

(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt.

(2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den Tatbestand eines milderen Gesetzes verwirklichen würden, kann wegen vorsätzlicher Begehung nur nach dem milderen Gesetz bestraft werden.

(1) Als Ort der Lieferung eines innergemeinschaftlichen Fernverkaufs gilt der Ort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Beförderung oder Versendung an den Erwerber befindet. Ein innergemeinschaftlicher Fernverkauf ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates oder aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in die in § 1 Absatz 3 bezeichneten Gebiete an den Erwerber befördert oder versandt wird, einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist. Erwerber im Sinne des Satzes 2 ist ein in § 3a Absatz 5 Satz 1 bezeichneter Empfänger oder eine in § 1a Absatz 3 Nummer 1 genannte Person, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreitet noch auf ihre Anwendung verzichtet; im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend.

(2) Als Ort der Lieferung eines Fernverkaufs eines Gegenstands, der aus dem Drittlandsgebiet in einen anderen Mitgliedstaat als den, in dem die Beförderung oder Versendung des Gegenstands an den Erwerber endet, eingeführt wird, gilt der Ort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Beförderung oder Versendung an den Erwerber befindet. § 3 Absatz 3a Satz 4 und 5 gilt entsprechend.

(3) Der Ort der Lieferung beim Fernverkauf eines Gegenstands, der aus dem Drittlandsgebiet in den Mitgliedstaat, in dem die Beförderung oder Versendung der Gegenstände an den Erwerber endet, eingeführt wird, gilt als in diesem Mitgliedstaat gelegen, sofern die Steuer auf diesen Gegenstand gemäß dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18k zu erklären ist. § 3 Absatz 3a Satz 4 und 5 gilt entsprechend. Bei einem Fernverkauf nach § 3 Absatz 3a Satz 2 gilt Satz 1 für die Lieferung, der die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes gemäß § 3 Absatz 6b zugeschrieben wird, entsprechend, auch wenn die Steuer auf diesen Gegenstand nicht gemäß dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18k zu erklären ist und ein Unternehmer oder dessen Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer für die Einfuhr des Gegenstands ist.

(4) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn der leistende Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte oder in Ermangelung eines Sitzes, einer Geschäftsleitung oder einer Betriebsstätte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in nur einem Mitgliedstaat hat und der Gesamtbetrag der Entgelte der in § 3a Absatz 5 Satz 2 bezeichneten sonstigen Leistungen an in § 3a Absatz 5 Satz 1 bezeichnete Empfänger mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt oder Sitz in anderen Mitgliedstaaten sowie der innergemeinschaftlichen Fernverkäufe nach Absatz 1 Satz 2 und 3 insgesamt 10 000 Euro im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überschritten hat und im laufenden Kalenderjahr nicht überschreitet. Der leistende Unternehmer kann dem Finanzamt erklären, dass er auf die Anwendung des Satzes 1 verzichtet. Die Erklärung bindet den Unternehmer mindestens für zwei Kalenderjahre.

(5) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für

1.
die Lieferung neuer Fahrzeuge,
2.
die Lieferung eines Gegenstands, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert wird, und für
3.
die Lieferung eines Gegenstands, auf die die Differenzbesteuerung nach § 25a Absatz 1 oder 2 angewendet wird.
Bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren gelten die Absätze 1 bis 3 nicht für Lieferungen an eine in § 1a Absatz 3 Nummer 1 genannte Person.

Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Steuerstraftaten (Zollstraftaten) sind:

1.
Taten, die nach den Steuergesetzen strafbar sind,
2.
der Bannbruch,
3.
die Wertzeichenfälschung und deren Vorbereitung, soweit die Tat Steuerzeichen betrifft,
4.
die Begünstigung einer Person, die eine Tat nach den Nummern 1 bis 3 begangen hat.

(2) Für Steuerstraftaten gelten die allgemeinen Gesetze über das Strafrecht, soweit die Strafvorschriften der Steuergesetze nichts anderes bestimmen.

(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer als Arbeitgeber

1.
der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder
2.
die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt
und dadurch dieser Stelle vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält.

(3) Wer als Arbeitgeber sonst Teile des Arbeitsentgelts, die er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, dem Arbeitnehmer einbehält, sie jedoch an den anderen nicht zahlt und es unterlässt, den Arbeitnehmer spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach über das Unterlassen der Zahlung an den anderen zu unterrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt nicht für Teile des Arbeitsentgelts, die als Lohnsteuer einbehalten werden.

(4) In besonders schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Beiträge vorenthält,
2.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Beiträge vorenthält,
3.
fortgesetzt Beiträge vorenthält und sich zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege von einem Dritten verschafft, der diese gewerbsmäßig anbietet,
4.
als Mitglied einer Bande handelt, die sich zum fortgesetzten Vorenthalten von Beiträgen zusammengeschlossen hat und die zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege vorhält, oder
5.
die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht.

(5) Dem Arbeitgeber stehen der Auftraggeber eines Heimarbeiters, Hausgewerbetreibenden oder einer Person, die im Sinne des Heimarbeitsgesetzes diesen gleichgestellt ist, sowie der Zwischenmeister gleich.

(6) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich

1.
die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und
2.
darlegt, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich darum ernsthaft bemüht hat.
Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor und werden die Beiträge dann nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist entrichtet, wird der Täter insoweit nicht bestraft. In den Fällen des Absatzes 3 gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 478/09
vom
7. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Oktober 2009 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 20. Mai 2009 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hatten die 90 polnischen Staatsangehörigen, die - neben anderen durch den Angeklagten als geringfügig beschäftigt gemeldeten Arbeitnehmern - einen Teil der Prospektverteilungsaufträge des Unternehmens des Angeklagten erledigten, zwar jeweils ein Gewerbe als Prospektverteiler angemeldet. Sie waren jedoch vollständig in den Betrieb des Unternehmens des Angeklagten eingegliedert und dessen Weisungen unterworfen. So wurden sie nahezu täglich und in Vollzeit eingesetzt und arbeiteten während der Zeit ihrer Beschäftigung beim Angeklagten fast ausschließlich für dessen Unternehmen. Eine Tätigkeit für andere Auftraggeber war den Prospektverteilern bereits wegen dieses zeitlichen Engagements nicht möglich, darüber hinaus verfügten sie nicht über Geschäftslokale und vielfach auch nicht über die Sprachkenntnisse, die für eine selbständige Tätigkeit in Deutschland erforderlich gewesen wären. Der Angeklagte stellte auch die Zeitungsrollwägen, die für die Verteilung der Prospekte erforderlich waren. Über weitere eigene Betriebsmittel verfügten die Verteiler demgegenüber nicht. Der tägliche Beginn der Beschäftigung der Prospektverteiler wurde ebenso wie das tägliche Ende seitens des Angeklagten oder seiner weiteren Mitarbeiter festgelegt. Hierfür wurden die Prospektverteiler mit Kleinbussen des Angeklagten, die von Mitarbeitern des Angeklagten gefahren wurden, zu Beginn der Arbeit in die vom Angeklagten vorgegebenen Verteilgebiete gebracht und nach dem vorgegebenen Arbeitsende wieder abgeholt. Für die erbrachte Arbeit wurden sie auf Stundenlohnbasis entlohnt. Den Verteilern blieb keinerlei Spielraum zur selbständigen Gestaltung ihrer Tätigkeit.
Diese Feststellungen tragen die rechtliche Wertung des Landgerichts, dass der Angeklagte Arbeitgeber der Prospektverteiler war. Für die Beurteilung, ob ein sozialversicherungs- und lohnsteuerpflichtiges Arbeitsverhältnis vorliegt, sind allein die tatsächlichen Gegebenheiten maßgeblich. Liegt danach ein Arbeitsverhältnis vor, können die Vertragsparteien die sich hieraus ergebenden Beitragspflichten nicht durch eine abweichende vertragliche Gestaltung beseitigen (vgl. BGH NJW 2009, 528, 530; BGH NStZ 2001, 599, 600). Sämtliche vom Angeklagten in der beschriebenen Weise eingesetzten "Selbständigen" waren umfassend weisungsgebunden und in den Betriebsablauf des Angeklagten eingegliedert (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Sie wurden nach festen Stundensätzen entlohnt und trugen kein eigenes unternehmerisches Risiko. Sie waren daher Arbeitnehmer in einem sozialversicherungs- und lohnsteuerpflichtigen Arbeitsverhältnis.
Der Angeklagte wusste auch um sämtliche Umstände, die seine Stellung als Arbeitgeber begründeten. Bei der gegebenen Sachlage hat er daher auch den für die Unrechtsbegründung wesentlichen Bedeutungsgehalt des Tatbestandsmerkmals "Arbeitgeber" i.S.v. § 266a StGB und § 41a EStG und - daraus fol- gend - die damit einhergehenden, ihn treffenden Pflichten erfasst. Die Einlassung des Angeklagten, er sei gleichwohl davon ausgegangen, keine Arbeitgeberstellung gegenüber den Prospektverteilern einzunehmen, ist nicht geeignet, ein anderes Ergebnis zu begründen. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, dass bei der gegebenen Sachlage keine zureichenden Anhaltspunkte dafür gegeben sind, eine solche Einlassung als nicht widerlegbar zu erachten, so dass weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten ist, zu Gunsten des Angeklagten die Richtigkeit dieser Einlassung zu unterstellen (vgl. zuletzt Senat NStZ-RR 2009, 90, 91 m.w.N.). Denn ein solcher Irrtum würde vorliegend lediglich einen den Vorsatz des Angeklagten nicht berührenden Subsumtionsirrtum darstellen, der allenfalls geeignet wäre, einen - in der Regel durch Einleitung eines Statusverfahrens nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV vermeidbaren - Verbotsirrtum zu begründen (ebenso Gribbohm in LK 11. Aufl. § 266a Rdn. 82; Schulz NJW 2006, 183, 186; vgl. auch BGHZ 133, 370, 381; Hoyer in SK-StGB 117. Lfg. Juli 2009 § 266a Rdn. 54; Tag in NK-StGB § 266a Rdn. 81; Bittmann Insolvenzstrafrecht § 21 Rdn. 104 m.w.N. auch zur Gegenansicht; a.A. LG Ravensburg StV 2007, 413, 414; Ignor/Rixen Handbuch Arbeitsstrafrecht § 2 Rdn. 89). Dass der Angeklagte vorliegend einem Verbotsirrtum i.S.v. § 17 StGB unterlag, hat die Strafkammer aber ohne Rechtsfehler ausgeschlossen.
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 107/09
vom
18. August 2009
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Verdachts des schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. August
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München II vom 12. September 2008 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es den Angeklagten betrifft. In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Am 16. November 2007 wurde der damals 70 Jahre alte K. in seiner Wohnung in Holzkirchen von zwei Tätern überfallen und gefesselt. Die Täter entwendeten Uhren und Schmuck im Wert von über 10.000,-- €. K. wurde erst nach Stunden befreit. Anklage und Eröffnungsbeschluss gingen davon aus, dass der Angeklagte einer der Täter war, bei dem anderen Täter soll es sich um den gegenwärtig in Jordanien aufhältlichen gesondert verfolgten S. handeln. Die Strafkammer konnte sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung nicht von der Täterschaft des Angeklagten überzeugen und hat ihn freigesprochen.
2
Hiergegen wendet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das auch vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg, da die Beweiswürdigung der Strafkammer rechtlicher Überprüfung nicht standhält.
3
1. Dem Tatverdacht gegen den Angeklagten liegen, ohne dass an dieser Stelle die Urteilsgründe vollständig nachzuzeichnen wären, nicht zuletzt folgende Beweisanzeichen zu Grunde:
4
a) Der Angeklagte wird von den beiden Mitangeklagten A. und B. (hinsichtlich derer die Staatsanwaltschaft keine Revision eingelegt hat) als Täter bezeichnet. Die Mitangeklagten waren an der Planung und Vorbereitung der Tat als Einbruch beteiligt. Die Gewalttätigkeiten waren nach der Beweiswürdigung der Strafkammer ein den Mitangeklagten nicht zurechenbarer Exzess. Sie wurden nach der Tat, wie sie angeben, vom Angeklagten und S. , über den Tatablauf im Detail informiert; die Beute wurde noch am gleichen Tag von A. verkauft.
5
b) Auf der Außenseite eines Teilstücks des Klebebandes, mit dem der Geschädigte gefesselt worden war, wurde eine Mischspur mit DNA-Merkmalen des Angeklagten gefunden.
6
c) In der Wohnung des Angeklagten wurden drei Schmuckschatullen gefunden , die aus der Tat stammen.
7
d) Zwischen dem Angeklagten und A. fanden am Tattag innerhalb von etwa zwei Stunden vier Telefongespräche statt.
8
e) Eine unbeteiligte, zufällige Zeugin (Frau Br. ) hat am Tattag in der Nähe des Tatorts zwei Männer beobachtet. In der Hauptverhandlung war sie „zu 80%“ sicher, dass es sich bei einem dieser Männer aus näher dargelegten Gründen (z. B. wegen der Nase, der hohen Stirn, der Statur) um den Angeklagten handelt.
9
2. Die Strafkammer hat diesen Erkenntnissen letztlich kein entscheidendes Gewicht beigemessen. Ohne dass auch insoweit die Urteilsgründe hier vollumfänglich nachzuzeichnen wären, hält sie die genannten Anhaltspunkte im Kern aus folgenden Gründen nicht für hinreichend tragfähig:
10
a) Es sprächen „starke“ Anhaltspunkte für eine Täterschaft von S. . Die entsprechenden Angaben der Mitangeklagten würden durch näher dargelegte objektive Beweismittel gestützt. Daraus folge jedoch nicht „zwangsläufig“, dass auch die Angaben der Mitangeklagten zur Tatbeteiligung des Angeklagten richtig seien.
11
b) Hinsichtlich der DNA-Spuren hat der Angeklagte angegeben, zwar am Tattag mit seinem Pkw und A. nach Holzkirchen gefahren zu sein, jedoch um ein Regal zu transportieren. Dort sei man zunächst zusammen in ein Cafe gegangen, dann habe ihn A. mit anderen, Unbekannten verlassen. Später sei er wieder gekommen und habe gesagt, mit dem Regal klappe es nicht. Dann sei man gemeinsam nach München zurückgefahren. Das Klebeband habe A. auf der Fahrt nach Holzkirchen auf der Mittelkonsole des Pkws abgelegt. Die Bedienung der Gangschaltung sei dadurch ausgeschlossen gewesen, weshalb er, H. , das Klebeband weggelegt habe. Dadurch müsse die DNA-Spur entstanden sein. Dieses Vorbringen, so die Strafkammer, sei nicht zu widerlegen.
12
c) Die Schmuckkassetten habe ihm A. im Rahmen eines Geschäfts über einen (aus der Tat stammenden) Ring überlassen, welches ihm A. angeboten habe, um den Ärger des Angeklagten über den nicht stattgefunden Transport des Regals zu besänftigen. Für diese Version, so die Strafkammer, spreche, dass ein Freund des Angeklagten sie bestätigt habe. Dieser Freund sei unmittelbar, nachdem der Angeklagte die entsprechende Aussage gemacht habe, in die Hauptverhandlung gerufen worden. Eine Absprache sei daher ausgeschlossen. Dass die Mutter des Angeklagten im Rahmen einer Hausdurchsuchung, bei der die Schatullen gefunden wurden , den Angeklagten mit der Lüge zu entlasten versucht hatte, die Schatullen gehörten ihr, ändere nichts.
13
d) Hinsichtlich der Telefongespräche am Tattag gibt der Angeklagte an, es sei dabei immer nur um Benzingeld für die Fahrt wegen des (letztlich gescheiterten ) Regaltransports gegangen. Dies bewertet die Strafkammer als nicht „vollkommen wirklichkeitsfremd“.
14
e) Die Strafkammer geht davon aus, dass es sich bei den von Frau Br. gesehenen Männern um die Täter handelt. Gegen ihre Annahme, bei einem dieser Männer habe es sich mit erheblicher - wenn auch nicht letzter - Sicherheit um den Angeklagten gehandelt, spreche, dass sie bei der Polizei gesagt habe, die Männer seien 30 bis 40 Jahre alt gewesen, eher 40 Jahre, während sie den Angeklagten in der Hauptverhandlung für 30 Jahre alt geschätzt habe. Ebenso spreche gegen die Zuverlässigkeit der Wiedererkennung, dass sie angegeben habe, der in Rede stehende Mann habe ausgewaschene blaue Jeans getragen; dies sei unvereinbar mit der Angabe A. s , wonach der Angeklagte bei der Tat dunkelblaue Jeans getragen habe.
15
3. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten überwunden hätte. Das Revisionsgericht prüft nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft , widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt, oder wenn, im Falle eines Freispruchs, an das Maß der zur Verurteilung erforderlichen Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr., vgl. zuletzt zusammenfassend BGH, Urt. vom 18. März 2009 - 1 StR 549/08 m.w.N.).
16
a) Die genannten Erwägungen der Strafkammer werden schon jeweils für sich genommen diesen Maßstäben nicht in vollem Umfang gerecht:
17
(1) Die Strafkammer hält die Angaben der Mitangeklagten hinsichtlich S. für glaubhaft, hinsichtlich des Angeklagten letztlich nicht. Der Tatrichter ist allerdings nicht gehindert, einer Auskunftsperson teilweise zu glauben und teilweise nicht. Dies verlangt jedoch eine nachvollziehbare Begründung, die sich mit allen wesentlichen Gesichtspunkten auseinandersetzt (st. Rspr., vgl. d. Nachw. bei Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 261 Rdn. 83, Fußn. 358, 359). Daran fehlt es hier. Es wäre erkennbar in die Erwägungen einzubeziehen gewesen, dass die Angaben A. s insoweit vom Angeklagten bestätigt werden, als auch er angibt, am Tattag mit diesem nach Holzkirchen gefahren zu sein. A. wusste nach den Feststellungen, dass an diesem Tag dort die von ihm (mit) geplante und vorbereitete Tat durchgeführt werden sollte. Es wäre zu erörtern gewesen, ob und warum davon auszugehen ist, dass er in Holzkirchen zugleich ein Regal holen wollte und zu diesem Zweck sich der Hilfe eines nicht an der Tat Beteiligten bediente. Ebenso wäre zu erörtern gewesen, ob es ein nachvollziehbares Motiv für A. und den anderen Mitangeklagten gibt, hinsichtlich der nämlichen, von zwei Personen begangenen Tat bezüglich eines Mittäters (S. ) die Wahrheit zu sagen und eine andere Person als Mittäter frei zu erfinden und zudem den ihnen bekannten Angeklagten zu Unrecht zu belasten. Ohne die Erörterung dieser Gesichtspunkte beruht die - nicht notwendig ausgeschlossene - Erwägung der Strafkammer zur nur teilweisen Glaubhaftigkeit der Angaben über die beiden Täter auf lückenhafter Grundlage.
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(2) Diese Lücken gelten in gleicher Weise für die Angaben hinsichtlich des Klebebandes und den Zweck der Fahrt, bei der nach Angaben des Angeklagten die in Rede stehende Spur entstanden ist. Hinzu kommt, dass es sich jedenfalls ohne genaue Beschreibung des Klebebandes keinesfalls von selbst versteht, dass das Klebeband auf der Mittelkonsole die Bedienung der Gangschaltung ausgeschlossen (der Angeklagte habe nach seiner - nach Auffassung der Strafkammer nicht zu widerlegenden - Aussage wegen des Klebebandes „nicht schalten gekonnt“) oder jedenfalls nachhaltig erschwert hätte. Im Übrigen führt der Generalbundesanwalt (unter zutreffendem Hinweis auf die ständige Rechtsprechung, z.B. BGHSt 34, 29, 34; BGH NStZ-RR 2003, 371) zutreffend aus, dass Einlassungen des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine objektiven Anhaltspunkte gibt, nicht ohne weiteres als „unwiderlegbar“ hinzunehmen und den Feststellungen zuGrunde zu legen sind. Der Tatrichter hat vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses darüber zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeu- gungsbildung zu beeinflussen. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen , für deren Vorliegen es außer der nicht widerlegbaren, aber auch durch nichts gestützten Angaben des Angeklagten keine Anhaltspunkte bestehen.
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(3) Auch hinsichtlich der Schmuckschatullen ist die Beweiswürdigung lückenhaft. Die Würdigung der Strafkammer stützt sich im Kern darauf, dass eine Absprache mit dem Zeugen nicht möglich gewesen wäre. Dies wäre nur dann ohne weitere Begründung tragfähig, wenn der Angeklagte in der Hauptverhandlung , in der er die von seinem Freund dann bestätigten Angaben gemacht hat, erstmals erkannt hätte, dass die Frage nach den Schatullen Bedeutung haben kann. Dies wäre zu erörtern gewesen. Die Schatullen waren bei der Hausdurchsuchung gefunden worden, die Brisanz dieses Fundes war, ohne dass auch dies nachvollziehbar gewürdigt wäre, von der Mutter des Angeklagten offenbar sofort erkannt worden. Unter diesen Umständen versteht es sich nicht von selbst, dass dem Angeklagten der Fund der Schatullen unbekannt war oder dass er ihn für irrelevant gehalten hätte. Dann aber ist bei der Frage, ob die Möglichkeit einer Absprache mit seinem Freund bestand, nicht allein auf den Zeitraum zwischen der Angabe des Angeklagten in der Hauptverhandlung zu den Schatullen und der Vernehmung des Freundes hierzu in der Hauptverhandlung abzustellen.
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(4) Hinsichtlich der Telefongespräche fehlt es an der Erörterung der nahe liegenden Frage, warum über das doch eher einfach strukturierte Thema des Benzingeldes - nach Angaben des Angeklagten soll es um 20,-- € gegangen sein - kurz hintereinander gleich vier Gespräche erforderlich waren und warum dies nicht auf der gemeinsamen Rückfahrt besprochen worden ist.
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(5) Die Beweiswürdigung hinsichtlich der Zeugin Br. ist unklar. Die Zeugin beschreibt einen Mann, der am Tatort und nach Bewertung der Strafkammer ein Täter war. Die Aussage von A. , dass der Angeklagte am Tatort war, hält die Strafkammer im Ergebnis für falsch. Unter diesen Umständen wird nicht deutlich, warum gerade die Aussage A. s zum Farbton der Hose, die der Angeklagte „bei Begehung der Tat“ getragen habe, geeignet ist, die Würdigung der Aussage von Frau Br. zu beeinflussen.
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b) Sind aber schon eine Reihe von Erwägungen der Strafkammer zu einzelnen Beweisanzeichen für sich genommen nicht tragfähig begründet, kann auch das auf einer - hier ohnehin etwas pauschalen - Gesamtwürdigung aller Erkenntnisse beruhende Ergebnis keinen Bestand haben. In diesem Zusammenhang weist der Senat auf Folgendes hin: Wie auch die Strafkammer nicht verkennt, deuten „gewichtige Gesichtspunkte“ auf den Angeklagten als Täter. Allein daraus, dass ein bestimmtes Ergebnis deshalb nicht fern oder sogar nahe liegt, folgt jedoch nicht, dass der Tatrichter im Einzelfall nicht auch rechtsfehlerfrei zu einem anderen Ergebnis kommen kann (BGH NStZ-RR 2009, 248, 249; NStZ 2009, 264). Verwirft er jedoch die nahe liegenden Deutungsmöglichkeiten und führt zur Begründung seiner Zweifel an der Täterschaft eines Angeklagten nur Schlussfolgerungen an, für die es nach der Beweisaufnahme entweder keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt, oder die (zwar nicht als denknotwendig ausgeschlossen, aber doch) als eher fern liegend zu betrachten sind, so muss im Rahmen der Gesamtwürdigung erkennbar werden, dass sich der Tatrichter dieser besonderen Konstellation bewusst ist. Andernfalls besteht nämlich die Besorgnis, dass er überspannte Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt hat (BGH NStZ–RR 2009, 248, 249).
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Die Sache bedarf nach alledem neuer Verhandlung und Entscheidung, ohne dass es noch auf Weiteres ankäme.
Nack Wahl Elf Graf Jäger