Bundesgerichtshof Urteil, 28. Feb. 2018 - 2 StR 45/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:280218U2STR45.17.0
bei uns veröffentlicht am28.02.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 45/17
vom
28. Februar 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch einer
widerstandsunfähigen Person
zu 2.: schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person
ECLI:DE:BGH:2018:280218U2STR45.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Februar 2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, Zeng, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten A. ,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten I. ,
Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 12. Juli 2016 aufgehoben
a) hinsichtlich der Schuld- und Strafaussprüche; die Feststellungen bleiben jedoch aufrecht erhalten;
b) hinsichtlich der Adhäsionsentscheidung insoweit, als aa) eine Feststellung der Verpflichtung der Angeklagten zum Ersatz aller entstandenen und noch entstehenden materiellen Schäden der Neben- und Adhäsionsklägerin ausgesprochen worden ist und bb) der Angeklagte I. verurteilt ist, an die Adhäsionsklägerin ein weiteres Schmerzensgeld von 3.800 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. Juni 2016 zu zahlen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten I. wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt; den Angeklagten A. hat es wegen Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
2
Daneben hat es die Angeklagten gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Adhäsionsklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.200 Euro nebst Zinsen zu zahlen sowie eine Feststellungsentscheidung zum Ersatz sämtlicher entstandener bzw. noch entstehender materieller Schäden getroffen. Den Angeklagten I. hat die Strafkammer darüber hinaus verurteilt, an die Adhäsions- klägerin ein „weiteres Schmerzensgeld“ in Höhe von 3.800 € nebst Zinsen zu zahlen.
3
Gegen dieses Urteil richten sich die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten; der Angeklagte I. beanstandet zudem das Verfahren. Die Rechtsmittel haben den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.
4
1. Aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts hat die Verfahrensrüge des Angeklagten I. keinen Erfolg.
5
2. Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts fuhren die beiden miteinander befreundeten Angeklagten mit der Nebenklägerin am 15. März 2014 gegen 01.30 Uhr in eine Diskothek. Der Angeklagte A. war der Nebenklägerin bis dahin nur über ein Chat-Portal bekannt; den Mitangeklagten I. kannte sie nicht. Innerhalb von 45 Minuten nahm die trinkungewohnte Nebenklägerin erhebliche Mengen Alkohol zu sich; auch die Angeklagten tranken Alkohol.
7
Die Nebenklägerin, die alkoholbedingt nicht mehr in der Lage war, alleine zu stehen, musste von den Angeklagten mehrfach gestützt werden. Gemeinsam verließen sie die Räumlichkeiten des Tanzlokals, wobei die Angeklagten gegenüber dem Geschäftsführer der Diskothek, der auf die Situation aufmerksam gemacht worden war, zum Ausdruck brachten, die Nebenklägerin nach Hause zu fahren.
8
Die Angeklagten fuhren mit der Nebenklägerin zu einem etwa 300 Meter entfernten Schotterparkplatz. Dort begann der Angeklagte A. , sexuelle Handlungen an der Geschädigten vorzunehmen. Sehr wahrscheinlich war sie zu diesem Zeitpunkt aufgrund ihrer Alkoholintoxikation und der körperlichen Erschöpfung unfähig, den sexuellen Handlungen Widerstand entgegen zu setzen oder ihren entgegenstehenden Willen zu äußern; letztlich hat sich nicht ausschließen lassen, „dass der Angeklagte A. in der konkreten Situation die Widerstandsunfähigkeit noch nicht erkannte und zu diesem Zeitpunkt noch annahm, die Geschädigte wolle sexuelle Kontakte mit ihm“.
9
Gegen 04.00 Uhr befand sich die Geschädigte „aufgrund der nunmehr voll eingetretenen Wirkung der alkoholischen Getränke, der körperlichen Erschöpfung und der nun fortschreitenden Unterkühlung sicher in einem die Willensbildung und -äußerung ausschließenden Zustand“. In dieser Situation, in der die Nebenklägerin bei einer Außentemperatur von circa 8,5 Grad Celsius „weitgehend entkleidet, regungslos und erkennbar widerstandsunfähig auf der Rückbank des Pkw lag“, begann auch der Angeklagte I. , sexuelle Handlungen an ihr vorzunehmen, obwohl er ihren Zustand erkannt hatte. Ebenso hatte der Angeklagte A. diese Situation nun sicher erkannt; er wusste, dass er „für das Schicksal der Zeugin verantwortlich war […] und die Geschädigte kei- nen Sex mit I. haben wollte. Es war ihm aber recht, dass sein Freund nun an der Frau sexuelle Handlungen vornahm. Sein Freund I. sollte auch seinen Spaß haben“.
10
Der Angeklagte I. penetrierte die Geschädigte vaginal, die dabei Schmerzen verspürte, da sich eine blutende Fissur am Analbereich gebildet hatte. Die Nebenklägerin war aber nicht in der Lage, um Hilfe zu schreien. A. verfolgte das Geschehen durch die geöffnete hintere Tür des Pkw. Aufmerksame Passanten verständigten zwischenzeitlich die Polizei, die die Angeklagten stellte. Die Geschädigte wurde zeitnah in ein Krankenhaus verbracht und erlangte gegen 10 Uhr wieder das Bewusstsein.
11
b) Die Verurteilung des Angeklagten I. wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person nach § 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB in der bis 9. November 2016 geltenden Fassung und des Angeklagten A. wegen Beihilfe hierzu kann nicht bestehen bleiben, weil im Revisionsverfahren nicht ausgeschlossen werden kann, dass die aufgrund von Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I 2460) umgestaltete Vorschrift des § 177 StGB nF bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise gemäß § 2 Abs. 3 StGB als milderes Recht Anwendung findet.
12
aa) Aufgrund der getroffenen Feststellungen ist das Landgericht rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung gelangt, dass die Nebenklägerin widerstandsunfähig war. Mit Blick auf die festgestellte vaginale Penetration der Geschädigten hat die Strafkammer ferner zutreffend die Qualifikation des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF bejaht. Die Strafzumessung weist für sich genommen ebenfalls keinen die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Das Landgericht ist bei beiden Angeklagten von einem minder schweren Fall des schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF (Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren) ausgegangen; hinsichtlich des Angeklagten A. hat das Landgericht diesen Strafrahmen weiter „aufgrund der vertypten Milderungsgründe der Beihilfe (§ 27 StGB) und des Unterlassens (§ 13 StGB) doppelt gemäß § 49 StGB“ gemildert.
13
bb) Der – von der Strafkammer für sich genommen rechtsfehlerfrei angewandte – zur Tatzeit und noch im Zeitpunkt der Urteilsverkündung geltende § 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB aF ist indes mit Wirkung ab dem 10. November 2016 aufgehoben und der (frühere) sexuelle Missbrauch infolge Alkohols widerstandsunfähiger Personen nunmehr in § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB nF geregelt (vgl. MüKo-StGB/Renzikowski, 3. Aufl., § 177 nF Rn. 62 f.). Die neu gefasste Vorschrift des § 177 StGB nF enthält insbesondere in den Absätzen 1, 2 Nrn. 1 und 2 und Absatz 4 Nachfolgeregelungen zu § 179 StGB aF, die hinsichtlich des geschützten Rechtsguts und der inkriminierten Angriffsrichtung unverändert geblieben sind und damit einen identischen Unrechtskern aufweisen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. März 2017 - 1 StR 52/17, NStZ 2017, 407, und vom 9. Mai 2017 - 4 StR 366/16, NStZ-RR 2017, 240, 241; Urteil vom 12. Juli 2017 - 5 StR 134/17, BeckRS 2017, 121833; Senat, Beschluss vom 8. November 2017 - 2 StR 111/17, StraFo 2018, 81, 82 mwN). Bei der Vornahme des Beischlafs oder ähnlicher sexueller Handlungen, die das Opfer besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit dem Eindringen in den Körper verbunden sind, sieht das neue Recht in § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren vor.
14
cc) Ob die nach § 354a StPO auch im Revisionsverfahren zu beachtende Änderung des materiellen Rechts bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise nach § 2 Abs. 3 StGB die Anwendung des neuen Rechts zur Folge hat, hängt von der als Strafzumessungsakt allein dem Tatrichter obliegenden Entscheidung über die Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ab und kann daher vom Senat auf der Grundlage der bisherigen Urteilsausführungen nicht abschließend beurteilt werden (vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. Mai 2017 - 4 StR 366/16, NStZ-RR 2017, 240, 241 f.; Urteil vom 12. Juli 2017 - 5 StR 134/17, BeckRS 2017, 121833).
15
Bei Annahme eines besonders schweren Falls entsprechend dem Regelbeispiel des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ist das neue Recht nicht milder und es verbliebe – auch hinsichtlich des Schuldspruchs – bei der Anwendung des § 179 StGB aF. Bei einem Absehen von der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF stellt sich das neue Recht hingegen für beide Angeklagte mit der Strafandrohung aus § 177 Abs. 1 StGB nF (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren) unbeschadet weiterer Strafrahmenverschiebungen aufgrund vertypter Milderungsgründe als günstiger dar, so dass es nach § 2 Abs. 3 StGB – mit an das neue Recht angepasstem Schuldspruch – anzuwenden wäre (vgl. auch BGH, Beschluss vom 16. Mai 2017 - 3 StR 43/17, NStZ 2018, 33).
16
Da das Landgericht von dem Normalstrafrahmen des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF, der wie § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren vorsieht, abgewichen ist und einen minder schweren Fall gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF mit einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren angenommen hat, kann der Senat – ungeachtet des Tatbildes und der übrigen für die Strafzumessung bedeutsamen Umstände – letztlich nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass der Tatrichter bei Zugrundele- gung des neuen Rechts auch die Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF verneint hätte.
17
Der Senat hebt daher die Schuld- und Strafaussprüche auf. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen durch den neu zur Verhandlung und Entscheidung berufenen Tatrichter bleiben möglich.
18
3. Die Adhäsionsentscheidung unterliegt hinsichtlich des getroffenen Feststellungsausspruchs und der Verurteilung des Angeklagten I. zur Zah- lung eines „weiteren Schmerzensgeldes“ in Höhe von 3.800 € der Aufhebung.
19
a) Die Feststellung, dass die Angeklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Nebenklägerin die bereits entstandenen materiellen Schäden zu erstatten, hat keinen Bestand. Hinsichtlich der bereits entstandenen materiellen Schäden hat die Nebenklägerin weder geltend gemacht noch ist aus ihrem Vortrag ansonsten ersichtlich, welche Schäden bereits entstanden sein könnten und warum sie nicht in der Lage ist, diese Schäden schon jetzt zu beziffern. Für die Feststellungsklage mangelt es daher insoweit an dem erforderlichen Feststellungsinteresse (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2013 - 4 StR 471/13, StV 2014, 269 mwN).
20
Aber auch der Ausspruch über die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige materielle Schäden begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Feststellung einer Ersatzpflicht für künftige Schäden setzt voraus, dass aus dem festzustellenden Rechtsverhältnis mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Ansprüche entstanden sind oder entstehen können (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 29. Juli 2003 - 4 StR 222/03; Senat, Beschluss vom 26. September 2013 - 2 StR 306/13, insoweit nicht abgedruckt in NStZ 2014, 50). Gemessen daran sind den Urteilsgründen die Voraussetzungen für einen Feststellungsanspruch nicht zu entnehmen. Die Annahme eines für diesen Ausspruch erforderlichen Dauer- oder Folgeschadens ist – insbesondere mit Blick auf mögliche psychische Beeinträchtigungen als Folge der Missbrauchshandlungen – im angefochtenen Urteil an keiner Stelle belegt und versteht sich auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe nicht von selbst.
21
b) Soweit der Angeklagte I. im Rahmen der Adhäsionsentscheidung zu einem „weiteren Schmerzensgeld“ in Höhe von 3.800 € verurteilt worden ist, hat sein Rechtsmittel ebenfalls Erfolg. Das Landgericht hat insoweit ausgeführt, dass die beiden Angeklagten „aufgrund der unterschiedlichen Tatbeiträge bzw. Beteiligungsform […] lediglich bis zu einem Betrag von 1.200,- € gesamtschuldnerisch“ haften und „darüber hinaus – im Umfang von 3.800,- € – […] der Ange- klagte I. als Haupttäter“ haftet. Damit hat das Landgericht rechtsfehlerhaft nicht bedacht, dass nach der hier anzuwendenden Regel des § 830 Abs. 2 BGB iVm § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB Täter und Teilnehmer unabhängig von der Art ihrer Beteiligung haften, was wiederum den Umfang ihrer gesamtschuldnerischen Haftung nach § 840 Abs. 1 BGB begrenzt (vgl. auch BGH, Urteil vom 8. Dezember 2016 - 1 StR 351/16, NStZ 2017, 277, 279). Einen Exzess des Angeklagten I. , der vom gemeinsamen Tatplan und dem Vorsatz des Angeklagten A. nicht gedeckt gewesen wäre und eine wechselseitige Zurechnung ausschlösse (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 8. November 2005 - 4 StR 321/05, BGHR StPO § 403 Anspruch 8 und vom 28. April 2015 - 3 StR 52/15, BGHR StPO § 406 Abs. 1 Entscheidung 2; Urteil vom 23. März 1999 - VI ZR 53/98, BGHR BGB § 830 Abs. 2 Teilnahme 2), hat die Strafkammer ausdrücklich nicht festgestellt. Die zur Grundlage des (weiteren) Schmerzensgeldan- spruchs gemachte Eigenschaft als „Haupttäter“ kann deshalb nicht herangezo- gen werden.
22
c) Dies führt zur Aufhebung der Adhäsionsentscheidung und – da die Sache im Übrigen zurückzuverweisen ist – auch hinsichtlich des zivilrechtlichen Teils des Urteils zur Zurückverweisung an das Landgericht (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2011 - 3 StR 255/11 [insoweit in NStZ 2012, 168 nicht abgedruckt]).
23
4. Einer Kompensation wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung bedarf es nicht. Das am 22. Februar 2017 beim Bundesgerichtshof eingegangene Revisionsverfahren ist im Senat seit dem 14. Juni 2017 mehrfach beraten worden. Da die Voraussetzungen für eine Entscheidung gemäß § 349 Abs. 2 bzw. Abs. 4 StPO nicht vorlagen, hat der Senat sodann im November 2017 in Absprache mit den Verteidigern einen Termin zur Hauptverhandlung bestimmt. Das Revisionsverfahren ist mithin nicht rechtsstaatswidrig verzögert worden. Schäfer Krehl RiBGH Dr. Eschelbach befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben. Schäfer Zeng Bartel

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 28. Feb. 2018 - 2 StR 45/17

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 28. Feb. 2018 - 2 StR 45/17

Referenzen - Gesetze

Strafgesetzbuch - StGB | § 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung


(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freihei

Strafgesetzbuch - StGB | § 27 Beihilfe


(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu milde
Bundesgerichtshof Urteil, 28. Feb. 2018 - 2 StR 45/17 zitiert 13 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung


(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freihei

Strafgesetzbuch - StGB | § 27 Beihilfe


(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu milde

Strafgesetzbuch - StGB | § 2 Zeitliche Geltung


(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. (2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt. (3) Wird das Gesetz, das

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 830 Mittäter und Beteiligte


(1) Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine

Strafgesetzbuch - StGB | § 13 Begehen durch Unterlassen


(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichun

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 840 Haftung mehrerer


(1) Sind für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden mehrere nebeneinander verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner. (2) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 831, 832 zum Ersatz des von einem anderen verursachten Sch

Strafprozeßordnung - StPO | § 406 Entscheidung über den Antrag im Strafurteil; Absehen von einer Entscheidung


(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die

Strafprozeßordnung - StPO | § 354a Entscheidung bei Gesetzesänderung


Das Revisionsgericht hat auch dann nach § 354 zu verfahren, wenn es das Urteil aufhebt, weil zur Zeit der Entscheidung des Revisionsgerichts ein anderes Gesetz gilt als zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Entscheidung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 403 Geltendmachung eines Anspruchs im Adhäsionsverfahren


Der Verletzte oder sein Erbe kann gegen den Beschuldigten einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch, der zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört und noch nicht anderweit gerichtlich anhängig gemacht ist, im Strafverf

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Feb. 2018 - 2 StR 45/17 zitiert oder wird zitiert von 11 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Feb. 2018 - 2 StR 45/17 zitiert 11 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Dez. 2013 - 4 StR 471/13

bei uns veröffentlicht am 03.12.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 471/13 vom 3. Dezember 2013 in der Strafsache gegen wegen fahrlässiger Tötung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts - zu 1.b) und 2. auf dessen Antrag hin - und d

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Sept. 2011 - 3 StR 255/11

bei uns veröffentlicht am 27.09.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 255/11 vom 27. September 2011 in der Strafsache gegen wegen sexueller Nötigung u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Nov. 2005 - 4 StR 321/05

bei uns veröffentlicht am 08.11.2005

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 321/05 vom 8. November 2005 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen schwerer räuberischer Erpressung Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 8.

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Sept. 2013 - 2 StR 306/13

bei uns veröffentlicht am 26.09.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 306/13 vom 26. September 2013 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen schweren Raubes u. a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 26. Septem

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Nov. 2017 - 2 StR 111/17

bei uns veröffentlicht am 08.11.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 111/17 vom 8. November 2017 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen u.a. ECLI:DE:BGH:2017:081117B2STR111.17.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Juli 2017 - 5 StR 134/17

bei uns veröffentlicht am 12.07.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR 134/17 vom 12. Juli 2017 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. 5. wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person u.a. ECLI:DE:BGH:2017:120717U5STR134.17.0 Der 5. Strafse

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Mai 2017 - 3 StR 43/17

bei uns veröffentlicht am 16.05.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 43/17 vom 16. Mai 2017 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person ECLI:DE:BGH:2017:160517B3STR43.17.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Mai 2017 - 4 StR 366/16

bei uns veröffentlicht am 09.05.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 366/16 vom 9. Mai 2017 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person ECLI:DE:BGH:2017:090517B4STR366.16.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhör

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. März 2017 - 1 StR 52/17

bei uns veröffentlicht am 07.03.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 52/17 vom 7. März 2017 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. ECLI:DE:BGH:2017:070317B1STR52.17.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Dez. 2016 - 1 StR 351/16

bei uns veröffentlicht am 08.12.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 351/16 vom 8. Dezember 2016 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen gefährlicher Körperverletzung ECLI:DE:BGH:2016:081216U1STR351.16.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitz

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Apr. 2015 - 3 StR 52/15

bei uns veröffentlicht am 28.04.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 S t R 5 2 / 1 5 vom 28. April 2015 in der Strafsache gegen wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesan

Referenzen

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 52/17
vom
7. März 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:070317B1STR52.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 7. März 2017 beschlossen :
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 26. Oktober 2016 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Der Schuldspruch auch wegen sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen nach § 179 StGB aF ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar wurde die Vorschrift des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen (§ 179 StGB) mit Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. 2016 I, 2460), das am 10. November 2016 in Kraft trat, nach Verkündung des Urteils des Landgerichts Landshut vom 26. Oktober 2016 aufgehoben. Dies ist im Revisionsverfahren gemäß § 354a StPO, § 2 Abs. 3 StGB zu beachten. Jedoch ist § 179 StGB aF gleichzeitig in § 177 StGB eingefügt worden, wodurch das Verhalten des Angeklagten auch weiterhin unter Strafe gestellt ist. § 177 StGB nF (sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung) stellt im Sinne notwendiger Unrechtskontinuität eine Nachfolgeregelung zu § 179 StGB dar; denn sowohl das Schutzgut als auch die inkriminierte Angriffsrichtung sind unverändert geblieben. Die Taten des Angeklagten konnten, da das jetzt geltende Recht nicht
das mildere Gesetz ist (§ 2 Abs. 3 StGB), weiter nach § 179 StGB aF strafrechtlich geahndet werden.
Graf Jäger Bellay
Radtke Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 366/16
vom
9. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person
ECLI:DE:BGH:2017:090517B4STR366.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 9. Mai 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 18. März 2016 – mit Ausnahme der Feststellungen, die bestehen bleiben – aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner auf eine Verfahrensbeanstandung und die Sachrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen kannte der Angeklagte den 1972 geborenen Nebenkläger, der unter einer leichten Intelligenzminderung leidet und schwerhörig ist, aus der Zeit seiner früheren Tätigkeit als Leiter einer Förderschule für geistige Entwicklung in M. .
3
Nachdem es anlässlich eines Schulfestes, an dem auch der Angeklagte und ehemalige Schüler der Förderschule teilgenommen hatten, wieder zum Kontakt zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger und in der Folgezeit zu einem ohne sexuelle Interaktion verlaufenden Besuch des Angeklagten beim Nebenkläger gekommen war, besuchte der Angeklagte an einem nicht mehr näher eingrenzbaren Tag zwischen 2010 und 2012 erneut den Nebenkläger in dessen Wohnung. Dort schauten beide Pornofilme mit heterosexuellen Handlungen. Der Angeklagte fragte den Nebenkläger sinngemäß, ob er einen „Stän- der“ habe, worauf dieser nichts entgegnete. Anschließend fasste der Angeklag- te oberhalb der Kleidung an den Penis des Nebenklägers, der daraufhin einmal „nein“ sagte, der sexuellen Zielsetzungdes Angeklagten aber nichts Weiteres entgegenzusetzen vermochte. Der Angeklagte forderte den geschockten und überrumpelten Geschädigten sodann auf, auch ihm an den Penis zu fassen, was der Nebenkläger auch tat. Nachdem sich beide im Wohnzimmer ausgezogen hatten, drang der Angeklagte mit seinem Penis, über den er ein Kondom gestreift hatte, anal in den Nebenkläger ein. Danach führte der Nebenkläger auf Aufforderung des Angeklagten den Oralverkehr bei diesem bis zum Samenerguss durch.
4
Der Geschädigte wollte den Sexualkontakt nicht und empfand großen Ekel. Aufgrund seiner Intelligenzminderung in Verbindung mit den Persönlich- keitsbesonderheiten und der Deprivation bei Sozialkontakten war er nicht in der Lage, sich gegen die homosexuellen Handlungen des Angeklagten zu wehren. Der Angeklagte, der – ausweislich der Ausführungen der Strafkammer im Rahmen der Beweiswürdigung – wusste, dass der Geschädigte den sexuellen Kontakt nicht wollte, kannte die geistige Behinderung und Persönlichkeitsstruktur des Geschädigten sowie die ihm aus Sicht des Geschädigten zukommende Autoritätsstellung. Die Defizite des Nebenklägers nutzte er bewusst zur Tatbegehung aus.

II.


5
Die Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen nach § 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB in der bis 9. November 2016 geltenden Fassung kann nicht bestehen bleiben, weil im Revisionsverfahren nicht ausgeschlossen werden kann, dass die durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I 2460) umgestaltete Vorschrift des § 177 StGB nF bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise gemäß § 2 Abs. 3 StGB als milderes Recht Anwendung findet.
6
1. Nach § 179 Abs. 1 StGB in der bis zum 9. November 2016 geltenden Fassung macht sich strafbar, wer eine Person, die aus den in der Norm näher genannten Umständen zum Widerstand unfähig ist, dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt. Widerstandsunfähigkeit im Sinne dieser Vorschrift setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass das Tatopfer – wenn auch nur vorübergehend – gänzlich unfähig ist, einen zur Abwehr ausreichenden Widerstandswillen gegen das sexuelle Ansinnen des Täters zu bilden, zu äußern oder durchzusetzen. Die Feststellung der Widerstandsunfähigkeit erfordert eine normative Entscheidung, die der Tatrichter auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung zu treffen hat, in welche auch das aktuelle Tatgeschehen und etwaige Beeinträchtigungen des Tatopfers durch die Tatsituation infolge Überraschung, Schreck oder Schock einzubeziehen sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15. März 1989 – 2 StR 662/88, BGHSt 36, 145, 147; Beschlüsse vom 23. September 1997 – 4 StR 433/97, NStZ 1998, 83; vom 23. November 2010 – 3 StR 410/10, NStZ 2011, 210; vom 10. August 2011 – 4 StR 338/11, NStZ 2012, 150; Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR 394/14, NStZ-RR 2015, 44, 45).
7
Das Landgericht ist – sachverständig beraten – aufgrund der gebotenen umfassenden Gesamtbetrachtung zu der Überzeugung gelangt, dass der Nebenkläger wegen seiner kognitiven Einschränkungen in Verbindung mit den weiteren Persönlichkeitsdefiziten und den besonderen Gegebenheiten der Tatsituation insoweit widerstandsunfähig war, als er zwar in der Lage war, einen den homosexuellen Handlungen entgegenstehenden Willen zu bilden und zu artikulieren, diesen Willen jedoch gegenüber dem Angeklagten bei der Tat nicht durchsetzen konnte. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Mit Blick auf die festgestellte anale und orale Penetration des Geschädigten hat die Strafkammer ferner zutreffend die Qualifikation des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF bejaht und ist im Rahmen der Strafzumessung von einem minder schweren Fall des schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF ausgegangen.
8
2. Mit dem am 10. November 2016 in Kraft getretenen Fünfzigsten Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I 2460) hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 179 StGB aF aufgehoben und mit dem neu gefassten § 177 StGB nF eine einheitliche Strafnorm zur Erfassung sexueller Übergriffe auf Menschen mit und ohne Behinderung geschaffen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz , BT-Drucks. 18/9097, S. 2, 21). Die neu gefasste Vorschrift des § 177 StGB nF enthält insbesondere in den Absätzen 1, 2 Nrn. 1 und 2 und Absatz 4 Nachfolgeregelungen zu § 179 StGB aF, die hinsichtlich des geschützten Rechtsguts und der inkriminierten Angriffsrichtung unverändert geblieben sind und damit einen identischen Unrechtskern aufweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 StR 52/17).
9
Da die Tatbestände des § 177 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB nF und die Qualifikationsnorm des § 177 Abs. 4 StGB nF ausschließlich an die Fähigkeit zur Bildung und Äußerung eines entgegenstehenden Willens anknüpfen, wird die nach altem Recht unter den Begriff der Widerstandsunfähigkeit subsumierte Unfähigkeit, einen Abwehrwillen gegenüber dem Täter zu realisieren, von diesen Vorschriften des neuen Rechts nicht erfasst (vgl. Renzikowski in MK-StGB, 3. Aufl., § 177 nF Rn. 60; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 177 Rn. 59). Das Hinwegsetzen über den artikulierten entgegenstehenden Willen des Tatopfers unterfällt vielmehr unabhängig von einer zustandsbedingten habituellen Unfähigkeit zur Durchsetzung dieses Willens lediglich dem Grundtatbestand des sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 StGB nF, der mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren eine gegenüber § 179 Abs. 1 StGB aF deutlich niedrigere Strafandrohung enthält. Bei der Vornahme des Beischlafs oder ähnlicher sexueller Handlungen, die das Opfer besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit dem Eindringen in den Körper verbunden sind, sieht das neue Recht in § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren vor.
10
3. Ob die nach § 354a StPO auch im Revisionsverfahren zu beachtende Änderung des materiellen Rechts bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise nach § 2 Abs. 3 StGB die Anwendung des neuen Rechts zur Folge hat, hängt von der als Strafzumessungsakt allein dem Tatrichter obliegenden Entscheidung über die Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ab und kann daher vom Senat auf der Grundlage der bisherigen, sich hierzu nicht verhaltenden Urteilsausführungen nicht abschließend beurteilt werden. Bei Annahme eines besonders schweren Falls entsprechend dem Regelbeispiel des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ist das neue Recht nicht milder und es verbleibt bei der Anwendung des § 179 StGB aF, während sich bei einem Absehen von der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF das neue Recht für den Angeklagten mit der Strafandrohung aus § 177 Abs. 1 StGB nF als günstiger darstellt, sodass es nach § 2 Abs. 3 StGB anzuwenden ist. Da das Landgericht von dem Normalstrafrahmen des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF, der wie § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren vorsieht, abgewichen ist und einen minder schweren Fall gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF mit einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren angenommen hat, kann der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen , dass der Tatrichter bei Zugrundelegung des neuen Rechts die Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF verneint hätte.
11
Der Senat hebt daher den Schuld- und Strafausspruch auf. Die rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen können bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen durch den neu zur Verhandlung und Entscheidung berufenen Tatrichter bleiben möglich.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 134/17
vom
12. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:120717U5STR134.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Juli 2017, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter Dr. Mutzbauer, Richter Prof. Dr. Sander, Richterin Dr. Schneider, Richter Dr. Berger, Richter Prof. Dr. Mosbacher als beisitzende Richter, Bundesanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt K. als Verteidiger des Angeklagten P. , Rechtsanwältin H. als Verteidigerin des Angeklagten S. , Rechtsanwalt L. als Verteidiger des Angeklagten Ka. , Rechtsanwalt La. als Verteidiger der Angeklagten He. , Rechtsanwalt E. als Verteidiger des Angeklagten M. , Rechtsanwältin Si. als Vertreterin der Nebenklägerin, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20. Oktober 2016 mit Ausnahme der Feststellungen zum Tatgeschehen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie die Revisionen der Angeklagten P. und He. werden verworfen. 4. Der Angeklagte P. hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 5. Es wird davon abgesehen, den Angeklagten S. und He. die Kosten ihrer Rechtsmittel aufzuerlegen; sie haben jedoch die der Nebenklägerin jeweils hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: – P. und Ka. wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen sowie wegen gefährlicher Körperverletzung, den Angeklagten P. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren, den Angeklagten Ka. zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und acht Monaten, – S. wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen sowie wegen unterlassener Hilfeleistung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren, – M. wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person sowie wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und vier Monaten, – He. wegen Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen sowie wegen unterlassener Hilfeleistung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr.
2
Die Vollstreckung der Jugendstrafen hat es jeweils zur Bewährung ausgesetzt.
3
Gegen dieses Urteil haben die Angeklagten P. , He. und S. – dieser hat sein Rechtsmittel in der Hauptverhandlung zurückgenommen – sowie die Staatsanwaltschaft zu Lasten aller Angeklagten Revisionen eingelegt und diese jeweils mit der Verletzung materiellen Rechts begründet. Die Staatsanwaltschaft erstrebt insbesondere die Verurteilung der Angeklagten P. , M. und Ka. auch wegen Aussetzung (§ 221 StGB) und gefährlicher Körperverletzung in Form einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) und rügt die Strafzumessung. Während ihre Revisionen im tenorierten Umfang zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils führen, bleiben die Revisionen der Angeklagten ohne Erfolg.
4
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
5
Die Angeklagten Ka. (16 Jahre), S. (16 Jahre), He. (15 Jahre) und P. (21 Jahre) feierten bis in die frühen Morgenstunden des 11. Februar 2016 in der Wohnung des Angeklagten M. , der allein zu Hause war, dessen 14. Geburtstag. An der Feier nahm auch die 14-jährige B. , eine Mitbewohnerin der Angeklagten He. , teil und trank erhebliche Mengen Alkohol. Der Angeklagte Ka. und B. flirteten miteinander und zogen sich schließlich ins Schlafzimmer zurück, wo sie einvernehmlich Geschlechtsverkehr hatten. Nachdem Ka. das Schlafzimmer wieder verlassen hatte, fand die Angeklagte He. die Geschädigte entblößt und infolge ihres Alkoholkonsums nicht mehr ansprechbar auf der Schlafcouch vor. Unter Ausnutzung ihrer erkennbaren Widerstandsunfähigkeit führte der in seiner Steuerungsfähigkeit alkoholbedingt erheblich verminderte Angeklagte P. an der Geschädigten den ungeschützten vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss durch. Nachdem B. auf das Kopfkissen erbrochen hatte, fertigte zunächst der Angeklagte S. mit seinem Mobiltelefon Filmaufnahmen von der weitgehend Unbekleideten. Auf seine Idee hin führten er sowie die Angeklagten M. und Ka. , dessen Steuerungsfähigkeit ebenfalls alkoholbedingt erheblich vermindert war, der Geschädigten jeweils abwechselnd eine Bierflasche, der Angeklagte S. zudem eine Wodkaflasche in die Vagina ein. Von diesem Geschehen fertigten die Angeklagten S. , He. , Ka. und P. Videoaufnahmen mit Mobiltelefonen, wobei He. auch Anweisungen an die handelnden Personen gab. B. war während der gesamten Zeit infolge ihres Alkoholkonsums nicht in der Lage, einen Willensentschluss gegen das „sexuelle Ansinnen“ der Angeklagten zu bilden, zu äußern und durchzusetzen.
6
Als die Geschädigte schließlich zu schreien begann, schlug der Angeklagte Ka. vor, sie „rauszuschmeißen“. Ungeachtet des Widerspruchs von S. und He. verbrachten Ka. , M. und P. zwischen 6.30 Uhr und 6.50 Uhr das nur spärlich bekleidete, schreiende Mädchen bei Außentemperaturen um den Gefrierpunkt in einen Hinterhof, wo sie es liegen ließen und sich entfernten. Dabei nahmen sie billigend in Kauf, dass die Geschädigte eine Unterkühlung erleiden würde; ihren etwaigen Erfrierungstod billigten sie nicht. S. und He. kamen der Geschädigten nicht zu Hilfe. Um 6.53 Uhr wurde B. von Polizeikräften gefunden, die durch einen Nachbarn informiert worden waren. Sie erlitt eine Absenkung der Körpertemperatur auf 35,4 Grad Celsius und musste aufgrund ihrer erheblichen Alkoholisierung zunächst auf der Intensivstation behandelt werden. Nach dem Tatgeschehen zog sie sich zurück. Im Mai 2016 verließ sie die Jugendwohnung in H. und brach den Kontakt zu ihrer Familie und der Nebenklägervertreterin ab. Ihr Aufenthalt war im Zeitpunkt der tatgerichtlichen Hauptverhandlung unbekannt.
7
2. Die Revisionen der Angeklagten P. und He. sind unbegründet.
8
a) Die Verurteilungen wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen nach § 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 und 2 StGB in der bis 9. November 2016 geltenden Fassung bzw. Beihilfe hierzu können bestehen bleiben, weil ausgeschlossen werden kann, dass die durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I 2460) – umgestaltete Vorschrift des § 177 StGB nF bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise als milderes Recht Anwendung findet (§ 2 Abs. 3 StGB).
9
Die vom Angeklagten P. begangene sexuelle Handlung gegen die bereits zur Bildung bzw. Äußerung eines entgegenstehenden Willens unfähige Geschädigte (vgl. UA S. 19) sowie die sexuellen Missbrauchshandlungen der übrigen Angeklagten, zu denen die Angeklagte He. Hilfe geleistet hat, sind nach Inkrafttreten des genannten Gesetzes am 10. November 2016 von § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB erfasst (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. März 2017 – 1 StR 52/17, und vom 9. Mai 2017 – 4 StR 366/16). Diese Regelung stellt im Sinne notwendiger Unrechtskontinuität eine Nachfolgeregelung zu § 179 Abs. 1 StGB aF dar; denn sowohl das Schutzgut als auch die inkriminierte Angriffsrichtung sind unverändert geblieben.
10
Allerdings sieht § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB eine geringere Höchststrafe vor als § 179 Abs. 1 StGB aF, was sich auch auf die Gewichtung des von der jugendlichen Angeklagten He. verwirklichten Unrechts zu ihren Gunsten auswirken könnte. Indes haben die Angeklagten den Qualifikationstatbestand des § 179 Abs. 5 StGB aF in den Varianten der Nummern 1 und 2 verwirklicht; eine diese Varianten aufgreifende Strafschärfung mit identischem Strafrahmen sieht § 177 Abs. 6 Nr. 1 und 2 StGB vor, der jedoch lediglich Regelbeispiele eines besonders schweren Falls benennt. Ob die nach § 354a StPO auch im Revisionsverfahren zu beachtende Änderung des materiellen Rechts bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise nach § 2 Abs. 3 StGB die Anwendung des neuen Rechts zur Folge hat, hängt demnach von der als Strafzumessungsakt grundsätzlich allein dem Tatgericht obliegenden Entscheidung über die Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB ab (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2017 aaO).
11
Vorliegend kann der Senat jedoch bereits auf der Grundlage der Strafzumessungserwägungen des Landgerichts feststellen, dass ein Absehen von der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 und 2 StGB im konkreten Fall nicht in Betracht käme. Dies ergibt sich für den erwachsenen Angeklagten P. aus der Begründung, mit der das Landgericht die Anwendung des § 179 Abs. 6 StGB aF abgelehnt hat (UA S. 108). Für die jugendliche Angeklagte He. hat das Landgericht entsprechende Erwägungen im Rahmen der Prüfung der Schuldschwere angestellt (UA S. 96 ff.). Gemäß § 2 Abs. 1 StGB findet demnach weiterhin § 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 Alternative 2, Nr. 2 StGB aF Anwendung.
12
b) Die umfassende sachlichrechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils betreffend die zwei revidierenden Angeklagten hat keine Fehler zu ihrem Nachteil zutage treten lassen.
13
Die Feststellungen belegen die Beihilfe der Angeklagten He. zu den abgeurteilten sexualbezogenen Tathandlungen der übrigen Angeklagten nach Vollzug des Geschlechtsverkehrs durch den Angeklagten P. . Die Ahn- dung ihrer Taten mit Jugendstrafe ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Dass die Verhängung einer Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld – ungeachtet ihres Alters und fehlender Vorbelastungen – erzieherisch unerlässlich ist, hat das Landgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei dargelegt.
14
3. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind im tenorierten Umfang begründet ; im Übrigen sind sie unbegründet.
15
Die Schuldsprüche gegen die Angeklagten haben insgesamt keinen Bestand.
16
a) Da die Jugendkammer die Anfertigung der Videoaufnahmen von dem sexuellen Missbrauch der Geschädigten durch die Angeklagten nicht unter dem Gesichtspunkt des Herstellens oder Sichverschaffens jugendpornographischer Schriften (§ 184c Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StGB) bzw. der Beihilfe hierzu (Angeklagter M. , insoweit auch zu § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB) gewürdigt hat, können die – für sich genommen rechtsfehlerfreien – Schuldsprüche wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB), betreffend die Angeklagten P. , S. und Ka. , in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person, nicht bestehen bleiben.
17
b) Die Staatsanwaltschaft beanstandet ferner zu Recht, dass das Landgericht nicht geprüft hat, ob das Ablegen der Geschädigten in dem Hof bei einer Temperatur von etwa null Grad Celsius durch die Angeklagten P. , M. und Ka. den Tatbestand der Aussetzung (§ 221 StGB) erfüllt.
18
aa) In Frage kommt hier die Tatbestandsalternative des Versetzens in eine hilflose Lage (§ 221 Abs. 1 Nr. 1 StGB). In einer hilflosen Lage im Sinne von § 221 Abs. 1 StGB befindet sich, wer der – zunächst zumindest abstrakten – Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsbeschädigung ohne die Möglichkeit eigener oder fremder Hilfe ausgesetzt ist. Kennzeichnend hierfür ist das Fehlen hypothetisch rettungsgeeigneter sächlicher Faktoren und hilfsfähiger sowie generell auch hilfsbereiter Personen (BGH, Urteil vom 10. Januar 2008 – 3 StR 463/07, NStZ 2008, 395; SSW-StGB/Momsen, 3. Aufl., § 221 Rn. 3). Die betroffene Person muss sich in einem Zustand befinden, in dem sie schutzlos Lebens- oder Leibesgefahren preisgegeben ist, falls ihr nicht ein rettender Zufall zu Hilfe kommt (BGH, Urteile vom 24. Februar 1966 – 1 StR 587/65, BGHSt 21, 44, 45 f., und vom 5. Dezember 1974 – 4 StR 529/74, BGHSt 26, 35, 37, jeweils zu § 221 StGB aF). Versetzen in diesen Zustand ist das zurechenbare Hervorrufen oder Steigern einer hilflosen Lage; es ist auch gegeben, wenn der Täter das Opfer in eine Lage bringt, in der es mehr Hilfe nötig hat als in der früheren (MüKo-StGB/Hardtung, 2. Aufl., § 221 Rn. 8 ff.). Hierdurch muss die konkrete Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsbeschädigung eingetreten sein oder sich gesteigert haben (vgl. BT-Drucks. 13/9064 S. 14). Es muss indes nicht zum Eintritt einer schweren Gesundheitsbeschädigung oder des Todes gekommen sein.
19
bb) Nach diesen Maßstäben hätte der Erörterung bedurft, ob – was nahe lag – das Verbringen der alkoholbedingt nicht ansprechbaren und zu koordiniertem Verhalten unfähigen, spärlich bekleideten B. in den Hof als Versetzen in eine hilflose Lage anzusehen ist (vgl. KG, JR 1973, 72 f.). Angesichts der Tatsache, dass sich die abgesunkene Körpertemperatur der – noch zeitnah aufgefundenen (UA S. 24) – Geschädigten bereits der Grenze von 35 Grad Celsius genähert hatte, unterhalb derer eine Hypothermie angenom- men wird (UA S. 67), ihre Alkoholisierung eine Unterkühlung weiter förderte und – nach den im Urteil wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen, denen sich das Tatgericht angeschlossen hat – wegen ihrer erheblichen Alkoholisierung die Gefahr bestand, dass die Geschädigte einschlafen, erneut erbrechen und Erbrochenes dabei in die Lunge geraten würde, hätte sich das Urteil mit dem Eintreten bzw. Verstärken einer bereits konkreten Lebens- oder schweren Gesundheitsgefahr für die Geschädigte näher auseinandersetzen müssen. Einer solchen stand nicht ohne weiteres entgegen, dass die Geschädigte an einem Werktag gegen sieben Uhr in den Hinterhof eines „belebten“ Wohnhauses gebracht wurde (UA S. 70).
20
Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung der an sich rechtsfehlerfreien Schuldsprüche wegen gefährlicher Körperverletzung.
21
c) Die Schuldsprüche gegen die Angeklagten He. und S. wegen unterlassener Hilfeleistung können ebenfalls nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat sich nicht mit einer möglichen Strafbarkeit dieser Angeklagten wegen einer jeweils durch Unterlassen (§ 13 StGB) begangenen Aussetzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung auseinandergesetzt, obwohl dazu Anlass bestand.
22
Wie die gefährliche Körperverletzung kann auch die Aussetzung nach § 221 Abs. 1 Nr. 1 StGB durch Unterlassen begangen werden, wenn ein Garant das Aussetzen durch einen Dritten nicht verhindert (SSW-StGB/Momsen, aaO, § 221 Rn. 5). Eine Garantenstellung der beiden Angeklagten, die für sie die Pflicht zur Erfolgsabwendung begründet hat, kann sich hier aus ihrer Beteiligung an dem sexuellen Missbrauch der Geschädigten ergeben (vgl. BGH, Urteile vom 22. September 1992 – 5 StR 379/92, BGHSt 38, 356, 358; vom 23. Oktober 1985 – 3 StR 300/85, StV 1986, 59 f., und vom 12. September 1984 – 3 StR 245/84, BGH, NStZ 1985, 24; Beschluss vom 22. Dezember 1981 – 1 StR 729/81, StV 1982, 218). Sie setzt voraus, dass ihr Vorverhalten die na- he Gefahr eines Eintritts gerade des tatbestandsmäßigen Erfolges herbeigeführt hat (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 8. März 2017 – 1 StR 466/16, NJW 2017, 2052, 2054). Insoweit liegt nicht fern, dass gerade die entwürdigende sexuelle Misshandlung des widerstandsunfähigen Opfers, die ganz wesentlich von diesen beiden Angeklagten initiiert und bestärkt wurde, mitursächlich dafür war, dass die anderen Angeklagten die Geschädigte in den Hof trugen. Denn bei diesen kann – im Rahmen des gruppendynamischen Geschehens – der Eindruck entstanden sein, man könne mit der Geschädigten nach Belieben wie mit einer Sache verfahren und sie deshalb auch in lebensgefährdender Weise auf dem Hof geradezu „entsorgen“. Zugleich war Anlass für diese Behandlung der Geschädigten, dass sie naheliegenderweise aufgrund der Misshandlungen , an denen die beiden Angeklagten maßgeblich beteiligt waren, zu schreien anfing. Auch damit hätte sich das Landgericht auseinandersetzen müssen.
23
Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Schuldsprüche wegen unterlassener Hilfeleistung.
24
d) Einen weiteren Rechtsfehler stellt schließlich die Nichterörterung von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB bezüglich der Angeklagten P. , M. und Ka. dar, die sich zu ihren Gunsten auf ihre Strafen ausgewirkt haben kann.
25
Das Ablegen eines spärlich bekleideten, schwerstalkoholisierten Menschen im Freien bei einer Außentemperatur von etwa Null Grad Celsius begründet für sich genommen typischerweise eine abstrakte Gefahr für dessen Leben im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB als Folge einer Unterkühlung; das Entstehen einer konkreten Lebensgefahr ist zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht erforderlich. Vor diesem Hintergrund fehlen ausreichende Erörterungen dazu, warum die Jugendkammer diese abstrakte Gefahr vorliegend ausnahmsweise als nicht gegeben erachtet hat.
26
e) Die Überprüfung des Urteils auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft hat hingegen keinen Rechtsfehler zu Lasten der Angeklagten S. , M. und Ka. ergeben (§ 301 StPO). Die Ausführungen zur Anwendung von § 179 StGB bei den Angeklagten P. und He. (vgl. oben 2. a) gelten angesichts der Erwägungen, die das Landgericht auch hinsichtlich der übrigen Angeklagten im Rahmen der Prüfung der Schuldschwere angestellt hat (vgl. UA S. 85 f., 91 f. und 103 f.), bei diesen entsprechend.
27
4. Einer Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum objektiven und subjektiven Tatgeschehen bedarf es nicht. Sie können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.
28
5. Für die neue tatgerichtliche Verhandlung weist der Senat abschließend auf Folgendes hin:
29
Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft ist nicht zu beanstanden , dass das Landgericht im Falle des Angeklagten P. nur einen schweren sexuellen Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person in der Begehungsweise des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB (Beischlaf) und nicht auch in der Variante des § 179 Abs. 5 Nr. 2 StGB (von mehreren gemeinschaftlich) angenommen hat. Denn bei Vollzug des Geschlechtsverkehrs an der widerstandsunfähigen Geschädigten befand er sich mit dieser allein im Schlafzimmer; die übrigen Angeklagten waren hieran nicht beteiligt. An den weiteren Missbrauchshandlungen durch Einführen von Flaschen hat er nicht – wie für die Annahme der Verwirklichung des § 179 Abs. 5 Nr. 2 StGB erforderlich – als Mittäter mitgewirkt (vgl. zu § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB aF: BGH, Beschluss vom 10. Januar 2017 – 3 StR 278/16, StV 2017, 387).
30
Soweit sich dieser Angeklagte mit der Anfertigung von Filmaufnahmen als Gehilfe an dem sexuellen Missbrauch der Geschädigten durch die übrigen männlichen Mitangeklagten beteiligt haben kann, liegt angesichts der – was ihn betrifft – bloßen Fortsetzung der Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit der Geschädigten nach Vollzug des Geschlechtsverkehrs bei natürlicher Auffassung des Gesamtvorganges ein einheitliches Tatgeschehen vor. Daher geht eine etwaige Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch einer Widerstandsunfähigen in dem täterschaftlich verwirklichten Delikt auf (vgl. LK-StGB/Rissingvan Saan, 12. Aufl., § 52 Rn. 18).
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 111/17
vom
8. November 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:081117B2STR111.17.0


Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. November 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 10. November 2016
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen in zwei Fällen sowie Vergewaltigung verurteilt ist;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II.1. der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2
Die auf Verfahrensbeanstandungen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts lernte der Angeklagte die in den Jahren 1991 bzw. 1994 geborenen Nebenkläger D. und W. , die beide unter einer leichten bis mittelschweren Intelligenzminderung leiden, im Zuge der Aufnahme einer Liebesbeziehung zur Mutter der Nebenklägerin im Jahre 2007 kennen.
4
Ab dem Sommer 2010 kam es erst zum Nachteil der Nebenklägerin W. , ab dem Jahre 2012 auch zum Nachteil des Nebenklägers D. zu sexuellen Übergriffen des Angeklagten, die bis April 2013 andauerten. Beide Nebenkläger wollten diese sexuellen Kontakte nicht. Aufgrund der jeweils vorliegenden Intelligenzminderung und den damit einhergehenden geistigen Einschränkungen waren sie jedoch nicht in der Lage, die sexuellen Handlungen des Angeklagten abzuwehren. Der Angeklagte, der um die jeweils vorliegende geistige Behinderung der beiden Nebenkläger wusste, nutzte diese Defizite in der Willensdurchsetzungsfähigkeit bei beiden Nebenklägern gezielt zur Tatbegehung aus. Innerhalb des maßgeblichen Tatzeitraums konnte die Kammer folgende drei Taten des Angeklagten feststellen:
5
1. Im Sommer 2010 entkleidete der Angeklagte in seiner Wohnung die Nebenklägerin W. . Sodann führte er seinen Mittelfinger in die Scheide der Nebenklägerin ein und bewegte ihn vor und zurück. Im Anschluss veranlasste der Angeklagte die Nebenklägerin W. dazu, sein erigiertes Glied mit der Hand zu ergreifen und zu reiben (Fall II.1. der Urteilsgründe).
6
2. Am 13. Juli 2012 veranlasste der Angeklagte in seiner Wohnung die Nebenkläger W. und D. dazu, mehrfach den ungeschützten Beischlaf bis zum Samenerguss des Nebenklägers D. in die Scheide der Nebenklägerin W. auszuüben. Der Angeklagte filmte das Geschehen und gab den Nebenklägern mehrfach Anweisungen im Hinblick auf die Beischlafhandlungen. Im Anschluss penetrierte der Angeklagte die Nebenklägerin W. mit einem „Dildo“, den der Nebenkläger D. auf Verlangen des Angeklagten in die Scheide der Nebenklägerin W. eingeführt hatte. Überdies setzte der Angeklagte während des Tatgeschehens eine sogenannte „Penispumpe“ am Glied des Nebenklägers D. und am Busen der Nebenklägerin W. ein (Fall II.2. der Urteilsgründe).
7
3. Um die Weihnachtszeit im Jahre 2012 hielten sich die Nebenkläger W. und D. erneut in der Wohnung des Angeklagten auf. An einem Morgen legte sich der Angeklagte zu den beiden Nebenklägern ins Bett. Sodann führte er seinen Finger in die Scheide der Nebenklägerin W. ein und bewegte ihn vor und zurück. Im Anschluss begab sich der Angeklagte mit dem Nebenkläger D. ins Badezimmer und führte an ihm – in sexuell motivierter Absicht – eine Intimrasur durch (Fall II.3. der Urteilsgründe).
8
Dem Angeklagten war bei allen festgestellten Taten bewusst, dass beide Nebenkläger mit den vorgenommenen sexuellen Handlungen nicht einverstanden waren. Er nutzte bei der Tatbegehung jeweils aus, dass die Nebenkläger ihren entgegenstehenden artikulierten Willen auf Grund ihrer geistigen Behinderung nicht durchsetzen und infolgedessen die sexuellen Handlungen nicht abwehren konnten.

II.

9
1. Die Verfahrensrügen haben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Erfolg.
10
2. Die Sachrüge führt zu einer Schuldspruchänderung bezüglich Fall II.1. der Urteilsgründe und zur Aufhebung des diesbezüglichen Einzelstrafausspruchs sowie des Ausspruchs über die Gesamtstrafe.
11
Die Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen nach § 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB in der bis 9. November 2016 geltenden Fassung kann im Fall II.1. der Urteilsgründe nicht bestehen bleiben, da die durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I 2460) neu gestaltete Vorschrift des § 177 StGB bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise gemäß § 2 Abs. 3 StGB hier als mildestes Gesetz anzuwenden ist.
12
a) Nach § 179 Abs. 1 StGB in der bis zum 9. November 2016 geltenden Fassung machte sich strafbar, wer eine Person, die zum Widerstand unfähig ist, dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt. Widerstandsunfähigkeit im Sinne dieser Vorschrift setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass das Opfer – zumindest vorübergehend – unfähig ist, einen zur Abwehr ausreichenden Widerstandswillen gegen das sexuelle Ansinnen des Täters zu bilden, zu äußern oder durchzusetzen.
Die Feststellung der Widerstandsunfähigkeit erfordert eine normative Entscheidung , die der Tatrichter auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung zu treffen hat, in die auch das aktuelle Tatgeschehen und etwaige Beeinträchtigungen des Tatopfers durch die Tatsituation infolge Überraschung, Schreck oder Schock einzubeziehen sind (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 15. März 1989 – 2 StR 662/88, BGHSt 36, 145, 147; BGH, Beschluss vom 23. September 1997 – 4 StR 433/97, NStZ 1998, 83; Beschluss vom 10. August 2011 – 4 StR 338/11, NStZ 2012, 150; Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR 394/14, NStZRR 2015, 44, 45; Beschluss vom 9. Mai 2017 – 4 StR 366/16, NStZ-RR 2017, 240, 241).
Das Landgericht ist – sachverständig beraten – aufgrund einer umfas13 senden Gesamtbetrachtung rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung gelangt, dass die Nebenkläger W. und D. wegen des Ausmaßes ihrer geistigen Behinderung insoweit widerstandsunfähig waren, als sie zwar in der Lage waren , einen den sexuellen Handlungen entgegenstehenden Willen zu bilden und zu äußern, diesen Willen jedoch gegenüber dem Angeklagten bei den Taten nicht durchsetzen konnten.
Angesichts des in Fall II.1. der Urteilsgründe festgestellten Eindringens
14
des Mittelfingers des Angeklagten in die Scheide der NebenklägerinW. hat das Landgericht den Qualifikationstatbestand des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF angenommen und ist im Rahmen der Strafzumessung von einem minder schweren Fall des schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF ausgegangen, der einen Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vorsieht.
15
Zugleich hat das Landgericht rechtsfehlerfrei begründet, dass bei Anwendung der Neuregelung des § 177 StGB von der Regelwirkung des Absatzes 6 Satz 2 Nr. 1 aufgrund der mildernden Gesamttatumstände abzusehen wäre und eine darüber hinaus gehende Annahme eines minder schweren Falles nach § 177 Abs. 9 StGB nF nicht in Betracht käme. Nach Auffassung des Landgerichts verbliebe es deshalb beim Strafrahmen des Qualifikationstatbestandes des § 177 Abs. 4 StGB nF, der Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 15 Jahren vorsieht. Dieser Strafrahmen stelle gegenüber der Altvorschrift des minder schweren Falles aus § 179 Abs. 6 StGB aF nicht das mildere Gesetz dar, womit auch die Tat im Fall II.1. der Urteilsgründe nach § 179 StGB aF – vorliegendmit einer Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten – zu ahnden sei.
16
b) Diese Wertung des Landgerichts zur Bestimmung und Anwendung des mildesten Gesetzes im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB hält revisionsrechtlicher Überprüfung im Fall II.1. der Urteilsgründe nicht stand.
17
Mit dem am 10. November 2016 in Kraft getretenen Fünfzigsten Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 179 StGB aF aufgehoben und mit dem neu gefassten § 177 StGB nF eine einheitliche Norm zur Erfassung sexueller Übergriffe auf Menschen mit und ohne Behinderung geschaffen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, BT-Drucks. 18/9097, S. 2 und S. 21). Die neu gefasste Vorschrift des § 177 StGB nF enthält in den Absätzen 1, 2 Nrn. 1 und 2 sowie in Absatz 4 Nachfolgeregelungen zu § 179 StGB aF, die hinsichtlich des geschützten Rechtsguts und der unter Strafe stehenden Angriffsrichtung unverändert geblieben sind und damit grundsätzlich einen identischen Unrechtskern aufweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 StR 52/17, NStZ 2017, 407; Beschluss vom 9. Mai 2017 – 4 StR 366/16, NStZ-RR 2017, 240, 241).
18
Da die Tatbestände des § 177 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 StGB nF sowie die Qualifikationsvorschrift des § 177 Abs. 4 StGB nF ausschließlich an die Fähigkeit zur Bildung und Äußerung eines entgegenstehenden Willens anknüpfen, wird die nach altem Recht unter den Begriff der Widerstandsunfähigkeit subsumierte Unfähigkeit, einen Abwehrwillen gegenüber dem Täter durchzusetzen, von diesen Normen des neuen Rechts aber nicht erfasst. Das Hinwegsetzen über den artikulierten entgegenstehenden Willen des Tatopfers unterfällt vielmehr unabhängig von einer zustandsbedingten habituellen Unfähigkeit zur Durchsetzung des Willens lediglich dem Grundtatbestand des sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 StGB nF (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2017 – 4 StR 366/16, NStZ-RR 2017, 240, 241; Beschluss vom 30. August 2017 – 4 StR 345/17, juris; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 177 Rn. 20; MünchKomm- StGB/Renzikowski, 3. Aufl., § 177 nF Rn. 60, 69). Der Strafrahmen des neuen Grundtatbestands des § 177 Abs. 1 StGB nF, der Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht, enthält damit eine deutlich niedrigere Strafandrohung als sämtliche Strafrahmen der Altvorschrift des § 179 StGB aF.
19
c) Gemessen hieran ist nach neuem Recht im Fall II.1. der Urteilsgründe unter Berücksichtigung des Zustands der Nebenklägerin W. zunächst lediglich der Grundtatbestand des § 177 Abs. 1 StGB nF gegeben. Da das Landgericht mit nicht zu beanstandenden Erwägungen ein Abweichen von der Regelwirkung des an sich verwirklichten besonders schweren Falles aus § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF angenommen und zugleich einen minder schweren Fall nach § 177 Abs. 9 StGB nF abgelehnt hat, verbleibt es beim Grundtatbestand des § 177 Abs. 1 StGB nF, der nach § 2 Abs. 3 StGB als mildestes Gesetz anzuwenden ist.
20
aa) In Anwendung des mildesten Gesetzes in seiner Gesamtheit (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 24. Juli 2014 – 3 StR 314/13, BGHSt 59, 271, 275; Beschluss vom 14. Oktober 2014 – 3 StR 167/14, wistra 2015, 148, 150) ändert der Senat im Fall II.1. der Urteilsgründe den Schuldspruch auf eine Verurteilung wegen Vergewaltigung ab. Dass das Landgericht angesichts der Milderungsgründe von der Indizwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF – trotz Verwirklichung des Regelbeispiels – abgewichen ist, ändert nichts an der Bezeichnung der Tat als Vergewaltigung in der Urteilsformel (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2000 – 1 StR 78/00, BGHR StGB § 177 Abs. 2 Strafrahmenwahl 13; Beschluss vom 10. Mai 2001 – 3 StR 90/01, juris; BGH bei Pfister NStZ-RR 2000, 353, 357 mwN). Der Schuldspruchänderung steht § 265 StPO nicht entgegen.
21
bb) Da der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen kann, dass der Tatrichter bei Zugrundelegung des milderen Strafrahmens aus § 177 Abs. 1 StGB nF eine niedrigere Strafe im Fall II.1. der Urteilsgründe verhängt hätte, ist der Ausspruch über die Einzelstrafe und in der Folge über die Gesamtstrafe aufzuheben. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bleiben aufrechterhalten.
22
3. Soweit sich das Rechtsmittel gegen die Verurteilung im Übrigen richtet , bleibt es ohne Erfolg.
23
In den Fällen II.2. und II.3. der Urteilsgründe ist – bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise – die seit dem 10. November 2016 geltende Neuregelung des § 177 StGB gegenüber der vom Landgericht angewandten Vorschrift des § 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB aF kein milderes Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB.
24
Das Landgericht hat angesichts der Gesamttatumstände in den Fällen II.2. und II.3. der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte sexuelle Handlungen zum Nachteil beider Nebenkläger vorgenommen hat, rechtsfehlerfrei sowohl die Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF als auch ein Abweichen von der Indizwirkung des verwirklichten Regelbeispiels aus § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF abgelehnt. Der vom Landgericht folgerichtig zugrunde gelegte Strafrahmen aus § 179 Abs. 5 StGB aF, der Freiheitsstrafe von zwei bis zu 15 Jahren vorsieht, entspricht damit dem Strafrahmen des besonders schweren Falles aus § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB nF. Da die neue Vorschrift bei dieser nicht zu beanstandenden Betrachtungsweise kein milderes Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB darstellt, hat das Landgericht beide Taten im Ergebnis zutreffend nach § 179 StGB aF strafrechtlich geahndet.
Krehl Eschelbach Bartel
Grube Schmidt

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

Das Revisionsgericht hat auch dann nach § 354 zu verfahren, wenn es das Urteil aufhebt, weil zur Zeit der Entscheidung des Revisionsgerichts ein anderes Gesetz gilt als zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Entscheidung.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 366/16
vom
9. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person
ECLI:DE:BGH:2017:090517B4STR366.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 9. Mai 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 18. März 2016 – mit Ausnahme der Feststellungen, die bestehen bleiben – aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner auf eine Verfahrensbeanstandung und die Sachrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den Feststellungen kannte der Angeklagte den 1972 geborenen Nebenkläger, der unter einer leichten Intelligenzminderung leidet und schwerhörig ist, aus der Zeit seiner früheren Tätigkeit als Leiter einer Förderschule für geistige Entwicklung in M. .
3
Nachdem es anlässlich eines Schulfestes, an dem auch der Angeklagte und ehemalige Schüler der Förderschule teilgenommen hatten, wieder zum Kontakt zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger und in der Folgezeit zu einem ohne sexuelle Interaktion verlaufenden Besuch des Angeklagten beim Nebenkläger gekommen war, besuchte der Angeklagte an einem nicht mehr näher eingrenzbaren Tag zwischen 2010 und 2012 erneut den Nebenkläger in dessen Wohnung. Dort schauten beide Pornofilme mit heterosexuellen Handlungen. Der Angeklagte fragte den Nebenkläger sinngemäß, ob er einen „Stän- der“ habe, worauf dieser nichts entgegnete. Anschließend fasste der Angeklag- te oberhalb der Kleidung an den Penis des Nebenklägers, der daraufhin einmal „nein“ sagte, der sexuellen Zielsetzungdes Angeklagten aber nichts Weiteres entgegenzusetzen vermochte. Der Angeklagte forderte den geschockten und überrumpelten Geschädigten sodann auf, auch ihm an den Penis zu fassen, was der Nebenkläger auch tat. Nachdem sich beide im Wohnzimmer ausgezogen hatten, drang der Angeklagte mit seinem Penis, über den er ein Kondom gestreift hatte, anal in den Nebenkläger ein. Danach führte der Nebenkläger auf Aufforderung des Angeklagten den Oralverkehr bei diesem bis zum Samenerguss durch.
4
Der Geschädigte wollte den Sexualkontakt nicht und empfand großen Ekel. Aufgrund seiner Intelligenzminderung in Verbindung mit den Persönlich- keitsbesonderheiten und der Deprivation bei Sozialkontakten war er nicht in der Lage, sich gegen die homosexuellen Handlungen des Angeklagten zu wehren. Der Angeklagte, der – ausweislich der Ausführungen der Strafkammer im Rahmen der Beweiswürdigung – wusste, dass der Geschädigte den sexuellen Kontakt nicht wollte, kannte die geistige Behinderung und Persönlichkeitsstruktur des Geschädigten sowie die ihm aus Sicht des Geschädigten zukommende Autoritätsstellung. Die Defizite des Nebenklägers nutzte er bewusst zur Tatbegehung aus.

II.


5
Die Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen nach § 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB in der bis 9. November 2016 geltenden Fassung kann nicht bestehen bleiben, weil im Revisionsverfahren nicht ausgeschlossen werden kann, dass die durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I 2460) umgestaltete Vorschrift des § 177 StGB nF bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise gemäß § 2 Abs. 3 StGB als milderes Recht Anwendung findet.
6
1. Nach § 179 Abs. 1 StGB in der bis zum 9. November 2016 geltenden Fassung macht sich strafbar, wer eine Person, die aus den in der Norm näher genannten Umständen zum Widerstand unfähig ist, dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt. Widerstandsunfähigkeit im Sinne dieser Vorschrift setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass das Tatopfer – wenn auch nur vorübergehend – gänzlich unfähig ist, einen zur Abwehr ausreichenden Widerstandswillen gegen das sexuelle Ansinnen des Täters zu bilden, zu äußern oder durchzusetzen. Die Feststellung der Widerstandsunfähigkeit erfordert eine normative Entscheidung, die der Tatrichter auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung zu treffen hat, in welche auch das aktuelle Tatgeschehen und etwaige Beeinträchtigungen des Tatopfers durch die Tatsituation infolge Überraschung, Schreck oder Schock einzubeziehen sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15. März 1989 – 2 StR 662/88, BGHSt 36, 145, 147; Beschlüsse vom 23. September 1997 – 4 StR 433/97, NStZ 1998, 83; vom 23. November 2010 – 3 StR 410/10, NStZ 2011, 210; vom 10. August 2011 – 4 StR 338/11, NStZ 2012, 150; Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR 394/14, NStZ-RR 2015, 44, 45).
7
Das Landgericht ist – sachverständig beraten – aufgrund der gebotenen umfassenden Gesamtbetrachtung zu der Überzeugung gelangt, dass der Nebenkläger wegen seiner kognitiven Einschränkungen in Verbindung mit den weiteren Persönlichkeitsdefiziten und den besonderen Gegebenheiten der Tatsituation insoweit widerstandsunfähig war, als er zwar in der Lage war, einen den homosexuellen Handlungen entgegenstehenden Willen zu bilden und zu artikulieren, diesen Willen jedoch gegenüber dem Angeklagten bei der Tat nicht durchsetzen konnte. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Mit Blick auf die festgestellte anale und orale Penetration des Geschädigten hat die Strafkammer ferner zutreffend die Qualifikation des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF bejaht und ist im Rahmen der Strafzumessung von einem minder schweren Fall des schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF ausgegangen.
8
2. Mit dem am 10. November 2016 in Kraft getretenen Fünfzigsten Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I 2460) hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 179 StGB aF aufgehoben und mit dem neu gefassten § 177 StGB nF eine einheitliche Strafnorm zur Erfassung sexueller Übergriffe auf Menschen mit und ohne Behinderung geschaffen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz , BT-Drucks. 18/9097, S. 2, 21). Die neu gefasste Vorschrift des § 177 StGB nF enthält insbesondere in den Absätzen 1, 2 Nrn. 1 und 2 und Absatz 4 Nachfolgeregelungen zu § 179 StGB aF, die hinsichtlich des geschützten Rechtsguts und der inkriminierten Angriffsrichtung unverändert geblieben sind und damit einen identischen Unrechtskern aufweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2017 – 1 StR 52/17).
9
Da die Tatbestände des § 177 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB nF und die Qualifikationsnorm des § 177 Abs. 4 StGB nF ausschließlich an die Fähigkeit zur Bildung und Äußerung eines entgegenstehenden Willens anknüpfen, wird die nach altem Recht unter den Begriff der Widerstandsunfähigkeit subsumierte Unfähigkeit, einen Abwehrwillen gegenüber dem Täter zu realisieren, von diesen Vorschriften des neuen Rechts nicht erfasst (vgl. Renzikowski in MK-StGB, 3. Aufl., § 177 nF Rn. 60; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 177 Rn. 59). Das Hinwegsetzen über den artikulierten entgegenstehenden Willen des Tatopfers unterfällt vielmehr unabhängig von einer zustandsbedingten habituellen Unfähigkeit zur Durchsetzung dieses Willens lediglich dem Grundtatbestand des sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 StGB nF, der mit einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren eine gegenüber § 179 Abs. 1 StGB aF deutlich niedrigere Strafandrohung enthält. Bei der Vornahme des Beischlafs oder ähnlicher sexueller Handlungen, die das Opfer besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit dem Eindringen in den Körper verbunden sind, sieht das neue Recht in § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren vor.
10
3. Ob die nach § 354a StPO auch im Revisionsverfahren zu beachtende Änderung des materiellen Rechts bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise nach § 2 Abs. 3 StGB die Anwendung des neuen Rechts zur Folge hat, hängt von der als Strafzumessungsakt allein dem Tatrichter obliegenden Entscheidung über die Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ab und kann daher vom Senat auf der Grundlage der bisherigen, sich hierzu nicht verhaltenden Urteilsausführungen nicht abschließend beurteilt werden. Bei Annahme eines besonders schweren Falls entsprechend dem Regelbeispiel des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ist das neue Recht nicht milder und es verbleibt bei der Anwendung des § 179 StGB aF, während sich bei einem Absehen von der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF das neue Recht für den Angeklagten mit der Strafandrohung aus § 177 Abs. 1 StGB nF als günstiger darstellt, sodass es nach § 2 Abs. 3 StGB anzuwenden ist. Da das Landgericht von dem Normalstrafrahmen des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF, der wie § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren vorsieht, abgewichen ist und einen minder schweren Fall gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF mit einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren angenommen hat, kann der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen , dass der Tatrichter bei Zugrundelegung des neuen Rechts die Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF verneint hätte.
11
Der Senat hebt daher den Schuld- und Strafausspruch auf. Die rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen können bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen durch den neu zur Verhandlung und Entscheidung berufenen Tatrichter bleiben möglich.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 134/17
vom
12. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
5.
wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:120717U5STR134.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Juli 2017, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter Dr. Mutzbauer, Richter Prof. Dr. Sander, Richterin Dr. Schneider, Richter Dr. Berger, Richter Prof. Dr. Mosbacher als beisitzende Richter, Bundesanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt K. als Verteidiger des Angeklagten P. , Rechtsanwältin H. als Verteidigerin des Angeklagten S. , Rechtsanwalt L. als Verteidiger des Angeklagten Ka. , Rechtsanwalt La. als Verteidiger der Angeklagten He. , Rechtsanwalt E. als Verteidiger des Angeklagten M. , Rechtsanwältin Si. als Vertreterin der Nebenklägerin, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20. Oktober 2016 mit Ausnahme der Feststellungen zum Tatgeschehen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie die Revisionen der Angeklagten P. und He. werden verworfen. 4. Der Angeklagte P. hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 5. Es wird davon abgesehen, den Angeklagten S. und He. die Kosten ihrer Rechtsmittel aufzuerlegen; sie haben jedoch die der Nebenklägerin jeweils hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt: – P. und Ka. wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen sowie wegen gefährlicher Körperverletzung, den Angeklagten P. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren, den Angeklagten Ka. zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und acht Monaten, – S. wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen sowie wegen unterlassener Hilfeleistung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren, – M. wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person sowie wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und vier Monaten, – He. wegen Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen sowie wegen unterlassener Hilfeleistung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr.
2
Die Vollstreckung der Jugendstrafen hat es jeweils zur Bewährung ausgesetzt.
3
Gegen dieses Urteil haben die Angeklagten P. , He. und S. – dieser hat sein Rechtsmittel in der Hauptverhandlung zurückgenommen – sowie die Staatsanwaltschaft zu Lasten aller Angeklagten Revisionen eingelegt und diese jeweils mit der Verletzung materiellen Rechts begründet. Die Staatsanwaltschaft erstrebt insbesondere die Verurteilung der Angeklagten P. , M. und Ka. auch wegen Aussetzung (§ 221 StGB) und gefährlicher Körperverletzung in Form einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) und rügt die Strafzumessung. Während ihre Revisionen im tenorierten Umfang zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils führen, bleiben die Revisionen der Angeklagten ohne Erfolg.
4
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
5
Die Angeklagten Ka. (16 Jahre), S. (16 Jahre), He. (15 Jahre) und P. (21 Jahre) feierten bis in die frühen Morgenstunden des 11. Februar 2016 in der Wohnung des Angeklagten M. , der allein zu Hause war, dessen 14. Geburtstag. An der Feier nahm auch die 14-jährige B. , eine Mitbewohnerin der Angeklagten He. , teil und trank erhebliche Mengen Alkohol. Der Angeklagte Ka. und B. flirteten miteinander und zogen sich schließlich ins Schlafzimmer zurück, wo sie einvernehmlich Geschlechtsverkehr hatten. Nachdem Ka. das Schlafzimmer wieder verlassen hatte, fand die Angeklagte He. die Geschädigte entblößt und infolge ihres Alkoholkonsums nicht mehr ansprechbar auf der Schlafcouch vor. Unter Ausnutzung ihrer erkennbaren Widerstandsunfähigkeit führte der in seiner Steuerungsfähigkeit alkoholbedingt erheblich verminderte Angeklagte P. an der Geschädigten den ungeschützten vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss durch. Nachdem B. auf das Kopfkissen erbrochen hatte, fertigte zunächst der Angeklagte S. mit seinem Mobiltelefon Filmaufnahmen von der weitgehend Unbekleideten. Auf seine Idee hin führten er sowie die Angeklagten M. und Ka. , dessen Steuerungsfähigkeit ebenfalls alkoholbedingt erheblich vermindert war, der Geschädigten jeweils abwechselnd eine Bierflasche, der Angeklagte S. zudem eine Wodkaflasche in die Vagina ein. Von diesem Geschehen fertigten die Angeklagten S. , He. , Ka. und P. Videoaufnahmen mit Mobiltelefonen, wobei He. auch Anweisungen an die handelnden Personen gab. B. war während der gesamten Zeit infolge ihres Alkoholkonsums nicht in der Lage, einen Willensentschluss gegen das „sexuelle Ansinnen“ der Angeklagten zu bilden, zu äußern und durchzusetzen.
6
Als die Geschädigte schließlich zu schreien begann, schlug der Angeklagte Ka. vor, sie „rauszuschmeißen“. Ungeachtet des Widerspruchs von S. und He. verbrachten Ka. , M. und P. zwischen 6.30 Uhr und 6.50 Uhr das nur spärlich bekleidete, schreiende Mädchen bei Außentemperaturen um den Gefrierpunkt in einen Hinterhof, wo sie es liegen ließen und sich entfernten. Dabei nahmen sie billigend in Kauf, dass die Geschädigte eine Unterkühlung erleiden würde; ihren etwaigen Erfrierungstod billigten sie nicht. S. und He. kamen der Geschädigten nicht zu Hilfe. Um 6.53 Uhr wurde B. von Polizeikräften gefunden, die durch einen Nachbarn informiert worden waren. Sie erlitt eine Absenkung der Körpertemperatur auf 35,4 Grad Celsius und musste aufgrund ihrer erheblichen Alkoholisierung zunächst auf der Intensivstation behandelt werden. Nach dem Tatgeschehen zog sie sich zurück. Im Mai 2016 verließ sie die Jugendwohnung in H. und brach den Kontakt zu ihrer Familie und der Nebenklägervertreterin ab. Ihr Aufenthalt war im Zeitpunkt der tatgerichtlichen Hauptverhandlung unbekannt.
7
2. Die Revisionen der Angeklagten P. und He. sind unbegründet.
8
a) Die Verurteilungen wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen nach § 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 und 2 StGB in der bis 9. November 2016 geltenden Fassung bzw. Beihilfe hierzu können bestehen bleiben, weil ausgeschlossen werden kann, dass die durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I 2460) – umgestaltete Vorschrift des § 177 StGB nF bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise als milderes Recht Anwendung findet (§ 2 Abs. 3 StGB).
9
Die vom Angeklagten P. begangene sexuelle Handlung gegen die bereits zur Bildung bzw. Äußerung eines entgegenstehenden Willens unfähige Geschädigte (vgl. UA S. 19) sowie die sexuellen Missbrauchshandlungen der übrigen Angeklagten, zu denen die Angeklagte He. Hilfe geleistet hat, sind nach Inkrafttreten des genannten Gesetzes am 10. November 2016 von § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB erfasst (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. März 2017 – 1 StR 52/17, und vom 9. Mai 2017 – 4 StR 366/16). Diese Regelung stellt im Sinne notwendiger Unrechtskontinuität eine Nachfolgeregelung zu § 179 Abs. 1 StGB aF dar; denn sowohl das Schutzgut als auch die inkriminierte Angriffsrichtung sind unverändert geblieben.
10
Allerdings sieht § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB eine geringere Höchststrafe vor als § 179 Abs. 1 StGB aF, was sich auch auf die Gewichtung des von der jugendlichen Angeklagten He. verwirklichten Unrechts zu ihren Gunsten auswirken könnte. Indes haben die Angeklagten den Qualifikationstatbestand des § 179 Abs. 5 StGB aF in den Varianten der Nummern 1 und 2 verwirklicht; eine diese Varianten aufgreifende Strafschärfung mit identischem Strafrahmen sieht § 177 Abs. 6 Nr. 1 und 2 StGB vor, der jedoch lediglich Regelbeispiele eines besonders schweren Falls benennt. Ob die nach § 354a StPO auch im Revisionsverfahren zu beachtende Änderung des materiellen Rechts bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise nach § 2 Abs. 3 StGB die Anwendung des neuen Rechts zur Folge hat, hängt demnach von der als Strafzumessungsakt grundsätzlich allein dem Tatgericht obliegenden Entscheidung über die Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB ab (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2017 aaO).
11
Vorliegend kann der Senat jedoch bereits auf der Grundlage der Strafzumessungserwägungen des Landgerichts feststellen, dass ein Absehen von der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 und 2 StGB im konkreten Fall nicht in Betracht käme. Dies ergibt sich für den erwachsenen Angeklagten P. aus der Begründung, mit der das Landgericht die Anwendung des § 179 Abs. 6 StGB aF abgelehnt hat (UA S. 108). Für die jugendliche Angeklagte He. hat das Landgericht entsprechende Erwägungen im Rahmen der Prüfung der Schuldschwere angestellt (UA S. 96 ff.). Gemäß § 2 Abs. 1 StGB findet demnach weiterhin § 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 Alternative 2, Nr. 2 StGB aF Anwendung.
12
b) Die umfassende sachlichrechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils betreffend die zwei revidierenden Angeklagten hat keine Fehler zu ihrem Nachteil zutage treten lassen.
13
Die Feststellungen belegen die Beihilfe der Angeklagten He. zu den abgeurteilten sexualbezogenen Tathandlungen der übrigen Angeklagten nach Vollzug des Geschlechtsverkehrs durch den Angeklagten P. . Die Ahn- dung ihrer Taten mit Jugendstrafe ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Dass die Verhängung einer Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld – ungeachtet ihres Alters und fehlender Vorbelastungen – erzieherisch unerlässlich ist, hat das Landgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei dargelegt.
14
3. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind im tenorierten Umfang begründet ; im Übrigen sind sie unbegründet.
15
Die Schuldsprüche gegen die Angeklagten haben insgesamt keinen Bestand.
16
a) Da die Jugendkammer die Anfertigung der Videoaufnahmen von dem sexuellen Missbrauch der Geschädigten durch die Angeklagten nicht unter dem Gesichtspunkt des Herstellens oder Sichverschaffens jugendpornographischer Schriften (§ 184c Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StGB) bzw. der Beihilfe hierzu (Angeklagter M. , insoweit auch zu § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB) gewürdigt hat, können die – für sich genommen rechtsfehlerfreien – Schuldsprüche wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB), betreffend die Angeklagten P. , S. und Ka. , in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person, nicht bestehen bleiben.
17
b) Die Staatsanwaltschaft beanstandet ferner zu Recht, dass das Landgericht nicht geprüft hat, ob das Ablegen der Geschädigten in dem Hof bei einer Temperatur von etwa null Grad Celsius durch die Angeklagten P. , M. und Ka. den Tatbestand der Aussetzung (§ 221 StGB) erfüllt.
18
aa) In Frage kommt hier die Tatbestandsalternative des Versetzens in eine hilflose Lage (§ 221 Abs. 1 Nr. 1 StGB). In einer hilflosen Lage im Sinne von § 221 Abs. 1 StGB befindet sich, wer der – zunächst zumindest abstrakten – Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsbeschädigung ohne die Möglichkeit eigener oder fremder Hilfe ausgesetzt ist. Kennzeichnend hierfür ist das Fehlen hypothetisch rettungsgeeigneter sächlicher Faktoren und hilfsfähiger sowie generell auch hilfsbereiter Personen (BGH, Urteil vom 10. Januar 2008 – 3 StR 463/07, NStZ 2008, 395; SSW-StGB/Momsen, 3. Aufl., § 221 Rn. 3). Die betroffene Person muss sich in einem Zustand befinden, in dem sie schutzlos Lebens- oder Leibesgefahren preisgegeben ist, falls ihr nicht ein rettender Zufall zu Hilfe kommt (BGH, Urteile vom 24. Februar 1966 – 1 StR 587/65, BGHSt 21, 44, 45 f., und vom 5. Dezember 1974 – 4 StR 529/74, BGHSt 26, 35, 37, jeweils zu § 221 StGB aF). Versetzen in diesen Zustand ist das zurechenbare Hervorrufen oder Steigern einer hilflosen Lage; es ist auch gegeben, wenn der Täter das Opfer in eine Lage bringt, in der es mehr Hilfe nötig hat als in der früheren (MüKo-StGB/Hardtung, 2. Aufl., § 221 Rn. 8 ff.). Hierdurch muss die konkrete Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsbeschädigung eingetreten sein oder sich gesteigert haben (vgl. BT-Drucks. 13/9064 S. 14). Es muss indes nicht zum Eintritt einer schweren Gesundheitsbeschädigung oder des Todes gekommen sein.
19
bb) Nach diesen Maßstäben hätte der Erörterung bedurft, ob – was nahe lag – das Verbringen der alkoholbedingt nicht ansprechbaren und zu koordiniertem Verhalten unfähigen, spärlich bekleideten B. in den Hof als Versetzen in eine hilflose Lage anzusehen ist (vgl. KG, JR 1973, 72 f.). Angesichts der Tatsache, dass sich die abgesunkene Körpertemperatur der – noch zeitnah aufgefundenen (UA S. 24) – Geschädigten bereits der Grenze von 35 Grad Celsius genähert hatte, unterhalb derer eine Hypothermie angenom- men wird (UA S. 67), ihre Alkoholisierung eine Unterkühlung weiter förderte und – nach den im Urteil wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen, denen sich das Tatgericht angeschlossen hat – wegen ihrer erheblichen Alkoholisierung die Gefahr bestand, dass die Geschädigte einschlafen, erneut erbrechen und Erbrochenes dabei in die Lunge geraten würde, hätte sich das Urteil mit dem Eintreten bzw. Verstärken einer bereits konkreten Lebens- oder schweren Gesundheitsgefahr für die Geschädigte näher auseinandersetzen müssen. Einer solchen stand nicht ohne weiteres entgegen, dass die Geschädigte an einem Werktag gegen sieben Uhr in den Hinterhof eines „belebten“ Wohnhauses gebracht wurde (UA S. 70).
20
Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung der an sich rechtsfehlerfreien Schuldsprüche wegen gefährlicher Körperverletzung.
21
c) Die Schuldsprüche gegen die Angeklagten He. und S. wegen unterlassener Hilfeleistung können ebenfalls nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat sich nicht mit einer möglichen Strafbarkeit dieser Angeklagten wegen einer jeweils durch Unterlassen (§ 13 StGB) begangenen Aussetzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung auseinandergesetzt, obwohl dazu Anlass bestand.
22
Wie die gefährliche Körperverletzung kann auch die Aussetzung nach § 221 Abs. 1 Nr. 1 StGB durch Unterlassen begangen werden, wenn ein Garant das Aussetzen durch einen Dritten nicht verhindert (SSW-StGB/Momsen, aaO, § 221 Rn. 5). Eine Garantenstellung der beiden Angeklagten, die für sie die Pflicht zur Erfolgsabwendung begründet hat, kann sich hier aus ihrer Beteiligung an dem sexuellen Missbrauch der Geschädigten ergeben (vgl. BGH, Urteile vom 22. September 1992 – 5 StR 379/92, BGHSt 38, 356, 358; vom 23. Oktober 1985 – 3 StR 300/85, StV 1986, 59 f., und vom 12. September 1984 – 3 StR 245/84, BGH, NStZ 1985, 24; Beschluss vom 22. Dezember 1981 – 1 StR 729/81, StV 1982, 218). Sie setzt voraus, dass ihr Vorverhalten die na- he Gefahr eines Eintritts gerade des tatbestandsmäßigen Erfolges herbeigeführt hat (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 8. März 2017 – 1 StR 466/16, NJW 2017, 2052, 2054). Insoweit liegt nicht fern, dass gerade die entwürdigende sexuelle Misshandlung des widerstandsunfähigen Opfers, die ganz wesentlich von diesen beiden Angeklagten initiiert und bestärkt wurde, mitursächlich dafür war, dass die anderen Angeklagten die Geschädigte in den Hof trugen. Denn bei diesen kann – im Rahmen des gruppendynamischen Geschehens – der Eindruck entstanden sein, man könne mit der Geschädigten nach Belieben wie mit einer Sache verfahren und sie deshalb auch in lebensgefährdender Weise auf dem Hof geradezu „entsorgen“. Zugleich war Anlass für diese Behandlung der Geschädigten, dass sie naheliegenderweise aufgrund der Misshandlungen , an denen die beiden Angeklagten maßgeblich beteiligt waren, zu schreien anfing. Auch damit hätte sich das Landgericht auseinandersetzen müssen.
23
Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Schuldsprüche wegen unterlassener Hilfeleistung.
24
d) Einen weiteren Rechtsfehler stellt schließlich die Nichterörterung von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB bezüglich der Angeklagten P. , M. und Ka. dar, die sich zu ihren Gunsten auf ihre Strafen ausgewirkt haben kann.
25
Das Ablegen eines spärlich bekleideten, schwerstalkoholisierten Menschen im Freien bei einer Außentemperatur von etwa Null Grad Celsius begründet für sich genommen typischerweise eine abstrakte Gefahr für dessen Leben im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB als Folge einer Unterkühlung; das Entstehen einer konkreten Lebensgefahr ist zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht erforderlich. Vor diesem Hintergrund fehlen ausreichende Erörterungen dazu, warum die Jugendkammer diese abstrakte Gefahr vorliegend ausnahmsweise als nicht gegeben erachtet hat.
26
e) Die Überprüfung des Urteils auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft hat hingegen keinen Rechtsfehler zu Lasten der Angeklagten S. , M. und Ka. ergeben (§ 301 StPO). Die Ausführungen zur Anwendung von § 179 StGB bei den Angeklagten P. und He. (vgl. oben 2. a) gelten angesichts der Erwägungen, die das Landgericht auch hinsichtlich der übrigen Angeklagten im Rahmen der Prüfung der Schuldschwere angestellt hat (vgl. UA S. 85 f., 91 f. und 103 f.), bei diesen entsprechend.
27
4. Einer Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum objektiven und subjektiven Tatgeschehen bedarf es nicht. Sie können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.
28
5. Für die neue tatgerichtliche Verhandlung weist der Senat abschließend auf Folgendes hin:
29
Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft ist nicht zu beanstanden , dass das Landgericht im Falle des Angeklagten P. nur einen schweren sexuellen Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person in der Begehungsweise des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB (Beischlaf) und nicht auch in der Variante des § 179 Abs. 5 Nr. 2 StGB (von mehreren gemeinschaftlich) angenommen hat. Denn bei Vollzug des Geschlechtsverkehrs an der widerstandsunfähigen Geschädigten befand er sich mit dieser allein im Schlafzimmer; die übrigen Angeklagten waren hieran nicht beteiligt. An den weiteren Missbrauchshandlungen durch Einführen von Flaschen hat er nicht – wie für die Annahme der Verwirklichung des § 179 Abs. 5 Nr. 2 StGB erforderlich – als Mittäter mitgewirkt (vgl. zu § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB aF: BGH, Beschluss vom 10. Januar 2017 – 3 StR 278/16, StV 2017, 387).
30
Soweit sich dieser Angeklagte mit der Anfertigung von Filmaufnahmen als Gehilfe an dem sexuellen Missbrauch der Geschädigten durch die übrigen männlichen Mitangeklagten beteiligt haben kann, liegt angesichts der – was ihn betrifft – bloßen Fortsetzung der Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit der Geschädigten nach Vollzug des Geschlechtsverkehrs bei natürlicher Auffassung des Gesamtvorganges ein einheitliches Tatgeschehen vor. Daher geht eine etwaige Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch einer Widerstandsunfähigen in dem täterschaftlich verwirklichten Delikt auf (vgl. LK-StGB/Rissingvan Saan, 12. Aufl., § 52 Rn. 18).
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Mosbacher

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 43/17
vom
16. Mai 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person
ECLI:DE:BGH:2017:160517B3STR43.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 16. Mai 2017 gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 24. Oktober 2016 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision erweist sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StGB.
2
1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte nach einem gemeinsamen Gasthausbesuch der Nebenklägerin, die eine Blutalkoholkonzentration von mindestens drei Promille aufwies und sich nicht mehr selbständig fortzubewegen vermochte, und deren Freundin vorgeschlagen , in seiner Wohnung zu übernachten. Dort entkleidete er - ohne dass sie dies bemerkte - den Unterleib der auf dem Bett schlafenden Nebenklägerin und fasste an ihre Brüste. Hiervon erwachte die Nebenklägerin, die erfolglos ver- suchte, die Hände des Angeklagten wegzuschieben, was ihr jedoch nicht gelang , weil sie die Arme kaum heben konnte. Der Angeklagte drehte die reglos daliegende Geschädigte nun auf den Rücken, drang mit seinem Glied in ihre Scheide ein und vollzog ungeschützt den Geschlechtsverkehr. Dabei war ihm bewusst, dass die Nebenklägerin infolge der massiven Alkoholintoxikation und ihrer Übermüdung nicht in der Lage war, seinem Verhalten entgegenzutreten. Die Nebenklägerin gab allerdings durch Hin- und Herwerfen ihres Kopfes und die wiederholt gemurmelte Aufforderung, dies zu unterlassen, zu verstehen, dass sie mit dem Geschlechtsverkehr nicht einverstanden war, bevor sie wieder einschlief.
3
2. Das Landgericht hat dieses Verhalten rechtsfehlerfrei nach dem zur Tatzeit und noch zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung geltenden Recht als schweren sexuellen Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person nach § 179 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB aF gewertet. Zwar ist danach das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460 ff.) in Kraft getreten, was der Senat bei seiner Entscheidung gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO zu berücksichtigen hat. Das angefochtene Urteil hat jedoch auch unter Beachtung der neuen Gesetzeslage Bestand, da sich diese im konkreten Fall nicht als milderes Recht im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB darstellt. Im Einzelnen :
4
a) Der Missbrauch widerstandsunfähiger Personen wurde durch § 179 Abs. 1 StGB aF im Grundtatbestand mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht. Als widerstandsunfähig im Sinne der Vorschrift wurde angesehen, wer aus einem der dort genannten Gründe - wenn auch nur vorübergehend - keinen zur Abwehr ausreichenden Widerstandswillen gegen das sexuelle Ansinnen des Täters bilden, äußern oder durchsetzen konnte (st.
Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15. März 1989 - 2 StR 662/88, BGHSt 36, 145, 147; Beschlüsse vom 23. November 2010 - 3 StR 410/10, NStZ 2011, 210; vom 10. August 2011 - 4 StR 338/11, NStZ 2012, 150; Urteil vom 5. November 2014 - 1 StR 394/14, NStZ-RR 2015, 44, 45).
5
Das neue Recht enthält demgegenüber im Grundtatbestand differenzierende Regelungen. § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB nF erfasst die Fälle, in denen das Opfer nicht mehr fähig ist, einen der sexuellen Handlung entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern. Ist das Opfer infolge seines körperlichen oder psychischen Zustands nur erheblich eingeschränkt zur Bildung oder Äußerung eines derartigen Willens in der Lage und versichert sich der Täter nicht der Zustimmung des Opfers zu der sexuellen Handlung, so unterfällt die Tat § 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB nF. Vermag das Opfer dagegen - wie hier - noch einen ablehnenden Willen zu bilden und zu äußern, setzt sich der Täter jedoch darüber hinweg, so greift § 177 Abs. 1 StGB nF ein. In allen diesen Fällen wird die Tat als sexueller Übergriff mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedroht. Infolge dieser geringeren Strafdrohung kann sich § 177 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 oder 2 StGB nF im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB als milderes Gesetz im Vergleich zu § 179 Abs. 1 StGB aF darstellen (BGH, Beschluss vom 4. April 2017 - 3 StR 524/16, juris Rn. 4).
6
b) Allerdings hat der Angeklagte mit der Geschädigten den Beischlaf vollzogen. In einem solchen Fall, für den der vom Landgericht zur Anwendung gebrachte Qualifikationstatbestand des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF eine Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren vorsah, enthält auch das neue Recht in § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall des sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 und Abs. 2 StGB nF, bei dessen Vorliegen dem Täter ebenfalls eine Mindeststrafe von zwei Jahren droht. Allerdings folgt hieraus nicht, dass der Strafrahmen für Taten, die nach früherer Rechtslage im Grundtatbestand von § 179 Abs. 1 StGB aF erfasst waren , nun aber § 177 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 bzw. 2 StGB nF unterfallen, ohne weiteres identisch ist, wenn der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht. Denn während § 179 Abs. 5 StGB aF einen Qualifikationstatbestand enthielt, der bei Vollzug des Beischlafs - auch bei Annahme eines minder schweren Falles (vgl. § 179 Abs. 6 aF) - zwingend einen gegenüber dem Grundtatbestand des § 179 Abs. 1 StGB aF höheren Strafrahmen vorsah, stellt es eine allein dem Tatrichter obliegende Entscheidung der Strafzumessung dar, ob er es bei der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF belässt. In einem solchen Fall ist das neue Recht nicht milder und es verbleibt bei der Anwendung des § 179 StGB aF, während sich bei einem Absehen von der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF das neue Recht für den Angeklagten mit der Strafandrohung aus § 177 Abs. 1 StGB nF als günstiger darstellt, so dass es nach § 2 Abs. 3 StGB anzuwenden ist.
7
3. Vor diesem Hintergrund hat das Urteil Bestand. Der Senat kann ausschließen , dass das Landgericht, hätte es das neue Recht angewandt, von der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF abgegangen wäre und eine niedrigere Strafe als die festgesetzte von drei Jahren und sechs Monaten verhängt hätte. Es ist bei der Bemessung der Strafe von dem Normalstrafrahmen des § 179 Abs. 5 Nr. 1 StGB aF ausgegangen. Einen minderschweren Fall gemäß § 179 Abs. 6 StGB aF hat es nach ausführlicher und rechtlich nicht zu beanstandender Gesamtabwägung verneint. Diese Gründe hätten das Landgericht aber ebenso veranlasst, es bei der Regelwirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB nF zu belassen.
Becker Gericke Spaniol Tiemann Berg

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 471/13
vom
3. Dezember 2013
in der Strafsache
gegen
wegen fahrlässiger Tötung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
- zu 1.b) und 2. auf dessen Antrag hin - und des Beschwerdeführers
am 3. Dezember 2013 gemäß § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 9. April 2013
a) wird Ziffer 4 des Tenors dieses Urteils dahin geändert, dass festgestellt ist, dass der Angeklagte verpflichtet ist, den Adhäsionsklägern 75% der künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Versicherer übergegangen sind,
b) entfällt Ziffer 5 des Tenors und
c) wird insofern von einer Entscheidung über die Adhäsionsanträge abgesehen.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern durch dieses entstandenen notwendigen Auslagen insgesamt sowie die in der Revisionsinstanz im Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen der Adhäsionskläger zu 90% zu tragen. Zu 10% haben die Adhäsionskläger als Gesamtschuldner die in der Revisionsinstanz im Adhäsionsverfahren ent- standen gerichtlichen Auslagen und die dem Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.
4. Die Beschwerde des Angeklagten gegen die Kostenentscheidung des landgerichtlichen Urteils wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit (vorsätzlicher) Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Ferner hat es ihn zur anteiligen Zahlung der Beerdigungskosten sowie eines Schmerzensgeldes an die Adhäsionskläger verurteilt und festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, den Adhäsionsklägern 75% der entstandenen oder der künftig entstehenden - über den zuerkannten Schmerzensgeldbetrag hinausgehenden - materiellen und immateriellen Schäden aus der Tat vom 18. März 2012 zu erstatten (Ziffer 4 des Tenors), und dass die Ansprüche der Adhäsionskläger aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung herrühren (Ziffer 5 des Tenors). Gegen das Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, der zudem gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts Beschwerde eingelegt hat. Die Rechtsmittel führen zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung der Adhäsionsentscheidungen.
2
1. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuld- und Strafausspruch richtet. Auch soweit sie sich gegen die Verurteilung zur anteiligen Zahlung der Beerdigungskosten und zu Schmerzensgeld an die Adhäsionskläger wendet, hat sie keinen Erfolg.
3
2. Die Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, den Adhäsionsklägern 75% der entstandenen oder künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten, hält dagegen der rechtlichen Überprüfung nur teilweise stand.
4
a) Entfallen muss die Feststellung, dass der Angeklagte verpflichtet ist, den Adhäsionsklägern die weiteren, bereits entstandenen materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten. Insofern haben die Adhäsionskläger weder geltend gemacht, noch ist aus ihrem Vortrag ansonsten ersichtlich, welche Schäden bereits entstanden sein könnten und warum sie nicht in der Lage sind, diese Schäden schon jetzt zu beziffern. Für die Feststellungsklage mangelt es daher am Feststellungsinteresse (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2008 - X ZR 6/06; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 256 Rn. 7a mwN).
5
b) Hinsichtlich der künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden besteht zwar aufgrund der vorgelegten Atteste und Gutachten das Feststellungsinteresse (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2013 - 2 StR 306/13, Rn. 12). Jedoch ist die Adhäsionsentscheidung insofern im Hinblick auf § 116 SGB X bzw. § 86 VVG unter den Vorbehalt zu stellen, dass eine Ersatzpflicht nur insoweit besteht, als die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Versicherer übergegangen sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 17. Januar 2013 - 4 StR 459/12; vom 18. September 2013 - 5 StR 373/13).
6
3. Entfallen muss ferner Ziffer 5 des Tenors. Denn die Schadensersatzverbindlichkeiten desjenigen, der - wie hier - vorsätzlich im Straßenverkehr ein Fahrzeug geführt hat, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen, und dadurch fahrlässig Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet hat, beruhen nicht auf Schadensersatz wegen einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung im Sinne des § 302 Nr. 1, § 174 Abs. 1 InsO (BGH, Urteil vom 21. Juni 2007 - IX ZR 29/06, NJW 2007, 2854, 2855). Da die Adhäsionskläger allein auf diese Vorschriften das Feststellungsinteresse stützen, ist die Klage - wie der Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 18. Oktober 2013 zutreffend ausgeführt hat - insofern unzulässig.
7
4. Der Senat hat im Hinblick auf den nur geringen Erfolg der Revision keinen Anlass, den Angeklagten von den Kosten der Rechtsmittel zu entlasten. Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen im Adhäsionsverfahren ergibt sich aus § 472a StPO. Eine Änderung der vom Landgericht zu den Kosten und Auslagen des Adhäsionsverfahrens getroffenen Entscheidung war angesichts des vom Tatgericht insofern ausgeübten Ermessens nicht geboten. Die Kostenbeschwerde des Angeklagten hat daher keinen Erfolg.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 306/13
vom
26. September 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 26. September 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 10. Januar 2013
a) im Fall II.3 der Urteilsgründe,
b) in den Strafaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen
c) hinsichtlich der Adhäsionsentscheidung, soweit darin eine Feststellungsentscheidung bezüglich der Erstattung weiterer materieller Schäden ergangen ist, aufgehoben. Von einer Entscheidung über den aufgehobenen Teil des Entschädigungsantrags des Adhäsionsklägers wird abgesehen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen schweren Raubs, Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer weiteren Entscheidung zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren, den Angeklagten B. wegen derselben Delikte sowie darüber hinaus wegen Diebstahls ebenfalls unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die auf die Verletzung förmlichen und materiellen Rechts gestützten Revisionen haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.

I.

2
Hinsichtlich des Schuldspruchs im Fall II.3 der Urteilsgründe haben die Revisionen mit einer gleichlautenden Verfahrensrüge Erfolg, so dass es auf die Sachrüge insoweit nicht mehr ankommt. Der Schuldspruch im Übrigen begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
3
1. Der Verfahrensrüge liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde:
4
Am neunten Hauptverhandlungstag stellte der Verteidiger des Angeklagten B. einen Beweisantrag, den Zeugen A. unter anderem zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass dieser Anfang Januar 2012 über die Vermittlung des Zeugen U. von Rö. eine Gaspistole erhalten und mit dieser gemeinsam mit einem Freund in der Nacht des darauf folgenden Tags die Spielhalle in R. auf der K. Straße überfallen habe. Der Verteidiger des Angeklagten R. schloss sich dem Beweisantrag an, den die Kammer mit Beschluss vom gleichen Tag zurückwies. Zur Begründung führ- te das Landgericht aus, es handele sich nicht um einen Beweisantrag, da die Bezeichnung des Tatorts "Die Spielhalle in R. auf der K. Straße" nicht hinreichend bestimmt sei. Außerdem wies die Kammer darauf hin, dass nach der Bekundung des Zeugen U. eine silberfarbene Gaspistole im Umlauf gewesen sei, während ausweislich der Lichtbilder und des Videos vom Tatort ausschließlich schwarzfarbene pistolenähnliche Gegenstände eingesetzt worden seien. Weshalb der Zeuge A. deshalb eigene Wahrnehmungen zu einem mit einer schwarzen Pistole begangenen Überfall bekunden können soll, sei weder ersichtlich noch von der Verteidigung mitgeteilt. Daraufhin stellte der Verteidiger des Angeklagten R. u.a. unter Beweis, der Zeuge A. werde bekunden, dass er von Rö. am 2. Januar 2012 eine Gaspistole bekommen, am darauffolgenden zwei weitere schwarzfarbene Gaspistolen von einem Bekannten erhalten und mit diesen zusammen mit jenem Bekannten in der Nacht des 3. Januar 2012 die Spielhalle " " in R. auf der K. Straße überfallen habe. Den Beweisantrag, dem sich nunmehr der Verteidiger des Angeklagten B. anschloss, wies die Kammer ebenfalls zurück. Es fehle an einer zulässigen Beweisbehauptung und damit an einem Beweisantrag, soweit nunmehr behauptet werde, der Zeuge könne bestätigen, mit einem Bekannten die Spielhalle " " am 3. Januar 2012 überfallen und dabei eine schwarzfarbene Pistole verwendet zu haben. Beide Angeklagte und beide Verteidiger hätten im ersten Antrag auf Vernehmung dieses Zeugen noch behauptet, dieser habe den Überfall mit der im Antrag vorbenannten Pistole (nach dem bisherigen Beweisergebnis sei diese silberfarben) begangen. Weshalb die gleichartige Behauptung nunmehr unter Bezugnahme auf eine andere Pistolenfarbe aufgestellt werden könne, sei für die Kammer nicht nachvollziehbar. Diesen Widerspruch hätten die Verteidiger auf Nachfrage nach der Herkunft ihres Wissens auch nicht aufgelöst.
5
2. Schon die Ablehnung des ersten Beweisantrages, dessen Beweisbehauptung auch nicht im Rahmen des zweiten Antrags zurückgenommen worden ist, erweist sich als rechtsfehlerhaft und führt zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II.3.
6
a) Entgegen der Ansicht des Landgerichts erfüllte der Antrag alle Voraussetzungen eines Beweisantrags. Insbesondere war er hinreichend bestimmt , soweit er die Behauptung eines Überfalls auf "die Spielhalle in R. auf der K. Straße" enthielt. Erkennbar war insoweit die Spielhalle in Bezug genommen, deren Überfall den Angeklagten am 3. Januar 2012 vorgeworfen worden war. Andere Gründe für die Annahme, es liege kein Beweisantrag vor, sind nicht ersichtlich. Insbesondere gestattet die Erwägung der Strafkammer, es sei weder ersichtlich noch von der Verteidigung mitgeteilt, warum der Zeuge eigene Wahrnehmungen zu einem mit einer schwarzen Pistole begangenen Überfall bekunden können soll, nicht den Schluss, es liege kein Beweisantrag vor. Sie belegt vielmehr nur, dass die Strafkammer die Erfolgsaussichten des Beweisantrags unter Berücksichtigung des bisherigen Beweisergebnisses und damit unter Verstoß gegen das Verbot einer antizipierenden Beweiswürdigung beurteilt hat.
7
b) Damit hätte der Antrag nur zurückgewiesen werden können, wenn ein gesetzlicher Ablehnungsgrund nach § 244 Abs. 3 bis 5 StPO gegeben gewesen wäre. Ein solcher aber ist weder ausdrücklich mitgeteilt noch lässt er sich den Beschlussgründen im Übrigen entnehmen. Daraus, dass der Zeuge A. zu der unter Beweis gestellten Behauptung, der Begehung eines Überfalls mit der von Rö. übergebenen Gaspistole, aus Sicht der Kammer unter Berücksichtigung der Angaben des schon vernommenen Zeugen U. nichts aus eigener Wahrnehmung bekunden können soll, weil die von Rö. übergebene Pistole silberfarben gewesen sein soll, bei dem Überfall aber schwarze verwendet worden sind, lässt sich kein gesetzlicher Ablehnungsgrund herleiten. Insbesondere war damit das für diese Behauptung angegebene Beweismittel nicht von vornherein ungeeignet.
8
c) Aus der Stellung des zweiten Beweisantrags lässt sich - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - nicht folgern, damit sei der erste Antrag insgesamt zurückgenommen, so dass dessen Zurückweisung mit der Revision nicht mehr geltend gemacht werden könne. So erklärt sich der später gestellte Antrag allein aus der Existenz des ersten, an dessen (fehlerhafte) Ablehnung er inhaltlich anknüpft. Darin eine Rücknahme des zuerst gestellten Beweisbegehrens zu sehen, ließe diesen prozessualen Zusammenhang außer Betracht, bei dem die Angeklagten lediglich auf die (fehlerhafte) Ablehnungsbegründung der Strafkammer reagieren und ersichtlich nicht ihre ursprünglich unter Beweis gestellte Behauptung aufgeben wollten. Dies erhellt sich im Übrigen daraus, dass beiden Anträgen die (Kern-)Behauptung inne wohnt, der Zeuge A. könne bekunden, am fraglichen Tag zusammen mit einer dritten Person den dem Angeklagten vorgeworfenen Überfall auf die Spielhalle in R. begangen zu haben.
9
d) Auf der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags beruht auch die angefochtene Entscheidung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Zeuge A. wie behauptet bestätigt hätte, er habe zusammen mit einer anderen Person den fraglichen Überfall begangen, und dass sich das Landgericht angesichts einer solchen Aussage nicht (mehr) von der Täterschaft der beiden Angeklagten hätte überzeugen können.

II.


10
Der Wegfall des Schuldspruchs im Fall II.3 zieht ohne Weiteres die Aufhebung der Strafaussprüche nach sich.

III.

11
Die Adhäsionsentscheidung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken , soweit darin festgestellt wird, dass der Angeklagte R. verpflichtet ist, dem Adhäsionskläger S. den diesem aus der Tat vom 24. April 2011 erwachsenen materiellen Schaden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen.
12
Die Feststellung einer Ersatzpflicht für künftige Schäden setzt nach der auch für das Adhäsionsverfahren geltenden Rechtsprechung der Zivilgerichte (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juli 2003 - 4 StR 222/03) voraus, dass aus dem festzustellenden Rechtsverhältnis mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Ansprüche entstanden sind oder entstehen können (BGH, Beschluss vom 29. Juli 2003 - 4 StR 222/03; s. Senat, Urteil vom 27. Februar 2013 - 2 StR 206/12; Beschluss vom 12. März 2013 - 2 StR 603/12). Bei schweren Verletzungen kann ein Feststellungsanspruch nur dann verneint werden, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Beurteilung kein Grund bestehen kann, mit Spätfolgen wenigstens zu rechnen. In diesen Fällen kann es genügen, dass eine nicht eben entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Schadensersatzpflicht durch das Auftreten weiterer Leiden besteht (BGH, Urteil vom 11. Mai 1993 - VI ZR 243/92, NJW 1993, 2382, 2383; Urteil vom 15. Juli 1997 - VI ZR 184/96, NJW 1998, 160). Dass ein künftiger Schaden aber bloß möglich ist, reicht auch insoweit nicht aus.
13
Nach diesen Maßstäben sind die Voraussetzungen für einen Feststellungsanspruch den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Die formelhafte Erwägung der Strafkammer, die Entstehung künftiger Schäden sei hinreichend wahrscheinlich (UA S. 31), ist nicht mit Tatsachen belegt, die für die Annahme eines Dauer- oder Folgeschadens sprechen könnten. Sie steht im Übrigen im Widerspruch zu der an anderer Stelle zu findenden Feststellung des Landgerichts , der dem Adhäsionskläger durch den Angeklagten verursachte Nasenbeinbruch sei ohne Dauerfolgen verheilt (UA S. 12). Angesichts dessen ist für die Zuerkennung eines Feststellungsanspruchs kein Raum. Insoweit war daher - auch weil neue Feststellungen, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten , nicht zu erwarten sind - von einer weiteren Entscheidung über den Entschädigungsantrag des Adhäsionsklägers abzusehen. Fischer Schmitt Krehl Ott Zeng

(1) Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.

(2) Anstifter und Gehilfen stehen Mittätern gleich.

(1) Sind für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden mehrere nebeneinander verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner.

(2) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 831, 832 zum Ersatz des von einem anderen verursachten Schadens verpflichtet ist, auch der andere für den Schaden verantwortlich, so ist in ihrem Verhältnis zueinander der andere allein, im Falle des § 829 der Aufsichtspflichtige allein verpflichtet.

(3) Ist neben demjenigen, welcher nach den §§ 833 bis 838 zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, ein Dritter für den Schaden verantwortlich, so ist in ihrem Verhältnis zueinander der Dritte allein verpflichtet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 351/16
vom
8. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen gefährlicher Körperverletzung
ECLI:DE:BGH:2016:081216U1STR351.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Dezember 2016, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Prof. Dr. Jäger und die Richterinnen am Bundesgerichtshof Cirener, Dr. Fischer, Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten J. , Rechtsanwältin als Verteidigerin des Angeklagten K. , Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten M. , Rechtsanwalt als Vertreter des Nebenklägers D. , Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 14. Dezember 2015 im Strafausspruch und im Adhäsionsausspruch aufgehoben. Im Übrigen wird die Revision verworfen. 2. Auf die Revisionen der Angeklagten J. und M. wird das vorgenannte Urteil aufgehoben , soweit die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Der Adhäsionsausspruch hinsichtlich des Angeklagten M. wird aufgehoben. Hinsichtlich des Angeklagten J. bleibt der Adhäsionsausspruch mit der Maßgabe bestehen, dass Zinsen auf den im Wege des Adhäsionsverfahrens dem Nebenkläger zuerkannten Betrag ab dem 16. Oktober 2015 zu entrichten sind. Die weitergehenden Revisionen dieser Angeklagten werden verworfen. 3. Die Revision des Nebenklägers wird verworfen. Der Nebenkläger trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen. 4. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt, den Angeklagten J. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten, den Angeklagten M. unter Einbeziehung weiterer Verurteilungen zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten und den Angeklagten K. unter Einbeziehung weiterer Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Außerdem hat das Landgericht eine Adhäsionsentscheidung getroffen, in der es die Angeklagten verurteilt hat, als Gesamtschuldner an den Geschädigten D. ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.500 € nebst Zinsen zu bezahlen.
2
Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten J. und K. die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Angeklagten M. und J. beanstanden die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt; M. wendet sich ausdrücklich auch gegen die Höhe des dem Nebenkläger im Adhäsionsausspruch zuerkannten Schmerzensgeldes.
3
Der Nebenkläger rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet, dass die Angeklagten, vor allem der Angeklagte J. , nicht auch wegen eines versuchten Tötungsdelikts verurteilt worden sind. Die Revisionen der Angeklagten haben teilweise Erfolg; die Revision des Nebenklägers bleibt ohne Erfolg.

I.


4
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts befand sich der Angeklagte M. am 20. Dezember 2014 mit seiner Freundin L. und seinem Bekannten C. im Zug. Der 18-jährige dunkelhäutige Asylbewerber D. aus Mali ging durch den Waggon und ließ auf Höhe der drei Fahrgäste eine größere Menge Speichels zu Boden tropfen. Der Speichel traf auch den Schuh von L. , die zuvor bereits am Bahnhof von einer Gruppe dunkelhäutiger Personen belästigt worden war. M. versuchte, die anderen beiden Angeklagten telefonisch und mit Textnachrichten zu erreichen, erreichte aber nur K. . Er bestellte ihn zum nächsten Halt des Zuges, weil er dort D. verprügeln wollte.
5
Der Angeklagte K. teilte J. telefonisch mit, dass sein Bruder M. „Stress mit Schwarzen“ habe, worauf J. seinen Bruder zurückrief. M. erklärte ihm die Situation und bestellte ihn zum Bahnhof, damit er ihn bei der geplanten Prügelei unterstütze. J. steckte einen roten Nothammer ein, wie er zum Einschlagen von Scheiben in Zügen und Bussen bereitgehalten wird, um ihn bei den zu erwartenden Tätlichkeiten einzusetzen.
6
Als der Zug hielt, stieg M. aus, rannte zu den beiden wartenden Mitangeklagten und besprach sich kurz mit ihnen. Seine Freundin L. verließ den Zug, um zum Elternhaus der Brüder Ml. zu gehen. Als die Angeklagten M. und J. zum Zug blickten, sahen sie D. im Türbereich des Zuges stehen und obszöne Gesten in ihre Richtung machen. Er fasste sich in den Schritt und simulierte mit dem Mund den Oralverkehr. Dadurch fühlten sich die Brüder Ml. provoziert.
7
Nun rannten alle drei Angeklagten, die Brüder voraus – K. folgte in einigem Abstand – auf den Zug zu und stiegen ein. Sie drängten D. zurück in den Zug und begannen entsprechend ihrem gemeinsamen Tatplan D. zu dritt mehrfach mit den Fäusten – auch gegen den Kopf – zu schlagen. Dann zogen sie ihm die Kapuze seiner Winterjacke über den Kopf. J. schlug dem Geschädigten mit dem Nothammer mindestens zweimal kräftig auf den von der Kapuze bedeckten Kopf. Dabei war ihm bewusst , dass diese Schläge potentiell dazu geeignet waren, das Leben des Geschädigten in Gefahr zu bringen. Ihm kam es jedoch nur darauf an, ihn durch die Schläge zu verletzen.
8
M. und K. , die von der Mitnahme und dem geplanten Einsatz des Nothammers keine Kenntnis gehabt hatten, billigten dessen Einsatz nicht.
9
Der Geschädigte ging zu Boden. Als sich der Fahrgast P. näherte , liefen die drei Angeklagten weg, um ihre Identifizierung und Ergreifung zu verhindern. Im Übrigen hatten sie ihr Ziel, den Geschädigten zu maßregeln, nach ihrer Vorstellung erreicht.
10
Der Geschädigte erlitt durch die Schläge mit dem Hammer zwei stark blutende, sternförmige Riss-Quetschwunden am linken Hinterhaupt und auf der Schädelhöhe, die genäht werden mussten. Zudem zog er sich eine Schwellung hinter dem rechten Ohr und eine linksseitige Schulterprellung zu.
11
2. Das Landgericht hat den Sachverhalt bei allen Angeklagten als gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, bei J. zusätzlich nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB, bewertet. Von einem Tötungsvorsatz konnte sich die Kammer nicht überzeugen.

II.


12
Das Rechtsmittel des Angeklagten K. hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
13
1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen tragen die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB; ergänzend verweist der Senat insoweit auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts.
14
2. Der Strafausspruch hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die diesen Angeklagten betreffenden Strafzumessungserwägungen weisen in mehreren Punkten Rechtsfehler auf.
15
Das Landgericht hat im Rahmen der Strafzumessung das Folgende aus- geführt: „Zu seinen Lasten waren die von ihm verursachten nicht unerheblichen Verletzung[en] des Opfers zu werten. Zum anderen war die Tatsache zu wer- ten, dass die Angeklagten zu dritt auf ein einzelnes Opfer einschlugen…. Dar- über hinaus war zu seinen Lasten zu werten, dass er von den vorangegangenen Provokationen des Geschädigten selbst nicht betroffen war.“
16
a) Hätte das Opfer dem Angeklagten K. durch eine Provokation Anlass zur Tat gegeben, wäre dies ein Umstand, der den körperlichen Übergriff in einem milderen Licht erscheinen lassen könnte. Mit der Erwägung, der Angeklagte sei vom Opfer nicht provoziert worden, wird daher zu Lasten des Angeklagten unzulässig das Fehlen eines Milderungsgrunds in die Strafzumessung eingestellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. November 2013 – 1 StR 525/13, NStZ 2015, 517; vom 8. Januar 2015 – 2 StR 233/14, NStZ 2015, 333 f. und vom 15. September 2015 – 2 StR 21/15, NStZ-RR 2016, 40).
17
b) Die Erwägung, dass zu Lasten des Angeklagten K. „die … nicht unerheblichen Verletzungen des Opfers“ strafschärfend berücksichtigt werden müssen, lässt befürchten, dass diesem Angeklagten diejenigen Verletzungen uneingeschränkt zugerechnet worden sind, die auf dem einen Exzess darstellenden Einsatz des Nothammers durch den Mitangeklagten J. beruhen.
18
c) Nicht unbedenklich erscheint zudem die strafschärfende Erwägung der Kammer, die Angeklagten hätten zu dritt auf das Opfer eingeschlagen; denn eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB in der Form der Tatbegehung „mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich“ setzt bereits voraus, dass mindestens zwei Beteiligte am Tatort bewusst zusammenwirken. Das Zusammenwirken mehrerer als solcher darf daher nicht strafschärfend berücksichtigt werden. Dies verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB. Zulässig wäre es freilich, die erhöhte Gefährlichkeit der konkreten Tatsituation infolge einer Beteiligung von mehr als zwei Personen straferhöhend heranzuziehen.
19
Diese Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die insoweit getroffenen Feststellungen sind von dem Wertungsfehler nicht betroffen und bleiben daher bestehen (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann hierzu ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
20
3. Die Adhäsionsentscheidung hat im Hinblick auf die Bemessung des von dem Angeklagten K. zu leistenden Schmerzensgeldes bereits deshalb keinen Bestand, weil die Kammer hierbei ausdrücklich „die bei der Strafzumessung bewerteten Tatumstände berücksichtigt“ hat, diese Wertungen aber mit Rechtsfehlern behaftet sind.
21
Der Schmerzensgeldanspruch wäre auch erst ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Adhäsionsantrags zu verzinsen und nicht – wovon die Kammer ausgegangen ist – ab dem Tattag. Die Rechtshängigkeit ist mit dem Eingang der Antragsschrift bei Gericht am 16. Oktober 2015 eingetreten. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 404 Abs. 2 Satz 1 StPO hat die Antragstellung dieselben Wirkungen wie die Erhebung einer zivilrechtlichen Klage (vgl. auch BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 – 1 StR 412/03, StraFo 2004, 144).

III.


22
Die Revision des Angeklagten M. hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.
23
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der allgemeinen Sachrüge hat weder zum Schuldspruch noch zum eigentlichen Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Verfahrensrügen haben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg.
24
2. Die Nichtanordnung einer Unterbringung gemäß § 64 StGB hat keinen Bestand.
25
Das Landgericht hat – sachverständig beraten – angenommen, beim Angeklagten liege aufgrund der Amphetaminabhängigkeit ein Hang im Sinne des § 64 StGB vor; deshalb seien weitere Straftaten, insbesondere Beschaffungskriminalität , zu erwarten. Den symptomatischen Zusammenhang hat es verneint.
26
Zur Frage des symptomatischen Zusammenhangs hatte der Sachverständige ausgeführt, der Angeklagte habe eine leichte bis mittelgradige Amphetaminabhängigkeit und eine Neigung zu aggressivem Verhalten, die nach seinen eigenen Angaben nach dem Konsum von „Crystal“ gesteigert sei. Zur Tatzeit sei davon auszugehen, dass infolge der konsumierten Drogen noch eine gewisse Wirkung in Gestalt einer Steigerung des Selbstbewusstseins und eine gewisse Enthemmung vorgelegen habe. Daher könne ein partieller Zusammenhang zwischen Tat und Suchterkrankung abgeleitet werden, der aus einer Enthemmung durch die Droge und einer dadurch erhöhten Bereitschaft, sich einer Handgreiflichkeit nicht zu entziehen, herrühre.
27
Das Landgericht hat dagegen den symptomatischen Zusammenhang verneint und zwar selbst für den Fall, dass bei der Tatbegehung noch eine gewisse Enthemmung vorgelegen haben sollte. Gegen einen enthemmenden Einfluss von Drogen spräche, dass der Angeklagte in der Lage gewesen sei, sich nach der Provokation im Zug durch das Spucken zurückzuhalten und den Geschädigten nicht sofort anzugreifen. Ursache der Tat seien die Provokationen des Geschädigten gewesen. Der Angeklagte neige – wie die Vorahndungen zeigten – auch ohne Drogenkonsum zu aggressivem Verhalten.
28
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt ein symptomatischer Zusammenhang vor, wenn der Hang allein oder zusammen mit anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Täter eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat und dies bei unverändertem Verhalten auch für die Zukunft zu erwarten ist (BGH, Beschlüsse vom 6. November 2013 – 5 StR 432/13 und vom 25. Mai 2011 – 4 StR 27/11, NStZ-RR 2011, 309), mithin die konkrete Tat in dem Hang ihre Wurzel findet (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Dieser Zusammenhang liegt bei Delikten, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen, nahe (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 – 1 StR 693/96, BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR 277/13, NStZ-RR 2014, 75). Der geforderte symptomatische Zusam- menhang zwischen dem Hang und der Tat sowie der zukünftigen Gefährlichkeit kann allerdings auch dann vorliegen, wenn ein evident gewordener Hang lediglich Einfluss auf die Qualität der bisherigen Straftaten hatte und ihm ein solcher Einfluss auch auf die künftigen zu befürchtenden Straftaten zukommen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1996 – 2 StR 470/96, BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1).
29
Dies hat die Strafkammer nicht ausreichend erwogen, obwohl sie im Urteil den Bericht der Jugendgerichtshilfe mitgeteilt hat. Dort heißt es, der Angeklagte zeige, nicht zuletzt aufgrund seines Drogenkonsums, aggressive Tendenzen. Den Drogenkonsum hätten seine Eltern als Ursache für seine wiederholte Straffälligkeit gesehen, da er zum Verlust der Selbstkontrolle und Enthemmung führe. Der Angeklagte selbst meinte, er sei für die Tat mitausschlaggebend gewesen.
30
3. Der Senat kann hier ausnahmsweise die verhängte Jugendstrafe trotz § 5 Abs. 3 JGG bestehen lassen. Die Erwägungen zu der rechtsfehlerfrei bemessenen Jugendstrafe lassen es hier ausgeschlossen erscheinen, dass das Tatgericht bei Anwendung des § 64 StGB von der Verhängung einer Jugendstrafe abgesehen oder eine geringere Jugendstrafe verhängt hätte.
31
4. Soweit sich der Angeklagte M. ausdrücklich auch gegen die Bemessung des Schmerzensgeldes in der Adhäsionsentscheidung wendet, hat er Erfolg.
32
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat die Kammer insbesonde- re gewertet, dass „der Geschädigte den Faustschlägen dreier Angreifer ausge- setzt war, dass darüber hinaus mit dem Nothammer ein äußerst gefährliches Werkzeug zum Einsatz kam, das zudem zum zweifachen Schlagen auf den Kopf des Geschädigten benutzt wurde. Hierdurch erlitt der Geschädigte zwei Wunden (…) am Kopf, die genäht werden mussten und einen stationären Kran- kenhausaufenthalt … erforderlich machten.“
33
Damit hat die Strafkammer ausdrücklich als schmerzensgelderhöhend die durch den Einsatz des Hammers verursachten Verletzungsfolgen herangezogen. Indes hat sich die Strafkammer nicht davon überzeugen können, dass der Einsatz dieses Tatmittels von Anfang an vom gemeinsamen Tatplan umfasst war; vielmehr ist sie davon ausgegangen, dass der Angeklagte J. dem Nebenkläger die Verletzung ohne Kenntnis und Billigung der beiden anderen zugefügt hat. Unter diesen Umständen können dem Angeklagten M. (wie auch dem Angeklagten K. ) die entsprechenden Verletzungsfolgen nicht zugerechnet werden (auch nicht unter Berücksichtigung der Grundsätze der sukzessiven Mittäterschaft). Damit kommt eine Zurechnung dieses (exzessiven) Tatbeitrags auch bei der Prüfung der Frage, inwieweit sich der Angeklagte im Sinne des § 830 Abs. 1 BGB als Mittäter an einer die zivilrechtliche Haftung begründenden deliktischen Verhaltensweise beteiligt hat, nicht in Betracht, was wiederum den Umfang seiner gesamtschuldnerischen Haftung nach § 840 Abs. 1 BGB begrenzt. Die Beurteilung richtet sich insoweit nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Die wechselseitige Zu- rechnung der einzelnen Tatbeiträge reicht dabei nicht weiter als der gemeinsame Vorsatz und scheidet aus, soweit einer der Mittäter im Exzess Handlungen begeht, die vom gemeinsamen Tatplan und dem Vorsatz der anderen nicht gedeckt sind (BGH, Beschlüsse vom 8. November 2005 – 4 StR 321/05, BGHR StPO § 403 Anspruch 8 und vom 7. Februar 2013 – 3 StR 468/12; Urteil vom 23. März 1999 – VI ZR 53/98, BGHR BGB § 830 Teilnahme 2). Die zur Grundlage des Schmerzensgeldanspruchs gemachten Verletzungsfolgen aus dem Einsatz des Hammers können deshalb nicht zur Begründung dafür herangezogen werden, den Angeklagten M. in gleicher Höhe wie den Mitangeklagten J. zur Schmerzensgeldzahlung zu verurteilen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Februar 2013 – 3 StR 468/12; vom 8. Januar 2014 – 3 StR 372/13, StraFo 2014, 217 und vom 28. April 2015 - 3 StR 52/15, NStZ- RR 2015, 320).

IV.


34
Die Revision des Angeklagten J. hat nur hinsichtlich der Nichtanordnung einer Unterbringung gemäß § 64 StGB Erfolg.
35
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der allgemeinen Sachrüge hat weder zum Schuldspruch noch zum Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hinsichtlich der Verfahrensrüge wird auf die Stellungnahme des Generalbundesanwalts verwiesen.
36
2. Die Nichtanordnung gemäß § 64 StGB hat keinen Bestand. Das Landgericht hat – sachverständig beraten – angenommen, beim Angeklagten liege aufgrund seiner Abhängigkeit von Stimulanzien ein Hang im Sinne des § 64 StGB vor. Den symptomatischen Zusammenhang hat es verneint.
37
Der Sachverständige hatte festgestellt, dass das Tatverhalten zumindest in Teilen auf den Hang zurückgehe, weil eine unmittelbare Wirkung der Stimulanzien in Gestalt einer Reduktion der Angst, Förderung der Aggression und Enthemmung gegeben gewesen sei, wenngleich nicht so ausgeprägt, dass die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt gewesen oder ein Eingangskriterium der §§ 20, 21 StGB erfüllt worden wäre. Der gesamte Lebensstil des Angeklagten werde in qualitativer wie quantitativer Hinsicht in relevanter Art vom Umgang mit Drogen bestimmt. Der Angeklagte selbst habe seinen Zustand so beschrieben, dass er geglaubt hätte, keine Angst zu haben und „jeden zerlegen“ zu können. In seiner Einlassung in der Hauptverhandlung hatte er berichtet, „drogenbe- dingt“ sehr aggressiv gewesen zu sein; ihm sei klar gewesen, dass er seinem Bruder nun „beispringen“ müsse.
38
Die Kammer verneinte dagegen den symptomatischen Zusammenhang und zwar selbst für den Fall, dass bei der Tatbegehung noch eine drogenbedingte Enthemmung vorgelegen haben sollte; denn der Angeklagte hätte seinem Bruder auch ohne vorangegangenen Rauschmittelkonsum geholfen. Die Motivation sei nicht dem Hang entsprungen, Stimulanzien zu konsumieren, sondern seiner falsch verstandenen Bruderliebe und seinem aggressiven Naturell mit dissozialen Zügen.
39
Diese Erwägungen, die überdies rein hypothetischer Natur sind, halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Angeklagte sah sich erst durch den Drogenkonsum in der Lage, seinem Bruder zu helfen, weil er durch den Drogenkonsum einen Abbau von Angstgefühlen empfand und das Gefühl aufbaute, „jeden zerlegen“ zu können; das zeigt eine drogenbedingte erhöhte Aggressi- onsbereitschaft. Das Landgericht hat die notwendige Berücksichtigung dieses Umstands unterlassen, so dass es an einer tatsächlichen Grundlage für die hier sich aufdrängende Beurteilung fehlt, ob der evident gewordene Hang nicht wenigstens Einfluss auf die Qualität der Straftat hatte und ob ihm ein solcher Einfluss auch auf die künftig zu befürchtenden Taten zukommen kann.

V.


40
Die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte und auf die Sachrüge gestützte Revision des Nebenklägers hat keinen Erfolg. Die Annahme des Landgerichts , dem Angeklagten J. sei ein Tötungsvorsatz nicht nachzuweisen , hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. Soweit die Kammer hinsichtlich des Einsatzes des Nothammers von einem Exzess des Angeklagten J. ausgeht, ist die Beweiswürdigung revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.
41
1. Von einem Tötungsvorsatz konnte sich die Kammer nicht überzeugen. Für einen solchen Vorsatz sprächen zwar die Schläge mit dem Nothammer mit einiger Kraft in Richtung des Kopfes. Der Nothammer sei wegen seiner nadelgleichen metallenen Spitze ein besonders gefährliches und selbst bei mit geringer Wucht ausgeführten Schlägen zur Verursachung erheblicher Wunden geeignetes Werkzeug. Für einen solchen Vorsatz sprächen auch das schwer zu beherrschende Verhalten des Opfers, das durch eine unglückliche Ausweichbewegung schlimmer hätte verletzt werden können.
42
Andererseits sei nicht näher eingrenzbar gewesen, wohin der Angeklagte eigentlich genau hatte treffen wollen. Zu Gunsten des Angeklagten müsse hier davon ausgegangen werden, dass er nicht direkt auf den Kopf, sondern irgendwo auf den Oberkörper einwirken wollte, nicht ausschließbar nur auf Schulter oder Arm des Opfers. Die Kammer geht weiter zu Gunsten des Angeklagten davon aus, dass er subjektiv die Wucht der Schläge nicht als ausreichend empfand, um beim Opfer eine tödliche Verletzung herbeizuführen. Auch sei der Angeklagte nach zwei Hammerschlägen weggelaufen, obwohl ihm weitere Schläge angesichts der Tatsache, dass das Opfer am Boden lag, möglich gewesen wären. Zwar habe der Angeklagte nach der Tat eine SMS an den Angeklagten M. mit der Nachricht geschrieben „Ja Bruder normal für dich töte ich jeden“. Das werte die Kammer aber nicht als Indiz für einen bei der Tat bestehenden Tötungsvorsatz, sondern als Imponiergehabe und Ausdruck falsch verstandener Bruderliebe. Auch das Tatmotiv spräche gegen einen Tötungsvorsatz , der Angeklagte habe den Geschädigten nur für seine vorherigen Provokationen abstrafen und ihm einen Denkzettel erteilen wollen.
43
2. Diese Erwägungen begegnen keinen durchgreifenden Bedenken.
44
a) Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche , nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen getrennt voneinander geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. BGH, Urteile vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, Rn. 7; vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444 und vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701 Rn. 34 f. mwN). In die Prüfung sind dabei neben der objektiven Ge- fährlichkeit der Tathandlung und der konkreten Angriffsweise des Täters auch seine psychische Verfassung bei Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen (BGH, Urteile vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, Rn. 7 und vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, NStZ 2013, 581, 582 mwN).
45
b) Das Urteil lässt eine getrennte Prüfung des Wissens- und des Willenselements vermissen. Die Überlegung des Landgerichts, der Angeklagte habe ein selbst bei Schlägen mit geringer Wucht besonders gefährliches Werkzeug verwendet und zwar einen Nothammer mit nadelgleicher metallener Spitze und er habe den Treffpunkt wegen möglicher Ausweichbewegungen nicht kontrollieren können, belegt, dass das Landgericht aus der Kenntnis des Angeklagten von der objektiven Lebensgefährlichkeit seines Tuns auf das Wissenselement geschlossen hat. Nach den auf dem Gutachten des Rechtsmediziners beruhenden Feststellungen der Kammer wurden die Schläge gerade auch unter Berücksichtigung des Überziehens der Kapuze des Anoraks mit intensiver Schlagwucht ausgeführt und führten durch das Material der (schützenden ) Kapuze hindurch zu zwei eng nebeneinanderliegenden, stark blutenden Verletzungen.
46
c) Eine Begründung für das Fehlen des voluntativen Vorsatzelements lässt sich dem Urteil noch in ausreichender Weise entnehmen.
47
(1) Zwar findet die Annahme der Kammer, zu Gunsten des Angeklagten sei davon auszugehen, dass er nicht direkt auf den Kopf, sondern irgendwo auf den Oberkörper des Opfers einwirken wollte, in den Feststellungen keine Grundlage. Diese belegen ein gebückt, mit vorwärts geneigtem und von der heruntergezogenen Kapuze bedecktem Kopf, stehendes Opfer und ein enges Trefferbild auf dem linken Hinterhaupt und der Schädelhöhe (UA S. 24).
48
(2) Soweit die Strafkammer ausgeführt hat, der Angeklagte sei nach zwei Schlägen mit dem Hammer weggelaufen, obwohl ihm weitere Schläge auf das am Boden liegende Opfer möglich gewesen wären, und einen bedingten Tötungsvorsatz auch aus diesem Grund verneint hat, vermengt es die Prüfung des Tötungsvorsatzes mit der eines etwaigen Rücktrittshorizonts und legt die Flucht des Angeklagten zu seinen Gunsten aus. Zwar kann dem sich der eigentlichen Tatbegehung anschließenden Verhalten indizielles Gewicht zukommen. Jedoch spricht ein Unterlassen weiterer Angriffe – auch unter Berücksichtigung sich nähernder Personen – allein nicht gegen die Billigung des Todes des Opfers (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 192).
49
d) Entscheidend ist aber, dass nach den Feststellungen der Strafammer der Angeklagte dem Nebenkläger erst dann mit dem Nothammer auf den Kopf geschlagen hatte, als dessen Kopf mit der Kapuze der Winterjacke bedeckt war. Diesem Umstand kommt zu Recht besondere Bedeutung bei der Bewertung des voluntativen Elements zu, weil das vorherige Herunterziehen der Kapuze ersichtlich dadurch begründet war, die Wucht der Schläge zu dämpfen und bei dem Nebenkläger tödliche Verletzungsfolgen gerade nicht eintreten zu lassen. Das Landgericht hat unter Bezugnahme auf diesen Gesichtspunkt, der Verursachung von (nur) zwei sternförmigen Riss-Quetschwunden und mit der von ihm als glaubwürdig erachteten Einlassung des Angeklagten, dem Geschädigten wegen seiner Provokationen „körperlich weh tun“ zu wollen (UA S. 31), das Fehlen des voluntativen Vorsatzelements jedenfalls rechtsfehlerfrei begründet.
Raum Graf Jäger Cirener Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 321/05
vom
8. November 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 8. November 2005 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 24. Februar 2005 im Adhäsionsausspruch , soweit er die Angeklagten betrifft, aufgehoben. Insoweit wird von einer Entscheidung über den Entschädigungsantrag des Adhäsionsklägers abgesehen. 2. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen. 3. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die durch das Adhäsionsverfahren , soweit es die Angeklagten betrifft, entstandenen gerichtlichen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die sonstigen durch dieses Verfahren entstandenen Auslagen tragen die Beschwerdeführer und der Nebenkläger selbst.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten L. wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten K. unter Freispruch im Übrigen wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jah-
ren und zehn Monaten verurteilt. Den Mitangeklagten A. , dessen Revision durch Beschluss vom heutigen Tage gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen worden ist, hat es wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie den Vorwegvollzug von vier Jahren der Freiheitsstrafe angeordnet.
Ferner hat das Landgericht die Angeklagten A. , L. und K. als Gesamtschuldner verurteilt, an den Nebenkläger 2.572,55 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 31. Januar 2005 zu zahlen.
Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung sachlichen Rechts. Die Rechtsmittel haben lediglich Erfolg, soweit sie sich gegen den Adhäsionsausspruch richten. Im Übrigen sind sie aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Adhäsionsausspruch hält, soweit er die Angeklagten K. und L. betrifft, rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegen die Voraussetzungen des § 830 BGB nicht vor, weil die Angeklagten L. und K. nach den Feststellungen an den allein vom Mitangeklagten A. begangenen Verletzungshandlungen zum Nachteil des Adhäsionsklägers weder als Mittäter noch als Anstifter oder Gehilfe beteiligt waren. Das Landgericht hat insoweit zu Recht nur den Angeklagten A. wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt, weil die Körperverletzungshandlungen des Mitangeklagten A. von dem auf die Begehung einer schweren räuberischen Erpressung gerichteten Tatplan nicht umfasst wa-
ren. Die Beurteilung, ob sich jemand im Sinne des § 830 Abs. 1 BGB als Mittäter oder als Teilnehmer im Sinne des § 830 Abs. 2 BGB an einer die zivilrechtliche Haftung begründenden deliktischen Verhaltensweise beteiligt hat, richtet sich nach den für das Strafrecht entwickelten Rechtsgrundsätzen (vgl. BGHR BGB § 830 Abs. 2 Blockademaßnahme 1 m.w.N.). Die Angeklagten K. und L. sind nicht als Beteiligte im Sinne § 830 BGB anzusehen, weil sich die Verletzungshandlungen des Mitangeklagten A. für sie als Exzesshandlungen darstellen (vgl. BGH aaO; BGHR BGB § 830 Abs. 2 Teilnahme 1).
Zwar würde auch eine Haftung der Angeklagten K. und L. wegen einer fahrlässig (§ 276 Abs. 2 BGB) begangenen unerlaubten Handlung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB gemäß § 840 Abs. 1 BGB zu einer gesamtschuldnerischen Haftung der Angeklagten führen. Aus dieser Vorschrift folgt hingegen nicht, dass die Haftung mehrerer Verantwortlicher stets gleich hoch sein muss. Vielmehr kann der Haftungsumfang unterschiedlich sein, so dass das Gesamtschuldverhältnis nur bis zum geringeren Betrag, für den jeder der Nebentäter haftet, besteht (vgl. Palandt/Sprau BGB 65. Aufl. § 840 Rdn. 3 m.N.). So liegt es hier. Da die Angeklagten nicht nach § 830 BGB, sondern jeweils nach § 823 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig sind, hätte die Höhe des gemäß § 253 Abs. 2 BGB zu ersetzenden immateriellen Schadens (Schmerzensgeld) für jeden der Angeklagten gesondert bemessen werden müssen. Handelt von mehreren Nebentätern, die den selben Schaden verursacht haben, einer der Täter - wie hier A. - vorsätzlich, handeln die anderen Nebentäter aber fahrlässig, führt dies grundsätzlich zu einer unterschiedlichen Bemessung des von dem jeweiligen Täter zu zahlenden Schmerzensgeldes, weil der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes bei Vorsatztaten besonderes Gewicht zukommt (vgl. Palandt/Heinrichs aaO § 253 Rdn. 11 m.N.).
Eine Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung allein über den Entschädigungsanspruch kommt nicht in Betracht (vgl. BGH NStZ 2003, 321, 322; StraFo 2004, 386).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 472 Abs. 1 Satz 2, § 472 a Abs. 2, § 473 Abs. 1 Satz 1, 2 StPO.
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann

Der Verletzte oder sein Erbe kann gegen den Beschuldigten einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch, der zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört und noch nicht anderweit gerichtlich anhängig gemacht ist, im Strafverfahren geltend machen, im Verfahren vor dem Amtsgericht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes. Das gleiche Recht steht auch anderen zu, die einen solchen Anspruch geltend machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 5 2 / 1 5
vom
28. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 28. April
2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Koblenz vom 13. August 2014, soweit es ihn betrifft, im
Adhäsionsausspruch abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a) Der Schmerzensgeldanspruch des Nebenklägers aufgrund
der am 27. Juli 2013 gegen 1 Uhr in der J. -Straße
in K. zu seinem Nachteil verübten Straftat ist gegenüber
dem Angeklagten B. dem Grunde nach gerechtfertigt
;

b) im Übrigen wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag
des Nebenklägers gegen den Angeklagten B.
abgesehen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und
die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen. Ebenso werden ihm die in der Revisionsinstanz
entstandenen besonderen Kosten und notwendigen
Auslagen des Nebenklägers sowie die im Adhäsionsverfahren
in der 1. Instanz entstandenen gerichtlichen Auslagen auferlegt.
Die gerichtlichen Auslagen des Adhäsionsverfahrens der Revisionsinstanz
fallen der Staatskasse zur Last (§ 472a StPO).

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung eines früheren Urteils zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es ihn dazu verurteilt, gesamtschuldnerisch mit dem Mitangeklagten S. an den Nebenkläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 12. Juni 2014 zu zahlen.
2
Das auf die allgemeine Sachrüge gestützte Rechtsmittel des Angeklagten ist zum Schuld- und Strafausspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Auch die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes unterliegt im Ausgangspunkt keiner Beanstandung. Demgegenüber kann die Adhäsionsentscheidung im Hinblick auf die Bemessung des von dem Angeklagten zu leistenden Schmerzensgeldes keinen Bestand haben.
3
Nach den Feststellungen umstellten der Angeklagte, der Mitangeklagte sowie zwei unbekannt gebliebene Mittäter den Nebenkläger und einen weiteren Geschädigten, um einem gemeinsamen Tatplan entsprechend die Herausgabe von Geld und Mobiltelefonen zu erzwingen. Als der Nebenkläger sich weigerte, sein Smartphone herzugeben, traten der Mitangeklagte sowie andere aus der Gruppe ihn gegen die Beine. Zudem versetzte der Mitangeklagte ihm zur Untermauerung der Forderung zwei Schläge mit einem Schlagring, die ihn an der linken Schläfe und unter dem linken Auge trafen. Aus Angst vor weiterer Gewaltanwendung gab der Nebenkläger das Handy schließlich heraus.
4
Das Landgericht hat dem Angeklagten den Einsatz des Schlagrings durch den Mitangeklagten als Mittel der räuberischen Erpressung mit rechtsfehlerfreien Erwägungen (sukzessive Mittäterschaft) zugerechnet und ihn auf dieser Grundlage nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB schuldig gesprochen. Es hat jedoch nicht festzustellen vermocht, dass die Benutzung dieses Tatmittels von Anfang an vom gemeinsamen Tatplan umfasst war, und sie daher hinsichtlich der Körperverletzung als Exzess des Mittäters gewertet. Demgemäß hat es den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung allein in der Variante des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, nicht jedoch in derjenigen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB verurteilt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2011 - 5 StR 515/10, NStZ-RR 2011, 111, 112).
5
Vor diesem Hintergrund kann die Verurteilung des Angeklagten, dem Nebenkläger gesamtschuldnerisch mit dem Mitangeklagten ein Schmerzens- geld in Höhe von 2.000 € zu zahlen, keinen Bestand haben.
6
Das Landgericht hat die Höhe des Schmerzensgeldes mit den durch den Einsatz des Schlagrings verursachten Verletzungsfolgen begründet. Die Verwendung dieses Mittels zur Verletzung des Nebenklägers hat es dem Angeklagten aber gerade nicht angelastet. Damit kommt eine Zurechnung dieses Tatbeitrages aber auch bei der Prüfung der Frage, inwieweit sich der Angeklagte im Sinne des § 830 Abs. 1 BGB als Mittäter an einer die zivilrechtliche Haftung begründenden deliktischen Verhaltensweise beteiligt hat, nicht in Betracht, was wiederum den Umfang seiner gesamtschuldnerischen Haftung nach § 840 Abs. 1 BGB begrenzt. Die Beurteilung richtet sich insoweit nach den für das Strafrecht entwickelten Grundsätzen. Die wechselseitige Zurechnung der einzelnen Tatbeiträge reicht dabei nicht weiter als der gemeinsame Vorsatz und scheidet aus, soweit einer der Mittäter im Exzess Handlungen begeht, die vom gemeinsamen Tatplan und dem Vorsatz der anderen nicht gedeckt sind (BGH, Beschlüsse vom 8. November 2005 - 4 StR 321/05, BGHR StPO § 403 Anspruch 8; vom 7. Februar 2013- 3 StR 468/12, juris; Urteil vom 23. März 1999 - VI ZR 53/98, BGHR BGB § 830 Abs. 2 Teilnahme 2). Die zur Grundlage des Schmerzensgeldanspruchs gemachten Verletzungsfolgen - aus dem Einsatz des Schlagrings - können deshalb nicht zur Begründung dafür herangezogen werden, den Angeklagten in gleicher Höhe wie den Mitangeklagten zur Schmerzensgeldzahlung zu verurteilen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Februar 2013 - 3 StR 468/12, juris; vom 8. Januar 2014 - 3 StR 372/13, StraFo 2014,

217).

7
Da der Angeklagte dem Nebenkläger jedoch wegen der anderen, ihm zuzurechnenden Körperverletzungshandlungen ein angemessenes Schmerzensgeld schuldet, ändert der Senat den ihn betreffenden Adhäsionsanspruch in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO in eine Verurteilung dem Grunde nach ab (§ 406 Abs. 1 Satz 2 StPO). Im Übrigen ist von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abzusehen (§ 406 Abs. 1 Satz 3 und 4 StPO); denn eine Zurückverweisung der Sache allein zur Bestimmung der Höhe des Schmerzensgeldes kommt nicht in Betracht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 406a Rn. 5 mwN). Die Bemessung des Schmerzensgeldes ist vielmehr dem zuständigen Zivilgericht übertragen (§ 406 Abs. 3 Satz 4 StPO).
8
Der geringe Teilerfolg der Revision rechtfertigt eine Ermäßigung der Gebühr und eine Auferlegung eines Teils der Auslagen auf die Staatskasse nach § 473 Abs. 4 StPO nicht. Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen des Adhäsionsverfahrens ergibt sich aus § 472a Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 StPO.
Becker RiBGH Dr. Schäfer befindet sich Mayer im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Spaniol

(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die Entscheidung kann sich auf den Grund oder einen Teil des geltend gemachten Anspruchs beschränken; § 318 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Das Gericht sieht von einer Entscheidung ab, wenn der Antrag unzulässig ist oder soweit er unbegründet erscheint. Im Übrigen kann das Gericht von einer Entscheidung nur absehen, wenn sich der Antrag auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Antragstellers zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet. Der Antrag ist insbesondere dann zur Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet, wenn seine weitere Prüfung, auch soweit eine Entscheidung nur über den Grund oder einen Teil des Anspruchs in Betracht kommt, das Verfahren erheblich verzögern würde. Soweit der Antragsteller den Anspruch auf Zuerkennung eines Schmerzensgeldes (§ 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) geltend macht, ist das Absehen von einer Entscheidung nur nach Satz 3 zulässig.

(2) Erkennt der Angeklagte den vom Antragsteller gegen ihn geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise an, ist er gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen.

(3) Die Entscheidung über den Antrag steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Das Gericht erklärt die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar; die §§ 708 bis 712 sowie die §§ 714 und 716 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er anderweit geltend gemacht werden. Ist über den Grund des Anspruchs rechtskräftig entschieden, so findet die Verhandlung über den Betrag nach § 304 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung vor dem zuständigen Zivilgericht statt.

(4) Der Antragsteller erhält eine Abschrift des Urteils mit Gründen oder einen Auszug daraus.

(5) Erwägt das Gericht, von einer Entscheidung über den Antrag abzusehen, weist es die Verfahrensbeteiligten so früh wie möglich darauf hin. Sobald das Gericht nach Anhörung des Antragstellers die Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Antrag für nicht gegeben erachtet, sieht es durch Beschluss von einer Entscheidung über den Antrag ab.

(1) Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.

(2) Anstifter und Gehilfen stehen Mittätern gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 255/11
vom
27. September 2011
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 27. September
einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 18. Februar 2011 wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen II. 2. a) aa) Tat 1, II. 2. a) bb) Tat 3 und II. 2. b) bb) Tat 6 der Urteilsgründe jeweils wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,
b) das vorbezeichnete Urteil aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern in vier Fällen schuldig ist, bb) im Gesamtstrafenausspruch und zur Adhäsionsentscheidung mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstan- denen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Antrag auf Zulassung der Nebenklage für das Revisionsverfahren ist gegenstandslos.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und ihn im Übrigen vom weiteren Vorwurf der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern in 67 Fällen freigesprochen. Es hat festgestellt, von der verhängten Freiheitsstrafe gälten zwei Monate als verbüßt. Außerdem hat es den Angeklagten im Adhäsionsverfahren zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an die Nebenklägerin verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Soweit das Landgericht den Angeklagten in den Fällen II. 2. a) aa) Tat 1, II. 2. a) bb) Tat 3 und II. 2. b) bb) Tat 6 der Urteilsgründe jeweils wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern verurteilt hat, fehlt es an der Verfahrensvoraussetzung einer Anklageerhebung und demzufolge auch an der eines Eröffnungsbeschlusses, so dass das Verfahren gemäß § 354 Abs. 1, § 206a Abs. 1 StPO einzustellen ist.
3
a) Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen, 74 Fälle der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern zum Nachteil der im November 1980 geborenen Nebenklägerin betreffenden Anklageschrift vom 12. Dezember 2009 war dem Angeklagten unter anderem zur Last gelegt worden, in zwei Fällen zwischen Ende März 1990 und Ende Oktober 1992 die Nebenklägerin zu Zeiten, zu denen ihre Mutter verreist war, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für ihr Leben aufgefordert zu haben, anlässlich ihrer Übernachtung im Bett der Eltern mit der Hand am Penis des Angeklagten zu manipulieren. Weiter war dem Angeklagten vorgeworfen worden, zwischen November 1992 und dem 23. November 1994 die Nebenklägerin mit Gewalt in das Badezimmer gezogen, die Tür verschlossen und sie, während sie vor ihm auf der Toilette gesessen habe, durch Ziehen an ihren Haaren dazu gezwungen zu haben, seinen Penis in den Mund zu nehmen.
4
b) Nach den Feststellungen des Landgerichts berührte der Angeklagte die Nebenklägerin an einem Abend in der ersten Jahreshälfte 1991 und an einem weiteren Abend zwischen Mitte 1991 und Oktober 1992 anlässlich ihrer Übernachtung im Ehebett im Intimbereich und führte einen Finger in ihre Scheide ein, während er sich dabei selbst befriedigte (Fälle II. 2. a) aa) Tat 1 und II. 2. a) bb) Tat 3 der Urteilsgründe). Weiter zog er sie zwischen Mitte 1993 und dem 23. November 1994 in einem Fall in das Badezimmer, schloss die Tür ab und veranlasste sie, ihn bis zur Ejakulation oral zu befriedigen, wobei er stand, während sie vor ihm knien musste (Fall II. 2. b) bb) Tat 6 der Urteilsgründe ). Eine Nachtragsanklage, die diese Begehungsweisen zum Gegenstand hatte, ist nicht erhoben worden.
5
c) Die auf diese Feststellungen gestützte Verurteilung des Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern in drei Fällen hat keinen Bestand; das Verfahren ist insoweit einzustellen. Das vom Landgericht festgestellte Geschehen weicht so deutlich von den in der Anklageschrift geschilderten geschichtlichen Vorgängen ab, dass es sich nicht mehr als eine von der Anklage bezeichnete Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO darstellt.
6
Zwar muss das Gericht seine Untersuchung auch auf Teile der Tat erstrecken , die erst in der Hauptverhandlung bekannt werden. Die angeklagte Tat im verfahrensrechtlichen Sinne ist erschöpfend abzuurteilen. Das Gericht ist dabei an die rechtliche Beurteilung, wie sie der Anklage und dem Eröffnungsbeschluss zugrunde liegt, nicht gebunden. Der verfahrensrechtliche Tatbegriff umfasst den von der zugelassenen Anklage betroffenen geschichtlichen Vorgang , innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll; zu dieser Tat gehört deshalb das gesamte Verhalten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang darstellt (BGH, Beschluss vom 7. November 1995 - 4 StR 608/95, NStZ-RR 1996, 203 mwN). Bei der Untersuchung und Entscheidung muss aber die Identität der Tat gewahrt bleiben (BGH, Beschluss vom 10. November 2008 - 3 StR 433/08, NStZ-RR 2009, 146, 147). Dies ist nicht der Fall, wenn das Gericht Umstände feststellt, die von den die angeklagten Taten individualisierenden Tatmodalitäten in erheblicher Weise abweichen.
7
So liegt es hier. In den Fällen II. 2. a) aa) Tat 1, II. 2. a) bb) Tat 3 und II. 2. b) bb) Tat 6 der Urteilsgründe weichen die Feststellungen des Landge- richts hinsichtlich der Modalitäten der Tatbegehung so erheblich vom Anklagevorwurf ab, dass mit ihnen andere als die angeklagten Taten beschrieben sind.
8
Nach dem der Anklageerhebung zugrunde liegenden Ermittlungsergebnis war die Nebenklägerin über Jahre hinweg Opfer einer Vielzahl von sexuellen Übergriffen des Angeklagten, die in der Anklage nur hinsichtlich der Tatorte und der Begehungsweisen, aber nicht hinsichtlich der Tatzeit näher bestimmt werden konnten. Damit erlangte die Art und Weise der Tatverwirklichung maßgebliche Bedeutung für die Individualisierung der zum Gegenstand der Anklage und später des Eröffnungsbeschlusses gemachten Taten (BGH, Urteil vom 11. Januar 1994 - 5 StR 682/93, BGHSt 40, 44, 46). Das galt einmal für die Beschreibung zweier Taten im Ehebett mit einer Manipulation der Nebenklägerin am Penis des Angeklagten. Eine für die Individualisierung einer bestimmten Tat maßgebliche Charakterisierung der Begehungsform lag aber auch in dem Umstand , die Nebenklägerin habe während des Oralverkehrs im Badezimmer nicht - wie sonst üblich, wenn der Angeklagte nicht stattdessen auf ihr saß - vor dem Angeklagten gekniet, sondern auf der Toilette gesessen. Nur mittels der so gekennzeichneten Position der Nebenklägerin ließ sich die angeklagte Tat von anderen Übergriffen im Badezimmer unterscheiden.
9
Die Feststellung in den Fällen II. 2. a) aa) Tat 1 und II. 2. a) bb) Tat 3 der Urteilsgründe, der Angeklagte habe, statt die Nebenklägerin zu einer Manipulation an seinem Penis zu veranlassen, im Ehebett einen Finger in ihre Scheide gesteckt und sich dabei selbst befriedigt, beschreibt als wesentlich kennzeichnendes Merkmal nicht eine Handlung der Nebenklägerin am Angeklagten, sondern des Angeklagten an der Nebenklägerin und damit gegenüber der Anklage und dem Eröffnungsbeschluss eine andere prozessuale Tat. Gleiches gilt im Fall II. 2. b) bb) Tat 6 der Urteilsgründe, den das Landgericht in die Reihe der sonst gleichförmig anders verlaufenen und durch eine bestimmte andere Körperhaltung der Nebenklägerin - ihr Knien vor dem Angeklagten beim Oralverkehr - gekennzeichneten Fälle einordnete.
10
d) Die Einstellung des Verfahrens in den Fällen II. 2. a) aa) Tat 1, II. 2. a) bb) Tat 3 und II. 2. b) bb) Tat 6 der Urteilsgründe führt zur Änderung des Schuldspruchs und wegen des Wegfalls der insoweit verhängten Einzelstrafen zur Aufhebung der Gesamtstrafe nebst den zugrunde liegenden Feststellungen.
11
2. Weiter unterliegt der Adhäsionsausspruch schon deshalb und ohne materielle Prüfung des geltend gemachten Anspruchs der Aufhebung, weil ein den Anforderungen des § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO entsprechender Antrag nicht gestellt ist. Er enthält keine hinreichenden Angaben zu den tatsächlichen Umständen , aus denen der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird. Dies ist auf die allgemeine Sachrüge im Revisionsverfahren zu beachten (BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2007 - 3 StR 426/07, StV 2008, 127 mwN). Da ein prozessordnungsgemäßer Antrag innerhalb der Frist des § 404 Abs. 1 Satz 1 StPO nach Aufhebung und Zurückverweisung noch nachgeholt werden kann, sieht der Senat von einer eigenen Entscheidung nach § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO ab (BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2007 - 3 StR 426/07, StV 2008,

127).


12
3. Der neue Tatrichter wird bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen haben, dass das Urteil die Anklage nicht erschöpft, weil über zwei Fälle der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern zwischen März 1990 und Oktober 1992 im Zusammenhang mit Übernachtungen der Nebenklägerin im Ehebett (Manipulationen der Nebenklägerin am Penis des Angeklagten ) und über einen weiteren, durch das Sitzen der Nebenklägerin auf der Toilette gekennzeichneten Fall ab dem 1. November 1992 im Badezimmer eine Entscheidung weder im Sinne einer Verurteilung noch im Sinne eines Freispruchs getroffen ist. Weil es an einer Sachentscheidung fehlt, erfasst das Rechtsmittel des Angeklagten, das sich nur gegen das ergangene Urteil richten kann, diese Taten nicht. Dem Senat ist es verwehrt, insoweit eine Entscheidung zu treffen (BGH, Beschluss vom 25. Juni 1993 - 3 StR 304/93, BGHR StPO § 260 Urteilsspruch 1); diese wird vielmehr der neue Tatrichter nachzuholen haben.
13
4. Der Antrag der Nebenklägerin, die Nebenklage für das Revisionsverfahren zuzulassen, ist gegenstandslos. Die Nebenklägerin hat ihren Beitritt zum Verfahren mit Schriftsatz vom 15. Januar 2010 eindeutig erklärt, die Anschlusserklärung ist mit ihrem Eingang bei Gericht am 18. Januar 2010 wirksam geworden. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 11. Februar 2010 die Berechtigung zum Anschluss als Nebenklägerin im Sinne der § 395 Abs. 1 Nr. 1, § 396 Abs. 2 Satz 1 StPO festgestellt. Diese Feststellung wirkt bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens fort und erstreckt sich somit auch auf die Revisionsinstanz (BGH, Beschluss vom 27. Januar 2009 - 3 StR 592/08, NStZ-RR 2009,

253).


Becker Pfister von Lienen Schäfer Menges