Bundesgerichtshof Urteil, 27. Jan. 2010 - 2 StR 498/09

bei uns veröffentlicht am27.01.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 498/09
vom
27. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen Raubes u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Januar
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Rissing-van Saan,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
die Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Prof. Dr. Schmitt,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 17. Juni 2009 wird verworfen. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten schuldig gesprochen, "in 26 Fällen als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel gewerbsmäßig unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgegeben zu haben, tateinheitlich hierzu in 25 Fällen als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren dazu bestimmt zu haben , mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben sowie in einem weiteren Fall des Raubes". Es hat ihn hierwegen unter Einbeziehung anderweit verhängter Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts. Sie beanstandet die Annahme minder schwerer Fälle nach § 30 a Abs. 3 BtMG a.F. in den Fällen 1 sowie 3 bis 26 der Urteilsgründe.
2
Die - nach ihrer Begründung wirksam auf die Einzelstrafaussprüche in den Fällen 1 sowie 3 bis 26 der Urteilsgründe sowie auf den Gesamtstrafenausspruch beschränkte - Strafmaßrevision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
3
1. Die Anwendung des nach § 30 a Abs. 3 BtMG a.F. für minder schwere Fälle vorgesehenen Strafrahmens hält rechtlicher Nachprüfung stand.
4
Die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, unterliegt nur in eingeschränktem Umfang der Überprüfung durch das Revisionsgericht. Es ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 3, 179; 24, 268; BGHR StGB § 177 Abs. 5 Strafrahmenwahl 2 m.w.N.; BGH, Urt. v. 20. April 2004 - 5 StR 87/04). Das Revisionsgericht darf die Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. BGHSt 29, 319, 320; 34, 345, 349; BGH NJW 1995, 340; StV 2002, 20; Urt. v. 7. November 2007 - 1 StR 164/07). Das ist hier nicht der Fall. Zwar trifft es zu, dass der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe die Initiative ergriffen und dem noch minderjährigen Zeugen Mo. Haschisch zum Zweck des Weiterverkaufs angeboten hat. Hierauf ging der Zeuge aber bereitwillig ein, weil sich ihm so eine Gelegenheit bot, zusätzlich kostenlos Betäubungsmittel für seinen Eigenkonsum zu erlangen. Die Strafkammer hat alle wesentlichen Umstände in ihre Erwägungen zur Strafrahmenwahl einbezogen und auch die erforderliche Gesamtwürdigung vorgenommen. Die Annahme minder schwerer Fälle überschreitet jedenfalls nicht den ihr hierbei zukommenden Beurteilungsspielraum. Die Verschärfung des Strafrahmens des § 30 a Abs. 3 BtMG durch Art. 5 Nr. 7 des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 (BGBl I S. 1990) ist im vorliegenden Fall noch nicht anwendbar (§ 354 a StPO, § 2 Abs. 3 StGB).
5
2. Die Bildung der nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe (§ 55 Abs. 1 StGB) weist im Ergebnis keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
6
Ausweislich der Urteilsgründe ist der Angeklagte durch Strafbefehl des Amtsgerichts Neuwied vom 6. August 2008 wegen Diebstahls in drei Fällen zu einer "Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 €" verurteilt worden.
7
Das angefochtene Urteil teilt indes nicht mit, welche Einzelstrafen der frühere Tatrichter der von ihm gebildeten Gesamtstrafe zugrunde gelegt hat; stattdessen hat die Strafkammer die vorgenannte Geldstrafe gemäß § 55 Abs. 1 StGB einbezogen. Das ist rechtsfehlerhaft. Bei Einbeziehung einer gesamtstrafenfähigen Vorverurteilung zu einer Gesamtstrafe ist es erforderlich, die jeweils verhängten Einzelstrafen konkret zu bezeichnen; diese werden, sofern der Tatrichter nicht von § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB Gebrauch macht, unter Auflösung der früher gebildeten Gesamtstrafe in eine neu auszusprechende Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen (BGH NStZ 1987, 183; Beschl. v. 9. Juli 2008 - 1 StR 336/08). Der Senat kann jedoch ausschließen, dass sich dieser Fehler im Gesamtstrafenausspruch zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten ausgewirkt hat. Frau VRinBGH Prof. Dr. Rissing-van Saan ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer Fischer Roggenbuck Cierniak Schmitt

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 27. Jan. 2010 - 2 StR 498/09

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 27. Jan. 2010 - 2 StR 498/09

Referenzen - Gesetze

Strafgesetzbuch - StGB | § 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung


(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freihei

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h
Bundesgerichtshof Urteil, 27. Jan. 2010 - 2 StR 498/09 zitiert 7 §§.

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Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafgesetzbuch - StGB | § 53 Tatmehrheit


(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi

Strafgesetzbuch - StGB | § 2 Zeitliche Geltung


(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. (2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt. (3) Wird das Gesetz, das

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 336/08 vom 9. Juli 2008 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Juli 2008 gemäß § 349
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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 156/11 vom 28. Juli 2011 in der Strafsache gegen Nachschlagewerk: ja BGHSt: nein Veröffentlichung: ja StGB § 266 Abs. 1 Dem mit einem Zwangsverwaltungsverfahren befassten Rechtspfleger obliegt e

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR216/14 vom 31. Juli 2014 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren Raubes Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 31. Juli 2014, an der teilgenommen haben: Vorsit

Referenzen

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

5 StR 87/04

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 20. April 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
20. April 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt S
als Verteidiger des Angeklagten Y ,
Rechtsanwalt F
als Verteidiger des Angeklagten K ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. August 2003 werden verworfen.
Die Kosten der Rechtsmittel und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten Y wegen räuberischer Erpressung (Einzelstrafe: ein Jahr und sechs Monate) und wegen schwerer räuberischer Erpressung (Einzelstrafe: drei Jahre und drei Monate) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten und den Angeklagten K wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit ihren wirksam auf den jeweiligen Strafausspruch beschränkten Revisionen wendet sich die Staatsanwaltschaft allein gegen die Strafzumessung für die von den Angeklagten gemeinsam begangene schwere räuberische Erpressung (Fall II 2 der Urteilsgründe) und beanstandet insbesondere die Annahme eines minder schweren Falles. Die Rechtsmittel, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten werden, haben keinen Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts betraten die jeweils mit einem Schal maskierten Angeklagten am Morgen des 22. Januar 2003 eine Filiale der Firma Sc und zwangen die Kassiererin unter Vorhalt eines großen Küchenmessers und eines Klappmessers, sie in das Büro zu dem dort befindlichen Tresor zu führen. In dem Büro hielten sich – für die Angeklagten unerwartet – fünf weitere Mitarbeiter der Firma Sc auf. Wiederum unter Vorhalt der Messer zwangen die Angeklagten die Anwesenden, sich auf den Boden zu legen, während einer der Angestellten den Tresor öff- !" nen mußte. Er entnahm 3.080,- durchwühlten alsdann die Taschen ihrer Opfer, nahmen noch zwei Mobiltelefone an sich und verließen das Geschäft. Die Kassiererin hatte während des Überfalls eine leichte, zwei Zentimeter lange Schnittwunde am Arm erlitten , die nach den Urteilsausführungen unabsichtlich zugefügt worden sein kann. Nach dem Vorfall war sie mehrere Wochen arbeitsunfähig und befand sich einige Monate in psychologischer Behandlung. Beide Angeklagte standen bei Begehung der Tat unter dem Einfluß von Rauschmitteln, was ihre Schuldfähigkeit jedoch nicht erheblich einschränkte.
Die Strafkammer ist bei beiden Angeklagten von einem minder schweren Fall der (besonders) schweren räuberischen Erpressung im Sinne von § 250 Abs. 3 StGB ausgegangen. In diesem Zusammenhang hat sie auf das jugendliche Alter der Angeklagten, auf ihr von Reue getragenes Geständnis, ihre Entschuldigung bei den Geschädigten, ihren Verzicht auf Rückgabe der bei der Tat verwendeten Gegenstände und insbesondere auch darauf abgestellt , daß der Angeklagte Y erstmalig zu einer freiheitsentziehenden Rechtsfolge und der Angeklagte K erstmalig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sind. Bei dem Angeklagten K ist als straferschwerender Gesichtspunkt benannt worden, daß er die Tat während einer laufenden Bewährungsfrist aus einem Jugendstrafverfahren begangen hat.
Innerhalb des so gefundenen Strafrahmens sind die bei der Kassiererin infolge der Tat eingetretenen physischen und psychischen Beeinträchtigungen , die erzielte hohe Beute und bei dem Angeklagten K die strafrechtlichen Vorbelastungen strafschärfend berücksichtigt worden. Zu Gunsten des Angeklagten Y hat die Strafkammer die erlittene sechswö- chige Untersuchungshaft, die begonnene Schadenswiedergutmachung und den Umstand gewertet, daß er noch nicht erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Bei dem Angeklagten K hat sich strafmildernd ausgewirkt, daß er infolge der neuerlichen Tatbegehung mit dem Widerruf eines nicht unerheblichen Strafrestes einer Jugendstrafe zu rechnen hat. Schließlich hat die Strafkammer bei Festsetzung der Strafen zu Gunsten beider Angeklagten die drohenden ausländerrechtlichen Maßnahmen bedacht.
2. Die Strafzumessung des Landgerichts ist rechtsfehlerfrei. Insbesondere hält die Anwendung des nach § 250 Abs. 3 StGB für minder schwere Fälle vorgesehenen Strafrahmens rechtlicher Nachprüfung stand.
Die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimißt, ist im wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 3, 179; 24, 268; BGHR StGB § 177 Abs. 5 Strafrahmenwahl 2 m.w.N.). Das Revisionsgericht darf die Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. BGHSt 29, 319, 320; BGH StV 2002, 20; BGH, Urt. vom 26. Juni 2001 – 5 StR 151/01). Das ist hier nicht der Fall.
Allerdings hat das Landgericht bei der Wahl des Strafrahmens in erster Linie auf die strafmildernden Umstände abgestellt und die früheren strafrechtlichen Verfehlungen des Angeklagten Y und die Jugendstrafen des Angeklagten K im einzelnen nicht erörtert. Angesichts der ausführlichen Darstellung der früheren Straftaten bei den Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten und deren Würdigung innerhalb der konkreten Strafzumessung ist jedoch nicht zu besorgen, der Tatrichter könnte das Gewicht der Vortaten bei der Strafrahmenwahl nicht bedacht haben (vgl. BGHSt 34, 355, 359; BGH StV 1995, 24). Daß die Strafkammer das maskierte Vorgehen der Angeklagten in diesem Fall nicht ausdrücklich berücksichtigt hat, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn der Tatrichter ist nicht gehalten, sämtliche Strafzumessungsgesichtspunkte im Einzelnen auszuführen (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 2; BGH StV 1996, 662). Auch spricht der genannte Umstand im Rahmen der erforderlichen und vom Landgericht vorgenommenen Gesamtbewertung nicht ohne weiteres gegen die Annahme eines minder schweren Falles.
Soweit die Beschwerdeführerin weiter geltend macht, die Strafkammer habe bei der Wahl des Strafrahmens den Milderungsgründen ein zu großes Gewicht beigemessen, erschöpfen sich ihre Ausführungen letztlich in dem im Revisionsverfahren unbeachtlichen Versuch, die Wertung des Tatrichters durch eine eigene zu ersetzen und die festgestellten für und gegen die Angeklagten sprechenden Umstände anders zu gewichten.
Zutreffend hat der Generalbundesanwalt darauf hingewiesen, daß die Strafkammer die nach § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkte bezeichnet und rechtsfehlerfrei gegeneinander abge- wogen hat. Die so gefundenen sehr maßvollen Strafen lösen sich noch nicht von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein.
Harms Basdorf Gerhardt Brause Schaal

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 164/07
vom
7. November 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. November
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 21. November 2006 wird verworfen. 2. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision und die dem Angeklagten durch das Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Betruges in zwölf Fällen und Verstößen gegen das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz bzw. das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Straftaten lagen folgende Tatbestände zugrunde:
2
Der Angeklagte hatte u.a. statt Elchfleisch billigeres Hirschfleisch, statt Gamsfleisch billigeres Mufflonfleisch, statt Frischfleisch Fleisch mit Konservierungsmitteln bzw. Tiefkühlware geliefert. In einem Fall erfolgte eine unhygienische Schlachtung von Fasanen, die jedoch nicht zu einer Substanzbeeinträch- tigung des verarbeiteten Fleisches führte, wenngleich der Normalverbraucher in Kenntnis der Schlachtumstände den Verzehr abgelehnt hätte.
3
Von den weiteren Vorwürfen des Inverkehrbringens von Lebensmitteln unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung durch unbefugte Veränderung des Mindesthaltbarkeitsdatums hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen. Es hat von der Verhängung eines Berufsverbotes gegen ihn abgesehen. Die Kammer hat es als ausreichend erachtet, im Rahmen des Bewährungsbeschlusses dem Angeklagten die Weisung zu erteilen, für die Dauer von drei Jahren sich jeglicher Tätigkeit im Bereich der Herstellung und Verarbeitung sowie Bearbeitung von Fleisch- und Wurstwaren zu enthalten. Der Angeklagte ist nunmehr als Handelsvertreter/Makler im Lebensmittelbereich tätig.
4
Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision die Verletzung sachlichen Rechts und erstrebt insbesondere eine Aufhebung des Urteils, soweit der Angeklagte freigesprochen wurde. Weiterhin beanstandet sie den Strafausspruch sowohl im Hinblick auf die Höhe der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe als auch in Bezug auf die Bewilligung der Strafaussetzung zur Bewährung. Sie wendet sich ferner gegen die unterbliebene Anordnung eines Berufsverbots. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.

I.

5
Der Schuldspruch ist frei von Rechtsfehlern. Die Staatsanwaltschaft beanstandet ohne Erfolg, das Landgericht habe den Angeklagten in den Fällen III. der Urteilsgründe von den weiteren Vorwürfen des Inverkehrbringens von Lebensmitteln unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung durch unbefugte Veränderung des Mindesthaltbarkeitsdatums zu Unrecht freigespro- chen. Das Landgericht konnte schon nicht feststellen, dass der Angeklagte in den konkreten, der Anklage zu Grunde liegenden Fällen das Mindesthaltbarkeitsdatum tatsächlich verändert hat (UA S. 36, 37). Hierzu hat die Beweisaufnahme - so die Urteilsfeststellungen - keinen sicheren Nachweis erbracht, was auch die Beschwerdeführerin nicht beanstandet. Der Angeklagte war daher - wie geschehen - aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. Auf die Rechtsfrage , ob der Angeklagte überhaupt zur Veränderung berechtigt gewesen wäre, kommt es somit nicht an.

II.

6
Die Strafzumessung weist ebenfalls keinen Rechtsfehler auf:
7
1. Die Staatsanwaltschaft greift die Strafzumessung insgesamt an. Sie rügt, die ausgeworfenen Einzelstrafen beruhten auf rechtsfehlerhaften Strafzumessungserwägungen und verließen ebenso wie die gefundene Gesamtstrafe den Bereich tatrichterlichen Ermessens, weil sie nicht mehr als angemessener Schuldausgleich angesehen werden könnten. Die Strafkammer habe wesentliche strafzumessungsrelevante Gesichtspunkte unerörtert gelassen.
8
Die Strafzumessung unterliegt nur in eingeschränktem Umfang der Überprüfung durch das Revisionsgericht. Es ist grundsätzlich Sache des Tatrichters , auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Person des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in die Strafzumessung ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (st. Rspr., vgl. BGHSt 29, 319, 320; 34, 345, 349; BGH NJW 1995, 340; BGH, Urt. vom 20. Januar 2004 - 1 StR 319/03; BGH, Beschl. vom 29. Juni 2005 - 1 StR 149/05). Diese Grundsätze gelten auch für die Bildung der Gesamtstrafe und für die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung (BGHR § 54 Abs. 1 StGB Bemessung 5 und 11; BGH, Urt. vom 24. März 1999 - 3 StR 556/98).
9
a) An diesen revisionsrechtlichen Maßstäben gemessen hält die Strafzumessung - wie vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt - rechtlicher Überprüfung "noch stand". Das Landgericht hat dem Angeklagten mehrere, als erheblich bewertete Milderungsgründe zugute gehalten. Das dagegen gerichtete Vorbringen der Staatsanwaltschaft läuft im Wesentlichen darauf hinaus, diese Umstände abweichend zu werten. Dies ist im Revisionsverfahren unzulässig. Rechtsfehler, die ein Eingreifen des Revisionsgerichts rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Kammer hat zwar in acht Fällen als Einzelstrafe jeweils die Mindeststrafe des § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB verhängt und ist dementsprechend auch zu einer milden Gesamtstrafe gekommen. Dies überschreitet jedoch noch nicht die Grenzen dessen, was im Hinblick auf die Gesamtumstände bei dem nicht vorbestraften Angeklagten als gerechter Schuldausgleich anzusehen ist.
10
b) Rechtsfehlerhaft wäre es allerdings, wenn der Tatrichter die erkannten Strafen nur deshalb in der Höhe ausgesprochen hätte, damit die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe nach § 56 Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden konnte - wie die Staatsanwaltschaft vorträgt - (vgl. BGHSt 29, 319, 321; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 29; BGH, Urt. vom 13. Dezember 2001 - 4 StR 363/01). Dies ist dem angefochtenen Urteil indes nicht zu entnehmen. Dass das Landgericht - wie nahe liegend anzunehmen ist - die Frage der Aussetzbarkeit der Strafvollstreckung bei der Findung schuldangemessener Sanktionen mitberücksichtigt hat, begründet für sich noch keinen durchgreifenden Rechtsfehler (BGH, Urt. vom 13. Dezember 2001 - 4 StR 363/01).
11
c) Die Strafzumessungserwägungen sind auch nicht lückenhaft. Der Tatrichter braucht im Urteil nur diejenigen Umstände anzuführen, die für die Bemessung der Strafe bestimmend sind, § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO; eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich (st. Rspr., vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 2; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 18; BGH, Beschl. vom 23. Oktober 1992 - 2 StR 483/92; BGH, Beschl. vom 19. Juli 2002 - 2 StR 255/02). Wenn vom Tatrichter nicht jeder zu Gunsten oder zu Lasten eines Angeklagten sprechende Umstand ausdrücklich angesprochen wird, so lässt das noch nicht ohne weiteres annehmen, er habe ihn übersehen. Ein Rechtsfehler liegt erst vor, wenn ein wesentlicher, die Tat prägender Gesichtspunkt erkennbar nicht berücksichtigt wurde (BGH StV 1994, 17; BGH, Beschl. vom 19. Juli 2002 - 2 StR 255/02). Das ist hier nicht zu besorgen. Entgegen dem Vorbringen der Revision hat der Tatrichter in seine Überlegungen auch einbezogen, dass die Straftaten das Vertrauen der Verbraucher in den ordnungsgemäßen Ablauf des Fleischhandels und der Fleischgewinnung erschüttert und Verunsicherung ausgelöst haben (UA S. 91). Der Tatrichter hat die für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände umfassend gewürdigt.
12
d) Soweit die Revision rügt, den von der Kammer wesentlich strafmildernd berücksichtigten Umständen des Unternehmensverlustes und des öffentlichen Drucks komme vorliegend wegen des "lediglich losen Zusammenhangs" mit dem Ermittlungs- und Gerichtsverfahren keine wesentliche Bedeutung zu, bleibt ihr der Erfolg ebenfalls versagt. Die Kammer wertete den Verlust des Unternehmens infolge der Beschlagnahme des Warenbestandes, der Kontosperrung durch die Banken und der Insolvenzanmeldung sowie die persönliche Haftung des Angeklagten und den Druck durch die mediale Berichterstattung, dem der Angeklagte ausgesetzt war, als "vorweggenommene Bestrafung" erkennbar strafmildernd (UA S. 84, 85 f.).
13
Der zentrale Vorwurf in der öffentlichen Diskussion war geprägt durch die Begriffe "Gammelfleisch" und "Ekelfleisch". Dadurch wurde nach den Urteilsfeststellungen der Eindruck vermittelt, der Angeklagte habe gesundheitsgefährdendes Fleisch in den Verkehr gebracht und bedenkenlos die Gesundheit des Verbrauchers seinen finanziellen Zielen untergeordnet.
14
Diese Umstände durfte das Landgericht grundsätzlich auch als Strafmilderungsgründe heranziehen. Zwar sind nachteilige, typische und vorhersehbare Folgen für den Täter nicht schlechthin strafmildernd. Wer bei seiner Tat bestimmte Nachteile für sich selbst (zwar nicht gewollt, aber) bewusst auf sich genommen hat, verdient in der Regel keine strafmildernde Berücksichtigung solcher Folgen (BGH wistra 2005, 458; Stree in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 46 Rdn. 55). Gehen jedoch die Tatfolgen - wie vorliegend - für den Angeklagten durch Insolvenz und persönliche Inanspruchnahme für Kreditverbindlichkeiten in ihrer wirtschaftlichen Dimension über den bloßen Betrugsschaden hinaus, so dürfen sie zugunsten des Angeklagten in die Abwägung eingestellt werden (vgl. BGH, Urt. vom 22. März 2006 - 5 StR 475/05). Dies gilt auch für den besonderen Druck der medialen Berichterstattung, der weit über das hinausging , was jeder Straftäter über sich ergehen lassen muss, dessen Fall in das Licht der Öffentlichkeit gerät - so das Landgericht -. Die Tendenz zur Emotionalisierung des Sachverhalts und Vorverurteilung war mit einer erheblichen seelischen Belastung für den Angeklagten verbunden.
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e) Soweit die Beschwerdeführerin im Übrigen beanstandet, die Strafkammer sei "im Wesentlichen von einem zu geringen Schuldumfang" des Angeklagten ausgegangen, setzt sie nur die eigene Bewertung an die Stelle der des Tatrichters, ohne Rechtsfehler aufzuzeigen. Der Tatrichter hat das Gesamtgewicht der Taten berücksichtigt und dabei unter anderem zutreffend auf die Schadenshöhe, die Anzahl der Taten und die vom Angeklagten aufgebrachte kriminelle Energie abgehoben. Er hat sehr wohl unterschieden zwischen juristischem Schaden - der vollen Kaufpreiszahlung - und dem wirtschaftlichen Vermögensvorteil des Angeklagten - der Preisdifferenz zwischen den Fleischarten - (UA S. 69, 72, 76, 78).
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2. Gegen die Bewilligung der Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 Abs. 2 StGB wendet die Beschwerdeführerin ein, besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB lägen nicht vor. Mit diesem Vorbringen setzt die Beschwerdeführerin wiederum in unzulässiger Weise ihre eigene Wertung an die Stelle der Auffassung des Landgerichts. Auch mit dieser Rüge kann die Beschwerdeführerin deshalb nicht durchdringen. Das Landgericht hat die Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 StGB, die es "als gerade noch gegeben" ansieht, wenngleich es sich "um einen Grenzfall handelt" (UA S. 95), eingehend und mit vertretbaren Erwägungen begründet. Es hat auf das Zusammentreffen - schon erwähnter - mehrerer durchschnittlicher Milderungsgründe abgestellt, welche die Bedeutung besonderer Umstände erlangen können. Auch diese Entschei- dung hält sich im Rahmen des dem Tatrichter insoweit eingeräumten Beurteilungsspielraums.
17
3. Die Darlegungen der Strafkammer, mit denen sie verneint, dass die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Strafe gebietet, halten rechtlicher Prüfung ebenfalls stand. Eine Strafaussetzung zur Bewährung kann nach § 56 Abs. 3 StGB nur versagt werden, wenn sie im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalles für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden könnte (vgl. BGHSt 24, 40, 46; BGH StV 1998, 260; BGH NStZ 2001, 319; BGHR StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 13). Das Landgericht hat die Verneinung des § 56 Abs. 3 StGB eingehend und mit vertretbaren Erwägungen begründet. Es hat bei der Prüfung dieser Frage nochmals die gesamten Tatumstände und die Persönlichkeit des Angeklagten gewürdigt. Mit Rücksicht auf die vom Landgericht angeführten Milderungsgründe , insbesondere bei Beachtung der persönlichen Folgen der Taten für den Angeklagten u.a. durch den Verlust seines Unternehmens, ist die Annahme der Kammer hinzunehmen, die Rechtstreue der Bevölkerung werde nicht ernsthaft beeinträchtigt und es werde von der Allgemeinheit bei Kenntnis der festgestellten Sachlage, die sich wesentlich von der in der öffentlichen Berichterstattung unterscheidet, nicht als ungerechtfertigtes Zurückweichen vor der Kriminalität angesehen, dass die Vollstreckung der Strafe im vorliegenden Fall zur Bewährung ausgesetzt wird (vgl. BGH wistra 2000, 96). Das Landgericht hat sehr wohl unterschieden zwischen den im Rahmen der Ermittlungen aufgedeckten Missständen in anderen Betrieben und der individuellen Tatschuld des Angeklagten, die nicht dazu führen könne, an ihm ein Exempel zu statuieren.

III.

18
Schließlich weist auch die Entscheidung des Landgerichts, von der Anordnung eines Berufsverbots nach § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB abzusehen, keinen Rechtsfehler auf. Die in das Ermessen des Gerichts gestellte Maßregel der Besserung und Sicherung "Berufsverbot" soll die Allgemeinheit vor den Gefahren schützen, die von der Ausübung eines Berufs durch hierfür nicht hinreichend zuverlässige Personen ausgehen. Sie kann unter anderem gegen denjenigen angeordnet werden, der wegen einer rechtswidrigen Tat verurteilt wurde, die er unter Missbrauch seines Berufs oder unter grober Verletzung der damit verbundenen Pflichten begangen hat, wenn eine Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen lässt, dass er bei weiterer Ausübung dieses Berufs erhebliche rechtswidrige Straftaten begehen wird (vgl. BGH, Urt. vom 20. Januar 2004 - 1 StR 319/03).
19
Eine solche Gefahr hat die Strafkammer nicht festgestellt. Sie hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verhängung eines Berufsverbots verneint , weil sie bei der von ihr vorgenommenen Gesamtwürdigung des Angeklagten und der Taten zu dem Ergebnis gelangt, es lasse sich keine Gefahr erkennen , dass der Angeklagte bei weiterer Ausübung seines Berufes erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde. Sie sei davon überzeugt, dass es zur Einwirkung auf den Angeklagten ausreiche, im Rahmen "einer Auflage bzw. Weisung im Bewährungsbeschluss anzuordnen, dass der Angeklagte sich während der Dauer von drei Jahren jeglicher Tätigkeit im Bereich der Herstellung und Verarbeitung sowie Bearbeitung von Fleisch- und Wurstwaren zu enthalten hat" (UA S. 38). Hiergegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Der Senat vermag keinen Ermessensfehler in der von der Strafkammer angestellten Ge- samtwürdigung zu erkennen. Der Gesetzgeber hat dem Tatrichter bewusst einen weiten Ermessensspielraum zur Verfügung gestellt, um unbillige Ergebnisse bei dieser schwerwiegenden Rechtsfolge zu vermeiden (vgl. BGH, Urt. vom 20. Januar 2004 - 1 StR 319/03; Urt. vom 24. April 2007 - 1 StR 439/06). Die Kammer ist unter Würdigung der Person des Angeklagten und seiner Taten zu der - revisionsrechtlich ohnehin nur eingeschränkt überprüfbaren - Prognose gelangt, dass dieser in Verbindung mit seinem bisher ausgeübten Beruf im Bereich des (Wild-)Fleischhandels künftig keine erheblichen Rechtsverletzungen begehen werde. Die Strafkammer ist jedenfalls davon überzeugt, dass die im Bewährungsbeschluss angeordnete Weisung zur Einwirkung auf den Angeklagten ausreicht. Diese Erwägungen der Kammer sind nachvollziehbar und lassen einen Ermessensfehler nicht erkennen.
20
Es kann dahinstehen, ob die Weisung, zeitweise im Bereich der Herstellung , Ver- und Bearbeitung von Fleisch- und Wurstwaren nicht tätig zu sein, zulässig ist (so BGHSt 9, 258, 260; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 56c Rdn. 24; Groß in MK-StGB § 56c Rdn. 12, 23) oder ob dies nur unter den in § 70 StGB angegebenen Voraussetzungen angeordnet werden darf (so Ostendorf in NK 2. Aufl. § 56c Rdn. 4; Stree in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 56c Rdn. 1; Horn in SK-StGB 41. Lfg. § 56c Rdn. 7; OLG Hamm NJW 1955, 34), weil es einem zeitigen Berufsverbot gleichkomme. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB verneint. Die Frage, ob die im Bewährungsbeschluss nach § 268a Abs. 1 StPO angeordnete Weisung zulässig ist, unterliegt nicht der revisionsrechtlichen Kontrolle (Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 268a Rdn. 10).
Nack Boetticher Hebenstreit Elf Graf

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 336/08
vom
9. Juli 2008
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Juli 2008 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 3. März 2008 im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 StPO zu treffen ist. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels bleibt dem für das Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht vorbehalten.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen unter Einbeziehung von Freiheitsstrafen aus einem Urteil des Landgerichts Stuttgart (unter gleichzeitiger Auflösung der gebildeten Gesamtstrafe) vom 7. Juni 2006 und von Freiheitsstrafen aus einem Urteil des Amtsgerichts Hochheim am Main vom 25. März 2004 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und neun Monaten verurteilt. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
2
Das Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe ; im Übrigen erweist es sich entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 19. Juni 2008 als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
Der Gesamtstrafenausspruch kann nicht bestehen bleiben. Bei Einbeziehung von früheren Verurteilungen in eine neu zu bildende Gesamtstrafe ist es erforderlich, die einzelnen Taten und die jeweils verhängten Einzelstrafen konkret zu bezeichnen (BGH NStZ 1987, 183). Hieran fehlt es in dem angefochtenen Urteil, weshalb - nachdem auch in den weiteren Urteilsgründen keine Angaben über die Höhe der einbezogenen Einzelstrafen vorhanden sind - eine Nachprüfung durch das Revisionsgericht nicht möglich ist.
4
Der Senat macht bei dieser Sachlage von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1b StPO Gebrauch, so dass das erkennende Gericht eine nachträgliche Entscheidung über die Gesamtstrafe im Beschlussverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zu treffen haben wird (vgl. BGH, Beschl. vom 10. Juni 1997 - 5 StR 269/97; Urt. vom 17. Februar 2004 - 1 StR 369/03). Wahl Boetticher Kolz Graf Sander