Bundesgerichtshof Urteil, 29. Nov. 2017 - 5 StR 446/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:291117U5STR446.17.0
bei uns veröffentlicht am29.11.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 446/17
vom
29. November 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:291117U5STR446.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. November 2017, an der teilgenommen haben:
Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider
als Vorsitzende,
die Richter am Bundesgerichtshof Dölp, Prof. Dr. König, Dr. Berger, Prof. Dr. Mosbacher
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 16. Mai 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit einem Verstoß gegen Weisungen der Führungsaufsicht und wegen eines weiteren solchen Verstoßes unter Einbeziehung der Strafen aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die insoweit beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft richtet sich mit der Sachrüge gegen die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Der nunmehr 67 Jahre alte Angeklagte stand nach Vollverbüßung einer vierjährigen Gesamtfreiheitsstrafe wegen verschiedener Sexualstraftaten seit Mitte 2014 unter Führungsaufsicht. Durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer wurde er unter anderem angewiesen, keinerlei Kontakt zu Kindern und Jugendlichen aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen oder zu beherbergen. In Kenntnis dieses Verbots nahm der Angeklagte im September 2014, nur drei Monate nach der Haftentlassung, den damals dreizehnjährigen P. mit zu sich nach Hause und trank gemeinsam mit ihm Alkohol. Er massierte den Jungen und führte anschließend den Analverkehr an ihm durch. Als der Junge sagte, dass er das nicht wolle, reagierte der Angeklagte „nicht sofort“, sondern ließ erst wenige Minuten später ab, nachdem er zum Samenerguss gekommen war.
4
Bis April 2015 sahen sich der Angeklagte und P. fast täglich in der Wohnung des Angeklagten. Für diese weiteren Treffen wurde der Angeklagte wegen 90 Verstößen gegen Weisungen der Führungsaufsicht (und wegen eines Diebstahls) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt; die Strafen aus diesem Urteil sind hier einbezogen worden. Am 15. April 2016 war der Angeklagte wieder mit P. und einem damals 12 Jahre alten Mädchen mindestens eine Stunde in seiner Wohnung.
5
Der Angeklagte ist umfangreich vorbestraft und hat über 30 Jahre Haft verbüßt. Bereits 1972 wurde er wegen Raubes und anderer Taten zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, 1984 wegen sexueller Nötigung sowie Verkehrsstraftaten zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten. We- gen einer Vergewaltigung erfolgte 1986 unter Einbeziehung des vorgenannten Erkenntnisses und einer weiteren Raubverurteilung eine Verurteilung zu fünf Jahren Gesamtfreiheitsstrafe. Sämtliche Strafen wurden vollständig vollstreckt. Nach Verbüßung weiterer, teils mehrjähriger Freiheitsstrafen wegen Diebstahlstaten und Verkehrsdelikten beging der Angeklagte nur wenige Monate nach seiner letzten Entlassung Ende 1998 und Anfang 1999 unter anderem fünf Taten des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern (Analverkehr mit 12 und 13 Jahre alten Jungen, Vaginalverkehr mit einem 13 Jahre alten Mädchen) und eine Vergewaltigung. Hierfür wurde er Anfang 2000 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Nach Vollverbüßung und einer weiteren Verurteilung wegen Nötigung (Freiheitsstrafe ein Jahr) erfolgte Anfang 2010 die nächste Verurteilung wegen sexueller Nötigung, sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person und weiterer Delikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren; Opfer war ein 25 Jahre alter Mann. Diese Strafe verbüßte der Angeklagte bis Mitte Juni 2014 vollständig.
6
2. Bei dem Angeklagten liegt eine dissoziale Persönlichkeitsstörung vor, zudem ein Abhängigkeitssyndrom von Alkohol. Beides hat bei Begehung der Taten nicht zu einer Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB geführt. Die Erfolgsaussicht einer Behandlung der Alkoholabhängigkeit in der Entziehungsanstalt konnte die Jugendkammer angesichts der Persönlichkeitsstörung nicht feststellen.
7
3. Die Jugendkammer hat – dem Sachverständigen folgend – angenommen , dass der Angeklagte einen Hang zur Begehung von Straftaten habe. Er begehe Straftaten, wenn sich die Gelegenheit dazu biete. Es bestehe eine an- dauernde Delinquenzbereitschaft. Er „neige einfach dazu, sich kriminell zu ver- halten“ (UA S. 34). Deshalb bestehe das Risiko, dass er weiterhin straffällig werde.
8
Es fehle jedoch an der Gefahr der Begehung erheblicher Straftaten, durch welche die Opfer körperlich oder seelisch schwer geschädigt würden. Bei der Anlasstat sei zu berücksichtigen, dass der Angeklagte auf die Aufforderung des Kindes sein Verhalten alsbald beendet habe und es später nicht mehr zu Übergriffen gegenüber P. gekommen sei. Die Tat habe keine Traumatisierung des Kindes nach sich gezogen. Bei den Taten, die den letzten beiden Vorverurteilungen zugrunde gelegen hätten, sei der Angeklagte zwar gewalttätig gewesen, es gebe aber keine Steigerung von Intensität und Gefährlichkeit. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Angeklagte nach Haftentlassung 70 Jahre alt sein werde und „das von ihm ausgehende Gewalt- und Gefährdungspotential mutmaßlich mit zunehmendem Alter weiterhin nachlassen dürfte“ (UA S. 43).

II.


9
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.
10
1. Die Revision ist wirksam auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung beschränkt (vgl. BGH, Urteil vom 8. August 2017 – 5 StR 99/17, NStZ-RR 2017, 310 mwN).
11
2. Die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

12

a) Die formellen Voraussetzungen der Verhängung von Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 StGB liegen vor, wie die Strafkammer zutreffend ausgeführt hat.
13
b) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine hangbedingte Gefährlichkeit des Angeklagten verneint hat, erweisen sich in mehrfacher Hinsicht als unzureichend.
14
aa) Das Landgericht ist von einem falschen rechtlichen Ansatz ausgegangen , indem es seinen Blick auf die durch die Anlasstat verursachten Folgen verengt hat (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2017 – 5 StR 471/16). Die in § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB als materielle Anordnungsvoraussetzung benannte Gefährlichkeit eines Angeklagten für die Allgemeinheit liegt vor, wenn infolge eines bei ihm bestehenden Hanges die bestimmte Wahrscheinlichkeit besteht, dass er auch in Zukunft Straftaten begehen wird, die eine erhebliche Störung des Rechtsfriedens darstellen. Als wesentlichen Anhaltspunkt für die Beurteilung der Erheblichkeit zu erwartender Straftaten nennt das Gesetz eine schwere seelische oder körperliche Schädigung der Opfer. Bezugspunkt sind demnach die wahrscheinlichen Folgen der zu erwartenden Straftaten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist mit Taten des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern typischerweise die Gefahr schwerwiegender psychischer Schäden verbunden; sie wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass aufgrund der Anlasstaten solche Schäden (zufällig) nicht eingetreten sind (vgl. BGH aaO mwN). Andere Umstände, die dafür sprechen könnten, dass sich die Gefahr bei künftigen entsprechenden Taten des Angeklagten nicht realisieren werde, sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.
15
bb) Die Gefährlichkeitsprognose ist auch lückenhaft, weil das Landgericht nicht mitteilt, welche Straftaten konkret von dem Angeklagten zu erwarten sind. Der Sachverständige, dem das Gericht gefolgt ist, hat insoweit ausgeführt, der Angeklagte begehe Straftaten, wenn sich die Gelegenheit dazu biete. Auf Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern ist dieser Befund ersichtlich nicht beschränkt, wie auch die bisherigen Vorstrafen des Angeklagten belegen. Deshalb ist nicht nachvollziehbar, dass die Strafkammer bei ihrer Prognose lediglich zu erwartende Straftaten nach §§ 176, 176a StGB in den Blick nimmt. Die in diesem Zusammenhang angestellte Erwägung, bei dem Angeklagten habe sich erst in fortgeschrittenem Lebensalter eine Sexualdelinquenz entwickelt , steht zudem in Widerspruch zu der Feststellung, dass er bereits 1984 wegen einer sexuellen Nötigung und 1986 wegen einer Vergewaltigung zu erheblichen Freiheitsstrafen verurteilt werden musste.
16
cc) Soweit das Landgericht erwägt, die Gefährlichkeit des Angeklagten könne wegen seines fortgeschrittenen Alters nach Haftentlassung gesunken sein, beschreibt es angesichts der bisherigen Delinquenz nur eine theoretische Möglichkeit, die im Rahmen der Prüfung des § 66 Abs. 1 StGB nicht durchschlägt. Derartige Veränderungen sind im Verfahren nach § 67c Abs. 1 Satz 1 StGB zu prüfen. Für die Gefährlichkeitsprognose kommt es auf den Zeitpunkt der Verurteilung an (§ 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB). Hinsichtlich der Anordnung der Sicherungsverwahrung steht dem Tatgericht auch kein Ermessen zu, in dessen Rahmen eine zu erwartende Haltungsänderung oder Alterungsprozesse berücksichtigt werden könnten. Etwaige ernsthafte Erkrankungen des Angeklagten , die – wie die Revision vorträgt – nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils ausgebrochen sind, wird das neue Tatgericht im Rahmen seiner Gefährlichkeitsprognose zu berücksichtigen haben.
Schneider Dölp König
Berger Mosbacher

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 29. Nov. 2017 - 5 StR 446/17

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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 66 Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

Strafgesetzbuch - StGB | § 176 Sexueller Missbrauch von Kindern


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,2. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer d

Strafgesetzbuch - StGB | § 176a Sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind


(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer 1. sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,2. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen

Strafgesetzbuch - StGB | § 67c Späterer Beginn der Unterbringung


(1) Wird eine Freiheitsstrafe vor einer wegen derselben Tat oder Taten angeordneten Unterbringung vollzogen und ergibt die vor dem Ende des Vollzugs der Strafe erforderliche Prüfung, dass 1. der Zweck der Maßregel die Unterbringung nicht mehr erforde
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gegen
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ECLI:DE:BGH:2017:080817U5STR99.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. August 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Dr. Mutzbauer, Richter Dölp, Richter Prof. Dr. König, Richter Dr. Berger, Richter Prof. Dr. Mosbacher als beisitzende Richter, Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt P. als Verteidiger, Rechtsanwalt Sc als Vertreter der Nebenklägerin B. , Rechtsanwältin Bo. als Vertreter der Nebenklägerin W. ,
Rechtsanwalt Si. als Vertreter der Nebenklägerin H. , Rechtsanwältin We. als Vertreterin der Nebenklägerin Sch. , Amtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 20. Oktober 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung von Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tatein1 heit mit vorsätzlicher Körperverletzung und wegen sexueller Nötigung in vier Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt (Einzelstrafen : ein Jahr und drei Monate, zweimal ein Jahr und zehn Monate, zwei Jahre und vier Monate sowie zwei Jahre und zehn Monate). Mit ihrer auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung beschränkten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der bislang unbestrafte
2
Angeklagte spätestens 2012 in den Abend- und Nachtstunden in Berlin Prenzlauer Berg unterwegs, um nach attraktiven, unbegleiteten jungen Frauen Ausschau zu halten. Er verfolgte die Frauen mit dem Ziel, sich ihrer zu bemächtigen und sie an der Scheide und den Brüsten anzufassen. Bei den nächtlichen Streifzügen brach er teilweise die Verfolgung ab. Es kam indes zu fünf Überfällen , von denen zwei Gegenstand von Anklage und Schuldspruch sind, wohingegen drei Überfälle unbekannt gebliebene junge Frauen betrafen.
Im ersten Fall warf er am 9. April 2012 gegen 5:00 Uhr morgens die von
3
einer Tanzveranstaltung heimkehrende 25-jährige Nebenklägerin Ba. rücklings zu Boden, presste seine Hand auf ihren Mund und setzte sich auf sie. Anschließend fasste er ihr bei fortdauernder Gewaltanwendung unter ihrem Kleid an die Brüste und in den Schritt, wobei er auch einen Finger in ihre Scheide einführte. Bei der Nebenklägerin traten neben einigen Abwehrverletzungen schwerwiegende und langanhaltende psychische Folgen auf.
Im zweiten Fall folgte der Angeklagte am 28. Mai 2012 nachts gegen
4
1:30 Uhr der 24-jährigen Nebenklägerin W. in den Flur ihres Wohnhauses , ergriff sie und stieß sie rücklings auf die Treppenstufen. Er warf sich auf sie, presste ihr den Mund zu und griff unter der Kleidung an die Scheide der sich heftig wehrenden Nebenklägerin. Durch die Tat wurde eine schwerwiegende Angstproblematik ausgelöst. Die Nebenklägerin musste deshalb umziehen und leidet unter Angstattacken.
5
Die zweite Tatserie begann nach Ende einer Beziehung des Angeklagten zu einer Frau im November 2015. In der Nacht zum 1. November 2015 folgte er gegen 3:00 Uhr morgens der 16-jährigen Nebenklägerin J. bis ins Treppenhaus ihres Wohnhauses. Dort hielt er ihr den Mund zu und drückte sie an die Wand. Dann griff er an die Scheide der Nebenklägerin, die aufgrund ihrer Abwehrversuche nach hinten gegen das Treppengeländer fiel und sich verletzte. Auch bei ihr sind erhebliche psychische Folgen verursacht worden.
In der Nacht zum 25. Dezember 2015 verfolgte der Angeklagte gegen
6
5:00 Uhr die 25-jährige Nebenklägerin B. , die mit der 19-jährigen Nebenklägerin H. auf dem Nachhauseweg war. Er folgte ihnen bis in die Wohnung der Nebenklägerin B. . Der Nebenklägerin H. griff er kraftvoll an die Scheide, schob sie ins Schlafzimmer, stieß sie auf den Boden und legte sich auf sie. Als die Nebenklägerin B. , die die Toilette aufgesucht hatte, hinzukam , schob er sie gegen die Zimmerwand, fixierte sie und fasste unter ihrem Slip an ihre Scheide. Da sie sich wehrte, schlug er sie mindestens dreimal ins Gesicht und versetzte ihr mehrere Boxschläge. Auch die Nebenklägerin H. war psychisch erheblich beeinträchtigt.
Am Neujahrsmorgen 2016 folgte der angetrunkene Angeklagte der
7
25 Jahre alten Nebenklägerin Sch. unbemerkt in ihren Hauseingang, drückte sie an die Wand und zu Boden. Die zierliche Nebenklägerin schlug mit dem Hinterkopf auf dem Steinboden auf. Trotz erheblicher Gegenwehr gelang es dem Angeklagten, ihren Slip wegzuschieben und sie an der Scheide zu berühren. Erst nach längerem Kampf ließ er von seinem Opfer ab, das ihn kräftig in den Finger gebissen hatte. Die psychischen Folgen dieses Überfalls waren für die Nebenklägerin Sch. gravierend.
8
2. Das sachverständig beratene Landgericht hat von der Anordnung von Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2, 3 Satz 2 StGB abgesehen. Zwar lägen die formellen Voraussetzungen vor. Auch habe der Angeklagte einen Hang zur Begehung schwerer Straftaten wie der begangenen, weshalb er für die Allgemeinheit gefährlich sei. Jedoch erscheine die Anordnung nicht unerlässlich, weil eine Therapie des besonders therapiegeeigneten Angeklagten im Strafvollzug eine wesentliche Verminderung des von ihm ausgehenden Risikos verspreche.

II.


Die Nichtanordnung der Maßregel hält sachlich-rechtlicher Überprüfung
9
nicht stand.
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die Nichtanord10 nung der Maßregel beschränkt.

a) Grundsätzlich ist eine Beschränkung des Rechtsmittels auf das Unter11 lassen einer Maßregelanordnung möglich; dies gilt auch für die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung (st. Rspr., vgl. Meyer-Goßner, 60. Aufl., § 318 Rn. 23 ff. mwN).

b) Zwischen Strafe und Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung be12 steht – von Ausnahmefällen abgesehen – keine Wechselwirkung (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 2008 – 1 StR 183/08 mwN). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Zwar kann die Rechtsmittelbeschränkung der Staatsanwaltschaft ausnahmsweise unwirksam sein, wenn das Gericht die Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung mit den zu erwartenden Wirkungen eines langjährigen Strafvollzuges begründet und damit Strafe und Maßregel in einen
inneren Zusammenhang setzt, der eine getrennte Prüfung beider Rechtsfolgen ausschließt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2013 – 3 StR 148/13 mwN). Dies hat die Strafkammer vorliegend aber nicht getan, sondern wesentlich auf den – innerhalb der in derartigen Fällen nicht besonders langen Haftzeit – nach zwei Jahren zu erwartenden Therapieerfolg abgestellt.
2. Die Frage, ob nach § 66 Abs. 2, 3 Satz 2 StGB Sicherungsverwahrung
13
anzuordnen ist, bedarf erneuter Prüfung.

a) Zutreffend hat das Landgericht die formellen Voraussetzungen von
14
§ 66 Abs. 2, 3 Satz 2 StGB bejaht und mit dem Sachverständigen einen Hang des Angeklagten zur Begehung erheblicher Straftaten und dessen Gefährlichkeit für die Allgemeinheit festgestellt. Dennoch hat es in Ausübung des ihm durch § 66 Abs. 2 und 3 StGB eingeräumten Ermessens davon abgesehen, den Angeklagten in der Sicherungsverwahrung unterzubringen, weil eine Haltungsänderung des Angeklagten aufgrund einer Therapie zu erwarten sei. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

b) Insoweit gilt (vgl. BGH, Urteile vom 11. Juli 2013 – 3 StR 148/13, vom
15
15. Oktober 2014 – 2 StR 240/14, NStZ 2015, 510, 511 f., vom 22. Oktober 2015 – 4 StR 275/15, vom 28. Juni 2017 – 5 StR 8/17; je mwN): Die Beurteilung, ob ein Angeklagter infolge seines Hanges zur Begehung
16
schwerer Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist, richtet sich nach der Sachlage im Zeitpunkt der Aburteilung (vgl. auch § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB). Ob der Angeklagte nach Strafverbüßung weiterhin für die Allgemeinheit gefährlich und daher der Vollzug der Sicherungsverwahrung geboten ist, bleibt der Prüfung nach § 67c StGB vorbehalten. Soweit indes allein die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 oder 3 StGB in Betracht kommt, ist es dem Tatrichter grundsätzlich gestattet, bei der Ausübung seines Ermessens die zu erwartenden Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs auf die Gefährlichkeit des Angeklagten zu berücksichtigen. Ihm ist die Möglichkeit eröffnet, sich ungeachtet der hangbedingten Gefährlichkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Urteilsfindung auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken , sofern erwartet werden kann, dass sich der Angeklagte schon die Strafe hinreichend zur Warnung dienen lässt. Damit wird dem Ausnahmecharakter der Bestimmungen Rechnung getragen, die in den Fällen des § 66 Abs. 2, 3 Satz 2 StGB – im Gegensatz zu Absatz 1 der Vorschrift – eine frühere Verurteilung und eine frühere Strafverbüßung des Angeklagten nicht voraussetzen. Ein Absehen von der Verhängung der Sicherungsverwahrung bei Ausübung dieses Ermessens ist jedoch nur gerechtfertigt, wenn konkrete Anhaltspunkte erwarten lassen, dass dem Täter aufgrund der Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs und diesen begleitender resozialisierender sowie therapeutischer Maßnahmen zum Strafende eine günstige Prognose gestellt werden kann. Nur denkbare positive Veränderungen und Wirkungen künftiger Maßnahmen im Strafvollzug reichen nicht aus.

c) Nach diesen Maßstäben ist die Entscheidung des Landgerichts, den
17
Angeklagten nicht in der Sicherungsverwahrung unterzubringen, rechtsfehlerhaft.
Das Landgericht stützt sich entscheidend auf die vom Sachverständigen
18
geäußerte Erwartung, eine in der Sozialtherapeutischen Anstalt der Justizvollzugsanstalt Tegel vorzunehmende zweijährige Verhaltenstherapie, an die sich eine dauerhafte ambulante Fortsetzung anschließen müsse, könne die Bereitschaft des Angeklagten zur Begehung von Taten nach dem geschilderten Muster entscheidend verringern. Die positive Erfolgsaussicht der Therapie folge aus der besonders hohen Therapieeignung des Angeklagten. Zwar sei damit zu rechnen, dass die Lebensumstände nach Haftentlassung noch ungünstiger seien als zu den Tatzeiten, aufgrund der Therapie sei aber zu erwarten, dass der Angeklagte mit Frustrationen in kompetenterer Weise umzugehen gelernt habe. Auch der Umstand, dass der therapiewillige Angeklagte sich nicht mehr für rückfallgefährdet halte und deshalb noch keine vollständige Einsicht in die Notwendigkeit der vom Sachverständigen angeratenen Verhaltenstherapie habe, stehe der Prognose eines Therapieerfolgs nicht entgegen, da er aufgrund seiner Schuldgefühle für die Therapiemotivation besonders gut zu erreichen sei.
Mit diesen Ausführungen beschreibt die Strafkammer letztlich nicht mehr
19
als die Hoffnung, dass der bisher noch nicht dazu motivierte Angeklagte eine noch nicht konkret geplante zweijährige Verhaltenstherapie in der Sozialtherapeutischen Anstalt der Justizvollzugsanstalt Tegel antritt sowie erfolgreich beendet und sich anschließend in ambulante Therapie begibt. Die Bundesanwaltschaft beanstandet zu Recht, dass sich dem Urteil keine konkreten Feststellungen zu der Frage entnehmen lassen, wie sicher oder wahrscheinlich die Aufnahme des Angeklagten in die entsprechende Therapieeinrichtung der genannten Justizvollzugsanstalt mit der vom Sachverständigen empfohlenen Therapie ist. Zudem hat das Landgericht bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht erkennbar das Gewicht der vom Angeklagten infolge seines Hangs zu erwartenden schwerwiegenden Straftaten eingestellt, die – wie die Anlasstaten erweisen – geeignet sind, die willkürlich ausgewählten jungen Frauen namentlich seelisch schwer zu schädigen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2014 – 2 StR 240/14, NStZ 2015, 510, 511).
20
d) Sonstige Gründe, die der Anordnung von Sicherungsverwahrung zwingend entgegenstehen könnten, ergeben sich aus dem angefochtenen Urteil nicht (zum anwendbaren Recht vgl. Art. 316f Abs. 1 EGStGB; zu dem – auch in Mischfällen wie dem vorliegenden – anwendbaren Prüfungsmaßstab vgl. BGH, Urteil vom 7. Januar 2015 – 2 StR 292/14, NStZ 2015, 208).
3. Um dem neuen Tatgericht eine umfassende neue Prüfung der Maßre21 gel zu ermöglichen, hebt der Senat die hierzu getroffenen Feststellungen insgesamt auf, auch wenn sie hinsichtlich des Hangs und der darauf beruhenden Gefährlichkeit rechtsfehlerfrei getroffen sind.
Mutzbauer Dölp König
Berger Mosbacher

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 471/16
vom
7. Februar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:070217U5STR471.16.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Februar 2017, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander als Vorsitzender,
Richterin Dr. Schneider, Richter Dölp, Richter Prof. Dr. König, Richter Dr. Berger als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin K. als Verteidigerin,
Rechtsanwalt M. als Vertreter der Nebenkläger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 27. Januar 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten unter Teilfreispruch im Übrigen
1
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 13 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung beschränkte und auf die Sachbeschwerde gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


1. Nach den Feststellungen des Landgerichts bevorzugt der Angeklagte
2
Sexualität mit Jungen. In den Jahren 1990, 1993 und 2006 war er wegen Taten des (schweren) sexuellen Missbrauchs von Kindern zu Jugend- bzw. Freiheitsstrafen verurteilt worden, die er – teils nach Widerruf gewährter Strafaussetzungen – vollständig verbüßt hat. Ferner war der Angeklagte von 2007 bis 2014 unter anderem wegen Diebstahls zu weiteren, gleichermaßen in vollem Umfang verbüßten Freiheitsstrafen verurteilt worden.
Der deswegen unter Führungsaufsicht stehende Angeklagte missbrauch3 te im Zeitraum vom März bis Anfang Mai 2015 ein sechs- und ein siebenjähriges Nachbarskind, indem er insbesondere von einem der Jungen an sich den Oralverkehr vornehmen ließ, selbst an einem Jungen den Oralverkehr ausführte und bei beiden Jungen seinen Penis an den entblößten Analbereich hielt. Körperliche oder seelische Folgen der Taten bei den Geschädigten hat die Strafkammer nicht festgestellt.
2. Das Landgericht hat gegen den Angeklagten unter anderem
4
Einzelfreiheitsstrafen von drei Jahren und neun Monaten, drei Jahren und drei Monaten sowie zweimal zwei Jahren und neun Monaten verhängt. Sachverständig beraten hat es jedoch die Anordnung der Sicherungsverwahrung abgelehnt. Es hat ausgeführt, dass zwar die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1a, 2 und 3 StGB gegeben seien und ein Hang zur Begehung gravierender Straftaten bestehe. Hingegen sei nicht feststellbar, dass der Angeklagte infolge dieses Hanges zu Straftaten neige, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt würden, und er deshalb zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich sei. Denn es seien weder schwere körperliche oder seelische Schäden bei den Opfern der Anlasstaten festzustellen noch Taten mit einer größeren Intensität zu erwarten.

II.


Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
5
1. Die Revisionsbeschränkung auf den Maßregelausspruch ist wirksam.
6
Weder aus den Erwägungen zur Strafzumessung noch aus denjenigen zur unterbliebenen Anordnung der Sicherungsverwahrung ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass das Landgericht zwischen beiden Rechtsfolgenentscheidungen einen Zusammenhang hergestellt hat, der eine getrennte Prüfung beider Rechtsfolgen ausschließt (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2015 – 1 StR 594/14 mwN).
2. Die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung hält sachlich-recht7 licher Überprüfung nicht stand. Die Verneinung des Vorliegens der materiellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB weist durchgreifende Rechtsfehler auf.
Das Landgericht ist von einem falschen rechtlichen Ansatz ausgegan8 gen, indem es seinen Blick auf die durch die Anlasstaten verursachten Folgen verengt hat.
Die in § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB als materielle Anordnungsvoraus9 setzung benannte Gefährlichkeit eines Angeklagten für die Allgemeinheit liegt vor, wenn infolge eines bei ihm bestehenden Hanges die bestimmte Wahrscheinlichkeit besteht, dass er auch in Zukunft Straftaten begehen wird, die eine erhebliche Störung des Rechtsfriedens darstellen (vgl. BGH, Beschluss vom
3. Dezember 2002 – 4 StR 416/02, NStZ-RR 2003, 108). Als wesentlichen Anhaltspunkt für die Beurteilung der Erheblichkeit zu erwartender Straftaten nennt das Gesetz eine schwere seelische oder körperliche Schädigung der Opfer. Bezugspunkt sind demnach die wahrscheinlichen Folgen der zu erwartenden Straftaten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei Taten des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern typischerweise die Gefahr schwerwiegender psychischer Schäden verbunden (vgl. BGH, Urteile vom 24. März 2010 – 2 StR 10/10, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Erheblichkeit 7; vom 23. April 2013 – 5 StR 617/12, MüKo-StGB/Ullenbruch/ Drenkhahn/Morgenstern , 3. Aufl., § 66 Rn. 103; BeckOK-StGB/Ziegler, 32. Edition, § 66 Rn. 14). Sie wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass aufgrund der konkreten Anlasstaten solche Schäden (zufällig) nicht eingetreten sind. Andere Umstände, die dafür sprechen könnten, dass sich die Gefahr bei künftigen entsprechenden Taten des Angeklagten nicht realisieren werde, sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass im
10
Hinblick auf die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB im Urteil die für Vortaten verhängten Einzelstrafen im Einzelnen dargestellt werden müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 2009 – 5 StR 340/09; MüKoStGB /Ullenbruch/Drenkhahn/Morgenstern, aaO, § 66 Rn. 65 f.). Gleiches gilt – umeine Prüfung der Wahrung der sogenannten Rückfallverjährungsfrist des § 66 Abs. 4 Satz 3 und 4 StGB zu ermöglichen – für die Tatzeiten der Vortaten und die exakte Dauer der Vorverbüßungszeiten (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 27. November 2009 – 3 StR 468/08, NStZ-RR 2009, 104).
Sander Schneider Dölp
König Berger

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Wird eine Freiheitsstrafe vor einer wegen derselben Tat oder Taten angeordneten Unterbringung vollzogen und ergibt die vor dem Ende des Vollzugs der Strafe erforderliche Prüfung, dass

1.
der Zweck der Maßregel die Unterbringung nicht mehr erfordert oder
2.
die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung unverhältnismäßig wäre, weil dem Täter bei einer Gesamtbetrachtung des Vollzugsverlaufs ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 2 in Verbindung mit § 66c Absatz 1 Nummer 1 nicht angeboten worden ist,
setzt das Gericht die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus; mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein. Der Prüfung nach Satz 1 Nummer 1 bedarf es nicht, wenn die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im ersten Rechtszug weniger als ein Jahr vor dem Ende des Vollzugs der Strafe angeordnet worden ist.

(2) Hat der Vollzug der Unterbringung drei Jahre nach Rechtskraft ihrer Anordnung noch nicht begonnen und liegt ein Fall des Absatzes 1 oder des § 67b nicht vor, so darf die Unterbringung nur noch vollzogen werden, wenn das Gericht es anordnet. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Das Gericht ordnet den Vollzug an, wenn der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert. Ist der Zweck der Maßregel nicht erreicht, rechtfertigen aber besondere Umstände die Erwartung, daß er auch durch die Aussetzung erreicht werden kann, so setzt das Gericht die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus; mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein. Ist der Zweck der Maßregel erreicht, so erklärt das Gericht sie für erledigt.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.