Bundesgerichtshof Urteil, 09. Jan. 2008 - 5 StR 508/07

bei uns veröffentlicht am09.01.2008

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 508/07

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 9. Januar 2008
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Januar
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
alsbeisitzendeRichter,
Staatsanwalt
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
alsVerteidigerin,
Justizhauptsekretärin
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Juli 2007 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt (Einzelfreiheitsstrafen: fünf Jahre sechs Monate und sechs Jahre sechs Monate). Die dagegen gerichtete, in der Revisionshauptverhandlung auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten bleibt erfolglos.
2
1. Der im Jahre 2002 wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu zwei Jahren Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilte Angeklagte schloss sich spätestens Mitte 2005 der Rauschgifthändlerbande der drei Brüder F. , Landsleute und Namensvetter des Angeklagten, an, die mit unbekannt gebliebenen Mittätern einen gut organisierten und streng hierarchisch geführten Handel mit Heroin und Kokain auf verschiedenen Bahnhöfen der U-Bahnlinie 9 betrieben. Der Angeklagte war gegen Entlohnung in der mittleren Ebene des gut organisierten Bandengefü- ges mit der Hilfe bei der Rauschgiftportionierung befasst und gab weiteren Mittätern Anweisungen.
3
Am 28. Juli 2005 brachte das weitere Bandenmitglied M. auf seine Anweisung 90 Kügelchen Heroingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 2,089 g Heroinhydrochlorid in einen Park und vergrub das Rauschgift, damit ein bestimmter Mittäter es später zum gewinnbringenden Weiterverkauf abholen könne. Am 19. September 2005 war der Angeklagte, der drei Tage zuvor in einer Bunkerwohnung mehrere Hundert Kügelchen mit Heroingemisch verpackt hatte, an der Erteilung eines Auftrags an M. beteiligt, dem unter seiner Mitwirkung zur weiteren Organisation des Verkaufs eine Tüte mit 1.138 Heroinkügelchen (362,1 g Heroingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von 49,47 g Heroinhydrochlorid) übergeben wurde. Am Ende der anschließenden Taxifahrt wurde M. festgenommen und das Rauschgift wurde sichergestellt.
4
2. Die Revision ist zur Annahme uneingeschränkter Schuldfähigkeit des Angeklagten und zur Ablehnung der Voraussetzungen des § 31 BtMG unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Auch die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung des Strafrahmens und die Bemessung der Strafen halten rechtlicher Prüfung noch stand.
5
Die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 3, 179; 24, 268; BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall Gesamtwürdigung 7). Das Revisionsgericht darf die Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Ent- scheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. BGHSt 29, 319, 320; BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 StR 530/07 Rdn. 8).
6
Das ist hier nicht der Fall, und zwar ungeachtet der herangezogenen nicht ganz unwesentlichen strafmildernden Gesichtspunkte, insbesondere auch des Umstands, dass das geschützte Rechtsgut nur im Fall 1 und dort lediglich am unteren Rande des Verbrechenstatbestandes des § 30a Abs. 1 BtMG beeinträchtigt worden ist. Die Nichtannahme minder schwerer Fälle ist gleichwohl das Ergebnis einer vom Revisionsgericht hinzunehmenden Gesamtabwägung des Tatrichters. Das Landgericht durfte dabei maßgeblich auf die einschlägige massive Vorbelastung des Angeklagten und auf die Abwicklung organisierten Drogenhandels im Bereich des vielfrequentierten öffentlichen Nahverkehrs, was mit einer gefährdenden Versuchung Unbeteiligter, namentlich Jugendlicher einhergeht, abstellen. Zumal im Hinblick auf den Eindruck, den die rechtstreue Bevölkerung durch das augenscheinliche Unvermögen des Staates, die Einhaltung der Rechtsordnung zu garantieren, gewinnen konnte, durften auch derartige Erwägungen in die Strafzumessung einfließen. Zudem ist das Landgericht – offensichtlich aufgrund der Telefonüberwachung – zu Unrecht zu Gunsten des Angeklagten bereits im Fall 1 von einer polizeilichen Überwachung der Tatausführung ausgegangen (vgl. BGH StV 2000, 555; BGH, Beschluss vom 31. März 2004 – 5 StR 78/04).
7
Bei dieser Sachlage erweist sich die Strafrahmenwahl in beiden Fällen als noch vertretbar und gibt dann auch die konkrete Straffindung innerhalb des Strafrahmens – zumal angesichts sachgerecht enger Gesamtstrafbil- dung – letztlich keinen Anlass zu revisionsgerichtlichem Eingreifen, wenngleich die – zumal im Fall 2 sehr deutliche – Überschreitung der erheblichen Mindeststrafe des § 30a Abs. 1 BtMG bereits an der Grenze des gerade noch Hinnehmbaren steht.
Basdorf Gerhardt Raum Brause Schaal

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 09. Jan. 2008 - 5 StR 508/07

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 09. Jan. 2008 - 5 StR 508/07

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande han

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 31 Strafmilderung oder Absehen von Strafe


Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter1.durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich d
Bundesgerichtshof Urteil, 09. Jan. 2008 - 5 StR 508/07 zitiert 4 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande han

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 31 Strafmilderung oder Absehen von Strafe


Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter1.durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich d

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Jan. 2008 - 5 StR 508/07 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Jan. 2008 - 5 StR 508/07 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2007 - 5 StR 530/07

bei uns veröffentlicht am 18.12.2007

5 StR 530/07 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS Vom 18. Dezember 2007 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Dezember 2007 beschlossen: 1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Land

Bundesgerichtshof Beschluss, 31. März 2004 - 5 StR 78/04

bei uns veröffentlicht am 31.03.2004

5 StR 78/04 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 31. März 2004 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. März 2004 beschlossen: 1. Auf
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 09. Jan. 2008 - 5 StR 508/07.

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Okt. 2009 - 5 StR 443/09

bei uns veröffentlicht am 28.10.2009

5 StR 443/09 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 28. Oktober 2009 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Oktober 2009 beschlo

Bundesgerichtshof Urteil, 02. Apr. 2008 - 5 StR 29/08

bei uns veröffentlicht am 02.04.2008

5 StR 29/08 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 2. April 2008 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. April 2008, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Ri

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Okt. 2016 - 4 StR 239/16

bei uns veröffentlicht am 13.10.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 239/16 vom 13. Oktober 2016 BGHSt: nein BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ––––––––––––––––––––––––––- StGB § 308 Abs. 1 Die Wertgrenze für die Annahme der Gefährdung

Referenzen

Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nummer 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. § 46b Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

5 StR 530/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
Vom 18. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Dezember 2007

beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 9. Juli 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Ihr Rechtsmittel dringt mit der Sachrüge zum Strafausspruch durch. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Die alkoholabhängige Angeklagte lebte seit Ende 1999 mit der Mutter der Nebenklägerin in einer lesbischen Lebensgemeinschaft. Beide Frauen sprachen übermäßig alkoholischen Getränken zu; unter deren Einfluss kam es zu Streitigkeiten und tätlichen Angriffen der Angeklagten auf ihre Partne- rin. Ihr Verhältnis war von wechselseitiger heftiger Eifersucht geprägt. Die Angeklagte verletzte ihre Lebensgefährtin am 4. Dezember 2004 mit einem Messer (BAK über 2 ‰) und am 19. Mai 2005 mit Faustschlägen und Tritten (BAK über 1,5 ‰). Dieserhalb wurde die Angeklagte vom Amtsgericht Plauen am 7. Dezember 2005 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.
4
Am nächsten Abend kam es nach erneutem Alkoholkonsum in der gemeinsamen Wohnung zu einem weiteren heftigen Streit. Die Lebensgefährtin der Angeklagten warf dieser vor, ihr untreu zu sein, und machte ihr Vorhaltungen wegen der Gerichtsverhandlung vom Vortag. Schließlich tötete die Angeklagte ihre Partnerin mit sechs Stichen. Sie ließ die Getötete liegen, zog aus und vertuschte die Tat gegenüber Dritten bis Ende April 2006.
5
b) Das Landgericht schloss – dem psychiatrischen Sachverständigen folgend – eine Schuldunfähigkeit aus und nahm Zeichen einer anderen schweren seelischen Abartigkeit im Umfang des § 21 StGB an: „Diese lägen in einer Alkoholabhängigkeit der Angeklagten und einer problematischen Persönlichkeitsentwicklung mit deutlichen Zügen von Dissozialität und emotionaler Instabilität begründet. Die schwere seelische Abartigkeit in Kombination mit der tataktuellen Alkoholisierung wäre ausreichend – bei bestehender Einsichtsfähigkeit –, die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten erheblich einzuschränken (§ 21 StGB).“
6
c) Das Landgericht hat die Annahme eines sonstigen minder schweren Falles im Sinne des § 213 StGB mit folgenden Erwägungen abgelehnt: „Die Kammer beachtete zu Gunsten der Angeklagten, dass der Tat ein Streit zwischen Täter und Opfer vorausging und geht von einer spontanen Tatbegehung aus. Diesem Aspekt steht entgegen, dass die Angeklagte mit überaus roher Gesinnung G. tötete. Sowohl die konkrete Begehungsweise als auch das Verhalten nach der Tat sprechen gegen die Annahme eines minder schweren Falles (UA S. 28).“
7
Die Schwurgerichtskammer hat eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB wegen „Alkoholgewöhnung“ abgelehnt, „da die Angeklagte … bereits vor dieser Tat die Neigung zeigte, nach Alkoholgenuss Straftaten unter Gewaltanwendung gegen Leib und Leben eines Anderen zu begehen und sich die Angeklagte dieser Neigung bewusst war oder zumindest bewusst hätte sein können“ (UA S. 29).
8
2. Zwar ist die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr. vgl. nur BGHSt 3, 179; 24, 268; BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall Gesamtwürdigung 7). Das Revisionsgericht darf die Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. BGHSt 29, 319, 320; BGHR aaO). Dies ist hier der Fall.
9
a) Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagte habe ihre Partnerin aus überaus roher Gesinnung getötet, entbehrt einer tatsächlichen Grundlage (vgl. BGH StV 2002, 235 m.w.N.). Einer solchen Annahme stehen der festgestellte Streit und die von dem Opfer erhobenen Vorwürfe entgegen.
10
b) Soweit das Landgericht die Tatmodalitäten strafschärfend gewertet hat, besorgt der Senat, dass die Schwurgerichtskammer die Tatausführung bei den hier vorliegenden Voraussetzungen einer verminderten Schuldfähigkeit über das Maß der geminderten Schuld hinaus der Angeklagten angelastet hat (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 38; BGHR StV 2005, 495).
11
Gegenstand c) eines auf das Verhalten nach der Tat gestützten schulderhöhenden Umstands könnte vorliegend die Einstellung der Angeklagten zur Tat sein (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 9). Indes hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen, aus denen die dafür gebotene besondere Missachtung gerade des Tatopfers spricht (vgl. BGHR aaO Nachtatverhalten 11; Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 376).
12
3. Die Strafe muss demnach neu bemessen werden. Bei dem hier vorliegenden Wertungsfehler bedarf es keiner Aufhebung von Feststellungen.
13
Der Senat weist darauf hin, dass – sollte eine erneute Entscheidung über eine Strafrahmenverschiebung erforderlich werden – zu erwägen sein wird, ob der Angeklagten ihr Alkoholkonsum im Blick auf ihre Alkoholabhängigkeit und ihres Hanges, Alkohol im Übermaß zu konsumieren (UA S. 30) uneingeschränkt vorgeworfen werden kann (vgl. BGHSt 49, 239, 254; Tröndle /Fischer, StGB 54. Aufl. § 21 Rdn. 26).
14
Jedenfalls wird der neue Tatrichter die Vollstreckungsreihenfolge anhand des jetzt geltenden § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB zu prüfen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2007 – 5 StR 374/07). Gerhardt Raum Brause Schaal Jäger

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

5 StR 78/04

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 31. März 2004
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. März 2004

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 26. November 2003 nach § 349 Abs. 4 StPO im Ausspruch über die Höhe der Freiheitsstrafe aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handel- treibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 3. März 2004 ausgeführten Gründen erfolglos, soweit der Schuldspruch angegriffen wird.
Der Senat entnimmt den auf das Teilgeständnis des Angeklagten, objektiven Beweismitteln und den Bekundungen des Kriminalkommissars L gestützten Feststellungen, daß der Angeklagte in Potsdam in den Drogenhandel mit Haschisch eingebunden war und am 26. Juni 2003 konspirativ und professionell Haschisch und Ecstasy-Tabletten zum Drogenmarkt- wert von 100.000 Euro von Berlin nach Potsdam transportierte, um von sei- nem Auftraggeber eine höhere Belohnung als 500 Euro zu erlangen.
Dagegen kann aber der Strafausspruch nicht bestehenbleiben. Das Landgericht hat strafschärfend – neben dem hohen Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel – lediglich darauf abgestellt, daß der Angeklagte „ohne finanzielle Not mit hoher krimineller Energie gehandelt hat“, und zu seinen Gunsten das Teilgeständnis, sein sozial integriertes Leben, sein geringes Alter und seine Strafempfindlichkeit als nicht vorbestrafter Ersttäter erwogen. Bei der auf dieser Grundlage verhängten vierjährigen Freiheitsstrafe kann der Senat nicht ausschließen, daß der wesentliche Strafmilderungsgrund der vollständigen Sicherstellung aller Betäubungsmittel in der Strafzumessung keinen Niederschlag gefunden hat (vgl. BGHR BtMG § 29 Strafzumessung

10).


Die Strafe muß demnach – unter Anwendung von Erwachsenenstrafrecht – neu zugemessen werden. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht. Der neue Tatrichter wird die Strafe auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zumessen können, die freilich um solche ergänzt werden können, die den bisherigen Feststellungen nicht widersprechen. Dabei wird der neue Tatrichter dem bisher sachlichrechtlich unbeachtlichen Einwand der
Revision nachgehen können, der von dem Angeklagten durchgeführte Drogentransport hätte unter Beobachtung der Polizei stattgefunden (vgl. BGH StV 2000, 555).
Basdorf Häger Gerhardt Brause Schaal

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.