Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juni 2014 - 5 StR 60/14

bei uns veröffentlicht am18.06.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR60/14
vom
18. Juni 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Juni 2014,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Prof. Dr. Sander,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt P.
als Verteidiger,
Rechtsanwalt H. ,
Rechtsanwältin R. ,
Rechtsanwältin Sc. ,
Rechtsanwalt U. H. ,
Rechtsanwalt S. H.
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 5. August 2013 aufgehoben, soweit das Landgericht die besondere Schwere der Schuld verneint hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten ist durch Beschluss des Senats vom 12. März 2014 verworfen worden. Gegen das Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision, soweit das Landgericht die besondere Schwere der Schuld des Angeklagten verneint hat (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB). Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, hat Erfolg.
2
1. Das Landgericht ist im Wesentlichen zu folgenden Feststellungen und Wertungen gekommen:
3
a) Der Angeklagte war mit seiner Ehefrau seit 1985 verheiratet und hatte mit ihr zehn Kinder. Nach seiner Rückkehr von einem mehrjährigen Auslandsaufenthalt war seine Frau nicht mehr zur Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft bereit. Der Angeklagte wollte sie aber unbedingt dazu bewegen, wieder mit ihm zusammenzuleben. Er verfiel auf die Idee, sie in einen Zustand zu versetzen, in dem sie auf seine Unterstützung bei der Haushaltsführung und der Erziehung der Kinder angewiesen sein würde. Zu diesem Zweck zerstieß er Tabletten eines hochwirksamen und potentiell lebensgefährlichen Neuroleptikums in kleine Stücke. Das Pulver gab er seiner damals zwölfjährigen Tochter T. und täuschte vor, es handele sich um Zucker. Das Mädchen glaubte seinem Vater und mischte, dessen Weisungen folgend, das Medikament dem Tee der Mutter bei. Die unbemerkte Aufnahme des Medikaments führte bei dieser im Oktober und Anfang November 2012 zu schwerwiegenden Ausfallerscheinungen , die eine ärztliche Behandlung notwendig machten. Das Mädchen ahnte , dass die Krankheit der Mutter mit den Beimischungen in Zusammenhang stehen könnte, und stellte diese ein. Der Gesundheitszustand der Mutter besserte sich.
4
Nachdem der Angeklagte am 16. November 2012 erfahren hatte, dass seine Ehefrau die Scheidung betrieb, beschloss er, sie zu töten, falls sie nicht zu ihm zurückkehre. In der Kirche, in der sie als Küsterin arbeitete, versteckte er seine Vorderschaftrepetierflinte. Vermutlich nach einem gescheiterten letzten Versöhnungsversuch trat er von hinten an seine sich keines Angriffs versehende Frau heran. Als sie gerade die Tür zur Sakristei absperrte, tötete er sie mit einem Schuss in den Hinterkopf aus der herbeigeholten Waffe.
5
Seine Tochter T. und sein damals 20-jähriger Sohn R. hatten vor der Kirche gewartet. Sie hörten den Schuss, eilten in die Kirche und erblickten ihre blutüberströmt am Boden liegende Mutter. Der Angeklagte forderte seine schockierten und völlig aufgelösten Kinder „mit einem energischen Ton“ auf, ihm zu helfen, die Leiche wegzutragen und sauberzumachen (UA S. 22). Mit R. trug er die Leiche in den Keller der Kirche. Auch T. half zunächst mit, weil die Leiche schwer war und R. aufgrund seines traumatisierten Zustands fast zusammenbrach. Danach wischten alle drei beträchtliche Mengen Blut sowie Gewebeteile auf und spülten diese in die Toilette. Anschließend flüchtete der Angeklagte mit beiden Kindern im Auto nach Österreich, kehrte jedoch zwei Tage später nach Deutschland zurück und stellte sich der Polizei.
6
Nach seiner Festnahme wurde der Angeklagte zur Beobachtung im psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. In deren Verlauf übergab er dem psychiatrischen Sachverständigen einen mehrseitigen Brief, in dem er seinen Sohn bezichtigte, die Mutter getötet zu haben, weil dieser sich von ihr schlecht behandelt gefühlt habe. Es sei in der Kirche zwischen ihm und R. zu einem Handgemenge gekommen, bei dem ihm R. die Waffe entrissen habe. R . sei zur Mutter gelaufen und habe sie erschossen. Zur Beimischung des Medikaments bekundete er gegenüber dem Sachverständigen, er habe das Pulver von R. bekommen und es für Süßstoff gehalten. In diesem Glauben habe er es T. zur Weiterreichung an seine Ehefrau gegeben. Die Tabletten müsse R. zerkleinert haben, möglicherweise als Anschlag auf seine Mutter.
7
b) Die Schwurgerichtskammer hat die Tötung der Ehefrau des Angeklagten als Heimtückemord gewertet. Das Mordmerkmal des Handelns aus niedrigen Beweggründen hat sie verneint, weil sich der Angeklagte auch in Verzweiflung befunden habe. Die besondere Schuldschwere hat sie unter anderem im Blick auf eine bei ihm diagnostizierte narzisstische Persönlichkeitsakzentuierung abgelehnt. Dass der Angeklagte seinen Sohn R. hinsichtlich beider Taten der Täterschaft bezichtigt habe, sei zulässiges und deswegen nicht berücksichtigungsfähiges Verteidigungsverhalten. Zudem habe er in der Hauptverhandlung geschwiegen und daher die Vorwürfe nicht wiederholt. Die Mithilfe seiner Kinder bei der Spurenbeseitigung und dem Wegtragen der Leiche habe er nicht geplant und seine Kinder auch nicht dazu gezwungen. Die gefährliche Körperverletzung und der Mord stünden nicht „in kriminologischem Zusammenhang“ und seien von unterschiedlicher Zielrichtung geprägt. Auch bei einer zu- sammenfassenden Bewertung beider Taten sei die Annahme besonderer Schuldschwere deshalb nicht geboten.
8
2. Die Ablehnung der besonderen Schuldschwere im Sinne der § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 57b StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar ist dem Revisionsgericht dabei eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt; jedoch ist auf die Sachrüge zu prüfen, ob das Tatgericht alle maßgeblichen Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 1994 – GSSt 2/94, BGHSt 40, 360, 370; Urteile vom 1. Juli 2004 – 3 StR 494/03, BGHR StGB § 57a Abs. 1 Schuldschwere 25; vom 9. Oktober 2008 – 4 StR 354/08, NStZ 2009, 203, 204, und vom 27. Juni 2012 – 2StR 103/12, BGHR StGB § 57a Abs. 1 Schuldschwere 27). Daran fehlt es hier in mehrfacher Hinsicht.
9
a) Bei der Prüfung der besonderen Schuldschwere hat sich das Tatgericht an den für die Strafzumessungsschuld im Sinne von § 46 StGB geltenden Regeln zu orientieren (vgl. LK/Hubrach, 12. Aufl., § 57a Rn. 16 mwN). Dementsprechend kann nach den hierfür von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (vgl. LK/Theune, 12. Aufl., § 46 Rn. 197 ff.) auch das Nachtatver- halten bei der Frage zu berücksichtigen sein, ob Umstände von Gewicht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 1994 – GSSt 2/94, aaO) die Annahme besonderer Schuldschwere indizieren, wenn ein innerer Zusammenhang mit dem Schuldvorwurf besteht und sichere Schlüsse auf die Einstellung des Täters zur Tat möglich sind. Nach diesen Maßstäben hat die Schwurgerichtskammer die von Seiten des Angeklagten erfolgte Falschbezichtigung seines Sohnes auch eingedenk des dem Tatgericht in diesem Bereich zustehenden Beurteilungsspielraums (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 1995 – 1 StR 69/95, StV 1995, 633, 634; LK/Theune, aaO, § 46 Rn. 210 mwN) zu Unrecht als zulässiges Verteidigungsverhalten gewertet und daher nicht in seine Schuldschwereabwägung eingestellt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann dem Angeklagten ein Verhalten gegenüber Zeugen oder Mitangeklagten ausnahmsweise dann angelastet werden, wenn es eindeutig die Grenzen angemessener Verteidigung überschreitet und Rückschlüsse auf eine rechtsfeindliche Haltung zulässt; dies kann etwa dann anzunehmen sein, wenn der Angeklagte einen völlig Unschuldigen der Tatbegehung bezichtigt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 1974 – 1 StR 593/73, MDR bei Dallinger 1974, 721; Beschlüsse vom 21. April 1995 – 1 StR 69/95, aaO; vom 22. März 2007 – 4 StR 60/07, NStZ 2007, 463; LK/Theune, aaO, § 46 Rn. 210 f.).
10
So liegt der Fall hinsichtlich beider Taten hier. Die besonders verwerfliche Einstellung des Angeklagten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 14. November 1990 – 3 StR 160/90, NStZ 1991, 181, 182) kommt dabei augenfällig dadurch zum Ausdruck, dass dieser seinen eigenen Sohn, der ihm ergeben (UA S. 8) und durch den Verlust der Mutter sowie die vom Angeklagten „energisch“ befohlene Mitwirkung beim Wegtragen der Leiche und der Säuberung des Tatorts ohnehin traumatisiert war, als Alleinverantwortlichen für die Vergiftung und Tötung der Mutter bezeichnet hat. Zwar hat der in der Hauptverhandlung schweigende Angeklagte seine Vorwürfe dort nicht dezidiert wiederholt. Dies lässt sein Verhalten aber schon deswegen nicht in einem entscheidend milderen Licht erscheinen, weil sie dort – ihm zurechenbar – insbesondere im Zusammenhang mit der Vernehmung des psychiatrischen Sachverständigen zentraler Gegenstand der Erörterung waren, was sich auch in breiten Ausführungen in den Urteilsgründen niedergeschlagen hat (UA S. 44 ff., 58 ff.).
11
b) Die bewusste und energische Instrumentalisierung seiner Kinder bei der Spurenbeseitigung am Tatort und die – von der Schwurgerichtskammer in diesem Zusammenhang trotz ihrer Wesentlichkeit überhaupt nichterörterten – auch dadurch verursachten psychischen Beeinträchtigungen seiner Tochter (UA S. 23, 49) und seines Sohns, die bei diesem eine 17 Wochen dauernde stationäre Behandlung und eine anschließende ambulante Therapie erforderlich machten, sind allein für sich genommen Umstände von besonderem Gewicht, die bei der Prüfung der § 57a Abs. 1 Nr. 2, § 57b StGB zu würdigen gewesen wären. Die Überlegungen der Schwurgerichtskammer zum Fehlen hypothetisch noch weiter schulderhöhend wirkender Umstände (Zwang, Einbindung der Kinder als Teil eines vorgefassten Tötungsplans) vermögen in Bezug auf die festgestellten und den Angeklagten bereits für sich genommen außerordentlich schwer belastenden Strafzumessungstatsachen keine schuldmindernde Wirkung zu entfalten.
12
c) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet es schließlich, dass das angefochtene Urteil der vorhergehenden, von der Schwurgerichtskammer mit einer Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren geahndeten Vergiftung des Op- fers mangels „unmittelbaren zeitlichen oder auch nur situativen Kontexts“ (UA S. 97) einen hinreichenden Zusammenhang mit dem später verübten Mord abspricht und sie deshalb gar nicht in Ansatz bringt. Die zeitlich nicht weit ausei- nanderliegenden Taten sind dadurch gekennzeichnet, dass der Angeklagte seine Interessen unter Verletzung von Leib und Leben desselben Opfers und seine Kinder instrumentalisierend durchzusetzen bestrebt war. Dass es ihm zunächst um die Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft und nach Nichterreichen dieses Ziels um die Vernichtung des Lebens seiner Ehefrau gegan- gen ist, stellt den erforderlichen inneren („kriminologischen“) Zusammenhang (vgl. dazu BGH, Urteil vom 8. August 2001 – 3 StR 162/01) deshalb nicht in Frage.
13
d) Ein weiterer Rechtsfehler liegt darin, dass die Schwurgerichtskammer bei der Prüfung der Schuldschwere nicht berücksichtigt hat, dass der Angeklagte die Taten während laufender Bewährung aus seiner Verurteilung zu einem Jahr Freiheitsstrafe wegen Misshandlung seiner schwerbehinderten Tochter E. L. begangen hat.
14
3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht auch in Anbetracht der Persönlichkeitsakzentuierung des Angeklagten, die fraglos einen gewichtigen Milderungsgrund darstellt, gleichwohl zur Annahme der besonderen Schwere der Schuld gelangt wäre, wenn es die genannten Umstände rechtsfehlerfrei gewürdigt und abgewogen hätte. Da lediglich Wertungsfehler inmitten stehen, können die Feststellungen bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind möglich, soweit sie den bisher getroffenen nicht widersprechen.
15
4. Für die neue Hauptverhandlung wird darauf hingewiesen, dass das Tatgericht einen Ermessensspielraum hat, ob es die besondere Schuldschwere schon bei der Würdigung des Mordes prüft sowie gegebenenfalls feststellt und dann in einem zweiten Schritt hinsichtlich der Gesamtstrafe die gefährliche Körperverletzung als weiteren schulderhöhenden Umstand bewertet (§ 57b StGB) oder ob es die besondere Schuldschwere in einer Gesamtwürdigung nur in Bezug auf die Gesamtstrafe erörtert (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 1996 – 3 StR 469/96, NJW 1997, 878 mwN; siehe auch BGH, Urteil vom 9. Oktober 2008 – 4 StR 354/08, NStZ 2009, 203, 204).
Basdorf Sander Schneider
König Bellay

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juni 2014 - 5 StR 60/14

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juni 2014 - 5 StR 60/14

Referenzen - Gesetze

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 57a Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe


(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn 1. fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,2. nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und3

Strafgesetzbuch - StGB | § 57b Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe


Ist auf lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe erkannt, so werden bei der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.
Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juni 2014 - 5 StR 60/14 zitiert 5 §§.

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(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


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Ist auf lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe erkannt, so werden bei der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.

Referenzen - Urteile

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(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,
2.
nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und
3.
die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen.
§ 57 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 6 gilt entsprechend.

(2) Als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gilt jede Freiheitsentziehung, die der Verurteilte aus Anlaß der Tat erlitten hat.

(3) Die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. § 56a Abs. 2 Satz 1 und die §§ 56b bis 56g, 57 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 gelten entsprechend.

(4) Das Gericht kann Fristen von höchstens zwei Jahren festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

Ist auf lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe erkannt, so werden bei der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,
2.
nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und
3.
die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen.
§ 57 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 6 gilt entsprechend.

(2) Als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gilt jede Freiheitsentziehung, die der Verurteilte aus Anlaß der Tat erlitten hat.

(3) Die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. § 56a Abs. 2 Satz 1 und die §§ 56b bis 56g, 57 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 gelten entsprechend.

(4) Das Gericht kann Fristen von höchstens zwei Jahren festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 354/08
vom
9. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Oktober
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 6. Dezember 2007 aufgehoben, soweit das Landgericht die besondere Schwere der Schuld (§ 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) verneint hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin M. M. dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge, wegen Diebstahls in neun Fällen und wegen versuchten Diebstahls zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet; im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Staatsanwaltschaft greift das Urteil mit ihrer ebenfalls auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision nur insoweit an, als das Landgericht eine besondere Schuldschwere im Sinne von § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB verneint hat.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, die des Angeklagten dagegen nicht.

I.

2
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen erkannte der unter anderem bereits zweimal wegen Totschlags zu langjährigen Haftstrafen verurteilte Angeklagte im Jahr 2006, dass er den Lebensstandard, den er insbesondere seiner Lebensgefährtin bieten wollte, mit seinem Einkommen nicht halten konnte. Zur Aufbesserung seiner desolaten finanziellen Situation beging er in der Zeit von August bis November 2006 zehn Einbruchsdiebstähle in Filialen der Firma D. , wobei es in einem Fall beim Versuch blieb. Mit Hilfe von Nachschlüsseln verschaffte er sich Zutritt zu den Filialen und erbeutete in acht Fällen unter Aufhebeln der Tresore die Tageseinnahmen von insgesamt etwa 16.000 Euro; in einem Fall entwendete er ein technisches Gerät.
3
Wegen der wiederholten Diebstahlstaten änderte die geschädigte Firma die Anweisungen über die Aufbewahrung der Tageseinnahmen, so dass der Angeklagte zweimal keinen Zugriff auf das Geld hatte. Deswegen nahm er vor der nächsten, für die Nacht vom 9. zum 10. Dezember 2006 geplanten Tat vor Ladenschluss Kontakt zu der letzten Mitarbeiterin in der Essener Filiale auf, um den Ablageort der Tageseinnahmen auszukundschaften. Bei dem Gespräch mit S. M. , die ihn als "Hausmeister" des Unternehmens kannte und daher kein Misstrauen hegte, erfuhr er, dass sie entsprechend der ihr erteilten Weisung das Geld mit nach Hause nehmen wollte, um es am nächsten Tag bei der Bank einzuzahlen. Da der Angeklagte die Tageseinnahmen um jeden Preis an sich bringen wollte, strangulierte er S. M. mit einem Drosselwerkzeug bis der Tod eintrat. Nachdem er den Leichnam in den Keller gebracht und Spu- ren verwischt hatte, entfernte er sich mit den Tageseinnahmen von rund 3.040 Euro.
4
Hinsichtlich der Tat zum Nachteil von S. M. hat das Landgericht einen Mord aus Habgier und tateinheitlich einen Raub mit Todesfolge bejaht , das Mordmerkmal der Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht hat es dagegen nicht angenommen. Bei neun der Diebstahlstaten hat es festgestellt, dass der Angeklagte die Taten jeweils unter den in § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 StGB genannten Voraussetzungen begangen hat, wobei es in einem Fall beim Versuch geblieben ist; in einem weiteren Fall hat es nur die Voraussetzungen des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB angenommen.

II.

5
Die Revision des Angeklagten erweist sich als unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben hat. Insbesondere ist die Beweiswürdigung aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

III.

6
Die Revision der Staatsanwaltschaft, die, auch wenn die Bejahung eines weiteren Mordmerkmals in Betracht kommt, zulässig auf die Frage der Schuldschwere beschränkt ist (vgl. BGHSt 41, 57, 61; BGH, Urteil vom 12. Februar 1998 - 4 StR 617/97 = NStZ 1998, 352 f.), hat dagegen Erfolg. Die Ablehnung der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld im Sinne des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
7
Die Entscheidung der Frage, ob die besondere Schwere der Schuld zu bejahen ist, hat der Tatrichter unter Abwägung der im Einzelfall für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu treffen (vgl. BGHSt 40, 360, 370; 41, 57, 62; 42, 226, 227). Dem Revisionsgericht ist bei der Nachprüfung der tatrichterlichen Wertung eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt ; insbesondere ist es gehindert, seine Wertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen. Es hat jedoch zu prüfen, ob der Tatrichter alle maßgeblichen Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat (vgl. BGHSt 40, 360, 370). Dieser Prüfung hält die von der Revisionsführerin beanstandete tatrichterliche Entscheidung nicht stand.
8
Bei der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe sind nach § 57 b StGB Anknüpfungspunkt für die Prüfung der besonderen Schuldschwere regelmäßig sämtliche der Gesamtstrafe zu Grunde liegenden Taten (vgl. BGH NStZ 1997, 277 mit Anm. Stree; NStZ 1998, 352 f.; BGH, Urteil vom 8. August 2001 - 3 StR 162/01). Diesen rechtlichen Ansatz hat das Landgericht verkannt, indem es bei der Entscheidung über die Schuldschwere allein eine zusammenfassende Würdigung der Tat zum Nachteil von S. M. , nicht aber eine Gesamtwürdigung im Hinblick auf alle der Gesamtstrafe zugrunde liegenden Straftaten vorgenommen hat. Der Senat vermag nicht auszuschließen , dass sich die unterbliebene Gesamtwürdigung auf die Beurteilung der Schuldschwere durch das Landgericht ausgewirkt hat. Dies wäre beispielsweise dann auszuschließen, wenn es sich bei den weiteren Straftaten um solche handeln würde, die der leichten Kriminalität zuzurechnen wären; solche Taten sind regelmäßig für die Entscheidung über die besondere Schwere der Schuld ohne Bedeutung (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 137 zu einem Verstoß gegen das Ausländergesetz). Um derartige Taten handelt es sich hier aber nicht, denn es wurden immerhin Einzelstrafen von viermal einem Jahr, einmal zehn Monaten und fünfmal acht Monaten verhängt. Sie stehen zudem mit dem ausgeurteilten Mord in einem inneren Zusammenhang. Ein weiterer Rechtsfehler liegt darin, dass das Landgericht den Umstand, dass der Angeklagte zur Tatzeit unter Bewährung stand, nicht erkennbar in seine Gesamtwürdigung einbezogen hat.
9
Entgegen der Ansicht der Revisionsführerin ist dagegen rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich das Landgericht auf den Standpunkt gestellt hat, auch das Vorliegen eines weiteren Mordmerkmals - Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht - würde im vorliegenden Fall nicht zur Annahme der besonderen Schwere der Schuld führen. Das Zusammentreffen zweier Mordmerkmale führt nicht schematisch zur Bejahung der besonderen Schuldschwere, sondern nur dann, wenn das weitere Merkmal im konkreten Fall schulderhöhende Umstände aufzeigt. Bei einem Raubmord kann die regelmäßig gleichzeitige Verwirklichung der Mordmerkmale der Habgier und des Ermöglichen einer Straftat der Tat nicht ohne weiteres ein besonders schulderhöhendes Gewicht geben (vgl. BGHR StGB § 57 a Abs. 1 Schuldschwere 16, 18).
10
Dass das Landgericht nicht ausdrücklich auf den tateinheitlich begangenen Raub mit Todesfolge eingegangen ist, stellt ebenfalls keinen Rechtsfehler dar, denn beim Zusammentreffen von Raub mit Todesfolge und Mord aus Habgier ist das Unrecht, das in der Herbeiführung des Todes liegt, bereits Gegenstand des Schuldspruchs nach § 211 StGB (vgl. BGHR StGB § 57 a Abs. 1 Schuldschwere 10; insoweit nicht in BGHSt 39, 208 f. abgedruckt).
11
Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Verneinung der besonderen Schwere der Schuld auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht. Die Sache bedarf daher insoweit erneuter Entscheidung. Eine Aufhebung der Feststellungen war nicht erforderlich, weil diese von den Rechtsfehlern nicht betroffen sind. Ergänzende Feststellungen bleiben zulässig. Tepperwien Kuckein Athing Solin-Stojanović Ernemann

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,
2.
nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und
3.
die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen.
§ 57 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 6 gilt entsprechend.

(2) Als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gilt jede Freiheitsentziehung, die der Verurteilte aus Anlaß der Tat erlitten hat.

(3) Die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. § 56a Abs. 2 Satz 1 und die §§ 56b bis 56g, 57 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 gelten entsprechend.

(4) Das Gericht kann Fristen von höchstens zwei Jahren festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,
2.
nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und
3.
die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen.
§ 57 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 6 gilt entsprechend.

(2) Als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gilt jede Freiheitsentziehung, die der Verurteilte aus Anlaß der Tat erlitten hat.

(3) Die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. § 56a Abs. 2 Satz 1 und die §§ 56b bis 56g, 57 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 gelten entsprechend.

(4) Das Gericht kann Fristen von höchstens zwei Jahren festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

Ist auf lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe erkannt, so werden bei der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

Ist auf lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe erkannt, so werden bei der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 354/08
vom
9. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Oktober
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 6. Dezember 2007 aufgehoben, soweit das Landgericht die besondere Schwere der Schuld (§ 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) verneint hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin M. M. dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge, wegen Diebstahls in neun Fällen und wegen versuchten Diebstahls zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet; im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Staatsanwaltschaft greift das Urteil mit ihrer ebenfalls auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision nur insoweit an, als das Landgericht eine besondere Schuldschwere im Sinne von § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB verneint hat.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, die des Angeklagten dagegen nicht.

I.

2
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen erkannte der unter anderem bereits zweimal wegen Totschlags zu langjährigen Haftstrafen verurteilte Angeklagte im Jahr 2006, dass er den Lebensstandard, den er insbesondere seiner Lebensgefährtin bieten wollte, mit seinem Einkommen nicht halten konnte. Zur Aufbesserung seiner desolaten finanziellen Situation beging er in der Zeit von August bis November 2006 zehn Einbruchsdiebstähle in Filialen der Firma D. , wobei es in einem Fall beim Versuch blieb. Mit Hilfe von Nachschlüsseln verschaffte er sich Zutritt zu den Filialen und erbeutete in acht Fällen unter Aufhebeln der Tresore die Tageseinnahmen von insgesamt etwa 16.000 Euro; in einem Fall entwendete er ein technisches Gerät.
3
Wegen der wiederholten Diebstahlstaten änderte die geschädigte Firma die Anweisungen über die Aufbewahrung der Tageseinnahmen, so dass der Angeklagte zweimal keinen Zugriff auf das Geld hatte. Deswegen nahm er vor der nächsten, für die Nacht vom 9. zum 10. Dezember 2006 geplanten Tat vor Ladenschluss Kontakt zu der letzten Mitarbeiterin in der Essener Filiale auf, um den Ablageort der Tageseinnahmen auszukundschaften. Bei dem Gespräch mit S. M. , die ihn als "Hausmeister" des Unternehmens kannte und daher kein Misstrauen hegte, erfuhr er, dass sie entsprechend der ihr erteilten Weisung das Geld mit nach Hause nehmen wollte, um es am nächsten Tag bei der Bank einzuzahlen. Da der Angeklagte die Tageseinnahmen um jeden Preis an sich bringen wollte, strangulierte er S. M. mit einem Drosselwerkzeug bis der Tod eintrat. Nachdem er den Leichnam in den Keller gebracht und Spu- ren verwischt hatte, entfernte er sich mit den Tageseinnahmen von rund 3.040 Euro.
4
Hinsichtlich der Tat zum Nachteil von S. M. hat das Landgericht einen Mord aus Habgier und tateinheitlich einen Raub mit Todesfolge bejaht , das Mordmerkmal der Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht hat es dagegen nicht angenommen. Bei neun der Diebstahlstaten hat es festgestellt, dass der Angeklagte die Taten jeweils unter den in § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 StGB genannten Voraussetzungen begangen hat, wobei es in einem Fall beim Versuch geblieben ist; in einem weiteren Fall hat es nur die Voraussetzungen des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB angenommen.

II.

5
Die Revision des Angeklagten erweist sich als unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben hat. Insbesondere ist die Beweiswürdigung aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

III.

6
Die Revision der Staatsanwaltschaft, die, auch wenn die Bejahung eines weiteren Mordmerkmals in Betracht kommt, zulässig auf die Frage der Schuldschwere beschränkt ist (vgl. BGHSt 41, 57, 61; BGH, Urteil vom 12. Februar 1998 - 4 StR 617/97 = NStZ 1998, 352 f.), hat dagegen Erfolg. Die Ablehnung der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld im Sinne des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
7
Die Entscheidung der Frage, ob die besondere Schwere der Schuld zu bejahen ist, hat der Tatrichter unter Abwägung der im Einzelfall für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu treffen (vgl. BGHSt 40, 360, 370; 41, 57, 62; 42, 226, 227). Dem Revisionsgericht ist bei der Nachprüfung der tatrichterlichen Wertung eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt ; insbesondere ist es gehindert, seine Wertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen. Es hat jedoch zu prüfen, ob der Tatrichter alle maßgeblichen Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat (vgl. BGHSt 40, 360, 370). Dieser Prüfung hält die von der Revisionsführerin beanstandete tatrichterliche Entscheidung nicht stand.
8
Bei der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe sind nach § 57 b StGB Anknüpfungspunkt für die Prüfung der besonderen Schuldschwere regelmäßig sämtliche der Gesamtstrafe zu Grunde liegenden Taten (vgl. BGH NStZ 1997, 277 mit Anm. Stree; NStZ 1998, 352 f.; BGH, Urteil vom 8. August 2001 - 3 StR 162/01). Diesen rechtlichen Ansatz hat das Landgericht verkannt, indem es bei der Entscheidung über die Schuldschwere allein eine zusammenfassende Würdigung der Tat zum Nachteil von S. M. , nicht aber eine Gesamtwürdigung im Hinblick auf alle der Gesamtstrafe zugrunde liegenden Straftaten vorgenommen hat. Der Senat vermag nicht auszuschließen , dass sich die unterbliebene Gesamtwürdigung auf die Beurteilung der Schuldschwere durch das Landgericht ausgewirkt hat. Dies wäre beispielsweise dann auszuschließen, wenn es sich bei den weiteren Straftaten um solche handeln würde, die der leichten Kriminalität zuzurechnen wären; solche Taten sind regelmäßig für die Entscheidung über die besondere Schwere der Schuld ohne Bedeutung (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 137 zu einem Verstoß gegen das Ausländergesetz). Um derartige Taten handelt es sich hier aber nicht, denn es wurden immerhin Einzelstrafen von viermal einem Jahr, einmal zehn Monaten und fünfmal acht Monaten verhängt. Sie stehen zudem mit dem ausgeurteilten Mord in einem inneren Zusammenhang. Ein weiterer Rechtsfehler liegt darin, dass das Landgericht den Umstand, dass der Angeklagte zur Tatzeit unter Bewährung stand, nicht erkennbar in seine Gesamtwürdigung einbezogen hat.
9
Entgegen der Ansicht der Revisionsführerin ist dagegen rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich das Landgericht auf den Standpunkt gestellt hat, auch das Vorliegen eines weiteren Mordmerkmals - Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsicht - würde im vorliegenden Fall nicht zur Annahme der besonderen Schwere der Schuld führen. Das Zusammentreffen zweier Mordmerkmale führt nicht schematisch zur Bejahung der besonderen Schuldschwere, sondern nur dann, wenn das weitere Merkmal im konkreten Fall schulderhöhende Umstände aufzeigt. Bei einem Raubmord kann die regelmäßig gleichzeitige Verwirklichung der Mordmerkmale der Habgier und des Ermöglichen einer Straftat der Tat nicht ohne weiteres ein besonders schulderhöhendes Gewicht geben (vgl. BGHR StGB § 57 a Abs. 1 Schuldschwere 16, 18).
10
Dass das Landgericht nicht ausdrücklich auf den tateinheitlich begangenen Raub mit Todesfolge eingegangen ist, stellt ebenfalls keinen Rechtsfehler dar, denn beim Zusammentreffen von Raub mit Todesfolge und Mord aus Habgier ist das Unrecht, das in der Herbeiführung des Todes liegt, bereits Gegenstand des Schuldspruchs nach § 211 StGB (vgl. BGHR StGB § 57 a Abs. 1 Schuldschwere 10; insoweit nicht in BGHSt 39, 208 f. abgedruckt).
11
Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Verneinung der besonderen Schwere der Schuld auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht. Die Sache bedarf daher insoweit erneuter Entscheidung. Eine Aufhebung der Feststellungen war nicht erforderlich, weil diese von den Rechtsfehlern nicht betroffen sind. Ergänzende Feststellungen bleiben zulässig. Tepperwien Kuckein Athing Solin-Stojanović Ernemann