Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2003 - I ZR 228/00

bei uns veröffentlicht am10.04.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 228/00 Verkündet am:
10. April 2003
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
CMR Art. 17 Abs. 2
Der in Art. 17 Abs. 2 CMR vorausgesetzte optimale Frachtführer darf jedenfalls
bei erkennbaren erheblichen Schadensrisiken nicht darauf vertrauen, daß eine
in einer behördlichen Transportgenehmigung angesprochene Durchfahrthöhe in
jedem Fall gewährleistet ist.
BGH, Urt. v. 10. April 2003 - I ZR 228/00 - OLG Celle
LG Lüneburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. April 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann
und die Richter Prof. Starck, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 7. September 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger nimmt den Beklagten als Frachtführer wegen der Beschädigung einer Motorjacht gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR auf Leistung von Schadensersatz in Anspruch.
Der Kläger beauftragte den Beklagten im Herbst 1993 damit, die von ihm über die in Österreich ansässige F. GmbH erworbene und bei der Firma Fa. P.L.C. in England hergestellte Jacht "L. " zunächst von der Her-
stellerwerft über den Kanal nach Frankreich und dort dann auf dem Landweg zu dem Mittelmeerhafen La Grande Motte zu transportieren. Während des von der zuständigen Verwaltungsstelle in Frankreich genehmigten und von Mitarbeitern eines Begleitunternehmens sowie von französischen Motorradpolizisten begleiteten Landtransports blieb die Jacht auf der französischen Nationalstraße 109 in der Nähe von Montpellier an einer Brückenunterführung hängen.
Der Kläger hat den hierdurch an der Jacht, die der Beklagte ihm dann am 26. November 1993 abgeliefert hat, entstandenen Schaden auf 656.000 DM beziffert. Mit seiner deswegen gegen den Beklagten erhobenen Klage hat er zuletzt - unter Berücksichtigung von seiner Kaskoversicherung gezahlter 258.580 DM - beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 397.420 DM nebst 6,5 % Zinsen seit dem 29. März 1994 zu zahlen.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat geltend gemacht, der Unfall sei für ihn ein unabwendbares Ereignis gewesen. Außerdem hat er die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat der Klage unter Abweisung im übrigen in Höhe von 57.264,60 DM nebst Zinsen stattgegeben.
Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Auf die Anschlußberufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage insgesamt abgewiesen (OLG Celle TranspR 2001, 119).
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er den Klageanspruch in voller Höhe weiterverfolgt. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat die Klage als unbegründet angesehen und dazu ausgeführt:
Die Klage scheitere zwar nicht an der vom Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung, aber daran, daß der Unfall für den Beklagten ein unvermeidbares Ereignis i.S. des Art. 17 Abs. 2 CMR dargestellt habe. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Fahrtstrecke zu benutzen, die ihm die zuständige französische Verwaltungsstelle in der Genehmigung vom 9. November 1993 vorgeschrieben habe. Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß die Gesamthöhe des Transports maximal 4,72 m betragen habe. Da die Höhe des Transports in der Verfügung der Verwaltungsstelle mit 4,70 m angegeben gewesen sei, habe der Beklagte grundsätzlich darauf vertrauen dürfen, daß die vorgeschriebene Fahrtroute keine Hindernisse mit einer geringeren Durchfahrthöhe aufgewiesen habe. Der Beklagte habe zudem darauf vertrauen dürfen, daß die Fahrtstrecke auch noch bei einer geringfügigen Überschreitung der angegebenen Transporthöhe sicher gewesen sei.
Der Beklagte sei auch weder in der Lage noch verpflichtet gewesen, bei Brückendurchfahrten selbst zu prüfen, ob ein Durchfahren gefahrlos möglich gewesen sei. Zu einer derartigen Überprüfung hätte er auf einer französischen
Nationalstraße vor jeder zweifelhaften Brückendurchfahrt anhalten und mit entsprechenden Meßgeräten die Höhe der jeweiligen Durchfahrt ermitteln müssen, was bei sorgfältiger Durchführung zu einer erheblichen Gefährdung des sonstigen Verkehrs geführt hätte und von der begleitenden Polizeieskorte aus Sicherheitsgründen nicht gestattet worden wäre. Außerdem bedeutete die Annahme einer solchen Prüfpflicht eine Überspannung der Sorgfaltspflichten. Im übrigen sei bei der fraglichen Brücke die Einfahrthöhe ausreichend gewesen und die Jacht erst im Bereich der Ausfahrt mit der Brückendecke kollidiert.
Bei dieser Sachlage sei die Beschädigung der Jacht durch Umstände verursacht worden, die der Beklagte nicht habe vermeiden und deren Folgen er nicht habe abwenden können. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß die Transporthöhe in der Genehmigung vom 9. November 1993 mit 4,70 m angegeben gewesen sei, tatsächlich aber möglicherweise bis zu 4,72 m betragen habe. Denn bei der Genehmigung der Fahrtstrecke durch die französischen Behörden müsse ein Sicherheitsabstand von der angegebenen Obergrenze des Transports zur Untergrenze der zu durchfahrenden Brücken von einigen Zentimetern berücksichtigt worden sein, so daß eine eventuelle Minimalabweichung von zwei Zentimetern den Unfall nicht hätte herbeiführen können.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist entgegen der von diesem geäußerten Auffassung davon auszugehen, daß der Beklagte für den infolge des Unfalls an der Jacht entstandenen Schaden dem Grunde nach haftet (zu nachstehend 1.). Die Ansprüche des Klägers sind auch nicht verjährt (zu nachstehend 2.).
1. a) Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz zutreffend davon ausgegangen, daß Unvermeidbarkeit i.S. des Art. 17 Abs. 2 CMR nur anzunehmen ist, wenn der Frachtführer darlegt und gegebenenfalls beweist, daß der Schaden auch bei Anwendung der äußersten ihm möglichen und zumutbaren Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 18.1.2001 - I ZR 256/98, TranspR 2001, 369, 371 = VersR 2001, 1134 m.w.N.). Dies setzt bei Verkehrsunfällen voraus, daß sich der Frachtführer völlig verkehrsgerecht verhalten, d.h. der Unfall für ihn ein unabwendbares Ereignis i.S. des § 7 Abs. 2 StVG a.F. dargestellt hat (BGH, Urt. v. 28.2.1975 - I ZR 40/74, VersR 1975, 610, 611; Helm in Großkomm.HGB, 4. Aufl., Anh. VI nach § 452: CMR Art. 17 Rdn. 100). Ein solches unabwendbares Ereignis liegt immer schon dann nicht vor, wenn ein - sei es auch nur geringfügiges - Verschulden des Fahrers für den Unfall ursächlich gewesen oder ein solcher Ursachenzusammenhang zumindest nicht auszuschließen ist (vgl. OLG Bremen VersR 1976, 584, 585; Helm aaO CMR Art. 17 Rdn. 100 und Rdn. 54 mit Hinweis auf Art. 18 Abs. 1 CMR).

b) Gemäß diesen Grundsätzen kann - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht davon ausgegangen werden, daß der Beklagte von seiner Haftung befreit ist. Wenn auch an das Maß der von ihm zu beachtenden Sorgfalt wohl hohe, jedoch keine unzumutbaren Anforderungen zu stellen sind, hätte er wegen der Höhe des Transports Unterführungen, deren sicheres Durchfahren mangels Anzeige einer Durchfahrthöhe nicht ohne weiteres gewährleistet war, nur mit einer Geschwindigkeit befahren dürfen, bei der ein rechtzeitiges Anhalten noch möglich war, wenn sich abzeichnete, daß die Durchfahrthöhe nicht ausreichte. Zumal unter Berücksichtigung des sehr erheblichen Wertes des Transportgutes und des schon bei schwacher Berührung erkennbar drohenden erheblichen Schadens durfte ein besonders sorgfältiger
Frachtführer nicht darauf vertrauen, daß die erteilte Genehmigung einen hinreichenden Sicherheitsabstand zur angegebenen Höhe des Transportguts berücksichtigte. Dabei ist auch zu beachten, daß die Durchfahrthöhe sich nach der Lebenserfahrung etwa durch die Aufbringung eines neuen Fahrbahnbelages oder durch die Absenkung des unterfahrenen Bauwerks in gewissem Umfang verringern kann, ohne daß dies bei dem Bescheid der Straßenverkehrsbehörde berücksichtigt sein konnte. Den Beklagten trifft dabei entgegen der Ansicht der Revision nicht ein dem Vorsatz gleichzustellendes Verschulden i.S. des Art. 32 Abs. 1 Satz 2 CMR, sondern, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nur der Vorwurf einfacher Fahrlässigkeit.
2. Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht im Ergebnis als zutreffend dar (§ 563 ZPO a.F.). Der dem Grunde nach zu bejahende Klageanspruch ist nicht verjährt.
Die bei einfacher Fahrlässigkeit gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 1 CMR einjährige Verjährungsfrist hat mit der Ablieferung der Jacht, d.h. dem Ablauf des 26. November 1993 begonnen (Art. 32 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a, Satz 4 CMR). Die Verjährung war nachfolgend, wie der Beklagte in der Revisionserwiderung zutreffend ausgeführt hat, im Hinblick auf das Reklamationsschreiben des Klägers vom 22. Dezember 1993 in der Zeit vom 24. Dezember 1993 bis zum Zugang des Ablehnungsschreibens der Haftpflichtversicherung des Beklagten vom 29. März 1994 beim Kläger am 1. April 1994, d.h. für einen Zeitraum von 99 Tagen, gehemmt (Art. 32 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 CMR i.V. mit § 205 BGB a.F.). Die danach am 6. März 1995 ablaufende Verjährung ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht bereits durch die Klageerhebung am 25. November 1994 gemäß Art. 32 Abs. 3 Satz 2 CMR i.V. mit § 209 Abs. 1 BGB a.F. unterbrochen worden; denn der Kläger war zu diesem Zeitpunkt nicht
Inhaber der Klageforderung, nachdem er seine gesamten Ansprüche gegenüber dem Beklagten mit schriftlicher Erklärung vom 8. Oktober 1994 an seine Kaskoversicherung abgetreten hatte. Die Verjährung wurde aber aufgrund der von der Kaskoversicherung des Klägers mit Schreiben vom 9. Juni 1995 erklärten Rückabtretung unterbrochen. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Verjährung ein weiteres Mal gehemmt. Die Versicherer der Parteien haben gemäß dem Schreiben der Haftpflichtversicherung des Beklagten vom 20. Oktober 1994, wonach auf die Einrede der Verjährung bis zum 31. Januar 1995 verzichtet werde, ein Stillhalteabkommen abgeschlossen, so daß die Verjährung ab diesem Zeitpunkt erneut geruht hat (vgl. BGH, Urt. v. 16.12.1998 - VIII ZR 197/97, NJW 1999, 1022, 1023; MünchKomm.BGB/Grothe, 4. Aufl., Bd. 1a, § 205 Rdn. 5 f., jeweils m.w.N.). Unter Berücksichtigung des genannten Zeitraums wäre die Verjährung erst Mitte Juni 1995 abgelaufen, weshalb die Rückabtretung an den Kläger als Berechtigten in nicht verjährter Zeit erfolgt ist und seine Klage zur Unterbrechung der Verjährung führte (vgl. BGH, Urt. v. 6.4.1995 - VII ZR 73/94, NJW 1995, 1675, 1676).
III. Danach konnte das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben ; es war aufzuheben. Da die abschließende Entscheidung des Rechtsstreits weitergehende Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht erfordert, die in der Revisionsinstanz nicht getroffen werden können, war die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Dieses wird im Rahmen der neuen Verhandlung und Entscheidung die Höhe des dem Kläger zu leistenden Schadensersatzes festzustellen haben. Dabei wird es die den Haftungsumfang begrenzenden Bestimmungen der Art. 23, 25 CMR sowie hinsichtlich der Zinsen die Vorschrift des Art. 27 CMR zu beachten haben. Art. 29 CMR ist dagegen mangels grob fahrlässigen Verhal-
tens des Beklagten nicht anzuwenden (vgl. BGHZ 88, 157, 159 ff.; BGH, Urt. v. 16.7.1998 - I ZR 44/96, TranspR 1999, 19, 21 = VersR 1999, 254).
Ullmann Starck Bornkamm
Büscher Schaffert

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2003 - I ZR 228/00

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2003 - I ZR 228/00

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Straßenverkehrsgesetz - StVG | § 7 Haftung des Halters, Schwarzfahrt


(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. (2) D

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 209 Wirkung der Hemmung


Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.
Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2003 - I ZR 228/00 zitiert 6 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Straßenverkehrsgesetz - StVG | § 7 Haftung des Halters, Schwarzfahrt


(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. (2) D

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 209 Wirkung der Hemmung


Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 205 Hemmung der Verjährung bei Leistungsverweigerungsrecht


Die Verjährung ist gehemmt, solange der Schuldner auf Grund einer Vereinbarung mit dem Gläubiger vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist.

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2003 - I ZR 228/00 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2003 - I ZR 228/00 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 18. Jan. 2001 - I ZR 256/98

bei uns veröffentlicht am 18.01.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 256/98 Verkündet am: 18. Januar 2001 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein CMR Art.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2003 - I ZR 228/00.

Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 25. Aug. 2004 - 3 U 76/04

bei uns veröffentlicht am 25.08.2004

Tenor 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Vorsitzenden der 40. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 15. 03. 2004 - AZ.: 40 O 101/01 KfH - wird zurückgewiesen. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsv

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 256/98 Verkündet am:
18. Januar 2001
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
CMR Art. 17 Abs. 2
Zur Frage der Unvermeidbarkeit eines in der Nähe von Moskau begangenen
Überfalls auf einen Lkw-Transport, bei dem die Ladung (Sanitärausrüstungsgegenstände
) entwendet wurde.
BGH, Urt. v. 18. Januar 2001 - I ZR 256/98 - OLG Naumburg
LG Dessau
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck, Pokrant und
Dr. Büscher

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 11. September 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin, eine Import-Export Handelsgesellschaft, nimmt die Beklagte , die ein Speditions- und Frachtführergewerbe betreibt und in Perm/Rußland eine selbständige Niederlassung unterhält, wegen des Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin erteilte dem Geschäftsführer der Beklagten, der auch Leiter der Niederlassung in Perm ist, am 29. April 1996 telefonisch den Auftrag, Sanitärausrüstungsgegenstände per Lkw von Deutschland nach Rußland zu befördern. Die Verladeformalitäten und die Erstellung der für den Transport erforderlichen Papiere erledigte die Beklagte. Der Einsatz des Lkws und des Fahrers B. erfolgte durch die Niederlassung der Beklagten in Perm. Der Fahrer übernahm das Transportgut am 6. und 7. Mai 1996 in Offenburg und Magdeburg /Rottensee. Am 15. Mai 1996 teilte die Niederlassung der Beklagten in Perm der Klägerin per Fax-Schreiben mit, daß die Ladung in der Nähe von Moskau vollständig entwendet worden sei.
In seiner bei der russischen Polizei am 14. Mai 1996 erstatteten Anzeige hat der Fahrer zum Hergang der Entwendung folgendes angegeben: Er sei am 13. Mai 1996 gegen 23.30 Uhr von vier ihm unbekannten Personen, von denen zwei als Milizmitarbeiter uniformiert gewesen seien, angehalten worden. Auf deren Verlangen habe er zunächst seine Papiere vorgezeigt. Anschließend sei er aufgefordert worden, sein Fahrzeug zu verlassen und in einen Pkw einzusteigen , mit dem er dann in einen Wald gebracht worden sei. Dort hätten die Personen ihn an einem Baum festgebunden. Die Nacht habe er in dem Wald
verbringen müssen. Am nächsten Morgen seien die ihm unbekannten Personen weggefahren. Nachdem er sich befreit gehabt habe und aus dem Wald herausgekommen sei, habe er seinen Lkw in der Nähe des Waldes ohne das Ladungsgut vorgefunden.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage Ersatz für das in Verlust geratene Gut. Sie hat vorgebracht, die Beklagte mit der Durchführung des streitgegenständlichen Transports beauftragt zu haben. Ferner hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die Beklagte hafte für den eingetretenen Schaden gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR, weil der von ihr eingesetzte Fahrer nicht die äußerste ihm zumutbare Sorgfalt aufgewendet habe. Er hätte erkennen müssen, daß es sich nicht um eine ordnungsgemäße Polizeikontrolle gehandelt habe, weil von den vier Personen, die ihn angehalten hätten, zwei nicht uniformiert gewesen seien und es sich bei dem von den anhaltenden Personen benutzten Pkw unstreitig nicht um ein Polizeifahrzeug gehandelt habe. Der Fahrer hätte sich deshalb von der Identität der vermeintlichen Polizeibeamten überzeugen müssen, zumal es keinen Anlaß für eine Kontrolle gegeben habe.
Der Nettowert des entwendeten Gutes, das ein Rohgewicht von 7.433 kg gehabt habe, habe 270.170,69 DM betragen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie den Betrag in Deutscher Mark zu bezahlen, der sich aus folgender Rechnung gemäß Art. 23 CMR ergibt: 7.433 kg fehlendes Gewicht x 8,33 Rechnungseinheiten, diese zu berechnen aus dem Sonderziehungsrecht des Internationalen
Währungsfonds am Tag des Urteils, nebst 12,5 % Zinsen hieraus seit dem 2. August 1996. Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat ihre Passivlegitimation in Abrede gestellt und dazu behauptet, es sei mit der Klägerin vereinbart worden , daß ihre Niederlassung in Perm Auftragnehmerin des streitgegenständlichen Transportes habe sein sollen. Ferner hat die Beklagte geltend gemacht, der Verlust des Transportgutes beruhe auf einem unabwendbaren Ereignis, so daß ihre Haftung nach Art. 17 Abs. 2 CMR entfalle. Der Fahrer habe nach den Gesamtumständen davon ausgehen müssen, daß er in eine Polizeikontrolle geraten sei. Folgerichtig habe er sein Fahrzeug angehalten. Es habe für ihn nicht den geringsten Grund gegeben, sich der Polizeikontrolle zu entziehen. Andernfalls wäre er das Risiko eingegangen, daß die eingesetzten Milizionäre von ihrer Schußwaffe Gebrauch gemacht und auf ihn geschossen hätten. Er sei auch verpflichtet gewesen, aus seinem Fahrzeug auszusteigen, weil ihm eine Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit vorgeworfen worden sei. Um sich selbst von der Radarmessung überzeugen zu können, sei er aufgefordert worden, in das von den anhaltenden Personen benutzte Fahrzeug einzusteigen. Entgegen der Behauptung der Klägerin habe das Transportgut, dessen Wert sie mit Nichtwissen bestreite, nur ein Bruttogewicht von 6.177 kg gehabt.
Das Landgericht hat die Beklagte mit Ausnahme eines Teils der geltend gemachten Zinsen antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat eine Haftung der Beklagten nach Art. 17 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1 und 3 CMR verneint, da sie sich auf einen Haftungsausschluß gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR berufen könne. Dazu hat es ausgeführt:
Das Landgericht habe die Passivlegitimation der Beklagten mit Recht bejaht, da sie nicht hinreichend dargelegt und bewiesen habe, daß sie den streitgegenständlichen Transportauftrag nicht für sich, sondern für ihre selbständige Niederlassung in Perm angenommen habe. Eine Haftung der Beklagten sei jedoch nach Art. 17 Abs. 2 CMR ausgeschlossen, weil der Fahrer die Umstände, die zum Verlust des Gutes geführt hätten, nicht habe vermeiden und deren Folgen auch nicht habe abwenden können. Insbesondere aus der Anzeige des Fahrers vom 14. Mai 1996 ergebe sich, daß das Transportgut durch einen Raubüberfall auf den fahrenden Lkw abhanden gekommen sei. Die Angaben zum Hergang des Vorfalls würden durch das Protokoll der russischen Ermittlungsbehörden über die am 14. Mai 1996 durchgeführte Tatortbesichtigung gestützt. Die Klägerin habe zwar Zweifel an der Darstellung der Geschehensabläufe geäußert und die gesamten Umstände des angeblichen Überfalls als dubios und nicht nachvollziehbar bezeichnet. Sie habe jedoch nicht ausdrücklich bestritten, daß dem Verlust des Gutes ein Raubüberfall auf den fahrenden Lkw zugrunde gelegen habe. Ein Raubüberfall auf einen fahrenden Lastzug sei im allgemeinen unvermeidbar i.S. von Art. 17 Abs. 2 CMR, sofern die konkreten Umstände des Einzelfalls nicht für ein Außerachtlassen der äußersten , einem besonders gewissenhaften Frachtführer bzw. Fahrer vernünftigerweise noch zumutbaren Sorgfalt sprächen. Im Streitfall sei nichts für die Annahme ersichtlich, der Frachtführer oder der Fahrer hätten die ihnen zumut-
baren Sorgfaltspflichten außer acht gelassen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei nicht zu erkennen, auf welche Weise der Frachtführer oder der Fahrer den Verlust des Transportgutes hätten vermeiden können. Dem Fahrer sei es angesichts der Anwesenheit von zwei Milizsoldaten insbesondere nicht zumutbar gewesen, die Aufforderung zum Anhalten zu mißachten, da er sich sonst einer nicht unerheblichen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt hätte.
II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit dem Landgericht davon ausgegangen, daß die Beklagte von der Klägerin mit dem Transport des in Verlust geratenen Gutes von Deutschland nach Rußland beauftragt worden ist.
Die Revisionserwiderung rügt, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft unberücksichtigt gelassen, daß sich aus dem für den streitgegenständlichen Transport ausgestellten CMR-Frachtbrief (GA 99) ergebe, daß die selbständige Niederlassung der Beklagten in Perm/Rußland von der Klägerin als Frachtführerin beauftragt worden sei. Denn in Ziffer 16 des Frachtbriefs sei als Frachtführerin die H. Handelsgesellschaft Import-Export Perm, L.straße , Perm/Rußland, angegeben. Gemäß Art. 9 Abs. 1 CMR erbringe der Frachtbrief bis zum Beweis des Gegenteils den Nachweis für den Abschluß und den Inhalt des Beförderungsvertrags. Die Klägerin habe den ihr danach obliegenden Beweis, daß sie die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Transport beauftragt habe, nicht erbracht.
Dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die von der Revisionserwiderung erstrebte Abweisung der Klage wegen fehlender Passivlegitimation der Beklagten. Ein ordnungsgemäß ausgestellter und unterzeichneter CMR-Frachtbrief erbringt nach Art. 9 Abs. 1 CMR zwar den widerleglichen Beweis für den Abschluß und den Inhalt des Beförderungsvertrags und für die Übernahme des Transportgutes (vgl. BGH, Urt. v. 8.6.1988 - I ZR 149/86, TranspR 1988, 370, 371; Urt. v. 17.4.1997 - I ZR 251/94, TranspR 1998, 21, 23 = VersR 1998, 79; Koller, Transportrecht, 4. Aufl., Art. 9 CMR Rdn. 2; MünchKommHGB/Basedow, Art. 9 CMR Rdn. 3) und führt insoweit zur Beweislastumkehr (vgl. BGH TranspR 1998, 21, 23; Herber/Piper, CMR, Art. 9 Rdn. 1). Im Streitfall entfällt die Beweiswirkung des Art. 9 Abs. 1 CMR jedoch, da nicht ersichtlich ist, daß der Frachtbrief für die selbständige Niederlassung der Beklagten in Perm unterzeichnet worden ist. Der in Feld 23 des maßgeblichen CMR-Frachtbriefs enthaltene Rundstempel nebst Unterschrift reicht für eine derartige Annahme nicht aus, weil er nur die deutsche Firmenbezeichnung der Beklagten "H. Handelsgesellschaft Import - Export m.b.H." und den Zusatz "NL Perm" enthält. Aus der bloßen Angabe "NL Perm" kann - ungeachtet der Empfängerangabe in Feld 16 - nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit geschlossen werden, daß die Klägerin eine selbständige Niederlassung der Beklagten mit der Durchführung des streitgegenständlichen Transports beauftragt hat, zumal nicht einmal erkennbar ist, daß die Niederlassung der Beklagten in Perm selbständig ist. Da unter den gegebenen Umständen eine Beweislastumkehr zugunsten der Beklagten nicht in Betracht kommt, ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei von deren Passivlegitimation ausgegangen.
2. Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, eine CMR-Haftung der Beklagten gemäß Art. 17 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1 und 3 i.V. mit Art. 3 CMR schei-
de aus, weil sie nach Art. 17 Abs. 2 CMR von ihrer Haftung befreit sei, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Gemäß Art. 17 Abs. 1 i.V. mit Art. 3 CMR schuldet der Frachtführer grundsätzlich Schadensersatz u.a. für den während seiner Obhutszeit eingetretenen Verlust des Transportgutes. Er ist von dieser Haftung nach Art. 17 Abs. 2 CMR dann befreit, wenn der Schaden durch Umstände verursacht worden ist, die sowohl für ihn selbst als auch für seine Gehilfen (Art. 3 CMR) unvermeidbar waren und deren Folgen keine dieser Personen abwenden konnte. Unvermeidbarkeit i.S. von Art. 17 Abs. 2 CMR ist nur anzunehmen, wenn der Frachtführer darlegt und gegebenenfalls beweist, daß der Schaden auch bei Anwendung der äußersten, dem Frachtführer möglichen und z umutbaren Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 8.10.1998 - I ZR 164/96, TranspR 1999, 59, 61 = VersR 1999, 469; Urt. v. 13.4.2000 - I ZR 290/97, TranspR 2000, 407, 408 = VersR 2000, 1437; Urt. v. 13.7.2000 - I ZR 49/98, TranspR 2000, 409, 410 = VersR 2001, 261).

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, der streitgegenständliche Verlust sei für die Beklagte bzw. den mit der Durchführung des Transports betrauten Fahrer, für dessen Verhalten die Beklagte nach Art. 3 CMR einzustehen hat, unvermeidbar i.S. von Art. 17 Abs. 2 CMR gewesen, weil das Gut durch einen Raubüberfall auf den fahrenden Lkw abhanden gekommen sei. Dem Fahrer sei nach den konkreten Umständen keine andere Möglichkeit geblieben , als seinen Lkw anzuhalten und der Aufforderung der ihn stoppenden Personen, von denen zwei Milizuniformen getragen hätten, nachzukommen, seine Papiere vorzuzeigen und auszusteigen. Nach dem Verlassen seines Fahrzeugs habe er sich in der Gewalt von vier Personen befunden, denen er
sich wegen ihrer Übermacht nicht habe widersetzen können. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg.

b) Auf der Grundlage des vom Berufungsgericht zugrunde gelegten und von der Beklagten vorgetragenen Hergangs des streitgegenständlichen Vorfalls kann nicht angenommen werden, daß der Fahrer der Beklagten im Zusammenhang mit dem Raubüberfall die äußerste, ihm nach den Umständen des Falles vernünftigerweise zumutbare Sorgfalt hat walten lassen.
aa) Das Berufungsgericht ist im Tatsächlichen zunächst davon ausgegangen , daß das Transportgut durch einen Raubüberfall abhanden gekommen ist. Es hat angenommen, die Klägerin habe zwar Zweifel an der Darstellung der Geschehensabläufe seitens der Beklagten geäußert und die Auffassung vertreten , es seien Ungereimtheiten vorhanden. Die Klägerin habe jedoch - so hat das Berufungsgericht gemeint - nicht ausdrücklich bestritten, daß dem Verlust des Gutes ein Raubüberfall zugrunde gelegen habe. Diese Beurteilung erweist sich als verfahrensfehlerhaft.
Das Berufungsgericht hat - wie die Revision mit Recht rügt - rechtsfehlerhaft unberücksichtigt gelassen, daß die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 17. Juli 1997 ausdrücklich bestritten hat, daß überhaupt eine Kontrolle des Fahrers durch falsche oder richtige Polizeibeamte erfolgt sei. Darüber hinaus hat die Klägerin an der Darstellung der Geschehensabläufe durch den Fahrer und die Beklagte Zweifel angemeldet und - was das Berufungsgericht an sich auch zutreffend erkannt hat - auf Widersprüche und Ungereimtheiten hingewiesen. Unter diesen Umständen durfte das Berufungsgericht nicht annehmen, die Klägerin habe nicht substantiiert in Abrede gestellt, daß das Gut durch einen Raubüberfall abhanden gekommen sei. Es hätte sich vielmehr mit dem
Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 12. Mai 1997 im einzelnen auseinandersetzen müssen, in dem auf das Anlagenkonvolut B 5 Bezug genommen wird, das offenbar eine detaillierte Schilderung des Vorfalls durch den Fahrer anläßlich seiner Zeugenvernehmung im Rahmen eines von der Staatsanwaltschaft Dessau durchgeführten Ermittlungsverfahrens enthält. Das wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen sein. Die Anlage B 5 befindet sich allerdings nicht bei den Akten und es ist nicht ersichtlich, ob sie im Verfahren vorgelegen hat. Die Beklagte hat aber im neu eröffneten Berufungsverfahren Gelegenheit, das Anlagenkonvolut B 5, wie bereits in ihrer Klageerwiderung vom 12. Mai 1997 angekündigt, zum Gegenstand des Rechtsstreits zu machen.
bb) Das Berufungsgericht hat des weiteren angenommen, das Gut sei durch einen Raubüberfall auf den fahrenden Lkw abhanden gekommen. Es hat sich hierbei auf die Schilderung des Tathergangs durch den Fahrer anläßlich der von ihm am 14. Mai 1996 bei der russischen Polizei erstatteten Anzeige und das Protokoll der russischen Ermittlungsbehörden über die Tatortbesichtigung vom 14. Mai 1996 gestützt. Daraus läßt sich die Annahme des Berufungsgerichts jedoch nicht herleiten.
Das Berufungsgericht hat keine näheren Feststellungen zu den Umständen getroffen, die zum Anhalten des Lkw geführt haben. Auf der Grundlage der Sachverhaltsschilderungen der Beklagten und des Fahrers ist davon auszugehen , daß der Fahrer aufgrund einer fingierten Polizeikontrolle zum Anhalten und Aussteigen veranlaßt wurde. Anhaltspunkte dafür, daß ein bewaffneter Überfall auf einen fahrenden Lkw vorgelegen haben könnte, wie es in dem vom Senat mit Urteil vom 13. November 1997 entschiedenen Revisionsverfahren I ZR 157/95 (TranspR 1998, 250) der Fall war, auf das sich das Berufungsge-
richt zur Stützung seiner Ansicht bezogen hat, sind vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden und können auch dem Vorbringen der Beklagten nicht entnommen werden.
cc) Zur Beantwortung der Frage, ob der streitgegenständliche Verlust des Transportgutes für die Beklagte unvermeidbar war i.S. von Art. 17 Abs. 2 CMR, bedarf es weiterer tatrichterlicher Feststellungen.
(1) Daß ein Haftungsausschluß gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR - wie die Revision geltend macht - im Streitfall schon daran scheitert, daß der Frachtführer den Transport nur mit einem Fahrer hat durchführen lassen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 17.4.1997 - I ZR 131/95, TranspR 1998, 25 = VersR 1998, 82; Urt. v. 28.5.1998 - I ZR 73/96, TranspR 1998, 454 = VersR 1998, 1264, jeweils zu Art. 29 Abs. 1 CMR), kann auf der bisherigen Tatsachengrundlage nicht angenommen werden. Da es bislang an konkreten Feststellungen des Berufungsgerichts zu den näheren Umständen fehlt, die zum Anhalten und Verlassen des Lkw durch den Fahrer geführt haben, kann nicht abschließend beurteilt werden , ob der Einsatz eines zweiten Fahrers die Entwendung der Ladung in der konkreten Situation hätte verhindern können.
(2) Entgegen der Auffassung der Revision kann ein Sorgfaltspflichtverstoß des Fahrers nicht darin erblickt werden, daß er die Anhaltesignale der ihn anhaltenden Personen befolgt hat und nicht bis zur nächsten Milizstation weitergefahren ist. Auf der bisherigen Tatsachengrundlage kann schon nicht davon ausgegangen werden, daß der Fahrer erkennen konnte, daß es sich lediglich um eine fingierte Polizeikontrolle gehandelt hat. Denn die Beklagte hat unter Beweisantritt vorgetragen, die Person, die den Fahrer angehalten hat, habe eine Uniformjacke mit Dienstmarke getragen. Es kann nach dem unstrei-
tigen Sachverhalt und den Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht angenommen werden, daß der Fahrer sofort alle vier Täter und das von ihnen benutzte Fahrzeug erkennen konnte. Die Revisionserwiderung verweist darauf, daß der Fahrer bei seiner Vernehmung im von der Staatsanwaltschaft Dessau durchgeführten Ermittlungsverfahren ausgesagt habe, die beiden in Zivil gekleideten Täter habe er erst beim Einsteigen in das von den Tätern benutzte Fahrzeug entdecken können. Diese von der Revisionserwiderung in Bezug genommene Zeugenaussage zum Tathergang kann der Revisionsentscheidung allerdings nicht zugrunde gelegt werden, da sie offenbar in dem bislang nicht zu den Akten gelangten Anlagenkonvolut B 5 enthalten ist.
Nach den bisherigen Feststellungen ist in der Revisionsinstanz sonach davon auszugehen, daß der Fahrer annehmen mußte, er sei in eine "echte" Polizeikontrolle geraten. Bei dieser Sachlage war es ihm aber nicht zumutbar, die Anhaltesignale zu ignorieren und bis zur nächsten Milizstation weiterzufahren.
(3) Ein Sorgfaltspflichtverstoß des Fahrers kann sich jedoch möglicherweise daraus ergeben, daß er der Aufforderung der ihn anhaltenden Person nachgekommen ist, sein Fahrzeug zu verlassen. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17. Juli 1997 unwidersprochen vorgetragen, es sei im Fernverkehr mit Rußland absolut üblich, daß sich der Fahrer bei einer Kontrolle durch die russische Verkehrspolizei (GAI) oder Miliz den Dienstausweis des kontrollierenden Polizeibeamten geben lasse, bevor er aus dem Fahrerhaus aussteige. Dies sei den kontrollierenden Polizeibeamten auch bekannt. Bei einer "echten" Kontrolle werde dem Verlangen des Fahrers bereitwillig nachgekommen und ein Dienstausweis vorgelegt.
Das Berufungsgericht hat bislang nicht festgestellt, daß der Fahrer sich vor dem Aussteigen einen Dienstausweis hat zeigen lassen. Den Akten kann dies ebenfalls nicht entnommen werden. Die Beklagte hat allerdings vorgetragen , die Person, die den Fahrer angehalten habe, habe eine Uniformjacke und die von der Klägerin angesprochene Dienstmarke getragen. Die Revisionserwiderung verweist zudem darauf, daß der Fahrer bei seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Dessau bekundet habe, es habe sich in seiner Fahrtrichtung am Straßenrand ein gültiges Verkehrsschild mit der Beschriftung "GAI 500 m" befunden, das für ihn besagt habe, es könnte in einer Entfernung von 500 m eine Verkehrskontrolle stattfinden; etwa 300-400 m nach dem Schild sei er dann auch tatsächlich angehalten worden. Das Berufungsgericht wird diesem Vorbringen nachzugehen und zu prüfen haben, ob der Fahrer unter diesen Umständen mit einer nur fingierten Kontrolle rechnen mußte und deshalb Veranlassung hatte, sich einen Dienstausweis der kontrollierenden Person vorlegen zu lassen.
3. Das Berufungsgericht wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren gegebenenfalls auch zu berücksichtigen haben, daß die Beklagte den Wert und das Gewicht des in Verlust geratenen Gutes in zulässiger Weise bestritten hat und es insoweit bislang an hinreichenden tatrichterlichen Feststellungen fehlt.
Ferner wird das Berufungsgericht - sofern es zu einer Haftung der Beklagten dem Grunde nach gelangt - zu prüfen haben, ob die Klägerin den Verlust des Gutes dadurch i.S. von Art. 17 Abs. 5 CMR mitverursacht hat, daß sie - was allerdings bestritten ist - die Beklagte und den Fahrer in Unkenntnis darüber gelassen habe, daß die Wertdeklaration von ca. 30.000,-- DM nicht richtig gewesen sei, der wahre Wert des Gutes vielmehr - so die bestrittene Behaup-
tung der Klägerin - etwa 270.000,-- DM betragen habe. Denn die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung vom 12. Mai 1997 u.a. vorgebracht, im russischen Verlade- und Frachtführergewerbe bestehe grundsätzlich die Verkehrsübung, daß bei Transportgut, dessen Wert pro Lastzug ca. 100.000,-- DM überschreite , von seiten des Frachtführers die Lastzüge mit zwei Fahrern besetzt würden bzw. der vom Verlader vorgegebene Begleitschutz mitgeführt werde. Für den Transit durch Polen habe im Jahre 1996 zudem eine Anordnung des polnischen Zolls bestanden, daß bei Transportgut ab 100.000,-- DM Warenwert je Lastzug ausschließlich im Konvoi mit anderen Lastzügen unter amtlichem Begleitschutz habe gefahren werden dürfen. Es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, daß die von der Beklagten angeführten zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen den in Rede stehenden Verlust des Transportgutes verhindert hätten.
III. Danach war auf die Revision der Klägerin das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Erdmann v. Ungern-Sternberg Starck
Pokrant Büscher

(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

(2) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.

(3) Benutzt jemand das Kraftfahrzeug ohne Wissen und Willen des Fahrzeughalters, so ist er anstelle des Halters zum Ersatz des Schadens verpflichtet; daneben bleibt der Halter zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wenn die Benutzung des Kraftfahrzeugs durch sein Verschulden ermöglicht worden ist. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Benutzer vom Fahrzeughalter für den Betrieb des Kraftfahrzeugs angestellt ist oder wenn ihm das Kraftfahrzeug vom Halter überlassen worden ist.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

Die Verjährung ist gehemmt, solange der Schuldner auf Grund einer Vereinbarung mit dem Gläubiger vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist.

Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet.