Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juli 2013 - III ZR 208/12

bei uns veröffentlicht am18.07.2013
vorgehend
Landgericht Chemnitz, 5 O 512/08, 23.10.2009
Oberlandesgericht Dresden, 9 U 1902/09, 05.06.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 208/12
Verkündet am:
18. Juli 2013
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Der nach § 314 Satz 1 ZPO erbrachte Beweis kann durch das Sitzungsprotokoll
gemäß § 314 Satz 2 ZPO nur entkräftet werden, wenn die dort
getroffenen Feststellungen ausdrücklich oder wenigstens unzweideutig
denjenigen des Tatbestands widersprechen.

b) Der wegen Zuerkennung des Hauptantrags nicht beschiedene Hilfsantrag
des Klägers wird allein durch die Rechtsmitteleinlegung des Beklagten
Gegenstand des Berufungsverfahrens (Bestätigung von BGH, Urteil
vom 20. September 2004 - II ZR 264/02, NJW-RR 2005, 220).
BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - III ZR 208/12 - OLG Dresden
LG Chemnitz
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Juli 2013 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dr. Herrmann
, Hucke, Dr. Remmert und Reiter

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 5. Juni 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als über den Hilfsantrag der Klägerin der Sache nach nicht entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des dritten Rechtszugs, soweit über sie nicht bereits mit dem Senatsbeschluss vom 28. März 2013 entschieden wurde, zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Die Klägerin ist eine sächsische Gemeinde. Der beklagte Verein betreibt Kindergärten und -tagesstätten. Mit Vertrag vom 2. Januar 1995 übertrug die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die Gemeinde L. , dem Beklagten die Trägerschaft der Kindertagesstätte "Z. ". Am 5. November 1996 schlossen die Parteien einen weiteren Vertrag, durch den dem Beklagten die Trägerschaft der Kindertagesstätte "K. " überantwortet wurde. Aufgrund dieser Verträge erlangte der Beklagte auch den Besitz an den Baulichkeiten und Freispielflächen, in beziehungsweise auf denen die Einrichtungen betrieben wurden.
2
Mit Schreiben vom 28. September 2007 kündigte die Klägerin aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen die mit dem Beklagten geschlossenen Verträge.
3
Die Parteien haben über die Wirksamkeit der Kündigungen gestritten. Die Klägerin hat gegen den Beklagten Klage mit den Hauptanträgen erhoben, festzustellen, dass der Vertrag vom 2. Januar 1995 durch die Kündigung zum 31. Dezember 2007 beendet und der Vertrag vom 5. November 1996 wirksam zum 31. Dezember 2008 gekündigt worden sei. Hilfsweise hat sie beantragt, festzustellen, dass mit dem Vertrag vom 5. November 1996 lediglich das Flurstück x c überlassen worden sei und die Flurstücke x/12 und x/14 nicht Vertragsgegenstand seien.
4
Das Landgericht hat den Hauptanträgen entsprochen. Hiergegen hat der Beklagte Berufung eingelegt. Hinsichtlich der Einrichtung "Z. " (Vertrag vom 2. Januar 1995) haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. In Bezug auf die Kindertagesstätte "K. " (Vertrag vom November 1996) hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Den Hilfsantrag hat es in der Sache nicht beschieden. Auf die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil hat der Senat das Rechtsmittel hinsichtlich des Hilfsantrags zugelassen, welchen die Klägerin weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe


5
Die Revision ist im Umfang ihrer Zulassung durch den Senat zulässig und begründet. Sie führt bezogen auf den Hilfsantrag zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

I.


6
Das Berufungsgericht hat gemeint, eine Entscheidung über den erstinstanzlich gestellten Hilfsantrag sei entbehrlich. Die Klägerin sei in keiner Phase des Berufungsverfahrens auf diesen zurückgekommen. Er habe auch in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt.

II.


7
Dies hält, wie die Revision mit Recht rügt, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hätte den Hilfsantrag in der Sache bescheiden müssen.
8
1. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Ansicht des Prozessbevollmächtigten des Beklagten ist nicht davon auszugehen , dass der Hilfsantrag in erster Instanz nicht gestellt worden ist. Im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils ist ausdrücklich angegeben, die Klägerin habe diesen Antrag gestellt. Da die Anträge in der mündlichen Verhandlung zu verlesen sind (§ 297 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und der Tatbestand gemäß § 314 Satz 1 ZPO den Beweis für das mündliche Parteivorbringen erbringt, steht da- mit für das Verfahren fest, dass der Hilfsantrag gestellt wurde. Richtig ist allerdings , dass der durch die tatbestandlichen Feststellungen geführte Beweis gemäß § 314 Satz 2 ZPO durch das Sitzungsprotokoll, das seinerseits Beweiswirkung entfaltet (§ 165 Satz 1 ZPO), entkräftet werden kann. Weiter trifft es zu, dass das Sitzungsprotokoll des Landgerichts vom 4. November 2008 lediglich die Feststellung enthält, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe den Antrag aus der Klageschrift vom 18. März 2008 gestellt. In der Niederschrift hingegen nicht ausgewiesen ist, dass der mit Schriftsatz vom 11. September2008 angekündigte Hilfsantrag ebenfalls gestellt worden sei. Eine solche ausdrückliche Feststellung ist auch in den Sitzungsprotokollen der weiteren mündlichen Verhandlungen vor dem Landgericht vom 10. März, 6. Juli und 11. September 2009 nicht getroffen worden. Gleichwohl ist der durch den Tatbestand erbrachte Beweis nicht entkräftet. Dies setzt voraus, dass die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift ausdrücklich oder doch unzweideutig dem Tatbestand widersprechen (Musielak, ZPO, 10. Aufl., § 314 Rn. 7; ders. in MünchKommZPO, 4. Aufl., § 314 Rn. 6; Hk-Saenger, ZPO 5. Aufl., § 314 Rn. 10; Zöller/Vollkommer , ZPO, 29. Aufl., § 314 Rn. 6). Lücken des Protokolls oder sein Schweigen über bestimmte Vorgänge reichen hierfür nicht (Musielak und Saenger jew aaO; siehe auch OLG Düsseldorf NJW 1991, 1492, 1493). Ein unzweideutiger Widerspruch zwischen dem Tatbestand und den Sitzungsprotokollen ist sonach dem hier allein vorliegenden Umstand, dass diese nicht ausdrücklich ausweisen, der Hilfsantrag sei gestellt worden, nicht zu entnehmen. Aus der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 10. März 2009 ergibt sich vielmehr ein Hinweis auf das Gegenteil. Darin ist festgehalten, "die Beteiligten" bezögen "sich auf ihre bisherigen Schriftsätze". Dies umfasst auch den Schriftsatz vom 11. September 2008 einschließlich des darin angekündigten Hilfsantrags.
9
2. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass über den Hilfsantrag sachlich nicht mehr zu entscheiden war, weil die Klägerin in der zweiten Instanz nicht mehr auf ihn "zurückgekommen" sei. In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass im Berufungsverfahren der Hilfsantrag, der, wie hier, im ersten Rechtszug nicht beschieden wurde, weil der Hauptantrag zuerkannt wurde, allein infolge der Einlegung des Rechtsmittels durch den Beklagten zur Entscheidung anfällt (z.B. BGH, Urteil vom 20. September2004 - II ZR 264/02, NJW-RR 2005, 220 m.umfangr. N.; Musielak/Ball, aaO § 528 Rn. 7; Zöller/Heßler aaO § 528 Rn. 20). Hiervon abzuweichen, besteht auch unter Würdigung entgegen stehender Literaturstimmen (z.B. MünchKommZPO/ Rimmelspacher aaO § 528 Rn. 46; Oberheim in Prütting/Gehrlein, ZPO, 4. Aufl., § 528 Rn. 19 jeweils mwN) kein Anlass (BGH aaO). Denn zu den Grundbedingungen des Klageverfahrens, die auch im Rechtsmittelzug weiter gelten (§ 525 ZPO), gehört es, dass der Kläger durch seine Anträge bestimmt, mit welchen Ansprüchen sich das Gericht befassen muss. Diese von dem Kläger zur Überprüfung gestellten Streitgegenstände kann der Beklagte allein durch ein Anerkenntnis oder durch die Hinnahme einer Verurteilung, nie jedoch dadurch beschränken, dass er Rechtsmittel einlegt. Es besteht keine Veranlassung , von dem Kläger, der in erster Instanz voll obsiegt hat, die Einlegung eines Rechtsmittels, auch nicht im Wege einer Eventual-Anschließung, gegen ein zu seinen Gunsten ergangenes Urteil zu verlangen, um die volle Überprüfung seines unveränderten Klagebegehrens im Rechtsmittelzug sicherzustellen (BGH aaO). Ebenso wenig muss von dem Kläger erwartet werden, neben seinem Antrag auf Zurückweisung der Berufung ausdrücklich seinen Hilfsantrag zu wiederholen (Zöller/Heßler aaO), denn dieser ist, wie ausgeführt, mit dem Rechtsmittel des Beklagten bereits im nächsten Rechtszug angefallen.
10
Die Annahme, die Klägerin habe den Hilfsantrag konkludent zurückgenommen , indem sie auf ihn nicht mehr "zurückgekommen" ist, scheitert an § 269 Abs. 2 Satz 2 ZPO, der eine Erklärung in der mündlichen Verhandlung oder die Einreichung eines Schriftsatzes verlangt. Beides ist nicht erfolgt.
11
3. Da eine abschließende Entscheidung über den Hilfsantrag von noch nachzuholenden tatrichterlichen Feststellungen abhängt, ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif und deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1, 3 ZPO).
Schlick Herrmann Hucke
Remmert Reiter

Vorinstanzen:
LG Chemnitz, Entscheidung vom 23.10.2009 - 5 O 512/08 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 05.06.2012 - 9 U 1902/09 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juli 2013 - III ZR 208/12

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Der nach § 314 S. 1 ZPO erbrachte Beweis kann durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden, wenn dessen Feststellungen denjenigen des Tatbestands widersprechen.
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Zivilprozessordnung - ZPO | § 314 Beweiskraft des Tatbestandes


Der Tatbestand des Urteils liefert Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Der Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 525 Allgemeine Verfahrensgrundsätze


Auf das weitere Verfahren sind die im ersten Rechtszuge für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Abschnitts ergeben. Einer Güteverhandlung bedar
Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juli 2013 - III ZR 208/12 zitiert 8 §§.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 165 Beweiskraft des Protokolls


Die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen seinen diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 528 Bindung an die Berufungsanträge


Der Prüfung und Entscheidung des Berufungsgerichts unterliegen nur die Berufungsanträge. Das Urteil des ersten Rechtszuges darf nur insoweit abgeändert werden, als eine Abänderung beantragt ist.

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(1) Die Anträge sind aus den vorbereitenden Schriftsätzen zu verlesen. Soweit sie darin nicht enthalten sind, müssen sie aus einer dem Protokoll als Anlage beizufügenden Schrift verlesen werden. Der Vorsitzende kann auch gestatten, dass die Anträge z

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(1) Die Anträge sind aus den vorbereitenden Schriftsätzen zu verlesen. Soweit sie darin nicht enthalten sind, müssen sie aus einer dem Protokoll als Anlage beizufügenden Schrift verlesen werden. Der Vorsitzende kann auch gestatten, dass die Anträge zu Protokoll erklärt werden.

(2) Die Verlesung kann dadurch ersetzt werden, dass die Parteien auf die Schriftsätze Bezug nehmen, die die Anträge enthalten.

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20. September 2004
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 537 a.F. (§ 528 n.F.)
Der wegen Zuerkennung des Hauptantrags nicht beschiedene Hilfsantrag des
Klägers wird allein durch die Rechtsmitteleinlegung des Beklagten Gegenstand
des Berufungsverfahrens.
BGH, Urteil vom 20. September 2004 - II ZR 264/02 - OLG Celle
LG Lüneburg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 20. September 2004 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Kraemer, Dr. Strohn und
Caliebe

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 17. Juli 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als über die Hilfsanträge der Kläger nicht entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger gründeten am 31. Dezember 1996 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Zwecke des Erwerbs eines Grundstücks in P., der Fertigstellung der begonnenen Bebauung, dessen Vermietung und Verwaltung und damit im Zusammenhang stehender Tätigkeiten. Durch notariellen Vertrag vom 30. Dezember 1998 trat der Beklagte dieser Gesellschaft bei. In § 2 des Vertra-
ges wurde eine Beteiligung des Beklagten am Gesellschaftsvermögen von 94 % und der Kläger von jeweils 1,5 % vereinbart. Gemäß § 3 b des Vertrages sicherten die Kläger zu, daß die Gesellschaft zur Zeit des Beitritts des Beklagten keine Verbindlichkeiten habe, die höher als 1.659.946,00 DM seien. In der Beitrittsurkunde war eine von dem Beklagten zu erbringende Gegenleistung an die Gesellschaft nicht vereinbart. In einer Gesellschafterversammlung vom selben Tage vereinbarten die Parteien:
"Herr J. Ju. stellt die Gesellschafter von den gegenüber der V.bank AG - Ha.- eingegangenen Verpflichtungen bis zur Höhe von DM 1.659.946,00 (in Worten: ...) im Innenverhältnis frei."
Im Oktober 2000 schlossen die Kläger den Beklagten aus der Gesellschaft aus und begründeten dies damit, daß der Beklagte seiner Freistellungsverpflichtung gegenüber der V.bank sowie gegenüber der H.bank nicht nachgekommen sei.
Mit ihrer Klage haben die Kläger die Feststellung der Wirksamkeit des Ausschlusses des Beklagten sowie Zahlung des auf ihn entfallenden Kapitalfehlbetrages und hilfsweise Zahlung eines Betrages, in dessen Höhe sie von den Banken in Anspruch genommen worden seien, sowie Freistellung von der verbliebenen Darlehensverpflichtung bei der H.bank verlangt.
Das Landgericht hat der Klage mit dem Hauptantrag stattgegeben. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage mit dem Hauptantrag abgewiesen und eine Entscheidung über die Hilfsanträge der Kläger nicht getroffen.

Auf die gegen das Urteil des Berufungsgerichts eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger hat der Senat die Revision zugelassen, soweit über die Hilfsanträge der Kläger nicht entschieden worden ist.

Entscheidungsgründe:


Die Revision der Kläger ist begründet.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Ablehnung einer Entscheidung über die Hilfsanträge ausgeführt, die von den Klägern in erster Instanz gestellten Hilfsanträge seien dem Senat nicht angefallen. Eine Beschäftigung mit den Hilfsanträgen sei mit § 537 ZPO a.F. unvereinbar. Das Argument, die "Erledigung" des Hilfsanspruchs werde durch die Einlegung der Berufung wieder in Frage gestellt, so daß auch der unerledigt gebliebene Teil ohne weiteres dem Berufungsgericht anfalle, überzeuge nicht.
II. Diese Ansicht des Berufungsgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, daß im Berufungsverfahren der wegen Zuerkennung des Hauptantrages nicht beschiedene Hilfsantrag des Klägers der Berufungsinstanz allein durch die Rechtsmitteleinlegung seitens des Beklagten anfällt (RGZ 77, 20, 126 f.; BGH, Urt. v. 16. November 1951 - I ZR 22/51, LM § 525 ZPO Nr. 1; Urt. v. 29. Juni 1957 - IV ZR 313/56, BGHZ 25, 79, 85; Urt. v. 29. Januar 1964 - V ZR 23/63, BGHZ 41, 38, 39 ff.; Urt. v. 24. Januar 1990 - VIII ZR 296/88, NJW-RR 1990, 518, 519; Urt. v. 24. September 1991 - XI ZR 245/90, NJW 1992, 117; Sen.Urt. v. 20. September 1999 - II ZR 345/97, NJW 1999, 3779 - für das Revisionsverfahren ). Hiervon abzuweichen besteht auch unter Würdigung der von dem Beru-
fungsgericht angeführten Literaturstimmen (Rimmelspacher in Münch.Komm./ ZPO, 2. Aufl. § 526 Rdn. 28; derselbe in Aktualisierungsband § 528 Rdn. 44; Grunsky in Stein/Jonas, ZPO 21. Aufl. § 537 Rdn. 10; Merle, ZZP 83, 436, 448 ff.; Brox, Recht im Wandel, Festschrift Carl Heymanns Verlag 1965, S. 121, 134 ff.) kein Anlaß. Denn zu den Grundbedingungen des Klageverfahrens, die auch im Rechtsmittelzug weiter gelten (§ 537 ZPO a.F.), gehört es, daß der Kläger durch seine Anträge bestimmt, mit welchen Ansprüchen sich das Gericht befassen muß. Diese von dem Kläger zur Überprüfung gestellten Streitgegenstände kann der Beklagte allein durch ein Anerkenntnis oder durch die Hinnahme einer Verurteilung, nie jedoch dadurch beschränken, daß er Rechtsmittel einlegt. Es besteht keine Veranlassung, von dem Kläger, der in erster Instanz voll obsiegt hat, die Einlegung eines Rechtsmittels - auch nicht im Wege einer Eventual-Anschließung (Gummer/Heßler in Zöller, ZPO 24. Aufl. § 528 Rdn. 20; Gerken in Wieczorek/Schütze, ZPO 3. Aufl. § 528 Rdn. 15) - gegen ein zu seinen Gunsten ergangenes Urteil zu verlangen, um die volle Überprüfung seines unveränderten Klagebegehrens im Rechtsmittelzug sicherzustellen.
III. Da das Berufungsgericht aufgrund seines abweichenden Rechtsstandpunkts zu den Hilfsanträgen keine Feststellungen getroffen hat, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Der Streitwert wird bis zur Entscheidung über die Zulassung der Revision auf 1.552.727,38 €, danach auf 802.272,38 € festgesetzt.
Röhricht Goette Kraemer
Strohn Caliebe

Auf das weitere Verfahren sind die im ersten Rechtszuge für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Abschnitts ergeben. Einer Güteverhandlung bedarf es nicht.

(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.

(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.

(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.

(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.

(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.