Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juli 2008 - V ZR 171/07

bei uns veröffentlicht am18.07.2008
vorgehend
Amtsgericht Rendsburg, 11 C 136/06, 31.07.2006
Landgericht Kiel, 8 S 101/06, 28.09.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 171/07 Verkündet am:
18. Juli 2008
Langendörfer-Kunz,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter
Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 28. September 2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Mit notariellem Vertrag vom 6. Oktober 1983 kaufte der Kläger von seinem damaligen Nachbarn eine von dessen Grundstück abzutrennende Teilfläche , auf dem sich ein damals zu Wohnzwecken genutztes Hinterhaus befand. In dem Grundstückskaufvertrag bewilligte und beantragte der Verkäufer die Eintragung einer Wegerechtsdienstbarkeit für den jeweiligen Eigentümer des verkauften Grundstücks auf dem von der Straße aus links neben dem damaligen Vorderhaus belegenen Gang. Der Vertrag wurde vollzogen.
2
Nach dem Auszug des Mieters im Jahre 1984 wurde das Hinterhaus auf dem von dem Kläger erworbenen Grundstück nicht mehr genutzt und verfällt seitdem. Das eingetragene Wegerecht wurde seit dieser Zeit ebenfalls nicht mehr ausgeübt.
3
Der Beklagte, der Eigentümer des anderen Nachbargrundstücks (Flurstück 316/76) war, erwarb in der Zwangsversteigerung durch Zuschlagsbeschluss vom 30. Juni 2004 das vordere Grundstück (Flurstück 75/2). In dem Zuschlagsbeschluss ist darauf hingewiesen, dass das in Abteilung II Nr. 12 eingetragene Recht bestehen bleibt. Der Beklagte begann in den Monaten August /September 2005 das erworbene Grundstück mit einem Erweiterungsbau für seinen Kinobetrieb unter Einbeziehung der für das Wegerecht genutzten Fläche zu bebauen. Nach Fertigstellung des Rohbaus verlangte der Kläger im 1. Dezember 2005 den Rückbau im Bereich des Wegerechts. Anschließende Vergleichsgespräche scheiterten.
4
Das Amtsgericht hat der Klage auf Beseitigung der Bebauung auf der Wegerechtsfläche stattgegeben. Das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Abweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht bejaht einen Anspruch des Klägers auf Beseitigung der die Ausübung des Wegerechts hindernden Bebauung nach §§ 1027, 1004 BGB.
6
Der Kläger sei nicht nach § 912 Abs. 1 BGB verpflichtet, den Überbau des Weges durch den Neubau des Beklagten zu dulden. Der Beklagte habe den Nachweis fehlender grober Fahrlässigkeit nicht geführt. Dies ergebe sich aus der Tatsache, dass in dem Zuschlagsbeschluss, mit dem der Beklagte das dienende Grundstück vor dem Beginn der Baumaßnahmen erworben habe, auf das Bestehenbleiben des in Abteilung II Nr. 12 eingetragenen Rechts hingewiesen worden sei. Dem Beklagten, der ein erfahrener Geschäftsmann sei, habe klar sein müssen, dass er sich wegen der Bedeutung dieses Hinweises des Vollstreckungsgerichts, z.B. durch eine Einsicht in das Grundbuch, hätte erkundigen müssen. Es möge zwar sein, dass er sich darum nicht weiter gekümmert habe. Darin liege aber eine Missachtung der im Verkehr üblichen Sorgfalt in einem besonders schweren Maße, weil er einfache und nahe liegende Überlegungen nicht angestellt habe.
7
Der Kläger sei auch nicht deshalb zur Duldung des Überbaus verpflichtet , weil dessen Beseitigung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordere. Ein solcher Einwand sei nur für den sog. Eigengrenzüberbau anerkannt, wenn also der Überbauende zunächst auch Eigentümer des überbauten Grundstücks gewesen sei. Eine Verallgemeinerung dieser Grundsätze widerspreche der Wertung des § 912 Abs. 1 BGB, weil sie die den Anwendungsbereich der Norm einschränkenden Tatbestandsmerkmale obsolet mache, wenn der Berechtigte einen Überbau auch dann hinnehmen müsse, wenn dem Überbauer Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last falle.
8
Das Begehren des Klägers auf Beseitigung des Überbaus stelle weder eine Schikane (§ 226 BGB) noch einen Rechtsmissbrauch dar (§ 242 BGB). Der Kläger verfolge ein schutzwürdiges Interesse, da der Zugang zu dem herrschenden Grundstück sonst nur durch die Garage auf dem im Eigentum des Klägers stehenden Nachbargrundstück möglich wäre.

II.

9
Das hält nicht in allen Punkten rechtlicher Nachprüfung stand.
10
1. Unbegründet ist allerdings der Einwand der Revision, dass dem Kläger der ihm von dem Berufungsgericht zuerkannte Anspruch nach §§ 1027, 1004 BGB schon deshalb nicht zustehen könne, weil die Grunddienstbarkeit wegen Wegfalles des Vorteiles für das herrschende Grundstück erloschen sei.
11
Die Belastung eines Grundstücks mit einer Grunddienstbarkeit setzt zwar nach § 1019 Satz 1 BGB voraus, dass diese einen Vorteil für die Benutzung des herrschenden Grundstücks bietet. Eine Grunddienstbarkeit erlischt daher, wenn infolge Veränderung eines der betroffenen Grundstücke ihre Ausübung dauernd ausgeschlossen ist oder der Vorteil für das herrschende Grundstück infolge grundlegender Änderung der tatsächlichen Verhältnisse oder der rechtlichen Grundlage objektiv und endgültig wegfällt (Senat, Urt. v. 24. Februar 1984, V ZR 177/82, NJW 1984, 2157, 2158; Urt. v. 20. Mai 1988, V ZR 29/87, NJWRR 1988, 1229, 1230; Urt. v. 15. Januar 1999, V ZR 163/96, VIZ 1999, 225, 226 - std. Rspr.). Diese Voraussetzungen liegen aber deshalb nicht vor, weil das herrschende Grundstück ohne das Wegerecht keine Verbindung zur öffentlichen Straße hätte und nur über das benachbarte Grundstück des Klägers durch ein Bauwerk (Garage) hindurch erreichbar wäre. Die Revisionserwiderung weist zu Recht darauf hin, dass dann, wenn bereits jeder brauchbare Weg, der zu einem Grundstück führt, für dessen Zweck vorteilhaft ist (vgl. RGZ 169, 180, 183; OLG Koblenz DNotZ 1999, 511, 512), von einem Wegfall des Vorteils nicht gesprochen werden kann, wenn das Grundstück nur über das Wegerecht mit einer öffentlichen Straße verbunden ist und bei einem Wegfall der Grunddienstbarkeit ein sog. gefangenes Grundstück entstünde.
12
Die Hinweise der Revision auf das öffentliche Baurecht vermögen demgegenüber den Vorteil einer Wegerechtsdienstbarkeit für ein Grundstück, dem eine andere Verbindung zu einem öffentlichen Weg fehlt, nicht zu beseitigen. Eine Grunddienstbarkeit gibt nämlich dem Berechtigten eine auf dem Privat- recht beruhende Rechtsstellung, die von etwaigen öffentlich-rechtlichen Nutzungsbeschränkungen für das herrschende Grundstück grundsätzlich unabhängig ist und deshalb nicht schon dann wegfällt, wenn dessen Nutzungsmöglichkeiten durch baurechtliche Vorschriften oder bauplanerische Feststetzungen (hier durch die von dem Beklagten vorgetragene nunmehrige Unzulässigkeit einer Nutzung des herrschenden Grundstücks zu Wohnzwecken) beschränkt werden oder ganz wegfallen (vgl. Senat, Urt. v. 7. April 1967, V ZR 14/65, NJW 1967, 1609, 1610).
13
2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht eine Duldungspflicht des Klägers gemäß § 1004 Abs. 2 BGB nach den Vorschriften über den Überbau (§§ 912 ff. BGB) verneint hat.
14
Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass § 912 Abs. 1 BGB entsprechend anzuwenden ist, wenn ein Überbau zwar nicht das Eigentum, aber ein anderes Recht des Nachbarn (wie eine Grunddienstbarkeit) beeinträchtigt (Senat, BGHZ 39, 5, 8 ff.; 42, 63, 68). Soweit die Revision meint, dass das Berufungsgericht die Unkenntnis des Beklagten von dem Wegerecht zu Unrecht als grob fahrlässig angesehen habe, zeigt sie keinen Rechtsfehler auf.
15
Die Entscheidung, ob ein vorwerfbares Verhalten als grob fahrlässig zu bewerten ist, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem Tatrichter vorbehalten, der im Einzelfall unter Würdigung aller Umstände nach seinem pflichtgemäßen Ermessen darüber zu befinden hat. Seine Wertung ist der Nachprüfung durch das Revisionsgericht entzogen, sofern er nicht den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder ihr fehlerhaft gewonnene Feststellungen zugrunde gelegt hat (BGHZ 89, 153, 160; 145, 337, 340). Das ist hier nicht der Fall.
16
Die von der Revision benannten, von dem Berufungsgericht angeblich übergangenen Umstände sind für die tatrichterliche Beurteilung, auf die der Vorwurf grober Fahrlässigkeit gestützt wird, unerheblich, weil der Beklagte das Grundstück selbst ersteigert hat und in dem Termin auf das bestehen bleibende Recht hingewiesen worden ist. Die Nichtbeachtung eines solchen Hinweises trägt die tatrichterliche Würdigung einer zumindest grob fahrlässigen Verletzung des Wegerechts des Klägers durch den Beklagten. Subjektive Besonderheiten (wie geringe Geschäftsgewandtheit und Kenntnisse), die im Einzelfall im Sinne einer Entlastung vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ins Gewicht fallen können (BGHZ 119, 147, 149), liegen nach der Feststellung des Berufungsgerichts, dass der Beklagte ein erfahrender Geschäftsmann ist, nicht vor. Soweit die Revision schließlich auf den Vortrag des Beklagten verweist, dass dieser von anderer Seite - insbesondere seinem Architekten - nicht auf das der geplanten Bebauung entgegenstehende Wegerecht hingewiesen worden sei, ist das für die Feststellung einer grob fahrlässigen Unkenntnis schon deshalb ohne Bedeutung , weil das Berufungsgericht auf die eigenen Kenntnisse des Beklagten abgestellt hat.
17
3. Erfolg hat das Rechtsmittel jedoch deshalb, weil das Berufungsgericht das auf die Entscheidung des Senats (BGHZ 62, 388, 391 = NJW 1974, 1552 ff.) gestützte Vorbringen des Beklagten zur Unverhältnismäßigkeit des für die Beseitigung der Störung erforderlichen Aufwands mit der rechtsfehlerhaften Begründung zurückgewiesen hat, dass eine solche Einrede nur für den hier nicht vorliegenden Fall eines Eigengrenzüberbaus in Betracht komme.
18
a) Das Berufungsgericht hat die ständige Rechtsprechung des Senats übersehen, nach der die Geltendmachung von Ansprüchen auf Beseitigung - unabhängig von ihrer Rechtsgrundlage - unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit begrenzt ist (Senat, BGHZ 143, 1, 6; Urt. v. 2. Oktober 1987, V ZR 140/86, NJW 1988, 699, 700), was sich nunmehr aus § 275 Abs. 2 BGB ergibt (Senat, Urt. v. 30. Mai 2008, V ZR 184/07, Rdn. 17; OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 1024, 1025; zur weiteren Begründung hierzu wird auf das Urteil des Senats vom 30. Mai 2008 (V ZR 184/07 - zur Veröffentlichung bestimmt) Bezug genommen.
19
Die Vorschrift findet auf alle Leistungspflichten Anwendung, gleichgültig ob diese auf einem Vertrag, auf einem gesetzlichen Schuldverhältnis oder allgemein auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruhen (Senat, Urt. v. 30. Mai 2008, V ZR 184/07, aaO). Eine solche Zumutbarkeitsgrenze auch gegenüber einem auf § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB gestützten Beseitigungsverlangen hat der Senat schon auf der Grundlage des bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Rechts analog § 251 Abs. 2 BGB bejaht (vgl. BGHZ 62, 388, 391; Urt. v. 10. Dezember 1976, V ZR 263/74, WM 1977, 536, 537; Urt. v. 16. März 1979, V ZR 38/75, WM 1979, 644, 647). Seitdem der Gesetzgeber mit der Schuldrechtsform in § 275 Abs. 2 BGB einen allgemeinen Rechtssatz mit diesem Inhalt bestimmt hat (BT-Drucks. 14/6040, S. 130), findet die Senatsrechtsprechung hierin ihre Bestätigung.
20
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts wird das Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 2 BGB nicht durch die Regelung in § 912 Abs. 1 BGB verdrängt. Die Vorschriften betreffen verschiedene Gegenstände, nämlich die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen des Beseitigungsanspruchs. Aus § 912 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt sich eine Duldungspflicht des Nachbarn nach § 1004 Abs. 2 BGB. Liegen deren Voraussetzungen vor, hat der Nachbar weder einen Anspruch auf Beseitigung noch auf Schadensersatz (vgl. Senat BGHZ 97, 292, 295; 156, 170, 172). § 275 Abs. 2 BGB begründet dagegen eine Einrede gegenüber dem Beseitigungsanspruch. Wird die Einrede erhoben und liegen deren Voraussetzungen vor, kann der Nachbar seinen An- spruch auf Beseitigung des Überbaus zwar nicht durchsetzen; seine anderen Ansprüche wegen der rechtswidrigen und schuldhaften Rechtsverletzung bleiben aber davon unberührt (vgl. Senat, BGHZ 156, 170, 172).

III.

21
Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif.
22
Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - eine Abwägung zwischen den Vorteilen, die eine Durchsetzung des Anspruches aus der Grunddienstbarkeit für das herrschende Grundstück des Klägers hätte, und den dafür erforderlichen Aufwendungen des Beklagten durch den zumindest teilweisen Abriss des Kinoneubaus auf dem dienenden Grundstück unterlassen. Das ist nachzuholen.
23
Zwar wird die nach § 275 Abs. 1 Satz 1 BGB gebotene Abwägung bei einem Anspruch auf Beseitigung eines grob fahrlässig (und erst recht eines vorsätzlich ) errichteten Überbaus in der Regel dazu führen, dass die Einrede zu versagen ist (vgl. Senat, Urt. v. 24. April 1970, V ZR 97/67, NJW 1970, 1180, 1181), was sich daraus ergibt, dass nach § 275 Abs. 2 Satz 2 BGB bei der Bestimmung des Maßes der zumutbaren Anstrengungen auch das Verschulden des Schuldners berücksichtigt werden muss (vgl. Senat, Urt. v. 30. Mai 2008, V ZR 184/07, Rdn. 19).
24
Anders kann es aber auch unter Berücksichtigung des erheblichen Verschuldens des Überbauenden sein, wenn der Nachbar unter vorwerfbarer Verletzung seiner Obliegenheit nach § 254 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 912 Abs. 1 BGB, den Eigentümer vor ungewöhnlich hohen Schäden durch die Zerstörung der mit dem Überbau geschaffenen Werte zu bewahren, mit dem Verlangen auf Besei- tigung zuwartet und dadurch selbst wesentlich zu dem Missverhältnis zwischen den Vorteilen für ihn und Aufwendungen des Eigentümers für den Abriss des Neubaus beiträgt. Unter diesen Voraussetzungen kann die unter Beachtung des Gebots von Treu und Glauben (§ 242 BGB) vorzunehmende Abwägung dazu führen, dass der Eigentümer die Erfüllung des Anspruchs des Nachbarn auf Beseitigung des Überbaus verweigern darf.
25
Da diese Umstände von dem Beklagten zwar vorgetragen worden sind, das Berufungsgericht dazu aber keine Feststellungen getroffen hat, ist die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Krüger RiBGH Dr. Klein ist Ri'inBGH Dr. Stresemann infolge Urlaubs an der ist infolge Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Unterschrift gehindert. Karlsruhe, den 21. Juli 2008 Karlsruhe, den 21. Juli 2008 Der Vorsitzende Der Vorsitzende Krüger Krüger Czub Roth
Vorinstanzen:
AG Rendsburg, Entscheidung vom 31.07.2006 - 11 C 136/06 -
LG Kiel, Entscheidung vom 28.09.2007 - 8 S 101/06 -

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1027 Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit


Wird eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, so stehen dem Berechtigten die in § 1004 bestimmten Rechte zu.

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Eine Grunddienstbarkeit kann nur in einer Belastung bestehen, die für die Benutzung des Grundstücks des Berechtigten Vorteil bietet. Über das sich hieraus ergebende Maß hinaus kann der Inhalt der Dienstbarkeit nicht erstreckt werden.

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Wird eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, so stehen dem Berechtigten die in § 1004 bestimmten Rechte zu.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, so hat der Nachbar den Überbau zu dulden, es sei denn, dass er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat.

(2) Der Nachbar ist durch eine Geldrente zu entschädigen. Für die Höhe der Rente ist die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend.

Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Wird eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, so stehen dem Berechtigten die in § 1004 bestimmten Rechte zu.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

Eine Grunddienstbarkeit kann nur in einer Belastung bestehen, die für die Benutzung des Grundstücks des Berechtigten Vorteil bietet. Über das sich hieraus ergebende Maß hinaus kann der Inhalt der Dienstbarkeit nicht erstreckt werden.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, so hat der Nachbar den Überbau zu dulden, es sei denn, dass er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat.

(2) Der Nachbar ist durch eine Geldrente zu entschädigen. Für die Höhe der Rente ist die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend.

*

(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.

(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.

(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 184/07 Verkündet am:
30. Mai 2008
Langendörfer-Kunz,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die in § 275 Abs. 2 BGB bestimmte Einrede kann auch gegen einen Beseitigungsanspruch
aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB erhoben werden.
BGH, Urt. v. 30. Mai 2008 - V ZR 184/07 - OLG Bremen
LG Bremen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. Mai 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die
Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandegerichts in Bremen vom 12. September 2007 aufgehoben.
Die Berufung der Kläger gegen das Teilurteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 17. April 2007 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
P. B. war Eigentümer des Grundstücks P. straße in B. (Stammgrundstück); der Beklagte war Eigentümer des Nachbargrundstücks P. straße . 1973 errichtete B. auf dem rückwärtigen Teil seines Grundstücks ein einstöckiges, als Supermarkt nutzbares Gebäude. In den Bau bezog er eine mehr als 42 qm große Teilfläche des Grundstücks des Beklagten ein, die ihm der Beklagte mit Vertrag vom 11. Januar 1973 hierzu auf die Dauer von 20 Jahren mit Verlängerungsoption währungsgesichert vermietet hatte. Später teilte B. das Stammgrundstück nach dem Wohnungseigentumsgesetz. Die als Supermarkt genutzten Teileigentumseinheiten verkaufte er an G. Z. , der an seiner Stelle in den Mietvertrag mit dem Beklagten eintrat. Für die Überlassung der Teilfläche hatte Z. schließlich monatlich 418 DM zu zahlen.
2
1998 verkaufte Z. die Teileigentumseinheiten an die Kläger. Den Überbau und den Mietvertrag mit dem Beklagten offenbarte er nicht. Die Kläger zahlten zunächst für Z. ; einen Eintritt in den Mietvertrag anstelle von Z. lehnten sie jedoch ab. Daraufhin kündigte der Beklagte vorsorglich den Mietvertrag. Das Eigentum an dem Grundstück übertrug er unter dem Vorbehalt eines Nießbrauchs seinen Kindern. Gegen die Kläger erwirkte er ein Urteil auf Herausgabe des für den Überbau genutzten Teils (Vorprozess; Senat, BGHZ 157, 301 ff.) des Grundstücks P. straße (im Folgenden: Grundstück des Beklagten).
3
Die Kläger haben beantragt, festzustellen, für die Nutzung des Grundstücks des Beklagten monatlich 100 € bezahlen zu müssen. Insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem der Beklagte Widerklage auf Zahlung eines höheren Betrags erhoben hatte. Im Wege der Widerklage hat der Beklagte von den Klägern darüber hinaus die Räumung des Grundstücks durch Beseitigung des Überbaus verlangt.
4
Das Landgericht hat dem Räumungsverlangen durch Teilurteil stattgegeben. Auf die Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht die Widerklage insoweit abgewiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht verneint einen Räumungsanspruch des Beklagten. Es meint, aufgrund der Beendigung des Vertrages vom 11. Januar 1973 müsse der Beklagte den Überbau auf dem Grundstück nicht mehr dulden. Ob die Kläger gegenüber dem Beklagten anerkannt hätten, zur Beseitigung des Überbaus verpflichtet zu sein, könne dahingestellt bleiben. Ein Anerkenntnis schließe die Kläger nur mit solchen Einwendungen aus, die sie gekannt oder mit denen sie gerechnet hätten. Daran fehle es bei den Abbruchkosten von rund 90.000 €. Deren Höhe hätten die Kläger erst durch das von dem Landgericht eingeholte Sachverständigengutachten erfahren. Über diese Kosten hinaus hätten die Kläger bei einem Abriss des Überbaus weitere Nachteile seitens der Mieterin des Supermarkts zu erwarten. Das stehe außer Verhältnis zu dem Interesse des Beklagten an der Beseitigung des Überbaus. Dieses sei auf der Grundlage des Wertes der in Anspruch genommenen Fläche des Grundstücks allenfalls mit 19.360 € anzunehmen. Das Missverhältnis schließe den Anspruch des Beklagten aus, von den Klägern den Abriss verlangen zu können.

II.

6
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Kläger sind gemäß §§ 1065, 1004 Abs. 1 BGB verpflichtet, den als Supermarkt genutzten Gebäudeteil auf dem Grundstück des Beklagten zu beseitigen.
7
1. Wird die Überschreitung der Grundstücksgrenze zur Bebauung eines Grundstücks von dem Eigentümer des angrenzenden Grundstücks gestattet, ist der Überbau rechtmäßig. Er ist wesentlicher Bestandteil des auf dem Stamm- grundstück errichteten Gebäudes (Senat, BGHZ 62, 141, 145; 157, 301, 304). Wird das Stammgrundstück nach dem Wohnungseigentumsgesetz geteilt, entsteht an den tragenden Teilen des Gebäudes Miteigentum. Zu den tragenden Teilen gehören insbesondere die Außenmauern eines Gebäudes. Das gilt auch insoweit, als diese nur das Sondereigentum eines einzelnen Wohnungs- oder Teileigentümers umschließen (Senat, BGHZ 50, 56, 59 ff.). Soweit sich die Außenmauern des von B. errichteten Gebäudes auf dem Grundstück des Beklagten befinden, sind die Kläger zu deren Beseitigung rechtlich daher nur in der Lage, wenn die übrigen Miteigentümer der Beseitigung durch die Kläger zustimmen. Das behauptet der Beklagte, Festsstellungen hierzu sind nicht getroffen.
8
Solcher Feststellungen bedarf es auch nicht. Das Schreiben des Klägers an den Beklagten und dessen Bevollmächtigten vom 21. Januar 2004 bedeutet ein deklaratorisches Anerkenntnis der Verpflichtung der Kläger zum Abriss des Überbaus. Zu dieser Feststellung ist der Senat in der Lage, weil weiteres Vorbringen insoweit nicht in Betracht kommt.
9
In dem Schreiben des Klägers, der im vorliegenden Rechtsstreit ebenso wie im Vorprozess die Klägerin und sich selbst als Rechtsanwalt vertreten hat, heißt es:
10
"Die Lage stellt sich nunmehr wie folgt dar: Räumungsvollstreckung aus dem vorhandenen Titel scheidet aus, weil wir nicht Gewahrsaminhaber sind und die Firma P. nicht herausgabebereit ist. … Zu Gunsten von Herrn W. bestehen gleichsam parallel die Ansprüche auf Herausgabe und auf Beseitigung. Den Herausgabeanspruch hat er geltend gemacht und insoweit obsiegt. Nunmehr geht es um den Beseitigungsanspruch. Mit diesem obsiegt er gleichermaßen, weil - wie gesagt - beide Ansprüche gleich laufen. Meine Ehefrau und ich sehen nach der BGHE keine hinreichenden Chancen, den Beseitigungsanspruch abzu- wehren. Somit ist dieserhalb ein weiterer Rechtsstreit nicht erforderlich. Wir erkennen den Anspruch an und werden bei dessen Geltendmachung das Erforderliche veranlassen. …"
11
Das bedeutet schon dem Wortlaut nach das Anerkenntnis des mit der Widerklage von dem Beklagten geltend gemachten Anspruchs. Anlass des Schreibens war das Urteil des Senats im Vorprozess vom 16. Januar 2004. Ziel der Erklärung war es, die in dem Vorprozess nicht entschiedene Frage der Verpflichtung zum Abriss des Überbaus der Ungewissheit zu entziehen, die Pflicht endgültig festzulegen und so einen Rechtsstreit um diesen Anspruch zu vermeiden.
12
Auch ohne ausdrückliche Erklärung der Annahme durch den Beklagten, § 151 Abs.1 BGB, sind die Kläger daher nach dem Sinn und Zweck ihrer Erklärung mit der Berufung auf sämtliche Einwendungen und der Geltendmachung sämtlicher Einreden ausgeschlossen, die ihnen bei Abgabe der Erklärung vom 21. Januar 2004 bekannt waren oder mit denen sie rechneten (st. Rechtspr., vgl. BGHZ 66, 250, 254; 69, 328, 331). Hierzu gehört der Einwand, zum Abriss des Überbaus nicht in der Lage zu sein, weil einzelne Miteigentümer Teile eines gemeinschaftlichen Gebäudes nicht ohne die Zustimmung der übrigen Miteigentümer abreißen dürfen und ohne diese daher nicht zum Abriss verurteilt werden können. Die Kläger haben durch ih r Anerkenntnis die Verpflichtung übernommen, das Einverständnis der übrigen Miteigentümer zum Abriss des Überbaus herbeizuführen.
13
2. Ebenso liegt es, soweit das Berufungsgericht meint, die Kläger würden bei einer Kündigung des Mietvertrags über den Supermarkt aus Anlass des Abrisses des Überbaus Schäden erleiden, die bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen zu berücksichtigen seien.
14
3. Etwas anderes gilt nur für die Kosten des Abrisses. Diese sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mit etwa 90.000 € anzunehmen. Mit Kosten in auch nur annähernd dieser Höhe haben die Kläger bis zu den im vorliegenden Rechtsstreit getroffenen Feststellungen des Sachverständigen nicht gerechnet. Sie haben diese Kosten im Vorprozess vielmehr mit knapp 25.000 € und damit weit unter ihrer tatsächlichen Höhe angenommen.
15
a) Das Verhältnis zwischen diesen Kosten und dem Interesse des Beklagten an dem Abriss schließt den Anspruch des Beklagten entgegen der Meinung des Berufungsgerichts und der Revisionserwiderung jedoch nicht aus.
16
Die Rechtsprechung hat den Anspruch auf Beseitigung aus § 1004 Abs.1 Satz 1 BGB auf der Grundlage des in § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB zum Ausdruck kommenden Grundsatzes der Unzumutbarkeit als ausgeschlossen angesehen, wenn die Beseitigung mit Aufwendungen verbunden ist, die in keiner vertretbaren Relation zu dem Nachteil des Beeinträchtigten stehen (vgl. statt aller Senat, BGHZ 143,1, 6 m.w.N.).
17
Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz hat den Rückgriff auf den in § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB zum Ausdruck kommenden Grundsatz zur Beschränkung des Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB überflüssig gemacht. Die Beschränkung folgt nunmehr aus § 275 BGB. Die Vorschrift findet auf alle Leistungspflichten Anwendungen, gleichgültig ob diese auf einem Vertrag, auf einem gesetzlichen Schuldverhältnis oder allgemein auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruhen (Erman/Westermann, BGB, 12. Aufl. § 275 Rdn. 2; MünchKomm -BGB/Ernst, 5. Aufl., § 275 Rdn. 12; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 275 Rdn. 2; ferner OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 1024, 1025). Dies war Absicht des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes. Die Begründung des Gesetzesvorschlags verweist zum Anwendungsbereich von § 275 Abs. 2 BGB ausdrücklich auf Leistungsansprüche aus dem Sachenrecht und führt aus, die Begrenzung derartiger Ansprüche sei bisher § 251 Abs. 2 BGB entnommen worden. Hierzu ist auf das Urteil des Senats, BGHZ 62, 388 ff., ausdrücklich Bezug genommen (BT-Drucks. 14/6040, S. 130).
18
b) Ob die festgestellte Diskrepanz zwischen dem Interesse des Beklagten an der Beseitigung des Überbaus und dem hierzu notwendigen Aufwand hinreichend ist, den Klägern eine Einrede gegen von dem Beklagten geltend gemachten Abrissanspruch zu eröffnen, kann dahin gestellt bleiben. Die Einrede scheitert nämlich schon an dem in § 275 Abs. 2 Satz 2 BGB zum Ausdruck kommenden Grundsatz.
19
Nach diesem hängt das Leistungsverweigerungsrecht aus § 275 Abs. 2 Satz 1 BGB auch davon ab, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat. So verhält es sich bei den Klägern. Auch diese Feststellung kann der Senat treffen.
20
Der Beklagte hat die Einbeziehung seines Grundstücks in das Bauvorhaben für die Dauer des Bestehens eines Mietverhältnisses geduldet. Der Überbau war daher grundsätzlich nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses zu beseitigen, § 546 BGB, § 556 BGB a.F. Zu der von den Klägern anerkannten Verpflichtung ist es nur deshalb gekommen, weil sie bei dem Erwerb des Teileigentums der Ausdehnung des Gebäudes auf das Grundstück des Beklagten keine Beachtung geschenkt und so den Mangel des ihnen von Z. verkauften Teileigentums nicht erkannt haben. Soweit Z. den Klägern deshalb verantwortlich ist, ist seine Inanspruchnahme nach Behauptung der Kläger aussichtslos, weil Z. insolvent ist. Das liegt außerhalb des Risikobereichs des Beklagten.
21
Auch nach der Aufdeckung des Rechtsmangels hatten die Kläger es in der Hand, die Verpflichtung zur Beseitigung des Überbaus zu vermeiden oder dadurch aufzuschieben, dass sie die von Z. dem Beklagten geschuldete Miete weiter bezahlten oder das Angebot des Beklagten annahmen, anstelle von Z. in den Vertrag vom 11. Januar 1973 einzutreten. Statt dies zu tun, haben sie dem Beklagten mit ihrem Verhalten Anlass gegeben, den Mietvertrag zu kündigen, und damit die Situation geschaffen, deren Folgen sie als wirtschaftlich unzumutbar ansehen. Damit aber schließt die im Rahmen von § 275 Abs. 2 BGB gebotene Wertung des Verhaltens der Kläger es aus, ihnen das Recht zu eröffnen, die geschuldete Leistung zu verweigern.

III.

22
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Klein Lemke Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
LG Bremen, Entscheidung vom 17.04.2007 - 8 O 1570/04 -
OLG Bremen, Entscheidung vom 12.09.2007 - 1 U 29/07 -

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen.

(2) Der Ersatzpflichtige kann den Gläubiger in Geld entschädigen, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen sind nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie dessen Wert erheblich übersteigen.

*

(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.

(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.

(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.

(1) Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, so hat der Nachbar den Überbau zu dulden, es sei denn, dass er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat.

(2) Der Nachbar ist durch eine Geldrente zu entschädigen. Für die Höhe der Rente ist die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

*

(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.

(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.

(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.

(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 184/07 Verkündet am:
30. Mai 2008
Langendörfer-Kunz,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die in § 275 Abs. 2 BGB bestimmte Einrede kann auch gegen einen Beseitigungsanspruch
aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB erhoben werden.
BGH, Urt. v. 30. Mai 2008 - V ZR 184/07 - OLG Bremen
LG Bremen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. Mai 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die
Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandegerichts in Bremen vom 12. September 2007 aufgehoben.
Die Berufung der Kläger gegen das Teilurteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bremen vom 17. April 2007 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
P. B. war Eigentümer des Grundstücks P. straße in B. (Stammgrundstück); der Beklagte war Eigentümer des Nachbargrundstücks P. straße . 1973 errichtete B. auf dem rückwärtigen Teil seines Grundstücks ein einstöckiges, als Supermarkt nutzbares Gebäude. In den Bau bezog er eine mehr als 42 qm große Teilfläche des Grundstücks des Beklagten ein, die ihm der Beklagte mit Vertrag vom 11. Januar 1973 hierzu auf die Dauer von 20 Jahren mit Verlängerungsoption währungsgesichert vermietet hatte. Später teilte B. das Stammgrundstück nach dem Wohnungseigentumsgesetz. Die als Supermarkt genutzten Teileigentumseinheiten verkaufte er an G. Z. , der an seiner Stelle in den Mietvertrag mit dem Beklagten eintrat. Für die Überlassung der Teilfläche hatte Z. schließlich monatlich 418 DM zu zahlen.
2
1998 verkaufte Z. die Teileigentumseinheiten an die Kläger. Den Überbau und den Mietvertrag mit dem Beklagten offenbarte er nicht. Die Kläger zahlten zunächst für Z. ; einen Eintritt in den Mietvertrag anstelle von Z. lehnten sie jedoch ab. Daraufhin kündigte der Beklagte vorsorglich den Mietvertrag. Das Eigentum an dem Grundstück übertrug er unter dem Vorbehalt eines Nießbrauchs seinen Kindern. Gegen die Kläger erwirkte er ein Urteil auf Herausgabe des für den Überbau genutzten Teils (Vorprozess; Senat, BGHZ 157, 301 ff.) des Grundstücks P. straße (im Folgenden: Grundstück des Beklagten).
3
Die Kläger haben beantragt, festzustellen, für die Nutzung des Grundstücks des Beklagten monatlich 100 € bezahlen zu müssen. Insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem der Beklagte Widerklage auf Zahlung eines höheren Betrags erhoben hatte. Im Wege der Widerklage hat der Beklagte von den Klägern darüber hinaus die Räumung des Grundstücks durch Beseitigung des Überbaus verlangt.
4
Das Landgericht hat dem Räumungsverlangen durch Teilurteil stattgegeben. Auf die Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht die Widerklage insoweit abgewiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht verneint einen Räumungsanspruch des Beklagten. Es meint, aufgrund der Beendigung des Vertrages vom 11. Januar 1973 müsse der Beklagte den Überbau auf dem Grundstück nicht mehr dulden. Ob die Kläger gegenüber dem Beklagten anerkannt hätten, zur Beseitigung des Überbaus verpflichtet zu sein, könne dahingestellt bleiben. Ein Anerkenntnis schließe die Kläger nur mit solchen Einwendungen aus, die sie gekannt oder mit denen sie gerechnet hätten. Daran fehle es bei den Abbruchkosten von rund 90.000 €. Deren Höhe hätten die Kläger erst durch das von dem Landgericht eingeholte Sachverständigengutachten erfahren. Über diese Kosten hinaus hätten die Kläger bei einem Abriss des Überbaus weitere Nachteile seitens der Mieterin des Supermarkts zu erwarten. Das stehe außer Verhältnis zu dem Interesse des Beklagten an der Beseitigung des Überbaus. Dieses sei auf der Grundlage des Wertes der in Anspruch genommenen Fläche des Grundstücks allenfalls mit 19.360 € anzunehmen. Das Missverhältnis schließe den Anspruch des Beklagten aus, von den Klägern den Abriss verlangen zu können.

II.

6
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Kläger sind gemäß §§ 1065, 1004 Abs. 1 BGB verpflichtet, den als Supermarkt genutzten Gebäudeteil auf dem Grundstück des Beklagten zu beseitigen.
7
1. Wird die Überschreitung der Grundstücksgrenze zur Bebauung eines Grundstücks von dem Eigentümer des angrenzenden Grundstücks gestattet, ist der Überbau rechtmäßig. Er ist wesentlicher Bestandteil des auf dem Stamm- grundstück errichteten Gebäudes (Senat, BGHZ 62, 141, 145; 157, 301, 304). Wird das Stammgrundstück nach dem Wohnungseigentumsgesetz geteilt, entsteht an den tragenden Teilen des Gebäudes Miteigentum. Zu den tragenden Teilen gehören insbesondere die Außenmauern eines Gebäudes. Das gilt auch insoweit, als diese nur das Sondereigentum eines einzelnen Wohnungs- oder Teileigentümers umschließen (Senat, BGHZ 50, 56, 59 ff.). Soweit sich die Außenmauern des von B. errichteten Gebäudes auf dem Grundstück des Beklagten befinden, sind die Kläger zu deren Beseitigung rechtlich daher nur in der Lage, wenn die übrigen Miteigentümer der Beseitigung durch die Kläger zustimmen. Das behauptet der Beklagte, Festsstellungen hierzu sind nicht getroffen.
8
Solcher Feststellungen bedarf es auch nicht. Das Schreiben des Klägers an den Beklagten und dessen Bevollmächtigten vom 21. Januar 2004 bedeutet ein deklaratorisches Anerkenntnis der Verpflichtung der Kläger zum Abriss des Überbaus. Zu dieser Feststellung ist der Senat in der Lage, weil weiteres Vorbringen insoweit nicht in Betracht kommt.
9
In dem Schreiben des Klägers, der im vorliegenden Rechtsstreit ebenso wie im Vorprozess die Klägerin und sich selbst als Rechtsanwalt vertreten hat, heißt es:
10
"Die Lage stellt sich nunmehr wie folgt dar: Räumungsvollstreckung aus dem vorhandenen Titel scheidet aus, weil wir nicht Gewahrsaminhaber sind und die Firma P. nicht herausgabebereit ist. … Zu Gunsten von Herrn W. bestehen gleichsam parallel die Ansprüche auf Herausgabe und auf Beseitigung. Den Herausgabeanspruch hat er geltend gemacht und insoweit obsiegt. Nunmehr geht es um den Beseitigungsanspruch. Mit diesem obsiegt er gleichermaßen, weil - wie gesagt - beide Ansprüche gleich laufen. Meine Ehefrau und ich sehen nach der BGHE keine hinreichenden Chancen, den Beseitigungsanspruch abzu- wehren. Somit ist dieserhalb ein weiterer Rechtsstreit nicht erforderlich. Wir erkennen den Anspruch an und werden bei dessen Geltendmachung das Erforderliche veranlassen. …"
11
Das bedeutet schon dem Wortlaut nach das Anerkenntnis des mit der Widerklage von dem Beklagten geltend gemachten Anspruchs. Anlass des Schreibens war das Urteil des Senats im Vorprozess vom 16. Januar 2004. Ziel der Erklärung war es, die in dem Vorprozess nicht entschiedene Frage der Verpflichtung zum Abriss des Überbaus der Ungewissheit zu entziehen, die Pflicht endgültig festzulegen und so einen Rechtsstreit um diesen Anspruch zu vermeiden.
12
Auch ohne ausdrückliche Erklärung der Annahme durch den Beklagten, § 151 Abs.1 BGB, sind die Kläger daher nach dem Sinn und Zweck ihrer Erklärung mit der Berufung auf sämtliche Einwendungen und der Geltendmachung sämtlicher Einreden ausgeschlossen, die ihnen bei Abgabe der Erklärung vom 21. Januar 2004 bekannt waren oder mit denen sie rechneten (st. Rechtspr., vgl. BGHZ 66, 250, 254; 69, 328, 331). Hierzu gehört der Einwand, zum Abriss des Überbaus nicht in der Lage zu sein, weil einzelne Miteigentümer Teile eines gemeinschaftlichen Gebäudes nicht ohne die Zustimmung der übrigen Miteigentümer abreißen dürfen und ohne diese daher nicht zum Abriss verurteilt werden können. Die Kläger haben durch ih r Anerkenntnis die Verpflichtung übernommen, das Einverständnis der übrigen Miteigentümer zum Abriss des Überbaus herbeizuführen.
13
2. Ebenso liegt es, soweit das Berufungsgericht meint, die Kläger würden bei einer Kündigung des Mietvertrags über den Supermarkt aus Anlass des Abrisses des Überbaus Schäden erleiden, die bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen zu berücksichtigen seien.
14
3. Etwas anderes gilt nur für die Kosten des Abrisses. Diese sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mit etwa 90.000 € anzunehmen. Mit Kosten in auch nur annähernd dieser Höhe haben die Kläger bis zu den im vorliegenden Rechtsstreit getroffenen Feststellungen des Sachverständigen nicht gerechnet. Sie haben diese Kosten im Vorprozess vielmehr mit knapp 25.000 € und damit weit unter ihrer tatsächlichen Höhe angenommen.
15
a) Das Verhältnis zwischen diesen Kosten und dem Interesse des Beklagten an dem Abriss schließt den Anspruch des Beklagten entgegen der Meinung des Berufungsgerichts und der Revisionserwiderung jedoch nicht aus.
16
Die Rechtsprechung hat den Anspruch auf Beseitigung aus § 1004 Abs.1 Satz 1 BGB auf der Grundlage des in § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB zum Ausdruck kommenden Grundsatzes der Unzumutbarkeit als ausgeschlossen angesehen, wenn die Beseitigung mit Aufwendungen verbunden ist, die in keiner vertretbaren Relation zu dem Nachteil des Beeinträchtigten stehen (vgl. statt aller Senat, BGHZ 143,1, 6 m.w.N.).
17
Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz hat den Rückgriff auf den in § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB zum Ausdruck kommenden Grundsatz zur Beschränkung des Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB überflüssig gemacht. Die Beschränkung folgt nunmehr aus § 275 BGB. Die Vorschrift findet auf alle Leistungspflichten Anwendungen, gleichgültig ob diese auf einem Vertrag, auf einem gesetzlichen Schuldverhältnis oder allgemein auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruhen (Erman/Westermann, BGB, 12. Aufl. § 275 Rdn. 2; MünchKomm -BGB/Ernst, 5. Aufl., § 275 Rdn. 12; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 275 Rdn. 2; ferner OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 1024, 1025). Dies war Absicht des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes. Die Begründung des Gesetzesvorschlags verweist zum Anwendungsbereich von § 275 Abs. 2 BGB ausdrücklich auf Leistungsansprüche aus dem Sachenrecht und führt aus, die Begrenzung derartiger Ansprüche sei bisher § 251 Abs. 2 BGB entnommen worden. Hierzu ist auf das Urteil des Senats, BGHZ 62, 388 ff., ausdrücklich Bezug genommen (BT-Drucks. 14/6040, S. 130).
18
b) Ob die festgestellte Diskrepanz zwischen dem Interesse des Beklagten an der Beseitigung des Überbaus und dem hierzu notwendigen Aufwand hinreichend ist, den Klägern eine Einrede gegen von dem Beklagten geltend gemachten Abrissanspruch zu eröffnen, kann dahin gestellt bleiben. Die Einrede scheitert nämlich schon an dem in § 275 Abs. 2 Satz 2 BGB zum Ausdruck kommenden Grundsatz.
19
Nach diesem hängt das Leistungsverweigerungsrecht aus § 275 Abs. 2 Satz 1 BGB auch davon ab, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat. So verhält es sich bei den Klägern. Auch diese Feststellung kann der Senat treffen.
20
Der Beklagte hat die Einbeziehung seines Grundstücks in das Bauvorhaben für die Dauer des Bestehens eines Mietverhältnisses geduldet. Der Überbau war daher grundsätzlich nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses zu beseitigen, § 546 BGB, § 556 BGB a.F. Zu der von den Klägern anerkannten Verpflichtung ist es nur deshalb gekommen, weil sie bei dem Erwerb des Teileigentums der Ausdehnung des Gebäudes auf das Grundstück des Beklagten keine Beachtung geschenkt und so den Mangel des ihnen von Z. verkauften Teileigentums nicht erkannt haben. Soweit Z. den Klägern deshalb verantwortlich ist, ist seine Inanspruchnahme nach Behauptung der Kläger aussichtslos, weil Z. insolvent ist. Das liegt außerhalb des Risikobereichs des Beklagten.
21
Auch nach der Aufdeckung des Rechtsmangels hatten die Kläger es in der Hand, die Verpflichtung zur Beseitigung des Überbaus zu vermeiden oder dadurch aufzuschieben, dass sie die von Z. dem Beklagten geschuldete Miete weiter bezahlten oder das Angebot des Beklagten annahmen, anstelle von Z. in den Vertrag vom 11. Januar 1973 einzutreten. Statt dies zu tun, haben sie dem Beklagten mit ihrem Verhalten Anlass gegeben, den Mietvertrag zu kündigen, und damit die Situation geschaffen, deren Folgen sie als wirtschaftlich unzumutbar ansehen. Damit aber schließt die im Rahmen von § 275 Abs. 2 BGB gebotene Wertung des Verhaltens der Kläger es aus, ihnen das Recht zu eröffnen, die geschuldete Leistung zu verweigern.

III.

22
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Klein Lemke Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
LG Bremen, Entscheidung vom 17.04.2007 - 8 O 1570/04 -
OLG Bremen, Entscheidung vom 12.09.2007 - 1 U 29/07 -

(1) Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, so hat der Nachbar den Überbau zu dulden, es sei denn, dass er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat.

(2) Der Nachbar ist durch eine Geldrente zu entschädigen. Für die Höhe der Rente ist die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.