Bundesgerichtshof Urteil, 08. Juni 2010 - VI ZR 147/09

bei uns veröffentlicht am08.06.2010
vorgehend
Amtsgericht Wolfsburg, 12 C 336/06, 05.12.2007
Landgericht Braunschweig, 9 S 30/08, 01.04.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 147/09 Verkündet am:
8. Juni 2010
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Erleidet ein bei einem Drittunternehmen angestellter Testfahrer vor Beginn seiner
Tätigkeit auf dem Versuchsgelände eines Automobilherstellers einen Glatteisunfall
, ist eine Haftung nicht wegen des Vorliegens einer gemeinsamen Betriebsstätte
zwischen dem Geschädigten und Mitarbeitern des Automobilherstellers
oder des von ihm beauftragten Winterdienstes ausgeschlossen.
BGH, Urteil vom 8. Juni 2010 - VI ZR 147/09 - LG Braunschweig
AG Wolfsburg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Juni 2010 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll und
Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 1. April 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger verlangt von der beklagten Aktiengesellschaft, einem Automobilhersteller , Schmerzensgeld und materiellen Schadensersatz wegen eines Unfalls, den er auf dem Versuchsgelände der Beklagten erlitten hat.
2
Der Kläger ist bei der Firma T. GmbH & Co. KG (im Folgenden T.) angestellt , die durch ihre Mitarbeiter seit etwa 15 Jahren auf dem Versuchsgelände der Beklagten Testfahrten mit von der Beklagten hergestellten Fahrzeugen durchführen lässt. Die Testfahrten dienen dazu, die Fahrzeuge technisch zu überprüfen und zu verbessern und die weitere Entwicklung der Technik zukünf- tig herzustellender Fahrzeuge auf der Grundlage der von der Firma T. festgestellten Testergebnisse voranzutreiben.
3
Am 19. Januar 2006 hatte der Kläger seinen PKW vor dem Gelände abgestellt und sich zu Fuß auf das Testgelände begeben, um den Einsatzraum seiner Arbeitgeberin aufzusuchen. Auf dem Wege dorthin kam er infolge Glatteises zu Fall, wodurch sein rechtes Knie erheblich verletzt wurde. Die für seinen Beschäftigungsbetrieb zuständige Berufsgenossenschaft hat den Unfall als einen nach § 8 Abs. 1 SGB VII versicherten Arbeitsunfall anerkannt.
4
Die Beklagte hatte den ihr obliegenden Winterdienst (Räum- und Streupflichten ) in dem Bereich, in dem der Kläger zu Fall gekommen ist, vertraglich an die Streithelferin zu 1 delegiert, die ihrerseits den Streithelfer zu 2 mit der Erfüllung dieser Verpflichtungen beauftragt hatte.
5
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

6
Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil in juris veröffentlicht ist, ist eine Haftung der Beklagten sowohl hinsichtlich eines eigenen Tuns bzw. Unterlassens als auch hinsichtlich einer Haftung für die Streithelfer als Verrichtungsgehilfen ausgeschlossen.
7
Eine Haftung für eigenes Tun oder Unterlassen sei gemäß § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII ausgeschlossen, weil es sich bei dem Versuchsgelände um eine gemeinsame Betriebsstätte zwischen der Beklagten und dem Kläger handele und das Haftungsprivileg nicht nur für die Mitarbeiter des Unternehmers, sondern auch für den Unternehmer selbst gelte. Die Beklagte träfen als Betreiberin des Testgeländes bestimmte Verkehrssicherungspflichten, wozu auch die Streupflicht gehöre. Sie entfalte auf dem Betriebsgelände entsprechende Aktivitäten jedenfalls dadurch, dass sie das Gelände kontrolliere und ggf. Subunternehmer zur Beseitigung von Eis und Schnee einsetze. Diese Maßnahmen griffen mit der Tätigkeit des Klägers bewusst und gewollt ineinander.
8
Eine Haftung der Beklagten für die mit dem Winterdienst beauftragten Streithelfer als Verrichtungsgehilfen sei nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs ausgeschlossen. Die Voraussetzungen des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII seien im Verhältnis zwischen den Streithelfern und dem Kläger gegeben. Die Streithelfer würden tätig, um dem Kläger ein gefahrloses Betreten des Betriebsgeländes zu ermöglichen. Auch die Tätigkeit des Klägers weise einen Bezug zur Tätigkeit der Streithelfer auf, weil der Kläger beim Betreten des Geländes auf Räumarbeiten Rücksicht nehmen müsse und diese nicht gefährden dürfe. Das dadurch gegebene Haftungsprivileg der Streithelfer komme der Beklagten zu Gute.

II.

9
Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand, weil eine - aus seiner Sicht mit Recht nicht näher geprüfte - Haftung der Beklagten aus Verletzung der Verkehrssicherungspflicht weder wegen des Bestehens einer gemeinsamen Betriebsstätte zwischen der Beklagten und dem Kläger noch nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses ausgeschlossen ist.
10
1. Soweit das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten für eigenes Tun oder Unterlassen gemäß § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII als ausgeschlossen ansieht, weil das Haftungsprivileg nicht nur für die Mitarbeiter des Unternehmers , sondern auch für den Unternehmer selbst gelte, entspricht dies bereits im Ansatz nicht der Rechtsprechung des erkennenden Senats. Nach gefestigter Rechtsprechung kommt dieses Haftungsprivileg nur dem versicherten Unternehmer zu Gute, der selbst auf einer gemeinsamen Betriebsstätte eine vorübergehende betriebliche Tätigkeit verrichtet und dabei den Versicherten eines anderen Unternehmens verletzt (vgl. Senatsurteile BGHZ 148, 209, 212 f.; 148, 214, 216 ff.; 155, 205, 209; 157, 9, 14; 157, 213, 216; 177, 97 Rn. 11; vom 14. Juni 2005 - VI ZR 25/04 - VersR 2005, 1397, 1398). Demnach besteht eine Haftungsprivilegierung der Beklagten schon deswegen nicht, weil nach dem festgestellten Sachverhalt die Schädigung des Klägers nicht durch ein selbst auf der Betriebsstätte tätiges Organ der Beklagten erfolgt ist.
11
2. Mithin kommt nur eine Haftungsbefreiung der Beklagten nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses in Betracht. Eine solche ist schon deswegen nicht gegeben, weil weder eine gemeinsame Betriebsstätte zwischen dem Kläger und den mit dem Winterdienst beauftragten Mitarbeitern der Streithelfer noch eine solche zwischen dem Kläger und Mitarbeitern der Beklagten bestanden hat, die möglicherweise den Streithelfer nicht rechtzeitig beauftragt haben.
12
a) Nach den vom erkennenden Senat entwickelten Grundsätzen können in den Fällen, in denen zwischen mehreren Schädigern ein Gesamtschuldverhältnis besteht, Ansprüche des Geschädigten gegen einen Gesamtschuldner (Zweitschädiger) auf den Betrag beschränkt sein, der auf diesen im Innenverhältnis zu dem anderen Gesamtschuldner (Erstschädiger) endgültig entfiele, wenn die Schadensverteilung nach § 426 BGB nicht durch eine sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung des Erstschädigers gestört wäre (st. Rspr.: vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 61, 51, 55; 94, 173, 176; 155, 205, 212 ff.; 157, 9, 14; vom 13. März 2007 - VI ZR 178/05 - VersR 2007, 948 Rn. 19; vom 22. Januar 2008 - VI ZR 17/07 - VersR 2008, 642 Rn. 11). In solchen Fällen hat der Senat den Zweitschädiger in Höhe des Verantwortungsteils freigestellt, der auf den Erstschädiger im Innenverhältnis entfiele, wenn man seine Haftungsprivilegierung hinweg denkt, wobei unter "Verantwortungsteil" die Zuständigkeit für die Schadensverhütung und damit der Eigenanteil des betreffenden Schädigers an der Schadensentstehung zu verstehen ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 110, 114, 119; 155, 205, 213; 157, 9, 14 f.; vom 13. März 2007 - VI ZR 178/05 - aaO; vom 22. Januar 2008 - VI ZR 17/07 - aaO). In Anwendung dieser Grundsätze könnte eine Haftung aus dem Gesichtspunkt des gestörten Gesamtschuldverhältnisses nur entfallen, wenn zwischen dem Kläger und den Mitarbeitern der mit dem Winterdienst beauftragten Firma oder Mitarbeitern der Beklagten eine gemeinsame Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII bestanden hätte.
13
b) Dies ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht der Fall.
14
aa) Der Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte erfasst betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinander greifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgte. Erforderlich ist ein bewusstes Miteinander im Betriebsablauf, das sich zumindest tatsächlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken mehrerer Unternehmen darstellt.
Die Tätigkeit der Mitwirkenden muss im faktischen Miteinander der Beteiligten aufeinander bezogen, miteinander verknüpft oder auf gegenseitige Ergänzung oder Unterstützung ausgerichtet sein (vgl. Senatsurteile BGHZ 145, 331, 336; 155, 205, 207 f.; 157, 213, 216 f.; 177, 97 Rn. 19 m.w.N.). § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII ist nicht schon dann anwendbar, wenn zwei Unternehmen auf derselben Betriebsstätte aufeinander treffen. Eine "gemeinsame" Betriebsstätte ist nach allgemeinem Verständnis mehr als "dieselbe" Betriebsstätte; das bloße Zusammentreffen von Risikosphären mehrerer Unternehmen erfüllt den Tatbestand der Norm nicht. Parallele Tätigkeiten, die sich beziehungslos nebeneinander vollziehen, genügen ebenso wenig wie eine bloße Arbeitsberührung. Erforderlich ist vielmehr eine gewisse Verbindung zwischen den Tätigkeiten des Schädigers und des Geschädigten in der konkreten Unfallsituation, die eine Bewertung als "gemeinsame" Betriebsstätte rechtfertigt (vgl. Senatsurteile vom 23. Januar 2001 - VI ZR 70/00 - VersR 2001, 372, 373; vom 14. September 2004 - VI ZR 32/04 - VersR 2004, 1604 f.).
15
bb) Nach diesen Grundsätzen haben der Kläger und die Mitarbeiter der mit dem Winterdienst beauftragten Firma bzw. der Beklagten keine vorübergehende betriebliche Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte ausgeübt.
16
Im Streitfall lagen in der konkreten Unfallsituation keine betrieblichen Aktivitäten vor, die im faktischen Miteinander der Beteiligten aufeinander bezogen oder miteinander verknüpft oder auf gegenseitige Ergänzung oder Unterstützung ausgerichtet waren. Die notwendige Arbeitsverknüpfung kann im Einzelfall zwar auch dann bestehen, wenn die von den Beschäftigten verschiedener Unternehmen vorzunehmenden Maßnahmen sich nicht sachlich ergänzen oder unterstützen, die gleichzeitige Ausführung der betreffenden Arbeiten wegen der räumlichen Nähe aber eine Verständigung über den Arbeitsablauf erfordert und hierzu konkrete Absprachen getroffen werden, etwa wenn ein zeitliches und örtliches Nebeneinander dieser Tätigkeiten nur bei Einhaltung von besonderen beiderseitigen Vorsichtsmaßnahmen möglich ist und die Beteiligten solche vereinbaren (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 152, 7, 9; Senatsurteile BGHZ 177, 97 Rn. 19; vom 8. April 2003 - VI ZR 251/02 - VersR 2003, 904, 905; vom 13. März 2007 - VI ZR 178/05 - aaO Rn. 22). Eine solche Verständigung über ein bewusstes Nebeneinander im Arbeitsablauf hat es aber nach den getroffenen Feststellungen nicht gegeben. Diese war auch bei dem Weg des Klägers zum Einsatzraum vor Aufnahme der Testfahrten nicht erforderlich, weil hier nicht die Gefahr bestand, dass sich beide Seiten gegenseitig schädigten. Jedenfalls in diesem Stadium verrichteten die Mitarbeiter der Streithelfer bzw. der Beklagten die ihnen im Zusammenhang mit dem Winterdienst obliegenden Tätigkeiten, ohne dass der Kläger in irgendeiner Weise in den Arbeitsablauf eingebunden, daran beteiligt oder auch nur davon berührt worden wäre. Er benutzte die Wege vielmehr nur so, wie jeder betroffene Bürger, der auf den Winterdienst vertraut. Insofern bestand nicht die für eine gemeinsame Betriebsstätte typische Gefahr, dass sich die Beteiligten bei den versicherten Tätigkeiten "ablaufbedingt in die Quere kommen" (vgl. Senatsurteil BGHZ 157, 213, 217 m.w.N.). Zudem fehlte es an dem erforderlichen wechselseitigen Bezug der betrieblichen Aktivitäten des Klägers einerseits und der am Winterdienst beteiligten Mitarbeiter andererseits. Zwar erleichterte der Winterdienst das sichere Begehen des Betriebsgeländes und diente mithin auch der Sicherheit des Klägers. Dagegen war der Weg des Klägers zu seinem Arbeitsraum in keiner Weise auf die Tätigkeit des Winterdienstes bezogen. Es bestand keine so genannte Gefahrengemeinschaft, auf der der Haftungsausschluss des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII ausschließlich beruht (vgl. Senatsurteil BGHZ 157, 213, 218 m.w.N.). Allein der Kläger war dem Risiko ausgesetzt, durch einen unzureichenden Winterdienst zu Schaden zu kommen. Die Gefahr, dass er seinerseits den Mitarbeitern des Winterdienstes einen Schaden zufügte, war wegen des fehlenden Miteinanders im Arbeits- ablauf rein theoretischer Natur. Dies reicht nicht aus, um die für eine gemeinsame Betriebsstätte typische Gefahrengemeinschaft anzunehmen.
17
3. Nach allem ist eine Haftung der Beklagten weder nach § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII noch nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses ausgeschlossen. Die Sache ist mithin an das Berufungsgericht zurückzuverweisen , um diesem die Prüfung zu ermöglichen, ob und ggf. in welcher Höhe ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte besteht. Dabei wird das Berufungsgericht gegebenenfalls auch das Senatsurteil vom 22. Januar 2008 - VI ZR 126/07 - VersR 2008, 505 zu berücksichtigen haben. Galke Zoll Wellner Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
AG Wolfsburg, Entscheidung vom 05.12.2007 - 12 C 336/06 -
LG Braunschweig, Entscheidung vom 01.04.2009 - 9 S 30/08 (22) -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 08. Juni 2010 - VI ZR 147/09

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 08. Juni 2010 - VI ZR 147/09

Anwälte

2 relevante Anwälte

2 Anwälte, die Artikel geschrieben haben, die diesen Urteil erwähnen

Rechtsanwalt

für Familien- und Erbrecht


Familienrecht, Erbrecht, Ehescheidung - Streifler & Kollegen
EnglischDeutsch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
EnglischDeutsch

Referenzen - Veröffentlichungen

4 Veröffentlichung(en) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 08. Juni 2010 - VI ZR 147/09.

2 Artikel zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 08. Juni 2010 - VI ZR 147/09.

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 426 Ausgleichungspflicht, Forderungsübergang


(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zu

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 8 Arbeitsunfall


(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem G

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 106 Beschränkung der Haftung anderer Personen


(1) In den in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 genannten Unternehmen gelten die §§ 104 und 105 entsprechend für die Ersatzpflicht 1. der in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 genannten Versicherten untereinander,2. der in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 genannten Versiche
Bundesgerichtshof Urteil, 08. Juni 2010 - VI ZR 147/09 zitiert 5 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 426 Ausgleichungspflicht, Forderungsübergang


(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zu

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 8 Arbeitsunfall


(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem G

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 106 Beschränkung der Haftung anderer Personen


(1) In den in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 genannten Unternehmen gelten die §§ 104 und 105 entsprechend für die Ersatzpflicht 1. der in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 genannten Versicherten untereinander,2. der in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 genannten Versiche

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Juni 2010 - VI ZR 147/09 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Juni 2010 - VI ZR 147/09 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Jan. 2008 - VI ZR 17/07

bei uns veröffentlicht am 22.01.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 17/07 Verkündet am: 22. Januar 2008 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Jan. 2008 - VI ZR 126/07

bei uns veröffentlicht am 22.01.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 126/07 Verkündet am: 22. Januar 2008 Böhringer-Mangold, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Juni 2005 - VI ZR 25/04

bei uns veröffentlicht am 14.06.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 25/04 Verkündet am: 14. Juni 2005 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Sept. 2004 - VI ZR 32/04

bei uns veröffentlicht am 14.09.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 32/04 Verkündet am: 14. September 2004 Blum, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Apr. 2003 - VI ZR 251/02

bei uns veröffentlicht am 08.04.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 251/02 Verkündet am: 8. April 2003 H o l m e s, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein SGB VII § 1
5 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 08. Juni 2010 - VI ZR 147/09.

Bundesgerichtshof Urteil, 30. Apr. 2013 - VI ZR 155/12

bei uns veröffentlicht am 30.04.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 155/12 Verkündet am: 30. April 2013 Holmes Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Mai 2011 - VI ZR 152/10

bei uns veröffentlicht am 10.05.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 152/10 Verkündet am: 10. Mai 2011 Böhringer-Mangold, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: n

Bundesgerichtshof Urteil, 01. Feb. 2011 - VI ZR 227/09

bei uns veröffentlicht am 01.02.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 227/09 Verkündet am: 1. Februar 2011 Holmes Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Jan. 2013 - VI ZR 175/11

bei uns veröffentlicht am 22.01.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 175/11 Verkündet am: 22. Januar 2013 Holmes Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Referenzen

(1) In den in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 genannten Unternehmen gelten die §§ 104 und 105 entsprechend für die Ersatzpflicht

1.
der in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 genannten Versicherten untereinander,
2.
der in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 genannten Versicherten gegenüber den Betriebsangehörigen desselben Unternehmens,
3.
der Betriebsangehörigen desselben Unternehmens gegenüber den in § 2 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 8 genannten Versicherten.

(2) Im Fall des § 2 Abs. 1 Nr. 17 gelten die §§ 104 und 105 entsprechend für die Ersatzpflicht

1.
der Pflegebedürftigen gegenüber den Pflegepersonen,
2.
der Pflegepersonen gegenüber den Pflegebedürftigen,
3.
der Pflegepersonen desselben Pflegebedürftigen untereinander.

(3) Wirken Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder Unternehmen des Zivilschutzes zusammen oder verrichten Versicherte mehrerer Unternehmen vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte, gelten die §§ 104 und 105 für die Ersatzpflicht der für die beteiligten Unternehmen Tätigen untereinander.

(4) Die §§ 104 und 105 gelten ferner für die Ersatzpflicht von Betriebsangehörigen gegenüber den nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Versicherten.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 25/04 Verkündet am:
14. Juni 2005
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 831 Gd, 823 Aa, Ha, 840 Abs. 1 und 2;

a) Der nicht selbst auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätige Unternehmer, der neben
seinem nach § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII haftungsprivilegierten Verrichtungsgehilfen
lediglich nach §§ 831, 823, 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner
haftet, ist gegenüber dem Geschädigten nach den Grundsätzen des gestörten
Gesamtschuldverhältnisses von der Haftung für erlittene Personenschäden freigestellt
(vgl. § 840 Abs. 2 BGB); ein im Innenverhältnis zwischen dem Verrichtungsgehilfen
und dem Geschäftsherrn etwa bestehender arbeitsrechtlicher Freistellungsanspruch
bleibt dabei außer Betracht.

b) Die Haftung des nicht auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätigen Unternehmers
bleibt im Rahmen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses auf die Fälle be-
schränkt, in denen ihn nicht nur eine Haftung wegen vermuteten Auswahl- und
Überwachungsverschuldens gemäß § 831 BGB, sondern eine eigene "Verantwortlichkeit"
zur Schadensverhütung, etwa wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten
oder wegen eines Organisationsverschuldens trifft (Bestätigung des
Senatsurteils vom 11. November 2003 - VI ZR 13/03 - BGHZ 157, 9 = VersR
2004, 202).
BGH, Urteil vom 14. Juni 2005 - VI ZR 25/04 - OLG Frankfurt/Main
LG Darmstadt
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Juni 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 12. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.
Auf die Revision der Beklagten zu 1 wird das vorgenannte Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsinstanz , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger macht gegen die Beklagten materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche aus einem Unfall geltend, den er als Arbeitnehmer
einer Dachdeckerfirma erlitten hat, die als Subunternehmerin der W. N. GmbH & Co. KG das Dach einer Kindertagesstätte eindecken sollte. Als er am 21. April 1998 auf der geschalten Dachfläche Aufmaß für die erforderliche Ziegelmenge nehmen wollte, stürzte er durch eine mit Dachpappe überdeckte Öffnung für ein Dachfenster ca. fünf Meter tief auf den Betonfußboden und erlitt dabei schwerste Verletzungen. Die zuständige BauBerufsgenossenschaft hat den Unfall als Arbeitsunfall anerkannt. Der Kläger hat ursprünglich (auch) die Generalunternehmerin W. N. GmbH & Co. KG (künftig: KG) in Anspruch genommen, welche an dem Bau die Zimmererarbeiten durchführte. Nachdem diese sich zwischenzeitlich in der Insolvenz befindet, ist das Verfahren gegen sie abgetrennt worden. Nunmehr verlangt der Kläger von deren nach Ablehnung der Insolvenzeröffnung mangels Masse in Liquidation befindlicher persönlich haftender Gesellschafterin W. N. GmbH, der Beklagten zu 1, und der Firma W. N. Systembau GmbH, der Beklagten zu 2, mit der vorliegenden Klage Schadensersatz. Das Landgericht hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgeändert und die Beklagte zu 1 zur Zahlung von insgesamt 24.804,13 € (Schmerzensgeld und Verdienstausfall) verurteilt. Ferner hat es festgestellt, daß die Beklagte zu 1 verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem genannten Arbeitsunfall zu ersetzen, soweit die entsprechenden Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstigen Dritten übergegangen sind. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagte zu 1 ihr Klageabweisungsbegehren und der Kläger sein Klagebegehren aus der Berufungsinstanz gegen die Beklagte zu 2 weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die im Liquidationsstadium fortbestehende Beklagte zu 1 hafte als persönlich haftende Gesellschafterin der Generalunternehmerin , der KG, für deren Verbindlichkeiten gemäß §§ 161 Abs. 2, 128 Satz 1 HGB. Die Generalunternehmerin sei dem Kläger für die Folgen seines Sturzes nach §§ 831 Abs. 1, 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB verantwortlich, wovon sie weder durch sozialrechtliche Privilegierungen noch infolge eines sogenannten gestörten Gesamtschuldverhältnisses befreit sei. Der Sturz des Klägers sei durch rechtswidriges Verhalten der für die Baustelle Verantwortlichen der Generalunternehmerin, für die diese nach § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB einzustehen habe, mitverursacht worden. Das rechtswidrige Verhalten ergebe sich aus dem Unterlassen, den Fensterausschnitt im Dach ausreichend zu sichern. Eine diesbezügliche Rechtspflicht ergebe sich aus § 12 a der Unfallverhütungsvorschrift Bauarbeiten (VGB 37) der Bau-Berufsgenossenschaft in der Fassung vom 1. Januar 1997, welche die allgemeine Verkehrssicherungspflicht konkretisiere. Den Kläger treffe auch keine eigene Verantwortlichkeit für seinen Sturz, die ihm nach § 254 Abs. 1 BGB anspruchsmindernd angelastet werden könne. Der Kläger, der als Mitarbeiter der mit der Dachdeckung beauftragten Firma bereits zu Ausführungen von Arbeiten an den Dachkandeln tätig gewesen und das Dach zum Unfallzeitpunkt im Auftrag seines Arbeitgebers zum Zwecke der Aufnahme eines Aufmaßes für die erforderlichen Dachziegel betreten habe, habe auf die Einhaltung der Allgemeinen Unfallverhütungsvorschriften am Bau vertrauen dürfen. Das Landgericht sei zwar "gut vertretbar" von einer gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3 SGB VII im Zusammenhang mit den Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten ausgegangen, die Haftungsprivilegierung komme jedoch grundsätzlich nicht dem beteiligten Unternehmer zugute,
der nicht selbst auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätig werde. Die mithin gegebene Haftung der Beklagten zu 1 aus §§ 831 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB entfalle auch nicht nach den Grundsätzen der sogenannten gestörten Gesamtschuld. Es stehe bereits nicht fest, daß es überhaupt einen - vom Kläger nicht in Anspruch genommenen - Erstschädiger als Gesamtschuldner gebe, da die Parteien zu einem insoweit erforderlichen Verschulden im Rahmen der Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB nichts vorgetragen hätten. Im übrigen störe die sozialrechtliche Haftungsprivilegierung ein entsprechendes Gesamtschuldverhältnis nicht, da der arbeitsrechtliche Freistellungsanspruch bei ihrem Hinwegdenken ebenfalls zu einer Haftung des Unternehmers als Zweitschädiger im Innenverhältnis zu seinen Arbeitnehmern als Erstschädiger führe. Ansprüche gegen die Zweitbeklagte bestünden dagegen nicht. Allein aus der Tatsache, daß zwei ihrer Mitarbeiter auf der Baustelle tätig gewesen seien, lasse sich ihre Haftung nicht herleiten. Daß diese Mitarbeiter für die Verkehrssicherung Verantwortung getragen hätten, habe der Kläger nicht unter Beweis gestellt.

II.

A. Revision der Beklagten zu 1: Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand, soweit das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten zu 1 bejaht hat. 1. Das Berufungsgericht ist zwar mit Recht davon ausgegangen, daß die KG als Generalunternehmerin für das rechtswidrige unerlaubte Verhalten ihrer mit den Zimmererarbeiten betrauten Verrichtungsgehilfen wegen der unterlassenen Absicherung der Absturzstelle als Geschäftsherr im Rahmen des § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB haftungsrechtlich einzustehen hat. Eine Rechtspflicht zur
Absicherung von Öffnungen in einer Dachfläche hat das Berufungsgericht zutreffend aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht hergeleitet, die hier durch § 12 a der Unfallverhütungsvorschrift Bauarbeiten (VGB 37) der BauBerufsgenossenschaft Frankfurt am Main in der Fassung vom 1. Januar 1997 dahin konkretisiert wird, daß bei Öffnungen in Dachflächen Einrichtungen vorhanden sein müssen, die ein Abstürzen, Hineinfallen oder Hineintreten verhindern. 2. Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist - entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten zu 1 - weiter die Beurteilung des Berufungsgerichts , den Kläger treffe auch keine eigene Verantwortlichkeit an seinem Sturz, die ihm nach § 254 Abs. 1 BGB anspruchsmindernd entgegengehalten werden könne. Soweit die Beklagte zu 1 meint, dem Kläger sei gleichwohl vorzuwerfen, das Dach ohne jegliche Rücksprache betreten zu haben, obwohl für ihn erkennbar gewesen sei, daß die Zimmererarbeiten in diesem Dachbereich noch nicht abgeschlossen gewesen seien, vermag dies keine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen. Denn die Allgemeinen Unfallverhütungsvorschriften am Bau erfordern insbesondere dann besondere Beachtung, wenn Arbeiten noch nicht abgeschlossen sind und sich in diesem Stadium erhöhter Gefährdung mit Bauarbeiten beschäftigte Personen fremder Unternehmen auf der Baustelle aufhalten. Unter diesen Umständen ist gegen die Auffassung des Berufungsgerichts , der Kläger habe auf die Einhaltung der Allgemeinen Unfallverhütungsvorschriften am Bau beim Betreten des Daches auch ohne besondere Rückfrage nach etwaigen - noch nicht gesicherten - Gefahrenstellen vertrauen dürfen, aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. 3. Rechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die Auffassung des Berufungsgerichts , die KG sei nicht nach § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII haftungsprivilegiert. Denn eine Haftungsfreistellung nach dieser Norm kann nach der Recht-
sprechung des erkennenden Senats zugunsten des versicherten Unternehmers nur dann eingreifen, wenn dieser auf der gemeinsamen Betriebsstätte selbst tätig wird (vgl. Senatsurteile BGHZ 148, 209, 212; 148, 214, 217; 157, 9, 14; vom 24. Juni 2003 - VI ZR 434/01 - VersR 2003, 1260, 1261 f.). Dies war hier nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall. 4. Das Berufungsurteil hält jedoch den Angriffen der Revision der Beklagten zu 1 nicht stand, soweit es die Möglichkeit eines Haftungsausschlusses nach den Grundsätzen des sogenannten gestörten Gesamtschuldverhältnisses verneint.
a) Nach diesen Grundsätzen können in den Fällen, in denen zwischen mehreren Schädigern ein Gesamtschuldverhältnis besteht, Ansprüche des Geschädigten gegen einen Gesamtschuldner (Zweitschädiger) auf den Betrag beschränkt sein, der auf diesen im Innenverhältnis zu dem anderen Gesamtschuldner (Erstschädiger) endgültig entfiele, wenn die Schadensverteilung nach § 426 BGB nicht durch eine sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung des Erstschädigers gestört wäre (st. Rspr.: vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 61, 51, 55; 157, 9, 14; vom 17. Februar 1987 - VI ZR 81/86 - NJW 1987, 2669, 2670; vom 24. Juni 2003 - VI ZR 434/01 - aaO). Die Beschränkung der Haftung des Zweitschädigers beruht dabei auf dem Gedanken, daß einerseits die haftungsrechtliche Privilegierung nicht durch eine Heranziehung im Gesamtschuldnerausgleich unterlaufen werden soll, es aber andererseits bei Mitberücksichtigung des Grundes der Haftungsprivilegierung, nämlich der anderweitigen Absicherung des Geschädigten durch eine gesetzliche Unfallversicherung nicht gerechtfertigt wäre, den Zweitschädiger den Schaden alleine tragen zu lassen. Deshalb hat der Senat den Zweitschädiger in solchen Fällen in Höhe des Verantwortungsteils freigestellt, der auf den Erstschädiger im Innenverhältnis entfiele, wenn man seine Haftungsprivilegierung hinwegdenkt, wobei unter
"Verantwortungsteil" die Zuständigkeit für die Schadensverhütung und damit der eigene Anteil des betreffenden Schädigers an der Schadensentstehung zu verstehen ist (vgl. Senatsurteil vom 11. November 2003 - VI ZR 13/03 - aaO).
b) Mit Recht wendet sich die Revision der Beklagten zu 1 in diesem Zusammenhang gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, es stehe mangels Sachvortrags der Parteien zum Verschulden nicht fest, daß es überhaupt einen - vom Kläger nicht in Anspruch genommenen - nach §§ 823 Abs. 1, 840 Abs. 1 BGB gesamtschuldnerisch haftenden Erstschädiger gebe. Nachdem das Berufungsgericht einen rechtswidrigen Verstoß gegen eine die allgemeine Verkehrssicherungspflicht konkretisierende Unfallverhütungsvorschrift festgestellt hat, wird das Verschulden der hierfür verantwortlichen Mitarbeiter der KG indiziert (vgl. Senatsurteile vom 8. Mai 1956 - VI ZR 48/55 - VersR 1956, 435, 436 und vom 13. Juli 1965 - VI ZR 73/64 - VersR 1965, 1055, 1056). Unter diesen Umständen war weiterer Sachvortrag hierzu nicht erforderlich. Hiervon gehen auch beide Parteien aus.
c) Das sich insoweit ergebende Gesamtschuldverhältnis ist auch gestört, da zugunsten der Erstschädiger die sozialrechtliche Haftungsprivilegierung des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII wegen der Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte eingreift. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erfaßt die Haftungsfreistellung des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII über die Fälle der Arbeitsgemeinschaft hinaus sämtliche betrieblichen Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen , die bewußt und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht , daß die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt (vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 145, 331, 336 und vom 24. Juni 2003
- VI ZR 434/01 - aaO m.w.N.). Erforderlich ist ein bewußtes Miteinander im Arbeitsablauf , das sich zumindest tatsächlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken mehrerer Unternehmen darstellt. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die Tätigkeiten der Zimmerleute und der Dachdecker waren nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei der Errichtung des Daches aufeinander bezogen und jedenfalls dergestalt miteinander verknüpft, daß sie sich "ablaufbedingt in die Quere kommen" konnten (vgl. Senatsurteil BGHZ 157, 213, 217 m.w.N.).
d) Besteht mithin zugunsten der Mitarbeiter der KG, welche die Unfallstelle nicht ausreichend abgesichert hatten, ein Haftungsprivileg im Sinne des § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII, kommen die Grundsätze des gestörten Gesamtschuldverhältnisses zur Anwendung, wie sie der Senat in seinem Urteil vom 11. November 2003 - VI ZR 13/03 - (aaO) im einzelnen konkretisiert hat. Danach ist der nicht selbst auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätige Unternehmer, der neben seinem nach § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII haftungsprivilegierten Verrichtungsgehilfen lediglich nach §§ 831, 823, 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner haftet, gegenüber dem Geschädigten nach den Grundsätzen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses von der Haftung für erlittene Personenschäden ebenfalls grundsätzlich freigestellt (vgl. § 840 Abs. 2 BGB). Dies beruht auf dem Grundgedanken, daß in den Fällen, in denen auf der einen Seite nur eine Gefährdungshaftung oder eine Haftung aus vermutetem Verschulden , auf der anderen Seite jedoch erwiesenes Verschulden vorliegt, im Innenverhältnis derjenige den ganzen Schaden tragen soll, der nachweislich schuldhaft gehandelt hat. Ein im Innenverhältnis zwischen dem Verrichtungsgehilfen und dem Geschäftsherrn etwa bestehender arbeitsrechtlicher Freistellungsanspruch bleibt
dabei - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - außer Betracht. Diese Besonderheiten des innerbetrieblichen Schadensausgleichs gelten grundsätzlich nur im Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Sie beschränken weder Haftpflichtansprüche von außerhalb des Betriebes stehenden Dritten (st. Rspr.: vgl. etwa Senatsurteile vom 19. September 1989 - VI ZR 349/88 - VersR 1989, 1197, 1198; vom 23. Januar 1990 - VI ZR 209/89 - VersR 1990, 387, 388; vom 21. Dezember 1993 - VI ZR 103/93 - VersR 1994, 477, 478 sowie BAG VersR 1958, 54, 55) noch können sie umgekehrt bei einer Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers im Rahmen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses die haftungsrechtliche "Verantwortlichkeit" des Arbeitgebers im Verhältnis zum geschädigten außenstehenden Dritten erweitern. Denn die Verteilung des Risikos im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bzw. die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gehen den Geschädigten grundsätzlich nichts an (so bereits Gamillscheg, VersR 1967, 513, 516). Hiernach ist die Haftung des nicht auf der gemeinsamen Betriebsstätte tätigen Unternehmers im Rahmen des Gesamtschuldverhältnisses auf die Fälle beschränkt, in denen ihm nicht nur eine Haftung wegen vermuteten Auswahlund Überwachungsverschuldens gemäß § 831 BGB, sondern eine eigene Verantwortlichkeit zur Schadensverhütung, etwa wegen der Verletzung von - eigenen , nicht an Arbeitnehmer delegierbaren - Verkehrssicherungspflichten oder wegen eines Organisationsverschuldens trifft. Dies wird das Berufungsgericht, welches bei seiner Entscheidungsfindung das Senatsurteil vom 11. November 2003 - VI ZR 13/03 - (aaO) noch nicht kennen konnte, bei seiner erneuten Verhandlung zu beachten und ggf. seine tatsächlichen Feststellungen zu ergänzen haben.
B. Revision des Klägers: Die Revision des Klägers gegen die Abweisung seiner Klage gegen die Beklagte zu 2 hat keinen Erfolg. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, allein aus der Tatsache, daß zwei der Mitarbeiter der Beklagten zu 2 auf der Baustelle tätig gewesen seien, lasse sich ihre Haftung nicht herleiten, weil der Kläger nicht unter Beweis gestellt habe, daß diese Mitarbeiter für die Verkehrssicherung Verantwortung getragen hätten, läßt - entgegen der Auffassung der Revision - Rechts- bzw. Verfahrensfehler nicht erkennen. Das von der Revision herangezogene erstinstanzliche Vorbringen des Klägers war nicht geeignet, in schlüssiger Weise eine der Beklagten zu 2 als Geschäftsherr über § 831 BGB haftungsrechtlich zuzurechnende Verletzung von Verkehrssicherungspflichten darzutun. Denn der Kläger hat nicht vorgetragen , daß und welche Mitarbeiter der Zweitbeklagten auf der Baustelle mit der Verlegung der Dachpappe als deren Verrichtungsgehilfen betraut waren. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang meint, es "liege auf der Hand", daß die Zweitbeklagte für die Generalunternehmerin mit der Verlegung der Dachpappebahnen als Subunternehmerin tätig geworden sei, so kann dem nicht beigetreten werden. Nachdem die Beklagte zu 2 ausdrücklich bestritten hatte, daß ihre beiden Mitarbeiter, die als Hilfskräfte auf der Baustelle zum Unfallzeitpunkt anwesend gewesen seien, mit dem Unfallgeschehen und mit der entsprechenden
Verkehrssicherungspflicht etwas zu tun gehabt hätten, wäre weiterer Sachvortrag des Klägers zur entsprechenden Aufgabenverteilung auf der Baustelle erforderlich gewesen.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

11
a) Nach den vom Senat entwickelten Grundsätzen können in den Fällen, in denen zwischen mehreren Schädigern ein Gesamtschuldverhältnis besteht, Ansprüche des Geschädigten gegen einen Gesamtschuldner (Zweitschädiger) auf den Betrag beschränkt sein, der auf diesen im Innenverhältnis zu dem anderen Gesamtschuldner (Erstschädiger) endgültig entfiele, wenn die Schadensverteilung nach § 426 BGB nicht durch eine sozialversicherungsrechtliche Haftungsprivilegierung des Erstschädigers gestört wäre (st. Rspr.: vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 61, 51, 55; 94, 173, 176; 155, 205, 212 ff.; 157, 9, 14; vom 13. März 2007 - VI ZR 178/05 - VersR 2007, 948, 949). Die Beschränkung der Haftung des Zweitschädigers beruht dabei auf dem Gedanken, dass einerseits die haftungsrechtliche Privilegierung nicht durch eine Heranziehung im Gesamtschuldnerausgleich unterlaufen werden soll, es aber andererseits bei Mitberücksichtigung des Grundes der Haftungsprivilegierung, nämlich der anderweitigen Absicherung des Geschädigten durch eine gesetzliche Unfallversicherung nicht gerechtfertigt wäre, den Zweitschädiger den Schaden alleine tragen zu lassen. Deshalb hat der Senat den Zweitschädiger in solchen Fällen in Höhe des Verantwortungsteils freigestellt, der auf den Erstschädiger im Innenverhältnis entfiele, wenn man seine Haftungsprivilegierung hinweg denkt, wobei unter "Verantwortungsteil" die Zuständigkeit für die Schadensverhütung und damit der Eigenanteil des betreffenden Schädigers an der Schadensentstehung zu verstehen ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 110, 114, 119; 155, 205, 213; 157, 9, 15; vom 13. März 2007 - VI ZR 178/05 - aaO).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 32/04 Verkündet am:
14. September 2004
Blum,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) § 106 Abs. 3, 3. Alternative SGB VII erfordert eine Verbindung zwischen den Tätigkeiten
des Schädigers und des Geschädigten in der konkreten Unfallsituation,
die eine Bewertung als "gemeinsame" Betriebsstätte rechtfertigt.

b) Das Haftungsprivileg des § 106 Abs. 3 SGB VII kommt einem Unternehmer nur
dann zugute, wenn er "Versicherter" im Sinne der Bestimmung und selbst tätig
geworden ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 148, 209; 148, 214, 219 f.; vom 25. Juni
2002 - VI ZR 279/01 - VersR 2002, 1107; vom 29. Oktober 2002 - VI ZR 283/01 -
VersR 2003, 70, 71 und vom 16. Dezember 2003 - VI ZR 103/03 - VersR 2004,
381, 382).
BGH, Urteil vom 14. September 2004 - VI ZR 32/04 - OLG Frankfurt a.M.
LG Darmstadt
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. September 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, die Richter
Dr. Greiner und Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Pauge

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 22. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. November 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin war als Auszubildende zur Pferdewirtin von ihrem Arbeitgeber zur Betreuung von dessen Pferden bei einer von dem Beklagten zu 2 auf dem Gelände des Reitvereins V. am 6. Dezember 1997 veranstalteten Hengstkörung eingesetzt. Als sie gegen 16.30 Uhr vor dem Eingangstor der Reithalle dem Hengst ihres Arbeitgebers nach Beendigung der Präsentation eine Decke
auflegte, wurde sie von einem vorbeigeführten Pferd an den Kopf getreten und dadurch schwer verletzt. Sie hat vorgetragen, sie sei von dem Hengst des Beklagten zu 1 getreten worden, als jener das Tier ihres Arbeitgebers passiert habe. Sie meint, der Beklagte zu 1 habe beim Vorbeiführen nicht den erforderlichen Sicherheitsabstand eingehalten und hafte auch als Tierhalter. Der Beklagte zu 2 habe die ihm als Veranstalter obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt. Die Klägerin hat mit ihrer Klage die Verurteilung der beiden Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 80.618 DM nebst Zinsen, eines angemessenen Schmerzensgeldes nicht unter 500.000 DM sowie die Feststellung begehrt, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihr jeden weiteren materiellen und immateriellen Zukunftsschaden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen seien. Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Klägerin zu 4/5 für gerechtfertigt erklärt. Auf die Berufungen der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Ziel einer Zurückweisung der Berufungen der Beklagten weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat Ansprüche der Klägerin auf Ersatz ihrer Gesundheitsschäden verneint, weil beiden Beklagten das Haftungsprivileg aus § 106 Abs. 3 SGB VII zugute komme. Der Beklagte zu 1 sei Unternehmer,
selbst wenn er lediglich privater Pferdehalter sein sollte. Der Unfall habe sich auf einer gemeinsamen Betriebsstätte ereignet, denn die Aktivitäten des Beklagten zu 1 und des Arbeitgebers der Klägerin seien von ihrem Inhalt und ihrer Zielsetzung her miteinander verknüpft gewesen. Nur bei gemeinsamer, gleichzeitiger Präsentation der Pferde mehrerer Züchter sei eine Körveranstaltung sinnvoll und denkbar. Die einzelnen Hengsthalter seien auf die Teilnahme und die Mitwirkung konkurrierender Züchter zwingend angewiesen. Es sei deshalb hinsichtlich der eigentlichen Präsentation der Tiere sowie der unmittelbar damit zusammenhängenden Vor- und Nacharbeiten von einem aufeinander bezogenen , untrennbar miteinander verknüpften betrieblichen Zusammenwirken auszugehen. Hinsichtlich beider Beklagter seien daher die Voraussetzungen des § 106 Abs. 3 3. Alternative i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII gegeben. Das Schadensereignis stelle sich zudem nach seinem äußeren Erscheinungsbild als ein nahezu typischer Arbeitsunfall dar, der nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften abzuwickeln sei. Der Beklagte zu 1 sei selbst tätig geworden. Die organisatorischen Maßnahmen des Beklagten zu 2 stellten sich ebenfalls als betriebliche Verrichtungen auf einer gemeinsamen Betriebsstätte dar.

II.

Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. 1. Das Berufungsgericht meint, die Schädigung der Klägerin sei auf einer für die Klägerin und den Beklagten zu 1 gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3 3. Alternative SGB VII erfolgt. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen diese Beurteilung nicht.

a) Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung erfaßt der Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte über die Fälle der Arbeitsgemeinschaft hinaus betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewußt und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen, wobei es ausreicht, daß die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt (vgl. Senatsurteile BGHZ 145, 331, 336; vom 25. Juni 2002 - VI ZR 279/01 - VersR 2002, 1107; vom 29. Oktober 2002 - VI ZR 238/01 - VersR 2003, 70, 71; vom 8. April 2003 - VI ZR 251/02 - VersR 2003, 904; vom 24. Juni 2003 - VI ZR 434/01 - VersR 2003, 1260, demnächst BGHZ 155, 205; vom 16. Dezember 2003 - VI ZR 103/03 - VersR 2004, 381 f.; vom 23. März 2004 - VI ZR 160/03 - zur Veröffentlichung bestimmt). Von dieser Definition der gemeinsamen Betriebsstätte geht im Ansatz auch das Berufungsgericht aus. Es mißversteht jedoch die Bedeutung der vom erkennenden Senat in seinem Urteil vom 17. Oktober 2000 herausgestellten Begriffsmerkmale. § 106 Abs. 3 3. Alternative SGB VII ist nicht schon dann anwendbar , wenn zwei Unternehmen auf derselben Betriebsstätte aufeinandertreffen. Eine "gemeinsame" Betriebsstätte ist nach allgemeinem Verständnis mehr als "dieselbe" Betriebsstätte; das bloße Zusammentreffen von Risikosphären mehrerer Unternehmen erfüllt deshalb den Tatbestand der Norm nicht. Parallele Tätigkeiten, die sich beziehungslos nebeneinander vollziehen, genügen ebenso wenig wie eine bloße Arbeitsberührung. Erforderlich ist vielmehr eine gewisse Verbindung zwischen den Tätigkeiten des Schädigers und des Geschädigten in der konkreten Unfallsituation, die eine Bewertung als "gemeinsame" Betriebsstätte rechtfertigt (vgl. Senatsurteil vom 23. Januar 2001 - VI ZR 70/00 - VersR 2001, 372, 373). Das ist nur bei solchen betrieblichen Aktivitäten anzunehmen, die im faktischen Miteinander der Beteiligten aufeinander bezogen oder miteinander verknüpft oder auf gegenseitige Ergänzung
oder Unterstützung ausgerichtet sind (vgl. Senatsurteile BGHZ 145, 331, 336; vom 8. April 2003 - VI ZR 251/02 - VersR 2003, 904). Wie die Revision mit Recht geltend macht, sind dem angegriffenen Urteil keine Feststellungen zu entnehmen, die über die Annahme "derselben Betriebsstätte" für den Beklagten zu 1 und die Klägerin hinausgehen. Zweifelhaft ist im vorliegenden Fall bereits, ob die Aktivitäten des Beklagten zu 1 und des Arbeitsgebers der Klägerin bei der Körveranstaltung allgemein so miteinander verknüpft und aufeinander abgestimmt waren, daß sie über ein örtliches und zeitliches Zusammentreffen hinausgingen. Richtig mag sein, daß eine Körveranstaltung nur bei gleichzeitiger Anwesenheit zahlreicher, von den Züchtern zur Körung vorgestellter Tiere publikumswirksam und damit auch finanziell von Interesse ist. Das Berufungsgericht trifft jedoch keine über die gleichzeitige Anwesenheit von Pferden mehrerer Züchter hinausgehenden Feststellungen. Es ist nicht ersichtlich, daß die von dem Beklagten zu 1 vorgenommene Vorstellung seines Pferdes darauf abzielte, die Vorstellung des Pferdes des Arbeitgebers der Klägerin zu ergänzen oder zu unterstützen. Sie erfolgte vielmehr allein dazu, die Körung des eigenen Pferdes zu erreichen. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, daß die einzelnen Abläufe auf der Körveranstaltung ein aufeinander bezogenes Zusammenwirken darstellten und sich nicht unabhängig voneinander vollzogen. Es ist nicht ersichtlich , daß die Körung des Pferdes des Beklagten zu 1 und/oder des Pferdes des Arbeitgebers der Klägerin nur im Zusammenwirken erfolgen konnten, etwa wegen eines erforderlichen Vergleichs, bei dem nur der oder die "Sieger" hätten gekört werden können. Ein möglicherweise aus der Teilnahme zahlreicher Pferde folgender Anreiz auf den Veranstalter oder das Publikum genügt nicht für die Annahme der erforderlichen "wechselseitig aufeinander bezogenen be-
trieblichen Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen" (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2003 - VI ZR 103/03 - aaO). Dieser Gesichtspunkt gilt erst recht für den eigentlichen Schädigungsvorgang (vgl. Senatsurteil BGHZ 148, 209, 212). Daß die Klägerin bei der weiteren Versorgung des Pferdes ihres Arbeitgebers nach Beendigung der Präsentation in den Arbeitsablauf des Beklagten zu 1 eingebunden, an diesem beteiligt oder von diesem auch nur berührt worden wäre, ist weder festgestellt noch ersichtlich. Unter diesen Umständen bildete die Körveranstaltung lediglich den Rahmen, in dem alle Teilnehmer und deren Personal aufeinander trafen; sie war nur "dieselbe", keine "gemeinsame" Betriebsstätte.
b) Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, ob das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, der Beklagte zu 1 sei als Unternehmer "Versicherter" im Sinne des Sozialversicherungsrechts. Das Haftungsprivileg des § 106 Abs. 3 3. Alternative SGB VII kommt nämlich nur einem "versicherten Unternehmer" zugute, der selbst eine betriebliche Tätigkeit verrichtet und dabei den Versicherten eines anderen Unternehmens verletzt. Das hat der erkennende Senat bereits mehrfach ausgesprochen (vgl. Senatsurteile BGHZ 148, 209, 212; 148, 214, 219 f.; vom 25. Juni 2002 - VI ZR 279/01 - VersR 2002, 1107; vom 29. Oktober 2002 - VI ZR 283/01 - VersR 2003, 70, 71; vom 16. Dezember 2003 - VI ZR 103/03 - VersR 2004, 381, 382, zum Abdruck in BGHZ bestimmt). Hier ist zumindest zweifelhaft, ob der Beklagte zu 1 "versicherter Unternehmer" war, weil eine der bisherigen Regelung des § 658 RVO entsprechende Regelung im Siebten Buch Sozialgesetzbuch fehlt. Der Wegfall der besonderen Unternehmerdefinition für die nicht gewerbsmäßige Haltung von Reittieren wurde entbehrlich, weil nach der heutigen gesetzlichen Regelung die Zugehörigkeit zur landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft die Versicherungspflicht begründet (§§ 2 Abs. 1 Nr. 5a, 123 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII; vgl. Bereiter-Hahn/Schieke,
Unfallversicherung, 4. Auflage, § 2 Rdnr. 10.1; Kater/Leube, Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII, § 123 Rdnr. 17 f.; Wannagat/Brandenburg, SGB, § 128 SGB VII, Rdnr. 34; vgl. auch Kasseler-Kommentar/Ricke, SGB, § 121 SGB VII Rdnr. 6). Hiernach dürfte es auf die Abgrenzung (vgl. Hauck/Nehls, SGB VII, § 123 Rdnr. 7) zwischen der in der gesetzlichen Unfallversicherung erfaßten gewerbsmäßigen (§§ 2 Abs. 1 Nr. 5a, 123 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII) und der nichtgewerbsmäßigen Reittierhaltung ankommen. Das läßt sich jedoch nicht abschließend beurteilen, weil das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat.
c) Das Berufungsurteil hat hinsichtlich des Beklagten zu 1 auch nicht aus anderen Gründen Bestand (§ 561 ZPO). Es fehlen Feststellungen des Berufungsgerichts dazu, daß sich der Beklagte zu 1 auf § 833 Satz 2 BGB berufen könnte und ihm insoweit der Entlastungsbeweis gelungen wäre. Die Klägerin hat den Vortrag des Beklagten zu 1, er habe das Pferd zu Erwerbszwecken gehalten , bestritten; Feststellungen hat das Berufungsgericht hierzu - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht getroffen. Gleiches gilt für den Vortrag des Beklagten zu 1, er habe den Unfall nicht verhindern können (§ 833 Satz 2 2. Halbsatz BGB). 2. a) Das Berufungsgericht hat auch in Bezug auf den Beklagten zu 2 rechtsfehlerhaft eine gemeinsame Betriebsstätte nach § 106 Abs. 3 3. Alternative SGB VII bejaht. Eine gemeinsame Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3 3. Alternative SGB VII setzt – wie bereits erwähnt – wechselseitig aufeinander bezogene betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen voraus (vgl. Senatsurteile BGHZ 145, 331, 336; vom 8. April 2003 - VI ZR 251/02 - VersR 2003, 904; vom 24. Juni 2003 - VI ZR 434/01 - VersR 2003, 1260 f.; vom
16. Dezember 2003 - VI ZR 103/03 - VersR 2004, 381). Dazu ist dem angefochtenen Urteil nichts zu entnehmen. Eine andere rechtliche Bewertung der betrieblichen Aktivitäten der Prozeßbeteiligten ließe außer Acht, daß das Haftungsprivileg des § 103 Abs. 3 3. Alternative SGB VII auf dem Gedanken der sog. Gefahrengemeinschaft beruht und daß nur schwer vorstellbar ist, die Klägerin habe ihrerseits durch Aktivitäten bei der Pferdebetreuung den Beklagten zu 2 schädigen können.
b) Eine Haftungsbefreiung des Beklagten zu 2 scheitert auch daran, daß bislang seine persönliche Tätigkeit nicht festgestellt ist. Allerdings kann nach dem in § 136 Abs. 3 SGB VII geregelten (weiten) Begriff des Unternehmers auch ein eingetragener Verein wie der Beklagte zu 2 "Unternehmer" sein und ein "Unternehmen" betreiben. Die Haftungsbeschränkung des § 103 Abs. 3 3. Alternative SGB VII setzt jedoch voraus, daß der versicherte Unternehmer selbst tätig geworden ist und dabei den Versicherten eines anderen Unternehmens verletzt hat (vgl. Senatsurteile BGHZ 148, 209, 212; 148, 214, 220 f.; vom 25. Juni 2002 - VI ZR 279/01 - VersR 2002, 1107; vom 29. Oktober 2002 - VI ZR 283/01 - VersR 2003, 70, 71; vom 16. Dezember 2003 - VI ZR 103/03 - VersR 2004, 381, 382). Dazu fehlen Feststellungen. Soweit eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Beklagten zu 2 in Frage steht, ist nicht ersichtlich, daß eines seiner Organe auf der Betriebsstätte persönlich tätig geworden wäre.
c) Auch insoweit hat das Berufungsurteil nicht aus anderen Gründen Bestand (§ 561 ZPO). Die Freizeichnungsklausel in den Teilnahmebedingungen des Beklagten zu 2 hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus zu Recht - bisher nicht der gebotenen engen Auslegung (vgl. §§ 5, 11 Nr. 7 AGB-
Gesetz, jetzt §§ 305 c Abs. 2, 309 Nr. 7 BGB n.F.; Senatsurteil vom 12. März 1985 - VI ZR 182/83 - VersR 1985, 595, 596) unterzogen. 3. Nach allem ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil es zumindest zur Höhe noch weiterer Feststellungen bedarf (§ 563 Abs. 3 ZPO). Müller Greiner Wellner
Diederichsen Pauge

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 251/02 Verkündet am:
8. April 2003
H o l m e s,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Haftungsprivilegierung gem. § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII (Unfall bei Tätigkeiten
auf einer gemeinsamen Betriebsstätte), wenn ein Handwerker ein von einem Dritten
errichtetes Gerüst, das ihn bei der Ausführung seiner Arbeiten behindert, teilweise
abbaut und es anschließend nur unvollständig wieder aufbaut und ein in einem anderen
Unternehmen tätiger Handwerker am nächsten Tag von diesem unvollständig
befestigten Teil des Gerüsts stürzt.
BGH, Urteil vom 8. April 2003 - VI ZR 251/02 - OLG Hamm
LG Münster
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. April 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter Dr.
Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 6. Mai 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Schmerzensgeld und die Feststellung der Ersatzverpflichtung des Beklagten für materielle und zukünftige immaterielle Schäden aufgrund eines Unfalls vom 21. September 1999. Der Kläger ist Beschäftigter der G. Holzbau GmbH, die als Subunternehmerin beauftragt war, auf dem Dach der Königlich Norwegischen Residenz in Berlin eine Holzverkleidung anzubringen. Der Beklagte, ein selbständiger Tischler, hatte - ebenfalls als Subunternehmer - den Auftrag, an dem Gebäude Türen einzusetzen und Fenster zu verglasen. Der dreistöckige Neubau war von einem 8 m hohen Arbeits- und Schutzgerüst umstellt, welches ein Drittunternehmer errichtet hatte. Um Türen besser einbauen zu können, hatten der Beklagte und seine Hilfskräfte das Gerüst am Vortag teilweise abgebaut und anschließend nur unvollständig wieder aufgebaut. So war auf der vierten Gerüstlage eine Laufbohle nur lose aufgelegt.
Als der Kläger diese Bohle vom Dach aus betrat, rutschte sie von der Gerüststange. Der Kläger stürzte etwa 8 m tief und zog sich schwere Verletzungen zu. Er hat den Beklagten auf Schadensersatz und Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 50.000 DM in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht, dessen Urteil in r+s 2002, 331 = NZV 2002, 561 veröffentlicht ist, meint, die Haftung des Beklagten sei gem. § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII ausgeschlossen, da sich der Unfall bei Tätigkeiten auf einer gemeinsamen Betriebsstätte ereignet habe. Diese Haftungsfreistellung komme dem Beklagten als selbst mitarbeitendem Unternehmer zugute. Sie sei auch nicht wegen vorsätzlichen Handelns ausgeschlossen, denn der Beklagte habe den Versicherungsfall nicht vorsätzlich herbeigeführt.

II.


Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht die Voraussetzungen einer Haftungsprivilegierung gem. § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII bejaht. Die getroffenen Feststellungen tragen nicht die Entscheidung, daß sich der Unfall auf einer gemeinsamen Betriebsstätte ereignet habe.
1. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats erfaßt der Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne von § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII über die Fälle der Arbeitsgemeinschaft hinaus betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewußt und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen , wobei es ausreicht, daß die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt (grundlegend: Senatsurteil vom 17. Oktober 2000, BGHZ 145, 331, 336; vgl. auch Senatsurteile BGHZ 148, 209, 211; 148, 214, 216; vom 23. Januar 2001 - VI ZR 70/00 - VersR 2001, 372, 373 und vom 25. Juni 2002 - VI ZR 279/01 - VersR 2002, 1107 f.). Die Instanzgerichte (vgl. OLG Hamm, VersR 2002, 1108, 1109; OLG Köln, r+s 2001, 328, 329; KG, VersR 2002, 573 f.; OLG Schleswig, r+s 2001, 197, 198 mit NA-Beschluß des Senats vom 10. Juli 2001 - VI ZR 53/01; OLG München, r+s 2002, 507) und das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 12. Dezember 2002 - 8 AZR 94/02 - zur Veröffentlichung in BAGE vorgesehen) haben sich der Auffassung des erkennenden Senats angeschlossen. An diesem Verständnis des Begriffs der gemeinsamen Betriebsstätte, das auch im Schrifttum überwiegend Zustimmung gefunden hat (vgl. Dahm, SozVers 2001, 208 ff.; ders., r+s 2001, 397, 398; Rolfs, DB 2001, 2294, 2296; Freyberger, MDR 2001, 541, 542; Waltermann, NJW 2002, 1225, 1229; im wesentlichen auch Imbusch, VersR 2001, 547, 550; Höher, VersR 2001, 372; kritisch hingegen Otto, NZV 2002, 10 ff.), hält der Senat fest.
2. Von dieser Definition der gemeinsamen Betriebsstätte geht im Ansatz auch das Berufungsgericht aus. Es mißversteht jedoch die Bedeutung der vom erkennenden Senat in seinem Urteil vom 17. Oktober 2000 herausgestellten Begriffsmerkmale, wonach es erforderlich ist, daß die Tätigkeiten der beteiligten Unternehmen bewußt und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen. Das ist nicht
schon dann der Fall, wenn zwei Unternehmen auf derselben Betriebsstätte aufeinandertreffen oder dieselbe Baustelleneinrichtung benutzen. Eine "gemeinsame" Betriebsstätte ist nach allgemeinem Verständnis mehr als dieselbe Betriebsstätte , weshalb das bloße Zusammentreffen von Risikosphären mehrerer Unternehmen nicht ausreichend ist (vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 2000, aaO sowie BAG, aaO unter II.3.d). Parallele Tätigkeiten, die sich beziehungslos nebeneinander vollziehen, genügen ebensowenig wie eine bloße Arbeitsberührung. Eine gemeinsame Betriebsstätte erfordert vielmehr eine Arbeitsverknüpfung (BAG, aaO). Diese ist nur bei solchen betrieblichen Aktivitäten gegeben, die im faktischen Miteinander der Beteiligten aufeinander bezogen oder miteinander verknüpft oder auf gegenseitige Ergänzung oder Unterstützung ausgerichtet sind (Senatsurteil vom 17. Oktober 2000, aaO).
3. Wie die Revision mit Recht geltend macht, sind diese Voraussetzungen nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hier nicht erfüllt.

a) Die vom Kläger anzubringende Holzverkleidung auf dem Dach hatte mit den von dem Beklagten einzusetzenden Türen und Fenstern nichts zu tun. Der Umstand, daß beide Tätigkeiten letztlich demselben Ziel, nämlich der Errichtung desselben Gebäudes dienten, genügt nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht. Für den Begriff der gemeinsamen Betriebstätte ist vielmehr erforderlich, daß bei betrieblichen Aktivitäten einzelne Maßnahmen ineinandergreifen , miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen. Diese Voraussetzung ist hier auch nicht deshalb erfüllt, weil sich der Unfall auf einem Gerüst ereignet hat, welches der Beklagte teilweise demontiert und anschließend unvollständig wieder aufgebaut hatte. Die von dem Beklagten an dem vorhandenen Gerüst vorgenommenen Veränderungen zielten nicht darauf ab, die Tätigkeiten des Klägers (Anbringung der Dachverkleidung) zu ergänzen
oder zu unterstützen, sondern erfolgten allein deshalb, um die eigenen Arbeiten (Einsetzen von Türen), bei deren Ausführung das Gerüst störte, zu ermöglichen. Zwar waren die von dem Beklagten in diesem Zusammenhang ergriffenen Maßnahmen in der Weise mit den Aktivitäten des Klägers verknüpft, daß sie rein faktisch in dessen Arbeitsablauf eingriffen, doch geschah dies gerade nicht, um dessen Tätigkeiten zu ergänzen, zu fördern oder zu unterstützen. Im Gegenteil führten sie zwangsläufig dazu, daß die Ausführung der Arbeiten des Klägers behindert und erschwert und der Kläger selbst gefährdet wurde.

b) Allerdings kann eine Arbeitsverknüpfung im Einzelfall auch dann anzunehmen sein, wenn die von den Beschäftigten verschiedener Unternehmen vorzunehmenden Maßnahmen sich zwar nicht sachlich ergänzen oder unterstützen , die gleichzeitige Ausführung der betreffenden Arbeiten wegen der räumlichen Nähe aber eine Verständigung über den Arbeitsablauf erfordert und hierzu konkrete Absprachen getroffen werden. Das kann z.B. der Fall sein, wenn ein zeitliches und örtliches Nebeneinander dieser Tätigkeiten nur bei Einhaltung von besonderen beiderseitigen Vorsichtsmaßnahmen möglich ist und die Beteiligten solche vereinbaren (vgl. OLG Schleswig, aaO mit NA-Beschluß des Senats). Eine solche Verständigung über ein bewußtes Nebeneinander im Arbeitsablauf (vgl. Senatsbeschluß vom 23. Juli 2002 - VI ZR 91/02 - NJW 2002, 3334, 3335, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) hat es im Streitfall nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen aber gerade nicht gegeben. Der Beklagte hat vielmehr ohne jede Absprache Teile des Gerüsts demontiert. Mit dieser Vorgehensweise hat er nicht dazu beigetragen, die betrieblichen Aktivitäten des Klägers in irgendeiner Weise zu ergänzen, zu fördern oder zu unterstützen. Damit fehlt es an den Voraussetzungen für eine Arbeitsverknüpfung.

III.


Nach alledem kann die mit dem angefochtenen Urteil bestätigte Klageabweisung keinen Bestand haben. Die Sache ist zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 126/07 Verkündet am:
22. Januar 2008
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Übertragung der Streupflicht durch den Vermieter auf einen Dritten dient
auch der Sicherung des Zugangs zum Mietobjekt. Die dort wohnhaften Mieter
können deshalb in den Schutzbereich des Übertragungsvertrages einbezogen
sein.
Die deliktische Einstandspflicht des mit der Wahrnehmung der Verkehrssicherung
Beauftragten besteht auch dann, wenn der Vertrag mit dem Primärverkehrssicherungspflichtigen
nicht rechtswirksam zustande gekommen ist.
BGH, Urteil vom 22. Januar 2008 - VI ZR 126/07 - KG Berlin
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. Januar 2008 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner,
die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Kammergerichts vom 15. März 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten materiellen und immateriellen Schadensersatz für die Folgen eines durch Eisglätte verursachten Sturzes.
2
Am 5. Februar 2001 gegen 9.30 Uhr stürzte die Klägerin beim Verlassen des von ihr bewohnten Hauses in Berlin, weil trotz Schnee- und Eisglätte der Eingangsbereich nicht hinreichend bestreut war. Sie zog sich dabei erhebliche Verletzungen zu. Die Stadt Berlin hat die ihr obliegende Räum- und Streupflicht auf die Hauseigentümer übertragen. Der Eigentümer des betreffenden Grundstücks hat seinerseits seit über 10 Jahren die Beklagte mit der Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten betraut. Die nach § 6 Abs. 1 Straßenreinigungsgesetz Berlin vorgeschriebene Übertragungsanzeige an die Stadt Berlin fehlte für den Winter 2000/2001. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte aufgrund der Übernahme der Räum- und Streupflicht für die Folgen des Sturzes hafte.
3
Mit Beschluss vom 25. April 2003 wurde gegen die Beklagte das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 7. April 2005 wurde vom Amtsgericht die Restschuldbefreiung angekündigt und am 18. Mai 2005 nach Abhaltung des Schlusstermins das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten aufgehoben. Das Landgericht hat die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht hält die Klage zwar für zulässig, aber nicht für begründet. Die Insolvenzordnung sehe eine Präklusion von Ansprüchen, die nicht zur Insolvenztabelle angemeldet worden sind, nicht vor. Sie ergebe sich auch nicht aus § 87 InsO. Der Klageerhebung stehe auch nicht § 294 InsO entgegen (vgl. LG Arnsberg NZI 2004, 515, 516). Ein Titel könne während der Wohlverhaltensphase nicht vollstreckt werden und im Fall einer Restschuldbefreiung stünde § 301 InsO einer Vollstreckung entgegen.
5
Im Übrigen verneint das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten, weil eine Anspruchsgrundlage nicht gegeben sei. Es ist der Auffassung, dass der Vertrag, mit dem die Räum- und Streupflicht für die Wintersaison 2000/2001 vom Hauseigentümer auf die Beklagte übertragen worden sei, keine Schutzwirkung zugunsten der Klägerin entfalte. Der Mietvertrag mit dem Eigentümer umfasse nicht die öffentliche Straße, so dass die Klägerin den übrigen Straßenbenutzern gleichgestellt sei. Die deliktische Haftung unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht scheitere daran, dass die Beklagte am 5. Februar 2001 für den Unfallort nicht verkehrssicherungspflichtig gewesen sei. Zwar könne nach § 6 Abs. 1 des Straßenreinigungsgesetzes Berlin ein Dritter in die Verpflichtung des Eigentümers des Anliegergrundstücks zur Durchführung des Winterdienstes eintreten. Hierfür sei aber die Anzeige der Übertragung an die Behörde und deren Zustimmung Voraussetzung. Beides fehle für die Wintersaison 2000/2001.

II.

6
Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
1. Zwar hat das Berufungsgericht mit Recht die Klage für zulässig erachtet. Hierfür besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, auch wenn sich die Beklagte in der Wohlverhaltensphase befindet und für die Klägerin das Vollstreckungsverbot nach § 294 Abs. 1 InsO gilt, obwohl die streitgegenständliche Forderung nicht zur Tabelle angemeldet wurde und nicht bei der Verteilung der eingegangenen Beträge durch den Treuhänder berücksichtigt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2006 - IX ZB 288/03 - WM 2006, 1780 m.w.N.). Mangels Vollstreckungswirkung der Klage kann der Klägerin die Geltendmachung der Forderung aber nicht aufgrund des Vollstreckungsverbots nach § 294 Abs. 1 InsO untersagt werden. Die Parteien befinden sich noch im Erkenntnisverfahren und nicht im Vollstreckungsverfahren. Ein Rechtsschutzinteresse kann der Klägerin auch nicht mit Blick auf die Regelung in § 301 Abs. 1 InsO abgesprochen werden.
Danach wirkt die Restschuldbefreiung, wird sie erteilt, gegen alle Insolvenzgläubiger. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. Ob der Beklagten die begehrte Restschuldbefreiung erteilt werden wird, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden (vgl. §§ 295 ff. InsO). Würde die Restschuldbefreiung versagt, könnten die Insolvenzgläubiger sofort gegen die Beklagte aus der Eintragung in die Tabelle vollstrecken (§ 201 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 InsO). Das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO stünde dem nicht mehr entgegen (vgl. § 299 InsO ). Würde die Klägerin darauf verwiesen, sie müsse erst die Versagung bzw. den Widerruf einer bereits erteilten Restschuldbefreiung abwarten, um den Rechtsstreit fortzusetzen, würde sie gegenüber den anderen Gläubigern, die sofort vollstrecken dürfen und könnten, benachteiligt. Dies ist nicht Sinn und Zweck der Regelungen der §§ 294 Abs. 1, 301 Abs. 1 InsO (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 - IX ZR 73/06 - WM 2007, 1844, 1845; Brandenburgisches Oberlandesgericht - Urteil vom 12. Dezember 2007 - 3 U 82/07 - Rn. 14/17 juris ; LG Arnsberg, NZI 2004, 515, 516; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 87 Rn. 3). Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist § 87 InsO nicht analog für das Restschuldbefreiungsverfahren anwendbar (vgl. Uhlenbruck, aaO). Dagegen spricht schon, dass die gesetzliche Regelung in § 301 Abs. 1 Satz 2 InsO davon ausgeht, dass auch Gläubiger, die nicht Insolvenzgläubiger sind, Forderungen geltend machen können.
8
2. Durchgreifende rechtliche Bedenken bestehen jedoch gegen die rechtlichen Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht jegliche Anspruchsmöglichkeit für die Klägerin gegen die Beklagte verneint. Die Beklagte könnte aufgrund der Übernahme der Streu- und Räumpflicht deliktisch zum Schadensersatz und damit auch zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verpflichtet sein.
9
a) Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats können Verkehrssicherungspflichten mit der Folge eigener Entlastung delegiert werden. Die Verkehrssicherungspflichten des ursprünglich Verantwortlichen verkürzen sich dann auf Kontroll- und Überwachungspflichten. Wer sie übernimmt, wird seinerseits deliktisch verantwortlich. Voraussetzung hierfür ist, dass die Übertragung klar und eindeutig vereinbart wird (vgl. Senatsurteile vom 4. Juni 1996 - VI ZR 75/95 - VersR 1996, 1151, 1152; vom 17. Januar 1989 - VI ZR 186/88 - VersR 1989, 526 f. und vom 8. Dezember 1987 - VI ZR 79/87 - VersR 1988, 516, 517; OLG Hamm VersR 2000, 862; OLG Nürnberg VersR 1996, 900; OLG Düsseldorf NJW 1992, 2972; VersR 1995, 535; OLG Celle RuS 1997, 501; Geigel /Wellner, Der Haftpflichtprozess 25. Aufl. Kap. 14 Rn. 204). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist hingegen nicht erforderlich, dass die nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften erforderliche Anzeige der Übertragung gegenüber der zuständigen Behörde erfolgt ist. Die deliktische Einstandspflicht des mit der Wahrnehmung der Verkehrssicherung Beauftragten besteht auch dann, wenn der Vertrag mit dem Primärverkehrssicherungspflichtigen nicht rechtswirksam zustande gekommen ist (vgl. Senatsurteil vom 17. Januar 1989 - VI ZR 186/88 - aaO; BGB-RGRK/Steffen 12. Aufl., § 823 Rn. 129; MünchKomm -BGB/Wagner, 4. Aufl., § 823 Rn. 288 f.; Soergel/Krause, BGB, 13. Aufl., § 823 Anh. II Rn. 53 f.; Staudinger/J. Hager (1999) § 823 BGB E 64; von Bar, Verkehrspflichten, 1980, S. 121). Entscheidend ist, dass der in die Verkehrssicherungspflicht Eintretende faktisch die Verkehrssicherung für den Gefahrenbereich übernimmt und im Hinblick hierauf Schutzvorkehrungen durch den primär Verkehrssicherungspflichtigen unterbleiben, weil sich dieser auf das Tätigwerden des Beauftragten verlässt. Dieser ist aufgrund der von ihm mitveranlassten neuen Zuständigkeitsverteilung für den übernommenen Gefahrenbereich nach allgemeinen Deliktsgrundsätzen verantwortlich. Insofern ist seine Verkehrssicherungspflicht nicht abgeleiteter Natur. Vielmehr erfährt sie mit der Übernahme durch den Beauftragten in seine Zuständigkeit eine rechtliche Verselbständigung. Er ist es fortan, dem unmittelbar die Gefahrenabwehr obliegt und der dafür zu sorgen hat, dass niemand zu Schaden kommt. Inhalt und Schutzbereich dieser verselbständigten Verkehrssicherungspflicht bestimmen sich allein danach , was objektiv erforderlich ist, um mit der Gefahrenstelle in Berührung kommende Personen vor Schaden zu bewahren.
10
b) Hat die Beklagte die von ihr übernommene Verpflichtung zur Streuung des Fußweges schuldhaft verletzt, ist die Klägerin infolgedessen gestürzt und sind die geltend gemachten Verletzungen darauf zurückzuführen, ist der Anspruch dem Grunde nach zu bejahen. Ob dies der Fall ist, kann der erkennende Senat aufgrund der vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen nicht entscheiden.
11
3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommen - da es sich um einen Altfall handelt nur hinsichtlich des materiellen Schadens (Art. 229 §§ 5, 8 Abs. 1 EGBGB) - auch vertragliche Schadensersatzansprüche aufgrund der Schutzwirkung des Vertrages zwischen dem Eigentümer und der Beklagten zu Gunsten der Klägerin in Betracht. In den Schutzbereich eines Vertrages sind Dritte einbezogen, auf die sich Schutz- und Fürsorgepflichten aus vertraglichen Vereinbarungen nach dem Vertragszweck zwangsläufig erstrecken. Um die Schutzpflichten zugunsten Dritter nicht zu weit auszudehnen, ist allerdings erforderlich , dass der Dritte bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung in Berührung kommt und der Gläubiger ein schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages hat (vgl. BGHZ 133, 168, 171 ff.). Mit Recht weist die Revision darauf hin, dass im Streitfall diese Voraussetzungen zu bejahen sind. Die Sicherung des unmittelbaren Zugangs zum Haus bei Schnee- und Eisglätte ist Aufgabe des Vermieters. Sie dient vor allem dem Schutz der Mieter (vgl. Senatsurteil vom 12. Juli 1968 - VI ZR 134/67 - VersR 1968, 1161; Palandt/Weidenkaff BGB 67. Aufl. § 535 Rn. 60). Dass die Übertragung der Streupflicht den sicheren Zugang der Mieter zum Haus und damit u.a. für die Klägerin gewährleisten sollte, liegt auf der Hand. Dies war auch für die Beklagte ohne weiteres erkennbar.
12
4. Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur weiteren Sachaufklärung zurückzuverweisen. Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 26.07.2006 - 18 O 104/06 -
KG Berlin, Entscheidung vom 15.03.2007 - 10 U 165/06 -