Bundesgerichtshof Urteil, 21. Apr. 2009 - VI ZR 304/07

bei uns veröffentlicht am21.04.2009
vorgehend
Landgericht Würzburg, 14 O 1895/05, 14.09.2006
Oberlandesgericht Bamberg, 8 U 83/06, 05.12.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 304/07 Verkündet am:
21. April 2009
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Annahme einer sittenwidrigen Schädigung i.S.d. § 826 BGB bei Missbrauch des
Lastschriftverfahrens zur risikolosen Kreditgewährung an den Lastschriftgläubiger
unter Abwälzung des Kreditrisikos auf die Gläubigerbank.
BGH, Urteil vom 21. April 2009 - VI ZR 304/07 - OLG Bamberg
LGWürzburg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. April 2009 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Zoll, die
Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 5. Dezember 2007 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18. Januar 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Missbrauchs des Lastschriftverfahrens auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Die Beklagte gewährte der R. GmbH (nachfolgend: R.), die bei der Klägerin ein Geschäftskonto unterhielt und zum Lastschriftverfahren zugelassen war, mindestens seit dem Jahre 2001 Darlehen in der Weise, dass sie sie ermächtigte , im Rahmen des Lastschriftverfahrens von ihrem Konto bei der C.
Bank S.A. (nachfolgend: C.) Beträge einzuziehen, die die R. durch Hingabe von Schecks zurückzahlte. Mit Vertrag vom 14. Januar 2004 räumte die Beklagte der R. eine Kreditlinie von 100.000 € ein. Die Vertragsparteien vereinbarten, dass R. den jeweiligen Kreditbetrag vom Konto der Beklagten bei der C. einziehen könne und dass die Inanspruchnahme eines höheren Betrags möglich sei, wenn die Beklagte dies dulde. Dies begründe aber keinen Anspruch auf die Gewährung eines höheren Betrags. Sie vereinbarten weiter, dass jeder in Anspruch genommene Teilbetrag mit 10 % p.a. zu verzinsen und innerhalb von vier Wochen zurückzuzahlen sei. Bei Nichteinhaltung dieser Frist oder bei anhaltender geduldeter Überziehung des Darlehensbetrags sollte die Beklagte jederzeit berechtigt sein, Lastschriften nicht einzulösen bzw. innerhalb einer Frist von sechs Wochen zurückgehen zu lassen.
3
In der Zeit vom 4. Oktober 2004 bis 16. November 2004 zog die R. über ihr Konto bei der Klägerin Beträge in Höhe von insgesamt 733.770 € zu Lasten des Kontos der Beklagten bei der C. ein und verwendete sie für sich. Eine Rückzahlung erfolgte nicht. Mit an die R. gerichtetem Schreiben vom 10. Dezember 2004 kündigte die Beklagte den Kreditvertrag vom 14. Januar 2004 mit sofortiger Wirkung. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, der im Darlehensvertrag vereinbarte Betrag von 100.000 € sei nachhaltig überschritten worden und eine geduldete Überziehung sei angesichts der Gesamtumstände der letzten Tage nicht länger hinnehmbar. Ein Scheck über 34.000 € sei nicht eingelöst worden; es sei zu befürchten, dass weitere Schecks nicht eingelöst würden. Am selben Tag widersprach die Beklagte gegenüber der C. den auf ihre Einzugsermächtigung gestützten Belastungsbuchungen seit 4. Oktober 2004. Die Klägerin gewährte der C. die seit 27. Oktober 2004 zu Lasten der Beklagten eingezogenen Beträge in Höhe von insgesamt 384.520 € zurück. Die C. schrieb diesen Betrag mit Zustimmung der Beklagten einem Treuhandkonto gut. Über das Vermögen der R. wurde am 1. März 2005 wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren eröffnet.
4
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte und R. hätten das Lastschriftverfahren in sittenwidriger Weise zu ihrem Nachteil missbraucht. Sie begehrt von der Beklagten die Zustimmung zur Auszahlung des dem Treuhandkonto gutgeschriebenen Betrags. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht ein Mitverschulden der Klägerin von einem Drittel angenommen und die Klage in Höhe von 128.173,33 € abgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der vom Senat zugelassenen Revision. Mit der Anschlussrevision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe durch die Nutzung des Lastschriftverfahrens zur Kreditgewährung objektiv den Tatbestand der Lastschriftreiterei erfüllt. Während sie Darlehenszinsen in Höhe von 9 bis 10 % p.a. vereinnahmt habe, habe sie das im Streitfall eingetretene Risiko einer Insolvenz der R. auf die Klägerin verlagert. Die Beklagte habe den ihr obliegenden Beweis nicht geführt, dass die Klägerin über diese Verfahrensweise unterrichtet worden und mit ihr einverstanden gewesen sei. Der Umstand, dass der Geschäftsführer der R. die Beklagte dahingehend informiert habe, dass die Klägerin in die Darlehensgewährung mittels Lastschriften eingeweiht sei, stehe der Annahme eines Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB nicht entgegen. Denn für eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung könne grobe Fahrlässigkeit ausreichen. Die Beklagte habe sich bewusst der Kenntnis von den haftungsbegründenden Umständen verschlossen. Ihr sei bekannt gewesen, dass R. erheblichen und zunehmenden Finanzbedarf gehabt habe, welcher offenbar durch die Banken nicht mehr abgedeckt worden sei. Der Beklagten habe sich aufdrängen müssen, dass eine Bank, die selbst nicht bereit sei, Darlehen zur Verfügung zu stellen, das Risiko des Rückrufs von Lastschriften nicht tragen wolle, über die ein Dritter Darlehen gewähre und die Gegenleistung in Form von Zinsen vereinnahme. Die Beklagte hätte deshalb bei der Klägerin Rückfrage halten müssen, ob die Informationen des Geschäftsführers der R. zutreffend seien. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, der Widerspruch gegenüber den Lastschriften sei aufgrund der Überziehung der Kreditlinie der R. berechtigt gewesen. Entscheidend sei, dass die Beklagte der R. mittels Blankolastschriften ermöglicht habe, Darlehen nach Bedarf abzurufen, und R. mit Billigung der Beklagten davon Gebrauch gemacht habe. Die Beklagte sei rechtzeitig unterrichtet worden, um im Falle nicht rechtzeitiger Darlehensrückzahlung von ihrer Widerrufsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Der Schaden der Klägerin liege darin, dass R. über die ihrem Konto gutgeschriebenen Lastschriftbeträge verfügt habe und zur Rückzahlung der Beträge nicht in der Lage sei.
6
Der Klägerin sei jedoch ein Mitverschulden in Höhe von einem Drittel anzulasten. Denn hinsichtlich der sittenwidrigen Schädigung sei lediglich von grober Fahrlässigkeit der Beklagten auszugehen. Dem stehe ein leichtfertiges Verhalten der Klägerin gegenüber. Diese habe der R. über Jahre hinweg auf die Beklagte gezogene Lastschriften gutgeschrieben, ohne diese zu hinterfragen, obwohl ihr bekannt gewesen sei, dass die Beklagte der R. Darlehen gewähre. Sie habe die Lastschriften nicht einmal in dem Moment einer näheren Überprüfung unterzogen, in dem sie die Insolvenz der R. befürchtet habe.

II.

7
Diese Ausführungen halten weder den Angriffen der Revision noch denen der Anschlussrevision stand. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin treffe ein Mitverschulden bei der Entstehung des Schadens. Die Anschlussrevision beanstandet zu Recht, dass die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht die Annahme rechtfertigen, die Beklagte sei der Klägerin wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB zum Schadensersatz verpflichtet.
8
1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht eine objektiv sittenwidrige Schädigungshandlung der Beklagten darin gesehen, dass diese das Lastschriftverfahren zweckwidrig zur risikolosen Darlehensgewährung an die R. benutzt und das Kreditrisiko auf die Klägerin abgewälzt hat.
9
a) Das Lastschriftverfahren ist ein von der deutschen Kreditwirtschaft entwickeltes System zur erleichterten Abwicklung von massenhaften Zahlungsvorgängen im bargeldlosen Zahlungsverkehr (vgl. BGHZ 177, 69, 73 f.; BGHSt 50, 147, 151 ff.; van Gelder, in Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch 3. Aufl., § 57 Rn. 5-56d). Wegen seiner Einfachheit und seiner besonderen Eignung für eine elektronische Abwicklung hat sich das Einzugsermächtigungsverfahren durchgesetzt. Die Besonderheit des Einzugsermächtigungsverfahrens besteht darin, dass der Gläubiger die Initiative zur Bezahlung seiner Forderung ergreift, indem er seine Bank beauftragt, den Geldbetrag einzuziehen. Diese leitet den Auftrag an die Schuldnerbank weiter, die den Betrag vom Schuldnerkonto abbucht und der Gläubigerbank zuleitet, ohne dazu vom Schuldner eine Weisung erhalten zu haben. Wegen dieser weisungslosen Belastung seines Kontos steht dem Schuldner gegenüber der Schuldnerbank aus dem Girovertrag bis zu seiner Genehmigung ein Widerspruchsrecht zu. Widerspricht der Schuldner, ohne zuvor genehmigt zu haben, muss die Schuldnerbank die Buchung berichtigen. Sie kann die Lastschrift im Interbankenverhältnis zurückgeben und von der Gläubigerbank deren Wiedervergütung verlangen, wenn der Schuldner innerhalb von sechs Wochen nach Belastung seines Kontos widerspricht. Die Gläubigerbank belastet sodann das Gläubigerkonto wieder mit dem zuvor gutgeschriebenen Betrag und den Rücklastgebühren (vgl. zum Ganzen: BGHZ 74, 300, 303 ff.; 74, 309, 311 ff.; BGHZ 101, 153, 156 f.; 177, 69, 73 f.; BGHSt 50, 147, 151 ff.; van Gelder, aaO, § 57 Rn. 5-66; Lastschriftabkommen vom 1. Februar 2002, abgedruckt bei van Gelder, aaO, Anhang zu §§ 56 - 59).
10
b) Aufgrund dieser Ausgestaltung des Verfahrens kann der Gläubigerbank im Falle eines rechtzeitigen Widerspruchs ein Schaden entstehen, wenn das Gläubigerkonto zum Zeitpunkt der Rückbelastung keine Deckung mehr aufweist und der Gläubiger nicht mehr in der Lage ist, seiner Verpflichtung zur Rückzahlung des ihm gutgeschriebenen Betrags gegenüber der Gläubigerbank nachzukommen. Dieses Schadensrisiko ist dem Lastschriftverfahren allerdings grundsätzlich immanent; es trägt dem notwendigen Schutz des Schuldners im Einzugsermächtigungsverfahren Rechnung und wurde von den Kreditinstituten mit der Einführung des Lastschriftverfahrens im Interesse der Erleichterung des massenhaften Zahlungsverkehrs übernommen (BGHZ 74, 300, 305 f.; BGH, Urteil vom 27. November 1984 - II ZR 294/83 - NJW 1985, 847).
11
c) Indessen darf die Ausgestaltung des Lastschriftverfahrens nicht dazu ausgenutzt werden, das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Gläubigers auf dessen Bank zu verlagern (vgl. BGHZ 74, 300, 308; BGHZ 74, 309, 313 f.; BGH, Urteil vom 25. Juni 1979 - II ZR 253/78 - NJW 1979, 2146, 2147; BGH, Urteil vom 27. November 1984 - II ZR 294/83 - aaO, S. 847 f.; BGHSt 50, 147, 155). Dies ist beispielsweise dann anzunehmen, wenn Gläubiger und/oder Schuldner die Widerspruchsmöglichkeit als Sicherungsinstrument einsetzen, um eine risikolose Darlehensgewährung des Lastschriftschuldners an den Lastschriftgläubiger zu ermöglichen. Ein solches Vorgehen, bei dem der Gläubigerbank faktisch die Rolle einer Bürgin aufgezwungen wird, ist mit dem Sinn und Zweck des Lastschriftverfahrens nicht zu vereinbaren. Es erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Widerspruchs erheblich, was für die beteiligten Kreditinstitute mit besonderen, deutlich über das mit dem Lastschriftverfahren zwangsläufig verbundene Risiko hinausgehenden Gefahren verbunden ist (vgl. BGHZ 74, 300, 308; BGH, Urteil vom 25. Juni 1979 - II ZR 253/78 - aaO; BGHSt 50, 147, 155, 157; van Gelder, aaO, § 56 Rn. 38; Staub/Canaris, HGB, 4. Aufl., Fünfter Band, Rn. 604). Ein solches Vorgehen ist jedenfalls dann in aller Regel sittenwidrig , wenn es der Erlangung von Vorteilen wie der Kreditbeschaffung des Lastschriftgläubigers und der Erzielung von Zinseinnahmen des Lastschriftschuldners dient (vgl. BGHZ 74, 300, 308; BGH, Urteil vom 25. Juni 1979 - II ZR 253/78 - aaO; Staub/Canaris, aaO).
12
d) Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht in der Darlehensgewährung durch die Beklagte und im nachfolgenden Widerspruch gegen die Belastungsbuchungen zu Recht eine objektiv sittenwidrige Schädigungshandlung gesehen. Die Beklagte missbrauchte das Lastschriftverfahren und den Widerspruch zweckwidrig zu risikoloser Darlehensgewährung auf Kosten der Klägerin. Nach den von Revision und Anschlussrevision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hatte R. einen erheblichen und zunehmenden Finanzbedarf, der nicht durch die Banken abgedeckt wurde. Diesen Finanzbedarf deckte die Beklagte dadurch, dass sie es der R. ermöglichte, mittels Blankolastschriften Darlehen nach Bedarf einzuziehen. Ihren Darlehensrückzahlungsanspruch hatte die Beklagte dabei nach ihrem eigenen Vortrag und ausweislich § 2 des Kreditvertrags vom 14. Januar 2004 über die Möglichkeit des Widerspruchs gegen die Belastungsbuchungen abgesichert. Gemäß § 2 des Kreditvertrags hatte R. jeden in Anspruch genommenen Darlehensbetrag innerhalb von vier Wochen, d.h. zwei Wochen vor Ablauf der Widerspruchfrist zurückzuzahlen , so dass die Beklagte die Darlehensgewährung durch Widerspruch rückgängig machen konnte, sobald sie ihren Rückzahlungsanspruch wegen drohender finanzieller Schwierigkeiten der R. gefährdet sah. Diese Vorgehensweise hatten die Vertragsparteien in § 2 des Kreditvertrags sogar ausdrücklich vorgesehen. Nach dieser Bestimmung sollte die Beklagte, wenn R. ihrer Rückzahlungsverpflichtung nicht nachkam, berechtigt sein, die Lastschrift innerhalb der Widerspruchsfrist "zurückgehen" zu lassen. Damit hat die Beklagte gezielt das Darlehensrückzahlungsrisiko auf die Klägerin verlagert und diese in die Rolle eines Bürgen gedrängt. Während sie selbst Zinsen in Höhe von 9 bis 10 % p.a. vereinnahmte, setzte sie das Vermögen der Klägerin einer besonderen , deutlich über das mit dem Lastschriftverfahren zwangsläufig verbundene Risiko hinausgehenden konkreten Gefährdung aus. Ein derartiges Verhalten ist objektiv sittenwidrig.
13
Dieses Verhalten setzte die Beklagte fort, als sie - nachdem R. die seit 4. Oktober 2004 jeweils in Anspruch genommenen Darlehensbeträge nicht innerhalb der vierwöchigen Rückzahlungsfrist zurückgezahlt hatte, ein Scheck der R. über 34.000 € nicht eingelöst worden war und sie befürchtete, dass weitere Schecks nicht eingelöst werden würden - der Belastung ihres Kontos bei der C. widersprach mit der Folge, dass die Klägerin der Schuldnerbank C. Lastschriften in Höhe von insgesamt 384.520 € rückvergüten musste. Hierdurch bewirkte die Beklagte, dass sich das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Darlehensschuldners R. statt bei ihr als Darlehensgeberin bei der Klägerin als Gläubigerbank verwirklichte.
14
e) Demgegenüber bleibt der Rüge der Anschlussrevision, der Widerspruch der Beklagten sei deshalb nicht sittenwidrig, weil der R. gemäß der ausdrücklichen Regelung in § 1 des Kreditvertrags vom 14. Oktober 2004 kein Anspruch auf Einlösung von das vereinbarte Kreditlimit überschreitenden Lastschriften zugestanden habe, der Erfolg versagt.
15
Die Anschlussrevision verweist allerdings zu Recht darauf, dass ein Schuldner, der der Belastung seines Kontos mit Lastschriftbeträgen widerspricht , seine Widerspruchsmöglichkeit grundsätzlich dann nicht in sittenwidriger Weise ausnutzt, wenn er anerkennenswerte Gründe für den Widerspruch hat, etwa weil er überhaupt keine Einziehungsermächtigung erteilt oder den Gläubiger zwar generell ermächtigt hat, aber den im Einzelfalle zum Einzug gegebenen Lastschriftbetrag nicht schuldet. Denn der Inhaber eines Kontos, das von seiner Bank wegen einer Lastschrift belastet worden ist, muss sich vor einem Missbrauch des Verfahrens durch den Auftraggeber schützen können (vgl. BGHZ 74, 300, 305 f.; 101, 153, 156 f.; BGH, Urteil vom 27. November 1984 - II ZR 294/83 - aaO, S. 847).
16
Im Streitfall hatte die Beklagte aber keine anerkennenswerten Gründe für den Widerspruch. Ihr Widerspruch darf entgegen der Auffassung der Anschlussrevision nicht isoliert betrachtet, sondern muss vor dem Hintergrund der von den Vertragsparteien verabredeten Vorgehensweise gesehen werden, im Rahmen derer sie die Widerspruchsmöglichkeit bewusst als Sicherungsinstrument eingesetzt haben, damit die Beklagte der R. risikolos Darlehen gewähren konnte. Wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt, wollte sich die Beklagte durch den Widerspruch nicht vor einem Missbrauch des Verfahrens durch R. schützen. Sie wollte vielmehr - der missbräuchlichen Absprache mit R. entsprechend - in dem Moment, in dem sie ihren Darlehensrückzahlungsanspruch gefährdet sah, von ihrem von Anfang an zu diesem Zweck ins Auge ge- fassten Sicherungsinstrument Gebrauch machen, um sicher zu stellen, dass sich das Risiko der Zahlungsunfähigkeit der R. nicht bei ihr, sondern bei der Klägerin verwirklichte. Bei dieser Sachlage bedingt der Missbrauch des Lastschriftverfahrens den Missbrauch des Widerspruchs.
17
2. Das Berufungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte der Klägerin durch den Missbrauch des Lastschriftverfahrens und des Widerspruchs einen Schaden zugefügt hat, weil die Klägerin mit ihrer Rückgriffsforderung gegen die R. ausgefallen ist.
18
3. Die Anschlussrevision wendet sich auch ohne Erfolg gegen die Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts zu der Frage, ob die Klägerin mit der unter Ziff. 1 beschriebenen Vorgehensweise einverstanden war. Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts lässt entgegen der Auffassung der Anschlussrevision Rechtsfehler nicht erkennen. Es ist weder dargetan noch ersichtlich , dass das Berufungsgericht Sachvortrag der Beklagten oder Beweisanträge übergangen oder die erhobenen Beweise fehlerhaft gewürdigt hat. Der Umstand, dass der Ausdruck einer E-Mail des Herrn S. vom 21. Juni 2004 seit Beginn der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen beschlagnahmt war, schließt lediglich eine Verfälschung des auf diesem Ausdruck befindlichen Vermerks von diesem Zeitpunkt an aus. Er besagt hingegen nichts über die inhaltliche Richtigkeit des Vermerks. Das Berufungsgericht hat auch die Anforderungen an die Überzeugungsbildung nicht dadurch überspannt, dass es aus der Existenz des Vermerks nicht auf seine inhaltliche Richtigkeit geschlossen hat.
19
4. Die Anschlussrevision rügt aber mit Erfolg, dass die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts zu den subjektiven Voraussetzungen des § 826 BGB unzureichend sind und seine Annahme, die Beklagte habe die Klägerin vorsätzlich sittenwidrig geschädigt, nicht tragen.
20
a) Die Anschlussrevision beanstandet zunächst zu Recht, dass das Berufungsgericht die subjektiven Voraussetzungen eines Sittenverstoßes bejaht hat. Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Annahme eines Sittenverstoßes in subjektiver Hinsicht grundsätzlich die Feststellung erfordert, dass der Schädiger Kenntnis von den Tatumständen hatte, die sein Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen (BGHZ 8, 83, 87 f.; 8, 387, 393; Senat BGHZ 74, 281, 284; BGH, Urteil vom 28. September 1973 - I ZR 136/71 - NJW 1973, 2285, 2286; BGH, Urteil vom 19. September 1983 - II ZR 248/82 - WM 1983, 1235; Urteil vom 19. Februar 1986 - IVb ZR 71/84 - NJW 1986, 1751, 1754 m.w.N.; Staudinger/Oechsler, BGB, Neubearbeitung 2003, § 826 Rn. 61; Wagner in MünchKomm-BGB, 5. Aufl., § 826 Rn. 26; Soergel /Hönn, BGB, 13. Aufl., § 826 Rn. 51 f.). Es hat auch zutreffend angenommen , dass es unter Umständen genügen kann, wenn sich der Schädiger der Kenntnis dieser Tatsachen bewusst verschlossen hat (vgl. BGHZ 129, 136, 175; 176, 281, 296; Senatsurteil vom 24. September 1991 - VI ZR 293/90 - VersR 1991, 1413, 1414; BGH, Urteil vom 5. März 1975 - VIII ZR 230/73 - WM 1975, 559; Urteil vom 28. Februar 1989 - XI ZR 70/88 - WM 1989, 1047, 1048 f.; vom 27. Januar 1994 - I ZR 326/91 - VersR 1994, 864). Seine Annahme , der Beklagten sei aus dem zuletzt genannten Grund in subjektiver Hinsicht der Vorwurf eines Sittenverstoßes zu machen, ist jedoch von Rechtsfehlern beeinflusst. Das Berufungsgericht hat den von ihm für erwiesen gehaltenen Einwand der Beklagten, der Geschäftsführer der R. habe sie dahingehend unterrichtet , dass die Klägerin mit der Darlehensgewährung per Lastschriften einverstanden gewesen sei, rechtlich falsch eingeordnet. Es hat verkannt, dass diesem Einwand nicht unter dem Gesichtspunkt des sich Verschließens gegenüber den das Sittenwidrigkeitsurteil prägenden Umständen, sondern allein unter dem Gesichtspunkt der irrigen Annahme eines die Sittenwidrigkeit ausnahmsweise ausschließenden Umstands rechtliche Bedeutung zukommen kann.
21
Wie unter Ziff. 1 ausgeführt und vom Berufungsgericht bei der Prüfung der objektiven Voraussetzungen eines Sittenverstoßes zutreffend angenommen , beruht die Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten darauf, dass sie das Lastschriftverfahren und den Widerspruch zweckwidrig zu risikoloser Darlehensgewährung an die R. auf Kosten der Klägerin missbraucht hat. Das fehlende Einverständnis der Klägerin hiermit ist kein zusätzliches die Sittenwidrigkeit begründendes Merkmal. Das Einverständnis der Klägerin würde dem objektiv als Sittenverstoß zu qualifizierenden Verhalten der Beklagten lediglich ausnahmsweise den Makel der Sittenwidrigkeit nehmen.
22
Von der Ausnutzung des Lastschriftverfahrens und des Widerspruchs zur risikolosen Darlehensgewährung an die R. auf Kosten der Klägerin hatte die Beklagte nach dem festgestellten Sachverhalt Kenntnis. Diese Vorgehensweise hatte sie mit R. ausdrücklich abgesprochen und im Kreditvertrag vom 14. Januar 2004 schriftlich niedergelegt. Nahm sie aber tatsächlich - wie sie geltend macht - an, die Klägerin sei mit der zweckwidrigen Ausnutzung des Lastschriftverfahrens zur für die Beklagte risikolosen Darlehensgewährung an die R. einverstanden , war sie also der redlichen Überzeugung, so handeln zu dürfen, wie sie gehandelt hatte, so nahm sie irrig einen die Sittenwidrigkeit ausnahmsweise ausschließenden Umstand an. Sie hätte sich dann in einem Tatbestandsirrtum befunden, mit der Folge, dass die subjektiven Voraussetzungen eines Sittenverstoßes zu verneinen wären (vgl. RGZ 159, 211, 227; BGHZ 101, 380, 388; BGH, Urteil vom 28. September 1973 - I ZR 136/71 - aaO; vom 19. Februar 1986 - IVb ZR 71/84 - aaO; vom 15. September 1999 - I ZR 98/97 - VersR 2001, 251, 253; Staudinger/Oechsler, aaO, Rn. 89; Spindler in Bamberger /Roth, BGB, 2. Aufl., § 826 Rn. 10).
23
Das Berufungsgericht wird deshalb feststellen müssen, ob die Geschäftsführer der Beklagten tatsächlich glaubten, die Klägerin sei mit ihrer Vorgehens- weise einverstanden. Die Beweislast für diese Behauptung trägt die Beklagte. Denn sie beruft sich auf eine Ausnahmekonstellation (vgl. BGHZ 101, 380, 388; Spindler in Bamberger/Roth, aaO, Rn. 10 und 139; Soergel/Hönn, aaO, Rn. 107). Das Berufungsgericht wird in seine Überzeugungsbildung dabei auch die Gesichtspunkte mit einzubeziehen haben, aus denen es seine Annahme abgeleitet hat, die Beklagte habe sich der Kenntnis von den haftungsbegründenden Tatsachen bewusst verschlossen. Dies gilt insbesondere für den allgemein bekannten Umstand, dass Banken in aller Regel nicht ungesichert Risiken eingehen, für die ein Dritter die Gegenleistung in Form von Zinsen vereinnahmt.
24
b) Die Anschlussrevision rügt auch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht in fehlerhafter Weise die subjektiven Voraussetzungen eines Sittenverstoßes mit den Voraussetzungen des Schädigungsvorsatzes vermengt und verkannt hat, dass Sittenwidrigkeit und Vorsatz getrennt festzustellen sind (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 1966 - VI ZR 1/65 - VersR 1966, 1034, 1036; vom 27. März 1984 - VI ZR 246/81 - WM 1984, 744, 745; BGH, Urteil vom 5. März 1975 - VIII ZR 230/73 - WM 1975, 559; Soergel/Hönn, aaO, Rn. 51; Spindler in Bamberger /Roth, aaO, Rn. 11). Die Annahme des Berufungsgerichts, für eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung könne grobe Fahrlässigkeit ausreichen, beruht auf einem grundlegend fehlerhaften Verständnis des § 826 BGB. Grobe Fahrlässigkeit in Bezug auf die Schädigung vermag eine Haftung aus § 826 BGB nicht zu begründen; vielmehr ist erforderlich, dass der Ersatzpflichtige in Hinblick auf die Entstehung des Schadens vorsätzlich gehandelt hat, dass er also mindestens mit der Möglichkeit einer Schädigung durch sein Handeln gerechnet und sie billigend in Kauf genommen hat (vgl. Senatsurteile vom 28. Juni 1966 - VI ZR 287/64 - WM 1966, 1150, 1152; vom 12. Juli 1966 - VI ZR 1/65 - aaO S. 1036; vom 27. März 1984 - VI ZR 246/81 - aaO; vom 10. Juli 2001 - VI ZR 160/00 - VersR 2001, 1431, 1432 und vom 11. November 2003 - VI ZR 371/02 - VersR 2004, 210, 212). Tatsächliche Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht, worauf die Anschlussrevision zutreffend hinweist, jedoch nicht getroffen. Soweit das Berufungsgericht im Einführungssatz unter II. Ziff. 3 den erforderlichen Vorsatz der Beklagten bejahen will ("eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zu Lasten der Klägerin scheitert auch nicht daran, …"), handelt es sich um eine bloße Rechtsbehauptung, die sich nicht auf tatsächliche Feststellungen stützt und die überdies im Widerspruch zu den Ausführungen des Berufungsgerichts zum Mitverschulden der Klägerin steht. In diesem Zusammenhang führt das Berufungsgericht nämlich aus, die Beklagte habe lediglich grob fahrlässig gehandelt.
25
5. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts , die Klägerin treffe ein Mitverschulden bei der Entstehung des Schadens.
26
a) Rechtlich nicht zu beanstanden sind allerdings die Ausgangserwägungen des Berufungsgerichts, von denen es seine Berechtigung zu einer Abwägung des beiderseitigen Verschuldens ableitet. Es verkennt nicht, dass der Verursachungsbeitrag eines nur fahrlässig handelnden Geschädigten gegenüber dem vorsätzlichen sittenwidrigen Verhalten des Schädigers im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB grundsätzlich unberücksichtigt bleiben muss. Es ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt gilt, sondern dann eine Ausnahme erfährt, wenn besondere Umstände im Einzelfall eine Schadensteilung rechtfertigen (vgl. Senatsurteil vom 6. Dezember 1983 - VI ZR 60/82 - VersR 1984, 191).
27
b) Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall und die Abwägung des Berufungsgerichts sind jedoch rechtsfehlerhaft. Das Berufungsgericht hält eine Berücksichtigung des fahrlässigen Verursachungsbeitrags der Klägerin vor allem deshalb für möglich, weil der Beklagten hinsichtlich der sittenwidri- gen Schädigung lediglich grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Dies steht jedoch in unauflösbarem Widerspruch zu seinem Einführungssatz unter II. Ziff. 3, in dem es von einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch die Beklagte ausgeht. Angesichts dieses Widerspruchs ist die Abwägung des Berufungsgerichts schlechterdings nicht nachvollziehbar.
28
6. Nach allem war das Berufungsurteil aufzuheben. Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen , damit es die fehlenden Feststellungen nachholen kann. Müller Zoll Diederichsen Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Würzburg, Entscheidung vom 14.09.2006 - 14 O 1895/05 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 05.12.2007 - 8 U 83/06 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 21. Apr. 2009 - VI ZR 304/07

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 254 Mitverschulden


(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung


Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
Bundesgerichtshof Urteil, 21. Apr. 2009 - VI ZR 304/07 zitiert 4 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 254 Mitverschulden


(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung


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Bundesgerichtshof Urteil, 21. Apr. 2009 - VI ZR 304/07 zitiert oder wird zitiert von 11 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Apr. 2009 - VI ZR 304/07 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Nov. 2003 - VI ZR 371/02

bei uns veröffentlicht am 11.11.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 371/02 Verkündet am: 11. November 2003 Blum, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGB § 826 A, F
10 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 21. Apr. 2009 - VI ZR 304/07.

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Dez. 2011 - VI ZR 309/10

bei uns veröffentlicht am 20.12.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 309/10 Verkündet am: 20. Dezember 2011 Holmes Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 82

Bundesgerichtshof Urteil, 23. Nov. 2010 - VI ZR 245/09

bei uns veröffentlicht am 23.11.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 245/09 Verkündet am: 23. November 2010 Holmes Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

Bundesgerichtshof Urteil, 23. Nov. 2010 - VI ZR 244/09

bei uns veröffentlicht am 23.11.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 244/09 Verkündet am: 23. November 2010 Holmes Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 15. Okt. 2013 - VI ZR 124/12

bei uns veröffentlicht am 15.10.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 124/12 Verkündet am: 15. Oktober 2013 Böhringer-Mangold Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

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Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 371/02 Verkündet am:
11. November 2003
Blum,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Auch die Haftung für Schäden des Prozeßgegners, die durch die Verteidigung in einem
Rechtsstreit verursacht werden, setzt nicht nur voraus, daß die sich verteidigende
Partei die materielle Unrichtigkeit ihrer Einwendung kennt und dem Prozeßgegner
zumindest mit bedingtem Vorsatz Schaden zufügt; vielmehr müssen besondere Umstände
aus der Art und Weise der Rechtsverteidigung hinzutreten, die das Vorgehen
als sittenwidrig prägen (im Anschluß an Senatsurteil vom 25. März 2003
- VI ZR 175/02 - VersR 2003, 653, zum Abdruck in BGHZ vorgesehen).
BGH, Urteil vom 11. November 2003 - VI ZR 371/02 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. November 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die
Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 17. Oktober 2002 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von den Beklagten wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung Ersatz ihres Schadens. Sie sei trotz Obsiegens in einem früheren Rechtsstreit vor dem Landgericht Stuttgart (künftig: Vorprozeß) mit ihrer Forderung ausgefallen, weil über das Vermögen der damals beklagten C.O.M. Mode Vertriebs-GmbH (künftig: C.), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 1 war, nach Zustellung des Urteils das Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Die Klägerin wirft dem Beklagten zu 1 vor, er habe den Vorprozeß durch bewußt unwahren Vortrag verzögert; der Beklagte zu 2 habe als Prozeßbevollmächtigter der C. zu der Prozeßverschleppung Beihilfe geleistet. Die Klägerin, ein Strickereiunternehmen, stand in Geschäftsverbindung mit der Firma f. T. -KG (künftig: f.), die Damenoberbekleidung vertrieb. Diese kam im Herbst 1997 in Zahlungsschwierigkeiten. Sie hatte bei der Klägerin Strickwaren bestellt und während der Herstellung dieser Waren Muster für die Kollektion Herbst/Winter 1998/99 geordert. Die Klägerin verlangte wegen der Zahlungsschwierigkeiten eine Anzahlung, die sie am 10. November 1997 mit Scheck über 65.000 DM erhielt. Die Klägerin lieferte einen Teil der bestellten Waren und die Musterkollektion. Die weiteren Waren lieferte sie nicht mehr aus. Am 18. Dezember 1997 wurde Rechtsanwalt Dr. V. zum Sequester der f. bestellt, nachdem diese Konkursantrag gestellt hatte. C. wollte die von f. bestellten Waren aus der Konkursmasse günstig erwerben und an die Kunden ausliefern. Zu diesem Zweck verhandelte sie, vertreten durch den Beklagten zu 1, mit dem Sequester über den Erwerb von Warenzeichen, Auftragsbestand, Waren und Mustern. Nachdem der Sequester am 25. Februar 1998 zum Konkursverwalter bestellt worden war, schloß sie mit ihm am 3. März 1998 einen Erwerbsvertrag. Die Klägerin lieferte die restlichen von f. bestellten Waren an C. aus. Die Rechnungen der Klägerin vom 12. Januar 1998 über
106.689,52 DM kürzte C. um einen von ihr behaupteten Nachlaß von 15% so- wie um die Anzahlung der f. in Höhe von 65.000 DM. Den Restbetrag von 25.685,50 DM bezahlte sie mit Scheck. Die Klägerin erhob daher im Vorprozeß Klage auf (106.689,52 DM abzüglich mit Scheck bezahlter 25.685,50 DM =) 81.004,02 DM nebst Zinsen. In jenem Rechtsstreit behauptete C., sie sei in die vertraglichen Vereinbarungen zwischen f. und der Klägerin mit Zustimmung des Konkursverwalters eingetreten. Dabei sei ein Nachlaß von 15% vereinbart worden. Zudem sei die Anzahlung in Höhe von 65.000 DM auf die Waren erfolgt, die dann an C. zur Auslieferung gelangt seien. Mit diesen Einwendungen hatte sie im Vorprozeß keinen Erfolg. Nach Vernehmung mehrerer Zeugen ist sie am 30. Juni 1999 antragsgemäß zur Zahlung verurteilt worden. Das Urteil ist dem Beklagten zu 2 als Prozeßbevollmächtigtem der C. am 5. Juli 1999 zugestellt worden. Er hat das Empfangsbekenntnis drei Tage nach Antrag des Beklagten zu 1 auf Durchführung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der C. am 22. Juli 1999 zurückgereicht. Das Urteil ist rechtskräftig. Die Klägerin meint, die Beklagten hätten beabsichtigt, durch bewußt unwahren Vortrag nebst Beweisanträgen den Vorprozeß bis zur Insolvenz der C. zu verzögern. Sie hat deshalb beide Beklagte auf Ersatz ihres Schadens in Anspruch genommen. Diesen hat sie in Höhe des im Vorprozeß zugesprochenen Betrages (abzüglich Mehrwertsteuer) sowie Zinsen nebst festgesetzten Kosten auf 40.449,16 erechnet. Die Klage hatte in den Tatsacheninstanzen keinen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Schadensersatz weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe kein Anspruch aus unerlaubter Handlung wegen (versuchten) Prozeßbetrugs (§§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 23, 263 StGB) zu. Auch ein Anspruch aus § 826 BGB scheitere. Entweder sei die Klägerin durch die Prozeßverzögerung nicht geschädigt worden, weil sie auch ein früher ergehendes Urteil nicht habe vollstrecken können, oder den Beklagten sei ein Schädigungsvorsatz nicht nachzuweisen, weil sie mit dem Ausfall der Klägerin nicht hätten rechnen müssen. Ein Schädigungsvorsatz der Beklagten sei auch dann nicht festzustellen, wenn die Zahlungseinstellung der C. erst mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 19. Juli 1999 erfolgt sei. Je länger die Hausbank der C. noch Forderungen von Gläubigern erfüllt habe, desto mehr hätten die Beklagten davon ausgehen dürfen, daß auch die Forderung der Klägerin befriedigt werde. Die zeitliche Verlängerung der Beweisaufnahme im Vorprozeß infolge des mehrfachen Nichterscheinens von Zeugen sei für die Beklagten nicht vorhersehbar gewesen.

II.

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision stand.
Das Berufungsgericht verneint Ersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 23, 263 StGB. Das läßt Rechtsfehler nicht erkennen und wird von der Revision nicht beanstandet. Das Berufungsgericht hat auch die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung (§ 826 BGB) ohne Rechtsfehler verneint. 1. Allerdings kann ein Beklagter, der sich im Rahmen eines gesetzlich geregelten Verfahrens der Rechtspflege verteidigt, bei Vorliegen besonderer Umstände für einen der Gegenpartei entstehenden Schaden gemäß § 826 BGB einzustehen haben.
a) Für das Betreiben eines gesetzlich geregelten Verfahrens ist anerkannt , daß schon das Betreiben in Ausnahmefällen eine Haftung begründen kann, wenn es sittenwidrig ist und mit (mindestens bedingtem) Schädigungsvorsatz erfolgt. Nach ständiger Rechtsprechung greift zwar bei subjektiver Redlichkeit derjenige, der als Partei ein staatliches, gesetzlich eingerichtetes und geregeltes Verfahren einleitet oder betreibt, selbst dann nicht rechtswidrig in ein geschütztes Rechtsgut seines Verfahrensgegners ein, wenn sein Begehren sachlich nicht gerechtfertigt ist und dem anderen Teil aus dem Verfahren über dieses hinaus Nachteile erwachsen. Die Verletzung eines Rechtsguts indiziert die Rechtswidrigkeit in solchen Fällen nicht. Dies folgt daraus, daß das schadensursächliche Verhalten angesichts seiner verfahrensrechtlichen Legalität zunächst die Vermutung der Rechtmäßigkeit für sich hat. Diese Vermutung greift ein, weil auch eine materiell berechtigte Einleitung und Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens typischerweise Schäden zur Folge haben kann, die über die mit der Rechtsverfolgung erstrebte Anspruchsdurchsetzung oder Sanktion
hinausgehen können und die der Gegner ersatzlos hinnehmen muß. Grundsätzlich haftet der jeweilige Kläger seinem Gegner daher außerhalb der schon im Verfahrensrecht vorgesehenen Sanktionen nicht nach dem Recht der unerlaubten Handlung für die Folgen einer nur fahrlässigen Fehleinschätzung der Rechtslage (vgl. Senatsurteile BGHZ 36, 18, 21 f.; 74, 9, 13 ff.; 118, 201, 206 und vom 25. März 2003 - VI ZR 175/02 - VersR 2003, 653, 654; vgl. noch BGHZ 95, 10, 18 ff.). Der Schutz des Prozeßgegners wird in diesen Fällen vielmehr regelmäßig durch das gerichtliche Verfahren nach Maßgabe seiner gesetzlichen Ausgestaltung gewährleistet. Der Gegner muß im kontradiktorischen Verfahren die Rechtsgutsbeeinträchtigung ohne deliktsrechtlichen Schutz hinnehmen, weil die Prüfung der Rechtslage durch das Gericht erfolgt und er sich gegen eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme in dem Rechtspflegeverfahren selbst hinreichend wehren kann. Wo dies allerdings nicht der Fall ist, bleibt es beim uneingeschränkten Rechtsgüterschutz, den die §§ 823 Abs. 1, 826 BGB gewähren (vgl. Senatsurteile BGHZ 74, 9, 15 f.; 118, 201, 206 und vom 25. März 2003 - VI ZR 175/02 - aaO). Hiernach ist ein Kläger grundsätzlich nicht verpflichtet, vor Klageerhebung sorgfältig in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht die sachliche Berechtigung seines Begehrens zu prüfen oder gar seine Interessen gegen die des Beklagten abzuwägen (vgl. BVerfGE 74, 257, 259 ff.; Senatsurteile BGHZ 36, 18, 21 f.; 74, 9, 15, 17 und vom 25. März 2003 - VI ZR 175/02 - aaO).
b) Diese Grundsätze für eine aktiv das Verfahren betreibende Partei gelten entsprechend für die Rechtsverteidigung im Rahmen eines staatlichen, gesetzlich eingerichteten und geregelten Verfahrens. Durchgreifende Gründe dafür, einen Beklagten hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen eines Prozesses anders zu behandeln als einen Kläger, sind nicht ersichtlich. Regelmäßig wird auch der Kläger durch das gerichtliche Verfahren nach Maßgabe seiner gesetz-
lichen Ausgestaltung geschützt. Die Pflichten des Gerichts gegenüber den Parteien im kontradiktorischen Verfahren, wie etwa die Pflicht zur Rücksichtnahme sowie Belehrungs-, Hinweis-, Förderungs- und Fürsorgepflichten gelten je nach prozessualer Situation gegenüber beiden Parteien. Kläger und Beklagte treffen gleichermaßen Mitwirkungs- und Aufklärungspflichten, die allgemeine Prozeßförderungspflicht, die Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht, eine allgemeine Redlichkeitspflicht sowie das prozessuale Mißbrauchsverbot. Die Frage, ob ein Verhalten im Prozeß haftungsbegründend ist, hängt deshalb grundsätzlich nicht von der Parteirolle ab. Das Gericht hat im kontradiktorischen Verfahren die Prüfung des Verteidigungsvorbringens in gleicher Weise zu gewährleisten wie die des Klagevorbringens und der Kläger hat innerhalb des Verfahrens dieselben Möglichkeiten, sich gegen eine ungerechtfertigte Verteidigung zu wehren, wie der Beklagte gegen eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme. Daraus folgt, daß auch ein Beklagter grundsätzlich nicht verpflichtet ist, vor Erhebung von Einwendungen und Einreden sorgfältig in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht die sachliche Berechtigung seines Verteidigungsvorbringens zu prüfen oder gar seine Interessen gegen die des Klägers abzuwägen. Eine Ausnahme bildet auch hier der Fall einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung des Klägers durch den Beklagten im Sinne des § 826 BGB. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall jedoch ohne Rechtsfehler für nicht bewiesen erachtet. 2. Sittenwidrig kann eine Schadenszufügung unter Beachtung der dargestellten Grundsätze auch für den Beklagten nur in eng begrenzten Ausnahmefällen sein. Sittenwidrigkeit wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn er das staatliche Verfahren zur Schädigung der Gegenpartei oder Dritter mißbraucht , indem er etwa - wie im Falle des Prozeßbetrugs oder des Erschleichens gerichtlicher Handlungen - das Verfahren mit unlauteren Mitteln betreibt
(vgl. für die klagende Partei Senatsurteile BGHZ 36, 18, 21 und vom 25. März 2003 - VI ZR 175/02 - aaO).
a) Die Anwendbarkeit des § 826 BGB setzt aber nicht nur voraus, daß die einen Prozeß einleitende, betreibende oder sich in ihm verteidigende Partei die fehlende Berechtigung ihres Begehrens kennt; hinzutreten müssen stets besondere Umstände, die sich aus der Art und Weise der Prozeßeinleitung oder -durchführung ergeben und die das Vorgehen als sittenwidrig prägen, damit die den Prozeß einleitende, betreibende oder sich in ihm verteidigende Partei über das Prozeßergebnis hinaus für den entstehenden Schaden persönlich einzustehen hat (vgl. Senatsurteil vom 25. März 2003 - VI ZR 175/02 - aaO).
b) Die Frage, ob eine Prozeßverzögerung durch wahrheitswidrige Behauptungen Schadensersatzansprüche auslösen kann, wurde bisher von Literatur und Rechtsprechung kaum behandelt. aa) In der Literatur ist anerkannt, daß der Beklagte durch sein Verhalten im Prozeß für Verzögerungen nach § 826 BGB verantwortlich sein kann, wenn er diese durch Aufstellung bewußt unwahrer Behauptungen erreicht (vgl. Staudinger /Oechsler, BGB, Neubearbeitung 2003, § 826 Rdn. 550; RGRKommentar /Steffen, BGB, 12. Aufl., § 826 Rdn. 64; Münchener KommentarBGB /Mertens, 3. Aufl., § 826 Rdn. 17; Soergel/Hönn/Dönneweg, BGB, 12. Aufl., § 826 Rdn. 241; Häsemeyer, Schadenshaftung im Zivilrechtsstreit 1979 S. 129 ff., 139 ff., 147; Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung 1968 S. 260). bb) Das Reichsgericht hat in einem vergleichbaren Fall (RGZ 95, 310) ausgeführt, daß eine planmäßige, mittels wissentlich unrichtiger Einwirkungen erreichte Prozeßverzögerung als Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des
§ 826 BGB beurteilt werden könne, sofern nicht besondere Umstände des Falles nach dem allgemeinen und durchschnittlichen Maßstab der herrschenden sittlichen Anschauungen eine andere Beurteilung rechtfertigten. Dies könne vor allem dann der Fall sein, wenn mittels solchen wahrheitswidrigen Verhaltens dem Gläubiger die ihm rechtlich zustehende, im geordneten Verfahren verfolgte Befriedigung über den Zeitpunkt hinaus vorenthalten werde, zu dem sie geschuldet sei. cc) Vorliegend spricht einiges dafür, es als sittenwidrig anzusehen, wenn C., die auf Zahlung in Anspruch genommen wurde, in Kenntnis der Berechtigung des Anspruchs mit unwahren Behauptungen den Prozeß in die Länge gezogen hätte, bis die bereits drohende Insolvenz erreicht war, damit die Klägerin, die anderenfalls möglicherweise hätte Zahlung erhalten können, aus dem Titel nicht mehr erfolgreich vollstrecken konnte. (1) Es kann jedoch dahinstehen, ob entsprechend dem Vortrag der Klägerin unterstellt werden kann, daß die Beklagten im Vorprozeß bewußt wahrheitswidrig den Eintritt der C. in das Vertragsverhältnis zwischen der f. und der Klägerin, die Anzahlung in Höhe von 65.000 DM auf die von der Klägerin erworbene Ware sowie einen Preisnachlaß von 15% behauptet haben. (2) Zweifelhaft ist auch, ob zu Gunsten der Revision unterstellt werden kann, es sei den Beklagten darauf angekommen, den Rechtsstreit hinauszuzögern. Das Landgericht hat insoweit – allerdings ohne nähere Begründung – festgestellt, es sei nicht bewiesen, daß die Beklagten vorsätzlich den Prozeß verzögert hätten. Ob der erkennende Senat infolge der pauschalen Bezugnahme des Berufungsgerichts auf die Feststellungen des Landgerichts gebunden ist (§ 559 Abs. 2 ZPO), kann dahinstehen.
3. Die Beklagten haften der Klägerin nämlich schon deshalb nicht nach § 826 BGB für den geltend gemachten Schaden, weil das Berufungsgericht jedenfalls ohne Rechtsfehler ein vorsätzliches Handeln der Beklagten verneint hat.
a) Schädigungsvorsatz im Sinne des § 826 BGB erfordert das Bewußtsein , daß das Handeln die ernstliche Möglichkeit des schädigenden Erfolges haben werde. Der Vorsatz braucht sich zwar nicht auf den genauen Kausalverlauf und den Umfang des Schadens zu erstrecken, muß jedoch die gesamten Schadensfolgen sowie Richtung und Art des Schadens umfassen. Es genügt, daß der Ersatzpflichtige den entstandenen Schaden zumindest bedingt vorsätzlich zugefügt hat (vgl. Senatsurteile vom 23. Juni 1987 - VI ZR 213/86 - NJW 1987, 3205, 3206 und vom 20. November 1990 - VI ZR 6/90 - NJW 1991, 634, 636; BGH, Urteil vom 14. Juni 2000 - VIII ZR 218/99 - VersR 2000, 1551, 1552). Bedingter Vorsatz ist zu bejahen, wenn der Schädiger das Bewußtsein hat, daß infolge seines Tuns oder Unterlassens der andere der Gefahr eines Schadens ausgesetzt wird, und wenn er diesen möglichen Schaden für den Fall des Eintritts billigend in Kauf nimmt, mag er ihn auch nicht wünschen (vgl. Senatsurteile aaO und BGHZ 147, 269, 278; ebenso BGHZ 148, 175, 182).
b) Nach diesen Grundsätzen hätten die Beklagten als Geschäftsführer bzw. als Prozeßbevollmächtigter der C. im Vorprozeß nur dann mit bedingtem Schädigungsvorsatz (§§ 826, 830 Abs. 2 BGB) gehandelt, wenn sie sich bewußt waren, daß die Klägerin in Folge der von ihnen veranlaßten Verzögerung des Prozesses ernstlich Gefahr lief, wegen einer bevorstehenden Insolvenz der C. mit ihrer Forderung auszufallen; ferner müßten sie diesen Ausfall billigend in Kauf genommen haben. Eine solche Billigung kann zwar nahe liegen, wenn der Täter sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, und wenn
er es dem Zufall überläßt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2001 – VII ZR 305/99 – NJW-RR 2002, 740). Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler verneint. Es hat hierzu nämlich - für den Fall, daß die Zahlungseinstellung der C. erst mit Stellung des Insolvenzantrages am 19. Juli 1999 erfolgt ist - ausgeführt , je länger die Hausbank der C. noch die Forderungen der Gläubiger erfüllt habe, desto eher hätten die Beklagten davon ausgehen dürfen, daß "die vergleichsweise niedrige Forderung der Klägerin" gleichfalls erfüllt werde. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und rechtfertigt die Verneinung eines bedingten Vorsatzes der Beklagten. Das Bewußtsein einer ernstlichen Gefahr, daß die Klägerin mit ihrer Forderung ausfallen werde, liegt nicht nahe, wenn berücksichtigt wird, daß C. – wie von der Revision hervorgehoben wird – zwischen dem 29. September 1998 und dem 19. April 1999 insgesamt 3,79 Millionen DM für bezogene Waren bezahlt hat. Für den Fall, daß die Zahlungseinstellung zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt sein sollte, legt die Revision nicht dar, weshalb dann das Verhalten der Beklagten bei gleicher Kreditlinie ab dem 29. September 1998 als vorsätzliche Schädigung der Klägerin zu werten wäre. Für die Zeit vor diesem Zeitpunkt hat die Klägerin über die Klageerwiderung hinaus keine sittenwidrige und vorsätzliche Schädigungshandlung behauptet. Die Klageerwiderung aber genügt – im Hinblick auf die alsbald bewilligte und in Anspruch genommene Kreditlinie - nicht, um die Kausalität einer sittenwidrigen und vorsätzlichen Schädigungshandlung zu bejahen. Die Revision zeigt schließlich auch keinen vom Berufungsgericht übergangenen erheblichen Sachvortrag auf, aus dem sich ein bedingter Schädi-
gungsvorsatz der Beklagten entnehmen ließe. Die Kenntnis der Beklagten von einer kritischen wirtschaftlichen Situation der C. ist für eine abweichende Beurteilung nicht ausreichend. Die nur allgemeine Vorstellung über eine etwa mögliche Schädigung genügt für den Schädigungsvorsatz nicht. Erforderlich sind das Bewußtsein und zumindest die Billigung des schädigenden Erfolgs der Handlung (vgl. Senatsurteile BGHZ 147, 269, 277 f.; vom 13. Juli 1956 - VI ZR 132/55 - MDR 1957, 29, 30).
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.