Bundesgerichtshof Urteil, 17. Apr. 2002 - VIII ZR 297/01

bei uns veröffentlicht am17.04.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 297/01 Verkündet am:
17. April 2002
Kirchgeßner,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur ergänzenden Auslegung einer Erklärung in einem Unternehmenskaufvertrag,
durch die der Erwerber Schulden des Unternehmens übernimmt.
BGH, Urteil vom 17. April 2002 - VIII ZR 297/01 - OLG Schleswig
LG Kiel
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. April 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter
Dr. Beyer, Wiechers, Dr. Wolst und Dr. Frellesen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 8. Mai 2001 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien, die miteinander verheiratet waren, streiten über eine Schuldübernahmeverpflichtung aus einem Unternehmenskaufvertrag. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Während der Ehe betrieb der Beklagte als Einzelunternehmer eine Einrichtung für soziale Integration und Rehabilitation ("S. ") mit Betriebsstätten in M. und A. . Die Klägerin war ebenfalls in der Einrichtung tätig und erledigte unter anderem Büroarbeiten. Gemäß schriftlicher Vereinbarung vom 28. Januar 1993 gewährten die Eltern der Klägerin dem Beklagten ein Darle-
hen über 500.000 DM, das am 31. Juli 1993 zur Rückzahlung fällig war. Die Klägerin übernahm in derselben Vereinbarung die selbstschuldnerische Bürgschaft für die Rückzahlung des Darlehens und für die Zahlung der Zinsen. Der Darlehensbetrag wurde am selben Tag dem bei der Volksbank E. unterhaltenen Geschäftskonto der vom Beklagten betriebenen Einrichtung gutgeschrieben. Die Rückzahlung des Darlehens erfolgte weder zu dem vereinbarten Zeitpunkt noch später. Im Jahre 1996 trennten sich die Parteien. Im Zusammenhang mit der Trennung und der bevorstehenden Scheidung schlossen sie am 3. Dezember 1996 einen notariellen Unternehmenskaufvertrag, mit dem der Beklagte die von ihm betriebene Einrichtung S. an die Klägerin verkaufte. Hinsichtlich der Übernahme der Aktiva und Passiva enthält der Vertrag unter anderem folgende Regelungen: "§ 2 Es werden alle zum Geschäftsbetrieb gehörenden Gegenstände verkauft und übertragen. Das sind insbesondere das vorhandene Inventar sowie sämtliche Forderungen gegen Bewohner des Heimes und/oder öffentliche Stellen... § 3 Die Käuferin übernimmt alle Darlehensverpflichtungen gegenüber der Volksbank E. eG im Betrage von ca. 1.500.000,00 DM..."
Nach § 6 des Vertrages sollte ein Kaufpreis nicht gezahlt werden. In dem Vertragsentwurf, den der Notar den Parteien vor dem Beurkundungstermin zur Überprüfung zugeleitet hatte, war zunächst folgende Fassung des § 3 vorgesehen:
"Die Käuferin übernimmt die mit dem Geschäftsbetrieb in Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten, insbesondere
a) die Verbindlichkeiten zur Zahlung der Miete an die Käuferin selber,
b) die Darlehensverpflichtung gegenüber der Volksbank E. eG im Betrag von ca. 1.500.000,00 DM."
In diesem Text hatte die Klägerin die Worte "die mit dem Geschäftsbetrieb..." bis einschließlich "b) die Darlehensverpflichtung" gestrichen und durch den handschriftlichen Zusatz "sämtliche Darlehensverpflichtung" ersetzt. Entsprechend dieser Änderung wurde der Vertrag beurkundet, ohne daß der Beklagte dem widersprach. Mit schriftlicher Vereinbarung vom 26. März 1998 traten die Eltern der Klägerin ihre Forderungen aus dem Darlehensvertrag vom 28. Januar 1993 an die Klägerin ab. Den Hauptsachebetrag in Höhe von 500.000 DM macht sie im vorliegenden Verfahren in voller Höhe geltend, nachdem sie erstinstanzlich nur einen Teilbetrag von 100.000 DM eingeklagt hatte. Der Beklagte hält die Klage für unbegründet. Er behauptet, bei Abschluß des Unternehmenskaufvertrages seien sich alle Beteiligten darüber einig gewesen , daß sämtliche Geschäftsverbindlichkeiten von der Klägerin übernommen werden sollten. Dazu habe auch die Verbindlichkeit aus dem betrieblich bedingten und verwendeten Darlehen der Eheleute W. gehört. Die von der Klägerin veranlaßte Änderung des § 3 sei ihm bei der Beurkundung nicht aufgefallen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung des Beklagten einschlieûlich der Klageerweiterung zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, ausgeführt: Die Klägerin könne vom Beklagten die Rückzahlung des Darlehens nicht verlangen, weil ihrem an sich bestehenden Rückzahlungsanspruch auf Grund des Unternehmenskaufvertrages ein Freihalteanspruch des Beklagten entgegenstehe. Die Schuldübernahmevereinbarung in § 3 des Kaufvertrages sei nämlich ergänzend dahin auszulegen, daû sie auch diese Darlehensverbindlichkeit umfasse. Insoweit enthalte der Vertrag eine Lücke, da die Darlehensschuld unstreitig betriebsbezogen sei und wegen ihrer Gröûenordnung hierüber eine Regelung hätte getroffen werden müssen. Die Parteien hätten diesen Punkt jedoch offenbar übersehen. Nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung sei deshalb anzunehmen, daû die Klägerin - entsprechend der Übernahme aller Aktiva - auch alle Passiva einschlieûlich der Darlehensverbindlichkeit gegenüber ihren Eltern übernommen hätte, wenn die Parteien diesen Punkt bedacht hätten. Im übrigen sei die Klägerin, wie sich unter anderem aus einem Schreiben ihres damaligen Rechtsanwalts vom 21. Februar 1997 ergebe, zunächst selbst davon ausgegangen, daû sie für diese Schuld hafte. Die ergänzende Auslegung führe dazu, daû die Klägerin im Verhältnis
zum Beklagten auch gegenüber ihren Eltern für die Rückzahlung des Darlehens hafte.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zwar gehört die ergänzende Vertragsauslegung grundsätzlich zum Bereich der tatrichterlichen Feststellung; sie ist deshalb revisionsrechtlich nur daraufhin nachprüfbar, ob das Berufungsgericht Auslegungs- und Ergänzungsregeln oder Denk- oder Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände unbeachtet gelassen hat (BGHZ 111, 110, 115; BGH, Urteil vom 12. Dezember 1997 - V ZR 250/96, NJW 1998, 1219 = WM 1998, 626). Solche Rechtsfehler sind dem Berufungsgericht jedoch unterlaufen. 1. Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist zunächst, daû die Vereinbarung der Parteien eine Regelungslücke - eine planwidrige Unvollständigkeit - aufweist (BGHZ 127, 138, 142; Senatsurteil vom 10. Oktober 1990 - VIII ZR 370/89, NJW-RR 1991, 176 unter B II 2 a; BGH, Urteil vom 20. Dezember 1996 - V ZR 259/95, NJW 1997, 652). Die Annahme des Berufungsgerichts , der Vertrag vom 3. Dezember 1996 enthalte eine planwidrige Regelungslücke, wird von seinen bisherigen Feststellungen nicht getragen.
a) Eine Regelungslücke liegt dann vor, wenn die Parteien einen Punkt übersehen oder wenn sie ihn bewuût offengelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig gehalten haben, und wenn sich diese Annahme nachträglich als unzutreffend herausstellt. Das Berufungsgericht sieht eine derartige Lücke darin, daû der Vertrag keine Aussage über das unstreitig betriebsbezogene Darlehen der Eheleute W. enthält, obwohl im Hinblick auf die Übernahme aller Aktiva des Unternehmens
und wegen der Gröûenordnung dieser Verbindlichkeit darüber eine Vereinbarung hätte getroffen werden müssen. Dadurch ist nach Auffassung des Berufungsgerichts auch die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit des Inhalts der Vertragsurkunde entkräftet. Das trifft nicht zu. Einen Erfahrungssatz des Inhalts, daû - wie das Berufungsgericht offenbar meint - in einem Vertrag sämtliche Punkte, die mit dem vereinbarten Rechtsgeschäft in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen , geregelt werden, gibt es nicht. Auch wichtige Punkte bedürfen keiner Regelung , wenn sie weder zur Herbeiführung bestimmter Rechtsfolgen noch zur Klarstellung geboten ist. Soll ein bestimmter Punkt von der Vereinbarung nicht berührt werden, soll er also unverändert fortbestehen und hat auch dieser Fortbestand einen Sinn, dann kann aus dem Schweigen des Vertrages nicht auf das Vorliegen einer Regelungslücke geschlossen werden. So liegen die Dinge hier: Die Übernahme der Verbindlichkeit aus dem Darlehen der Eheleute

W.

war für den Erfolg des Unternehmenskaufs nicht erforderlich. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts bedarf es bei einem Unternehmenskauf keiner Verteilung sämtlicher betriebsbezogenen Verbindlichkeiten. Erklärt sich der Käufer eines Unternehmens nur bereit, einzelne Verpflichtungen zu tilgen, so hat der Verkäufer - unbeschadet einer etwaigen zusätzlichen Haftung des Käufers gegenüber dem Gläubiger aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten (vgl. § 25 HGB) - im Verhältnis zum Käufer für die anderen Verbindlichkeiten einzustehen. Das Berufungsgericht hat ferner nicht bedacht, daû der eindeutige Wortlaut von § 3 des Vertrages gegen eine Regelungslücke spricht. In dieser Bestimmung ist ausdrücklich nur von den Darlehensverpflichtungen gegenüber
der Volksbank E. die Rede. Damit sind andere mögliche Verbindlichkeiten des Unternehmens gerade nicht erfaût. Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts liegt die Annahme nahe, daû diese Regelung bewuût abschlieûend sein sollte (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 1990 - V ZR 113/89, NJW 1990, 1723).
b) Gegen die Annahme einer Regelungslücke spricht ferner die Entstehungsgeschichte der beurkundeten Fassung des § 3 des Kaufvertrages, mit der sich das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang nicht auseinandergesetzt hat. Wenn die Klägerin den in dem notariellen Entwurf vorgesehenen Satzteil über die uneingeschränkte Verpflichtung zur Übernahme der betriebsbezogenen Verbindlichkeiten gestrichen und durch die Formulierung "sämtliche Darlehensverpflichtungen gegenüber der Volksbank E. eG" ersetzt hatte, so hatte die Klausel auch in der geänderten Form einen eindeutigen, nicht ergänzungsbedürftigen Wortlaut, der - im Gegensatz zu der vorherigen Formulierung - die den Eltern gegenüber bestehende Darlehensschuld nicht einbezieht. In dieser reduzierten Fassung, gegen die der Beklagte keine Einwendungen erhoben hatte, wurde § 3 des Kaufvertrages - von dem Notar sprachlich geringfügig abgeändert - beurkundet.
c) Angesichts der gegenüber dem Entwurf vorgenommenen unmiûverständlichen Beschränkung der Schuldübernahme auf die Verbindlichkeiten gegenüber einem namentlich genannten Gläubiger und der daraus folgenden Ausklammerung etwaiger Schulden gegenüber anderen Gläubigern hätte es konkreter Tatsachen bedurft, die eindeutig den Schluû darauf zulassen, daû trotz des Wortlauts der Klausel und ihrer Entstehungsgeschichte eine Regelungslücke vorliegt. Es müûten Umstände auûerhalb der Urkunde gegeben sein, die die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit ihres Inhalts ent-
kräften könnten (BGH, Urteil vom 5. Februar 1999 - V ZR 353/97, NJW 1999, 1702 = WM 1999, 965). Dies gilt in besonderem Maûe deshalb, weil es sich um die Auslegung einer notariellen Urkunde handelt, deren Inhalt üblicherweise mit besonderer Sorgfalt und Sachkunde formuliert wird. Solche Umstände sind bisher nicht festgestellt. Die Revisionserwiderung nimmt zwar auf den Vortrag des Beklagten in den Tatsacheninstanzen Bezug, die Erwähnung des Darlehens sei, wie sich schon aus der tatsächlichen Höhe der Bankschulden von nur ca. 600.000 DM statt der genannten ca. 1.500.000 DM ergebe, nur versehentlich unterblieben. Sie hat auch auf die von dem Beklagten behauptete Äuûerung des Notars verwiesen , er, der Beklagte, könne froh sein, auf diese Weise von allen Verbindlichkeiten freizukommen, sowie auf den weiteren Vortrag des Beklagten, die Parteien seien sich bei Abschluû des Unternehmenskaufvertrages in bezug auf die Übernahme sämtlicher Geschäftsverbindlichkeiten durch die Klägerin einig gewesen. Diesem Vorbringen ist das Berufungsgericht aber, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, nicht nachgegangen. Daher fehlt es an entsprechenden Feststellungen, die für den Tatrichter die Annahme einer Regelungslücke , möglicherweise sogar schon eine einfache Auslegung des § 3 des Vertrages in dem von dem Beklagten geltend gemachten Sinne, rechtfertigen könnte. 2. Darüber hinaus verstöût die vom Berufungsgericht vorgenommene ergänzende Auslegung selbst gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichthofes ist bei der ergänzenden Auslegung darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall
bedacht hätten (BGH, Urteil vom 20. Dezember 1996 aaO). Dabei ist zunächst an den Vertrag selbst anzuknüpfen; die darin enthaltenen Regelungen und Wertungen, sein Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Handelt es sich wie hier um einen sogenannten Austauschvertrag, so besteht die Vermutung, daû nach dem Geschäftswillen der Parteien Leistung und Gegenleistung der Parteien in einem ausgewogenen Verhältnis standen (BGH, Urteil vom 18. Februar 2000 - V ZR 334/98, NJW-RR 2000, 894 = WM 2000, 1109; vgl. auch BGHZ 114, 193, 197). Lassen sich nach diesen Kriterien hinreichende Anhaltspunkte für den hypothetischen Parteiwillen nicht finden, etwa weil mehrere gleichwertige Auslegungsmöglichkeiten in Betracht kommen, scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung aus. Im übrigen findet die ergänzende Auslegung ihre Grenze an dem im - wenn auch lückenhaften - Vertrag zum Ausdruck gekommenen Parteiwillen; sie darf daher nicht zu einer Abänderung oder Erweiterung des Vertragsgegenstandes führen (vgl. Senatsurteil vom 10. Oktober 1990 aaO).
a) Diese Grundsätze zieht auch das Berufungsgericht heran. Ohne konkrete tatsächliche Anhaltspunkte hierfür zu nennen, meint es aber, die Parteien seien irrtümlich davon ausgegangen, daû weitere Verbindlichkeiten als die in § 3 des Kaufvertrages angegebenen ca. 1.500.000 DM gegenüber der Volksbank E. nicht bestanden hätten, und das Darlehen der Eltern der Klägerin über 500.000 DM sei von ihnen offenbar übersehen worden; sonst hätte die Klägerin die Darlehensverbindlichkeit gegenüber ihren Eltern ebenfalls übernommen. Gestützt wird diese Erwägung vor allem auf die Annahme, bei einem Unternehmenskauf, bei dem die Übernahme aller Aktiva vereinbart werde, würden regelmäûig auch alle Passiva übernommen. Einen solchen Erfahrungssatz gibt es jedoch nicht. Angesichts der Vielgestaltigkeit der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unternehmens, der mit der Veräuûerung bzw. dem
Erwerb eines Unternehmens verbundenen Zwecke und der denkbaren Vertragsgestaltungen - insbesondere hinsichtlich der Preisbildung - läût sich eine Regel mit dem vom Berufungsgericht angenommenen Inhalt nicht aufstellen.
b) Die vom Berufungsgericht angeführten Indizien für eine auch von der Klägerin hypothetisch gewollte umfassende Schuldübernahme tragen seine Annahme ebenfalls nicht. Zu Recht weist die Revision darauf hin, daû die Klägerin bereits in den Tatsacheninstanzen unter Beweisantritt behauptet hat, die in dem Schreiben ihres früheren Rechtsbeistandes Dr. S. vom 21. Februar 1997 enthaltene Formulierung "... mit der von Ihrer Tochter nicht bestrittenen Darlehensverpflichtung..." beruhe auf einem Miûverständnis; sie habe gegenüber Dr. S. zu keinem Zeitpunkt erklärt, die Darlehensforderung werde von ihr nicht bestritten bzw. sie sei Schuldnerin der Forderung. Dieses Vorbringen hätte das Berufungsgericht nicht unberücksichtigt lassen dürfen (§ 286 ZPO). Entsprechendes gilt für die Erwägung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe schon vor der Übernahme des Unternehmens das Darlehen als ihre Einlage in den Betrieb des Beklagten angesehen. Zwar könnte dieser Umstand , wenn er zuträfe, in der Tat dafür sprechen, daû die Klägerin sich selbst und nicht den in der Darlehensurkunde genannten Beklagten als wahren Darlehensnehmer betrachtet hat und deshalb im Rahmen des Unternehmenserwerbs auch formell die Darlehensverpflichtung übernehmen wollte. Auch insoweit rügt die Revision aber zu Recht eine Verletzung des § 286 ZPO. Das vom Berufungsgericht angenommene Indiz beruht auf einer Behauptung des Beklagten ; diese Behauptung hatte die Klägerin in den Tatsacheninstanzen ausdrücklich bestritten und entsprechenden Gegenbeweis angeboten. Darüber durfte sich das Berufungsgericht nicht ohne Beweisaufnahme hinwegsetzen.

c) Bei der Prüfung der Frage, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht hätten, hat das Berufungsgericht den oben dargestellten Gesichtspunkt des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung auûer acht gelassen. Es hat insbesondere nicht untersucht, ob die Ausdehnung der Schuldübernahmeerklärung der Klägerin auf ein weiteres, von § 3 des Vertrages nicht erfaûtes Darlehen über 500.000 DM das im Regelfall zu vermutende wirtschaftliche Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung berührt, beseitigt oder - was unter Zugrundelegung der Behauptungen des Beklagten gleichfalls denkbar ist - überhaupt erst herbeiführt. Dazu hätte es tatrichterlicher Feststellungen über die tatsächliche Höhe der Verbindlichkeiten gegenüber der Volksbank E. bedurft, die von der Klägerin auf 1.900.000 DM, von dem Beklagten auf ca. 600.000 DM beziffert werden. Wenn nach den Vorstellungen der Parteien die Übernahme der Darlehensschulden die Gegenleistung für das Unternehmen darstellen sollte, war die Höhe der Verbindlichkeiten für die Frage bedeutsam , ob durch die von dem Berufungsgericht vorgenommene ergänzende Auslegung ein annäherndes Gleichgewicht mit dem - von den Parteien gemeinsam zugrunde gelegten - Unternehmenswert hergestellt wurde.

III.

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Da dem Senat eine abschlieûende Entscheidung nicht möglich ist, ist die Sache zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei
werden die Parteien auch Gelegenheit haben, ihr Vorbringen zu den oben erörterten Gesichtspunkten, soweit erforderlich, zu ergänzen. Dr. Deppert Dr. Beyer Dr. Deppert für den wegen Urlaubs an der Unterzeichnung verhinderten Richter am Bundesgerichtshof Wiechers 30. April 2002
Dr. Wolst Dr. Frellesen

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 17. Apr. 2002 - VIII ZR 297/01

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 17. Apr. 2002 - VIII ZR 297/01

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Handelsgesetzbuch - HGB | § 25


(1) Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des frühere
Bundesgerichtshof Urteil, 17. Apr. 2002 - VIII ZR 297/01 zitiert 4 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Handelsgesetzbuch - HGB | § 25


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Referenzen

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die in dem Betriebe begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma gewilligt haben.

(2) Eine abweichende Vereinbarung ist einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist.

(3) Wird die Firma nicht fortgeführt, so haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten nur, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt, insbesondere wenn die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher Weise von dem Erwerber bekanntgemacht worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄ UMNISURTEIL
V ZR 334/98 Verkündet am:
18. Februar 2000
R i e g e l
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
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Haben die Parteien eines Grundstückskaufs über die Kosten, die eine nicht vorhergesehene
Privaterschließung nach sich zieht, keine Regelung getroffen, kann eine
ergänzende Vertragsauslegung dazu führen, daß die gegenüber einer öffentlichen
Erschließung entstehenden Mehrkosten von beiden Teilen gleichmäßig zu tragen
sind (im Anschluß an Senatsurt. v. 16. Januar 1987, V ZR 242/85, BGHR BGB
§ 157, ergänzende Auslegung 2 = NJW-RR 1987, 458).
BGH, Versäumnisurt. v. 18. Februar 2000 - V ZR 334/98 - OLG München
LG München I
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die
Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Lemke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird, unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels, das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 10. Juli 1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Zahlungsanspruch in Höhe eines Teilbetrags von 13.055,81 DM nebst Zinsen und der Feststellungsantrag abgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung der Kläger das Urteil des Landgerichts München I, 4. Zivilkammer, vom 11. November 1997 im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen teilweise abgeändert. Der Anspruch auf Zahlung von 13.055,81 DM nebst Zinsen ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Wegen der Höhe des Zahlungsanspruchs und wegen des Feststellungsanspruchs wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden hat. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Von Rechts wegen

Tatbestand:


Mit notariellem Vertrag vom 25. September 1989 kauften die Kläger von der Beklagten das Wohnungseigentum an einer Doppelhaushälfte in München. Zu den Erschließungskosten wurde vereinbart:
"Alle Kosten, die aufgrund von Maßnahmen der Erschließung anfallen, die bis zum Tag des Besitzübergangs ausgeführt werden, trägt der Verkäufer, außer die Kosten der Straßenerschließung von Norden her. Alle Kosten für Maßnahmen der Erschließung, die ab dem Tag des Besitzübergangs ausgeführt werden, trägt der Käufer , außerdem die Kosten der Straßenerschließung von Norden her. Hierbei ist es gleichgültig, wann und welchem Vertragsteil der Beitragsbescheid zugestellt wird."
Der Teilungsvertrag über die Begründung von Wohnungseigentum vom 29. Dezember 1988 beschränkte die verschiedenen Wohnungseigentümern zugewiesenen Sondernutzungsrechte am Grundstück dahin, daß anderen Miteigentümern über eine Wegefläche der Zugang zu ihrem Sondereigentum gestattet wurde, "solange nicht der Zugang von der Nordseite des Grundstücks möglich ist". Das galt auch für das von den Klägern gekaufte Wohnungseigentum und sollte eine Zufahrt von Süden her ermöglichen. Mit Vertrag vom 26. September/2. Oktober 1996 übertrug die Stadt München verschiedenen Anliegern, darunter den Klägern, die Straßenbaulast für die Anbindung von Norden.
Die Kläger haben vorgetragen, die Beklagte habe ihnen vorgetäuscht, die Zufahrt von Süden sei endgültig. Die Privaterschließung von Norden her werde sie mit anteiligen Kosten von 60.000 DM bis 80.000 DM belasten, bei einer Erschließung durch die Stadt wären Anliegerbeiträge von höchstens 15.000 DM angefallen. Die Kläger haben die bereits entstandenen Kosten der Privaterschließung geltend gemacht, die sie in erster Instanz mit 2.542,86 DM, in zweiter Instanz mit 26.111,61 DM beziffert haben. Außerdem haben sie die Feststellung verlangt, daß ihnen die Beklagte weiteren Schaden zu ersetzen habe.
Die Klage ist in den Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht verneint einen Schadensersatzanspruch. Kaufvertrag und Vertrag über die Begründung von Wohnungseigentum wiesen aus, daß von Norden eine Zufahrt auf Kosten der Kläger zu schaffen sei. Zwar seien die Parteien bei Abschluß des Kaufs davon ausgegangen, daß die Stadt die Nordzufahrt plane, diese herstellen und die üblichen Anliegerkosten (anteilig) auf die Kläger umlegen werde. Unvorhersehbar habe die Stadt vor den Einwänden der anderen Anlieger, insbesondere dem Widerstand gegen die vorgesehene Wendeschleife, kapituliert. Dies habe die Beklagte nicht zu vertreten.

II.


Die Revision hat zum Teil Erfolg.
1. Die Beklagte war trotz ordnungsgemäßer Ladung im Verhandlungstermin nicht vertreten. Deshalb ist über die Revision durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht das Urteil allerdings nicht auf der Säumnisfolge (vgl. BGHZ 37, 79, 81 ff).
2. Die Angriffe gegen die Ablehnung eines Schadensersatzanspruchs greifen allerdings nicht durch. Offen kann dabei bleiben, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt ein Schadensersatzanspruch überhaupt in Frage kommen könnte. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts lag jedenfalls bereits objektiv kein Verstoß gegen die vertraglichen Verhaltenspflichten der Beklagten vor. Die hierzu führende Würdigung des Tatsachenvortrags der Parteien und der vorgelegten Urkunden (§ 286 ZPO) weist keinen Rechtsfehler auf. Der Kaufvertrag selbst hat die Straßenerschließung von Norden her zum Gegenstand und regelt die Frage, wer die hierdurch entstehenden Kosten zu tragen hat, zum Nachteil der Kläger. Der am Tag des Kaufabschlusses beurkundete Nachtrag zum Vertrag über die Begründung des Wohnungseigentums, auf den die Revision abhebt, wiederholt die in der Urkunde vom 29. Dezember 1988 enthaltenen Hinweise auf die zeitliche Begrenzung der die Südzufahrt regelnden Rechte allerdings nicht. Dies ist aber nicht geeignet, das Beweisergebnis des Berufungsgerichts zu erschüttern. Denn die Urkunde über die Begründung des Wohnungseigentums, die den Klägern bei Vertragsabschluß vorlag, war in diesem Punkte nicht ergänzungsbedürftig. Die privatschriftliche Zuweisung eines Stellplatzes hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei dahin gewürdigt, daß
sie nicht geeignet gewesen sei, den Anschein einer endgültigen Zuwegung von Süden her zu erwecken. Von einer weiteren Begründung der Zurückweisung dieser und der weiteren Rügen der Kläger zur Beweiswürdigung sieht der Senat nach § 565 a ZPO ab.
3. Das Berufungsgericht verkennt jedoch, daß der Kaufvertrag der Parteien die Frage, wer die Mehrkosten einer privaten Erschließung zu tragen hat, nicht regelt. Nach den im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, daß es sich hierbei um ein den Parteien nicht bekanntes und für sie auch nicht vorhersehbares Risiko handelte. Auf eine Vertragsauslegung, nach der auch nicht erkennbare, die Grundlagen des Geschäfts berührende, Kostenrisiken der Erschließung zu Lasten der Kläger gingen, stützt sich das Berufungsurteil nicht. Sie würde von den getroffenen Feststellungen auch nicht getragen. Ihr stünde zudem entgegen, daß die Parteien sich gerade veranlaßt sahen, die Frage, ob die Zustellung des Beitragsbescheides an die eine oder die andere Seite Bedeutung haben soll, (negativ) zu regeln. Der Senat ist bei einer vergleichbaren Sachlage von einer Regelungslücke ausgegangen, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auszufüllen ist (Urt. v. 16. Januar 1987, V ZR 242/85, BGHR BGB § 157, ergänzende Auslegung 2). Daran ist auch für den hier zu entscheidenden Fall festzuhalten.
Die ergänzende Auslegung kann der Senat selbst vornehmen, da weitere tatsächliche Feststellungen zur Auslegungsgrundlage nicht zu erwarten und Erfahrungswissen oder Verkehrssitten nicht zu ermitteln sind (Senat, Urt. v. 12. Dezember 1997, V ZR 250/96, BGHR BGB § 157, ergänzende Auslegung 22). Sie führt hier zu dem Ergebnis, daß die Parteien nach Treu und Glauben das seinerzeit fernliegende, in seinen Konsequenzen nicht absehbare
Risiko als redliche Partner zu gleichen Teilen auf sich genommen hätten. Denn nach der für Austauschverträge geltenden Rentabilitätsvermutung (vgl. BGHZ 114, 113) ist davon auszugehen, daß Leistung und Gegenleistung der Parteien in einem ausgewogenen Verhältnis standen. Dem hierin zum Ausdruck kommenden Parteiwillen hat die ergänzende Auslegung Rechnung zu tragen. Dies führt zur Halbteilung. Die Kläger haben daher einen Anspruch darauf, daß die Beklagte die Mehrkosten der Privaterschließung zur Hälfte auf sich nimmt. Dieser Anspruch ist auf Erfüllung gerichtet, unterliegt mithin nicht der für Sachmängel geltenden Verjährung, auf die sich die Beklagte berufen hat (vgl. Senatsurt. v. 2. Juli 1993, V ZR 157/92, WM 1993, 2053).

III.


Die Sache ist zur Zwischenentscheidung über den Grund des Zahlungsanspruchs , soweit er die Hälfte der geltend gemachten Summe, mithin 13.055,81 DM nebst Zinsen, nicht übersteigt, und zur Abweisung der weitergehenden Forderung reif (§§ 565 Abs. 3 Nr. 1, 301, 304 ZPO). Denn es ist angesichts der weitgehend unbestrittenen Kostenpositionen mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, daß der Zahlungsanspruch jedenfalls in irgendeiner
Höhe besteht (vgl. BGHZ 126, 217, 219). Im übrigen ist die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 ZPO).
Wenzel Tropf Krüger Klein Lemke

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.