Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 18. Mai 2011 - 8 TaBV 3/11

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2011:0518.8TABV3.11.0A
bei uns veröffentlicht am18.05.2011

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Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02.12.2010 - 2 BV 33/10 - wie folgt abgeändert:

Der Antrag wird abgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsteller berechtigt ist, auf Kosten des Arbeitgebers an einer Konferenz teilzunehmen.

2

Der Antragsteller ist seit 2004 Hauptvertrauensmann der Schwerbehinderten der US Air Force in Deutschland. Die US-Streitkräfte veranstalteten in der Vergangenheit jährlich ein Treffen unter dem Namen "Tri Service Safety Conference". Dabei handelt es sich um eine teilstreitkräfteübergreifende, europaweite Konferenz der US Air Force, der US Armee und der US Marine, bei der Fragen der Arbeitssicherheit u. ä. behandelt werden.

3

Der Antragsteller wurde bis 2009 regelmäßig von den US-Streitkräften zu dieser Konferenz eingeladen. Für die in der Zeit vom 19.04. bis 23.04.2010 in Sonthofen stattfindende Konferenz wurde ihm eine Teilnahme jedoch nicht mehr genehmigt.

4

Der Antragsteller hat erstinstanzlich geltend gemacht, als Schwerbehindertenvertreter sei er nach § 95 Abs. 4 SGB IX auch Mitglied des Arbeitsausschusses. Andere Mitglieder des Arbeitsausschusses, auch andere Schwerbehindertenvertreter seien zu der Konferenz, die vom 19.04. bis 23.04.2010 stattgefunden habe, eingeladen worden. Da es in der Konferenz vornehmlich auch um Fragen der Arbeitssicherheit gehe, sei seine Teilnahme unabdingbar. Informationen über die aktuellen Sicherheitsbestimmungen würden nur im Rahmen der betreffenden Veranstaltung angeboten.

5

Der Antragsteller hat beantragt,

6

festzustellen, dass er berechtigt ist, an der jährlich stattfindenden Tri Service Safety Conference teilzunehmen und der Antragsgegner die Kosten zu erstatten hat.

7

Die Beteiligte zu 2. hat beantragt,

8

den Antrag abzuweisen.

9

Die Beteiligte zu 2. hat erstinstanzlich geltend gemacht, der Antragsteller habe keinen Anspruch zukünftig an allen Tri Service Safety Konferenzen teilzunehmen. Schon allein aufgrund der Tatsache, dass es sich nicht um eine deutsche und schon gar nicht um eine spezielle Veranstaltung der US Air Force handele, sei deutlich, dass nicht ausschließlich oder überwiegend deutsche arbeitsschutzrechtliche Probleme bei dem Symposium behandelt würden. Die Veranstaltung richte sich lediglich an den Arbeitgeber zum internen Abgleich der Anforderungen, auch der amerikanischen Richtlinien und der länderübergreifenden Regelungen. Es gehe also um rein administrative Fragen (Meldung, Berichte etc.). Dies seien jedoch Dinge, die für den Antragsteller nicht von Belang seien. Selbst wenn jedoch bei der Veranstaltung im Jahr 2010 deutsche Sicherheitsvorschriften erörtert worden seien, so stehe damit keineswegs fest, dass dies auch bei den zukünftigen Konferenzen der Fall sein werde. Die Eigenschaft des Antragstellers als Hauptvertrauensmann der Schwerbehinderten begründe allein noch keinen Anspruch auf Teilnahme an der Konferenz. Es treffe auch nicht zu, dass der Antragsteller gemäß § 95 Abs. 4 SGB IX Mitglied des Arbeitsausschusses sei. Auf der Ebene der Hauptbetriebsvertretung der US Air Force in Deutschland existiere auch kein Ausschuss für Fragen der Arbeitssicherheit. Es sei daher insgesamt nicht ersichtlich, woraus der Antragsteller einen Anspruch auf Teilnahme an der Konferenz herleiten wolle.

10

Zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den tatbestandlichen Teil des Beschlusses des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 02.12.2010 (Bl. 41 f. d. A.) Bezug genommen.

11

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag mit Beschluss vom 02.12.2010 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller sei zwar nicht Mitglied des Arbeitsausschusses, sein Ausschluss von der Teilnahme an der Konferenz vom 19.04. bis 23.04.2010 sei jedoch willkürlich erfolgt. Nachdem er früher stets eingeladen worden sei, hätte es eines sachliches Grundes dafür bedurft, ihn dieses Mal nicht einzuladen.

12

Gegen den ihr am 30.12.2010 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 2. am 10.01.2012 Beschwerde eingelegt und diese am 28.02.2011 begründet.

13

Die Beteiligte zu 2. macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei die Nichteinladung des Antragstellers keineswegs willkürlich erfolgt. Der Antragsteller habe früher als Mitglied der Hauptbetriebsvertretung der US Air Force regelmäßig eine Einladung der US-Streitkräfte zu der betreffenden Konferenz erhalten. Auch nach seinem Ausscheiden aus der Hauptbetriebsvertretung seien ihm diese Einladungen noch jährlich zugesandt worden, wobei nicht mehr nachzuvollziehen sei, warum dies geschehen sei. Im Jahre 2010 habe man festgestellt, dass es keinen nachvollziehbaren Grund für eine Einladung des Klägers mehr gebe. Selbst wenn man mit dem Arbeitsgericht davon ausgehe, dass die Nichteinladung des Antragstellers im Jahr 2010 willkürlich gewesen sei, so folge hieraus noch keineswegs, dass dies auch zukünftig der Fall sein werde. Keineswegs könne die pauschal-globale Feststellung getroffen werden, dass die Arbeitgeberin den Antragsteller künftig immer einladen und für die anfallenden Reise- und Unterkunftskosten aufkommen müsse. Der Antragsteller habe keine nachvollziehbaren Gründe vorgebracht, die den geltend gemachten Anspruch begründen könnten.

14

Die Beteiligte zu 2. beantragt,

15

den erstinstanzlichen Beschluss abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.

16

Der Antragsteller beantragt,

17

die Beschwerde zurückzuweisen.

18

Der Antragsteller verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss und macht u. a. geltend, die bei der betreffenden Konferenz behandelten Themen beträfen auch und in besonderem Maße die Frage, wie sich Probleme der Arbeitssicherheit auf Schwerbehinderte auswirkten. Aus diesem Grund sei er in der Vergangenheit, auch nach Beendigung seines Mandats als Betriebsvertretungsmitglied, zu der Veranstaltung eingeladen worden. Er könne seine Aufgaben gemäß § 95 SGB IX nur dann ordnungsgemäß erfüllen, wenn er die bei der Veranstaltung erteilten Informationen aus erster Hand und zeitnah erhalte.

19

Zur weiteren Darstellung des zweitinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf die im Beschwerdeverfahren zu den Akten gereichten Schriftsätzen Bezug genommen.

II.

20

1. Die statthafte Beschwerde ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das somit insgesamt zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

21

2. Der insgesamt zulässige, insbesondere auch in der zutreffenden Verfahrensart gestellte Feststellungsantrag ist nicht begründet.

22

Der Antrag ist auf die Feststellung gerichtet, dass der Antragsteller einen Anspruch hat, an jeder der unter der Bezeichnung "Tri Service Safety Conference" stattfindenden Konferenzen auf Kosten seines Arbeitgebers teilzunehmen. Ein solcher Anspruch besteht jedoch nicht.

23

Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 96 Abs. 4, 8 SGB IX, wonach die Vertrauenspersonen auf Kosten des Arbeitgebers zum Zwecke der Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen von ihrer beruflichen Tätigkeit freizustellen sind, soweit eine solche Veranstaltung Kenntnisse vermittelt, die für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung erforderlich sind. Dass es sich bei der Tri Service Safety Conference um eine solche Schulungs- bzw. Bildungsveranstaltung handelt, wird weder vom Antragsteller behauptet, noch ergibt sich dies aus seinem Sachvortrag. Der Antragsteller macht diesbezüglich lediglich geltend, er könne sich über aktuelle Sicherheitsbestimmungen nur im Rahmen der betreffenden Konferenz informieren. Es ist indessen nicht ersichtlich, dass bei der Konferenz Kenntnisse vermittelt werden, die (gerade) für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung "erforderlich" im Sinne von § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB IX sind. Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung sind nach näherer Maßgabe des § 95 Abs. 1 SGB IX die Förderung der Eingliederung, die Vertretung der Interessen sowie die Beratung der schwerbehinderten Menschen. Diese Aufgaben erfüllt sie gemäß § 95 Abs. 1 Ziffer 1 SGB IX insbesondere dadurch, dass sie darüber wacht, dass die zu Gunsten schwerbehinderter Menschen geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen und Verwaltungsanordnungen durchgeführt werden. Die Kenntnis dieser Vorschriften ist daher für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung erforderlich. Arbeitsschutzvorschriften betreffen indessen die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmerschaft insgesamt. Sie beinhalten in der Regel keine speziell zugunsten schwerbehinderter Menschen geltenden Bestimmungen. Dass gerade solche, nämlich die Schwerbehinderten betreffenden Vorschriften, deren Kenntnis für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung erforderlich sein könnte, Gegenstand der Tri Service Safety Conference sind, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

24

Soweit im Rahmen einer der zukünftig stattfindenden Tri Service Safety Confe-rence Vorschriften im Sinne von § 95 Abs. 1 Ziffer 1 SGB IX in irgendeiner Form abgehandelt werden, so hat der Antragsteller möglicherweise Anspruch auf Teilnahme an der betreffenden Veranstaltung. Dieser Umstand rechtfertigt indessen nicht die vom Antragsteller begehrte Feststellung, künftig an jeder dieser Konferenzen teilzunehmen. Vielmehr ist das Bestehen eines diesbezüglichen Anspruchs des Antragstellers im Einzelfall zu überprüfen.

25

Der Antragsteller kann seinen Antrag auch nicht mit Erfolg auf die Behauptung stützen, seine Nichteinladung zur Konferenz vom 19.04. bis 23.04.2010 stelle sich als willkürlich dar. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, so folgt hieraus noch keineswegs, dass auch zukünftig jede Nichteinladung des Antragstellers zu der betreffenden Veranstaltung gegen das Willkürverbot verstößt und dieser daher einen Anspruch hat, an all diesen Veranstaltungen auf Kosten des Arbeitgebers teilzunehmen.

26

Soweit der Antragsteller (erstinstanzlich) geltend gemacht hat, seine Teilnahme an der Veranstaltung sei notwendig, um seine Aufgaben im Arbeitsausschuss erfüllen zu können, so steht dem entgegen, dass er - entgegen seiner Ansicht - als Vertrauensmann nicht Mitglied des Arbeitsausschusses ist. Die Schwerbehindertenvertretung hat gemäß § 95 Abs. 4 SGB IX lediglich das Recht, an allen Sitzungen des Arbeitsausschusses beratend teilzunehmen.

27

3. Die Beschwerde des Antragstellers war daher zurückzuweisen.

28

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 92 a ArbGG) wird hingewiesen.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 18. Mai 2011 - 8 TaBV 3/11

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Die Träger der Eingliederungshilfe haben im Rahmen ihrer Leistungsverpflichtung eine personenzentrierte Leistung für Leistungsberechtigte unabhängig vom Ort der Leistungserbringung sicherzustellen (Sicherstellungsauftrag), soweit dieser Teil nichts Abweichendes bestimmt. Sie schließen hierzu Vereinbarungen mit den Leistungsanbietern nach den Vorschriften des Kapitels 8 ab. Im Rahmen der Strukturplanung sind die Erkenntnisse aus der Gesamtplanung nach Kapitel 7 zu berücksichtigen.

(1) Die Träger der Eingliederungshilfe arbeiten mit Leistungsanbietern und anderen Stellen, deren Aufgabe die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen betrifft, zusammen.

(2) Die Stellung der Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts sowie der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege als Träger eigener sozialer Aufgaben und ihre Tätigkeit zur Erfüllung dieser Aufgaben werden durch diesen Teil nicht berührt.

(3) Ist die Beratung und Sicherung der gleichmäßigen, gemeinsamen oder ergänzenden Erbringung von Leistungen geboten, sollen zu diesem Zweck Arbeitsgemeinschaften gebildet werden.

(4) Sozialdaten dürfen im Rahmen der Zusammenarbeit nur verarbeitet werden, soweit dies zur Erfüllung von Aufgaben nach diesem Teil erforderlich ist oder durch Rechtsvorschriften des Sozialgesetzbuches angeordnet oder erlaubt ist.

Die Träger der Eingliederungshilfe haben im Rahmen ihrer Leistungsverpflichtung eine personenzentrierte Leistung für Leistungsberechtigte unabhängig vom Ort der Leistungserbringung sicherzustellen (Sicherstellungsauftrag), soweit dieser Teil nichts Abweichendes bestimmt. Sie schließen hierzu Vereinbarungen mit den Leistungsanbietern nach den Vorschriften des Kapitels 8 ab. Im Rahmen der Strukturplanung sind die Erkenntnisse aus der Gesamtplanung nach Kapitel 7 zu berücksichtigen.