Landgericht Berlin Urteil, 16. Nov. 2017 - 32 O 161/17
Richter
Eingereicht durch
Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner
Landgericht Berlin
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
A-GbR
vertreten d. d. Gesellschafter Dr. B,
Kläger,
- Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Schäfer, Drager & Dietz, Wulffstraße 7, 12165 Berlin,-
g e g e n
1. die Frau C,
2. den Herrn D,
3. die Frau E,
Beklagten,
- Prozessbevollmächtigte:
Rechtsqnwälte Bierbach Streifler & Partner, · Oranienburger Straße '69, 10117 Berlin,-
hat die Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin in Berlin - Charlottenburg, Tegeler Weg 17-21, 10589 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 07.09.2017 durch den Richter am Landgericht Reih als Einzelrichter
f ü r R e c · h t e r k a n n t :
1. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die,Klägerin € 19.016,20 nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB p. a. aus jeweils € 3.995,00 seit dem .04. November 2016, 06. Dezember 2016, 05. Januar 2017, 04. Februar 2017, aus € 3.036,20 seit dem 04. März 2017 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von den Beklagten die Zahlung entgangener Mieten für November 2016 bis April 2017.
Dem liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:
Mit Vertrag vom 09. September 2015 vermietete die Klägerin an die Beklagten Gewerberäume in der D-Straße. Mit Vertrag vom 30. September 2015 vermietete sie einen Kellerraum an die Beklagten. Die vereinbarte monatliche Miete belief sich zuletzt auf insgesamt € 4.754,05.
Nachdem eine von zwei Beklagten unterzeichnete Ratenzahlungsvereinbarung von den Beklagten nicht eingehalten worden war, erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 20. Oktober 2016 die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs.
Die Klägerin beantragt:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin € 19.016,20 nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB p. a. aus jeweils € 4.754,05 seit dem 04. November 2016, 06: Dezember 2016, 05. Januar 2017, 04. Februar 2017 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Es liege keine rechtswirksame Kündigung vor. Beendet worden sei das Mietverhältnis durch eine Kündigung der Beklagten vom 31. Oktober 2016. Es sei vereinbart worden, dass das Inventar in den Mieträumen bleiben könne.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
1.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung in Höhe von jeweils € 3.995,00 für die Monate November 2016 bis Februar 2017 und in Höhe von € 3.036,20 für März 2017 aus §§ 535 II, 546 a 1, 280 1, 314 IV BGB.
a)
Das Vorbringen der Beklagten überzeugt nicht. Wenn eine wirksame Kündigung durch die Klägerin nicht vorliegt, sind die Beklagten zur Mietzahlung verpflichtet. Den Beklagten istder vertragsgemäße Gebrach gewährt worden. Ein Fettabscheider befand sich in den Räumen. Dass sie sonst etwas von der Klägerin verlangt hätten, behaupten sie selbst nicht. Ihr Schreiben vom 31. Oktober 2016 (Anlage B 1, BI. 29 d. A.) enthält keine eigene Kündigung. Ein Grund für eine fristlose Kündigung durch die Beklagten wäre ohnehin nicht ersichtlich, es würde an der erforderlichen Abmahnung fehlen und eine ordentliche Kündigung schiede wegen der Befristung des Mietverhältnisses aus. Gäbe es eine ordentliche Kündigung; wäre diese darüber hinaus wegen der sich aus § 580 a II BGB ergebenden Kündigungsfrist für den hier interessierenden Zeitraum irrelevant. Eine angeblich unwirksame Kündigung ist auch kein Angebot zu einer Vertragsaufhebung (vgl. BGH NJW 1981, 43). Die Vermietung war nicht auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Ein Fettabscheider hätte ohne weiteres eingebaut werden können. Sein etwaiges Fehlen hätte mangels Mängelanzeige und mangels behördlichem Einschreiten auch nicht zu einer Minderung geführt.
b)
Wäre das Mietverhältnis beendet, ergäbe sich der Anspruch der Klägerin aus § 546 a 1 BGB. Dabei handelt es sich um keinen Schadenersatzanspruch, so dass sich die Frage eines Mitverschuldens schon nicht stellen könnte. Zur von den Beklagten geschuldeten Räumung gehörte nicht nur die Entfernung ihres Inventars, sondern auch die Übergabe der Schlüssel für das Mietobjekt an die Klägerin. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob das Inventar wie die Beklagten nunmehr geltend machen, „längst entfernt" ist. Auf die angebliche Äußerung des benannten Zeugen Strube, das Inventar könne in den Mieträumen verbleiben, kommt es nicht an. Die Beklagten machen geltend, dass es ab
Oktober 2016 Gespräche zu einer Nachmieterstellung gegeben habe. Dass die angebliche Äußerung zum Verbleib des Inventars auch für die Zeit nach der Kündigung gelten sollte, nachdem aus Sicht der Klägerin die Stellung eines Nachmieters gescheitert war, ist schon nicht ersichtlich.
c)
Wäre das Mietverhältnis beendet und die Mietsache zurückgegeben, schuldeten die Beklagten die Zahlung als Mietausfallschaden gemäß §§ 314 IV, 280 1 BGB. Die Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung hätten am 19. Oktober 2016 offenkundig vorgelegen, wenn die Beklagten selbst vortragen, am 24. Oktober 2016 € 7.347,43 auf die Mieten gezahlt zu haben, mochte darin auch eine „leichte Überzahlung" enthalten sein. Aus der Zusatzvereinbarung ergibt sich nicht zuletzt auf der Grundlage deren Nr. 5 zugunsten der Beklagten nichts. Mit Schriftsatz vom 28. August 2017 tragen die Beklagten selbst vor, dass die per 15. Oktober 2015 fällige Rate nicht gezahlt war. Für einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht wären die Beklagten darlegungs- und beweispflichtig. Ihr Vortrag, es habe mehrere Interessenten gegeben, die bereit gewesen wären, das Mietobjekt zu den gleichen Konditionen zu übernehmen, ist irrelevant. Maßgeblich wäre, aus welchen Gründen es nicht zu einer Neuvermietung gekommen ist. Die Klägerin war auch nicht verpflichtet, mit dem Makler der Beklagten zusammenzuarbeiten. Es war den Beklagten unbenommen, Interessenten ggf. an die Klägerin zu verweisen. Umsatzsteuer könnte die Klägerin auf Schadenersatz nicht verlangen. Auch diese Frage stellt sich aber nicht, nachdem die Klägerin die Klage mit Schriftsatz vom 10. August 2017 hinsichtlich des Umsatzsteueranteils auf den Mietausfall März und anteilig April 2017 gestützt hat, wobei rechnerisch bereits März 2017 mehr als ausreicht. Soweit die Beklagten pauschal behaupten, die Räume seien als Lager für Baumaterialien genutzt worden ist bereits nicht ersichtlich, dass dies einer Vermietung entgegengestanden hätte, denn bei Anmietung durch einen Interessenten hätten die Räume doch ohne weiteres freigeräumt werden können.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB. Zinsen für März 2017 kann die Klägerin nicht ab November 2016 bis Februar 2017 fordern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 II ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in § 709 S. 1, 2 ZPO.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 16. Oktober 2017 war nicht zu berücksichtigen, § 296 a ZPO.
Reih
Urteilsbesprechung zu Landgericht Berlin Urteil, 16. Nov. 2017 - 32 O 161/17
Urteilsbesprechungen zu Landgericht Berlin Urteil, 16. Nov. 2017 - 32 O 161/17
Die Bundesregierung erstellt durch allgemeine Verwaltungsvorschrift mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung der Aufgaben nach § 62 einen Stufenplan. In diesem werden die Zusammenarbeit der beteiligten Behörden und Stellen auf den verschiedenen Gefahrenstufen, die Einschaltung der pharmazeutischen Unternehmer sowie die Beteiligung der oder des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten näher geregelt und die jeweils nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu ergreifenden Maßnahmen bestimmt. In dem Stufenplan können ferner Informationsmittel und -wege bestimmt werden.
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit es das Arzneimittel Kav-activ Kapseln betrifft.
Insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 20. Mai 2014 wirkungslos.
Bezüglich des Arzneimittels M. 60 wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 20. Mai 2014 zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Die Klägerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen. Gegenstand des Verfahrens ist der Widerruf der Zulassung der Fertigarzneimittel Kav-activ Kapseln und M. 60, die sie bis zum Jahr 2001 in den Verkehr gebracht hatte. Dabei handelt es sich um pflanzliche Angstlöser (Anxiolytika) zur Anwendung bei nervösen Angst-, Spannungs- und Unruhezuständen, die als Wirkstoff den Kava-Kava-Wurzelstock-Trockenextrakt - Piperis methystici rhizoma - in Gestalt eines ethanolischen Auszugs enthalten. Die Anwendungsgebiete der Arzneimittel der Klägerin entsprachen den Vorgaben der Monographie der Kommission E vom 1. Juni 1990.
2Für die Kav-activ Kapseln bestand zunächst eine fiktive Zulassung. Durch Bescheid vom 12. Juni 2002 wurde der Antrag auf Verlängerung der Zulassung (Nachzulassung) abgelehnt. Der Bescheid wurde nach Klagerücknahme der Klägerin am 29. November 2005 bestandskräftig. Für M. 60 ist die beantragte Nachzulassung bisher nicht erteilt worden. Nach der Änderungsanzeige aus dem Jahr 1996 lautete die Dosierungsempfehlung für dieses Präparat zweimal täglich 1 Kapsel, wobei 1 Kapsel 60 mg Kavapyrone enthielt.
3Im Jahr 2001 leitete das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgrund von Berichten über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen in Gestalt lebertoxischer Effekte bei acetonischen Kava-Kava-Auszügen insbesondere aus der Schweiz ein Stufenplanverfahren nach § 63 AMG ein. Im Jahr 2002 wurde die Verschreibungspflicht für Kava-Kava-Arzneimittel beschlossen. Nach Anhörung der betroffenen pharmazeutischen Unternehmen widerrief das BfArM mit Bescheid vom 14. Juni 2002 erstmals die Zulassungen Kava-Kava- und Kavain-haltiger Arzneimittel bis zu einer homöopathischen Verdünnung von D4. Hiergegen legten die betroffenen Unternehmen Widerspruch ein, woraufhin das BfArM an der Widerrufsentscheidung nicht festhielt, sondern stattdessen mit Bescheid vom 12. Mai 2005 ein befristetes Ruhen der betroffenen Zulassungen anordnete.
4Nachdem zwischen den beteiligten Unternehmen, ihren Verbänden und dem BfArM über die Art des vorzulegenden wissenschaftlichen Erkenntnismaterials keine Einigung erzielt werden konnte, widerrief die Behörde mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 21. Dezember 2007 die Zulassungen Kava-Kava- und Kavain-haltiger Arzneimittel und homöopathischer Zubereitungen aus Kava-Kava-Zubereitungen. Es bestehe weiterhin der Widerrufsgrund des § 30 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG, da der begründete Verdacht schädlicher Wirkungen auch unter Berücksichtigung der von den betroffenen Unternehmen und ihren Verbänden vorgelegten Unterlagen fortbestehe. Das Ruhen der Zulassungen sei angeordnet worden, um den betroffenen Unternehmen Gelegenheit zu geben, Studienergebnisse vorzulegen, die die Wirksamkeit in dem beanspruchten Anwendungsgebiet in einem Maße belegten, dass die bekannten hepatotoxischen Risiken vertretbar seien. Die vorgelegten toxikologischen Untersuchungen lieferten keine hinreichende Grundlage für die Risikoabschätzung. Anhand der in-vitro-Studien könne zwar ein gewisser Toxizitätsvergleich der untersuchten Kava-Kava-Extrakte bzw. Kavalactone aufgestellt werden. Eine direkte Risikoabschätzung bzw. ein Unbedenklichkeitsnachweis für die Anwendung sämtlicher Arten von Kava-Kava-Extrakten am Menschen könne daraus aber nicht abgeleitet werden. Die in-vivo-Studien wiesen methodische Mängel auf und seien deswegen nicht bewertungsfähig. Zudem beschränke sich die Aussagekraft der Studie von DiSilvestro et al. auf einen bestimmten Kava-Kava-Extrakt und könne deswegen nicht zur Risikoabschätzung von Kava-Kava-Arzneimitteln allgemein herangezogen werden. In der Studie von L. Sorrentino et al. seien nicht genügend Parameter zum Ausschluss der Lebertoxizität erhoben worden. Zudem fehlten Daten zur Pharmakokinetik bzw. Toxikokinetik der potentiell toxischen Inhaltsstoffe. Es sei weiterhin unklar, ob die Ratte die geeignete Tierspezies sei, um vergleichbare hepatotoxische Effekte auszulösen, wie sie aufgetreten seien. Die nachgereichten Publikationen lieferten keine Erkenntnisse, die eine Hepatotoxizität der von dem Stufenplan betroffenen deutschen Kava-Kava-haltigen Arzneimittel ausschlössen oder relativierten. Deren Fehlen in den vorliegenden Untersuchungen stehe im Widerspruch zu den klinischen Befunden. Mangels weiterer Untersuchungen, die die pharmazeutischen Unternehmen zwar angekündigt, aber nicht durchgeführt hätten, seien nach wie vor weder die Mechanismen der klinisch aufgetretenen hepatotoxischen Effekte noch das klinisch relevante Toxin bekannt.
5Der Bescheid enthält eine Zusammenfassung der vorliegenden Erkenntnisse zum Risiko der Einnahme Kava-Kava-haltiger Präparate und verweist insoweit auf einen Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 2007, der eine Bewertung von 93 Fallberichten zu Leberschädigungen enthalte. Außerdem wird in dem Bescheid auf den Bericht der britischen Gesundheitsbehörde Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency (MHRA) vom 27. Juni 2006 verwiesen, in dem - nach Ländern gegliedert - die bei der MHRA eingegangenen Meldungen zu 110 Nebenwirkungsverdachtsfällen weltweit - darunter die überwiegende Anzahl aus Deutschland - aufgeführt sind.
6Den hiernach bestehenden Risiken stehe der Umstand gegenüber, dass neuere Untersuchungen zum Beleg der Wirksamkeit Kava-Kava- sowie Kavalacton-haltiger Arzneimittel nicht vorgelegt worden seien. Bei Arzneimitteln, für die es - jedenfalls bei der vorgeschlagenen Dosierung - keine ausreichenden Wirksamkeitsbelege gebe, sei ein nicht zu eliminierendes Risiko nicht hinnehmbar, wenn es um schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) gehe. Risikominimierende Maßnahmen wie die Unterstellung unter die Verschreibungspflicht, die Begrenzung der Dosierung und Leberfunktionstests rechtfertigten keine abweichende Bewertung, zumal bei der Behandlung von Angststörungen mit Benzodiazepinen, Buspiron und einigen Serotoninwiederaufnahmehemmern wie Paroxetin und Citalopram therapeutische Alternativen zur Verfügung stünden. Deren Wirksamkeit in der Behandlung von unterschiedlichen Formen von Angststörungen sei im Gegensatz zu Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln in mehreren klinischen Studien gut untersucht und belegt worden. Das bei Benzodiazepinen bestehende Abhängigkeitsrisiko rechtfertige es nicht, das mit Kava-Kava-Produkten verbundene Risiko hinzunehmen.
7In einer zusammenfassenden Bewertung führte das BfArM aus, dass bei monographiekonformer Dosierung bis 120 mg als Tagesdosis Kava-Pyronen das Risiko von Leberschädigungen zwar geringer, aber immer noch deutlich vorhanden sei. Bei Dosierungen oberhalb von 120 mg Kava-Pyrone bestehe zwar ein gewisser Anhalt für die Wirksamkeit; das Risiko für Leberschäden sei dann aber zu groß.
8Die Klägerin erhob gegen den Bescheid Widerspruch. In einer Stellungnahme des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller e.V. (BAH) zum Widerruf der Zulassungen, die sich die Klägerin zu eigen machte, führte der Verband aus, die Annahme schädlicher Wirkungen Kava-Kava- und Kavain-haltiger Arzneimittel sei unzutreffend. Das BfArM habe die neu vorgelegten toxikologischen Untersuchungen nicht bewertet bzw. keinen nachvollziehbaren Bewertungskriterien unterworfen. Die Kommission E habe in ihrer Sitzung vom 27. Februar 2002 unter dem Vorbehalt bestimmter Sicherheitsmaßnahmen ein klares Votum zur weiteren Verkehrsfähigkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel abgegeben. Auch berücksichtige der Bescheid nicht, dass § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG in seiner seit dem 6. September 2005 geltenden Fassung keinen „begründeten Verdacht schädlicher Wirkungen“, sondern ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis voraussetze. Kava-Kava erfülle die Voraussetzungen eines „well-established use“. Es werde seit Jahrzehnten in der Europäischen Union medizinisch verwendet. Wirkungen und Nebenwirkungen seien bekannt. Neue klinische Studien könnten folglich nicht verlangt werden. Zudem könne eine klinische Studie keine Erkenntnisse über seltene Nebenwirkungen liefern. Anlass zu Kritik an den eingereichten toxikologischen Studien bestehe nicht. Andere therapeutische Ansätze wie z.B. Benzodiazepine stellten aufgrund ihrer Risiken keine therapeutische Alternative dar. Andere Arzneistoffe wiesen das gleiche oder sogar ein höheres Risiko für Leberschädigungen und zudem weitere schwerwiegendere unerwünschte Effekte als Kava-Kava auf, insbesondere sei ein Anstieg der Suizidrate bekannt. Die Ergebnisse des Berichts der MHRA seien wegen der gänzlich anderen Indikation in Großbritannien (Blasenerkrankungen) nicht übertragbar. Die Bewertung der vorliegenden Fallmeldungen sei nicht sachgerecht. Ihre Inzidenzrate werde vom BfArM nach wie vor nicht berücksichtigt.
9In der Folgezeit führten Gespräche und Schriftwechsel zwischen den pharmazeutischen Unternehmen und dem BfArM zu keinem Ergebnis. Der Widerspruch der Klägerin blieb zunächst unbeschieden.
10Unter dem 28. März 2011 richtete die Klägerin für das Arzneimittel M. 60 eine Änderungsanzeige an das BfArM, deren Inhalt die Verdoppelung der Dosierung auf 4 mal täglich 1 Kapsel (= 240 mg Kavapyrone) war. In den beigefügten Fach- und Gebrauchsinformationen, Stand März 2011, ist
11unter den Gegenanzeigen u.a. eine vorbestehende Leberschädigung aufgeführt. Unter der Rubrik „Nebenwirkungen“ enthalten sie den Hinweis auf in Einzelfällen aufgetretene Leberschäden, die sich nach Absetzen zurückbildeten. Als Wechselwirkung sei eine Wirkungsverstärkung von zentral wirksamen Substanzen wie Alkohol, Barbituraten, Psychopharmaka und Muskelrelaxanzien möglich. Die Anwendungsdauer solle ohne ärztlichen Rat nicht länger als drei Monate betragen.
12Die Klägerin hat am 20. Dezember 2011 die vorliegende Klage – hinsichtlich Kav-activ-Kapseln und hinsichtlich M. 60 – zunächst als Untätigkeitsklage erhoben und zugleich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung deren aufschiebender Wirkung beantragt (VG Köln 7 L 1920/11). Diesen Antrag hat sie am 24. Mai 2012 zurückgenommen.
13Zur Begründung der Klage hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Der Widerruf der Zulassungen sei rechtswidrig. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis für Kava-Kava-haltige Arzneimittel, die auf einem ethanolischen Extrakt des Kava-Kava-Wurzelstocks basierten, sei nicht ungünstig. Die Wirksamkeit des Arzneimittels sei bei einer Dosierung von 240 mg Kava-Pyrone, berechnet nach der Hochleistungsflüssigkeitschromatographie-Methode - engl. high performance liquid chromatography – (HPLC-Methode) auf sechs Kava-Pyrone, belegt. Die von der Kommission E angegebenen 120 mg Kava-Pyrone seien mittels Dünnschichtchromatographie (DC) beschränkt auf drei Kava-Pryrone berechnet worden. Deswegen entsprächen 120 mg Kava-Pyrone berechnet nach der DC-Methode 240 mg Kava-Pyrone berechnet nach der HPLC-Methode. Überdies sei Ende der achtziger Jahre eine exakte quantitative Bestimmung aller maßgeblichen sechs Kavalactone auch mit Hilfe der HPLC-Methode nicht möglich gewesen. Demzufolge entsprächen die in der Monographie ermittelten 120 mg nicht dem Gesamtgehalt an Kavalactonen. Vielmehr sei der Kavalactongehalt der Kava-Produkte, die in der Monographie Berücksichtigung gefunden hätten, nach heutigen Standards wesentlich höher anzusetzen.
14Der Einwand des BfArM, die Mittel seien nicht wirksam, beruhe darauf, dass die betroffenen Unternehmen auf entsprechende Forderung des BfArM die Dosierung halbiert hätten, um sich numerisch an die Monographie anzupassen. Das sei inzwischen mit Blick auf die unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen durch die mit der Änderungsanzeige erfolgte Anhebung auf die alte Menge von 240 mg Kava-Pyrone korrigiert worden. Bei der Bewertung der Wirksamkeit müsse deswegen nach aktuellem Stand der Zulassung für alle betroffenen Arzneimittel eine Dosierung von 240 mg Kava-Pyrone zugrunde gelegt werden.
15Die vorliegenden Fälle unerwünschter Ereignisse im Zusammenhang mit Kava-Kava seien vom BfArM unrichtig und teilweise anders als von anderen Institutionen bewertet worden. Auf der Grundlage der Auswertung durch Teschke et al. aus dem Jahr 2008 ergäben sich lediglich drei Fälle, in denen überhaupt von einer Auslösung durch Kava-Kava auszugehen sei. In zwei dieser Fälle habe es sich um acetonische Extrakte gehandelt. Der verbleibende Fall stehe im Zusammenhang mit einer Allergie. Die Häufung von UAW-Meldungen in den Jahren 2001 und 2002 sei zudem durch die aktive negative Informationspolitik des BfArM zu erklären. Im Gegensatz zum BfArM habe die schweizerische Behörde nicht auf Vorlage präklinischer Studien bestanden, sondern nur eine Anwendungsbeobachtung gefordert, die jedoch wegen des deutschen Kava-Kava-Verbots abgebrochen worden sei. In den USA würden Kava-Kava-Produkte nach wie vor als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebracht.
16Die Risiken in Betracht zu ziehender Alternativpräparate - insbesondere Benzodiazepine und Antidepressiva - seien ungleich höher als die der betroffenen Kava-Kava-Produkte. Das angestrebte Ziel der Verminderung von Therapierisiken könne mit dem Widerruf nicht erreicht werden. Anstelle des geringeren Risikos von Kava-Kava-Produkten lasse das BfArM zu, Arzneimittel einzusetzen, deren Anwendung für die Patienten mit weit größeren Risiken verbunden sei. Noch bis zum Jahr 2001 habe das BfArM Neuzulassungen für Kava-Kava-haltige Arzneimittel erteilt.
17Mit Bescheid vom 15. Februar 2012 hat das BfArM den Widerspruch der Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung seiner vorherigen Ausführungen zum Risiko der Anwendung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel als unbegründet zurückgewiesen. In Deutschland seinen 48 Fälle lebertoxischer Reaktionen registriert worden, von denen 26 ausreichend gut dokumentiert seien. In sieben Fällen habe eine Lebertransplantation vorgenommen werden müssen. Zwei dieser Patienten und eine Patientin ohne Lebertransplantation seien verstorben. In zwei Fällen sei die lebertoxische Reaktion nach Absetzen des Kava-Kava-Produkts zurückgegangen und bei Reexposition erneut aufgetreten. In dreizehn Fällen sei aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs, des Fehlens lebertoxischer Faktoren und einer entsprechenden Komedikation ein Kausalzusammenhang wahrscheinlich. In einzelnen dieser Fälle sei eine synergistische Beteiligung eines anderen Arzneimittels (z.B. eines Estrogens) als möglich anzusehen, ohne dass dies die Annahme gerechtfertigt hätte, dass das Kava-Kava-Arzneimittel nicht an der hepatotoxischen Reaktion beteiligt gewesen wäre. In weiteren fünf spontan gemeldeten Fällen sei ein Kausalzusammenhang „möglich bis wahrscheinlich“ und in den restlichen Fällen „möglich“. Aus den dargestellten Fällen gehe hervor, dass Kava-Kava eindeutig das Potential zu schwerer Lebertoxizität habe. Der Effekt weise ein durchaus charakteristisches Muster auf mit einem zeitlichen Gipfel bei drei bis vier Monaten nach Medikationsbeginn und einer wahrscheinlich höheren Toxizität bei höheren Dosen. Zur toxikologischen Bewertung von Kava-Kava-Extrakten fehlten weiterhin nach heutigen Standards durchgeführte Tierstudien. Die Wirksamkeit der ethanolischen Kava-Kava-Auszüge als Anxiolytikum sei unverändert als nicht belegt anzusehen. Ein Vergleich des Nutzen-Risiko-Profils mit therapeutischen Alternativen setze diesen Wirksamkeitsnachweis aber voraus.
18Mit Auflagenbeschluss vom 30. Oktober 2012 hat das Verwaltungsgericht der Beklagten aufgegeben, eine Zusammenstellung nebst Wirksamkeitsbelegen und Nebenwirkungsprofil von Benzodiazepin-haltigen, in Deutschland verkehrsfähigen Arzneimitteln vorzulegen, deren Anwendungsgebiet ganz oder teilweise der Indikation „Nervöse Angst-, Spannungs- und Unruhezustände“ entspricht. Zugleich hat es der Klägerin aufgegeben, darzulegen, ob und unter welchen Voraussetzungen toxikologische Untersuchungen in vivo mit dem Wirkstoff ihres Arzneimittels an einer weiteren Tierart, die nicht Nagetier ist, durchgeführt werden können.
19Die Beklagte ist diesen Auflagen nachgekommen und hat hierzu erwidert, es sei reine Spekulation und durch nichts belegt, dass Patienten nach dem Verbot von Kava-Kava auf Benzodiazepine übergegangen seien. Deren Verwendung sei durch die Hinweise an die Ärzte zum bestimmungsgemäßen Gebrauch von Benzodiazepin-haltigen Präparaten limitiert. Auch weise die Fachinformation auf den überwiegenden Einsatz dieser Arzneistoffe bei schweren Angstzuständen, Schlafstörungen sowie zur Behandlung von Muskelverspannungen und Epilepsien sowie die zeitliche Begrenzung einer Behandlung hin. Zur symptomatischen Behandlung von Angstzuständen (Leitsymptomatik: Angst, innere Unruhe, Spannungszustände) stehe der Wirkstoff Buspiron zur Verfügung, ein Serotonin ohne erhöhtes Abhängigkeitspotential, aber mit verzögertem Wirkungseintritt. Daneben hat das BfArM auf unterschiedliche Psychopharmaka, ferner auf andere pflanzliche Präparate wie Baldrian, Hopfen, Melisse, Passionsblume oder Johanniskraut verwiesen. Die von Klägerseite vertretene Annahme unterschiedlicher Risiken verschiedener Kava-Kava-Kultivare sei spekulativ, da sich die Nebenwirkungsmeldungen gleichmäßig auf die verschiedenen Kultivare und Extrakte verteilten. In einem Fall sei es sogar zu einer „positiven Rechallenge“ - einem Wiederauftreten der Nebenwirkung nach erneuter Gabe - gekommen, was eine gesicherte Kausalität begründe. Zudem habe sich in mehreren vom National Toxicology Program (NTP) der USA mit einem handelsüblichen Kava-Kava-Extrakt durchgeführten Studien ergeben, dass die Leber Hauptzielorgan toxischer und kanzerogener Effekte sei.
20Die Klägerin hat sich in ihrer Gegenäußerung zum Auflagenbeschluss gegen das Erfordernis weiterer tierexperimenteller Toxizitätsstudien gewandt und dazu ausgeführt: Das bisherige Datenmaterial habe ein hepatotoxisches Potential von Kava-Kava nicht belegen können. Nebenwirkungen seien insoweit in der Vergangenheit in erster Linie bei acetonischen Kava-Kava-Extrakten und minderwertigen Sorten aufgetreten. Unter Zugrundelegung des zutreffenden Bewertungsschemas wären zahlreiche Meldungen nicht auf Kava-Kava zurückzuführen. Der einzelne Fall einer Rechallenge hätte in diesem Licht unter dem Gesichtspunkt einer Allergie bewertet werden müssen. Zur Gewinnung weiterer Erkenntnisse über das Risiko am Menschen sei eine Beobachtung von Patienten im Rahmen der laufenden Behandlung geeignet (sog. Post Authorisation Safety Study, „PASS“). Entsprechendes sei vom BfArM auch im Fall von Pelargonium („Umckaloabo“) akzeptiert worden. Die bestehende toxikologische Datenlage reiche aus. Es lägen allein in Deutschland Erfahrungswerte über einen Zeitraum von 100 Jahren vor. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang u.a. auf eine Reihe - teils neuerer - Studien, die ein hepatotoxisches Risiko des ethanolischen Extrakts, insbesondere bei einer Anwendungsdauer von bis zu vier Wochen, nicht hätten belegen können. In den USA sei Kava-Kava nach wie vor unbeanstandet als Nahrungsergänzungsmittel verkehrsfähig. Kanzerogene Effekte seien bei Mäusen festgestellt worden; dieses Spezies-spezifische Phänomen trete in dieser Form auch bei Benzodiazepinen auf und erfordere eine Langzeitgabe sehr hoher Dosen. Zudem hätten andere Studien gezeigt, dass Kava-Kava nicht mutagen sei. Die Beklagte lasse - der Zulassungspraxis des BfArM widersprechend - bei der Auswertung der Nebenwirkungsmeldungen konsequent die erforderliche Differenzierung der Arzneimittel nach Art der Droge und Extraktionsmittel vermissen.
21Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten seien Benzodiazepine bei der Nutzen-Risiko-Abwägung von Kava-Kava durchaus in den Blick zu nehmen. Die Beklagte selbst benenne Benzodiazepine als risikoärmere Alternative zu Kava-Kava. Angesichts des teilweise identischen Anwendungsgebiets von Kava-Kava und mit Blick auf die Verschreibungszahlen 1998 und 1999 lasse sich feststellen, dass bei etwa jeder 10. Verordnung die Wahl auf Kava-Kava als risikoärmere Alternative zu Benzodiazepinen gefallen sei. Das von der Beklagten aufgrund des Auflagenbeschlusses vorgelegte Material belege ein erhebliches Nebenwirkungspotential von Benzodiazepinen, die in ihrer Schwere einer Hepatotoxizität entsprächen oder über diese hinausgingen, wie etwa die Gefahr einer missbräuchlichen Überdosierung und Selbsttötungen unter Zuhilfenahme von Benzodiazepinen. Auch das von der Beklagten angeführte Buspiron weise ein größeres Abhängigkeitspotential als Kava-Kava auf und sei nebenwirkungsbehaftet. Vergleichbares gelte für Antidepressiva, auch in Bezug auf Leberschädigungen. Johanniskraut zeige Wechselwirkungen zu anderen Arzneimitteln, führe zu Lichtempfindlichkeit und müsse über einen längeren Zeitraum eingenommen werden, um überhaupt eine Wirkung zu zeitigen.
22Auch bestehe eine Asymmetrie in der Risikobewertung des BfArM bei Phytopharmaka. Es stelle sich die Frage, warum bei einem freiverkäuflichen Arzneimittel wie „Umckaloabo“ mit dem Wirkstoff aus der Pelargoniumwurzel, das ebenfalls im Verdacht stehe, Leberschädigungen hervorzurufen, dieses Risiko in Kauf genommen werde, bei Kava-Kava jedoch trotz von den Unternehmen angebotener Transaminasen-Kontrollen, der Verschreibungspflicht und des hochwertigen Anwendungsgebiets die Zulassungen widerrufen würden.
23Die Klägerin hat beantragt,
24den Bescheid des BfArM vom 21. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2012 aufzuheben.
25Die Beklagte hat beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Sie hat ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft und ergänzend Folgendes ausgeführt: Die von der britischen Gesundheitsbehörde in ihrem Bericht aus dem Jahr 2006 aufgeführten 110 Nebenwirkungsverdachtsfälle beschränkten sich nicht auf acetonische Extrakte, sondern hätten in der Mehrzahl der Fälle ethanolische Extrakte betroffen. Die seitens der Unternehmen vorgelegten toxikologischen Untersuchungen seien nicht geeignet, die Risikofreiheit des Wirkstoffs zu belegen. Insbesondere geeignete Tierstudien stünden aus. Eine Kurzzeitanwendung von nur vier Wochen sei angesichts des Krankheitsbildes auch wenig realistisch. Die einschlägigen Guidelines forderten eine Studiendauer bei Nicht-Nagern von neun Monaten. Auch die Wirksamkeit sei nicht hinreichend belegt. Insbesondere sei die Darstellung, die Monographie der Kommission E beruhe auf einer DC-Messung, nicht belegt. Aus den Unterlagen zur Monographieerstellung der Kommission E gehe hervor, dass die Bestimmung auch zum damaligen Zeitpunkt schon mit der HPLC-Methode erfolgt sei. Die zwischenzeitliche Erhöhung der Tagesdosis über den monographiekonformen Wert von 60 bis 120 mg Kava-Pyrone hinaus sei nicht geeignet, das negative Nutzen-Risiko-Verhältnis zu ändern. Der Klägerin sei zwar darin zuzustimmen, dass in der Phytotherapie der arzneilich wirksame Bestandteil durch das Extraktionsmittel und das Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV) eindeutig gekennzeichnet sei und eine Änderung des Extraktionsmittels bzw. des DEV auch zu einem anderen Wirkstoff führe. Nur die Berücksichtigung ethanolischer Extrakte reduziere aber auch das zugunsten der Klägerin vorgelegte Studienmaterial immens, da dann alle Ergebnisse zu wässrigen, acetonischen oder CO2-Extrakten nicht berücksichtigungsfähig seien. Die Beklagte sieht sich durch die NTP-Studie in ihrer Risikobewertung bestätigt. Dass die US-amerikanische Behörde hieraus keinen Handlungsbedarf abgeleitet habe, sei ohne Belang. Die von der Klägerin herangezogenen neueren Studien seien nicht hinreichend aussagekräftig. Die Möglichkeit der Anordnung von Post Authorization Safety Studies sei erst durch das 2. AMG-Änderungsgesetz vom 19. Oktober 2012 geschaffen worden.
28Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des BfArM vom 21. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2012 durch Urteil vom 20. Mai 2014 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Nutzen-Risiko-Verhältnis Kava-Kava-haltiger Arzneimittel der hier streitgegenständlichen Art erweise sich nicht als ungünstig. Wenngleich die Monographie „Piperis methystici rhizoma" der Kommission E vom 1. Juni 1990, aus der die Klägerin die Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel im Wesentlichen herleite, nicht auf einer aktuellen Erfordernissen genügenden klinischen Erprobung des Wirkstoffs beruhe, sei sie in der Folgezeit Grundlage für eine Vielzahl von Zulassungen und Nachzulassungen Kava-Kava-haltiger Präparaten gewesen, ohne dass insoweit eine sachliche Unterscheidung zwischen ethanolischen und anderen Auszügen erfolgt sei. Diese Wirksamkeitsaussage habe das BfArM im gerichtlichen Verfahren nicht substantiiert angegriffen. Auch habe sich die Kommission E noch im Jahre 2002 in Kenntnis der bekannten Risikoaspekte für die Verkehrsfähigkeit der Produkte unter dem Vorbehalt bestimmter Sicherheitsmaßnahmen ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund könne den vom Widerruf betroffenen Arzneimitteln ungeachtet ihrer Dosierung nicht jede Wirksamkeit von vornherein abgesprochen werden. Wegen des abweichenden Prüfungsmaßstabs des § 30 Abs. 1 AMG komme es auf die Frage, ob die Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel in einer den Anforderungen des § 22 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 3 AMG genügenden Weise begründbar sei, nicht an.
29Dem durch die Zulassungsbescheide belegten Nutzen der Präparate in den Anwendungsgebieten „nervöse Angst, Spannungs- und Unruhezustände" stünden Anwendungsrisiken in Gestalt hepatotoxischer Ereignisse gegenüber. Die in dem Bericht der WHO dokumentierten Fälle lebertoxischer Reaktionen seien im Rahmen einer quantitativen Gewichtung angesichts der weiten Verbreitung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel als „selten" oder „sehr selten" auftretende Nebenwirkungen auszuweisen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin nachvollziehbar dargelegt habe, dass in die Berichte der WHO und der MHRA auch Meldungen aus Deutschland eingeflossen seien und deswegen eine doppelte Berücksichtigung ein und desselben Ereignisses nahe liege. Inhaltlich sei das zu den hepatotoxischen Nebenwirkungen vorliegende Zahlenmaterial nicht konsistent. Das aus Großbritannien ausgewertete Zahlenmaterial beziehe sich auf die Anwendung von Kava-Kava in einem anderen Anwendungsgebiet, nämlich Blasenerkrankungen. Zudem erschwere die Multikausalität von Leberschädigungen die Zuordnung zu einer bestimmten Medikamentengabe. Die Klägerin habe nachvollziehbar dargelegt, dass es auch in sog. „Rechallenge-Fällen" einer Dokumentation der Komedikation bedürfe, um eine tragfähige Wahrscheinlichkeitsaussage treffen zu können. In der vorliegenden Gestalt lasse das Zahlenmaterial nur die Aussage einer möglichen Verknüpfung von Nebenwirkungen durch Kava-Kava-Gabe zu. Dies gelte auch für ethanolische Extrakte.
30Im Rahmen der Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses hat das Verwaltungsgericht zunächst darauf hingewiesen, dass das monographierte Anwendungsgebiet „nervöse Angst, Spannungs- und Unruhezustände" sich mit dem für Benzodiazepine zugelassenen Anwendungsgebiet überschneide. Obwohl es sich bei Letzteren um zugelassene und verschreibungspflichtige Arzneimittel handele, gingen von diesen Wirkstoffen erhebliche Gefahren aus. Es bestehe schon bei therapeutischen Dosierungen ein sehr hohes Abhängigkeitspotential. Benzodiazepine würden weltweit als Medikamente mit der höchsten Missbrauchsrate gelten. Seit 2002 habe es für Benzodiazepine insgesamt 4.478 UAW-Meldungen gegeben, die sich über eine Vielzahl von unerwünschten Nebenwirkungen erstreckten und - soweit schwer - bei Suizidversuchen und Suchtmissbrauch deutliche Spitzen aufwiesen, vereinzelt aber auch Leberschädigungen zeigten. Vor diesem Hintergrund könne nicht von einer risikoärmeren Alternative zu Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln ausgegangen werden. Das gelte in abgeschwächter Form auch für das vom BfArM angeführte Buspiron und die erwähnten Antidepressiva. Zudem seien im Rahmen einer am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Übermaßverbot orientierten Nutzen-Risiko-Abwägung andere regulatorische Maßnahmen zur Risikominimierung zu berücksichtigen, die eine weitere Verkehrsfähigkeit der Produkte ohne unvertretbare Gefahren für die öffentliche Gesundheit gewährleisteten. Hierzu zählten die Verschreibungspflicht, Gegenanzeigen, Anwendungsbeschränkungen, eine ausdrückliche Beschränkung der Anwendungsdauer sowie eine begleitende regelmäßige Erhebung der Leberwerte. Hinzu trete die nunmehr gemäß § 28 Abs. 3b Satz 1 Nr. 2 AMG auch nach Erteilung der Zulassung bestehende Möglichkeit der Bundesoberbehörde, im Wege der Auflage anzuordnen, Unbedenklichkeitsprüfungen durchzuführen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich sei. Angesichts des Umstandes, dass bislang die Anhaltspunkte für ein hepatotoxisches Risiko der streitbefangenen Produkte nicht mit der genügenden Sicherheit hätten verifiziert werden können, wäre eine solche nachgelagerte Erprobung bei fortbestehender Marktfähigkeit unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten naheliegend und das gegenüber dem Widerruf mildere Mittel.
31Die Beklagte hat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht: Die Möglichkeit, eine Unbedenklichkeitsstudie anzuordnen, bestehe nicht. Das materielle Recht, insbesondere § 28 Abs. 3b Satz 1 Nr. 2 AMG, eröffne nicht die Möglichkeit, nach Zulassung eine Unbedenklichkeitsstudie anzuordnen. Es bestehe kein Ansatz dafür, dass die Vorschrift auf vor ihrem Inkrafttreten eingeleitete (und abgeschlossene) Risikoverfahren Anwendung finde. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend festgestellt, dass die aktuelle Bewertung der Wirksamkeit des Arzneimittels ein maßgeblicher Abwägungsbelang bei der Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses sei. Die Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel sei bereits bei Erstellung der Monographie der Kommission E fraglich gewesen. Wegen der geringen Bedeutung von Kava-Kava sei zunächst eine Negativmonographie erstellt worden. Die von der Kommission E in Bezug auf die Wirksamkeit angenommene Plausibilität würde und könnte unter den heutigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu einer traditionellen Registrierung gemäß § 39c AMG führen, womit allerdings eine sehr viel kritischere Nutzen-Risiko-Bewertung einhergehe. Schon zum Zeitpunkt der Stufenplanentscheidung hätten dem BfArM keine Studien vorgelegen, die eine Wirksamkeit ausreichend belegt hätten. Das Herbal Medicinal Product Commitee (HMPC) habe in einer öffentlichen Stellungnahme „Piperis methystici rhizoma“ als einen der Wirkstoffe benannt, für die die Erstellung einer Positivmonographie nicht erfolgversprechend erscheine. Das angegriffene Urteil überspanne die Anforderungen an den Verdachtsgrad schädlicher Nebenwirkungen. Wenn - wie vorliegend - eine größere Anzahl von Verdachtsfällen zusammenkomme, ergebe sich der begründete Verdacht des Auftretens unvertretbarer schädlicher Wirkungen mit zumindest möglicher Kausalität. Da es sich hier um sehr schwerwiegende Nebenwirkungen mit ernsten Konsequenzen gehandelt habe, seien zum Schutz der Patienten einschneidende Maßnahmen gerechtfertigt gewesen. Die vom Gericht beanstandete fehlende Häufigkeit der Nebenwirkungen sei aus den Daten der Spontanerfassung bekanntermaßen nicht verlässlich ableitbar. Insoweit sei insbesondere die hohe Dunkelziffer zu berücksichtigen. Quantitative Aussagen zur Häufigkeit von Nebenwirkungen seien nur durch Studien mit systematischer Datenerfassung und ausreichender Anzahl eingeschlossener Patienten zu treffen. Entscheidend sei das Vorliegen einer Reihe von Fällen schwerwiegender Nebenwirkungen, bei denen ein kausaler Zusammenhang mit der Anwendung von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln zumindest möglich erscheine. Dieser sei nach den dem BfArM vorliegenden - im Folgenden nochmals zusammengefassten - Erkenntnissen gegeben. Daraus gehe hervor, dass Kava-Kava eindeutig das Potential zu schwerer Lebertoxizität habe, wobei auch idosynkratische Leberschädigungen eine denkbare Erklärungsmöglichkeit seien. Die Darstellung der Klägerin zu Inzidenzraten bleibe unklar. An der Arbeit von Teschke et al. sei auffällig, dass der Kausalzusammenhang in 13 Fällen wegen anderer nicht medikamentöser Ursachen verneint worden sei und dies in drei beispielhaft aufgeführten Fällen nicht mit den differenzialdiagnostischen Feststellungen der Ärzte, von denen diese Fallberichte stammten, in Einklang stehe. In der bisherigen Diskussion zu Noble-Kava und den zu erwartenden Qualitätsunterschieden habe die Klägerin bislang nicht belegt, welche Kava-Qualität sie in den 80er/90er Jahren verwendet habe. Es sei auch nicht dargelegt, ob die klinischen Studien, die der damaligen Zulassung zugrunde lagen, ausschließlich mit Noble-Kava durchgeführt worden seien.
32Auch wenn der für die NTP-Studie verwendete Extrakt mit überkritischem Kohlendioxyd nicht mit den ethanolischen Extrakten vergleichbar sei - was sich angesichts der 96%igen Ethanolkonzentration jedoch diskutieren ließe -, seien die dort gewonnen Schlussfolgerungen als Hintergrundinformation bei der Bewertung mit einzubeziehen. Mit Bezug auf den Mechanismus der Hepatotoxizität seien zudem die Ergebnisse weiterer im Einzelnen aufgeführter Publikationen aus den Jahren 2011 und 2012 zu berücksichtigen.
33Die Nutzen-Risiko-Abwägung des Verwaltungsgerichts verdiene Kritik. Die dort angeführte Überschneidung der Anwendungsgebiete von Benzodiazepin- und Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln wiege die Unterschiede beider Arzneimittel nicht auf. Vielmehr sei mit Blick auf etwaige Behandlungsalternativen insbesondere die interdisziplinäre S3-Leitlinie „Behandlung von Angststörungen" in den Blick zu nehmen. Benzodiazepine zählten danach weder zu den Arzneimitteln der ersten noch der zweiten Wahl für die Angstbehandlung. Dazu zählten demgegenüber selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, Pregabalin, Buspiron, Opipramol, Hydroxyzin und damit Arzneimittel mit einem guten Nutzen-Risiko-Verhältnis. Abgesehen davon handele es sich bei der mit einer Behandlung mit Benzodiazepinen vielfach auftretenden Abhängigkeit um eine Niedrigdosisabhängigkeit, die keine Abhängigkeit im eigentlichen Sinne sei. Das Verwaltungsgericht setze sich auch in Widerspruch zu den von ihm selbst aufgestellten Kriterien, wenn es die missbräuchliche Verwendung von Benzodiazepinen in die Abwägung einfließen lasse. Darüber hinaus stünden auch aus dem Bereich der pflanzlichen Arzneimittel Behandlungsalternativen, etwa Baldrianwurzelzubereitungen oder Lavendelöl, zur Verfügung. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass dem Widerruf die Anordnung des Ruhens als milderes Mittel vorausgegangen sei. Die Widerrufsentscheidung habe darauf beruht, dass die Zulassungsinhaber nicht bereit gewesen seien, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen bzw. weiteres wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorzulegen. Auch wenn man die geänderte Rechtslage zugrundelegte, wäre die Anordnung einer Unbedenklichkeitsstudie kein gleich geeignetes, erst recht kein milderes Mittel. Denn sie lasse nicht den Versagungsgrund des ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses entfallen, sondern diene allein dem Gewinn neuer Erkenntnisse und der Erforschung der Risiken. Folglich führe eine solche Studie nicht zu einer Risikominimierung und wirke sich deswegen nicht positiv auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis aus. Das Risikoverfahren zu pelargoniumwurzelhaltigen Arzneimitteln sei mit dem vorliegenden Verfahren nicht vergleichbar und müsse differenziert bewertet werden.
34Auf gerichtlichen Hinweis hat die Beklagte am 20. Februar 2015 den angefochtenen Bescheid vom 21. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Februar 2012 aufgehoben, soweit er das Arzneimittel Kav-activ Kapseln betrifft. Zum Zeitpunkt des Widerrufs habe bereits keine (fiktive) Zulassung für dieses Arzneimittel mehr bestanden, die hätte widerrufen werden können. Die Beteiligten haben daraufhin insoweit übereinstimmend den Rechtsstreit teilweise für in der Hauptsache erledigt erklärt.
35Im Übrigen beantragt die Beklagte,
36das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 20. Mai 2014 zu ändern und die Klage abzuweisen.
37Die Klägerin beantragt,
38die Berufung zurückzuweisen.
39Zur Begründung führt sie aus: Nach dem im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden materiellen Recht hätte die Beklagte die Durchführung einer PASS anordnen können. Zudem sei es eine stets geübte Praxis des BfArM gewesen, auf der Grundlage von § 30 AMG i.V.m. § 36 VwVfG entsprechende Anordnungen zu treffen. Die Ausführungen der Beklagten zur Nutzen-Risiko-Bewertung des Verwaltungsgerichts seien nicht überzeugend. Nach Erstellung der Monographie der Kommission E habe sich die Erkenntnislage eindeutig zu Gunsten von Kava-Kava verbessert. Das BfArM habe dies dadurch bestätigt, dass es gestützt auf diese Monographie und die nachfolgend publizierten klinischen Prüfungen sehr viele Zulassungen für Kava-Kava-haltige Arzneimittel erteilt habe und zwar mit einem Status nach § 22 Abs. 3 AMG. Die von der Beklagten zitierte öffentliche Stellungnahme des HMPC führe zu keiner anderen Bewertung der Wirksamkeit von Kava-Kava. Die darin enthaltenen Aussagen beträfen traditionelle pflanzliche Arzneimittel, die nicht verschreibungspflichtig seien, und könnten nicht auf die hier streitbefangenen verschreibungspflichtigen Arzneimittel erstreckt werden. In Bezug auf die in Rede stehenden Nebenwirkungen sei zwischen Kava-Kava-Präparaten aus Noble-Kava mit ethanolischem Extrakt und solchen aus Two-Day-Kava mit acetonischem Extrakt zu unterscheiden. Bei Ersteren ergebe sich aus den vorliegenden Erkenntnissen allenfalls ein schwacher Verdacht für Nebenwirkungen. Im Zusammenhang mit möglichen Behandlungsalternativen führe die Beklagte Arzneimittel an, die für andere Anwendungsgebiete zugelassen seien als Kava-Kava, und verharmlose überdies das bei einer Behandlung mit Benzodiazepinen bestehende Abhängigkeitsrisiko. Entsprechendes gelte mit Bezug auf die in der interdisziplinären S3-Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen aufgeführten Arzneimittel. Die von der Beklagten als Behandlungsalternative benannten pflanzlichen Arzneimittel deckten nicht die gleichen Erkrankungen ab. Entgegen der Auffassung der Beklagten bestehe bei Pelargoniumwurzelpräparaten und Kava-Kava-Präparaten in fachlich-medizinischer Hinsicht eine vergleichbare Situation. Insofern sei es bemerkenswert, dass das BfArM nur bei Ersteren, nicht hingegen bei Letzteren die Möglichkeit gesehen habe, eine PASS durchzuführen.
40Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
41Entscheidungsgründe:
42Das Verfahren ist einzustellen, soweit die Beteiligten es in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Dies betrifft den Widerruf der Zulassung für das Arzneimittel Kav-activ Kapseln.
43Hinsichtlich des weiter im Streit stehenden Widerrufs der Zulassung für das Arzneimittel M. 60 hat die Berufung der Beklagten keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
44Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Der
45Widerrufsbescheid des BfArM vom 21. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Februar 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
46Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zulassung des Arzneimittels M. 60 sind nicht erfüllt.
47Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheides ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz, hier also der Berufungsverhandlung, entscheidend. Der maßgebliche Zeitpunkt der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts richtet sich nach dem jeweiligen materiellen Recht. Für die Anfechtungsklage gilt im Allgemeinen, dass die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich ist, es sei denn, das materielle Recht regelt etwas Abweichendes.
48Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juli 1989 - 7 C 39.87 -, juris, Rn. 8, und vom 1. Juni 2011 - 8 C 4.10 -, juris, Rn. 19.
49Letzteres muss nicht zwingend in Gestalt einer ausdrücklichen fachgesetzlichen Regelung zum Ausdruck kommen, sondern kann sich auch aus dem Sinn und Zweck des jeweils einschlägigen Normgefüges ergeben.
50Vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage, 2014, § 113, Rn. 96.
51Dies ist hier der Fall. Einerseits erfordert der in § 1 AMG niedergelegte Gesetzeszweck der Arzneimittelsicherheit - wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend festgestellt hat - die Berücksichtigung von Änderungen der Sach- und Rechtslage nach der letzten behördlichen Entscheidung.
52Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. Januar 2014 - 13 A 2730/12 -, juris, Rn. 28 f.
53Andererseits gebietet dies die besondere Eingriffsintensität des Widerrufs in die Grundrechte der pharmazeutischen Unternehmer. Denn die Wiedererlangung der Zulassung ist nach deren bestandskräftigem Widerruf erheblich erschwert. Das folgt daraus, dass die Versagungsgründe des § 25 Abs. 2 AMG nicht deckungsgleich mit den Widerrufsgründen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AMG sind. Insbesondere ist der Widerruf der Zulassung nicht vorgesehen, wenn der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Nr. 2 AMG nachträglich eingetreten ist, also dann, wenn das Arzneimittel nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft worden ist oder das andere wissenschaftliche Erkenntnismaterial nach § 22 Abs. 3 AMG nicht dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entspricht. Angesichts dessen ist es unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten geboten, für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. Bestätigt wird dies durch den in § 30 Abs. 2a AMG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken einer gegenüber dem Widerruf vorrangigen Anpassung der Zulassung nach Maßgabe der jeweils geltenden Sach- und Rechtslage.
54Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Zulassung richtet sich deswegen nach § 30 Abs. 1, 2a AMG in der Fassung vom 19. Dezember 2012. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AMG ist die Arzneimittelzulassung zu widerrufen, wenn der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG nachträglich eingetreten ist, das heißt, wenn sich das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Präparats nachträglich als ungünstig erweist. Gemäß § 30 Abs. 2a Satz 1 1. Alt. AMG ist die Zulassung zu ändern, wenn dadurch der in Absatz 1 genannte betreffende Versagungsgrund entfällt. Ein Widerruf der Zulassung ist danach nur gerechtfertigt, wenn das Nutzen-Risiko-Verhältnis eines Arzneimittels ungünstig ist und dem durch eine Änderung der Zulassung nicht abgeholfen werden kann. Die Zulassungsänderung hat damit bei Vorliegen eines Versagungsgrundes Vorrang gegenüber dem Widerruf, mit der Folge, dass dieser rechtswidrig ist, wenn die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2a AMG erfüllt sind.
55Vgl. zu § 30 AMG a.F. Krüger, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 30, Rn. 34.
56Das ist hier der Fall. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis des streitbefangenen Arzneimittels ist derzeit ungünstig (I.). Dies rechtfertigt aber nicht den Widerruf der Zulassung, weil dieser Versagungsgrund bereits durch deren Änderung ausgeräumt werden kann (II.).
57(I.) Das Nutzen-Risiko-Verhältnis umfasst nach § 4 Abs. 28 AMG eine Bewertung der positiven therapeutischen Wirkungen des Arzneimittels im Verhältnis zu dem Risiko nach Absatz 27 lit. a. Dies ist jedes Risiko im Zusammenhang mit der Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit des Arzneimittels für die Gesundheit der Patienten. Mit dem Begriff des Risikos wird ebenso wie bei der früheren Gesetzesfassung des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG jede Art von schädlichen Wirkungen erfasst, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Nach der bis zum 5. September 2005 geltenden Vorschrift durfte die Zulassung versagt werden, wenn bei dem Arzneimittel der begründete Verdacht bestand, dass es bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen (vgl. auch § 5 Abs. 2 AMG). Mit der Änderung des Wortlauts des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG, die der Angleichung an die Richtlinienvorgaben diente, ist keine inhaltliche Änderung verbunden. Beide Fassungen erstrecken sich auf jegliche Nebenwirkungen. Unter Nebenwirkungen sind die beim bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Arzneimittels auftretenden schädlichen unbeabsichtigten Reaktionen zu verstehen (§ 4 Abs. 13 AMG), also nicht nur pharmakologisch-toxikologische Wirkungen, sondern jedwede unerwünschte Folge. Der erforderliche Verdacht schädlicher Wirkungen liegt vor, wenn ernstzunehmende Erkenntnisse den Schluss nahelegen, dass das Arzneimittel unvertretbare Nebenwirkungen hat.
58Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 - 3 C 10.09 -, NVwZ-RR 2010, 330 = juris, Rn. 32 ff., sowie Beschluss vom 12. Juni 2012 - 3 B 88.11 - , juris, Rn. 3; OVG NRW, Urteile vom 7. November 2012 - 13 A 2710/08 -, juris, Rn. 39 ff. und vom 29. Januar 2014 - 13 A 2730/12 - , juris, Rn. 34; BT-Drs. 15/5316, S. 38.
59Dafür bedarf es keines positiven Nachweises der kausalen Beziehung zwischen der Einnahme des Arzneimittels und aufgetretenen Nebenwirkungen, weil dies dem Gebot der Arzneimittelsicherheit zuwiderlaufen würde.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2007 - 3 C 36.06 -, Pharma Recht 2007, 423 = NVwZ-RR 2007, 774; OVG NRW, Beschluss vom 17. September 2009 - 13 A 1428/08 -, juris, Rn. 11; OVG Berlin, Urteil vom 16. September 1999 - 5 B 34.97 -, juris, Rn. 17; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Stand: 2012, § 25, Rn. 76, m. w. N.
61Insbesondere dann, wenn schwere Gesundheitsgefahren in Rede stehen, reicht es aus, wenn die entfernte Möglichkeit einer Risikoverwirklichung besteht.
62Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. September 2009 - 13 A 1428/08 -, juris, Rn. 13.
63Ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis folgt nicht bereits daraus, dass die bezweckte therapeutische Wirksamkeit eines Arzneimittels nicht (mehr) belegt ist. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, begründen Zweifel an der Wirksamkeit oder eine unzureichende Wirksamkeitsbegründung nicht automatisch die Annahme eines ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses und rechtfertigen daher für sich genommen nicht die Aufhebung der Zulassung, die nur auf die feststehende fehlende Wirksamkeit gestützt werden kann (vgl. § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG).
64Vgl. dazu Krüger, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 30, Rn. 15.
65Nach aktuellem Erkenntnisstand bestehende Zweifel an der Wirksamkeit eines Arzneimittels sind für die im Rahmen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG zu treffende Prognoseentscheidung gleichwohl von Bedeutung. Denn unter der Voraussetzung, dass die insoweit darlegungs- und materiell beweispflichtige Behörde sie konkret begründet hat, bilden sie einen Abwägungsbelang, der auf dritter Stufe bei der Abwägung des festgestellten Nutzens und der Risiken eines Arzneimittels zu berücksichtigen ist.
66Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. Januar 2014 - 13 A 2730/12 -, juris, Rn. 43.
67Hierbei sind Gesichtspunkte wie Indikation, Schwere des zu behandelnden Defekts, Behandlungsnotwendigkeit, Chancen eines Behandlungserfolges sowie eventuelle Behandlungsalternativen gegen solche wie Schweregrad und Häufigkeit der unerwünschten Nebenwirkung, die Rückbildungswahrscheinlichkeit (Reversibilität), mutmaßliche Gegenmaßnahmen und Suchtpotential im Sinne einer Vertretbarkeitsentscheidung gegeneinander abzuwägen.
68Vgl. zu den Abwägungskriterien: Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Stand 2012, § 25 Rn. 77; Kügel, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, § 25, Rn. 56.
69Voraussetzung für den Widerruf ist, dass die mit dem Verdacht schädlicher Wirkungen verbundenen Risiken gegenüber dem therapeutischen Nutzen des Arzneimittels überwiegen.
70Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2007 - 3 C 36.06 -, Pharma Recht 2007, 423 = NVwZ-RR 2007, 774.
71Die materielle Beweislast für das Vorliegen sämtlicher tatbestandlichen Voraussetzungen des den Widerruf der Zulassung auslösenden Versagungsgrundes trägt die Beklagte,
72vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 1993 - 3 C 46.91 -, juris, Rn. 31; Kügel, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 25, Rn. 58,
73mit der Folge, dass insoweit verbleibende Zweifel zu ihren Lasten gehen und sie das Risiko der Unaufklärbarkeit des Sachverhalts trägt.
74Hiervon ausgehend gilt für die Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses des hier streitgegenständlichen Arzneimittels Folgendes:
75(1) Kernkriterium für die Bewertung des Nutzens eines Arzneimittels ist seine therapeutische Wirksamkeit. Diese ist für das Präparat M. 60 forte mit einer Tagesdosierung von 240 mg Kava-Pyrone (viermal täglich eine Kapsel a 60 mg Kava-Pyrone) zu bejahen. Mit dieser Dosierung gilt M. 60, für das bislang keine Nachzulassung erteilt worden ist, als zugelassen. Für das Arzneimittel hat die Klägerin im März 2011 eine Dosierungsänderung angezeigt, die mangels bestehender Genehmigungspflicht zu einer entsprechenden Modifizierung der fiktiven Zulassung geführt hat (vgl. § 105 Abs. 3a Satz 1 AMG). Unschädlich ist insoweit, dass die Änderungsanzeige erst im laufenden Widerspruchsverfahren gestellt worden ist. Denn der sofortige Vollzug des Widerrufs berührt die Wirksamkeit der Zulassung nicht.
76Die Wirksamkeit des streitgegenständlichen Präparats wird weder durch das erstinstanzliche Vorbringen der Beklagten noch durch ihr Vorbringen im Berufungsverfahren durchgreifend in Zweifel gezogen.
77Mit ihrer Monographie „Piperis methystici rhizoma“ („Kava-Kava-Wurzelstock“) vom 1. Juni 1990 hat die Kommission E die anxiolytische, also angstlösende Wirkung des Wirkstoffs für die Anwendungsgebiete „Nervöse Angst-, Spannungs- und Unruhezustände“ unter Angabe einer Tagesdosis von Droge und Zubereitung entsprechend 60-120 mg Kava-Pyrone festgestellt. In weitgehender Übereinstimmung damit steht die Aussage der entsprechenden im Jahr 2003 veröffentlichten Monographie der European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP), des europäischen Dachverbandes der nationalen Gesellschaften für Phytotherapie. Darin ist als Anwendungsgebiet „Anxiety, tension and restlessness arising from various causes of non psychotic origin“ mit einer Tagesdosierung von 60-120 mg Kavalactonen angegeben.
78Vgl. ESCOP Monographs, 2003, The scientific foundation for herbal medicinal products, S. 365 ff.
79Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt den von den unterschiedlichen Kommissionen aufgestellten Kriterien und Empfehlungen die Qualität antizipierter Sachverständigengutachten zu.
80Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. November 2009 - 3 C 10.09 -, juris, Rn. 25, und vom 16. Oktober 2008 - 3 C 24.07 -, juris, Rn 20.
81Sie geben den jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wieder und sind einer Neubewertung zugänglich. Stellungnahmen der Kommissionen sind anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial im Sinne des § 22 Abs. 3 AMG. Die Zulassungsbehörde ist nicht an die in der Monographie getroffene Aussage gebunden.
82Kügel, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 25, Rn. 177.
83Da sachverständige Feststellungen bei besserer Erkenntnis ersetzt werden können (und müssen), darf die Kommission von früheren Feststellungen in Aufbereitungsmonographien abweichen.
84Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 - 3 C 10.09 -, juris, Rn. 27.
85Handelt es sich dabei um allgemeine Aussagen, sind diese als sachverständige Äußerung zu bewerten.
86Vgl. dazu Kügel, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 25, Rn. 178.
87Die Kommission E verfügt über besondere Sach- und Fachkunde. Hieraus und nicht zuletzt deswegen, weil es sich dabei um ein neutrales Sachverständigengremium handelt, folgt die besondere Bedeutung ihrer Stellungnahmen. Die Mitglieder der Kommission E sind Sachverständige mit besonderen Kenntnissen der wissenschaftlichen und/oder praktischen Phytotherapie. Die Kommission ist interdisziplinär mit Experten für Toxikologie, experimentelle Pharmakologie, Biometrie, pharmazeutische Biologie sowie Ärzten und Heilpraktikern, die Phytopharmaka praktisch einsetzen, zusammengesetzt. Diese werden alle drei Jahre von Verbänden der Fachrichtung vorgeschlagen und vom Bundesgesundheitsministerium benannt.
88Vergleichbares gilt bezogen auf die Monographien der ESCOP. Wenngleich sie keinen gesetzlichen Standard definieren, dienen sie dazu, die beste verfügbare wissenschaftliche Evidenz auf der Basis der aktuellen Literatur zusammenzustellen.
89Vgl. Pharmazeutische Zeitung online „Monographien als Richtschnur“ 13/2014 abrufbar unter: http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=51461.
90Die Beklagte hat die Monographie der Kommission E aus 1990 im Zulassungsverfahren als Wirksamkeitsbeleg zugrunde gelegt, ohne weitere Erkenntnisse zu fordern oder beizuziehen. Angesichts dessen sieht der Senat keine Veranlassung, die Wirksamkeit des Arzneimittels bezogen auf diesen Zeitpunkt anzuzweifeln, zumal die Beklagte in dem angegriffenen Bescheid selbst konstatiert, dass das Votum der Kommission E dem Erkenntnisstand der frühen 1990er Jahre entsprochen habe.
91Demgegenüber fehlen Vortrag und Anhalt dafür, dass dieser Erkenntnisstand durch neuere Erkenntnisse, die ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel begründen, überholt ist. Im Gegenteil: Die Kommission E hat sich aufgrund der Einleitung des Stufenplanverfahrens und nach näherer Befassung mit der Angelegenheit veranlasst gesehen, in einer Anfang des Jahres 2002 verfassten öffentlichen Erklärung mitzuteilen, dass ihre Mitglieder nach wie vor von den vorgelegten wissenschaftlichen Daten zur Wirksamkeit von Kava-Kava überzeugt seien. Das impliziert, dass zum damaligen Zeitpunkt aus Expertensicht keine abweichenden neuen Erkenntnisse vorlagen. Nichts spricht dafür, dass die Kommission E zwischenzeitlich angesichts aktuellerer Forschungsergebnisse von diesem Standpunkt abgerückt ist. Insbesondere hat sie bis heute keine anderslautende Stellungnahme abgegeben. Entsprechendes gilt für die ESCOP. Die für „Piperis methystici rhizoma“ erstellte Monographie gehörte zu den ersten 80 Monographien, die die ESCOP im Jahr 2003 veröffentlicht hat.
92Vgl. ESCOP Monographs, 2003, The scientific foundation for herbal medicinal products, S. 365 ff.
93Obgleich die ESCOP ihre Monographien regelmäßig überarbeitet und aktualisiert, hat diejenige für „Piperis methystici rhizoma“ bislang keine Änderung erfahren.
94Hinzu kommt, dass die WHO in ihrem Bericht aus dem Jahr 2007 (Coulter et al., „Assessment of the risk of hepatotoxicity with kava products“) offensichtlich ebenfalls von der Wirksamkeit von Kava-Kava ausgeht. Dort heißt es, 16 gut kontrollierte Doppelblindstudien hätten die angstlösende Wirkung von Kava-Kava gezeigt (vgl. Tabelle 3, S. 6, 11). Diese Bewertung entspricht der mit dem Ziel der Untersuchung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel durchgeführten Metaanalyse einer Reihe randomisierter placebokontrollierter Doppelblindstudien von Pittler und Ernst (zuletzt, „Kava extract versus placebo for treating anxiety“, 2003). Diese hat zur Wirksamkeit der Behandlung von Angststörungen, gemessen an den Kriterien der Hamilton Anxiety Scale (HAMA) die Überlegenheit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel gegenüber Placebopräparaten ergeben. Eventuelle Mängel der analysierten Einzelstudien vermögen die Indizwirkung des Ergebnisses der Metaanalyse im Zusammenhang mit dem weiteren Erkenntnismaterial nicht zu entkräften.
95Letztlich konzediert die Beklagte selbst eine - wenngleich dosisabhängige - Wirksamkeit, wenn es in dem angefochtenen Bescheid heißt, bei Dosierungen oberhalb von 120 mg Kava-Pyrone pro Tag bestehe ein gewisser Anhalt für eine Wirksamkeit in den beanspruchten Indikationen. Angesichts dessen sind Wirksamkeitszweifel auch nicht etwa deswegen angezeigt, weil die Dosierung des streitgegenständlichen Präparats - worauf noch einzugehen sein wird - über die Monographieempfehlung hinaus geht, zumal das übrige in das Verfahren eingeführte Erkenntnismaterial hierfür ebenfalls keinen Anknüpfungspunkt bietet. Hinzu kommt, dass aus dem angefochtenen Bescheid hervorgeht, dass die Wirksamkeitszweifel des BfArM nicht auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützt sind, wenn es darin heißt, aus den Ausführungen zur Wirksamkeit ergäben sich keine neuen Erkenntnisse gegenüber dem früheren Kenntnisstand (Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2012, S. 6).
96Angesichts dieser Erkenntnissituation vermag der Umstand, dass das vorliegende Studienmaterial heute nicht in jeder Hinsicht den speziell für Angsterkrankungen entwickelten Anforderungen der Guidelines der European Medicines Agency (EMA) entspricht, keine nachhaltigen Zweifel am Nutzen des Präparats zu wecken. Das gilt bereits bei einer monographiekonformen Dosierung. Da die Kommission E eine Dosierung oberhalb von 120 mg Kava-Pyrone nicht vorgegeben hat, kommt es hinsichtlich der Frage der Wirksamkeit auf die unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten hinsichtlich der jeweils zugrunde liegenden Berechnungsgrundlagen nicht entscheidungserheblich an.
97Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, aus der nicht zureichend belegten Wirksamkeit resultierten automatisch Wirksamkeitszweifel, ist dieser Rückschluss ohne das Hinzutreten tatsächlicher Anhaltspunkte für solche Zweifel nicht gerechtfertigt. Denn in der Konsequenz würde dies in einer nicht überschaubaren Anzahl von Fällen dazu führen, dass während der Geltungsdauer einer Zulassung die Wirksamkeit eines Arzneimittels fortlaufend neu zu belegen wäre. Überdies geht der Senat mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass bei der Forderung nach einer guidelinekonformen Studie die Absicht im Vordergrund steht, Daten für die weitere Nutzen-Risiko-Abwägung zu generieren. Zumindest bietet dies einen Erklärungsansatz dafür, warum das BfArM im Stufenplanbescheid auf die CPMP-Guidelinie zur klinischen Prüfung von Arzneimitteln zur Behandlung von Angststörungen in der Fassung aus den Jahren 1993/94 verwiesen hat, obgleich es - dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin zufolge - zugleich bis in das Jahr 2001 Neuzulassungen für Kava-Kava-haltige Arzneimittel erteilt hat, ohne die Vorlage entsprechender Studien verlangt zu haben.
98Die weiteren Einwände der Beklagten im Berufungsverfahren rechtfertigen keine andere Bewertung: Ihr Hinweis darauf, dass die Kommission E im Zuge der
99Ausarbeitung der Monographie angesichts der geringen Bedeutung von Kava-Kava als Droge oder Drogenzubereitung zunächst beabsichtigte, eine Negativmonographie zu erstellen, ist unerheblich. Denn abgesehen davon, dass die geringe Bedeutung eines Wirkstoffs nichts über seine Wirksamkeit aussagt, hat die Kommission E diese Einschätzung - was entscheidend ist - letztlich revidiert und eine Positivmonographie erstellt. Darin hat sie folgende Überlegungen zur Wirksamkeit von Kava-Kava angestellt:
100„Aufgrund der Wirkungen der isolierten Inhaltsstoffe ist eine
101schwache, zentral relaxierende Wirkung ähnlich wie bei
102Benzodiazepinen anzunehmen. Durch Kava-Kava-Extrakt zeigt sich im quantitativen EEG eine für das anxiolytische Pharmako-EEG-Profil von Benzodiazepinen typische Steigerung der ß-Aktivität bei gleichzeitiger Abnahme der alpha-Aktivität (Johnson 1989). Neuere Studien weisen eine Wirksamkeit von Kava-Kava-Extrakt bei ,Angst, Spannungs- und Unruhezuständen‘ nach (Warnecke 1989, Bhate 1989).“
103Soweit die Beklagte sinngemäß beanstandet, dieser Monographie liege letztlich nur eine Plausibilitätsprüfung zugrunde, ist dem entgegenzuhalten, dass die Kommission E in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2002 ausdrücklich erklärt hat, „von den vorgelegten wissenschaftlichen Daten zur Wirksamkeit von Kava-Kava überzeugt zu sein“. Abgesehen davon sind die Überlegungen der Beklagten zu § 39c AMG bereits deswegen nicht tragfähig, weil es sich bei Kava-Kava-Präparaten um Arzneimittel handelt, die der Verschreibungspflicht unterliegen, und eine Registrierung als traditionelles pflanzliches Arzneimittel deswegen ausscheidet (§ 39c Abs. 2 Nr. 2 AMG).
104Ebenso wenig stützt die Stellungnahme des Comittee on Herbal Medicine Products (HMPC) der EMA vom 6. Mai 2014 die Position der Beklagten. Zwar prognostiziert das HMPC darin, dass u.a. für den Wirkstoff „Piperis methystici rhizoma“ angesichts des ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses voraussichtlich keine Monographie erteilt werden wird. Hierbei handelt es sich - was sprachlich durch die Formulierung „es ist nicht wahrscheinlich, auf ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis zu schließen“ zum Ausdruck gebracht wird - nicht um eine sichere Voraussage, sondern um eine Vorabeinschätzung. Da dieser - wie sich aus dem Bericht ergibt - aber gerade keine detaillierte Prüfung zugrunde liegt, kommt ihr kein entscheidendes Gewicht zu. Eine isolierte Aussage über die Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel lässt sich auf der Grundlage dieser Aussage ohnehin nicht treffen. Hinzu kommt, dass sich der Bericht auf Wirkstoffe bezieht, die als Grundlage einer späteren Registrierung (§ 39 AMG) eine Monographie als traditionelle pflanzliche Arzneimittel erhalten sollen, bei denen sich die Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses nach anderen Maßstäben richtet als bei dem verfahrensgegenständlichen verschreibungspflichtigen Präparat.
105Ist danach von der therapeutischen Wirksamkeit des streitgegenständlichen Kava-Kava-Präparats auszugehen, sprechen für seinen Nutzen weiterhin die Art und Schwere der in Rede stehenden Erkrankung sowie deren Behandlungsnotwendigkeit. Jedenfalls soweit das monographierte Anwendungsgebiet auf die Behandlung von Angststörungen abzielt, handelt es sich nicht um eine Bagatelldiagnose, sondern um eine ernsthafte, weitverbreitete psychische Erkrankung. Bei dieser stehen Symptome der Angst in Gestalt einer anhaltenden Angstreaktion, mangelnder Kontrolle der Angst, eventueller körperlicher Reaktionen einschließlich katastrophisierender Fehlinterpretationen und Beeinträchtigung in wichtigen Funktionen des Berufs-, Alltags- und Familienlebens im Vordergrund.
106Vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 263. Auflage 2012, „Angststörung“.
107Angststörungen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Ihre Verbreitung nimmt zu. Je nach Schweregrad können sie mit erheblichen psychosozialen, somatischen und ökonomischen Folgen einhergehen. Dazu zählen Arbeitsunfähigkeit, ein erhöhtes Risiko für sekundäre komorbide Erkrankungen - beispielsweise Suchterkrankungen -, eine erhöhte Suizidrate sowie eine übermäßige Inanspruchnahme medizinischer Leistungen.
108Vgl. Deutsches Ärzteblatt, „Angststörungen/Panikattacken: Angst aus heiterem Himmel“, Dezember 2005, 557.
109Bereits bei mittlerem Leidensdruck des Patienten, psychosozialen Einschränkungen sowie Komplikationen der Angsterkrankung ist eine Behandlung in Gestalt von Psycho- oder Pharmakotherapie oder einer Kombination aus beidem indiziert.
110Vgl. Deutsches Ärzteblatt, „Diagnostik und Therapieempfehlungen bei Angststörungen“, Juli 2014, 475 ff.
111Unter diesen Gesichtspunkten erschließt sich der besondere Nutzen einer wirksamen anxiolytischen Medikation. Bezogen auf Kava-Kava-haltige-Präparate ist insoweit zu berücksichtigen, dass deren Anwendung nur für leichte und mittelschwere Formen von Angststörungen indiziert ist, die damit nach Einschätzung von Experten üblicherweise innerhalb eines Monats gut therapiert werden können. Für schwere Angststörungen wird von einer Kontraindikation ausgegangen.
112Vgl. Teschke, Deutsches Ärzteblatt, „Hepatoxizität durch Kava-Kava: Risikofaktoren und Prävention“, 2002, 99.
113(2) In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht geht der Senat davon aus, dass dem vorstehend beschriebenen Nutzen des verfahrensgegenständlichen Arzneimittels Anwendungsrisiken in Form hepatotoxischer Ereignisse gegenüberstehen, also ein begründeter Verdacht für derartige Nebenwirkungen besteht. Angesichts dessen ist der sinngemäße Einwand der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Bewertung die Anforderungen, die an die Annahme eines begründeten Nebenwirkungsverdachts zu stellen sind, überspannt, nicht nachvollziehbar.
114Die von der WHO in ihrem Bericht aus dem Jahr 2007 dokumentierten Fälle sind als Beleg für die Möglichkeit hepatotoxischer Wirkungen des hier in Rede stehenden Kava-Kava-Präparats zu werten. Entsprechendes gilt für die dem BfArM vorliegenden Fallberichte zu Leberreaktionen. Zwar wird dies durch den Bericht der MHRA aus dem Jahr 2006 („Report of the Committee on Safety of Medicines Export Working Group") gestützt. Allerdings ist der Senat übereinstimmend mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass der darin enthaltenen Risikobeurteilung, die - unter Einschluss des vom BfArM übermittelten Fallmaterials aus Deutschland - nicht die Begutachtung von Kava-Kava als Anxiolytikum, sondern bei Oberbauch- und Blasenbeschwerden zum Gegenstand hatte, keine besondere Bedeutung beizumessen ist.
115Der Bericht der WHO enthält eine Auswertung von 93 Fallberichten - darunter einige der vom BfArM dokumentierten Fälle aus Deutschland - über hypothetisch mit der Einnahme von Kava-Kava-Extrakten im Zusammenhang stehende Leberschädigungen. In vierzehn Fällen erfolgte eine Lebertransplantation. Sieben Fälle endeten tödlich. Die WHO-Expertengruppe bewertete die Kausalität zwischen hepatotoxischer Schädigung und der Einnahme von Kava-Kava-Präparaten in keinem Fall als sicher, in acht Fällen als wahrscheinlich, in 54 Fällen als möglich und in 28 Fällen als nicht bewertbar.
116Die Beklagte verweist auf 41 Fälle in Deutschland aufgetretener lebertoxischer Reaktionen. Hiervon seien 20 hinreichend gut dokumentiert, um eine fundierte Kausalitätsbewertung vornehmen zu können. In sieben dieser Fälle sei eine Lebertransplantation erforderlich gewesen. Insgesamt seien drei Patienten verstorben. In zwei Fällen sei die lebertoxische Reaktion nach Absetzen des Kava-Kava-Präparats zurückgegangen und bei Reexposition erneut aufgetreten. Bei zwölf spontan gemeldeten Fällen und einem in einer Publikation dargestellten Fall sei der Kausalzusammenhang wahrscheinlich. Diese Bewertung beruhe auf dem deutlichen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Beginn der Kava-Kava-Medikation und dem Auftreten der Symptome bzw. pathologischen Veränderungen einerseits und dem Zurückgehen der Lebererkrankung nach Absetzen der Kava-Kava-Medikation und/oder des Fehlens lebertoxischer Faktoren wie einer entsprechenden Komedikation andererseits. In einigen dieser Fälle sei die synergistische Beteiligung eines anderen Arzneimittels jedoch möglich.
117Diese Auswertungsergebnisse reichen für die Annahme eines begründeten Verdachts leberschädigender Wirkungen aus, weil insoweit geringe Kausalitätsanforderungen gelten. Für die Nutzen-Risiko-Abwägung ist aber der Verdacht graduell und qualitativ näher zu bestimmen.
118Allerdings bietet die gegenwärtige Studienlage hierfür keine tragfähigen Anknüpfungspunkte. Bei Gesamtbetrachtung ist sie uneinheitlich und deswegen nicht ergiebig. Herkömmliche klinische Studien sind - darüber sind sich die Beteiligten einig - aufgrund der zu geringen Population nicht geeignet, tragfähige Erkenntnisse über das lebertoxische Risiko zu gewinnen. Toxizitätsstudien haben weder potentiell toxische Bestandteile von Kava-Kava noch einen lebertoxischen Mechanismus aufzeigen können. Die Ergebnisse der NTP-Studie, auf die die Beklagte verweist, mögen zwar einen Toxizitätsbeleg begründen. Das gilt aber nur für die darin einbezogenen Präparate mit einem CO²-Extrakt. Für eine Übertragbarkeit der gefundenen Ergebnisse auf die hier streitgegenständlichen Präparate mit ethanolischen Auszügen hat die Beklagte keine überzeugenden Gesichtspunkte benannt. Abgesehen davon gibt der Nachweis toxischer Effekte eines bestimmten Präparats als solcher - was auch die Beklagte anerkennt - weder Aufschluss über die potentiell toxischen Einzelstoffe noch über den Mechanismus einer lebertoxischen Wirkweise, sondern untermauert lediglich das, wovon bereits auf der Grundlage der Fallberichte auszugehen ist. Auch das restliche vorliegende Studienmaterial bietet hierzu keine belastbaren und konsistenten Erkenntnisse. Anders als die Beklagte meint, geht dieser Umstand zu ihren Lasten. Denn sie trägt das Risiko der Unerweislichkeit der Umstände, die ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis begründen.
119Demgegenüber erlauben die folgenden relativierenden Faktoren eine nähere Eingrenzung der bestehenden Verdachtsmomente für eine hepatotoxische Wirkung von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln. Wenngleich sie den geweckten Verdacht nicht auszuräumen vermögen, schwächen sie ihn ab.
120Von Bedeutung ist insoweit zunächst, dass die Auswertungsergebnisse der WHO und des BfArM nicht für eine hohe, sondern im Gegenteil für eine schwache Inzidenzrate sprechen. Zwar lässt sich diese auf der Grundlage des vorliegenden Erkenntnismaterials nicht genau bestimmen. Andererseits gibt es aber bereits im Ausgangspunkt keine tragfähigen Belege dafür, dass hepatotoxische Ereignisse im Zusammenhang mit der Anwendung von Kava-Kava-Präparaten gehäuft auftreten, also eine hohe Inzidenzrate besteht. Umgekehrt sprechen deutschlandweit 20 und nach der Datenlage des WHO-Berichts weltweit 62 Fälle, in denen eine derartige Relation festgestellt werden konnte, bei einem Anwendungsvolumen von - dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin zufolge - 250 Millionen Tagesdosen bezogen auf einen Zehnjahreszeitraum für eine sehr geringe lnzidenzrate. Das gilt auch unter Berücksichtigung der mit dem zugrundeliegenden Spontanerfassungssystem verbundenen Abbildungsdefizite, zumal wenn man berücksichtigt, dass ein Großteil dieser Meldungen in zeitlichem Zusammenhang mit dem Stufenplanverfahren und der öffentlich geführten Debatte um die potentielle Toxizität Kava-Kava-haltiger Arzneimittel steht. Dem entspricht die Einschätzung der Expertengruppe der WHO in ihrem Bericht aus dem Jahr 2007, in dem es heißt, die genaue Inzidenzrate von Nebenwirkungen, die mit der Einnahme von Kava-Kava in Zusammenhang stünden, sei nicht bekannt, scheine aber ziemlich niedrig zu sein (vgl. WHO-Bericht, S. 60).
121Unabhängig von diesem quantitativen Gesichtspunkt ist die Aussagekraft der Fälle, in denen ein Kausalzusammenhang als wahrscheinlich oder möglich angesehen worden ist, unter qualitativen Aspekten begrenzt.
122Bezogen auf den Bericht der WHO ergibt sich dies aus Folgendem: Nach dessen Ergebnis konnte nur in knapp zwei Dritteln der untersuchten Fälle (62 von 93) überhaupt eine Relation zwischen hepatotoxischen Wirkungen und der Einnahme von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln hergestellt werden. In keinem dieser Fälle wurde ein sicherer Kausalzusammenhang festgestellt. In 54 Fällen - darunter in allen sieben Todesfällen und in zehn Fällen mit Lebertransplantation - wurde der Kausalzusammenhang als „möglich“ und in acht Fällen als „wahrscheinlich“ eingestuft. Dass sich unter den zuletzt genannten Fällen nicht solche mit tödlichem Ausgang oder Lebertransplantation finden, beruht nicht lediglich auf der Definition der Kausalitätskriterien der WHO für einen wahrscheinlichen Kausalzusammenhang. Denn für elf der insgesamt 14 Patienten mit Lebertransplantation ist eine Begleitmedikation dokumentiert, die ebenfalls Auslöser der aufgetretenen Leberreaktionen gewesen sein könnte (vgl. WHO-Bericht, Tabelle 11a und 11 b, S. 46). Das gilt gleichermaßen für sämtliche Fälle mit tödlichem Ausgang (vgl. WHO-Bericht, Tabelle 12, S. 48). Es erscheint deswegen durchaus nicht fernliegend, die schwache lnzidenz schwerer Nebenwirkungen bei alleiniger Gabe Kava-Kava-haltiger Präparate als ein diesen Wirkstoff entlastendes lndiz zu werten.
123Hierzu passt die Einschätzung der Expertengruppe der WHO, wonach ein direkter Kausalzusammenhang zwischen der Einnahme Kava-Kava-haltiger Arzneimittel in der Mehrzahl der untersuchten Fälle schwierig nachzuweisen ist und die verfügbaren Fallberichte insoweit keinen Beweis für ein Ursache-Wirkungs-Verhältnis liefern (vgl. WHO-Bericht, S. 17). Als Ergebnis enthält der Bericht mit Blick darauf die - relativierende - Feststellung, dass Kavalactone durch die Wechselwirkungen von Kava-Kava und anderen Arzneimitteln, exzessiven Alkoholkonsum, metabolisch oder immunologisch bedingte Idiosynkrasie oder aufgrund einer vorbestehenden Lebererkrankung in jeder Art von Präparat selten hepatische Nebenwirkungen hervorrufen können (vgl. WHO-Bericht, S.63). Damit sind zugleich besondere Risikofaktoren angesprochen, die die WHO auch an anderer Stelle ihres Berichts noch gesondert aufführt (vgl. WHO-Bericht, S.61). Das impliziert, dass hepatotoxische Ereignisse, was im Übrigen wissenschaftlich anerkannt sein dürfte,
124vgl. etwa Russmann/Kullak-Ublick, Beurteilung und Meldung medikamentöser Leberschäden, swissmedic, Jubiläumsausgabe Dezember 2012, 11/26,
125multifaktorielle Ereignisse sind und sich dies erschwerend auf die Möglichkeit der Zuordnung ihrer Ursachen auswirkt.
126Zudem sind die Auswertungsergebnisse der WHO auch deswegen nur bedingt aussagekräftig, weil sie sich auf sämtliche Arten Kava-Kava-haltiger Arzneimittel beziehen. Aus dem in das Verfahren eingeführten wissenschaftlichen Erkenntnismaterial geht hervor, dass weder die potentiell toxischen Einzelstoffe noch der Mechanismus einer lebertoxischen Wirkung von Kava-Kava bekannt sind. Vermutet wird, dass neben Anwendungsdauer und Dosierung auch Extrakt und Kultivar insoweit eine Rolle spielen könnten. Hierzu hat die Klägerin plausible und von dem Experten Dr. N. T. in mehreren Stellungnahmen untermauerte Überlegungen angestellt, denen die Beklagte in der Sache nicht substantiiert entgegengetreten ist. Der Bericht der WHO enthält keine differenzierte Auswertung nach Extrakt und Kultivar. Vielmehr bezieht sich die Auswertung und dementsprechend auch die getroffene Risikoaussage auf sämtliche Arten Kava-Kava-haltiger Präparate. Demgegenüber handelt es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Präparat unbestritten um eines mit einem ethanolischen Auszug. Da aber Risikoaussagen zu einer Auszugsart nicht ohne weiteres auf eine andere übertragen werden können,
127vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. November 2010 - 13 A 2807/09 -, juris, Rn. 10,
128sind die Ergebnisse in dem Bericht der WHO für das vorliegende Verfahren nur eingeschränkt aussagekräftig.
129Auch die von der Beklagten selbst auf der Grundlage des Fallmaterials des BfArM vorgenommene Risikobeurteilung ist unter verschiedenen Gesichtspunkten zweifelhaft. Ihr Vorbringen suggeriert eine „fundierte Kausalitätsbewertung" in 20 von 41 Fällen. Hiervon seien 18 spontan gemeldet worden und in zwei Fällen handele es sich um Berichte aus der Literatur. Demgegenüber ist der Kausalzusammenhang nur für 15 Fälle nachvollziehbar dargelegt, wobei in „einigen“ - weder benannten noch bezifferten - dieser Fälle die synergistische Beteiligung eines anderen Arzneimittels möglich gewesen sein soll. Dieses Vorbringen bezieht sich offensichtlich auf die in dem Bescheid vom 12. Mai 2005 detailliert aufgeführten 26 Fallberichte und überschneidet sich damit. Bei deren Auswertung war das BfArM in 19 Fällen von einem Kausalzusammenhang im Bereich „wahrscheinlich“ - hiervon in drei Fällen als „wahrscheinlich bis gesichert“ - und in sechs Fällen von einer „möglichen“ Kausalität ausgegangen. Einen Fall hatte es für nicht auswertbar erachtet. Der Senat ist unter Berücksichtigung des wechselseitigen Vorbringens und der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse nicht zu der Überzeugung gelangt, dass diese Bewertung insgesamt zutrifft. Denn sie steht tiefgreifend in Widerspruch mit den Bewertungen anderer Institutionen, die jedenfalls nicht weniger plausibel hergeleitet und unabhängig voneinander durchgehend zu weniger besorgniserregenden Ergebnissen gelangt sind. Dies folgt aus der Übersicht in der Stellungnahme von Dr. N. T. vom 6. Februar 2012, in der dieser sich außerdem detailliert mit den einzelnen Fallberichten und deren Bewertung durch das BfArM auseinandergesetzt und diese durchgreifend in Zweifel gezogen hat (vgl. dort S. 9 ff.). Die Beklagte ist den darin enthaltenen Einwänden inhaltlich nicht substantiiert entgegen getreten. Unabhängig davon erscheint die Annahme eines „wahrscheinlichen“ Kausalzusammenhangs schon aufgrund der in der Mehrzahl der Fälle jeweils dokumentierten Begleitmedikation vielfach zweifelhaft. Entgegen der Auffassung der Beklagten rechtfertigt auch der Umstand, dass die festgestellten Leberreaktionen in zwei Fällen nach Absetzen des Kava-Kava-Präparats zurückgegangen und nach Reexposition erneut aufgetreten sind, mangels ausreichender Dokumentation der Begleitmedikation jedenfalls nicht die Bewertung eines „gesicherten“ Kausalzusammenhangs (BfArM 01003950/01003951).
130Weitere Bedenken gegen die Kausalitätsbewertung der Beklagten ergeben sich auf der Grundlage der Publikation von Teschke et al. („Kava hepatotoxicity: a clinical survey and critical analysis of 26 suspected cases“, European Journal of gastroenterology & hepatology 2008, Vol. 20, S. 1182 ff.). Nach den stimmigen und transparent hergeleiteten dortigen Ausführungen, auf die Bezug genommen wird, bestand lediglich in acht Fällen ein Kausalzusammenhang, wobei lediglich in einem dieser Fälle eine monographiekonforme Anwendung dokumentiert war.
131Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 26. Januar 2015 die in dieser Publikation getroffene Feststellung des Fehlens einer medikamentösen Ursache in 13 Fällen beanstandet, und, um dies zu wiederlegen, bezogen auf drei Fälle auf den Inhalt der hierzu gefertigten Arztberichte verwiesen hat, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Denn daraus geht jedenfalls nicht hervor, dass die beobachtete Leberschädigung durch Kava-Kava und nicht durch die jeweils dokumentierte Begleitmedikation verursacht worden ist. Unter diesen Umständen ergibt sich dies nicht bereits daraus, dass nach ärztlicher Einschätzung von einer medikamentös induzierten Leberschädigung auszugehen ist.
132Relativierend ist zuletzt der ebenfalls vom Verwaltungsgericht bereits angesprochene Aspekt in den Blick zu nehmen, dass das streitbefangene Präparat auf eine Kurzzeitbehandlung angelegt ist und eine Begrenzung von Anwendungsdauer und Dosierung vorgesehen ist. Auch hieraus folgt die nur begrenzte Aussagekraft der Auswertungen des BfArM und der WHO, in denen nicht nach diesen von der Beklagten selbst als risikobeeinflussend eingestuften Kriterien differenziert wird. Da eine lange Exposition einerseits und eine erhöhte Dosierung andererseits mit einer Risikoerhöhung assoziiert werden, liegt es auf der Hand, dass die Auswertung eines Kollektivs von Fällen, in denen diese Differenzierung nicht getroffen wird, keine einheitliche Risikoaussage erlaubt. Die Vielzahl der Fälle, in denen Leberschädigungen im Zusammenhang mit einer Überdosierung, einer überlangen Anwendungsdauer oder einer potentiell lebertoxischen Begleitmedikation aufgetreten sind, ist aber umgekehrt als Beleg dafür zu werten, dass es sich hierbei um Risikofaktoren handelt. Dies wird auch von keinem der Beteiligten in Abrede gestellt.
133Auf der Basis aller in das Verfahren eingeführter Erkenntnisse geht der Senat davon aus, dass toxische Lebererkrankungen durch Kava-Kava-Extrakte sehr selten sind, im Einzelfall aber potenziell lebensbedrohend verlaufen können und durch eine Vielzahl von Risikofaktoren wie Dosierung, Anwendungsdauer, Begleitmedikation, Alkoholkonsum und Lebervorschädigung beeinflusst werden. Hinsichtlich dieser Risikofaktoren stimmen die Beteiligten überein, wenngleich ihre Einschätzungen zu den Risiken der Verwendung unterschiedlicher Auszüge und Kultivare auseinandergehen.
134(3) Hiervon ausgehend ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis des streitgegenständlichen Arzneimittels derzeit ungünstig. Dieser Einschätzung liegt zugrunde, dass hinsichtlich Kava-Kava-haltiger Arzneimittel zwar nicht generell, aber dann von einem ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnis ausgegangen werden muss, wenn nicht alle Maßnahmen umgesetzt worden sind, um die damit einhergehenden Risiken bestmöglich einzudämmen. Letzteres ist hier der Fall.
135Der Umstand, dass die zuvor erwähnten Risikofaktoren im Zusammenhang mit der Hepatotoxizität von Kava-Kava bekannt sind, führt in der Publikation von Teschke et al. („Kava hepatotoxicity: a clinical survey and critical analysis of 26 suspected cases“, European Journal of gastroenterology & hepatology 2008, Vol. 20, S. 1182 ff.) zu der überzeugenden Schlussfolgerung, dass hepatotoxische Ereignisse im Zusammenhang mit Kava-Kava weitgehend vermeidbar sind. Dies, die nur schwache Inzidenzrate und der belegte Nutzen Kava-Kava-haltiger Arzneimittel stehen der generellen - also nicht präparatspezifischen, sondern rein wirkstoffbezogenen - Annahme eines ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses entgegen. Andererseits sind angesichts der Schwere möglicher Nebenwirkungen vermeidbare Risiken nicht hinnehmbar.
136Insoweit bilden die Empfehlungen der Kommission E in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2002 nach Auffassung des Senats einen tauglichen und deshalb einzuhaltenden Maßstab zur Risikominimierung und führen bei Beachtung im Ergebnis zu einem günstigen Nutzen-Risiko-Verhältnis. Sie beruhen auf den Unterlagen, die das BfArM der Kommission E zur Verfügung gestellt hat und sind auf der Grundlage einer eingehenden Befassung mit der Kava-Kava-Thematik abgegeben worden (vgl. Ruhensbescheid des BfArM vom 12. Mai 2005, S. 52).
137Die Kommission E hat darin unter Hinweis darauf, weiterhin von einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis auszugehen und die Auffassung des BfArM bezüglich der Risiken bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nicht zu teilen, folgende Regularien zu deren Eindämmung empfohlen:
138- 139
Ärztliche Verschreibungspflicht für Kava-Kava-haltige Arzneimittel
- 140
Klare Indikationsstellung: Leichte bis mittelschwere generalisierte Angststörungen. Depression ist keine Indikation.
- 141
Maximale Tagesdosis entsprechend 120 mg Kava-Pyrone.
- 143
Packungsgröße bei 120 mg Kava-Pyrone maximal 30 Einheiten
- 144
Übliche Therapiedauer 1 Monat, maximal 2 Monate
- 145
Bestimmung der Leberwerte (GPT und -GT vor Beginn der Behandlung und dann einmal wöchentlich)
- 146
Optional: Bestimmung der Leberwerte am Ende der Behandlung (wichtig für evtl. spätere erneute Behandlung)
- 147
Vermeidung einer begleitenden Medikation mit potentiell hepatotoxischen Medikamenten, insbesondere auch Betablockern, Antidepressiva und Migränemitteln. Vorsicht bei Alkohol.
Der Senat sieht in Ansehung des Berufungsvorbringens keine Veranlassung, diese sachverständige Einschätzung in Frage zu stellen. Sie wird durch die Aussage der WHO in ihrem Bericht aus dem Jahr 2007, wonach ein Verkehrsverbot für Kava-Kava nach gegenwärtigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht zu rechtfertigen ist (vgl. WHO Bericht, S. 18), gestützt. Auch Teschke spricht sich in seiner Veröffentlichung „Hepatotoxizität durch Kava-Kava: Risikofaktoren und Prävention“ (Deutsches Ärzteblatt 2002, 99 (50)) für entsprechende Maßnahmen aus. Aktuellere wissenschaftliche Erkenntnisse, die die Empfehlungen der Kommission E durchgreifend in Zweifel ziehen, liegen nicht vor.
149Diese sind auch geeignet, die bestehenden hepatotoxischen Risiken - soweit sie vorhersehbar sind - weitgehend wirkungsvoll auszuschalten.
150Besondere Bedeutung kommt hierbei der Unterstellung unter die Verschreibungspflicht zu. Hierdurch wird eine ärztliche Indikationsstellung sichergestellt und einer unsachgemäßen Selbstmedikation entgegengewirkt. Der Einwand der Beklagten, eine Verschreibungspflicht sei unzureichend, weil der hepatotoxische Wirkmechanismus von Kava-Kava nicht hinreichend geklärt sei und der verordnende Arzt nicht mit genügender Sicherheit vorhersehen könne, welcher Patient gefährdet sei, greift nicht durch. Er eignet sich schon deswegen nicht als Argument gegen die Verschreibungspflicht, weil das Arzneimittelgesetz in § 48 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AMG als eine Fallgruppe verschreibungspflichtiger Arzneimittel diejenigen vorsieht, die Stoffe mit in der medizinischen Wissenschaft nicht allgemein bekannten Wirkungen oder Zubereitungen solcher Stoffe enthalten. Abgesehen davon ist es einem Arzt in Bezug auf ein Kava-Kava-haltiges Präparat anhand der bekannten Risikofaktoren auch ungeachtet des genauen Wirkmechanismus möglich, das Risikoprofil eines Patienten abzustecken. Denn in einem ersten Schritt können - nach anamnestischer Abklärung - Fälle mit relevanter Begleitmedikation, erheblichem Alkoholkonsum, Lebererkrankung oder Lebervorschädigung sowie nicht zutreffender Indikation herausgefiltert werden. Erfolgt nach Abklärung dieser Gesichtspunkte eine Verschreibung, kann den von der Krankenvorgeschichte unabhängigen Risikofaktoren wirksam durch eine Begrenzung von Anwendungsdauer und Dosierung entsprechend den Vorgaben der Fachinformationen entgegengewirkt werden. Hinzuweisen ist darin außerdem auf die Risiken bei erheblichem Alkoholkonsum und einer begleitenden Medikation mit potentiell hepatotoxischen Medikamenten, wie Betablockern, Antidepressiva und Migränemitteln.
151Dabei sind die Einhaltung der vorgesehen Dosierung von 120 mg Kava-Pyrone und die Begrenzung der Anwendungsdauer entsprechend den aktualisierten Erkenntnissen der Kommission E auf einen, maximal zwei Monate entscheidend. Eine höhere Dosierung ist einerseits deswegen nicht vertretbar, weil die Wirksamkeit für eine Dosierung von 60 mg-120 mg Kava-Pyrone belegt ist und deswegen keine Rechtfertigung dafür besteht, potentiell mit einer höheren Dosierung einhergehende Zusatzrisiken einzugehen. Abgesehen davon bestehen den genannten wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine höhere Dosierung das Risiko für leberschädigende Nebenwirkungen erhöht. Entsprechendes gilt bezogen auf eine längere Anwendungsdauer.
152Flankierend zu den bereits erwähnten Maßnahmen wirkt die von der Kommission E vorgeschlagene Begrenzung der Packungsgröße auf maximal 30 Einheiten bei 120 mg Kava-Pyronen. Durch diese Maßnahme wird der Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung vorgebeugt und auf einen bestimmungsgemäßer Gebrauch hingewirkt. Dabei ist zu sehen, dass die Missbrauchsgefahr jedenfalls bei indikationskonformer Anwendung Kava-Kava-haltiger Präparate nicht gleichermaßen hoch sein dürfte, wie bei Arzneimitteln, die - wie z.B. Benzodiazepine - Abhängigkeiten auslösen. Allerdings ist insoweit darauf hinzuweisen, dass diesem Aspekt im Rahmen der Nutzen-Risiko-Abwägung, die sich an dem bestimmungsgemäßen Gebrauch zu orientieren hat, keine eigenständige Bedeutung zukommt. Abweichungen der von der Kommission E empfohlenen Packungsgröße begründen daher ohne das Hinzutreten weiterer Abweichungen kein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis.
153Die vorgesehene Bestimmung der Leberwerte vor Beginn der Behandlung und deren fortlaufende wöchentliche Kontrolle ermöglicht eine zeitnahe Reaktion auf festgestellte Veränderungen und zielt darauf ab, irreversiblen Schädigungen vorzubeugen.
154Der Senat verkennt nicht, dass mit den genannten Maßnahmen nicht in jedem Einzelfall ein Risikoausschluss garantiert werden kann, geht aber davon aus, dass bedingt durch ihre Zielrichtung, Wirkweise und ihr Ineinandergreifen die nach derzeitigem Erkenntnisstand prognostizierbaren Risiken in Relation zum Nutzen von Kava-Kava-Präparaten auf ein vertretbares Maß reduziert werden können.
155Das wird daran deutlich, dass mit Ausnahme eines Falls in sämtlichen Fällen, auf die das BfArM seine Risikoeinschätzung stützt, zumindest einer der durch die vorgenannten Maßnahmen begrenzbaren Risikofaktoren vorlag. Entweder es war eine Begleitmedikation verordnet oder die Anwendung dauerte länger als drei Monate an oder es wurde eine Überdosierung festgestellt. Zumeist war sogar eine Kombination aus mehreren dieser Faktoren gegeben.
156Vgl. die Übersicht in Table 1 bei Teschke/Schwarzenboeck/Hennermann “Kava hepatotoxcity: a clinical survey and critical analysis of 26 cases”, European Journal of gastroenterology & hepatology 2008, Vol. 20, S. 1182 ff.
157Dieser Einschätzung steht auch nicht das vermehrte Auftreten idiosynkratischer, d.h. unvorhersehbarer Leberreaktionen im Zusammenhang mit der Einnahme von Kava-Kava-Präparaten entgegen. Die Auswertung der Fallberichte des BfArM liefert hierfür keinen Beleg. Letztlich scheint die Beklagte selbst - wenngleich sie diesen Aspekt besonders hervorgehoben hat - nicht hiervon auszugehen, wenn sie diese Fälle als „Ausreißer“ bezeichnet und andererseits meint, ein „charakteristisches Muster“ für die potentielle Lebertoxizität von Kava-Kava-Präparaten ausmachen zu können. Abgesehen davon ist die Möglichkeit einer idiosynkratischen Leberschädigung deswegen kein durchgreifendes Argument für ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis des hier in Rede stehenden Kava-Kava-Präparats, weil es sich dabei um ein generelles Problem im Hinblick auf die Lebertoxizität von Medikamenten handelt. Der Mechanismus der Idiosynkrasie, also einer angeborenen oder erworbenen Überempfindlichkeit schon beim ersten Kontakt gegen bestimmte, von außen zugeführte Stoffe, die nicht durch eine Reaktion des Immunsystems hervorgerufen wird, sondern durch Fehlfunktion/Nichtfunktion defekter oder Fehlen intakter Enzyme,
158vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Idiosynkrasie,
159beschränkt sich nicht auf Kava-Kava-haltige Arzneimittel.
160Ungefähr 1000 Arzneistoffe gelten als lebertoxisch. Hierzu gehören beispielsweise Paracetamol, Diclofenac und Penicillin.
161Vgl. Schlatter, Entgiftung zum Gift, Nebenwirkung Leberschaden, Pharmazeutische Zeitung Ausgabe 35/2009.
162Obgleich bei all diesen Arzneistoffen unvorhersehbare, also idiosynkratische, Leberreaktionen möglich sind, befindet sich eine Vielzahl von Präparaten, die diese Wirkstoffe enthalten, auf dem Markt.
163An der getroffenen Bewertung ändern auch bestehende Behandlungsalternativen nichts, insbesondere fällt die Nutzen-Risiko-Abwägung mit Blick darauf nicht generell zu Ungunsten des streitbefangenen Präparats aus. Abwägungsrelevant könnte dieser Aspekt sein, wenn deren Ersetzbarkeit durch andere Arzneimittel mit günstigerem Nebenwirkungsprofil gewährleistet wäre. Das ist aber nicht der Fall. Denn soweit die Beklagte Bezug auf den Inhalt der S3-Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen nimmt und auf selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) und Pregabalin als Mittel der ersten Wahl sowie auf trizyklische Antidepressiva (TZA), Buspiron, Benzodiazepine, Hydroxin und Opipramol als Mittel der zweiten Wahl verweist, sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Es erscheint schon zweifelhaft, ob es sich dabei überhaupt um einen geeigneten Ersatz für Kava-Kava-Präparate handelt. Das gilt ungeachtet der fehlenden vollständigen Übereinstimmung der Anwendungsgebiete insbesondere deswegen, weil jene Arzneimittel im Gegensatz zu den auf eine Kurzzeitbehandlung mit raschem Wirkeintritt gerichteten Kava-Kava-Präparaten größtenteils eine längere Wirklatenz von bis zu sechs Wochen haben. Überdies kann für keines der von der Beklagten empfohlenen synthetischen Alternativarzneimittel ein günstigeres Nebenwirkungsprofil festgestellt werden. Das ergibt sich daraus, dass das Spektrum möglicher Nebenwirkungen weitgehend breiter gefächert ist als beim verfahrensgegenständlichen Kava-Kava-Präparat, zum Teil auch schwere Nebenwirkungen umfasst und vielfach Absetzphänomene, Abhängigkeitsrisiken und sedierende Effekte mit dem damit einhergehenden negativen Einfluss auf die geistige Leistungsfähigkeit beschrieben werden. Wegen der Einzelheiten dazu wird auf die tabellarische Übersicht bei B. Bandelow, R. Boerner, S. Kasper, M.Linden, H.-U. Wittchen und H.-J. Möller „Generalisierte Angststörung: Diagnostik und Therapie“, Deutsches Ärzteblatt 2013, S. 303, und die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.
164Die von der Beklagten angesprochenen traditionellen Phytopharamka, namentlich Baldrianwurzelzubereitungen und Lavendelöl sind schon deswegen keine geeignete Alternative, weil ihr Anwendungsgebiet nicht deckungsgleich mit dem Kava-Kava-haltiger Arzneimittel ist, sondern sich insoweit nur gewisse Überschneidungen ergeben.
165Gemessen an den vorstehenden Überlegungen ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis des streitbefangenen Arzneimittels ungünstig. Denn unter Zugrundelegung des Inhalts der Änderungsanzeige und der vorstehenden Ausführungen sind die bisher umgesetzten Maßnahmen zur Minimierung der bestehenden Risiken nicht ausreichend.
166Dies bezieht sich in erster Linie auf die Dosierung. Es fehlt nach der Änderungsanzeige vom März 2011 an einer der Monographie der Kommission E bzw. deren Empfehlungen aus dem Jahr 2002 entsprechenden Dosierung von 60-120 mg Kava-Pyrone. Damit hat die Klägerin die Tagesdosis für M. 60 von zweimal täglich eine Kapsel (a 60 mg Kava-Pyrone) auf viermal täglich eine Kapsel entsprechend einer Tagesdosis von 240 mg Kava-Pyrone erhöht. Diese Dosierung ist nicht monographiekonform. Diese Feststellung beruht auf Folgendem: Der Senat ist aufgrund der plausiblen und durchgehend nachvollziehbaren sachverständigen Erläuterungen von Frau Dr. H. und Herrn Dr. T. , denen die Beklagte nichts Durchgreifendes entgegen gesetzt hat, zu der Überzeugung gelangt, dass sich die in der Monographie der Kommission E angegebene Dosierungsspanne von 60-120 mg Kava-Pyrone auf die DC-Methode und nicht - auch nicht teilweise - auf die HPLC-Methode bezieht.
167In der Monographie selber ist keine Aussage zu der zugrunde liegenden Messmethode getroffen worden. Das sich bei den Unterlagen zur
168Monographieerstellung befindliche Gutachten von Dr. K. M1. aus dem Jahr 1986 erlaubt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht den Rückschluss, dass sich die Dosierungsangabe auf die HPLC- Methode bezieht. Denn daraus geht lediglich hervor, dass zu diesem Zeitpunkt bereits alle sechs Kava-Pyrone bekannt waren und es die HPLC-Methode gab. Zum Umfang ihres Einsatzes und dazu, ob die für die Erstellung der Positivmonographie maßgebenden Studien mit Extrakten durchgeführt worden sind, deren Kavalactongehalt mit dieser Methode gemessen worden ist, ergibt sich daraus hingegen nichts.
169Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung auch nicht in Abrede gestellt,
170dass es die HPLC-Methode zu diesem Zeitpunkt bereits gab, sondern hat vielmehr bestätigt, dass sie bereits damals im universitären Bereich Anwendung gefunden hat. Etwas anderes gelte indes für die Industrie. Dort habe man zur Zeit der Monographieerstellung nicht über die entsprechenden Reinsubstanzen verfügt, um alle sechs Kava-Pyrone quantifizieren zu können. Da die der Monographieerstellung zugrundeliegenden Studien mit Industriepräparaten durchgeführt worden seien, beziehe sich die in der Monographie angegebene Dosierung demzufolge auf die DC-Methode. Dass die Studien mit Industriepräparaten durchgeführt worden sind, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Hierzu hat Frau Dr. H. - von der Beklagten unwidersprochen - darauf hingewiesen, dass die Firma Finzelberg, bei der sie zum damaligen Zeitpunkt angestellt war, damals allein mit der DC-Methode gemessene Kava-Extrakte hergestellt und an pharmazeutische Unternehmen geliefert und insoweit einen 95 prozentigen Marktanteil gehalten habe.
171Angesichts dessen konnte die Beklagte auch lediglich auf die Extrakte der Firma T1. , die erst zu einem späteren Zeitpunkt Kundin der Firma G. geworden war, verweisen. Sie gehe davon aus, dass die Firma T1. ab dem Jahr 1990 Extrakte hergestellt habe, die nach der HPLC-Methode bemessen worden seien und davon, dass mit deren Präparaten die Studien von Warnecke, die für die Erstellung der Monographie maßgebend waren, durchgeführt worden seien. Hierbei handelt es sich indes um eine durch die von Herrn Dr. T. angestellten Ermittlungen widerlegte Vermutung. Denn daraus geht hervor, dass in der Monographie nicht auf die erst später erstellten Studien von Warnecke zu dem Präparat Laitan, sondern lediglich auf zwei der Komission E im Zeitraum von April bis September 1989 vorgelegte Studienberichte Bezug genommen wird. Das folge - so Herr Dr. T. - daraus, dass sich die Untersuchungen von Warnecke ausweislich der Monographie auf ein mit 60 mg Kava-Pyrone dosiertes Präparat und die erst nach Erstellung der Monographie veröffentlichten Studien hingegen auf das sich erst seit Dezember 1989 auf dem Markt befindliche Präparat Laitan mit einer Dosierung von 70-210 mg Kava-Pyrone bezogen hätten. Diese unterschiedlichen Dosierungen können einerseits als Hinweis darauf gedeutet werden, dass im Zeitraum zwischen den Studienberichten und der Veröffentlichung der Studien eine Umrechnung stattgefunden hat, für die aber nur dann ein Erfordernis bestand, wenn das den Studienberichten zugrundeliegende Präparat mittels DC-Methode gemessen war. Als weitere denkbare Erklärungsmöglichkeit kommt allein in Betracht, dass sich Studien und Studienberichte auf unterschiedliche Präparate bezogen haben. Aber auch daraus ergibt sich kein Anhalt dafür, dass das Präparat, zu dem sich der Studienbericht verhält, bereits nach der HPLC-Methode gemessen war. Dagegen spricht, dass es sich dabei um ein - an der damals standardisierten DC-Methode gemessen - erheblich aus dem Rahmen fallendes, weil deutlich unterhalb der angenommen Wirksamkeitsschwelle dosiertes Präparat gehandelt hätte. Hinzu kommt, dass die entgegengesetzte Annahme der Beklagten nicht auf validen Erkenntnissen beruht, sondern auf einer Mitteilung, die die Firma T1. erst zu einem viel späteren Zeitpunkt, nämlich im Zulassungsverfahren gemacht hat. Demgegenüber hat Herr Dr. T. anhand der Studienberichte die dem Präparat der Firma T1. zugrundeliegende Analytik selbst geprüft und hat dabei keinen Hinweis darauf gefunden, dass dies nach der HPLC-Methode bemessen wurde.
172Vor diesem Hintergrund ist auch die weitere Vermutung der Beklagten, dass der in der Monographie angegebene Wert von 60 mg Kava-Pyrone auf der DC-Methode beruhte und der Wert von 120 mg auf der HPLC-Methode, fernliegend und durch nichts belegt. Denn einerseits ginge damit einher, dass die für Phytopharmaka charakteristische Dosierungsspanne weitgehend entfiele. Andererseits hält der Senat es mit Frau Dr. H. für abwegig, dass in einer Dosisempfehlung, die eine Spannbreite angibt, zwei Werte genannt werden, die auf unterschiedlichen Mess- und Analysemethoden beruhen.
173Angesichts dessen ist der Klägerin darin zu folgen, dass die Deklarierung der Dosierung an die heute standardisierte HPLC-Methode angepasst werden muss. Der Senat stimmt aber darin nicht mit der Klägerin überein, dass dies im Sinne einer Verdoppelung zu erfolgen hat. Der Umstand, dass die Bestimmung nach der DC-Methode mit drei Kava-Pyronen erfolgt und die nach der HPLC-Methode mit sechs Kava-Pyronen, rechtfertigt dies nicht, weil der Lactongehalt der unterschiedlichen Pyrone variiert. Das erfordert die Bestimmung eines anderen Umrechnungsfaktors. Frau Dr. H. hat 1,61 als Korrelationsfaktor angegeben und dessen Herleitung anhand einer gut nachvollziehbaren und stimmigen Berechnungsübersicht erläutert. Die Beklagte ist dem nicht entgegen getreten. Der Senat hat auch unter Berücksichtigung der übrigen in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse keine Zweifel, dass dieser Korrelationsfaktor zutrifft. Bei seiner Anwendung ergibt sich, dass der in der Monographie genannten Dosierungsspanne von 60-120 mg Kava-Pyrone nach der DC-Methode einer Dosierungsspanne von 97-193 mg Kava-Pyrone nach der HPLC-Methode entspricht und das hier streitgegenständliche Präparat deswegen bei der Dosierung von 4 mal täglich 1 Kapsel (= 240 mg Kava-Pyrone überdosiert ist.
174Neben der Dosierung entsprechen auch die dem Senat vorliegenden Gebrauchs- und Fachinformation Stand März 2011 - unterstellt, die darin enthaltenen Änderungen von für die Zulassung wesentlichen Angaben sind im Wege der Änderungsanzeige wirksam geworden - nicht vollständig den Empfehlungen der Kommission E. Das betrifft die Angabe der Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten (der Hinweis auf die Vermeidung einer begleitenden Medikation mit potentiell hepatotoxischen Medikamenten, insbesondere auch Betablockern, Antidepressiva und Migränemitteln fehlt), die darin vorgesehene Bestimmung der Leberwerte vor Beginn der Behandlung, sodann wöchentlich und optional nach Abschluss der Behandlung, sowie die Begrenzung der Anwendungsdauer auf einen, maximal zwei Monate.
175(II.) Wenngleich die festgestellten Abweichungen ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis begründen, rechtfertigen sie nicht den Widerruf der Zulassung, weil eine Änderung der Zulassung auf der Grundlage von § 30 Abs. 2a Satz 1 AMG vorrangig ist. Mit dieser in der Fassung vom 19. Dezember 2012 geltenden Vorschrift, die als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu interpretieren ist, besteht eine Grundlage dafür, Änderungen auf Ebene der Zulassung vorzunehmen.
176Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 18. April 2012, BT-Drs. 17/9341, S. 54.
177Wie ausgeführt, ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis des hier streitgegenständlichen Präparats - insbesondere wegen der zu hohen Dosierung, aber auch im Hinblick auf die übrigen Abweichungen von den Empfehlungen der Kommission E in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2002 - als ungünstig zu bewerten, erwiese sich aber nach entsprechender Anpassung an diese Empfehlungen nicht mehr als ungünstig, mit der Folge, dass der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG entfällt. Zur Begründung dafür wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.
178Lassen sich die mit der Anwendung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel in Verbindung gebrachten Nebenwirkungen danach bereits durch die von der Kommission E vorgeschlagenen regulatorischen Maßnahmen auf ein vertretbares Maß reduzieren, kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die Beklagte vorrangig unter der Voraussetzungen des § 28 Abs. 3b Satz 1 Nr. 2 AMG eine Unbedenklichkeitsstudie („PASS“) hätte anordnen können und müssen.
179Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 2, 154 Abs. 2 VwGO. Hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils entspricht es billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes, dass die Beklagte die Kosten trägt. Der Senat folgt der Kostenübernahmeerklärung der Beklagten.
180Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.
181Die Revision ist zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegen.
(1) Die zuständige Bundesoberbehörde kann die Zulassung mit Auflagen verbinden. Bei Auflagen nach den Absätzen 2 bis 3d zum Schutz der Umwelt, entscheidet die zuständige Bundesoberbehörde im Einvernehmen mit dem Umweltbundesamt, soweit Auswirkungen auf die Umwelt zu bewerten sind. Hierzu übermittelt die zuständige Bundesoberbehörde dem Umweltbundesamt die zur Beurteilung der Auswirkungen auf die Umwelt erforderlichen Angaben und Unterlagen. Auflagen können auch nachträglich angeordnet werden.
(2) Auflagen nach Absatz 1 können angeordnet werden, um sicherzustellen, dass
- 1.
die Kennzeichnung der Behältnisse und äußeren Umhüllungen den Vorschriften des § 10 entspricht; dabei kann angeordnet werden, dass angegeben werden müssen - a)
Hinweise oder Warnhinweise, soweit sie erforderlich sind, um bei der Anwendung des Arzneimittels eine unmittelbare oder mittelbare Gefährdung der menschlichen Gesundheit zu verhüten, - b)
Aufbewahrungshinweise für den Verbraucher und Lagerhinweise für die Fachkreise, soweit sie geboten sind, um die erforderliche Qualität des Arzneimittels zu erhalten,
- 2.
die Packungsbeilage den Vorschriften des § 11 entspricht; dabei kann angeordnet werden, dass angegeben werden müssen - a)
die in der Nummer 1 Buchstabe a genannten Hinweise oder Warnhinweise, - b)
die Aufbewahrungshinweise für den Verbraucher, soweit sie geboten sind, um die erforderliche Qualität des Arzneimittels zu erhalten,
- 2a.
die Fachinformation den Vorschriften des § 11a entspricht; dabei kann angeordnet werden, dass angegeben werden müssen - a)
die in Nummer 1 Buchstabe a genannten Hinweise oder Warnhinweise, - b)
besondere Lager- und Aufbewahrungshinweise, soweit sie geboten sind, um die erforderliche Qualität des Arzneimittels zu erhalten, - c)
Hinweise auf Auflagen nach Absatz 3,
- 3.
die Angaben nach den §§ 10, 11 und 11a den für die Zulassung eingereichten Unterlagen entsprechen und dabei einheitliche und allgemein verständliche Begriffe und ein einheitlicher Wortlaut, auch entsprechend den Empfehlungen und Stellungnahmen der Ausschüsse der Europäischen Arzneimittel-Agentur, verwendet werden, wobei die Angabe weiterer Gegenanzeigen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen zulässig bleibt; von dieser Befugnis kann die zuständige Bundesoberbehörde allgemein aus Gründen der Arzneimittelsicherheit, der Transparenz oder der rationellen Arbeitsweise Gebrauch machen; dabei kann angeordnet werden, dass bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bestimmte Anwendungsgebiete entfallen, wenn zu befürchten ist, dass durch deren Angabe der therapeutische Zweck gefährdet wird, - 4.
das Arzneimittel in Packungsgrößen in den Verkehr gebracht wird, die den Anwendungsgebieten und der vorgesehenen Dauer der Anwendung angemessen sind, - 5.
das Arzneimittel in einem Behältnis mit bestimmter Form, bestimmtem Verschluss oder sonstiger Sicherheitsvorkehrung in den Verkehr gebracht wird, soweit es geboten ist, um die Einhaltung der Dosierungsanleitung zu gewährleisten oder um die Gefahr des Missbrauchs durch Kinder zu verhüten.
(2a) Warnhinweise nach Absatz 2 können auch angeordnet werden, um sicherzustellen, dass das Arzneimittel nur von Ärzten bestimmter Fachgebiete verschrieben und unter deren Kontrolle oder nur in Kliniken oder Spezialkliniken oder in Zusammenarbeit mit solchen Einrichtungen angewendet werden darf, wenn dies erforderlich ist, um bei der Anwendung eine unmittelbare oder mittelbare Gefährdung der Gesundheit von Menschen zu verhüten, insbesondere, wenn die Anwendung des Arzneimittels nur bei Vorhandensein besonderer Fachkunde oder besonderer therapeutischer Einrichtungen unbedenklich erscheint.
(3) Die zuständige Bundesoberbehörde kann durch Auflagen ferner anordnen, dass weitere analytische, pharmakologisch-toxikologische oder klinische Prüfungen durchgeführt werden und über die Ergebnisse berichtet wird, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Arzneimittel einen großen therapeutischen Wert haben kann und deshalb ein öffentliches Interesse an seinem unverzüglichen Inverkehrbringen besteht, jedoch für die umfassende Beurteilung des Arzneimittels weitere wichtige Angaben erforderlich sind. Die zuständige Bundesoberbehörde überprüft jährlich die Ergebnisse dieser Prüfungen.
(3a) Die zuständige Bundesoberbehörde kann bei Erteilung der Zulassung durch Auflagen ferner anordnen,
- 1.
bestimmte im Risikomanagement-System enthaltene Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Anwendung des Arzneimittels zu ergreifen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 2.
Unbedenklichkeitsstudien durchzuführen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 3.
Verpflichtungen im Hinblick auf die Erfassung oder Meldung von Verdachtsfällen von Nebenwirkungen, die über jene des Zehnten Abschnitts hinausgehen, einzuhalten, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 4.
sonstige erforderliche Maßnahmen hinsichtlich der sicheren und wirksamen Anwendung des Arzneimittels zu ergreifen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 5.
ein angemessenes Pharmakovigilanz-System einzuführen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 6.
soweit Bedenken bezüglich einzelner Aspekte der Wirksamkeit des Arzneimittels bestehen, die erst nach seinem Inverkehrbringen beseitigt werden können, Wirksamkeitsstudien nach der Zulassung durchzuführen, die den Vorgaben in Artikel 21a Satz 1 Buchstabe f der Richtlinie 2001/83/EG entsprechen.
(3b) Die zuständige Bundesoberbehörde kann nach Erteilung der Zulassung ferner durch Auflagen anordnen,
- 1.
ein Risikomanagement-System und einen Risikomanagement-Plan einzuführen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 2.
Unbedenklichkeitsstudien durchzuführen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 3.
eine Wirksamkeitsstudie durchzuführen, wenn Erkenntnisse über die Krankheit oder die klinische Methodik darauf hindeuten, dass frühere Bewertungen der Wirksamkeit erheblich korrigiert werden müssen; die Verpflichtung, diese Wirksamkeitsstudie nach der Zulassung durchzuführen, muss den Vorgaben nach Artikel 22a Absatz 1 Buchstabe b Satz 2 der Richtlinie 2001/83/EG entsprechen.
(3c) Die zuständige Bundesoberbehörde kann durch Auflage ferner anordnen, dass bei der Herstellung und Kontrolle solcher Arzneimittel und ihrer Ausgangsstoffe, die biologischer Herkunft sind oder auf biotechnischem Wege hergestellt werden,
- 1.
bestimmte Anforderungen eingehalten und bestimmte Maßnahmen und Verfahren angewendet werden, - 2.
Unterlagen vorgelegt werden, die die Eignung bestimmter Maßnahmen und Verfahren begründen, einschließlich von Unterlagen über die Validierung, - 3.
die Einführung oder Änderung bestimmter Anforderungen, Maßnahmen und Verfahren der vorherigen Zustimmung der zuständigen Bundesoberbehörde bedarf,
(3d) (weggefallen)
(3e) (weggefallen)
(3f) Bei Auflagen nach den Absätzen 3, 3a und 3b kann die zuständige Bundesoberbehörde Art, Umfang und Zeitrahmen der Studien oder Prüfungen sowie Tätigkeiten, Maßnahmen und Bewertungen im Rahmen des Risikomanagement-Systems bestimmen. Die Ergebnisse sind durch Unterlagen so zu belegen, dass aus diesen Art, Umfang und Zeitpunkt der Studien oder Prüfungen hervorgehen.
(3g) Der Inhaber der Zulassung eines Arzneimittels hat alle Auflagen nach den Absätzen 3, 3a und 3b in sein Risikomanagement-System aufzunehmen. Die zuständige Bundesoberbehörde unterrichtet die Europäische Arzneimittel-Agentur über die Zulassungen, die unter den Auflagen nach den Absätzen 3, 3a und 3b erteilt wurden.
(3h) Die zuständige Bundesoberbehörde kann bei biologischen Arzneimitteln geeignete Maßnahmen zur besseren Identifizierbarkeit von Nebenwirkungsmeldungen anordnen.
(4) Soll die Zulassung mit einer Auflage verbunden werden, so wird die in § 27 Abs. 1 vorgesehene Frist bis zum Ablauf einer dem Antragsteller gewährten Frist zur Stellungnahme gehemmt. § 27 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.
(1) Die Zulassung ist zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass einer der Versagungsgründe des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2, 3, 5, 5a oder 7 bei der Erteilung vorgelegen hat; sie ist zu widerrufen, wenn einer der Versagungsgründe des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3, 5, 5a oder 7 nachträglich eingetreten ist. Die Zulassung ist ferner zurückzunehmen oder zu widerrufen, wenn
- 1.
sich herausstellt, dass dem Arzneimittel die therapeutische Wirksamkeit fehlt, - 2.
in den Fällen des § 28 Abs. 3 die therapeutische Wirksamkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse unzureichend begründet ist.
(1a) Die Zulassung ist ferner ganz oder teilweise zurückzunehmen oder zu widerrufen, soweit dies erforderlich ist, um einer Entscheidung oder einem Beschluss der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union nach Artikel 34 der Richtlinie 2001/83/EG zu entsprechen. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet bei Rechtsmitteln gegen Entscheidungen der zuständigen Bundesoberbehörde nach Satz 1 nicht statt. In den Fällen des Satzes 1 kann auch das Ruhen der Zulassung befristet angeordnet werden.
(2) Die zuständige Bundesoberbehörde kann die Zulassung
- 1.
zurücknehmen, wenn in den Unterlagen nach § 22 oder § 24 unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht worden sind, - 2.
widerrufen, wenn der Versagungsgrund des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 nachträglich eingetreten ist oder wenn eine der nach § 28 angeordneten Auflagen nicht eingehalten und diesem Mangel nicht innerhalb einer von der zuständigen Bundesoberbehörde zu setzenden angemessenen Frist abgeholfen worden ist; dabei sind Auflagen nach § 28 Abs. 3 und 3a jährlich zu überprüfen, - 3.
im Benehmen mit der zuständigen Behörde widerrufen, wenn die für das Arzneimittel vorgeschriebenen Prüfungen der Qualität nicht oder nicht ausreichend durchgeführt worden sind, - 4.
im Benehmen mit der zuständigen Behörde widerrufen, wenn sich herausstellt, dass das Arzneimittel nicht nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln hergestellt worden ist.
(2a) In den Fällen der Absätze 1 und 1a ist die Zulassung zu ändern, wenn dadurch der in Absatz 1 genannte betreffende Versagungsgrund entfällt oder der in Absatz 1a genannten Entscheidung entsprochen wird. In den Fällen des Absatzes 2 kann die Zulassung durch Auflage geändert werden, wenn dies ausreichend ist, um den Belangen der Arzneimittelsicherheit zu entsprechen.
(3) Vor einer Entscheidung nach den Absätzen 1 bis 2a muss der Inhaber der Zulassung gehört werden, es sei denn, dass Gefahr im Verzuge ist. Das gilt auch, wenn eine Entscheidung der zuständigen Bundesoberbehörde über die Änderung der Zulassung, Auflagen zur Zulassung, den Widerruf, die Rücknahme oder das Ruhen der Zulassung auf einer Einigung der Koordinierungsgruppe nach Artikel 107g, 107k oder Artikel 107q der Richtlinie 2001/83/EG beruht. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet in den Fällen des Satzes 2 nicht statt. In den Fällen des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 ist die Entscheidung sofort vollziehbar. Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung.
(4) Ist die Zulassung für ein Arzneimittel zurückgenommen oder widerrufen oder ruht die Zulassung, so darf es
Die Rückgabe des Arzneimittels an den pharmazeutischen Unternehmer ist unter entsprechender Kenntlichmachung zulässig. Die Rückgabe kann von der zuständigen Behörde angeordnet werden.Tenor
Der Bescheid des Bundesamtes für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 24.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2015 wird aufgehoben, soweit unter Nr. 3 bezüglich Abschnitt 4.4 der Fachinformation und in Abschnitt 2 der Gebrauchsinformation eine Kontrolle der Leberwerte (GPT und γ-GT) auch in der 3., 5. und 7. Behandlungswoche angeordnet ist. Nr. II des Bescheides vom 24.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2015 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 7/9 und die Beklagte zu 2/9.
Das Urteil ist für die Klägerin hinsichtlich der Kosten gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages vorläufig vollstreckbar. Für die Beklagte ist es hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin ist Inhaberin der arzneimittelrechtlichen Zulassungen für die Präparate „ Kapseln“, „ Tropfen“, „ Tropfen“ und „ Dragees“. Dabei handelt es sich um pflanzliche Angstlöser (Anxiolytika) zur Anwendung bei nervösen Angst-, Spannungs- und Unruhezuständen, die als Wirkstoff einen Kava-Kava-Wurzelstock-Trockenextrakt – Piperis methystici rhizoma – in Gestalt eines ethanolischen Auszugs enthalten. Die Anwendungsgebiete der Arzneimittel entsprechen den Vorgaben der Monographie der Kommission E vom 01.06.1990 „Nervöse Angst-, Spannungs- und Unruhezustände“. Im Jahre 2001 leitete das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgrund von Berichten über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen in Gestalt lebertoxischer Effekte bei acetonischen Kava-Kava-Auszügen, insbesondere aus der Schweiz, ein Stufenplanverfahren nach § 63 des Arzneimittelgesetzes (AMG) ein. Nach Anhörung der betroffenen pharmazeutischen Unternehmen widerrief die Beklagte mit Bescheid vom 14.06.2002 erstmals die Zulassungen Kava-Kava- und Kavain-haltiger Arzneimittel bis zu einer homöopathischen Verdünnung von D4. Zum 01.07.2002 wurde die Verschreibungspflicht für derartige Präparate eingeführt. Die Kommission E empfahl in einer Stellungnahme vom 03.07.2002 bestimmte Sicherheitsmaßnahmen. Gegen den Widerruf erhoben die betroffenen Unternehmen Widerspruch, woraufhin das BfArM an der Widerrufsentscheidung nicht festhielt, sondern stattdessen mit Bescheid vom 12.05.2005 ein befristetes Ruhen der betroffenen Zulassungen anordnete.
3Mit Bescheid vom 21.12.2007 widerrief das BfArM die Zulassungen Kava-Kava- und Kavain-haltiger Arzneimittel und homöopathischer Zubereitungen aus Kava-Kava-Zubereitungen bis zu einer Verdünnung von D4 erneut, da der begründete Verdacht schädlicher Wirkungen auch unter Berücksichtigung der von den betroffenen Unternehmen und ihren Verbänden vorgelegten Unterlagen fortbestehe. Die hiergegen erhobenen Widersprüche wies die Behörde mit Widerspruchsbescheiden vom 21.02.2012 zurück.
4Auf die dagegen beim Verwaltungsgericht Köln erhobenen Klagen hob das Gericht mit Urteilen vom 20.05.2014 - 7 K 6971/11 u.a. - die Widerrufsbescheide in Gestalt der Widerspruchsbescheide auf. Die gegen die Urteile seitens der Beklagten eingelegten Berufungen wies das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Urteilen vom 25.02.2015 - 13 A 1373/14 u.a. - zurück, da die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zulassungen nicht erfüllt seien. Zwar sei das Nutzen-Risiko-Verhältnis der betroffenen Präparate derzeit ungünstig, jedoch könne dieser Versagungsgrund ausgeräumt werden, indem die Zulassungen unter Berücksichtigung der von der Kommission E vorgeschlagenen regulatorischen Maßnahmen geändert würden.
5Mit Anhörungsschreiben vom 27.03.2015 eröffnete das BfArM ein Stufenplanverfahren der Stufe II.
6Mit Schreiben vom 30.10.2015 beantragte die Klägerin beim BfArM, die Kommission E zur Nutzen-Risiko-Bewertung von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln anzuhören und ein Votum darüber einzuholen, ob die im Jahr 2002 vorgeschlagenen Maßnahmen noch dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen.
7Das BfArM änderte mit dem hier streitgegenständlichem Bescheid vom 24.08.2015 die Zulassungen Kava-Kava-haltiger Arzneimittel wie folgt:
8„I. Die Zulassungen der in der Anlage aufgeführten Kava-Kava-haltigen Arzneimittel sind hinsichtlich der
91. Dosierung, Anwendergruppe
102. Anwendungsdauer,
113. behandlungsbegleitenden Verpflichtung zur Bestimmung der Leberwertlaborparameter,
124. Wechselwirkungs-, Warn- und Nebenwirkungshinweisen sowie
135. Packungsgröße gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AMG
14wie folgt zu ändern:
15Zu oben 1. und 2.:
16Die Dosierung ist unter 4.2 der Fachinformation „Dosierung, Art und Dauer der Anwendung“ und in der Gebrauchsinformation (Abschnitt 3) folgendermaßen zu bezeichnen:
17Erwachsene: Die maximale Tagesdosis beträgt 200 mg Kava-Pyrone. Die übliche Behandlungsdauer beträgt einen Monat, maximal 2 Monate.
18Unter 4.3 der Fachinformation „Gegenanzeigen“ und in Abschnitt 2 der Gebrauchsinformation „[] darf nicht eingenommen werden“ ist folgender Text aufzunehmen:
19Dieses Arzneimittel darf bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren nicht angewendet werden.
20Zu oben 3. und 4.:
21Die Fachinformation ist im Abschnitt 4.4. „Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung“ zu ergänzen um:
22In Einzelfällen wurde über Leberschäden bis hin zu Leberversagen mit lebensbedrohlichem Ausgang (inkl. Todesfälle) im Zusammenhang mit der Einnahme von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln berichtet. Ein Kausalzusammenhang ist im Einzelfall nicht sicher belegt. Patienten sollten darauf hingewiesen werden, die Einnahme von
Zur Vermeidung von Leberschäden müssen die Laborwerte (GPT und γ-GT) vor Beginn der Behandlung und während der Behandlung einmal wöchentlich bestimmt werden. Die Bestimmung am Ende der Behandlung wird empfohlen.
24Bei der Anwendung von
In die Gebrauchsinformation ist folgender Hinweis in Abschnitt 2 einzufügen:
26Was ist zu tun, um mögliche schwerwiegende Leberprobleme zu vermeiden?
27Beenden Sie die Einnahme von
Im Abschnitt 4.8 „Nebenwirkungen“ der Fachinformation und in Abschnitt 4 der Gebrauchsinformation ist nachfolgende Formulierung aufzunehmen:
30In Einzelfällen wurde über Leberschäden bis hin zu Leberversagen mit lebensbedrohlichem Ausgang (inkl. Todesfälle) im Zusammenhang mit der Einnahme von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln berichtet. Ein Kausalzusammenhang ist im Einzelfall nicht sicher belegt.
31Zu oben 5.:
32Die Packungsgrößen werden gemäß den Vorgaben des Gerichtes auf 30 Tagesdosen bei einer maximalen Tagesdosis von 200 mg beschränkt.
33II. Die Zulassungen werden mit der Auflage verbunden, im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen der betroffenen Arzneimittel Schulungsmaterial für Patienten zur Verfügung zu stellen (s. Anlage).
34Die Anordnungen beruhten auf § 30 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz i.V.m. Abs. 2a und § 28 Abs. 3b Satz 1 Nr. 2 AMG. In Umsetzung der Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen seien die Vorschläge der Kommission E zur Minderung des Anwendungsrisikos der betroffenen Arzneimittel zu übernehmen. Darüber hinaus werde durch die Maßnahme das Risiko hepatotoxischer Nebenwirkungen aufgrund der vorliegenden Verdachtsfälle unerwünschter Wirkungen im Zusammenhang mit der Anwendung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel angemessen berücksichtigt. Ferner wies die Beklagte darauf hin, dass die Anordnung nach § 30 Abs. 3 Satz 4 AMG sofort vollziehbar sei.
35Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2015 als unbegründet zurück.
36Am 22.12.2015 hat die Klägerin – wie die anderen betroffenen Unternehmen in den Verfahren 7 K 7367/15, 7 K 7369/15, 7K 7371/15 und 7 K 7372/15 – Klage erhoben. Sie führt zur Begründung im Wesentlichen aus:
37Die angeordneten Maßnahmen seien im Vergleich zu denen bei deutlich risikoreicheren Arzneimitteln unverhältnismäßig. Sie förderten deren Anwendung und dienten damit nicht der Risikoverminderung. Sie entsprächen auch nicht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Die Anordnungen Ziffern 1. und 2. zur auf zwei Monate beschränkten Behandlungsdauer und der Verwendungsausschluss bei Kindern seien in der Sache nicht zu rechtfertigen. Immerhin seien Benzodiazepine bei der Behandlung von Kindern zugelassen. Der Hinweis auf mögliche Todesfälle (Ziffern 3. und 4.) stehe außer Verhältnis zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Gerade für Patienten mit Angststörungen seien derart furchterregende Schilderungen nicht therapiefreundlich. Völlig außer Verhältnis stehe die Anordnung der wöchentlichen Bestimmung der Leberwerte. Diese Empfehlungen der Kommission seien in den „Turbulenzen eines akuten Stufenplanverfahrens“ entstanden und bedürften mittlerweile einer Überprüfung unter Beachtung des aktuellen Stands der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Ein angemessenes Monitoring müsse sich an dem etablierten Standard von Maßnahmen für Präparate mit vergleichbaren Risiken orientieren. Jedoch fänden sich bei Präparaten mit weit höheren lebertoxischen Risiken nicht annähernd vergleichbare Angaben. Die Angaben zu Wechselwirkungen seien zu akzeptieren. Der Hinweis auf Leberschäden „bis hin zu Leberversagen mit lebensbedrohlichem Ausgang (inklusive Todesfälle)“ sei in Gebrauchs- und Fachinformationen zu streichen. Die Auflage zur Verwendung von Schulungsmaterialien für Ärzte und Patienten stehe in krassem Widerspruch zu den Anordnungen, die üblicherweise in Fällen vergleichbarer Art getroffen würden. Die Beklagte habe dies auch nicht in einem Stufenplanverfahren zu pelargoniumhaltigen Arzneimitteln für nötig gehalten. Dies begründe einen krassen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot. Die vorgelegte Stellungnahme von Dr. T. belege, dass die Kommission E in Anwendung der Maßstäbe für Pelargonium hinsichtlich Kava-Kava zu einem anderen Ergebnis komme. Auch im Zusammenhang mit Pelargonium sei im diesbezüglichen Stufenverfahren ein Fall einer erforderlichen Lebertransplantation bekannt gewesen. Die Beurteilung des Schweregrades von lebertoxischen Nebenwirkungen von Kava-Kava beruhe zwangsläufig auf einem Vergleich mit anderen Therapeutika im gleichen Indikationsgebiet. Ein Vergleich der Inzidenzraten für lebertoxische Effekte beispielsweise von Tranquilizern und Neuroleptika im Vergleich zu Kava-Kava-haltigen Präparaten habe der Kommission E im Jahre 2002 nicht vorgelegen. Die Beklagte habe in ihrer Berufungsbegründung zur Bewertung von Falldaten zu Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln das CIOMS-Verfahren als Mittel der Wahl dargestellt, dieses aber zu keinem Zeitpunkt angewandt. Die von ihr verwandte, abweichende Methode anhand der WHO-Kriterien habe Professor U. in seinen Publikationen als untauglich kritisiert. Die Bewertungsmethode der Beklagten, die keinen Algorithmus erfordere, führe zu einer erheblichen Überschätzung des Leberrisikos. Damit die Kommission eine notwendige Überprüfung vornehmen könne, solle der Beklagten auferlegt werden, der Kommission E eine Bewertung nach dem CIOMS-Verfahren vorzulegen.
38Mit Auflagenbeschluss nach mündlicher Verhandlung vom 24.10.2017 hat die Kammer der Beklagten aufgegeben, eine Stellungnahme der Kommission E zu folgenden Fragen vorzulegen:
391. Sind die in der Ergebnisniederschrift der 19. Sitzung vom 03.07.2002 auf Seite 5 vorgeschlagenen Maßnahmen nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse noch angemessen für Kava-Kava-haltige Arzneimittel, die als Wirkstoff ausschließlich einen ethanolischen Extrakt von Nobel-Kava enthalten?
402. Gibt es Arzneimittel mit vergleichbaren Risiken und weniger eingreifenden Risikomaßnahmen? Falls ja, sollten die vom Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Bescheid vom 24.08.2015 vorgesehenen Risikomaßnahmen diesen Maßnahmen angepasst werden?
413. Sind die Anordnungen des BfArM im Bescheid vom 24.08.2015 zur Behandlungsdauer und zur Anwendung bei Kindern aus pharmazeutischer Sicht gerechtfertigt?
424. Ist der für Abschnitt 4.8 „Nebenwirkungen“ der Fachinformationen und für Abschnitt 4 der Gebrauchsinformation angeordnete folgende Hinweis aus pharmazeutischer Sicht gerechtfertigt?
43„In Einzelfällen wurde über Leberschäden bis hin zu Leberversagen mit lebensbedrohlichem Ausgang (inkl. Todesfälle) im Zusammenhang mit der Einnahme von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln berichtet. Ein Kausalzusammenhang ist im Einzelfall nicht sicher belegt.“
445. Ist die folgende, von der Klägerin vorgeschlagene Angabe zur Frequenz der Bestimmung der Leberwerte aus pharmazeutischer Sicht ausreichend?
45„Zur Vermeidung von Leberschäden müssen die Laborwerte (GPT und Gamma-GT) vor Beginn der Behandlung und während der Behandlung bestimmt werden, wenn sich Anzeichen von Leberschäden zeigen (siehe Abschnitt Warnhinweise). Nach einem Monat sind die Werte dann zu bestimmen, wenn eine Behandlung für einen weiteren Monat geplant ist.“
46Hält die Kommission E gegebenenfalls eine andere Formulierung aus pharmazeutischer Sicht für angemessen?
476. Ist der folgende von der Klägerin vorgeschlagene Warnhinweis zur Lebertoxizität angemessen und ausreichend?
48„Der Arzt kontrolliert gegebenenfalls Ihre Leberwerte und – nach seinem Ermessen – auch am Ende der Behandlung, insbesondere wenn eine weitere Behandlung geplant ist.“
49Das BfArM hat daraufhin eine Antwort der Kommission E mit Datum vom 14.02.2018 vorgelegt. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 90-92 der Gerichtsakte Bezug genommen. Unter dem 20.07.2018 hat das BfArM das zugehörige Ergebnisprotokoll der 37. Sitzung der Kommission E vorgelegt, das hinsichtlich der Teilnehmer und verschiedener Tagesordnungspunkte geschwärzt war und unter dem TOP 6 „Verschiedenes“ / TOP 6.1 „Bitte des Verwaltungsgerichts um eine aktuelle Stellungnahme der Kommission E“ den Inhalt aber vollständig wiedergibt. Die Klägerin äußerte daraufhin den Verdacht, dass durch die Schwärzungen wesentliche Äußerungen zum Thema verborgen werden sollten. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.12.2018 erhielt die Klägerin auf entsprechenden Beschluss der Kammer die Kopie eines auch hinsichtlich der TOP 4.0 bis 4.4 ungeschwärzten Exemplars des Ergebnisprotokolls.
50Die Klägerin legt ein Gutachten von Prof. U. vom 07.09.2018 zur „Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit“ der Bestimmung von Leberwerten, eine Synopse der verschiedenen Formulierungen und weitere Unterlagen vor. In der Sache trägt sie weitergehend vor: Mit der von der Kommission E vorgeschlagenen Tagesdosis von 100-200 mg Kava-Pyrone (bestimmt mittels HPLC) sei sie einverstanden. Dies gelte auch bezüglich der vorgeschlagenen Therapiedauer bis zu 3 Monaten, die nach ärztlicher Einschätzung verlängert werden könne. Sie sei auch bereit, die Kontraindikation „Vorbestehende Lebererkrankungen und erhöhte Leberenzymwerte“ aufzunehmen, wie von der Kommission empfohlen. Dies gelte auch für den Anwendungsausschluss bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren und den Hinweis an die Patienten, die Einnahme bei Zeichen einer Leberschädigung sofort zu beenden. Auch mit den angeordneten Angaben zu Wechselwirkungen sei sie einverstanden. Sie sollten aber im Bereich der Warnhinweise nicht wiederholt werden. Den angeordneten Packungsgrößen von 30 Tagesdosen bei einer maximalen Tagesdosis von 200 mg stimme man zu.
51Der Warnhinweis in der Fachinformation „In Einzelfällen wurde...“ könne ersatzlos entfallen, da er nur eine Wiederholung dessen beinhalte, was bereits unter „Nebenwirkungen“ ausgesagt worden sei und Redundanzen zu vermeiden seien. Irreführend sei auch die Angabe, ein Kausalzusammenhang sei im Einzelfall nicht sicher belegt, was den Eindruck erwecke, dass es viele Fälle gebe, in denen der Nachweis geführt sei.
52In Bezug auf die Frequenz der Bestimmung der Leberwerte könne weder den Vorgaben des BfArM noch der Auffassung der Kommission gefolgt werden. Gemäß den Empfehlungen von Prof. U. solle der Wortlaut vielmehr wie folgt gefasst werden:
53„Zur Vermeidung von Leberschäden müssen die Leberwerte (GPT und y-GT) vor Beginn der Behandlung und während der Behandlung bestimmt werden, wenn sich Anzeichen von Leberschäden zeigen (siehe Abschnitt Warnhinweise). Im weiteren Verlauf sind die Werte monatlich zu bestimmen, solange die Therapie andauert.“
54Der Patientenschutz sei hierdurch angemessen gewährleistet, wie ein Vergleich mit der Formulierung bei dem Arzneimittel „Ergenyl“ mit weitaus höherem hepatotoxischem Risiko zeige. Die Angaben in der Gebrauchsinformation sollten entsprechend angepasst werden.
55Die Beschreibung der Nebenwirkungen sei, wie vom BfArM gefordert, nicht angemessen und werde dem Risiko nicht gerecht, das in etwa dem bei Pelargonium („Umckaloabo“) entspreche. Dementsprechend solle formuliert werden:
56„Fälle von Leberschäden wurden im Zusammmenhang mit der Einnahme von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln berichtet; die Häufigkeit ist nicht bekannt.
57Gelegentlich wurde unter der Einnahme eine Erhöhung der Leberwerte beobachtet.“
58Dies entspreche der Formulierung des HMPC für Pelargonium.
59Die Anordnung von Schulungsmaterial sei unverhältnismäßig. Die Klägerin verweist auch in diesem Zusammenhang auf Pelargonium-haltige Produkte und auf „Ergenyl“.
60Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2018 einen Vergleich geschlossen. Wegen des Inhalts wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Die Beklagte hat diesen Vergleich entsprechend dem vereinbarten Vorbehalt am 15.01.2019 widerrufen.
61Die Klägerin beantragt,
62den Bescheid des BfArM vom 24.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2015 aufzuheben.
63Die Beklagte beantragt,
64die Klage abzuweisen.
65Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin in wesentlichen Punkten entgegen. So bestehe kein Grund für eine Verlängerung der Behandlungsdauer. Nach den vorliegenden Daten liege der zeitliche Gipfel des lebertoxischen Potentials bei 3-4 Monaten nach Medikationsbeginn. Unter den ausgewerteten belastbaren Fällen finde sich nur ein lebensbedrohlicher Fall mit einer Anwendungsdauer von unter 8 Wochen. Auch die Kommission führe zur Begründung ihres Vorschlags keine weiteren Daten an. Die Ergänzung des Abschnitts „Gegenanzeigen“ um die Kontraindikationen „vorbestehende Lebererkrankungen“ und „erhöhte Leberenzymwerte“ werde befürwortet.
66Der Warnhinweis stehe im Einklang mit den Vorgaben in Abschnitt 4.4 der SmPC-Guideline und sollte beibehalten werden. Die Beklagte schlug jedoch folgende Formulierung vor:
67„Bei der Anwendung von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln sind Fälle von Leberschädigungen (Anstieg der Leberenzymwerte) sowie Fälle von Leberversagen mit lebensbedrohlichem Ausgang (inkl. Todesfälle) aufgetreten. Patienten sollten darauf hingewiesen werden, die Einnahme von /.../ sofort zu beenden und einen Arzt aufzusuchen, wenn Zeichen einer Leberschädigung auftreten.
68Hinsichtlich der Kontrolle der Leberwerte zeigte sie sich bereit, der Empfehlung der Kommission E zu folgen und zu formulieren:
69„Zur Erfassung von bestehenden oder sich unter Therapie entwickelnden Leberschäden müssen zumindest die Leberenzyme γ-GT und GPT vor Behandlungsbeginn und nach 1, 2, 4, 6 und 8 Wochen bestimmt werden“,
70in der Gebrauchsinformation:
71„Vor der Behandlung mit /.../ wird Ihr Arzt bzw. Ihre Ärztin einen Bluttest durchführen, um die Leberfunktion zu überprüfen. Ihr Arzt bzw. Ihre Ärztin wird diese Tests nach Therapiebeginn nach 1, 2, 4, 6 und 8 Wochen wiederholen.“
72Eine Vergleichbarkeit mit „Ergenyl“ bestehe nicht, da insoweit umfangreiche Vorab-Untersuchungen vorgesehen seien, die weit über das bei Kava-Kava vorgesehene Maß hinausgingen. Auch seien dort Verlaufskontrollen vorgesehen.
73Auch erscheine es unter Berücksichtigung der Ausführungen von Prof. U. und der erneuten Durchsicht der UAW-Fälle angebracht, die übrigen Informationen in Abschnitt 2 der Gebrauchsinformationen anzupassen und wie folgt zu ergänzen:
74„Was können Sie tun, um mögliche schwerwiegende Leberschäden zu vermeiden?
75Beenden Sie die Einnahme von /.../ und suchen Sie einen Arzt auf, sobald Sie ein Anzeichen für eine Leberschädigung bei sich bemerken (z.B. Gelbfärbung der Haut oder Augen, dunkler Urin, Schmerzen im Oberbauch, Übelkeit, Erbrechen, Appetitverlust, Gewichtsverlust, Mattigkeit, Juckreiz, helle Stuhlfarbe und Gelenkbeschwerden)
76...
77/.../ kann mit zahlreichen anderen (leberschädigenden) Arzneistoffen in Wechselwirkung treten und so mögliche Leberschäden verstärken. Dazu gehören unter anderem bestimmte Arzneimittel gegen Bluthochdruck (Beta-Rezeptorenblocker), hormonelle Verhütungsmittel („Antibaby-Pille“), bestimmte Arzneimittel gegen Depressionen und Arzneimittel zur Migränebehandlung. Konsum von Alkohol während der Behandlung sollten Sie vermeiden.“
78Der Hinweis unter Nebenwirkungen sollte wie folgt angepasst werden:
79„Bei der Anwendung von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln sind Fälle von Leberschädigungen (Anstieg der Leberenzymwerte) sowie Fälle von Leberversagen mit lebensbedrohlichem Ausgang (inkl. Todesfälle) aufgetreten.“
80Hinsichtlich des Schulungsmaterials zog die Beklagte eine Aufhebung der Auflage in Betracht, sofern die übrigen Risikominimierungsmaßnahmen umgesetzt würden.
81Zudem weist die Beklagte darauf hin, dass das Bewertungsverfahren „Kava-Kava“ auf europäischer Ebene mit dem Ergebnis abgeschlossen worden sei, dass wegen des ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses eine Monographie nicht erstellt werden könne.
82Mit Schriftsatz vom 05.12.2018 führt die Klägerin ergänzend aus: Eine Begrenzung der Behandlungsdauer entgegen dem Vorschlag der Kommission sei nicht gerechtfertigt. Leberreaktionen manifestierten sich in der Regel wesentlich früher nach Behandlungsbeginn. Ein späterer Beginn werde nach den CIOMS-Kriterien klinisch als entlastende Beobachtung gewertet. Die Behandlungsdauer könne auch mit dem Hinweis auf die Zulassung von „Ergenyl“ gerechtfertigt werden. Die Vorschläge des BfArM zu Warnhinweisen enthielten weiterhin Redundanzen. Das gelte auch für die neuen Vorschläge zu ergänzenden Angaben, die bereits unter „Wechselwirkungen“ genannt seien. Weiterhin unangemessen seien auch Hinweise auf lebensbedrohlichen Ausgang und Todesfälle. Der Rhythmus der angeordneten Leberwert-Kontrollen müsse sich durchaus an „Ergenyl“ messen lassen. Dieses weise mit „häufigen“ Lebernebenwirkungen (1-10 Patienten von 100 Behandelten im Gegensatz zu 0,008 Fällen bei 1 Mio. Tagesdosen, sofern kausal) ein deutlich höheres Schädigungspotential auf. Es sei nicht einzusehen, weshalb Kava Kava einem deutlich strengeren Regime unterfallen solle.
83Die Bewertung des HMPC rechtfertige keine andere Bewertung des Zulassungsstatus. Die Kommission E habe in Kenntnis dieser Bewertung das Nutzen-Risiko-Verhältnis positiv bewertet. Im Übrigen stehe die Schlussfolgerung des HMPC im Widerspruch zu dem Bewertungsbericht, auf den verwiesen werde. Danach bestehe nach Auffassung der wissenschaftlichen Bewerter des HMPC kein toxikologisch relevantes Risiko bei der Anwendung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel.
84Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens wie der Parallelverfahren 7 K 7367/15, 7 K 7369/15, 7 K 7371/15 und 7 K 7372/15 nebst vorgelegter Anlagen sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des BfArM Bezug genommen.
85E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
86Die Klage ist überwiegend nicht begründet.
87Der Bescheid des BfArM vom 24.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2015 ist nur in dem im Urteilstenor bezeichneten Umfang rechtswidrig und verletzt insoweit die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Im Übrigen ist er rechtmäßig. Die Änderungen der Texte finden in diesen Punkten ihre Rechtsgrundlage in § 30 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz i.V.m. Abs. 2a Satz 1 AMG.
88Gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz AMG ist die Zulassung eines Arzneimittels zu widerrufen, wenn einer der Versagungsgründe des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 5, 5a, 6 oder 7 AMG nachträglich eingetreten ist. Dies ist hinsichtlich des Versagungsgrundes eines ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses (Nr. 5) hier der Fall. Das OVG hat in den Berufungsentscheidungen zu Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln – auch zu den Präparaten der Klägerin – nach eingehender Auseinandersetzung mit allen verfügbaren wissenschaftlichen Quellen dargelegt, dass die Produkte zwar weiterhin einen belegten Nutzen bei leichten bis mittelschweren Formen von Angststörungen haben, dem aber nicht unerhebliche Anwendungsrisiken in Form hepatotoxischer Ereignisse gegenüberstehen, die durch entsprechende Fallberichte belegt und auch durch die Einwände der Klägerseite, namentlich zur Vergleichbarkeit der verwendeten Extrakte, nicht durchgreifend erschüttert sind. Vor diesem Hintergrund ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auswertung der vorliegenden Ergebnisse für die Annahme eines begründeten Verdachts leberschädigender Wirkungen spricht. Es hat diese Bewertung im Rahmen der Nutzen-Risiko-Abwägung allerdings angesichts der uneinheitlichen Studienlage, fehlender Erkenntnisse zu konkret lebertoxischen Bestandteilen von Kava-Kava und entsprechenden Wirkmechanismen sowie einer bei 250 Millionen Tagesdosen in zehn Jahren geringen Inzidenzrate relativiert. Hierbei hat das Gericht den Umstand hervorgehoben, dass auch der vom BfArM herangezogene Bericht der Expertengruppe der WHO sich auf alle Arten Kava-Kava-haltiger Arzneimittel bezieht und die getroffene Risikoaussage nicht nach Extrakt und Kultivar differenziert. Hiernach und unter Wertung der vom BfArM vorgenommenen Risikoeinschätzung kommt das OVG NRW zu dem Schluss eines derzeit ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses, dem durch risikominimierende Maßnahmen auf der Grundlage der Stellungnahme der Kommission E aus dem Jahre 2002 begegnet werden kann.
89OVG NRW, Urteile vom 25.02.2015 - 13 A 1371/14 u.a.-, juris.
90Die Kammer folgt diesem Ansatz. Er beruht auf einer eingehenden Auseinandersetzung mit der zu Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln bestehenden Erkenntnislage, die den Beteiligten bekannt ist und hier nicht wiederholt zu werden braucht, und führt zur Anwendung des § 30 Abs. 2a Satz 1 AMG, der in seiner seit Inkrafttreten des 2. Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 19.10.2012 (BGBl. I S. 2192) geltenden Fassung unmittelbar, d.h. ohne den Erlass einer Auflage, eine behördliche Änderung des Zulassungsinhalts gebietet, wenn hiermit der Versagungsgrund entfällt. Die Norm ist eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und aus diesem Grunde bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen gegenüber dem Widerruf der Zulassung vorrangig.
91OVG NRW, Urteile vom 25.02.2015 - 13 A 1371/14 u.a. -, juris, Rnr. 164.
92Ihre Voraussetzungen in Bezug auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis haben sich seit Abschluss der Berufungsverfahren auch nicht durch neues Erkenntnismaterial verändert. Dies gilt auch im Hinblick auf das klägerseits vorgelegte Gutachten von Prof. U. vom 07.09.2018 zur „Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit“ der Bestimmung von Leberwerten, das sich nicht mit der grundlegenden Nutzen-Risiko-Bewertung, sondern mit dem Sinn einer Einzelmaßnahme beschäftigt. Soweit die Kommission E für die phytopharmazeutische Therapierichtung – aufbauend auf der Ergebnisniederschrift vom 03.07.2002 – auch in der Beantwortung der gerichtlichen Anfrage (Ergebnisprotokoll vom 14.02.2018) weiterhin von einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis auszugehen scheint, ergibt sich nichts Abweichendes. Denn aus ihrer fachlichen Sicht hält auch die Kommission E risikominimierende Maßnahmen weiterhin für erforderlich. Dem ist auch die Klägerin nicht grundsätzlich entgegengetreten, sondern bestreitet die Rechtmäßigkeit der Einzelmaßnahmen.
93Prüfungsgegenstand im gerichtlichen Verfahren sind die Anordnungen des Bescheides vom 24.08.2015, die im Widerspruchsverfahren unverändert geblieben sind. Soweit die Beklagte nach Klageerhebung Modifikationen der Texte vorgeschlagen und eine Aufhebung der Auflage zum Schulungsmaterial in Aussicht gestellt hat, bleibt dies hier außer Betracht. Denn es handelt sich hierbei um Erklärungen im Rahmen des Bemühens, den Rechtsstreit gütlich beizulegen; eine förmliche Änderung des Bescheidtenors beinhalteten die Vorschläge nicht. Ebenfalls unberücksichtigt bleiben die Vorschläge der Klägerin, Teile der angeordneten Texte zu übernehmen, da sie für den Fall des Widerrufs des Vergleichs an dem Anfechtungsantrag uneingeschränkt festgehalten hat.
94Beweisbelastet für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der streitgegenständlichen Änderungen des Zulassungsinhalts ist die Beklagte. Denn Anordnungen nach § 30 Abs. 2a Satz 1 AMG sind ein Unterfall des Widerrufs und der Rücknahme einer Zulassung. Hier wie dort wird in den vorhandenen Zulassungsbestand eingegriffen. Anders als im Zulassungsverfahren ist es an der Behörde, die Gründe für einschränkende Maßnahmen darzulegen und zu belegen. Verbleibende durchgreifende Zweifel gehen zu ihren Lasten. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung der Sach- und Rechtslage ist im gerichtlichen Verfahren derjenige der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Nur so kann im Interesse des übergeordneten Ziels der Arzneimittelsicherheit neuen Erkenntnissen Rechnung getragen werden,
95vgl. OVG NRW, Urteile vom 25.02.2015 - 13 A 1371/14 u.a. -, juris, Rnr. 50-54; Krüger, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2. Auflage 2016, § 30 Rn. 11; Lietz, in: Hdb. Arzneimittelrecht, 2. Auflage 2014, § 9 Rn. 23; Rehmann, Arzneimittelgesetz, 4. Auflage 2014, § 30 Rn. 2.
96Dies vorausgeschickt gilt für die Anordnungen des Bescheides vom 24.08.2015 – soweit rechtmäßig – folgendes:
971.
98Die Beschränkung der Tagesdosis auf 200 mg Kava-Pyrone und der Behandlungsdauer auf einen Monat, maximal zwei Monate unter 4.2 der Fachinformation und in Abschnitt 3 der Gebrauchsinformation ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Nachweis von Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels und damit eines positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses ist untrennbar mit dem gewählten Dosierungsregime verbunden, das sich in klinischen Studien, im Fall bekannter Stoffe auch in der klinischen Anwendung als Optimum erwiesen hat und die Parameter Wirksamkeit und Verträglichkeit bestmöglich ausbalanciert. Eine empfohlene Dosierung liegt dabei möglicherweise unterhalb derjenigen, die eine maximale Wirkung erwarten ließe, wenn die damit verbundenen erhöhten Risiken nicht mehr vertretbar wären und das Nutzen-Risiko-Verhältnis negativ wäre.
99Schraitle, in: Hdb. Arzneimittelrecht, 2. Auflage 2014, § 6 Rn. 93
100Die nunmehr bestimmte Tages-Höchstdosis von 200 mg Kava-Pyrone weicht nur formal von der seitens der Kommission in ihrer Stellungnahme vom 03.07.2002 zur Risikominimierung empfohlenen Tagesmenge von 120 mg ab. Soweit sie in der aktuellen Stellungnahme vom 14.02.2018 eine Tagesdosis von 100-200 mg empfiehlt, beruht dies auf einer Änderung der Messmethode. Die Gehaltsbestimmung wird nunmehr mittels HPLC („Hochleistungsflüssigkeitschromatographie“) vorgenommen, was veränderte Werte zur Folge hat. Auch die Klägerin hat gegen die Begrenzung der Dosierung keine Einwände erhoben.
101Die Dauer der Anwendung eines Arzneimittels hängt von seinem Anwendungsgebiet und seinem Sicherheitsprofil ab. Eine besondere Rolle spielt hierbei, für welchen Zeitraum sicherheitsrelevante Daten vorliegen.
102Vgl. Schraitle, in: Hdb. Arzneimittelrecht, 2. Auflage 2014, § 6 Rn. 94
103Die Kammer geht davon aus, dass die Gefahr hepatotoxischer Ereignisse mit der Dauer der Verabreichung eines potentiell leberschädigenden Stoffes tendenziell zunimmt. Die Darstellung der Klägerin, lebertoxische Ereignisse manifestierten sich regelmäßig früher und ein späteres Auftreten werde nach den CIOMS (Council for International Organisations of Medical Sciences) – Kriterien sogar als entlastend gewertet, ist demgegenüber nicht nachvollziehbar und auch nicht näher belegt. Zwar ist angesichts der allgemein uneinheitlichen Quellenlage fraglich, ob eine zeitliche Begrenzung mit dem Argument begründet werden kann, der zeitliche Gipfel der Lebertoxizität liege bei 3-4 Monaten nach Behandlungsbeginn und unter den ausgewerteten belastbaren Einzelfällen befinde sich nur ein Fall mit einer Behandlungsdauer unter 8 Wochen. In der Stellungnahme der Kommission E vom 03.07.2002 kommt aber das Bestreben zum Ausdruck, eine Langzeitbehandlung mit Kava Kava zu vermeiden, zumal der Nutzen einer solchen Anwendung nicht durch Langzeitstudien belegt ist. Das BfArM weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass die einzig kontrollierte Studie über 12 Wochen von X. et al. (1990) das Anwendungsgebiet „Klimakterisches Syndrom“ mit nur 40 Patientinnen erfasste und insgesamt für ethanolische Extrakte keine Studie vorliegt, die den Vorgaben der CHMP-Guideline zur Prüfung von Angststörungen (CPMP/EWP/4284/02 vom 20.01.2005) entspricht. Alle anderen Studien beziehen sich auf einen kürzeren Untersuchungszeitraum. Dem entspricht auch die aktuelle Bewertung der EMA im Public statement on Piper methysticum G. Forst, rhizoma (final) vom 21.11.2017 (EMA/HMPC/450589/2016). Im Fall eines unbelegten Nutzens einer Langzeitbehandlung sind deren Risiken umso weniger zu akzeptieren, was Einzelmeldungen lebertoxischer Ereignisse bei einer längeren Anwendungsdauer umso größeres Gewicht verleiht. Vor diesem Hintergrund erschließt es sich nicht, weshalb die Kommission E in ihrer aktuellen Stellungnahme von der 2002 empfohlenen Therapiedauer von maximal 2 Monaten abweicht und sich nunmehr bei weitgehend unveränderter Quellenlage für eine Therapiedauer von maximal 3 Monaten ausspricht. Der Umstand der ärztlichen Kontrolle kann hierfür nicht maßgebend sein, da eine Unterstellung unter die Verschreibungspflicht und die regelmäßige Kontrolle der Leberwerte bereits der Empfehlung aus dem Jahre 2002 entsprachen. Auch unter Berücksichtigung der begleitenden Kontrolle der Leberwerte sieht die Kammer daher unter Risikoaspekten eine zeitliche Begrenzung der Behandlungsdauer auf zwei Monate als angemessen an, zumal die Begrenzung durch den Hinweis auf eine „übliche“ Behandlungsdauer relativiert wird.
1042.
105Der Ausschluss der Anwendung bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren in Gebrauchs- und Fachinformation gründet auf fehlendem Erkenntnismaterial zu dieser Anwendergruppe. Es entspricht aktuellem wissenschaftlichem Stand, dass sich Erkenntnisse aus der Anwendung eines Arzneimittels bei Erwachsenen nicht ohne weiteres auf Kinder und Jugendliche übertragen lassen. Dem hat der europäische Gesetzgeber durch die VO (EG) Nr. 1901/2006 u.a. durch die besondere Berücksichtigung von Kindern im Bereich klinischer Prüfungen von Arzneimitteln, bei der Zulassung einschließlich der Bestimmungen über das pädiatrische Prüfkonzept und die Kennzeichnung von Arzneimitteln, die für diese Anwendergruppe zugelassen sind, Rechnung getragen,
106vgl. Urteil der Kammer vom 18.12.2018 - 7 K 6160/16 -; Lehmann, in: Hdb. Arzneimittelrecht, 2. Auflage 2014, § 7 Rn. 24-94 m.w.N.
107Der Anwendungsausschluss entspricht der aktuellen Empfehlung der Kommission E und ist von der Klägerin im vorliegenden Verfahren mit dem Argument, vergleichbare chemische Arzneimittel seien für die Kinderanwendung zugelassen, nicht überzeugend entkräftet. Denn die Nutzen-Risiko-Bewertung hat für das Arzneimittel individuell zu erfolgen.
1083.
109Keine rechtlichen Bedenken bestehen gegen den unter 4.4 der Fachinformation „Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung“ vorgeschriebenen Text „In Einzelfällen wurde über Leberschäden bis hin zu Leberversagen mit lebensbedrohlichem Ausgang (inkl. Todesfälle) im Zusammenhang mit der Einnahme von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln berichtet. Ein Kausalzusammenhang ist im Einzelfall nicht sicher belegt. Patienten sollten darauf hingewiesen werden, die Einnahme von
Vgl. Menges/Winnands, in: Hdb. Arzneimittelrecht, 2. Auflage 2014, § 19 Rn. 34 und 51; Pannenbecker, in: Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 2. Auflage 2016, § 11a Rn. 10-14.
111Die im Bescheid vom 24.08.2015 gewählte Formulierung wird diesen Anforderungen gerecht. Auch die Klägerin bestreitet nicht, dass in Einzelfällen über die angesprochenen Leberschäden berichtet wurde. Diese teils gravierenden Folgen hervorzuheben und Patienten aufzufordern, bei Anzeichen von Leberschädigungen die Einnahme zu beenden, drängt sich auf. Da der Text nicht auf bestimmte Extrakte und Kultivare bezogen ist und die bestehende Unsicherheit in der Kausalitätsbewertung anspricht, wird er der nach wie vor heterogenen Quellenlage gerecht. Soweit es bei der gewählten Formulierung zu Dopplungen zwischen den Angaben zu Nebenwirkungen und den hier fraglichen Warnhinweisen kommt, ist dies durch den Sachzusammenhang der klinischen Angabe bedingt. Die Aufforderung, Patienten bei Anzeichen einer Leberschädigung zum Absetzen des Mittels anzuhalten, wird ebenso wie die regelmäßige Kontrolle der Leberwerte erst im Zusammenhang verständlich, wenn die Gefahr der Nebenwirkung bekannt ist. Da § 11a Abs. 1 Satz 2 AMG wie die SmPC-Guideline der Kommission vom September 2009 die Reihenfolge der Warn- und Vorsichtshinweise vor den Angaben der Nebenwirkungen zwingend vorgeben, ergibt sich die Notwendigkeit ihrer Angabe mit einer gewissen Zwangsläufigkeit.
112Dem steht nicht der Einwand entgegen, gerade Patienten mit Angststörungen könnten durch die Angabe möglicherweise tödlicher Folgen verschreckt und von einer medizinisch gebotenen Anwendung der Präparate abgehalten werden. Es ist kein rechtlich fundierter Ansatz erkennbar, nach dem die Gestaltung der Pflichttexte vom Anwenderkreis abhängig gemacht werden könnte, bestimmten Anwendern mit Rücksicht auf die Indikation an sich gebotene Angaben also verschwiegen werden könnten. Insbesondere Risikoangaben haben objektiven Anforderungen zu genügen. Ansatzpunkte für eine psychisch geringer belastende Formulierung sind nicht erkennbar. In Bezug auf die Fachinformation tritt der Umstand hinzu, dass diese dem Patienten in der Regel nicht vorliegt. Eine Veröffentlichung ist nur bei nach der VO (EG) Nr. 726/2004 zentral zugelassenen Arzneimitteln vorgesehen. Die Zusammenfassungen der Produktinformation sind insoweit auf der Internet-Seite der EMA jederzeit abrufbar. Im Bereich nationaler Zulassungen ist eine Übermittlung an Laien zwar auf freiwilliger Basis erlaubt, eine diesbezügliche Verpflichtung besteht indes nicht.
113Vgl. Kloesel/Cyran, AMG-Kommentar (Loseblatt, Stand 132. Lieferung 2017), § 11a Erl. 9 und 10.
1144.
115Die angeordneten Angaben zu den Wechselwirkungen in der Fachinformation sind nach § 11a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 lit. e) AMG geboten. Sie entsprechen bereits den Empfehlungen der Kommission E aus dem Jahre 2002 und werden von der Klägerin fachlich nicht in Frage gestellt. Dies gilt namentlich für den Hinweis auf potentiell leberschädigende Medikamente und die Vermeidung von Alkohol.
1165.
117Soweit in Abschnitt 2 der Gebrauchsinformation auf das Verhalten im Fall eines Verdachts auf Leberschädigung bzw. auf die angesprochenen Wechselwirkungen hinzuweisen ist und auf die regelmäßige Kontrolle der Leberwerte verwiesen wird, zielt der Bescheid auf Pflichtangaben für die Packungsbeilage nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. c) und d) AMG, die aus den gleichen Gründen geboten sind wie die analogen Formulierungen in der Fachinformation. Redaktionell anzupassen sind allerdings die Angaben zum Rhythmus der Leberwert-Kontrollen (vgl. unter 8.).
1186.
119Die übereinstimmenden Formulierungen unter 4.8 „Nebenwirkungen“ der Fachinformation und in Abschnitt 4 der Gebrauchsinformation „In Einzelfällen wurde über Leberschäden bis hin zu Leberversagen mit lebensbedrohlichem Ausgang (inkl. Todesfälle) im Zusammenhang mit der Einnahme von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln berichtet. Ein Kausalzusammenhang ist im Einzelfall nicht sicher belegt.“ sind aus den unter 3 dargestellten Gründen rechtlich nicht zu beanstanden. Die im gerichtlichen Verfahren streitige Formulierung „im Einzelfall“ ist als solche nicht missverständlich oder sinnentstellend. Sie als Hinweis auf eine Vielzahl von Nebenwirkungsfällen misszuverstehen, liegt im Gesamtzusammenhang des Satzes fern.
1207.
121Vorgaben zur Packungsgröße müssen therapiegerecht sein, also allgemein den Anwendungsgebieten des Arzneimittels und der vorgesehenen Dauer der Anwendung im Sinne des § 28 Abs. 2 Nr. 4 AMG entsprechen.
122Vgl. Urteil der Kammer vom 22.11.2005 - 7 K 5513/03 -, bestätigt durch OVG NRW, Beschluss vom 21.08.2008 - 13 A 44/06 -.
123Im Rahmen einer Risikoentscheidung nach § 30 Abs. 2a Satz 1 AMG müssen sie zudem geboten sein, dem Versagungsgrund abzuhelfen. Die Vorgabe einer Packungsgröße von 30 Tagesdosen entspricht der unter Risikoaspekten auf einen Monat begrenzten Regel-Anwendungsdauer. Sie findet sich bereits in der Stellungnahme der Kommission aus dem Jahr 2002 und wird von der Klägerin gleichfalls nicht in Frage gestellt.
124Hinsichtlich des verbleibenden Teils sind die getroffenen Anordnungen zum Teil oder in vollem Umfang rechtswidrig und daher aufzuheben:
1258.
126Die Anordnung, zur Vermeidung von Leberschäden die Leberwerte (GPT und γ-GT) vor Beginn der Behandlung und während der Behandlung einmal wöchentlich zu bestimmen, ist hinsichtlich des engmaschigen wöchentlichen Untersuchungsrhythmus nicht durch nachvollziehbare Risikoaspekte belegt. Dies geht zu Lasten der Beklagten. Zwar hat die Kommission E in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2002 noch Untersuchungen in wöchentlicher Abfolge empfohlen. In ihrer aktuellen Stellungnahme spricht sie sich jedoch für einen Rhythmus von 1, 2, 4, 6 und 8 Wochen aus. In beiden Fällen ergeben sich aus den Ergebnisprotokollen keine dezidierten Begründungen für die eine oder die andere Empfehlung. Festzuhalten bleibt indes, dass die sachverständige Kommission den Vorschlag der Klägerin einer nur anlassbezogenen Kontrolle („gegebenfalls“) ausdrücklich verwirft und sich für regelmäßige und zwingende Kontrollen ausspricht. Die Kammer geht mangels anderweitiger Anhaltspunkte davon aus, dass bei der Bestimmung des Rhythmus der Kontrollen ein gewisser medizinischer Einschätzungsspielraum besteht, innerhalb dessen eine eindeutig richtige oder eindeutig falsche Festlegung kaum zu bestimmen ist. Für diese Sichtweise spricht, dass sich im Verlauf des Verfahrens auch das BfArM bereit erklärt hat, der aktuellen Vorgabe der Kommission E in diesem Punkt zu folgen.
127Ein Verzicht auf zwingende regelmäßige Kontrollen kann demgegenüber nicht mit dem Hinweis auf abweichende Kontrollintervalle bei anderen Arzneimitteln, hier insbesondere „Ergenyl chrono“ mit dem potentiell lebertoxischen Wirkstoff Ergenyl-Valproat begründet werden. Die nach § 30 Abs. 2a Satz 1 AMG getroffenen Anordnungen fußen auf einer Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses des jeweiligen Arzneimittels. Als Abwägungsentscheidung bietet diese Bewertung keinen Raum für eine generalisierende Betrachtung unter Einschluss anderer potentiell leberschädigender Arzneimittel. Entsprechende Vergleiche, insbesondere bei Risikoentscheidungen, leiden schon im Ansatz unter der Schwierigkeit, eine Vergleichbarkeit der Präparate zu begründen und hätten im Erfolgsfall das Einpendeln auf dem jeweils niedrigsten Sicherheitsniveau zur Folge. Dessen ungeachtet unterliegt auch „Ergenyl chrono“ einem durchaus engmaschigen Sicherheitsregime, welches das BfArM in seinem Schriftsatz vom 13.11.2018 zutreffend beschreibt.
128Nachvollziehbare Anhaltspunkte für die Annahme, regelmäßige Leberwertkontrollen seien zur Risikominimierung generell ungeeignet und Hinweise an den Patienten auf die Symptome einer Leberschädigung seien wichtiger – so Prof. U. im Gutachten vom 07.09.2018 – bestehen demgegenüber nicht. Sie gründet sich auf dem leberschädigenden Potential vieler anderer Arzneistoffe, bei denen regelmäßige Kontrollen nicht oder weitmaschiger angeordnet sind, ist damit aber demselben Einwand ausgesetzt wie Vergleichsbetrachtungen bei der Risikobewertung allgemein. Auch geht Prof. U. insgesamt von einem äußerst geringen Risiko Kava-Kava-haltiger Präparate aus, was angesichts der aktuellen Negativ-Monographie des HMPC vom 21.11.2017 deutlichen Zweifeln unterliegt.
1299.
130Die unter II. des Bescheides vom 24.08.2015 angeordnete Auflage, Schulungsmaterial in Gestalt eines anliegenden Patientenheftes zur Verfügung zu stellen, ist rechtswidrig.
131Ob für die Anordnung eines Patientenheftes über die textliche Gestaltung der Gebrauchsinformation hinaus eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage besteht, kann letztlich offen bleiben.
132Der im Bescheid herangezogene § 28 Abs. 3 b Satz 1 Nr. 2 AMG ist jedenfalls nicht einschlägig, da er zur nachträglichen Anordnung von Unbedenklichkeitsprüfungen ermächtigt. In Betracht kommt, das Schulungsmaterial als Teil eines Risikomanagement-Systems aufzufassen und damit Nr. 1 der Norm anzuwenden. Ob Schulungsmaterial an den Patienten generell unter Nr. 1 der Norm gefasst werden kann, ist in der Rechtsprechung ungeklärt. Der Begriff des Risikomanagement-Systems ist identisch mit den nunmehr nach § 22 Abs. 5 a AMG bei Neuzulassungsanträgen vorzulegenden Unterlagen. § 4 Abs. 36 AMG definiert auf der Grundlage des Art. 1 Nr. 28 lit. b der RL 2001/83/EG das Risiko-Management-System als die Summe der Tätigkeiten im Bereich der Pharmakovigilanz und Maßnahmen, durch die Risiken in Zusammenhang mit einem Arzneimittel ermittelt, beschrieben, vermieden oder minimiert werden sollen.
133Zu den Einzelheiten vgl. Thiele, in: Hdb. Arzneimittelrecht, 2. Auflage 2014, § 26 Rnr. 29 ff.; Schickert, in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG, 2. Auflage 2016, § 4 Rnr. 261-270.
134Ob hierunter ein Patientenheft im Sinne einer risikovorsorgenden Maßnahme gefasst werden kann, kann jedoch auf sich beruhen. Denn die getroffene Anordnung des BfArM ist jedenfalls nicht erforderlich und mithin unverhältnismäßig. Das dem Bescheid beigefügte Patientenheft erschöpft sich in einer wiederholenden Darstellung dessen, was bereits aus der Gebrauchsinformation für den Patienten ersichtlich ist. Weshalb es unter Aspekten der Risikovorsorge einer zusätzlichen Information bedarf, erschließt sich nicht. Auch der streitgegenständliche Bescheid liefert hierfür keine nachvollziehbare Begründung. Er verweist lediglich darauf, dass es sich um eine weitere Risikominimierungsmaßnahme handele, was keine inhaltliche Begründung ist. Vor dem Hintergrund der aufgrund der Verschreibungspflicht und der obligatorischen Leberwert-Kontrollen ohnedies notwendigen Arztbesuche besteht kein rechtfertigender Grund für eine die Angaben der Gebrauchsinformation zum Teil in anderer druckgraphischer Gestaltung wiederholende Patienteninformation.
135Vergleichbares gilt für die beigefügte Erinnerungskarte, die keinen eigenständigen Informationswert hat und nicht wesentlich über die Terminszettel hinausgeht, die seitens der Ärzteschaft den Patienten oftmals ohnehin ausgehändigt werden. Da die Überwachung der Kontrollintervalle dem behandelnden Arzt obliegt und mit diesem die Termine vereinbart werden, ist eine hinreichende Risikovorsorge gewährleistet.
136Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
137Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
138Rechtsmittelbelehrung
139Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
140- 141
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
- 142
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
- 143
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
- 144
4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
- 145
5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
147Statt in Schriftform kann die Einlegung des Antrags auf Zulassung der Berufung auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
148Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Begründung ist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
149Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
150Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
151Beschluss
152Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
153180.000,00 €
154festgesetzt.
155Gründe
156Der festgesetzte Streitwert entspricht – entsprechend der aus dem Urteil ersichtlichen Gliederung – für jede der unter 1. bis 9. getroffenen Regelungen jeweils dem gesetzlichen Auffangstreitwert (§ 52 Abs. 2 GKG). Der so ermittelte Wert von 45.000,00 Euro war vorliegend zu vervierfachen, weil das Verfahren vier Arzneimittel betrifft.
157Rechtsmittelbelehrung
158Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln eingelegt werden.
159Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
160Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
161Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
162Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
Tenor
er Bescheid des Bundesamtes für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 24.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2015 wird aufgehoben, soweit unter Nr. 3 bezüglich Abschnitt 4.4 der Fachinformation und in Abschnitt 2 der Gebrauchsinformation eine Kontrolle der Leberwerte (GPT und γ-GT) auch in der 3., 5. und 7. Behandlungswoche angeordnet ist. Nr. II des Bescheides vom 24.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2015 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 7/9 und die Beklagte zu 2/9.
Das Urteil ist für die Klägerin hinsichtlich der Kosten gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages vorläufig vollstreckbar. Für die Beklagte ist es hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin ist Inhaberin der arzneimittelrechtlichen Zulassungen für die Präparate „ “ und „ Tropfen“. Dabei handelt es sich um pflanzliche Angstlöser (Anxiolytika) zur Anwendung bei nervösen Angst-, Spannungs- und Unruhezuständen, die als Wirkstoff einen Kava-Kava-Wurzelstock-Trockenextrakt – Piperis methystici rhizoma – in Gestalt eines ethanolischen Auszugs enthalten. Die Anwendungsgebiete der Arzneimittel entsprechen den Vorgaben der Monographie der Kommission E vom 01.06.1990 „Nervöse Angst-, Spannungs- und Unruhezustände“. Im Jahre 2001 leitete das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgrund von Berichten über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen in Gestalt lebertoxischer Effekte bei acetonischen Kava-Kava-Auszügen, insbesondere aus der Schweiz, ein Stufenplanverfahren nach § 63 des Arzneimittelgesetzes (AMG) ein. Nach Anhörung der betroffenen pharmazeutischen Unternehmen widerrief die Beklagte mit Bescheid vom 14.06.2002 erstmals die Zulassungen Kava-Kava- und Kavain-haltiger Arzneimittel bis zu einer homöopathischen Verdünnung von D4. Zum 01.07.2002 wurde die Verschreibungspflicht für derartige Präparate eingeführt. Die Kommission E empfahl in einer Stellungnahme vom 03.07.2002 bestimmte Sicherheitsmaßnahmen. Gegen den Widerruf erhoben die betroffenen Unternehmen Widerspruch, woraufhin das BfArM an der Widerrufsentscheidung nicht festhielt, sondern stattdessen mit Bescheid vom 12.05.2005 ein befristetes Ruhen der betroffenen Zulassungen anordnete.
3Mit Bescheid vom 21.12.2007 widerrief das BfArM die Zulassungen Kava-Kava- und Kavain-haltiger Arzneimittel und homöopathischer Zubereitungen aus Kava-Kava-Zubereitungen bis zu einer Verdünnung von D4 erneut, da der begründete Verdacht schädlicher Wirkungen auch unter Berücksichtigung der von den betroffenen Unternehmen und ihren Verbänden vorgelegten Unterlagen fortbestehe. Die hiergegen erhobenen Widersprüche wies die Behörde mit Widerspruchsbescheiden vom 21.02.2012 zurück.
4Auf die dagegen beim Verwaltungsgericht Köln erhobenen Klagen hob das Gericht mit Urteilen vom 20.05.2014 - 7 K 6971/11 u.a. - die Widerrufsbescheide in Gestalt der Widerspruchsbescheide auf. Die gegen die Urteile seitens der Beklagten eingelegten Berufungen wies das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Urteilen vom 25.02.2015 - 13 A 1373/14 u.a. - zurück, da die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zulassungen nicht erfüllt seien. Zwar sei das Nutzen-Risiko-Verhältnis der betroffenen Präparate derzeit ungünstig, jedoch könne dieser Versagungsgrund ausgeräumt werden, indem die Zulassungen unter Berücksichtigung der von der Kommission E vorgeschlagenen regulatorischen Maßnahmen geändert würden.
5Mit Anhörungsschreiben vom 27.03.2015 eröffnete das BfArM ein Stufenplanverfahren der Stufe II.
6Mit Schreiben vom 30.10.2015 beantragte die Klägerin beim BfArM, die Kommission E zur Nutzen-Risiko-Bewertung von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln anzuhören und ein Votum darüber einzuholen, ob die im Jahr 2002 vorgeschlagenen Maßnahmen noch dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen.
7Das BfArM änderte mit dem hier streitgegenständlichem Bescheid vom 24.08.2015 die Zulassungen Kava-Kava-haltiger Arzneimittel wie folgt:
8„I. Die Zulassungen der in der Anlage aufgeführten Kava-Kava-haltigen Arzneimittel sind hinsichtlich der
91. Dosierung, Anwendergruppe
102. Anwendungsdauer,
113. behandlungsbegleitenden Verpflichtung zur Bestimmung der Leberwertlaborparameter,
124. Wechselwirkungs-, Warn- und Nebenwirkungshinweisen sowie
135. Packungsgröße gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AMG
14wie folgt zu ändern:
15Zu oben 1. und 2.:
16Die Dosierung ist unter 4.2 der Fachinformation „Dosierung, Art und Dauer der Anwendung“ und in der Gebrauchsinformation (Abschnitt 3) folgendermaßen zu bezeichnen:
17Erwachsene: Die maximale Tagesdosis beträgt 200 mg Kava-Pyrone. Die übliche Behandlungsdauer beträgt einen Monat, maximal 2 Monate.
18Unter 4.3 der Fachinformation „Gegenanzeigen“ und in Abschnitt 2 der Gebrauchsinformation „[] darf nicht eingenommen werden“ ist folgender Text aufzunehmen:
19Dieses Arzneimittel darf bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren nicht angewendet werden.
20Zu oben 3. und 4.:
21Die Fachinformation ist im Abschnitt 4.4. „Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung“ zu ergänzen um:
22In Einzelfällen wurde über Leberschäden bis hin zu Leberversagen mit lebensbedrohlichem Ausgang (inkl. Todesfälle) im Zusammenhang mit der Einnahme von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln berichtet. Ein Kausalzusammenhang ist im Einzelfall nicht sicher belegt. Patienten sollten darauf hingewiesen werden, die Einnahme von
Zur Vermeidung von Leberschäden müssen die Laborwerte (GPT und γ-GT) vor Beginn der Behandlung und während der Behandlung einmal wöchentlich bestimmt werden. Die Bestimmung am Ende der Behandlung wird empfohlen.
24Bei der Anwendung von
In die Gebrauchsinformation ist folgender Hinweis in Abschnitt 2 einzufügen:
26Was ist zu tun, um mögliche schwerwiegende Leberprobleme zu vermeiden?
27Beenden Sie die Einnahme von
Im Abschnitt 4.8 „Nebenwirkungen“ der Fachinformation und in Abschnitt 4 der Gebrauchsinformation ist nachfolgende Formulierung aufzunehmen:
30In Einzelfällen wurde über Leberschäden bis hin zu Leberversagen mit lebensbedrohlichem Ausgang (inkl. Todesfälle) im Zusammenhang mit der Einnahme von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln berichtet. Ein Kausalzusammenhang ist im Einzelfall nicht sicher belegt.
31Zu oben 5.:
32Die Packungsgrößen werden gemäß den Vorgaben des Gerichtes auf 30 Tagesdosen bei einer maximalen Tagesdosis von 200 mg beschränkt.
33II. Die Zulassungen werden mit der Auflage verbunden, im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen der betroffenen Arzneimittel Schulungsmaterial für Patienten zur Verfügung zu stellen (s. Anlage).
34Die Anordnungen beruhten auf § 30 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz i.V.m. Abs. 2a und § 28 Abs. 3b Satz 1 Nr. 2 AMG. In Umsetzung der Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen seien die Vorschläge der Kommission E zur Minderung des Anwendungsrisikos der betroffenen Arzneimittel zu übernehmen. Darüber hinaus werde durch die Maßnahme das Risiko hepatotoxischer Nebenwirkungen aufgrund der vorliegenden Verdachtsfälle unerwünschter Wirkungen im Zusammenhang mit der Anwendung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel angemessen berücksichtigt. Ferner wies die Beklagte darauf hin, dass die Anordnung nach § 30 Abs. 3 Satz 4 AMG sofort vollziehbar sei.
35Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2015 als unbegründet zurück.
36Am 22.12.2015 hat die Klägerin – wie die anderen betroffenen Unternehmen in den Verfahren 7 K 7367/15, 7 K 7368/15, 7 K 7369/15 und 7 K 7371/15 – Klage erhoben. Sie führt zur Begründung im Wesentlichen aus:
37Die angeordneten Maßnahmen seien im Vergleich zu denen bei deutlich risikoreicheren Arzneimitteln unverhältnismäßig. Sie förderten deren Anwendung und dienten damit nicht der Risikoverminderung. Sie entsprächen auch nicht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Die Anordnungen Ziffern 1. und 2. zur auf zwei Monate beschränkten Behandlungsdauer und der Verwendungsausschluss bei Kindern seien in der Sache nicht zu rechtfertigen. Immerhin seien Benzodiazepine bei der Behandlung von Kindern zugelassen. Der Hinweis auf mögliche Todesfälle (Ziffern 3. und 4.) stehe außer Verhältnis zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Gerade für Patienten mit Angststörungen seien derart furchterregende Schilderungen nicht therapiefreundlich. Völlig außer Verhältnis stehe die Anordnung der wöchentlichen Bestimmung der Leberwerte. Diese Empfehlungen der Kommission seien in den „Turbulenzen eines akuten Stufenplanverfahrens“ entstanden und bedürften mittlerweile einer Überprüfung unter Beachtung des aktuellen Stands der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Ein angemessenes Monitoring müsse sich an dem etablierten Standard von Maßnahmen für Präparate mit vergleichbaren Risiken orientieren. Jedoch fänden sich bei Präparaten mit weit höheren lebertoxischen Risiken nicht annähernd vergleichbare Angaben. Die Angaben zu Wechselwirkungen seien zu akzeptieren. Der Hinweis auf Leberschäden „bis hin zu Leberversagen mit lebensbedrohlichem Ausgang (inklusive Todesfälle)“ sei in Gebrauchs- und Fachinformationen zu streichen. Die Auflage zur Verwendung von Schulungsmaterialien für Ärzte und Patienten stehe in krassem Widerspruch zu den Anordnungen, die üblicherweise in Fällen vergleichbarer Art getroffen würden. Die Beklagte habe dies auch nicht in einem Stufenplanverfahren zu pelargoniumhaltigen Arzneimitteln für nötig gehalten. Dies begründe einen krassen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot. Die vorgelegte Stellungnahme von Dr. T. belege, dass die Kommission E in Anwendung der Maßstäbe für Pelargonium hinsichtlich Kava-Kava zu einem anderen Ergebnis komme. Auch im Zusammenhang mit Pelargonium sei im diesbezüglichen Stufenverfahren ein Fall einer erforderlichen Lebertransplantation bekannt gewesen. Die Beurteilung des Schweregrades von lebertoxischen Nebenwirkungen von Kava-Kava beruhe zwangsläufig auf einem Vergleich mit anderen Therapeutika im gleichen Indikationsgebiet. Ein Vergleich der Inzidenzraten für lebertoxische Effekte beispielsweise von Tranquilizern und Neuroleptika im Vergleich zu Kava-Kava-haltigen Präparaten habe der Kommission E im Jahre 2002 nicht vorgelegen. Die Beklagte habe in ihrer Berufungsbegründung zur Bewertung von Falldaten zu Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln das CIOMS-Verfahren als Mittel der Wahl dargestellt, dieses aber zu keinem Zeitpunkt angewandt. Die von ihr verwandte, abweichende Methode anhand der WHO-Kriterien habe Professor Teschke in seinen Publikationen als untauglich kritisiert. Die Bewertungsmethode der Beklagten, die keinen Algorithmus erfordere, führe zu einer erheblichen Überschätzung des Leberrisikos. Damit die Kommission eine notwendige Überprüfung vornehmen könne, solle der Beklagten auferlegt werden, der Kommission E eine Bewertung nach dem CIOMS-Verfahren vorzulegen.
38Mit Auflagenbeschluss nach mündlicher Verhandlung vom 24.10.2017 hat die Kammer der Beklagten aufgegeben, eine Stellungnahme der Kommission E zu folgenden Fragen vorzulegen:
391. Sind die in der Ergebnisniederschrift der 19. Sitzung vom 03.07.2002 auf Seite 5 vorgeschlagenen Maßnahmen nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse noch angemessen für Kava-Kava-haltige Arzneimittel, die als Wirkstoff ausschließlich einen ethanolischen Extrakt von Nobel-Kava enthalten?
402. Gibt es Arzneimittel mit vergleichbaren Risiken und weniger eingreifenden Risikomaßnahmen? Falls ja, sollten die vom Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Bescheid vom 24.08.2015 vorgesehenen Risikomaßnahmen diesen Maßnahmen angepasst werden?
413. Sind die Anordnungen des BfArM im Bescheid vom 24.08.2015 zur Behandlungsdauer und zur Anwendung bei Kindern aus pharmazeutischer Sicht gerechtfertigt?
424. Ist der für Abschnitt 4.8 „Nebenwirkungen“ der Fachinformationen und für Abschnitt 4 der Gebrauchsinformation angeordnete folgende Hinweis aus pharmazeutischer Sicht gerechtfertigt?
43„In Einzelfällen wurde über Leberschäden bis hin zu Leberversagen mit lebensbedrohlichem Ausgang (inkl. Todesfälle) im Zusammenhang mit der Einnahme von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln berichtet. Ein Kausalzusammenhang ist im Einzelfall nicht sicher belegt.“
445. Ist die folgende, von der Klägerin vorgeschlagene Angabe zur Frequenz der Bestimmung der Leberwerte aus pharmazeutischer Sicht ausreichend?
45„Zur Vermeidung von Leberschäden müssen die Laborwerte (GPT und Gamma-GT) vor Beginn der Behandlung und während der Behandlung bestimmt werden, wenn sich Anzeichen von Leberschäden zeigen (siehe Abschnitt Warnhinweise). Nach einem Monat sind die Werte dann zu bestimmen, wenn eine Behandlung für einen weiteren Monat geplant ist.“
46Hält die Kommission E gegebenenfalls eine andere Formulierung aus pharmazeutischer Sicht für angemessen?
476. Ist der folgende von der Klägerin vorgeschlagene Warnhinweis zur Lebertoxizität angemessen und ausreichend?
48„Der Arzt kontrolliert gegebenenfalls Ihre Leberwerte und – nach seinem Ermessen – auch am Ende der Behandlung, insbesondere wenn eine weitere Behandlung geplant ist.“
49Das BfArM hat daraufhin eine Antwort der Kommission E mit Datum vom 14.02.2018 vorgelegt. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 106-111 der Gerichtsakte Bezug genommen. Unter dem 20.07.2018 hat das BfArM das zugehörige Ergebnisprotokoll der 37. Sitzung der Kommission E vorgelegt, das hinsichtlich der Teilnehmer und verschiedener Tagesordnungspunkte geschwärzt war und unter dem TOP 6 „Verschiedenes“ / TOP 6.1 „Bitte des Verwaltungsgerichts um eine aktuelle Stellungnahme der Kommission E“ den Inhalt aber vollständig wiedergibt. Die Klägerin äußerte daraufhin den Verdacht, dass durch die Schwärzungen wesentliche Äußerungen zum Thema verborgen werden sollten. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.12.2018 erhielt die Klägerin auf entsprechenden Beschluss der Kammer die Kopie eines auch hinsichtlich der TOP 4.0 bis 4.4 ungeschwärzten Exemplars des Ergebnisprotokolls.
50Die Klägerin legt ein Gutachten von Prof. U. vom 07.09.2018 zur „Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit“ der Bestimmung von Leberwerten, eine Synopse der verschiedenen Formulierungen und weitere Unterlagen vor. In der Sache trägt sie weitergehend vor: Mit der von der Kommission E vorgeschlagenen Tagesdosis von 100-200 mg Kava-Pyrone (bestimmt mittels HPLC) sei sie einverstanden. Dies gelte auch bezüglich der vorgeschlagenen Therapiedauer bis zu 3 Monaten, die nach ärztlicher Einschätzung verlängert werden könne. Sie sei auch bereit, die Kontraindikation „Vorbestehende Lebererkrankungen und erhöhte Leberenzymwerte“ aufzunehmen, wie von der Kommission empfohlen. Dies gelte auch für den Anwendungsausschluss bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren und den Hinweis an die Patienten, die Einnahme bei Zeichen einer Leberschädigung sofort zu beenden. Auch mit den angeordneten Angaben zu Wechselwirkungen sei sie einverstanden. Sie sollten aber im Bereich der Warnhinweise nicht wiederholt werden. Den angeordneten Packungsgrößen von 30 Tagesdosen bei einer maximalen Tagesdosis von 200 mg stimme man zu.
51Der Warnhinweis in der Fachinformation „In Einzelfällen wurde...“ könne ersatzlos entfallen, da er nur eine Wiederholung dessen beinhalte, was bereits unter „Nebenwirkungen“ ausgesagt worden sei und Redundanzen zu vermeiden seien. Irreführend sei auch die Angabe, ein Kausalzusammenhang sei im Einzelfall nicht sicher belegt, was den Eindruck erwecke, dass es viele Fälle gebe, in denen der Nachweis geführt sei.
52In Bezug auf die Frequenz der Bestimmung der Leberwerte könne weder den Vorgaben des BfArM noch der Auffassung der Kommission gefolgt werden. Gemäß den Empfehlungen von Prof. U. solle der Wortlaut vielmehr wie folgt gefasst werden:
53„Zur Vermeidung von Leberschäden müssen die Leberwerte (GPT und y-GT) vor Beginn der Behandlung und während der Behandlung bestimmt werden, wenn sich Anzeichen von Leberschäden zeigen (siehe Abschnitt Warnhinweise). Im weiteren Verlauf sind die Werte monatlich zu bestimmen, solange die Therapie andauert.“
54Der Patientenschutz sei hierdurch angemessen gewährleistet, wie ein Vergleich mit der Formulierung bei dem Arzneimittel „Ergenyl“ mit weitaus höherem hepatotoxischem Risiko zeige. Die Angaben in der Gebrauchsinformation sollten entsprechend angepasst werden.
55Die Beschreibung der Nebenwirkungen sei, wie vom BfArM gefordert, nicht angemessen und werde dem Risiko nicht gerecht, das in etwa dem bei Pelargonium („Umckaloabo“) entspreche. Dementsprechend solle formuliert werden:
56„Fälle von Leberschäden wurden im Zusammmenhang mit der Einnahme von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln berichtet; die Häufigkeit ist nicht bekannt.
57Gelegentlich wurde unter der Einnahme eine Erhöhung der Leberwerte beobachtet.“
58Dies entspreche der Formulierung des HMPC für Pelargonium.
59Die Anordnung von Schulungsmaterial sei unverhältnismäßig. Die Klägerin verweist auch in diesem Zusammenhang auf Pelargonium-haltige Produkte und auf „Ergenyl“.
60Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2018 einen Vergleich geschlossen. Wegen des Inhalts wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Die Beklagte hat diesen Vergleich entsprechend dem vereinbarten Vorbehalt am 15.01.2019 widerrufen.
61Die Klägerin beantragt,
62den Bescheid des BfArM vom 24.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2015 aufzuheben.
63Die Beklagte beantragt,
64die Klage abzuweisen.
65Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin in wesentlichen Punkten entgegen. So bestehe kein Grund für eine Verlängerung der Behandlungsdauer. Nach den vorliegenden Daten liege der zeitliche Gipfel des lebertoxischen Potentials bei 3-4 Monaten nach Medikationsbeginn. Unter den ausgewerteten belastbaren Fällen finde sich nur ein lebensbedrohlicher Fall mit einer Anwendungsdauer von unter 8 Wochen. Auch die Kommission führe zur Begründung ihres Vorschlags keine weiteren Daten an. Die Ergänzung des Abschnitts „Gegenanzeigen“ um die Kontraindikationen „vorbestehende Lebererkrankungen“ und „erhöhte Leberenzymwerte“ werde befürwortet.
66Der Warnhinweis stehe im Einklang mit den Vorgaben in Abschnitt 4.4 der SmPC-Guideline und sollte beibehalten werden. Die Beklagte schlug jedoch folgende Formulierung vor:
67„Bei der Anwendung von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln sind Fälle von Leberschädigungen (Anstieg der Leberenzymwerte) sowie Fälle von Leberversagen mit lebensbedrohlichem Ausgang (inkl. Todesfälle) aufgetreten. Patienten sollten darauf hingewiesen werden, die Einnahme von /.../ sofort zu beenden und einen Arzt aufzusuchen, wenn Zeichen einer Leberschädigung auftreten.
68Hinsichtlich der Kontrolle der Leberwerte zeigte sie sich bereit, der Empfehlung der Kommission E zu folgen und zu formulieren:
69„Zur Erfassung von bestehenden oder sich unter Therapie entwickelnden Leberschäden müssen zumindest die Leberenzyme γ-GT und GPT vor Behandlungsbeginn und nach 1, 2, 4, 6 und 8 Wochen bestimmt werden“,
70in der Gebrauchsinformation:
71„Vor der Behandlung mit /.../ wird Ihr Arzt bzw. Ihre Ärztin einen Bluttest durchführen, um die Leberfunktion zu überprüfen. Ihr Arzt bzw. Ihre Ärztin wird diese Tests nach Therapiebeginn nach 1, 2, 4, 6 und 8 Wochen wiederholen.“
72Eine Vergleichbarkeit mit „Ergenyl“ bestehe nicht, da insoweit umfangreiche Vorab-Untersuchungen vorgesehen seien, die weit über das bei Kava-Kava vorgesehene Maß hinausgingen. Auch seien dort Verlaufskontrollen vorgesehen.
73Auch erscheine es unter Berücksichtigung der Ausführungen von Prof. U. und der erneuten Durchsicht der UAW-Fälle angebracht, die übrigen Informationen in Abschnitt 2 der Gebrauchsinformationen anzupassen und wie folgt zu ergänzen:
74„Was können Sie tun, um mögliche schwerwiegende Leberschäden zu vermeiden?
75Beenden Sie die Einnahme von /.../ und suchen Sie einen Arzt auf, sobald Sie ein Anzeichen für eine Leberschädigung bei sich bemerken (z.B. Gelbfärbung der Haut oder Augen, dunkler Urin, Schmerzen im Oberbauch, Übelkeit, Erbrechen, Appetitverlust, Gewichtsverlust, Mattigkeit, Juckreiz, helle Stuhlfarbe und Gelenkbeschwerden)
76...
77/.../ kann mit zahlreichen anderen (leberschädigenden) Arzneistoffen in Wechselwirkung treten und so mögliche Leberschäden verstärken. Dazu gehören unter anderem bestimmte Arzneimittel gegen Bluthochdruck (Beta-Rezeptorenblocker), hormonelle Verhütungsmittel („Antibaby-Pille“), bestimmte Arzneimittel gegen Depressionen und Arzneimittel zur Migränebehandlung. Konsum von Alkohol während der Behandlung sollten Sie vermeiden.“
78Der Hinweis unter Nebenwirkungen sollte wie folgt angepasst werden:
79„Bei der Anwendung von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln sind Fälle von Leberschädigungen (Anstieg der Leberenzymwerte) sowie Fälle von Leberversagen mit lebensbedrohlichem Ausgang (inkl. Todesfälle) aufgetreten.“
80Hinsichtlich des Schulungsmaterials zog die Beklagte eine Aufhebung der Auflage in Betracht, sofern die übrigen Risikominimierungsmaßnahmen umgesetzt würden.
81Zudem weist die Beklagte darauf hin, dass das Bewertungsverfahren „Kava-Kava“ auf europäischer Ebene mit dem Ergebnis abgeschlossen worden sei, dass wegen des ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses eine Monographie nicht erstellt werden könne.
82Mit Schriftsatz vom 05.12.2018 führt die Klägerin ergänzend aus: Eine Begrenzung der Behandlungsdauer entgegen dem Vorschlag der Kommission sei nicht gerechtfertigt. Leberreaktionen manifestierten sich in der Regel wesentlich früher nach Behandlungsbeginn. Ein späterer Beginn werde nach den CIOMS-Kriterien klinisch als entlastende Beobachtung gewertet. Die Behandlungsdauer könne auch mit dem Hinweis auf die Zulassung von „Ergenyl“ gerechtfertigt werden. Die Vorschläge des BfArM zu Warnhinweisen enthielten weiterhin Redundanzen. Das gelte auch für die neuen Vorschläge zu ergänzenden Angaben, die bereits unter „Wechselwirkungen“ genannt seien. Weiterhin unangemessen seien auch Hinweise auf lebensbedrohlichen Ausgang und Todesfälle. Der Rhythmus der angeordneten Leberwert-Kontrollen müsse sich durchaus an „Ergenyl“ messen lassen. Dieses weise mit „häufigen“ Lebernebenwirkungen (1-10 Patienten von 100 Behandelten im Gegensatz zu 0,008 Fällen bei 1 Mio. Tagesdosen, sofern kausal) ein deutlich höheres Schädigungspotential auf. Es sei nicht einzusehen, weshalb Kava Kava einem deutlich strengeren Regime unterfallen solle.
83Die Bewertung des HMPC rechtfertige keine andere Bewertung des Zulassungsstatus. Die Kommission E habe in Kenntnis dieser Bewertung das Nutzen-Risiko-Verhältnis positiv bewertet. Im Übrigen stehe die Schlussfolgerung des HMPC im Widerspruch zu dem Bewertungsbericht, auf den verwiesen werde. Danach bestehe nach Auffassung der wissenschaftlichen Bewerter des HMPC kein toxikologisch relevantes Risiko bei der Anwendung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel.
84Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens wie der Parallelverfahren 7 K 7367/15, 7 K 7368/15, 7 K 7369/15 und 7 K 7371/15 nebst vorgelegter Anlagen sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des BfArM Bezug genommen.
85E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
86Die Klage ist überwiegend nicht begründet.
87Der Bescheid des BfArM vom 24.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2015 ist nur in dem im Urteilstenor bezeichneten Umfang rechtswidrig und verletzt insoweit die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Im Übrigen ist er rechtmäßig. Die Änderungen der Texte finden in diesen Punkten ihre Rechtsgrundlage in § 30 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz i.V.m. Abs. 2a Satz 1 AMG.
88Gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz AMG ist die Zulassung eines Arzneimittels zu widerrufen, wenn einer der Versagungsgründe des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 5, 5a, 6 oder 7 AMG nachträglich eingetreten ist. Dies ist hinsichtlich des Versagungsgrundes eines ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses (Nr. 5) hier der Fall. Das OVG hat in den Berufungsentscheidungen zu Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln – auch zu den Präparaten der Klägerin – nach eingehender Auseinandersetzung mit allen verfügbaren wissenschaftlichen Quellen dargelegt, dass die Produkte zwar weiterhin einen belegten Nutzen bei leichten bis mittelschweren Formen von Angststörungen haben, dem aber nicht unerhebliche Anwendungsrisiken in Form hepatotoxischer Ereignisse gegenüberstehen, die durch entsprechende Fallberichte belegt und auch durch die Einwände der Klägerseite, namentlich zur Vergleichbarkeit der verwendeten Extrakte, nicht durchgreifend erschüttert sind. Vor diesem Hintergrund ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Auswertung der vorliegenden Ergebnisse für die Annahme eines begründeten Verdachts leberschädigender Wirkungen spricht. Es hat diese Bewertung im Rahmen der Nutzen-Risiko-Abwägung allerdings angesichts der uneinheitlichen Studienlage, fehlender Erkenntnisse zu konkret lebertoxischen Bestandteilen von Kava-Kava und entsprechenden Wirkmechanismen sowie einer bei 250 Millionen Tagesdosen in zehn Jahren geringen Inzidenzrate relativiert. Hierbei hat das Gericht den Umstand hervorgehoben, dass auch der vom BfArM herangezogene Bericht der Expertengruppe der WHO sich auf alle Arten Kava-Kava-haltiger Arzneimittel bezieht und die getroffene Risikoaussage nicht nach Extrakt und Kultivar differenziert. Hiernach und unter Wertung der vom BfArM vorgenommenen Risikoeinschätzung kommt das OVG NRW zu dem Schluss eines derzeit ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses, dem durch risikominimierende Maßnahmen auf der Grundlage der Stellungnahme der Kommission E aus dem Jahre 2002 begegnet werden kann.
89OVG NRW, Urteile vom 25.02.2015 - 13 A 1371/14 u.a.-, juris.
90Die Kammer folgt diesem Ansatz. Er beruht auf einer eingehenden Auseinandersetzung mit der zu Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln bestehenden Erkenntnislage, die den Beteiligten bekannt ist und hier nicht wiederholt zu werden braucht, und führt zur Anwendung des § 30 Abs. 2a Satz 1 AMG, der in seiner seit Inkrafttreten des 2. Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 19.10.2012 (BGBl. I S. 2192) geltenden Fassung unmittelbar, d.h. ohne den Erlass einer Auflage, eine behördliche Änderung des Zulassungsinhalts gebietet, wenn hiermit der Versagungsgrund entfällt. Die Norm ist eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und aus diesem Grunde bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen gegenüber dem Widerruf der Zulassung vorrangig.
91OVG NRW, Urteile vom 25.02.2015 - 13 A 1371/14 u.a. -, juris, Rnr. 164.
92Ihre Voraussetzungen in Bezug auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis haben sich seit Abschluss der Berufungsverfahren auch nicht durch neues Erkenntnismaterial verändert. Dies gilt auch im Hinblick auf das klägerseits vorgelegte Gutachten von Prof. U. vom 07.09.2018 zur „Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit“ der Bestimmung von Leberwerten, das sich nicht mit der grundlegenden Nutzen-Risiko-Bewertung, sondern mit dem Sinn einer Einzelmaßnahme beschäftigt. Soweit die Kommission E für die phytopharmazeutische Therapierichtung – aufbauend auf der Ergebnisniederschrift vom 03.07.2002 – auch in der Beantwortung der gerichtlichen Anfrage (Ergebnisprotokoll vom 14.02.2018) weiterhin von einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis auszugehen scheint, ergibt sich nichts Abweichendes. Denn aus ihrer fachlichen Sicht hält auch die Kommission E risikominimierende Maßnahmen weiterhin für erforderlich. Dem ist auch die Klägerin nicht grundsätzlich entgegengetreten, sondern bestreitet die Rechtmäßigkeit der Einzelmaßnahmen.
93Prüfungsgegenstand im gerichtlichen Verfahren sind die Anordnungen des Bescheides vom 24.08.2015, die im Widerspruchsverfahren unverändert geblieben sind. Soweit die Beklagte nach Klageerhebung Modifikationen der Texte vorgeschlagen und eine Aufhebung der Auflage zum Schulungsmaterial in Aussicht gestellt hat, bleibt dies hier außer Betracht. Denn es handelt sich hierbei um Erklärungen im Rahmen des Bemühens, den Rechtsstreit gütlich beizulegen; eine förmliche Änderung des Bescheidtenors beinhalteten die Vorschläge nicht. Ebenfalls unberücksichtigt bleiben die Vorschläge der Klägerin, Teile der angeordneten Texte zu übernehmen, da sie für den Fall des Widerrufs des Vergleichs an dem Anfechtungsantrag uneingeschränkt festgehalten hat.
94Beweisbelastet für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der streitgegenständlichen Änderungen des Zulassungsinhalts ist die Beklagte. Denn Anordnungen nach § 30 Abs. 2a Satz 1 AMG sind ein Unterfall des Widerrufs und der Rücknahme einer Zulassung. Hier wie dort wird in den vorhandenen Zulassungsbestand eingegriffen. Anders als im Zulassungsverfahren ist es an der Behörde, die Gründe für einschränkende Maßnahmen darzulegen und zu belegen. Verbleibende durchgreifende Zweifel gehen zu ihren Lasten. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung der Sach- und Rechtslage ist im gerichtlichen Verfahren derjenige der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Nur so kann im Interesse des übergeordneten Ziels der Arzneimittelsicherheit neuen Erkenntnissen Rechnung getragen werden,
95vgl. OVG NRW, Urteile vom 25.02.2015 - 13 A 1371/14 u.a. -, juris, Rnr. 50-54; Krüger, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2. Auflage 2016, § 30 Rn. 11; Lietz, in: Hdb. Arzneimittelrecht, 2. Auflage 2014, § 9 Rn. 23; Rehmann, Arzneimittelgesetz, 4. Auflage 2014, § 30 Rn. 2.
96Dies vorausgeschickt gilt für die Anordnungen des Bescheides vom 24.08.2015 – soweit rechtmäßig – folgendes:
971.
98Die Beschränkung der Tagesdosis auf 200 mg Kava-Pyrone und der Behandlungsdauer auf einen Monat, maximal zwei Monate unter 4.2 der Fachinformation und in Abschnitt 3 der Gebrauchsinformation ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Nachweis von Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels und damit eines positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses ist untrennbar mit dem gewählten Dosierungsregime verbunden, das sich in klinischen Studien, im Fall bekannter Stoffe auch in der klinischen Anwendung als Optimum erwiesen hat und die Parameter Wirksamkeit und Verträglichkeit bestmöglich ausbalanciert. Eine empfohlene Dosierung liegt dabei möglicherweise unterhalb derjenigen, die eine maximale Wirkung erwarten ließe, wenn die damit verbundenen erhöhten Risiken nicht mehr vertretbar wären und das Nutzen-Risiko-Verhältnis negativ wäre.
99Schraitle, in: Hdb. Arzneimittelrecht, 2. Auflage 2014, § 6 Rn. 93
100Die nunmehr bestimmte Tages-Höchstdosis von 200 mg Kava-Pyrone weicht nur formal von der seitens der Kommission in ihrer Stellungnahme vom 03.07.2002 zur Risikominimierung empfohlenen Tagesmenge von 120 mg ab. Soweit sie in der aktuellen Stellungnahme vom 14.02.2018 eine Tagesdosis von 100-200 mg empfiehlt, beruht dies auf einer Änderung der Messmethode. Die Gehaltsbestimmung wird nunmehr mittels HPLC („Hochleistungsflüssigkeitschromatographie“) vorgenommen, was veränderte Werte zur Folge hat. Auch die Klägerin hat gegen die Begrenzung der Dosierung keine Einwände erhoben.
101Die Dauer der Anwendung eines Arzneimittels hängt von seinem Anwendungsgebiet und seinem Sicherheitsprofil ab. Eine besondere Rolle spielt hierbei, für welchen Zeitraum sicherheitsrelevante Daten vorliegen.
102Vgl. Schraitle, in: Hdb. Arzneimittelrecht, 2. Auflage 2014, § 6 Rn. 94
103Die Kammer geht davon aus, dass die Gefahr hepatotoxischer Ereignisse mit der Dauer der Verabreichung eines potentiell leberschädigenden Stoffes tendenziell zunimmt. Die Darstellung der Klägerin, lebertoxische Ereignisse manifestierten sich regelmäßig früher und ein späteres Auftreten werde nach den CIOMS (Council for International Organisations of Medical Sciences) – Kriterien sogar als entlastend gewertet, ist demgegenüber nicht nachvollziehbar und auch nicht näher belegt. Zwar ist angesichts der allgemein uneinheitlichen Quellenlage fraglich, ob eine zeitliche Begrenzung mit dem Argument begründet werden kann, der zeitliche Gipfel der Lebertoxizität liege bei 3-4 Monaten nach Behandlungsbeginn und unter den ausgewerteten belastbaren Einzelfällen befinde sich nur ein Fall mit einer Behandlungsdauer unter 8 Wochen. In der Stellungnahme der Kommission E vom 03.07.2002 kommt aber das Bestreben zum Ausdruck, eine Langzeitbehandlung mit Kava Kava zu vermeiden, zumal der Nutzen einer solchen Anwendung nicht durch Langzeitstudien belegt ist. Das BfArM weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass die einzig kontrollierte Studie über 12 Wochen von Warnecke et al. (1990) das Anwendungsgebiet „Klimakterisches Syndrom“ mit nur 40 Patientinnen erfasste und insgesamt für ethanolische Extrakte keine Studie vorliegt, die den Vorgaben der CHMP-Guideline zur Prüfung von Angststörungen (CPMP/EWP/4284/02 vom 20.01.2005) entspricht. Alle anderen Studien beziehen sich auf einen kürzeren Untersuchungszeitraum. Dem entspricht auch die aktuelle Bewertung der EMA im Public statement on Piper methysticum G. Forst, rhizoma (final) vom 21.11.2017 (EMA/HMPC/450589/2016). Im Fall eines unbelegten Nutzens einer Langzeitbehandlung sind deren Risiken umso weniger zu akzeptieren, was Einzelmeldungen lebertoxischer Ereignisse bei einer längeren Anwendungsdauer umso größeres Gewicht verleiht. Vor diesem Hintergrund erschließt es sich nicht, weshalb die Kommission E in ihrer aktuellen Stellungnahme von der 2002 empfohlenen Therapiedauer von maximal 2 Monaten abweicht und sich nunmehr bei weitgehend unveränderter Quellenlage für eine Therapiedauer von maximal 3 Monaten ausspricht. Der Umstand der ärztlichen Kontrolle kann hierfür nicht maßgebend sein, da eine Unterstellung unter die Verschreibungspflicht und die regelmäßige Kontrolle der Leberwerte bereits der Empfehlung aus dem Jahre 2002 entsprachen. Auch unter Berücksichtigung der begleitenden Kontrolle der Leberwerte sieht die Kammer daher unter Risikoaspekten eine zeitliche Begrenzung der Behandlungsdauer auf zwei Monate als angemessen an, zumal die Begrenzung durch den Hinweis auf eine „übliche“ Behandlungsdauer relativiert wird.
1042.
105Der Ausschluss der Anwendung bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren in Gebrauchs- und Fachinformation gründet auf fehlendem Erkenntnismaterial zu dieser Anwendergruppe. Es entspricht aktuellem wissenschaftlichem Stand, dass sich Erkenntnisse aus der Anwendung eines Arzneimittels bei Erwachsenen nicht ohne weiteres auf Kinder und Jugendliche übertragen lassen. Dem hat der europäische Gesetzgeber durch die VO (EG) Nr. 1901/2006 u.a. durch die besondere Berücksichtigung von Kindern im Bereich klinischer Prüfungen von Arzneimitteln, bei der Zulassung einschließlich der Bestimmungen über das pädiatrische Prüfkonzept und die Kennzeichnung von Arzneimitteln, die für diese Anwendergruppe zugelassen sind, Rechnung getragen,
106vgl. Urteil der Kammer vom 18.12.2018 - 7 K 6160/16 -; Lehmann, in: Hdb. Arzneimittelrecht, 2. Auflage 2014, § 7 Rn. 24-94 m.w.N.
107Der Anwendungsausschluss entspricht der aktuellen Empfehlung der Kommission E und ist von der Klägerin im vorliegenden Verfahren mit dem Argument, vergleichbare chemische Arzneimittel seien für die Kinderanwendung zugelassen, nicht überzeugend entkräftet. Denn die Nutzen-Risiko-Bewertung hat für das Arzneimittel individuell zu erfolgen.
1083.
109Keine rechtlichen Bedenken bestehen gegen den unter 4.4 der Fachinformation „Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung“ vorgeschriebenen Text „In Einzelfällen wurde über Leberschäden bis hin zu Leberversagen mit lebensbedrohlichem Ausgang (inkl. Todesfälle) im Zusammenhang mit der Einnahme von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln berichtet. Ein Kausalzusammenhang ist im Einzelfall nicht sicher belegt. Patienten sollten darauf hingewiesen werden, die Einnahme von
Vgl. Menges/Winnands, in: Hdb. Arzneimittelrecht, 2. Auflage 2014, § 19 Rn. 34 und 51; Pannenbecker, in: Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz, 2. Auflage 2016, § 11a Rn. 10-14.
111Die im Bescheid vom 24.08.2015 gewählte Formulierung wird diesen Anforderungen gerecht. Auch die Klägerin bestreitet nicht, dass in Einzelfällen über die angesprochenen Leberschäden berichtet wurde. Diese teils gravierenden Folgen hervorzuheben und Patienten aufzufordern, bei Anzeichen von Leberschädigungen die Einnahme zu beenden, drängt sich auf. Da der Text nicht auf bestimmte Extrakte und Kultivare bezogen ist und die bestehende Unsicherheit in der Kausalitätsbewertung anspricht, wird er der nach wie vor heterogenen Quellenlage gerecht. Soweit es bei der gewählten Formulierung zu Dopplungen zwischen den Angaben zu Nebenwirkungen und den hier fraglichen Warnhinweisen kommt, ist dies durch den Sachzusammenhang der klinischen Angabe bedingt. Die Aufforderung, Patienten bei Anzeichen einer Leberschädigung zum Absetzen des Mittels anzuhalten, wird ebenso wie die regelmäßige Kontrolle der Leberwerte erst im Zusammenhang verständlich, wenn die Gefahr der Nebenwirkung bekannt ist. Da § 11a Abs. 1 Satz 2 AMG wie die SmPC-Guideline der Kommission vom September 2009 die Reihenfolge der Warn- und Vorsichtshinweise vor den Angaben der Nebenwirkungen zwingend vorgeben, ergibt sich die Notwendigkeit ihrer Angabe mit einer gewissen Zwangsläufigkeit.
112Dem steht nicht der Einwand entgegen, gerade Patienten mit Angststörungen könnten durch die Angabe möglicherweise tödlicher Folgen verschreckt und von einer medizinisch gebotenen Anwendung der Präparate abgehalten werden. Es ist kein rechtlich fundierter Ansatz erkennbar, nach dem die Gestaltung der Pflichttexte vom Anwenderkreis abhängig gemacht werden könnte, bestimmten Anwendern mit Rücksicht auf die Indikation an sich gebotene Angaben also verschwiegen werden könnten. Insbesondere Risikoangaben haben objektiven Anforderungen zu genügen. Ansatzpunkte für eine psychisch geringer belastende Formulierung sind nicht erkennbar. In Bezug auf die Fachinformation tritt der Umstand hinzu, dass diese dem Patienten in der Regel nicht vorliegt. Eine Veröffentlichung ist nur bei nach der VO (EG) Nr. 726/2004 zentral zugelassenen Arzneimitteln vorgesehen. Die Zusammenfassungen der Produktinformation sind insoweit auf der Internet-Seite der EMA jederzeit abrufbar. Im Bereich nationaler Zulassungen ist eine Übermittlung an Laien zwar auf freiwilliger Basis erlaubt, eine diesbezügliche Verpflichtung besteht indes nicht.
113Vgl. Kloesel/Cyran, AMG-Kommentar (Loseblatt, Stand 132. Lieferung 2017), § 11a Erl. 9 und 10.
1144.
115Die angeordneten Angaben zu den Wechselwirkungen in der Fachinformation sind nach § 11a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 lit. e) AMG geboten. Sie entsprechen bereits den Empfehlungen der Kommission E aus dem Jahre 2002 und werden von der Klägerin fachlich nicht in Frage gestellt. Dies gilt namentlich für den Hinweis auf potentiell leberschädigende Medikamente und die Vermeidung von Alkohol.
1165.
117Soweit in Abschnitt 2 der Gebrauchsinformation auf das Verhalten im Fall eines Verdachts auf Leberschädigung bzw. auf die angesprochenen Wechselwirkungen hinzuweisen ist und auf die regelmäßige Kontrolle der Leberwerte verwiesen wird, zielt der Bescheid auf Pflichtangaben für die Packungsbeilage nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. c) und d) AMG, die aus den gleichen Gründen geboten sind wie die analogen Formulierungen in der Fachinformation. Redaktionell anzupassen sind allerdings die Angaben zum Rhythmus der Leberwert-Kontrollen (vgl. unter 8.).
1186.
119Die übereinstimmenden Formulierungen unter 4.8 „Nebenwirkungen“ der Fachinformation und in Abschnitt 4 der Gebrauchsinformation „In Einzelfällen wurde über Leberschäden bis hin zu Leberversagen mit lebensbedrohlichem Ausgang (inkl. Todesfälle) im Zusammenhang mit der Einnahme von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln berichtet. Ein Kausalzusammenhang ist im Einzelfall nicht sicher belegt.“ sind aus den unter 3 dargestellten Gründen rechtlich nicht zu beanstanden. Die im gerichtlichen Verfahren streitige Formulierung „im Einzelfall“ ist als solche nicht missverständlich oder sinnentstellend. Sie als Hinweis auf eine Vielzahl von Nebenwirkungsfällen misszuverstehen, liegt im Gesamtzusammenhang des Satzes fern.
1207.
121Vorgaben zur Packungsgröße müssen therapiegerecht sein, also allgemein den Anwendungsgebieten des Arzneimittels und der vorgesehenen Dauer der Anwendung im Sinne des § 28 Abs. 2 Nr. 4 AMG entsprechen.
122Vgl. Urteil der Kammer vom 22.11.2005 - 7 K 5513/03 -, bestätigt durch OVG NRW, Beschluss vom 21.08.2008 - 13 A 44/06 -.
123Im Rahmen einer Risikoentscheidung nach § 30 Abs. 2a Satz 1 AMG müssen sie zudem geboten sein, dem Versagungsgrund abzuhelfen. Die Vorgabe einer Packungsgröße von 30 Tagesdosen entspricht der unter Risikoaspekten auf einen Monat begrenzten Regel-Anwendungsdauer. Sie findet sich bereits in der Stellungnahme der Kommission aus dem Jahr 2002 und wird von der Klägerin gleichfalls nicht in Frage gestellt.
124Hinsichtlich des verbleibenden Teils sind die getroffenen Anordnungen zum Teil oder in vollem Umfang rechtswidrig und daher aufzuheben:
1258.
126Die Anordnung, zur Vermeidung von Leberschäden die Leberwerte (GPT und γ-GT) vor Beginn der Behandlung und während der Behandlung einmal wöchentlich zu bestimmen, ist hinsichtlich des engmaschigen wöchentlichen Untersuchungsrhythmus nicht durch nachvollziehbare Risikoaspekte belegt. Dies geht zu Lasten der Beklagten. Zwar hat die Kommission E in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2002 noch Untersuchungen in wöchentlicher Abfolge empfohlen. In ihrer aktuellen Stellungnahme spricht sie sich jedoch für einen Rhythmus von 1, 2, 4, 6 und 8 Wochen aus. In beiden Fällen ergeben sich aus den Ergebnisprotokollen keine dezidierten Begründungen für die eine oder die andere Empfehlung. Festzuhalten bleibt indes, dass die sachverständige Kommission den Vorschlag der Klägerin einer nur anlassbezogenen Kontrolle („gegebenfalls“) ausdrücklich verwirft und sich für regelmäßige und zwingende Kontrollen ausspricht. Die Kammer geht mangels anderweitiger Anhaltspunkte davon aus, dass bei der Bestimmung des Rhythmus der Kontrollen ein gewisser medizinischer Einschätzungsspielraum besteht, innerhalb dessen eine eindeutig richtige oder eindeutig falsche Festlegung kaum zu bestimmen ist. Für diese Sichtweise spricht, dass sich im Verlauf des Verfahrens auch das BfArM bereit erklärt hat, der aktuellen Vorgabe der Kommission E in diesem Punkt zu folgen.
127Ein Verzicht auf zwingende regelmäßige Kontrollen kann demgegenüber nicht mit dem Hinweis auf abweichende Kontrollintervalle bei anderen Arzneimitteln, hier insbesondere „Ergenyl chrono“ mit dem potentiell lebertoxischen Wirkstoff Ergenyl-Valproat begründet werden. Die nach § 30 Abs. 2a Satz 1 AMG getroffenen Anordnungen fußen auf einer Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses des jeweiligen Arzneimittels. Als Abwägungsentscheidung bietet diese Bewertung keinen Raum für eine generalisierende Betrachtung unter Einschluss anderer potentiell leberschädigender Arzneimittel. Entsprechende Vergleiche, insbesondere bei Risikoentscheidungen, leiden schon im Ansatz unter der Schwierigkeit, eine Vergleichbarkeit der Präparate zu begründen und hätten im Erfolgsfall das Einpendeln auf dem jeweils niedrigsten Sicherheitsniveau zur Folge. Dessen ungeachtet unterliegt auch „Ergenyl chrono“ einem durchaus engmaschigen Sicherheitsregime, welches das BfArM in seinem Schriftsatz vom 13.11.2018 zutreffend beschreibt.
128Nachvollziehbare Anhaltspunkte für die Annahme, regelmäßige Leberwertkontrollen seien zur Risikominimierung generell ungeeignet und Hinweise an den Patienten auf die Symptome einer Leberschädigung seien wichtiger – so Prof. U. im Gutachten vom 07.09.2018 – bestehen demgegenüber nicht. Sie gründet sich auf dem leberschädigenden Potential vieler anderer Arzneistoffe, bei denen regelmäßige Kontrollen nicht oder weitmaschiger angeordnet sind, ist damit aber demselben Einwand ausgesetzt wie Vergleichsbetrachtungen bei der Risikobewertung allgemein. Auch geht Prof. U. insgesamt von einem äußerst geringen Risiko Kava-Kava-haltiger Präparate aus, was angesichts der aktuellen Negativ-Monographie des HMPC vom 21.11.2017 deutlichen Zweifeln unterliegt.
1299.
130Die unter II. des Bescheides vom 24.08.2015 angeordnete Auflage, Schulungsmaterial in Gestalt eines anliegenden Patientenheftes zur Verfügung zu stellen, ist rechtswidrig.
131Ob für die Anordnung eines Patientenheftes über die textliche Gestaltung der Gebrauchsinformation hinaus eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage besteht, kann letztlich offen bleiben.
132Der im Bescheid herangezogene § 28 Abs. 3 b Satz 1 Nr. 2 AMG ist jedenfalls nicht einschlägig, da er zur nachträglichen Anordnung von Unbedenklichkeitsprüfungen ermächtigt. In Betracht kommt, das Schulungsmaterial als Teil eines Risikomanagement-Systems aufzufassen und damit Nr. 1 der Norm anzuwenden. Ob Schulungsmaterial an den Patienten generell unter Nr. 1 der Norm gefasst werden kann, ist in der Rechtsprechung ungeklärt. Der Begriff des Risikomanagement-Systems ist identisch mit den nunmehr nach § 22 Abs. 5 a AMG bei Neuzulassungsanträgen vorzulegenden Unterlagen. § 4 Abs. 36 AMG definiert auf der Grundlage des Art. 1 Nr. 28 lit. b der RL 2001/83/EG das Risiko-Management-System als die Summe der Tätigkeiten im Bereich der Pharmakovigilanz und Maßnahmen, durch die Risiken in Zusammenhang mit einem Arzneimittel ermittelt, beschrieben, vermieden oder minimiert werden sollen.
133Zu den Einzelheiten vgl. Thiele, in: Hdb. Arzneimittelrecht, 2. Auflage 2014, § 26 Rnr. 29 ff.; Schickert, in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG, 2. Auflage 2016, § 4 Rnr. 261-270.
134Ob hierunter ein Patientenheft im Sinne einer risikovorsorgenden Maßnahme gefasst werden kann, kann jedoch auf sich beruhen. Denn die getroffene Anordnung des BfArM ist jedenfalls nicht erforderlich und mithin unverhältnismäßig. Das dem Bescheid beigefügte Patientenheft erschöpft sich in einer wiederholenden Darstellung dessen, was bereits aus der Gebrauchsinformation für den Patienten ersichtlich ist. Weshalb es unter Aspekten der Risikovorsorge einer zusätzlichen Information bedarf, erschließt sich nicht. Auch der streitgegenständliche Bescheid liefert hierfür keine nachvollziehbare Begründung. Er verweist lediglich darauf, dass es sich um eine weitere Risikominimierungsmaßnahme handele, was keine inhaltliche Begründung ist. Vor dem Hintergrund der aufgrund der Verschreibungspflicht und der obligatorischen Leberwert-Kontrollen ohnedies notwendigen Arztbesuche besteht kein rechtfertigender Grund für eine die Angaben der Gebrauchsinformation zum Teil in anderer druckgraphischer Gestaltung wiederholende Patienteninformation.
135Vergleichbares gilt für die beigefügte Erinnerungskarte, die keinen eigenständigen Informationswert hat und nicht wesentlich über die Terminszettel hinausgeht, die seitens der Ärzteschaft den Patienten oftmals ohnehin ausgehändigt werden. Da die Überwachung der Kontrollintervalle dem behandelnden Arzt obliegt und mit diesem die Termine vereinbart werden, ist eine hinreichende Risikovorsorge gewährleistet.
136Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
137Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
138Rechtsmittelbelehrung
139Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
140- 141
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
- 142
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
- 143
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
- 144
4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
- 145
5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
147Statt in Schriftform kann die Einlegung des Antrags auf Zulassung der Berufung auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
148Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Begründung ist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
149Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
150Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
151Beschluss
152Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
15390.000,00 €
154festgesetzt.
155Gründe
156Der festgesetzte Streitwert entspricht – entsprechend der aus dem Urteil ersichtlichen Gliederung – für jede der unter 1. bis 9. getroffenen Regelungen jeweils dem gesetzlichen Auffangstreitwert (§ 52 Abs. 2 GKG). Der so ermittelte Wert von 45.000,00 Euro war vorliegend zu verdoppeln, weil das Verfahren zwei Arzneimittel betrifft.
157Rechtsmittelbelehrung
158Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln eingelegt werden.
159Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
160Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
161Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
162Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Die zuständige Bundesoberbehörde erteilt die Zulassung schriftlich unter Zuteilung einer Zulassungsnummer. Die Zulassung gilt nur für das im Zulassungsbescheid aufgeführte Arzneimittel und bei Arzneimitteln, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt sind, auch für die in einem nach § 25 Abs. 7 Satz 1 in der vor dem 17. August 1994 geltenden Fassung bekannt gemachten Ergebnis genannten und im Zulassungsbescheid aufgeführten Verdünnungsgrade.
(2) Die zuständige Bundesoberbehörde darf die Zulassung nur versagen, wenn
- 1.
die vorgelegten Unterlagen, einschließlich solcher Unterlagen, die auf Grund einer Verordnung der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union vorzulegen sind, unvollständig sind, - 2.
das Arzneimittel nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft worden ist oder das andere wissenschaftliche Erkenntnismaterial nach § 22 Abs. 3 nicht dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht, - 3.
das Arzneimittel nicht nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln hergestellt wird oder nicht die angemessene Qualität aufweist, - 4.
dem Arzneimittel die vom Antragsteller angegebene therapeutische Wirksamkeit fehlt oder diese nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse vom Antragsteller unzureichend begründet ist, - 5.
das Nutzen-Risiko-Verhältnis ungünstig ist, - 5a.
bei einem Arzneimittel, das mehr als einen Wirkstoff enthält, eine ausreichende Begründung fehlt, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet, wobei die Besonderheiten der jeweiligen Arzneimittel in einer risikogestuften Bewertung zu berücksichtigen sind, - 6.
das Inverkehrbringen des Arzneimittels gegen gesetzliche Vorschriften oder gegen eine Verordnung oder eine Richtlinie oder eine Entscheidung oder einen Beschluss der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union verstoßen würde.
(3) Die Zulassung ist für ein Arzneimittel zu versagen, das sich von einem zugelassenen oder bereits im Verkehr befindlichen Arzneimittel gleicher Bezeichnung in der Art oder der Menge der Wirkstoffe unterscheidet. Abweichend von Satz 1 ist ein Unterschied in der Menge der Wirkstoffe unschädlich, wenn sich die Arzneimittel in der Darreichungsform unterscheiden.
(4) Ist die zuständige Bundesoberbehörde der Auffassung, dass eine Zulassung auf Grund der vorgelegten Unterlagen nicht erteilt werden kann, teilt sie dies dem Antragsteller unter Angabe von Gründen mit. Dem Antragsteller ist dabei Gelegenheit zu geben, Mängeln innerhalb einer angemessenen Frist, jedoch höchstens innerhalb von sechs Monaten abzuhelfen. Wird den Mängeln nicht innerhalb dieser Frist abgeholfen, so ist die Zulassung zu versagen. Nach einer Entscheidung über die Versagung der Zulassung ist das Einreichen von Unterlagen zur Mängelbeseitigung ausgeschlossen.
(5) Die Zulassung ist auf Grund der Prüfung der eingereichten Unterlagen und auf der Grundlage der Sachverständigengutachten zu erteilen. Zur Beurteilung der Unterlagen kann die zuständige Bundesoberbehörde eigene wissenschaftliche Ergebnisse verwerten, Sachverständige beiziehen oder Gutachten anfordern. Die zuständige Bundesoberbehörde kann in Betrieben und Einrichtungen, die Arzneimittel entwickeln, herstellen, prüfen oder klinisch prüfen, zulassungsbezogene Angaben und Unterlagen, auch im Zusammenhang mit einer Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 3 Abs. 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 überprüfen. Zu diesem Zweck können Beauftragte der zuständigen Bundesoberbehörde im Benehmen mit der zuständigen Behörde Betriebs- und Geschäftsräume zu den üblichen Geschäftszeiten betreten, Unterlagen einsehen sowie Auskünfte verlangen. Die zuständige Bundesoberbehörde kann ferner die Beurteilung der Unterlagen durch unabhängige Gegensachverständige durchführen lassen und legt deren Beurteilung der Zulassungsentscheidung und, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die der Verschreibungspflicht nach § 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 unterliegen, dem der Zulassungskommission nach Absatz 6 Satz 1 vorzulegenden Entwurf der Zulassungsentscheidung zugrunde. Als Gegensachverständiger nach Satz 5 kann von der zuständigen Bundesoberbehörde beauftragt werden, wer die erforderliche Sachkenntnis und die zur Ausübung der Tätigkeit als Gegensachverständiger erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Dem Antragsteller ist auf Antrag Einsicht in die Gutachten zu gewähren. Verlangt der Antragsteller, von ihm gestellte Sachverständige beizuziehen, so sind auch diese zu hören. Für die Berufung als Sachverständiger, Gegensachverständiger und Gutachter gilt Absatz 6 Satz 5 und 6 entsprechend.
(5a) Die zuständige Bundesoberbehörde erstellt ferner einen Beurteilungsbericht über die eingereichten Unterlagen zur Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit und gibt darin eine Stellungnahme hinsichtlich der Ergebnisse von pharmazeutischen und vorklinischen Versuchen, von klinischen Prüfungen sowie zum Risikomanagement- und zum Pharmakovigilanz-System ab. Der Beurteilungsbericht ist zu aktualisieren, wenn hierzu neue Informationen verfügbar werden.
(5b) Absatz 5a findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt werden, sofern diese Arzneimittel dem Artikel 16 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG unterliegen.
(6) Vor der Entscheidung über die Zulassung eines Arzneimittels, das den Therapierichtungen Phytotherapie, Homöopathie oder Anthroposophie zuzurechnen ist und das der Verschreibungspflicht nach § 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 unterliegt, ist eine Zulassungskommission zu hören. Die Anhörung erstreckt sich auf den Inhalt der eingereichten Unterlagen, der Sachverständigengutachten, der angeforderten Gutachten, die Stellungnahmen der beigezogenen Sachverständigen, das Prüfungsergebnis und die Gründe, die für die Entscheidung über die Zulassung wesentlich sind, oder die Beurteilung durch die Gegensachverständigen. Weicht die Bundesoberbehörde bei der Entscheidung über den Antrag von dem Ergebnis der Anhörung ab, so hat sie die Gründe für die abweichende Entscheidung darzulegen. Das Bundesministerium beruft die Mitglieder der Zulassungskommission unter Berücksichtigung von Vorschlägen der Kammern der Heilberufe, der Fachgesellschaften der Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Heilpraktiker sowie der für die Wahrnehmung ihrer Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenverbände der pharmazeutischen Unternehmer, Patienten und Verbraucher. Bei der Berufung sind die jeweiligen Besonderheiten der Arzneimittel zu berücksichtigen. In die Zulassungskommissionen werden Sachverständige berufen, die auf den jeweiligen Anwendungsgebieten und in der jeweiligen Therapierichtung (Phytotherapie, Homöopathie, Anthroposophie) über wissenschaftliche Kenntnisse verfügen und praktische Erfahrungen gesammelt haben.
(7) Für Arzneimittel, die nicht der Verschreibungspflicht nach § 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 unterliegen, werden bei der zuständigen Bundesoberbehörde Kommissionen für bestimmte Anwendungsgebiete oder Therapierichtungen gebildet. Absatz 6 Satz 4 bis 6 findet entsprechende Anwendung. Die zuständige Bundesoberbehörde kann zur Vorbereitung der Entscheidung über die Verlängerung von Zulassungen nach § 105 Abs. 3 Satz 1 die zuständige Kommission beteiligen. Betrifft die Entscheidung nach Satz 3 Arzneimittel einer bestimmten Therapierichtung (Phytotherapie, Homöopathie, Anthroposophie), ist die zuständige Kommission zu beteiligen, sofern eine vollständige Versagung der Verlängerung nach § 105 Abs. 3 Satz 1 beabsichtigt oder die Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung ist; sie hat innerhalb von zwei Monaten Gelegenheit zur Stellungnahme. Soweit die Bundesoberbehörde bei der Entscheidung nach Satz 4 die Stellungnahme der Kommission nicht berücksichtigt, legt sie die Gründe dar.
(7a) Zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit für Kinder und Jugendliche wird beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Kommission für Arzneimittel für Kinder und Jugendliche gebildet. Absatz 6 Satz 4 bis 6 findet entsprechende Anwendung. Zur Vorbereitung der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels, das auch zur Anwendung bei Kindern oder Jugendlichen bestimmt ist, beteiligt die zuständige Bundesoberbehörde die Kommission. Die zuständige Bundesoberbehörde kann ferner zur Vorbereitung der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung eines anderen als in Satz 3 genannten Arzneimittels, bei dem eine Anwendung bei Kindern oder Jugendlichen in Betracht kommt, die Kommission beteiligen. Die Kommission hat Gelegenheit zur Stellungnahme. Soweit die Bundesoberbehörde bei der Entscheidung die Stellungnahme der Kommission nicht berücksichtigt, legt sie die Gründe dar. Die Kommission kann ferner zu Arzneimitteln, die nicht für die Anwendung bei Kindern oder Jugendlichen zugelassen sind, den anerkannten Stand der Wissenschaft dafür feststellen, unter welchen Voraussetzungen diese Arzneimittel bei Kindern oder Jugendlichen angewendet werden können. Für die Arzneimittel der Phytotherapie, Homöopathie und anthroposophischen Medizin werden die Aufgaben und Befugnisse nach den Sätzen 3 bis 7 von den Kommissionen nach Absatz 7 Satz 4 wahrgenommen.
(8) Bei Sera, Impfstoffen, Blutzubereitungen, Gewebezubereitungen, Allergenen, xenogenen Arzneimitteln, die keine Arzneimittel nach § 4 Absatz 9 sind, erteilt die zuständige Bundesoberbehörde die Zulassung entweder auf Grund der Prüfung der eingereichten Unterlagen oder auf Grund eigener Untersuchungen oder auf Grund der Beobachtung der Prüfungen des Herstellers. Dabei können Beauftragte der zuständigen Bundesoberbehörde im Benehmen mit der zuständigen Behörde Betriebs- und Geschäftsräume zu den üblichen Geschäftszeiten betreten und in diesen sowie in den dem Betrieb dienenden Beförderungsmitteln Besichtigungen vornehmen. Auf Verlangen der zuständigen Bundesoberbehörde hat der Antragsteller das Herstellungsverfahren mitzuteilen. Bei diesen Arzneimitteln finden die Absätze 6, 7 und 7a keine Anwendung.
(8a) (weggefallen)
(9) Werden verschiedene Stärken, Darreichungsformen, Verabreichungswege oder Ausbietungen eines Arzneimittels beantragt, so können diese auf Antrag des Antragstellers Gegenstand einer einheitlichen umfassenden Zulassung sein; dies gilt auch für nachträgliche Änderungen und Erweiterungen. Dabei ist eine einheitliche Zulassungsnummer zu verwenden, der weitere Kennzeichen zur Unterscheidung der Darreichungsformen oder Konzentrationen hinzugefügt werden müssen. Für Zulassungen nach § 24b Abs. 1 gelten Einzelzulassungen eines Referenzarzneimittels als einheitliche umfassende Zulassung.
(10) Die Zulassung lässt die zivil- und strafrechtliche Verantwortlichkeit des pharmazeutischen Unternehmers unberührt.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 20. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen. Sie wendet sich gegen den Widerruf der Zulassung der Präparate Kava N. Kapseln, B. 120 mg Tabletten, Kava-N1. Tabletten, T. Tabletten und X. Tabletten, die sie bis zum Jahr 2001 in den Verkehr gebracht hatte.
3Für das zuerst genannte Präparat wurde die beantragte Nachzulassung bislang nicht erteilt. Für die Präparate Kava-N1. Tabletten, T. Tabletten und X. Tabletten hatte das BfArM die Zulassung mit einer Dosierung von einmal täglich einer Tablette bei einer Wirkstoffmenge von 120 mg pro Tablette und für B. 120 mg Tabletten mit einer Dosierung von zweimal täglich ½ Tablette erteilt.
4Bei den Präparaten handelt es sich um pflanzliche Angstlöser (Anxiolytika) zur Anwendung bei nervösen Angst-, Spannungs- und Unruhezuständen, die als Wirkstoff den Kava-Kava-Wurzelstock-Trockenextrakt - Piperis methystici rhizoma - in Gestalt eines ethanolischen Auszugs enthalten.
5Die Anwendungsgebiete der Arzneimittel der Klägerin entsprachen den Vorgaben der Monographie der Kommission E vom 1. Juni 1990. Im Jahr 2002 war ihre Verschreibungspflicht beschlossen worden.
6Im Jahr 2001 leitete das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgrund von Berichten über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen in Gestalt lebertoxischer Effekte bei acetonischen Kava-Kava-Auszügen insbesondere aus der Schweiz ein Stufenplanverfahren nach § 63 AMG ein. Nach Anhörung der betroffenen pharmazeutischen Unternehmen widerrief das BfArM mit Bescheid vom 14. Juni 2002 erstmals die Zulassungen Kava-Kava- und Kavain-haltiger Arzneimittel bis zu einer homöopathischen Verdünnung von D4. Hiergegen legten die betroffenen Unternehmen Widerspruch ein, woraufhin das BfArM an der Widerrufsentscheidung nicht festhielt, sondern stattdessen mit Bescheid vom 12. Mai 2005 ein befristetes Ruhen der betroffenen Zulassungen anordnete.
7Nachdem zwischen den beteiligten Unternehmen, ihren Verbänden und dem BfArM über die Art des vorzulegenden wissenschaftlichen Erkenntnismaterials keine Einigung erzielt werden konnte, widerrief die Behörde mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 21. Dezember 2007 die Zulassungen Kava-Kava- und Kavain-haltiger Arzneimittel und homöopathischer Zubereitungen aus Kava-Kava-Zubereitungen. Es bestehe weiterhin der Widerrufsgrund des § 30 Abs. 1 i. V. m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG, da der begründete Verdacht schädlicher Wirkungen auch unter Berücksichtigung der von den betroffenen Unternehmen und ihren Verbänden vorgelegten Unterlagen fortbestehe. Das Ruhen der Zulassungen sei angeordnet worden, um den betroffenen Unternehmen Gelegenheit zu geben, Studienergebnisse vorzulegen, die die Wirksamkeit in dem beanspruchten Anwendungsgebiet in einem Maße belegten, dass die bekannten hepatotoxischen Risiken vertretbar seien. Die vorgelegten toxikologischen Untersuchungen lieferten keine hinreichende Grundlage für die Risikoabschätzung. Anhand der in-vitro-Studien könne zwar ein gewisser Toxizitätsvergleich der untersuchten Kava-Kava-Extrakte bzw. Kavalactone aufgestellt werden. Eine direkte Risikoabschätzung bzw. ein Unbedenklichkeitsnachweis für die Anwendung sämtlicher Arten von Kava-Kava-Extrakten am Menschen könne daraus aber nicht abgeleitet werden. Die in-vivo-Studien wiesen methodische Mängel auf und seien deswegen nicht bewertungsfähig. Zudem beschränke sich die Aussagekraft der Studie von DiSilvestro et al. auf einen bestimmten Kava-Kava-Extrakt und könne deswegen nicht zur Risikoabschätzung von Kava-Kava-Arzneimitteln allgemein herangezogen werden. In der Studie von L. Sorrentino et al. seien nicht genügend Parameter zum Ausschluss der Lebertoxizität erhoben worden. Zudem fehlten Daten zur Pharmakokinetik bzw. Toxikokinetik der potentiell toxischen Inhaltsstoffe. Es sei weiterhin unklar, ob die Ratte die geeignete Tierspezies sei, um vergleichbare hepatotoxische Effekte auszulösen, wie sie aufgetreten seien. Die nachgereichten Publikationen lieferten keine Erkenntnisse, die eine Hepatotoxizität der von dem Stufenplan betroffenen deutschen Kava-Kava-haltigen Arzneimittel ausschlössen oder relativierten. Deren Fehlen in den vorliegenden Untersuchungen stehe im Widerspruch zu den klinischen Befunden. Mangels weiterer Untersuchungen, die die pharmazeutischen Unternehmen zwar angekündigt, aber nicht durchgeführt hätten, seien nach wie vor weder die Mechanismen der klinisch aufgetretenen hepatotoxischen Effekte noch das klinisch relevante Toxin bekannt.
8Der Bescheid enthält eine Zusammenfassung der vorliegenden Erkenntnisse zum Risiko der Einnahme Kava-Kava-haltiger Präparate und verweist insoweit auf einen Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 2007, der eine Bewertung von 93 Fallberichten zu Leberschädigungen enthalte. Diese seien in sieben Fällen tödlich verlaufen und in 14 Fällen sei eine Lebertransplantation erforderlich geworden. Außerdem wird in dem Bescheid auf den Bericht der britischen Gesundheitsbehörde Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency (MHRA) vom 27. Juni 2006 verwiesen, in dem - nach Ländern gegliedert - die bei der MHRA eingegangenen Meldungen zu 110 Nebenwirkungsverdachtsfällen weltweit - darunter die überwiegende Anzahl aus Deutschland - aufgeführt sind.
9Den hiernach bestehenden Risiken stehe der Umstand gegenüber, dass neuere Untersuchungen zum Beleg der Wirksamkeit Kava-Kava- sowie Kavalacton-haltiger Arzneimittel nicht vorgelegt worden seien. Bei Arzneimitteln, für die es ‑ jedenfalls bei der vorgeschlagenen Dosierung - keine ausreichenden Wirksamkeitsbelege gebe, sei ein nicht zu eliminierendes Risiko nicht hinnehmbar, wenn es um schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) gehe. Risikominimierende Maßnahmen wie die Unterstellung unter die Verschreibungspflicht, die Begrenzung der Dosierung und Leberfunktionstests rechtfertigten keine abweichende Bewertung, zumal bei der Behandlung von Angststörungen mit Benzodiazepinen, Buspiron und einigen Serotoninwiederaufnahmehemmern wie Paroxetin und Citalopram therapeutische Alternativen zur Verfügung stünden. Deren Wirksamkeit in der Behandlung von unterschiedlichen Formen von Angststörungen sei im Gegensatz zu Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln in mehreren klinischen Studien gut untersucht und belegt worden. Das bei Benzodiazepinen bestehende Abhängigkeitsrisiko rechtfertige es nicht, das mit Kava-Kava-Produkten verbundene Risiko hinzunehmen.
10In einer zusammenfassenden Bewertung führte das BfArM aus, dass bei monographiekonformer Dosierung bis 120 mg als Tagesdosis Kava-Pyrone das Risiko von Leberschädigungen zwar geringer, aber immer noch deutlich vorhanden sei. Bei Dosierungen oberhalb von 120 mg Kava-Pyrone bestehe zwar ein gewisser Anhalt für die Wirksamkeit; das Risiko für Leberschäden sei dann aber zu groß.
11Die Klägerin erhob gegen den Bescheid Widerspruch. In einer Stellungnahme des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller e.V. (BAH) zum Widerruf der Zulassungen, die sich die Klägerin zu eigen machte, führte der Verband aus, die Annahme schädlicher Wirkungen Kava-Kava- und Kavain-haltiger Arzneimittel sei unzutreffend. Das BfArM habe die neu vorgelegten toxikologischen Untersuchungen nicht bewertet bzw. keinen nachvollziehbaren Bewertungskriterien unterworfen. Die Kommission E habe in ihrer Sitzung vom 27. Februar 2002 unter dem Vorbehalt bestimmter Sicherheitsmaßnahmen ein klares Votum zur weiteren Verkehrsfähigkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel abgegeben. Auch berücksichtige der Bescheid nicht, dass § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG in seiner seit dem 6. September 2005 geltenden Fassung keinen „begründeten Verdacht schäd-licher Wirkungen“, sondern ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis voraus-setze. Kava-Kava erfülle die Voraussetzungen eines „well-established use“. Es werde seit Jahrzehnten in der Europäischen Union medizinisch verwendet. Wirkungen und Nebenwirkungen seien bekannt. Neue klinische Studien könnten folglich nicht verlangt werden. Zudem könne eine klinische Studie keine Erkennt-nisse über seltene Nebenwirkungen liefern. Anlass zu Kritik an den eingereichten toxikologischen Studien bestehe nicht. Andere therapeutische Ansätze wie z.B. Benzodiazepine stellten aufgrund ihrer Risiken keine therapeutische Alternative dar. Andere Arzneistoffe wiesen das gleiche oder sogar ein höheres Risiko für Leberschädigungen und zudem weitere schwerwiegendere unerwünschte Effekte als Kava-Kava auf, insbesondere sei ein Anstieg der Suizidrate bekannt. Die Ergebnisse des Berichts der MHRA seien wegen der gänzlich anderen Indikation in Großbritannien (Blasenerkrankungen) nicht übertragbar. Die Bewertung der vorliegenden Fallmeldungen sei nicht sachgerecht. Ihre Inzidenzrate werde vom BfArM nach wie vor nicht berücksichtigt.
12In der Folgezeit führten Gespräche und Schriftwechsel zwischen den pharmazeutischen Unternehmen und dem BfArM zu keinem Ergebnis. Der Widerspruch der Klägerin blieb zunächst unbeschieden.
13Unter dem 7. April 2011 richtete die Klägerin Änderungsanzeigen für alle streitgegenständlichen Präparate an das BfArM, deren Inhalt jeweils die Erhöhung der Tagesdosierung entsprechend 120 mg bis 240 mg Kava-Pyrone bzw. bezogen auf das Präparat Kava N. Kapseln entsprechend 150 bis 200 mg Kava-Pyrone ist.
14In den für das Präparat Kava N. Kapseln beigefügten Fachinformationen, Stand April 2011, ist eine Dosierung von drei- bis viermal täglich eine Kapsel (a 50 mg) vorgesehen. Als Dosierung für die übrigen Präparate wird darin ein- bis zweimal täglich eine Tablette genannt. Unter den Gegenanzeigen sind bei allen Präparaten u.a. eine vorbestehende Leberschädigung und erheblicher Alkoholkonsum aufgeführt. Unter der Rubrik Nebenwirkungen enthalten sie den Hinweis auf sehr selten auftretende Leberschäden unterschiedlicher Schweregrade (Transaminasenanstieg, Ikterus, Hepatitis). In einigen Fällen sei es nach der Einnahme der empfohlenen oder der zwei- bis dreifachen Dosierung bei Kava-Kava-Zubereitungen bereits nach acht Wochen zu einem irreversiblen Leberversagen gekommen. Deswegen seien insbesondere bei einer länger als einen Monat dauernden Therapie regelmäßig Laborkontrollen der Leberfunktion durchzuführen. Als Wechselwirkung sei eine Wirkverstärkung von zentral wirksamen Substanzen wie Alkohol, Psychopharmaka und Muskelrelaxanzien möglich. Eine Verstärkung hepatotoxischer Wirkungen anderer Arzneimittel durch die zeitnahe Einnahme von Kava-Kava-Zubereitungen könne nicht ausgeschlossen werden. Die entsprechenden Gebrauchsinformationen enthalten den Hinweis auf die Symptome einer fortgeschrittenen Leberschädigung, bei deren Auftreten das Präparat abzusetzen und sofort ein Arzt aufzusuchen sei. Außerdem wird darin darauf hingewiesen, dass der Genuss alkoholhaltiger Getränke während der Behandlung mit den jeweiligen Präparaten vermieden werden sollte. Hinsichtlich der Anwendungsdauer ist keine zeitliche Begrenzung vorgegeben. Für alle Präparate sind Packungsgrößen von 30/60/100 Tabletten bzw. bei Kava N. Kapseln vorgesehen.
15Das BfArM hat den Änderungsanzeigen in der Folgezeit nicht widersprochen.
16Die Klägerin hat am 20. Dezember 2011 die vorliegende Klage als Untätigkeitsklage erhoben und zugleich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung deren aufschiebender Wirkung beantragt (VG Köln 7 L 1918/11). Diesen Antrag hat sie am 24. Mai 2012 zurückgenommen.
17Zur Begründung der Klage hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Der Widerruf der Zulassungen sei rechtswidrig. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis für Kava-Kava-haltige Arzneimittel, die auf einem ethanolischen Extrakt des Kava-Kava-Wurzelstocks basierten, sei nicht ungünstig. Die Wirksamkeit des Arzneimittels sei bei einer Dosierung von 240 mg Kava-Pyrone, berechnet nach der Hochleistungsflüssigkeitschromatographie-Methode - engl. high performance liquid chromato-graphy - (HPLC-Methode) auf sechs Kava-Pyrone, belegt. Die von der Kommis-sion E angegebenen 120 mg Kava-Pyrone seien mittels Dünnschichtchromato-graphie (DC) beschränkt auf drei Kava-Pryrone berechnet worden. Deswegen entsprächen 120 mg Kava-Pyrone berechnet nach der DC-Methode 240 mg Kava-Pyrone berechnet nach der HPLC-Methode. Überdies sei Ende der 80er Jahre eine exakte quantitative Bestimmung aller maßgeblichen sechs Kava-lactone auch mit Hilfe der HPLC-Methode nicht möglich gewesen. Demzufolge entsprächen die in der Monographie ermittelten 120 mg nicht dem Gesamtgehalt an Kavalactonen. Vielmehr sei der Kavalactongehalt der Kava-Produkte, die in der Monographie Berücksichtigung gefunden hätten, nach heutigen Standards wesentlich höher anzusetzen.
18Der Einwand des BfArM, die Mittel seien nicht wirksam, beruhe darauf, dass die betroffenen Unternehmen auf entsprechende Forderung des BfArM die Dosierung halbiert hätten, um sich numerisch an die Monographie anzupassen. Das sei inzwischen mit Blick auf die unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen durch die mit der Änderungsanzeige erfolgte Anhebung auf die alte Menge von 240 mg Kava-Pyrone korrigiert worden. Bei der Bewertung der Wirksamkeit müsse deswegen nach aktuellem Stand der Zulassung für alle betroffenen Arzneimittel eine Dosierung von 240 mg Kava-Pyrone zugrunde gelegt werden.
19Die vorliegenden Fälle unerwünschter Ereignisse in Zusammenhang mit Kava-Kava seien vom BfArM unrichtig und teilweise anders als von anderen Institutionen bewertet worden. Auf der Grundlage der Auswertung durch Teschke et al. aus dem Jahr 2008 ergäben sich lediglich drei Fälle, in denen überhaupt von einer Auslösung durch Kava-Kava auszugehen sei. In zwei dieser Fälle habe es sich um acetonische Extrakte gehandelt. Der verbleibende Fall stehe im Zusammenhang mit einer Allergie. Die Häufung von UAW-Meldungen in den Jahren 2001 und 2002 sei zudem durch die aktive negative Informationspolitik des BfArM zu erklären. Im Gegensatz zum BfArM habe die schweizerische Behörde nicht auf Vorlage präklinischer Studien bestanden, sondern nur eine Anwendungsbeobachtung gefordert, die jedoch wegen des deutschen Kava-Kava-Verbots abgebrochen worden sei. In den USA würden Kava-Kava-Produkte nach wie vor als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebracht.
20Die Risiken in Betracht zu ziehender Alternativpräparate - insbesondere Benzodiazepine und Antidepressiva - seien ungleich höher als die der betroffenen Kava-Kava-Produkte. Das angestrebte Ziel der Verminderung von Therapierisiken könne mit dem Widerruf nicht erreicht werden. Anstelle des geringeren Risikos von Kava-Kava-Produkten lasse das BfArM zu, Arzneimittel einzusetzen, deren Anwendung für die Patienten mit weit größeren Risiken verbunden sei. Noch bis zum Jahr 2001 habe das BfArM Neuzulassungen für Kava-Kava-haltige Arzneimittel erteilt.
21Mit Bescheid vom 15. Februar 2012 hat das BfArM den Widerspruch der Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung seiner vorherigen Ausführungen zum Risiko der Anwendung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel als unbegründet zurückgewiesen. In Deutschland seien 48 Fälle lebertoxischer Reaktionen registriert worden, von denen 26 ausreichend gut dokumentiert seien. In sieben Fällen habe eine Lebertransplantation vorgenommen werden müssen. Zwei dieser Patienten und eine Patientin ohne Lebertransplantation seien verstorben. In zwei Fällen sei die lebertoxische Reaktion nach Absetzen des Kava-Kava-Produkts zurückgegangen und bei Reexposition erneut aufgetreten. In dreizehn Fällen sei aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs, des Fehlens lebertoxischer Faktoren und einer entsprechenden Komedikation ein Kausalzusammenhang wahrscheinlich. In einzelnen dieser Fälle sei eine synergistische Beteiligung eines anderen Arzneimittels (z.B. eines Estrogens) als möglich anzusehen, ohne dass dies die Annahme gerechtfertigt hätte, dass das Kava-Kava-Arzneimittel nicht an der hepato-toxischen Reaktion beteiligt gewesen wäre. In weiteren fünf spontan gemeldeten Fällen sei ein Kausalzusammenhang „möglich bis wahrscheinlich“ und in den restlichen Fällen „möglich“. Aus den dargestellten Fällen gehe hervor, dass Kava-Kava eindeutig das Potential zu schwerer Lebertoxizität habe. Der Effekt weise ein durchaus charakteristisches Muster auf mit einem zeitlichen Gipfel bei drei bis vier Monaten nach Medikationsbeginn und einer wahrscheinlich höheren Toxizität bei höheren Dosen.
22Zur toxikologischen Bewertung von Kava-Kava-Extrakten fehlten weiterhin nach heutigen Standards durchgeführte Tierstudien. Die Wirksamkeit der ethano-lischen Kava-Kava-Auszüge als Anxiolytikum sei unverändert als nicht belegt anzusehen. Ein Vergleich des Nutzen-Risiko-Profils mit therapeutischen Alter-nativen setze diesen Wirksamkeitsnachweis aber voraus.
23Mit Auflagenbeschluss vom 30. Oktober 2012 hat das Verwaltungsgericht der Beklagten aufgegeben, eine Zusammenstellung nebst Wirksamkeitsbelegen und Nebenwirkungsprofil von Benzodiazepin-haltigen, in Deutschland verkehrsfähigen Arzneimitteln vorzulegen, deren Anwendungsgebiet ganz oder teilweise der Indikation „Nervöse Angst-, Spannungs- und Unruhezustände“ entspricht. Zugleich hat es der Klägerin aufgegeben, darzulegen, ob und unter welchen Voraussetzungen toxikologische Untersuchungen in vivo mit dem Wirkstoff ihres Arzneimittels an einer weiteren Tierart, die nicht Nagetier ist, durchgeführt werden können.
24Die Beklagte ist diesen Auflagen nachgekommen und hat hierzu erwidert, es sei reine Spekulation und durch nichts belegt, dass Patienten nach dem Verbot von Kava-Kava auf Benzodiazepine übergegangen seien. Deren Verwendung sei durch die Hinweise an die Ärzte zum bestimmungsgemäßen Gebrauch von Benzodiazepin-haltigen Präparaten limitiert. Auch weise die Fachinformation auf den überwiegenden Einsatz dieser Arzneistoffe bei schweren Angstzuständen, Schlafstörungen sowie zur Behandlung von Muskelverspannungen und Epilepsien sowie die zeitliche Begrenzung einer Behandlung hin. Zur symptomatischen Behandlung von Angstzuständen (Leitsymptomatik: Angst, innere Unruhe, Spannungszustände) stehe der Wirkstoff Buspiron zur Verfügung, ein Serotonin ohne erhöhtes Abhängigkeitspotential, aber mit verzögertem Wirkungseintritt. Daneben hat das BfArM auf unterschiedliche Psychopharmaka, ferner auf andere pflanzliche Präparate wie Baldrian, Hopfen, Melisse, Passionsblume oder Johanniskraut verwiesen. Die von Klägerseite vertretene Annahme unterschiedlicher Risiken verschiedener Kava-Kava-Kultivare sei spekulativ, da sich die Nebenwirkungsmeldungen gleichmäßig auf die verschiedenen Kultivare und Extrakte verteilten. In einem Fall sei es sogar zu einer „positiven Rechallenge“ - einem Wiederauftreten der Nebenwirkung nach erneuter Gabe - gekommen, was eine gesicherte Kausalität begründe. Zudem habe sich in mehreren vom National Toxicology Program (NTP) der USA mit einem handelsüblichen Kava-Kava-Extrakt durchgeführten Studien ergeben, dass die Leber Hauptzielorgan toxischer und kanzerogener Effekte sei.
25Die Klägerin hat sich in ihrer Gegenäußerung zum Auflagenbeschluss gegen das Erfordernis weiterer tierexperimenteller Toxizitätsstudien gewandt und dazu ausgeführt: Das bisherige Datenmaterial habe ein hepatotoxisches Potential von Kava-Kava nicht belegen können. Nebenwirkungen seien insoweit in der Vergangenheit in erster Linie bei acetonischen Kava-Kava-Extrakten und minderwertigen Sorten aufgetreten. Unter Zugrundelegung des zutreffenden Bewertungsschemas
26wären zahlreiche Meldungen nicht auf Kava-Kava zurückzuführen. Der einzelne Fall einer Rechallenge hätte in diesem Licht unter dem Gesichtspunkt einer Allergie bewertet werden müssen. Zur Gewinnung weiterer Erkenntnisse über das Risiko am Menschen sei eine Beobachtung von Patienten im Rahmen der laufenden Behandlung geeignet (sog. Post Authorisation Safety Study, „PASS“). Entsprechendes sei vom BfArM auch im Fall von Pelargonium („V. “) akzeptiert worden. Die bestehende toxikologische Datenlage reiche aus. Es lägen allein in Deutschland Erfahrungswerte über einen Zeitraum von 100 Jahren vor. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang u.a. auf eine Reihe - teils neuerer - Studien, die ein hepatotoxisches Risiko des ethanolischen Extrakts, insbesondere bei einer Anwendungsdauer von bis zu vier Wochen, nicht hätten belegen können. In den USA sei Kava-Kava nach wie vor unbeanstandet als Nahrungsergänzungsmittel verkehrsfähig. Kanzerogene Effekte seien bei Mäusen festgestellt worden; dieses Spezies-spezifische Phänomen trete in dieser Form auch bei Benzodiazepinen auf und erfordere eine Langzeitgabe sehr hoher Dosen. Zudem hätten andere Studien gezeigt, dass Kava-Kava nicht mutagen sei. Die Beklagte lasse - der Zulassungspraxis des BfArM widersprechend - bei der Auswertung der Nebenwirkungsmeldungen konsequent die erforderliche Differenzierung der Arzneimittel nach Art der Droge und Extraktionsmittel vermissen.
27Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten seien Benzodiazepine bei der Nutzen-Risiko-Abwägung von Kava-Kava durchaus in den Blick zu nehmen. Die Beklagte selbst benenne Benzodiazepine als risikoärmere Alternative zu Kava-Kava. Angesichts des teilweise identischen Anwendungsgebiets von Kava-Kava und mit Blick auf die Verschreibungszahlen 1998 und 1999 lasse sich feststellen, dass bei etwa jeder 10. Verordnung die Wahl auf Kava-Kava als risikoärmere Alternative zu Benzodiazepinen gefallen sei. Das von der Beklagten aufgrund des Auflagenbeschlusses vorgelegte Material belege ein erhebliches Nebenwirkungspotential von Benzodiazepinen, die in ihrer Schwere einer Hepatotoxizität entsprächen oder über diese hinausgingen, wie etwa die Gefahr einer missbräuchlichen Überdosierung und Selbsttötungen unter Zuhilfenahme von Benzodiazepinen. Auch das von der Beklagten angeführte Buspiron weise ein größeres Abhängigkeitspotential als Kava-Kava auf und sei nebenwirkungsbehaftet. Vergleichbares gelte für Antidepressiva, auch in Bezug auf Leberschädigungen. Johanniskraut zeige Wechselwirkungen zu anderen Arzneimitteln, führe zu Lichtempfindlichkeit und müsse über einen längeren Zeitraum eingenommen werden, um überhaupt eine Wirkung zu zeitigen.
28Auch bestehe eine Asymmetrie in der Risikobewertung des BfArM bei Phyto-pharmaka. Es stelle sich die Frage, warum bei einem freiverkäuflichen Arznei-mittel wie „V. “ mit dem Wirkstoff aus der Pelargoniumwurzel, das ebenfalls im Verdacht stehe, Leberschädigungen hervorzurufen, dieses Risiko in Kauf genommen werde, bei Kava-Kava jedoch trotz von den Unternehmen angebotener Transaminasen-Kontrollen, der Verschreibungspflicht und des hochwertigen Anwendungsgebiets die Zulassungen widerrufen würden.
29Die Klägerin hat beantragt,
30den Bescheid des BfArM vom 21. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2012 aufzuheben.
31Die Beklagte hat beantragt,
32die Klage abzuweisen.
33Sie hat ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft und ergänzend Folgendes ausgeführt: Die von der britischen Gesundheitsbehörde in ihrem Bericht aus dem Jahr 2006 aufgeführten 110 Nebenwirkungsverdachtsfälle beschränkten sich nicht auf acetonische Extrakte, sondern hätten in der Mehrzahl der Fälle ethanolische Extrakte betroffen.
34Die seitens der Unternehmen vorgelegten toxikologischen Untersuchungen seien nicht geeignet, die Risikofreiheit des Wirkstoffs zu belegen. Insbesondere geeignete Tierstudien stünden aus. Eine Kurzzeitanwendung von nur vier Wochen sei angesichts des Krankheitsbildes auch wenig realistisch. Die einschlägigen Guidelines forderten eine Studiendauer bei Nicht-Nagern von neun Monaten.
35Auch die Wirksamkeit sei nicht hinreichend belegt. Insbesondere sei die Darstellung, die Monographie der Kommission E beruhe auf einer DC-Messung, nicht belegt. Aus den Unterlagen zur Monographieerstellung der Kommission E gehe hervor, dass die Bestimmung auch zum damaligen Zeitpunkt schon mit der HPLC-Methode erfolgt sei. Die zwischenzeitliche Erhöhung der Tagesdosis über den monographiekonformen Wert von 60 bis 120 mg Kava-Pyrone hinaus sei nicht geeignet, das negative Nutzen-Risiko-Verhältnis zu ändern.
36Der Klägerin sei zwar darin zuzustimmen, dass in der Phytotherapie der arzneilich wirksame Bestandteil durch das Extraktionsmittel und das Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV) eindeutig gekennzeichnet sei und eine Änderung des Extraktionsmittels bzw. des DEV auch zu einem anderen Wirkstoff führe. Nur die Berücksichtigung ethanolischer Extrakte reduziere aber auch das zugunsten der Klägerin vorgelegte Studienmaterial immens, da dann alle Ergebnisse zu wässrigen, acetonischen oder CO2-Extrakten nicht berücksichtigungsfähig seien.
37Die Beklagte sieht sich durch die NTP-Studie in ihrer Risikobewertung bestätigt. Dass die US-amerikanische Behörde hieraus keinen Handlungsbedarf abgeleitet habe, sei ohne Belang. Die von der Klägerin herangezogenen neueren Studien seien nicht hinreichend aussagekräftig.
38Die Möglichkeit der Anordnung von Post Authorization Safety Studies sei erst durch das 2. AMG-Änderungsgesetz vom 19. Oktober 2012 geschaffen worden.
39Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des BfArM vom 21. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2012 durch Urteil vom 20. Mai 2014 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Nutzen-Risiko-Verhältnis Kava-Kava-haltiger Arzneimittel der hier streitgegenständlichen Art erweise sich nicht als ungünstig. Wenngleich die Monographie „Piperis methystici rhizoma" der Kommission E vom 1. Juni 1990, aus der die Klägerin die Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel im Wesentlichen herleite, nicht auf einer aktuellen Erfordernissen genügenden klinischen Erprobung des Wirkstoffs beruhe, sei sie in der Folgezeit Grundlage für eine Vielzahl von Zulassungen und Nachzulassungen Kava-Kava-haltiger Präparaten gewesen, ohne dass insoweit eine sachliche Unterscheidung zwischen ethanolischen und anderen Auszügen erfolgt sei. Diese Wirksamkeitsaussage habe das BfArM im gerichtlichen Verfahren nicht substantiiert angegriffen. Auch habe sich die Kommission E noch im Jahre 2002 in Kenntnis der bekannten Risikoaspekte für die Verkehrsfähigkeit der Produkte unter dem Vorbehalt bestimmter Sicherheitsmaßnahmen ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund könne den vom Widerruf betroffenen Arzneimitteln ungeachtet ihrer Dosierung nicht jede Wirksamkeit von vornherein abgesprochen werden. Wegen des abweichenden Prüfungsmaßstabs des § 30 Abs. 1 AMG komme es auf die Frage, ob die Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel in einer den Anforderungen des § 22 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 3 AMG genügenden Weise begründbar sei, nicht an.
40Dem durch die Zulassungsbescheide belegten Nutzen der Präparate in den Anwendungsgebieten „nervöse Angst, Spannungs- und Unruhezustände" stünden Anwendungsrisiken in Gestalt hepatotoxischer Ereignisse gegenüber. Die in dem Bericht der WHO dokumentierten Fälle lebertoxischer Reaktionen seien im Rahmen einer quantitativen Gewichtung angesichts der weiten Verbreitung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel als „selten" oder „sehr selten" auftretende Nebenwirkungen auszuweisen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin nachvollziehbar dargelegt habe, dass in die Berichte der WHO und der MHRA auch Meldungen aus Deutschland eingeflossen seien und deswegen eine doppelte Berücksichtigung ein und desselben Ereignisses nahe liege. Inhaltlich sei das zu den hepatotoxischen Nebenwirkungen vorliegende Zahlenmaterial nicht konsistent. Das aus Großbritannien ausgewertete Zahlenmaterial beziehe sich auf die Anwendung von Kava-Kava in einem anderen Anwendungsgebiet, nämlich Blasenerkrankungen. Zudem erschwere die Multikausalität von Leberschädigungen die Zuordnung zu einer bestimmten Medikamentengabe. Die Klägerin habe nachvollziehbar dargelegt, dass es auch in sog. „Rechallenge-Fällen" einer Dokumentation der Komedikation bedürfe, um eine tragfähige Wahrscheinlichkeitsaussage treffen zu können. In der vorliegenden Gestalt lasse das Zahlenmaterial nur die Aussage einer möglichen Verknüpfung von Nebenwirkungen durch Kava-Kava-Gabe zu. Dies gelte auch für ethanolische Extrakte.
41Im Rahmen der Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses hat das Verwaltungsgericht zunächst darauf hingewiesen, dass das monographierte Anwendungsgebiet „nervöse Angst, Spannungs- und Unruhezustände" sich mit dem für Benzodiazepine zugelassenen Anwendungsgebiet überschneide. Obwohl es sich bei Letzteren um zugelassene und verschreibungspflichtige Arzneimittel handele, gingen von diesen Wirkstoffen erhebliche Gefahren aus. Es bestehe schon bei therapeutischen Dosierungen ein sehr hohes Abhängigkeitspotential. Benzodiazepine würden weltweit als Medikamente mit der höchsten Missbrauchsrate gelten. Seit 2002 habe es für Benzodiazepine insgesamt 4.478 UAW-Meldungen gegeben, die sich über eine Vielzahl von unerwünschten Nebenwirkungen erstreckten und - soweit schwer - bei Suizidversuchen und Suchtmissbrauch deutliche Spitzen aufwiesen, vereinzelt aber auch Leberschädigungen zeigten. Vor diesem Hintergrund könne nicht von einer risikoärmeren Alternative zu Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln ausgegangen werden. Das gelte in abgeschwächter Form auch für das vom BfArM angeführte Buspiron und die erwähnten Antidepressiva. Zudem seien im Rahmen einer am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Übermaßverbot orientierten Nutzen-Risiko-Abwägung andere regulatorische Maßnahmen zur Risikominimierung zu berücksichtigen, die eine weitere Verkehrsfähigkeit der Produkte ohne unvertretbare Gefahren für die öffentliche Gesundheit gewährleisteten. Hierzu zählten die Verschreibungspflicht, Gegenanzeigen, Anwendungsbeschränkungen, eine ausdrückliche Beschränkung der Anwendungsdauer sowie eine begleitende regelmäßige Erhebung der Leberwerte. Hinzu trete die nunmehr gemäß § 28 Abs. 3b Satz 1 Nr. 2 AMG auch nach Erteilung der Zulassung bestehende Möglichkeit der Bundesoberbehörde, im Wege der Auflage anzuordnen, Unbedenklichkeitsprüfungen durchzuführen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich sei. Angesichts des Umstandes, dass bislang die Anhaltspunkte für ein hepatotoxisches Risiko der streitbefangenen Produkte nicht mit der genügenden Sicherheit hätten verifiziert werden können, wäre eine solche nachgelagerte Erprobung bei fortbestehender Marktfähigkeit unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten naheliegend und das gegenüber dem Widerruf mildere Mittel.
42Die Beklagte hat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht: Die Möglichkeit, eine Unbedenklichkeitsstudie anzuordnen, bestehe nicht. Das materielle Recht, insbesondere § 28 Abs. 3b Satz 1 Nr. 2 AMG, eröffne nicht die Möglichkeit, nach Zulassung eine Unbedenklichkeitsstudie anzuordnen. Es bestehe kein Ansatz dafür, dass die Vorschrift auf vor ihrem Inkrafttreten eingeleitete (und abgeschlossene) Risikoverfahren Anwendung finde. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend festgestellt, dass die aktuelle Bewertung der Wirksamkeit des Arzneimittels ein maßgeblicher Abwägungsbelang bei der Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses sei. Die Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel sei bereits bei Erstellung der Monographie der Kommission E fraglich gewesen. Wegen der geringen Bedeutung von Kava-Kava sei zunächst eine Negativmonographie erstellt worden. Die von der Kommission E in Bezug auf die Wirksamkeit angenommene Plausibilität würde und könnte unter den heutigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu einer traditionellen Registrierung gemäß § 39c AMG führen, womit allerdings eine sehr viel kritischere Nutzen-Risiko-Bewertung einhergehe. Schon zum Zeitpunkt der Stufenplanentscheidung hätten dem BfArM keine Studien vorgelegen, die eine Wirksamkeit ausreichend belegt hätten. Das Herbal Medicinal Product Commitee (HMPC) habe in einer öffentlichen Stellungnahme „Piperis methystici rhizoma“ als einen der Wirkstoffe benannt, für die die Erstellung einer Positivmonographie nicht erfolgversprechend erscheine. Das angegriffene Urteil überspanne die Anforderungen an den Verdachtsgrad schädlicher Nebenwirkungen. Wenn - wie vorliegend - eine größere Anzahl von Verdachtsfällen zusammenkomme, ergebe sich der begründete Verdacht des Auftretens unvertretbarer schädlicher Wirkungen mit zumindest möglicher Kausalität. Da es sich hier um sehr schwerwiegende Nebenwirkungen mit ernsten Konsequenzen gehandelt habe, seien zum Schutz der Patienten einschneidende Maßnahmen gerechtfertigt gewesen. Die vom Gericht beanstandete fehlende Häufigkeit der Nebenwirkungen sei aus den Daten der Spontanerfassung bekanntermaßen nicht verlässlich ableitbar. Insoweit sei insbesondere die hohe Dunkelziffer zu berücksichtigen. Quantitative Aussagen zur Häufigkeit von Nebenwirkungen seien nur durch Studien mit systematischer Datenerfassung und ausreichender Anzahl eingeschlossener Patienten zu treffen. Entscheidend sei das Vorliegen einer Reihe von Fällen schwerwiegender Nebenwirkungen, bei denen ein kausaler Zusammenhang mit der Anwendung von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln zumindest möglich erscheine. Dieser sei nach den dem BfArM vorliegenden - im Folgenden nochmals zusammengefassten - Erkenntnissen gegeben. Daraus gehe hervor, dass Kava-Kava eindeutig das Potential zu schwerer Lebertoxizität habe, wobei auch idiosynkratische Leberschädigungen eine denkbare Erklärungsmöglichkeit seien. Die Darstellung der Klägerin zu Inzidenzraten bleibe unklar. An der Arbeit von Teschke et al. sei auffällig, dass der Kausalzusammenhang in 13 Fällen wegen anderer nicht medikamentöser Ursachen verneint worden sei und dies in drei beispielhaft aufgeführten Fällen nicht mit den differenzialdiagnostischen Feststellungen der Ärzte, von denen diese Fallberichte stammten, in Einklang stehe. In der bisherigen Diskussion zu Noble-Kava und den zu erwartenden Qualitätsunterschieden habe die Klägerin bislang nicht belegt, welche Kava-Qualität sie in den 80er/90er Jahren verwendet habe. Es sei auch nicht dargelegt, ob die klinischen Studien, die der damaligen Zulassung zugrunde lagen, ausschließlich mit Noble-Kava durchgeführt worden seien.
43Auch wenn der für die NTP-Studie verwendete Extrakt mit überkritischem Kohlendioxyd nicht mit den ethanolischen Extrakten vergleichbar sei - was sich angesichts der 96%igen Ethanolkonzentration jedoch diskutieren ließe -, seien die dort gewonnenen Schlussfolgerungen als Hintergrundinformation bei der Bewertung mit einzubeziehen. Mit Bezug auf den Mechanismus der Hepatotoxizität seien zudem die Ergebnisse weiterer im Einzelnen aufgeführter Publikationen aus den Jahren 2011 und 2012 zu berücksichtigen.
44Die Nutzen-Risiko-Abwägung des Verwaltungsgerichts verdiene Kritik. Die dort angeführte Überschneidung der Anwendungsgebiete von Benzodiazepin- und Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln wiege die Unterschiede beider Arzneimittel nicht auf. Vielmehr sei mit Blick auf etwaige Behandlungsalternativen insbesondere die interdisziplinäre S3-Leitlinie „Behandlung von Angststörungen" in den Blick zu nehmen. Benzodiazepine zählten danach weder zu den Arzneimitteln der ersten noch der zweiten Wahl für die Angstbehandlung. Dazu zählten demgegenüber selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, Pregabalin, Buspiron, Opipramol, Hydroxyzin und damit Arzneimittel mit einem guten Nutzen-Risiko-Verhältnis. Abgesehen davon handele es sich bei der mit einer Behandlung mit Benzodiazepinen vielfach auftretenden Abhängigkeit um eine Niedrigdosisabhängigkeit, die keine Abhängigkeit im eigentlichen Sinne sei. Das Verwaltungsgericht setze sich auch in Widerspruch zu den von ihm selbst aufgestellten Kriterien, wenn es die missbräuchliche Verwendung von Benzodiazepinen in die Abwägung einfließen lasse. Darüber hinaus stünden auch aus dem Bereich der pflanzlichen Arzneimittel Behandlungsalternativen, etwa Baldrianwurzelzubereitungen oder Lavendelöl, zur Verfügung. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass dem Widerruf die Anordnung des Ruhens als milderes Mittel vorausgegangen sei. Die Widerrufsentscheidung habe darauf beruht, dass die Zulassungsinhaber nicht bereit gewesen seien, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen bzw. weiteres wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorzulegen. Auch wenn man die geänderte Rechtslage zugrundelegte, wäre die Anordnung einer Unbedenklichkeitsstudie kein gleich geeignetes, erst recht kein milderes Mittel. Denn sie lasse nicht den Versagungsgrund des ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses entfallen, sondern diene allein dem Gewinn neuer Erkenntnisse und der Erforschung der Risiken. Folglich führe eine solche Studie nicht zu einer Risikominimierung und wirke sich deswegen nicht positiv auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis aus. Das Risikoverfahren zu pelargoniumwurzelhaltigen Arzneimitteln sei mit dem vorliegenden Verfahren nicht vergleichbar und müsse differenziert bewertet werden.
45Die Beklagte beantragt,
46das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 20. Mai 2014 zu ändern und die Klage abzuweisen.
47Die Klägerin beantragt,
48die Berufung zurückzuweisen.
49Zur Begründung führt sie aus: Nach dem im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden materiellen Recht hätte die Beklagte die Durchführung einer PASS anordnen können. Zudem sei es eine stets geübte Praxis des BfArM gewesen, auf der Grundlage von § 30 AMG i. V. m. § 36 VwVfG entsprechende Anordnungen zu treffen. Die Ausführungen der Beklagten zur Nutzen-Risiko-Bewertung des Verwaltungsgerichts seien nicht überzeugend. Nach Erstellung der Monographie der Kommission E habe sich die Erkenntnislage eindeutig zu Gunsten von Kava-Kava verbessert. Das BfArM habe dies dadurch bestätigt, dass es gestützt auf diese Monographie und die nachfolgend publizierten klinischen Prüfungen sehr viele Zulassungen für Kava-Kava-haltige Arzneimittel erteilt habe und zwar mit einem Status nach § 22 Abs. 3 AMG. Die von der Beklagten zitierte öffentliche Stellungnahme des HMPC führe zu keiner anderen Bewertung der Wirksamkeit von Kava-Kava. Die darin enthaltenen Aussagen beträfen traditionelle pflanzliche Arzneimittel, die nicht verschreibungspflichtig seien, und könnten nicht auf die hier streitbefangenen verschreibungspflichtigen Arzneimittel erstreckt werden. In Bezug auf die in Rede stehenden Nebenwirkungen sei zwischen Kava-Kava-Präparaten aus Noble-Kava mit ethanolischem Extrakt und solchen aus Two-Day-Kava mit acetonischem Extrakt zu unterscheiden. Bei Ersteren ergebe sich aus den vorliegenden Erkenntnissen allenfalls ein schwacher Verdacht für Nebenwirkungen. Im Zusammenhang mit möglichen Behandlungsalternativen führe die Beklagte Arzneimittel an, die für andere Anwendungsgebiete zugelassen seien als Kava-Kava, und verharmlose überdies das bei einer Behandlung mit Benzodiazepinen bestehende Abhängigkeitsrisiko. Entsprechendes gelte mit Bezug auf die in der interdisziplinären S3-Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen aufgeführten Arzneimittel. Die von der Beklagten als Behandlungsalternative benannten pflanzlichen Arzneimittel deckten nicht die gleichen Erkrankungen ab. Entgegen der Auffassung der Beklagten bestehe bei Pelargoniumwurzelpräparaten und Kava-Kava-Präparaten in fachlich-medizinischer Hinsicht eine vergleichbare Situation. Insofern sei es bemerkenswert, dass das BfArM nur bei Ersteren, nicht hingegen bei Letzteren die Möglichkeit gesehen habe, eine PASS durchzuführen.
50Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
51Entscheidungsgründe:
52Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
53Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Der
54Widerrufsbescheid des BfArM vom 21. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Februar 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
55Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zulassung der Arzneimittel Kava N. Kapseln, B. 120 mg Tabletten, Kava-N1. Tabletten, T. Tabletten und X. Tabletten sind nicht erfüllt.
56Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheides ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz, hier also der Berufungsverhandlung, entscheidend. Der maßgebliche Zeitpunkt der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts richtet sich nach dem jeweiligen materiellen Recht. Für die Anfechtungsklage gilt im Allgemeinen, dass die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich ist, es sei denn, das materielle Recht regelt etwas Abweichendes.
57Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juli 1989 - 7 C 39.87 -, juris, Rn. 8, und vom 1. Juni 2011 - 8 C 4.10 -, juris, Rn. 19.
58Letzteres muss nicht zwingend in Gestalt einer ausdrücklichen fachgesetzlichen Regelung zum Ausdruck kommen, sondern kann sich auch aus dem Sinn und Zweck des jeweils einschlägigen Normgefüges ergeben.
59Vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage, 2014, § 113, Rn. 96.
60Dies ist hier der Fall. Einerseits erfordert der in § 1 AMG niedergelegte Gesetzeszweck der Arzneimittelsicherheit - wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend festgestellt hat - die Berücksichtigung von Änderungen der Sach- und Rechtslage nach der letzten behördlichen Entscheidung.
61Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. Januar 2014 - 13 A 2730/12 -, juris, Rn. 28 f.
62Andererseits gebietet dies die besondere Eingriffsintensität des Widerrufs in die Grundrechte der pharmazeutischen Unternehmer. Denn die Wiedererlangung der Zulassung ist nach deren bestandskräftigem Widerruf erheblich erschwert. Das folgt daraus, dass die Versagungsgründe des § 25 Abs. 2 AMG nicht deckungsgleich mit den Widerrufsgründen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AMG sind. Insbesondere ist der Widerruf der Zulassung nicht vorgesehen, wenn der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Nr. 2 AMG nachträglich eingetreten ist, also dann, wenn das Arzneimittel nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft worden ist oder das andere wissenschaftliche Erkenntnismaterial nach § 22 Abs. 3 AMG nicht dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entspricht. Angesichts dessen ist es unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten geboten, für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. Bestätigt wird dies durch den in § 30 Abs. 2a AMG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken einer gegenüber dem Widerruf vorrangigen Anpassung der Zulassung nach Maßgabe der jeweils geltenden Sach- und Rechtslage.
63Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Zulassung richtet sich deswegen nach § 30 Abs. 1, 2a AMG in der Fassung vom 19. Dezember 2012. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AMG ist die Arzneimittelzulassung zu widerrufen, wenn der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG nachträglich eingetreten ist, das heißt, wenn sich das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Präparats nachträglich als ungünstig erweist. Gemäß § 30 Abs. 2a Satz 1 1. Alt. AMG ist die Zulassung zu ändern, wenn dadurch der in Absatz 1 genannte betreffende Versagungsgrund entfällt. Ein Widerruf der Zulassung ist danach nur gerechtfertigt, wenn das Nutzen-Risiko-Verhältnis eines Arzneimittels ungünstig ist und dem durch eine Änderung der Zulassung nicht abgeholfen werden kann. Die Zulassungsänderung hat damit bei Vorliegen eines Versagungsgrundes Vorrang gegenüber dem Widerruf, mit der Folge, dass dieser rechtswidrig ist, wenn die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2a AMG erfüllt sind.
64Vgl. zu § 30 AMG a.F. Krüger, in: Kügel/Müller/ Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 30, Rn. 34.
65Das ist hier der Fall. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis der streitbefangenen Präparate ist derzeit ungünstig (I.). Dies rechtfertigt aber nicht den Widerruf der Zulassungen, weil dieser Versagungsgrund bereits durch deren Änderung ausgeräumt werden kann (II.).
66(I.) Das Nutzen-Risiko-Verhältnis umfasst nach § 4 Abs. 28 AMG eine Bewertung der positiven therapeutischen Wirkungen des Arzneimittels im Verhältnis zu dem Risiko nach Absatz 27 lit. a. Dies ist jedes Risiko im Zusammenhang mit der Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit des Arzneimittels für die Gesundheit der Patienten. Mit dem Begriff des Risikos wird ebenso wie bei der früheren Gesetzesfassung des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG jede Art von schädlichen Wirkungen erfasst, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Nach der bis zum 5. September 2005 geltenden Vorschrift durfte die Zulassung versagt werden, wenn bei dem Arzneimittel der begründete Verdacht bestand, dass es bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen (vgl. auch § 5 Abs. 2 AMG). Mit der Änderung des Wortlauts des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG, die der Angleichung an die Richtlinienvorgaben diente, ist keine inhaltliche Änderung verbunden. Beide Fassungen erstrecken sich auf jegliche Nebenwirkungen. Unter Nebenwirkungen sind die beim bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Arzneimittels auftretenden schädlichen unbeabsichtigten Reaktionen zu verstehen (§ 4 Abs. 13 AMG), also nicht nur pharmakologisch-toxikologische Wirkungen, sondern jedwede unerwünschte Folge. Der erforderliche Verdacht schädlicher Wirkungen liegt vor, wenn ernstzunehmende Erkenntnisse den Schluss nahelegen, dass das Arzneimittel unvertretbare Nebenwirkungen hat.
67Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 - 3 C 10.09 -, NVwZ-RR 2010, 330 = juris, Rn. 32 ff., sowie Beschluss vom 12. Juni 2012 - 3 B 88.11 ‑, juris, Rn. 3; OVG NRW, Urteile vom 7. November 2012 - 13 A 2710/08 -, juris, Rn. 39 ff. und vom 29. Januar 2014 - 13 A 2730/12 - , juris, Rn. 34; BT-Drs. 15/5316, S. 38.
68Dafür bedarf es keines positiven Nachweises der kausalen Beziehung zwischen der Einnahme des Arzneimittels und aufgetretenen Nebenwirkungen, weil dies dem Gebot der Arzneimittelsicherheit zuwiderlaufen würde.
69Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2007 - 3 C 36.06 ‑, Pharma Recht 2007, 423 = NVwZ-RR 2007, 774; OVG NRW, Beschluss vom 17. September 2009 - 13 A 1428/08 -, juris, Rn. 11; OVG Berlin, Urteil vom 16. September 1999 - 5 B 34.97 -, juris, Rn. 17; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Stand: 2012, § 25, Rn. 76, m. w. N.
70Insbesondere dann, wenn schwere Gesundheitsgefahren in Rede stehen, reicht es aus, wenn die entfernte Möglichkeit einer Risikoverwirklichung besteht.
71Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. September 2009 - 13 A 1428/08 -, juris, Rn. 13.
72Ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis folgt nicht bereits daraus, dass die bezweckte therapeutische Wirksamkeit eines Arzneimittels nicht (mehr) belegt ist. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, begründen Zweifel an der Wirksamkeit oder eine unzureichende Wirksamkeitsbegründung nicht automatisch die Annahme eines ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses und rechtfertigen daher für sich genommen nicht die Aufhebung der Zulassung, die nur auf die feststehende fehlende Wirksamkeit gestützt werden kann (vgl. § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG).
73Vgl. dazu Krüger, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 30, Rn. 15.
74Nach aktuellem Erkenntnisstand bestehende Zweifel an der Wirksamkeit eines Arzneimittels sind für die im Rahmen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG zu treffende Prognoseentscheidung gleichwohl von Bedeutung. Denn unter der Voraussetzung, dass die insoweit darlegungs- und materiell beweispflichtige Behörde sie konkret begründet hat, bilden sie einen Abwägungsbelang, der auf dritter Stufe bei der Abwägung des festgestellten Nutzens und der Risiken eines Arzneimittels zu berücksichtigen ist.
75Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. Januar 2014 - 13 A 2730/12 -, juris, Rn. 43.
76Hierbei sind Gesichtspunkte wie Indikation, Schwere des zu behandelnden Defekts, Behandlungsnotwendigkeit, Chancen eines Behandlungserfolges sowie eventuelle Behandlungsalternativen gegen solche wie Schweregrad und Häufigkeit der unerwünschten Nebenwirkung, die Rückbildungswahrscheinlichkeit (Reversibilität), mutmaßliche Gegenmaßnahmen und Suchtpotential im Sinne einer Vertretbarkeitsentscheidung gegeneinander abzuwägen.
77Vgl. zu den Abwägungskriterien: Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Stand 2012, § 25 Rn. 77; Kügel, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, § 25, Rn. 56.
78Voraussetzung für den Widerruf ist, dass die mit dem Verdacht schädlicher Wirkungen verbundenen Risiken gegenüber dem therapeutischen Nutzen des Arzneimittels überwiegen.
79Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2007 - 3 C 36.06 -, Pharma Recht 2007, 423 = NVwZ-RR 2007, 774.
80Die materielle Beweislast für das Vorliegen sämtlicher tatbestandlichen Voraussetzungen des den Widerruf der Zulassung auslösenden Versagungsgrundes trägt die Beklagte,
81vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 1993 - 3 C 46.91 -, juris, Rn. 31; Kügel, in: Kügel/Müller/ Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 25, Rn. 58,
82mit der Folge, dass insoweit verbleibende Zweifel zu ihren Lasten gehen und sie das Risiko der Unaufklärbarkeit des Sachverhalts trägt.
83Hiervon ausgehend gilt für die Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses der hier streitgegenständlichen Arzneimittel Folgendes:
84(1) Kernkriterium für die Bewertung des Nutzens eines Arzneimittels ist seine therapeutische Wirksamkeit. Diese ist für die Präparate B. 120 mg Tabletten, Kava-N1. Tabletten, T. Tabletten und X. Tabletten mit einer Tagesdosierung entsprechend 120 bis 240 mg Kava-Pyrone und für das Präparat Kava N. Kapseln mit einer Tagesdosierung von 150 bis 200 mg Kava-Pyrone zu bejahen. Mit dieser Dosierung sind B. 120 mg Tabletten, Kava-N1. Tabletten, T. Tabletten und X. Tabletten und gelten Kava N. Kapseln als zugelassen. Für die zuerst genannten Präparate folgt dies aus § 29 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1, Satz 3 AMG. Die Klägerin hat die Erhöhung der Dosierung dafür nebst entsprechender Änderung der Gebrauchs- und Fachinformationen durch Änderungsanzeigen vom 7. April 2011 angezeigt. Die Beklagte hat den Änderungsanzeigen nicht innerhalb der Dreimonatsfrist widersprochen, was zur Folge hat, dass die Zustimmung als erteilt gilt (§ 29 Abs. 2a Satz 3 AMG). Für das Präparat Kava N. Kapseln, für das bislang keine Nachzulassung erteilt wurde, hat die Klägerin ebenfalls eine Dosierungsänderung angezeigt, die mangels bestehender Genehmigungspflicht zu einer entsprechenden Modifizierung der fiktiven Zulassung geführt hat (vgl. § 105 Abs. 3a Satz 1 AMG). Unschädlich ist insoweit, dass die Änderungsanzeigen erst im laufenden Widerspruchsverfahren gestellt worden sind. Denn der sofortige Vollzug des Widerrufs berührt die Wirksamkeit der Zulassungen nicht.
85Die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Präparate wird weder durch das erstinstanzliche Vorbringen der Beklagten noch durch ihr Vorbringen im Berufungsverfahren durchgreifend in Zweifel gezogen.
86Mit ihrer Monographie „Piperis methystici rhizoma“ („Kava-Kava-Wurzelstock“) vom 1. Juni 1990 hat die Kommission E die anxiolytische, also angstlösende Wirkung des Wirkstoffs für die Anwendungsgebiete „Nervöse Angst-, Spannungs- und Unruhezustände“ unter Angabe einer Tagesdosis von Droge und Zubereitung entsprechend 60-120 mg Kava-Pyrone festgestellt. In weitgehender Übereinstimmung damit steht die Aussage der entsprechenden im Jahr 2003 veröffentlichten Monographie der European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP), des europäischen Dachverbandes der nationalen Gesellschaften für Phytotherapie. Darin ist als Anwendungsgebiet „Anxiety, tension and restless-ness arising from various causes of non psychotic origin“ mit einer Tagesdosie-rung von 60-120 mg Kavalactonen angegeben.
87Vgl. ESCOP Monographs, 2003, The scientific foundation for herbal medicinal products, S. 365 ff.
88Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt den von den unterschiedlichen Kommissionen aufgestellten Kriterien und Empfehlungen die Qualität antizipierter Sachverständigengutachten zu.
89Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. November 2009 - 3 C 10.09 -, juris, Rn. 25, und vom 16. Oktober 2008 - 3 C 24.07 -, juris, Rn 20.
90Sie geben den jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wieder und sind einer Neubewertung zugänglich. Stellungnahmen der Kommissionen sind anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial im Sinne des § 22 Abs. 3 AMG. Die Zulassungsbehörde ist nicht an die in der Monographie getroffene Aussage gebunden.
91Kügel, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 25, Rn. 177.
92Da sachverständige Feststellungen bei besserer Erkenntnis ersetzt werden können (und müssen), darf die Kommission von früheren Feststellungen in Aufbereitungsmonographien abweichen.
93Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 - 3 C 10.09 -, juris, Rn. 27.
94Handelt es sich dabei um allgemeine Aussagen, sind diese als sachverständige Äußerung zu bewerten.
95Vgl. dazu Kügel, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 25, Rn. 178.
96Die Kommission E verfügt über besondere Sach- und Fachkunde. Hieraus und nicht zuletzt deswegen, weil es sich dabei um ein neutrales Sachverständigengremium handelt, folgt die besondere Bedeutung ihrer Stellungnahmen. Die Mitglieder der Kommission E sind Sachverständige mit besonderen Kenntnissen der wissenschaftlichen und/oder praktischen Phytotherapie. Die Kommission ist interdisziplinär mit Experten für Toxikologie, experimentelle Pharmakologie, Biometrie, pharmazeutische Biologie sowie Ärzten und Heilpraktikern, die Phyto-pharmaka praktisch einsetzen, zusammengesetzt. Diese werden alle drei Jahre von Verbänden der Fachrichtung vorgeschlagen und vom Bundesgesundheitsministerium benannt.
97Vergleichbares gilt bezogen auf die Monographien der ESCOP. Wenngleich sie keinen gesetzlichen Standard definieren, dienen sie dazu, die beste verfügbare wissenschaftliche Evidenz auf der Basis der aktuellen Literatur zusammenzustellen
98Vgl. Pharmazeutische Zeitung online „Monographien als Richtschnur“ 13/2014, abrufbar unter: http://www.pharmazeutische-zeitung.de/ index.php?id=51461.
99Die Beklagte hat die Monographie der Kommission E aus 1990 im Zulassungsverfahren als Wirksamkeitsbeleg zugrunde gelegt, ohne weitere Erkenntnisse zu fordern oder beizuziehen. Angesichts dessen sieht der Senat keine Veranlassung, die Wirksamkeit des Arzneimittels bezogen auf diesen Zeitpunkt anzuzweifeln, zumal die Beklagte in dem angegriffenen Bescheid selbst konstatiert, dass das Votum der Kommission E dem Erkenntnisstand der frühen 1990er Jahre entsprochen habe.
100Demgegenüber fehlen Vortrag und Anhalt dafür, dass dieser Erkenntnisstand durch neuere Erkenntnisse, die ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel begründen, überholt ist. Im Gegenteil: Die Kommission E hat sich aufgrund der Einleitung des Stufenplanverfahrens und nach näherer Befassung mit der Angelegenheit veranlasst gesehen, in einer Anfang des Jahres 2002 verfassten öffentlichen Erklärung mitzuteilen, dass ihre Mitglieder nach wie vor von den vorgelegten wissenschaftlichen Daten zur Wirksamkeit von Kava-Kava überzeugt seien. Das impliziert, dass zum damaligen Zeitpunkt aus Expertensicht keine abweichenden neuen Erkenntnisse vorlagen. Nichts spricht dafür, dass die Kommission E zwischenzeitlich angesichts aktuellerer Forschungsergebnisse von diesem Standpunkt abgerückt ist. Insbesondere hat sie bis heute keine anderslautende Stellungnahme abgegeben. Entsprechendes gilt für die ESCOP. Die für „Piperis methystici rhizoma“ erstellte Monographie gehörte zu den ersten 80 Monographien, die die ESCOP im Jahr 2003 veröffentlicht hat.
101Vgl. ESCOP Monographs, 2003, The scientific foundation for herbal medicinal products, S. 365 ff.
102Obgleich die ESCOP ihre Monographien regelmäßig überarbeitet und aktualisiert, hat diejenige für „Piperis methystici rhizoma“ bislang keine Änderung erfahren.
103Hinzu kommt, dass die WHO in ihrem Bericht aus dem Jahr 2007 (Coulter et al., „Assessment of the risk of hepatotoxicity with kava products“) offensichtlich ebenfalls von der Wirksamkeit von Kava-Kava ausgeht. Dort heißt es, 16 gut kontrollierte Doppelblindstudien hätten die angstlösende Wirkung von Kava-Kava gezeigt (vgl. Tabelle 3, S. 6, 11). Diese Bewertung entspricht der mit dem Ziel der Untersuchung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel durchgeführten Metaanalyse einer Reihe randomisierter placebokontrollierter Doppelblindstudien von Pittler und Ernst (zuletzt, „Kava extract versus placebo for treating anxiety“, 2003). Diese hat zur Wirksamkeit der Behandlung von Angststörungen, gemessen an den Kriterien der Hamilton Anxiety Scale (HAMA) die Überlegenheit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel gegenüber Placebopräparaten ergeben. Eventuelle Mängel der analysierten Einzelstudien vermögen die Indizwirkung des Ergebnisses der Metaanalyse im Zusammenhang mit dem weiteren Erkenntnismaterial nicht zu entkräften.
104Letztlich konzediert die Beklagte selbst eine - wenngleich dosisabhängige - Wirksamkeit, wenn es in dem angefochtenen Bescheid heißt, bei Dosierungen oberhalb von 120 mg Kava-Pyrone pro Tag bestehe ein gewisser Anhalt für eine Wirksamkeit in den beanspruchten Indikationen. Angesichts dessen sind Wirksamkeitszweifel auch nicht etwa deswegen angezeigt, weil die Dosierung der streitgegenständlichen Präparate - worauf noch einzugehen sein wird - über die Monographieempfehlung hinaus geht, zumal das übrige in das Verfahren eingeführte Erkenntnismaterial hierfür ebenfalls keinen Anknüpfungspunkt bietet. Hinzu kommt, dass aus dem angefochtenen Bescheid hervorgeht, dass die Wirksamkeitszweifel des BfArM nicht auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützt sind, wenn es darin heißt, aus den Ausführungen zur Wirksamkeit ergäben sich keine neuen Erkenntnisse gegenüber dem früheren Kenntnisstand (Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2012, S. 6).
105Angesichts dieser Erkenntnissituation vermag der Umstand, dass das vorliegende Studienmaterial heute nicht in jeder Hinsicht den speziell für Angsterkrankungen entwickelten Anforderungen der Guidelines der European Medicines Agency (EMA) entspricht, keine nachhaltigen Zweifel am Nutzen der Präparate zu wecken. Das gilt bereits bei einer monographiekonformen Dosierung. Da die Kommission E eine Dosierung oberhalb von 120 mg Kava-Pyrone nicht vorgegeben hat, kommt es hinsichtlich der Frage der Wirksamkeit auf die unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten hinsichtlich der jeweils zugrunde liegenden Berechnungsgrundlagen nicht entscheidungserheblich an.
106Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, aus der nicht zureichend belegten Wirksamkeit resultierten automatisch Wirksamkeitszweifel, ist dieser Rückschluss ohne das Hinzutreten tatsächlicher Anhaltspunkte für solche Zweifel nicht gerechtfertigt. Denn in der Konsequenz würde dies in einer nicht überschaubaren Anzahl von Fällen dazu führen, dass während der Geltungsdauer einer Zulassung die Wirksamkeit eines Arzneimittels fortlaufend neu zu belegen wäre. Überdies geht der Senat mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass bei der Forderung nach einer guidelinekonformen Studie die Absicht im Vordergrund steht, Daten für die weitere Nutzen-Risiko-Abwägung zu generieren. Zumindest bietet dies einen Erklärungsansatz dafür, warum das BfArM im Stufenplanbescheid auf die CPMP-Guidelinie zur klinischen Prüfung von Arzneimitteln zur Behandlung von Angststörungen in der Fassung aus den Jahren 1993/94 verwiesen hat, obgleich es - dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin zufolge - zugleich bis in das Jahr 2001 Neuzulassungen für Kava-Kava-haltige Arzneimittel erteilt hat, ohne die Vorlage entsprechender Studien verlangt zu haben.
107Die weiteren Einwände der Beklagten im Berufungsverfahren rechtfertigen keine andere Bewertung: Ihr Hinweis darauf, dass die Kommission E im Zuge der Ausarbeitung der Monographie angesichts der geringen Bedeutung von Kava-Kava als Droge oder Drogenzubereitung zunächst beabsichtigte, eine Negativmonographie zu erstellen, ist unerheblich. Denn abgesehen davon, dass die geringe Bedeutung eines Wirkstoffs nichts über seine Wirksamkeit aussagt, hat die Kommission E diese Einschätzung - was entscheidend ist - letztlich revidiert und eine Positivmonographie erstellt. Darin hat sie folgende Überlegungen zur Wirksamkeit von Kava-Kava angestellt:
108„Aufgrund der Wirkungen der isolierten Inhaltsstoffe ist eine
109schwache, zentral relaxierende Wirkung ähnlich wie bei
110Benzodiazepinen anzunehmen. Durch Kava-Kava-Extrakt zeigt sich im quantitativen EEG eine für das anxiolytische Pharmako-EEG-Profil von Benzodiazepinen typische Steigerung der ß-Aktivität bei gleichzeitiger Abnahme der alpha-Aktivität (Johnson 1989). Neuere Studien weisen eine Wirksamkeit von Kava-Kava-Extrakt bei ,Angst, Spannungs- und Unruhezuständen‘ nach (Warnecke 1989, Bhate 1989).“
111Soweit die Beklagte sinngemäß beanstandet, dieser Monographie liege letztlich nur eine Plausibilitätsprüfung zugrunde, ist dem entgegenzuhalten, dass die Kommission E in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2002 ausdrücklich erklärt hat, „von den vorgelegten wissenschaftlichen Daten zur Wirksamkeit von Kava-Kava überzeugt zu sein“. Abgesehen davon sind die Überlegungen der Beklagten zu § 39c AMG bereits deswegen nicht tragfähig, weil es sich bei Kava-Kava-Präparaten um Arzneimittel handelt, die der Verschreibungspflicht unterliegen, und eine Registrierung als traditionelles pflanzliches Arzneimittel deswegen ausscheidet (§ 39c Abs. 2 Nr. 2 AMG).
112Ebenso wenig stützt die Stellungnahme des Comittee on Herbal Medicine Products (HMPC) der EMA vom 6. Mai 2014 die Position der Beklagten. Zwar prognostiziert das HMPC darin, dass u.a. für den Wirkstoff „Piperis methystici rhizoma“ angesichts des ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses voraussichtlich keine Monographie erteilt werden wird. Hierbei handelt es sich - was sprachlich durch die Formulierung „es ist nicht wahrscheinlich, auf ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis zu schließen“ zum Ausdruck gebracht wird - nicht um eine sichere Voraussage, sondern um eine Vorabeinschätzung. Da dieser - wie sich aus dem Bericht ergibt - aber gerade keine detaillierte Prüfung zugrunde liegt, kommt ihr kein entscheidendes Gewicht zu. Eine isolierte Aussage über die Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel lässt sich auf der Grundlage dieser Aussage ohnehin nicht treffen. Hinzu kommt, dass sich der Bericht auf Wirkstoffe bezieht, die als Grundlage einer späteren Registrierung (§ 39 AMG) eine Monographie als traditionelle pflanzliche Arzneimittel erhalten sollen, bei denen sich die Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses nach anderen Maßstäben richtet als bei den verfahrensgegenständlichen verschreibungspflichtigen Präparaten.
113Ist danach von der therapeutischen Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kava-Kava-Präparate auszugehen, sprechen für deren Nutzen weiterhin die Art und Schwere der in Rede stehenden Erkrankung sowie deren Behandlungsnotwendigkeit. Jedenfalls soweit das monographierte Anwendungsgebiet auf die Behandlung von Angststörungen abzielt, handelt es sich nicht um eine Bagatelldiagnose, sondern um eine ernsthafte, weitverbreitete psychische Erkrankung. Bei dieser stehen Symptome der Angst in Gestalt einer anhaltenden Angstreaktion, mangelnder Kontrolle der Angst, eventueller körperlicher Reaktionen einschließlich katastrophisierender Fehlinterpretationen und Beeinträchtigung in wichtigen Funktionen des Berufs-, Alltags- und Familienlebens im Vordergrund.
114Vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 263. Auflage 2012, „Angststörung“.
115Angststörungen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Ihre Verbreitung nimmt zu. Je nach Schweregrad können sie mit erheblichen psychosozialen, somatischen und ökonomischen Folgen einhergehen. Dazu zählen Arbeitsunfähigkeit, ein erhöhtes Risiko für sekundäre komorbide Erkrankungen ‑ beispielsweise Suchterkrankungen -, eine erhöhte Suizidrate sowie eine übermäßige Inanspruchnahme medizinischer Leistungen.
116Vgl. Deutsches Ärzteblatt, „Angststörungen/ Panikattacken: Angst aus heiterem Himmel“, Dezember 2005, 557.
117Bereits bei mittlerem Leidensdruck des Patienten, psychosozialen Einschränkungen sowie Komplikationen der Angsterkrankung ist eine Behandlung in Gestalt von Psycho- oder Pharmakotherapie oder einer Kombination aus beidem indiziert.
118Vgl. Deutsches Ärzteblatt, „Diagnostik und Therapieempfehlungen bei Angststörungen“, Juli 2014, 475 ff.
119Unter diesen Gesichtspunkten erschließt sich der besondere Nutzen einer wirksamen anxiolytischen Medikation. Bezogen auf Kava-Kava-haltige-Präparate ist insoweit zu berücksichtigen, dass deren Anwendung nur für leichte und mittelschwere Formen von Angststörungen indiziert ist, die damit nach Einschätzung von Experten üblicherweise innerhalb eines Monats gut therapiert werden können. Für schwere Angststörungen wird von einer Kontraindikation ausgegangen.
120Vgl. Teschke, Deutsches Ärzteblatt, „Hepatoxizität durch Kava-Kava: Risikofaktoren und Prävention“, 2002, 99.
121(2) In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht geht der Senat davon aus, dass dem vorstehend beschriebenen Nutzen der verfahrensgegenständlichen Präparate Anwendungsrisiken in Form hepatotoxischer Ereignisse gegenüberstehen, also ein begründeter Verdacht für derartige Nebenwirkungen besteht. Angesichts dessen ist der sinngemäße Einwand der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Bewertung die Anforderungen, die an die Annahme eines begründeten Nebenwirkungsverdachts zu stellen sind, überspannt, nicht nachvollziehbar.
122Die von der WHO in ihrem Bericht aus dem Jahr 2007 dokumentierten Fälle sind als Beleg für die Möglichkeit hepatotoxischer Wirkungen der hier in Rede stehenden Kava-Kava-Präparate zu werten. Entsprechendes gilt für die dem BfArM vorliegenden Fallberichte zu Leberreaktionen. Zwar wird dies durch den Bericht der MHRA aus dem Jahr 2006 („Report of the Committee on Safety of Medicines Export Working Group") gestützt. Allerdings ist der Senat übereinstimmend mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass der darin enthaltenen Risikobeurteilung, die - unter Einschluss des vom BfArM übermittelten Fallmaterials aus Deutschland - nicht die Begutachtung von Kava-Kava als Anxiolytikum, sondern bei Oberbauch- und Blasenbeschwerden zum Gegenstand hatte, keine besondere Bedeutung beizumessen ist.
123Der Bericht der WHO enthält eine Auswertung von 93 Fallberichten - darunter einige der vom BfArM dokumentierten Fälle aus Deutschland - über hypothetisch mit der Einnahme von Kava-Kava-Extrakten im Zusammenhang stehende Leberschädigungen. In vierzehn Fällen erfolgte eine Lebertransplantation. Sieben Fälle endeten tödlich. Die WHO-Expertengruppe bewertete die Kausalität zwischen hepatotoxischer Schädigung und der Einnahme von Kava-Kava-Präparaten in keinem Fall als sicher, in acht Fällen als wahrscheinlich, in 54 Fällen als möglich und in 28 Fällen als nicht bewertbar.
124Die Beklagte verweist auf 41 Fälle in Deutschland aufgetretener lebertoxischer Reaktionen. Hiervon seien 20 hinreichend gut dokumentiert, um eine fundierte Kausalitätsbewertung vornehmen zu können. In sieben dieser Fälle sei eine Lebertransplantation erforderlich gewesen. Insgesamt seien drei Patienten verstorben. In zwei Fällen sei die lebertoxische Reaktion nach Absetzen des Kava-Kava-Präparats zurückgegangen und bei Reexposition erneut aufgetreten. Bei zwölf spontan gemeldeten Fällen und einem in einer Publikation dargestellten Fall sei der Kausalzusammenhang wahrscheinlich. Diese Bewertung beruhe auf dem deutlichen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Beginn der Kava-Kava-Medikation und dem Auftreten der Symptome bzw. pathologischen Veränderungen einerseits und dem Zurückgehen der Lebererkrankung nach Absetzen der Kava-Kava-Medikation und/oder des Fehlens lebertoxischer Faktoren wie einer entsprechenden Komedikation andererseits. In einigen dieser Fälle sei die synergistische Beteiligung eines anderen Arzneimittels jedoch möglich.
125Diese Auswertungsergebnisse reichen für die Annahme eines begründeten Verdachts leberschädigender Wirkungen aus, weil insoweit geringe Kausalitätsanforderungen gelten. Für die Nutzen-Risiko-Abwägung ist aber der Verdacht graduell und qualitativ näher zu bestimmen.
126Allerdings bietet die gegenwärtige Studienlage hierfür keine tragfähigen Anknüpfungspunkte. Bei Gesamtbetrachtung ist sie uneinheitlich und deswegen nicht ergiebig. Herkömmliche klinische Studien sind - darüber sind sich die Beteiligten einig - aufgrund der zu geringen Population nicht geeignet, tragfähige Erkenntnisse über das lebertoxische Risiko zu gewinnen. Toxizitätsstudien haben weder potentiell toxische Bestandteile von Kava-Kava noch einen lebertoxischen Mechanismus aufzeigen können. Die Ergebnisse der NTP-Studie, auf die die Beklagte verweist, mögen zwar einen Toxizitätsbeleg begründen. Das gilt aber nur für die darin einbezogenen Präparate mit einem CO²-Extrakt. Für eine Übertragbarkeit der gefundenen Ergebnisse auf die hier streitgegenständlichen Präparate mit ethanolischen Auszügen hat die Beklagte keine überzeugenden Gesichtspunkte benannt. Abgesehen davon gibt der Nachweis toxischer Effekte eines bestimmten Präparats als solcher - was auch die Beklagte anerkennt - weder Aufschluss über die potentiell toxischen Einzelstoffe noch über den Mechanismus einer lebertoxischen Wirkweise, sondern untermauert lediglich das, wovon bereits auf der Grundlage der Fallberichte auszugehen ist. Auch das restliche vorliegende Studienmaterial bietet hierzu keine belastbaren und konsistenten Erkenntnisse. Anders als die Beklagte meint, geht dieser Umstand zu ihren Lasten. Denn sie trägt das Risiko der Unerweislichkeit der Umstände, die ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis begründen.
127Demgegenüber erlauben die folgenden relativierenden Faktoren eine nähere Eingrenzung der bestehenden Verdachtsmomente für eine hepatotoxische Wirkung von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln. Wenngleich sie den geweckten Verdacht nicht auszuräumen vermögen, schwächen sie ihn ab.
128Von Bedeutung ist insoweit zunächst, dass die Auswertungsergebnisse der WHO und des BfArM nicht für eine hohe, sondern im Gegenteil für eine schwache Inzidenzrate sprechen. Zwar lässt sich diese auf der Grundlage des vorliegenden Erkenntnismaterials nicht genau bestimmen. Andererseits gibt es aber bereits im Ausgangspunkt keine tragfähigen Belege dafür, dass hepatotoxische Ereignisse im Zusammenhang mit der Anwendung von Kava-Kava-Präparaten gehäuft auftreten, also eine hohe Inzidenzrate besteht. Umgekehrt sprechen deutschlandweit 20 und nach der Datenlage des WHO-Berichts weltweit 62 Fälle, in denen eine derartige Relation festgestellt werden konnte, bei einem Anwendungsvolumen von - dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin zufolge ‑ 250 Millionen Tagesdosen bezogen auf einen Zehnjahreszeitraum für eine sehr geringe lnzidenzrate. Das gilt auch unter Berücksichtigung der mit dem zugrundeliegenden Spontanerfassungssystem verbundenen Abbildungsdefizite, zumal wenn man berücksichtigt, dass ein Großteil dieser Meldungen in zeitlichem Zusammenhang mit dem Stufenplanverfahren und der öffentlich geführten Debatte um die potentielle Toxizität Kava-Kava-haltiger Arzneimittel steht. Dem entspricht die Einschätzung der Expertengruppe der WHO in ihrem Bericht aus dem Jahr 2007, in dem es heißt, die genaue Inzidenzrate von Nebenwirkungen, die mit der Einnahme von Kava-Kava in Zusammenhang stünden, sei nicht bekannt, scheine aber ziemlich niedrig zu sein (vgl. WHO-Bericht, S. 60).
129Unabhängig von diesem quantitativen Gesichtspunkt ist die Aussagekraft der Fälle, in denen ein Kausalzusammenhang als wahrscheinlich oder möglich angesehen worden ist, unter qualitativen Aspekten begrenzt.
130Bezogen auf den Bericht der WHO ergibt sich dies aus Folgendem: Nach dessen Ergebnis konnte nur in knapp zwei Dritteln der untersuchten Fälle (62 von 93) überhaupt eine Relation zwischen hepatotoxischen Wirkungen und der Einnahme von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln hergestellt werden. In keinem dieser Fälle wurde ein sicherer Kausalzusammenhang festgestellt. In 54 Fällen - darunter in allen sieben Todesfällen und in zehn Fällen mit Lebertransplantation - wurde der Kausalzusammenhang als „möglich“ und in acht Fällen als „wahrscheinlich“ eingestuft. Dass sich unter den zuletzt genannten Fällen nicht solche mit tödlichem Ausgang oder Lebertransplantation finden, beruht nicht lediglich auf der Definition der Kausalitätskriterien der WHO für einen wahrscheinlichen Kausalzusammenhang. Denn für elf der insgesamt 14 Patienten mit Lebertransplantation ist eine Begleitmedikation dokumentiert, die ebenfalls Auslöser der aufgetretenen Leberreaktionen gewesen sein könnte (vgl. WHO-Bericht, Tabelle 11a und 11 b, S. 46). Das gilt gleichermaßen für sämtliche Fälle mit tödlichem Ausgang (vgl. WHO-Bericht, Tabelle 12, S. 48). Es erscheint deswegen durchaus nicht fernliegend, die schwache lnzidenz schwerer Nebenwirkungen bei alleiniger Gabe Kava-Kava-haltiger Präparate als ein diesen Wirkstoff entlastendes lndiz zu werten.
131Hierzu passt die Einschätzung der Expertengruppe der WHO, wonach ein direkter Kausalzusammenhang zwischen der Einnahme Kava-Kava-haltiger Arzneimittel in der Mehrzahl der untersuchten Fälle schwierig nachzuweisen ist und die verfügbaren Fallberichte insoweit keinen Beweis für ein Ursache-Wirkungs-Verhältnis liefern (vgl. WHO-Bericht, S. 17). Als Ergebnis enthält der Bericht mit Blick darauf die - relativierende - Feststellung, dass Kavalactone durch die Wechselwirkungen von Kava-Kava und anderen Arzneimitteln, exzessiven Alkoholkonsum, metabolisch oder immunologisch bedingte Idiosynkrasie oder aufgrund einer vorbestehenden Lebererkrankung in jeder Art von Präparat selten hepatische Nebenwirkungen hervorrufen können (vgl. WHO-Bericht, S.63). Damit sind zugleich besondere Risikofaktoren angesprochen, die die WHO auch an anderer Stelle ihres Berichts noch gesondert aufführt (vgl. WHO-Bericht, S.61). Das impliziert, dass hepatotoxische Ereignisse, was im Übrigen wissenschaftlich anerkannt sein dürfte,
132vgl. etwa Russmann/Kullak-Ublick, Beurteilung und Meldung medikamentöser Leberschäden, swissmedic, Jubiläumsausgabe Dezember 2012, 11/26,
133multifaktorielle Ereignisse sind und sich dies erschwerend auf die Möglichkeit der Zuordnung ihrer Ursachen auswirkt.
134Zudem sind die Auswertungsergebnisse der WHO auch deswegen nur bedingt aussagekräftig, weil sie sich auf sämtliche Arten Kava-Kava-haltiger Arzneimittel beziehen. Aus dem in das Verfahren eingeführten wissenschaftlichen Erkenntnismaterial geht hervor, dass weder die potentiell toxischen Einzelstoffe noch der Mechanismus einer lebertoxischen Wirkung von Kava-Kava bekannt sind. Vermutet wird, dass neben Anwendungsdauer und Dosierung auch Extrakt und Kultivar insoweit eine Rolle spielen könnten. Hierzu hat die Klägerin plausible und von dem Experten Dr. N2. T1. in mehreren Stellungnahmen untermauerte Überlegungen angestellt, denen die Beklagte in der Sache nicht substantiiert entgegengetreten ist. Der Bericht der WHO enthält keine differenzierte Auswertung nach Extrakt und Kultivar. Vielmehr bezieht sich die Auswertung und dementsprechend auch die getroffene Risikoaussage auf sämtliche Arten Kava-Kava-haltiger Präparate. Demgegenüber handelt es sich bei den verfahrensgegenständlichen Präparaten unbestritten ausnahmslos um solche mit einem ethano-lischen Auszug. Da aber Risikoaussagen zu einer Auszugsart nicht ohne weiteres auf eine andere übertragen werden können,
135vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. November 2010 - 13 A 2807/09 -, juris, Rn. 10,
136sind die Ergebnisse in dem Bericht der WHO für das vorliegende Verfahren nur eingeschränkt aussagekräftig.
137Auch die von der Beklagten selbst auf der Grundlage des Fallmaterials des BfArM vorgenommene Risikobeurteilung ist unter verschiedenen Gesichtspunkten zweifelhaft. Ihr Vorbringen suggeriert eine „fundierte Kausalitätsbewertung" in 20 von 41 Fällen. Hiervon seien 18 spontan gemeldet worden und in zwei Fällen handele es sich um Berichte aus der Literatur. Demgegenüber ist der Kausalzusammenhang nur für 15 Fälle nachvollziehbar dargelegt, wobei in „einigen“ ‑ weder benannten noch bezifferten - dieser Fälle die synergistische Beteiligung eines anderen Arzneimittels möglich gewesen sein soll. Dieses Vorbringen bezieht sich offensichtlich auf die in dem Bescheid vom 12. Mai 2005 detailliert aufgeführten 26 Fallberichte und überschneidet sich damit. Bei deren Auswertung war das BfArM in 19 Fällen von einem Kausalzusammenhang im Bereich „wahrscheinlich“ - hiervon in drei Fällen als „wahrscheinlich bis gesichert“ - und in sechs Fällen von einer „möglichen“ Kausalität ausgegangen. Einen Fall hatte es für nicht auswertbar erachtet. Der Senat ist unter Berücksichtigung des wechselseitigen Vorbringens und der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse nicht zu der Überzeugung gelangt, dass diese Bewertung insgesamt zutrifft. Denn sie steht tiefgreifend in Widerspruch mit den Bewertungen anderer Institutionen, die jedenfalls nicht weniger plausibel hergeleitet und unabhängig voneinander durchgehend zu weniger besorgniserregenden Ergebnissen gelangt sind. Dies folgt aus der Übersicht in der Stellungnahme von Dr. N2. T1. vom 6. Februar 2012, in der dieser sich außerdem detailliert mit den einzelnen Fallberichten und deren Bewertung durch das BfArM auseinandergesetzt und diese durchgreifend in Zweifel gezogen hat (vgl. dort S. 9 ff.). Die Beklagte ist den darin enthaltenen Einwänden inhaltlich nicht substantiiert entgegen getreten. Unabhängig davon erscheint die Annahme eines „wahrscheinlichen“ Kausalzusammenhangs schon aufgrund der in der Mehrzahl der Fälle jeweils dokumentierten Begleitmedikation vielfach zweifelhaft. Entgegen der Auffassung der Beklagten rechtfertigt auch der Umstand, dass die festgestellten Leberreaktionen in zwei Fällen nach Absetzen des Kava-Kava-Präparats zurückgegangen und nach Reexposition erneut aufgetreten sind, mangels ausreichender Dokumentation der Begleitmedikation jedenfalls nicht die Bewertung eines „gesicherten“ Kausalzusammenhangs (BfArM 01003950/01003951).
138Weitere Bedenken gegen die Kausalitätsbewertung der Beklagten ergeben sich auf der Grundlage der Publikation von Teschke et al. („Kava hepatotoxicity: a clinical survey and critical analysis of 26 suspected cases“, European Journal of gastroenterology & hepatology 2008, Vol. 20, S. 1182 ff.). Nach den stimmigen und transparent hergeleiteten dortigen Ausführungen, auf die Bezug genommen wird, bestand lediglich in acht Fällen ein Kausalzusammenhang, wobei lediglich in einem dieser Fälle eine monographiekonforme Anwendung dokumentiert war.
139Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 26. Januar 2015 die in dieser Publikation getroffene Feststellung des Fehlens einer medikamentösen Ursache in 13 Fällen beanstandet, und, um dies zu wiederlegen, bezogen auf drei Fälle auf den Inhalt der hierzu gefertigten Arztberichte verwiesen hat, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Denn daraus geht jedenfalls nicht hervor, dass die beobachtete Leberschädigung durch Kava-Kava und nicht durch die jeweils dokumentierte Begleitmedikation verursacht worden ist. Unter diesen Umständen ergibt sich dies nicht bereits daraus, dass nach ärztlicher Einschätzung von einer medikamentös induzierten Leberschädigung auszugehen ist.
140Relativierend ist zuletzt der ebenfalls vom Verwaltungsgericht bereits angesprochene Aspekt in den Blick zu nehmen, dass die streitbefangenen Präparate auf eine Kurzzeitbehandlung angelegt sind und eine Begrenzung von Anwendungsdauer und Dosierung vorgesehen ist. Auch hieraus folgt die nur begrenzte Aussagekraft der Auswertungen des BfArM und der WHO, in denen nicht nach diesen von der Beklagten selbst als risikobeeinflussend eingestuften Kriterien differenziert wird. Da eine lange Exposition einerseits und eine erhöhte Dosierung andererseits mit einer Risikoerhöhung assoziiert werden, liegt es auf der Hand, dass die Auswertung eines Kollektivs von Fällen, in denen diese Differenzierung nicht getroffen wird, keine einheitliche Risikoaussage erlaubt. Die Vielzahl der Fälle, in denen Leberschädigungen im Zusammenhang mit einer Überdosierung, einer überlangen Anwendungsdauer oder einer potentiell lebertoxischen Begleitmedikation aufgetreten sind, ist aber umgekehrt als Beleg dafür zu werten, dass es sich hierbei um Risikofaktoren handelt. Dies wird auch von keinem der Beteiligten in Abrede gestellt.
141Auf der Basis aller in das Verfahren eingeführter Erkenntnisse geht der Senat davon aus, dass toxische Lebererkrankungen durch Kava-Kava-Extrakte sehr selten sind, im Einzelfall aber potenziell lebensbedrohend verlaufen können und durch eine Vielzahl von Risikofaktoren wie Dosierung, Anwendungsdauer, Begleitmedikation, Alkoholkonsum und Lebervorschädigung beeinflusst werden. Hinsichtlich dieser Risikofaktoren stimmen die Beteiligten überein, wenngleich ihre Einschätzungen zu den Risiken der Verwendung unterschiedlicher Auszüge und Kultivare auseinandergehen.
142(3) Hiervon ausgehend ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis der streitgegenständlichen Präparate derzeit ungünstig. Dieser Einschätzung liegt zugrunde, dass hinsichtlich Kava-Kava-haltiger Arzneimittel zwar nicht generell, aber dann von einem ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnis ausgegangen werden muss, wenn nicht alle Maßnahmen umgesetzt worden sind, um die damit einhergehenden Risiken bestmöglich einzudämmen. Letzteres ist hier der Fall.
143Der Umstand, dass die zuvor erwähnten Risikofaktoren im Zusammenhang mit der Hepatotoxizität von Kava-Kava bekannt sind, führt in der Publikation von Teschke et al. („Kava hepatotoxicity: a clinical survey and critical analysis of 26 suspected cases“, European Journal of gastroenterology & hepatology 2008, Vol. 20, S. 1182 ff.) zu der überzeugenden Schlussfolgerung, dass hepatotoxische Ereignisse im Zusammenhang mit Kava-Kava weitgehend vermeidbar sind. Dies, die nur schwache Inzidenzrate und der belegte Nutzen Kava-Kava-haltiger Arzneimittel stehen der generellen - also nicht präparatspezifischen, sondern rein wirkstoffbezogenen - Annahme eines ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses entgegen. Andererseits sind angesichts der Schwere möglicher Nebenwirkungen vermeidbare Risiken nicht hinnehmbar.
144Insoweit bilden die Empfehlungen der Kommission E in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2002 nach Auffassung des Senats einen tauglichen und deshalb einzuhaltenden Maßstab zur Risikominimierung und führen bei Beachtung im Ergebnis zu einem günstigen Nutzen-Risiko-Verhältnis. Sie beruhen auf den Unterlagen, die das BfArM der Kommission E zur Verfügung gestellt hat und sind auf der Grundlage einer eingehenden Befassung mit der Kava-Kava-Thematik abgegeben worden (vgl. Ruhensbescheid des BfArM vom 12. Mai 2005, S. 52).
145Die Kommission E hat darin unter Hinweis darauf, weiterhin von einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis auszugehen und die Auffassung des BfArM bezüglich der Risiken bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nicht zu teilen, folgende Regularien zu deren Eindämmung empfohlen:
146- 147
Ärztliche Verschreibungspflicht für Kava-Kava-haltige Arzneimittel
- 148
Klare Indikationsstellung: Leichte bis mittelschwere generalisierte Angststörungen. Depression ist keine Indikation.
- 149
Maximale Tagesdosis entsprechend 120 mg Kava-Pyrone.
- 151
Packungsgröße bei 120 mg Kava-Pyrone maximal 30 Einheiten
- 152
Übliche Therapiedauer 1 Monat, maximal 2 Monate
- 153
Bestimmung der Leberwerte (GPT und -GT vor Beginn der Behandlung und dann einmal wöchentlich)
- 154
Optional: Bestimmung der Leberwerte am Ende der Behandlung (wichtig für evtl. spätere erneute Behandlung)
- 155
Vermeidung einer begleitenden Medikation mit potentiell hepatotoxischen Medikamenten, insbesondere auch Betablockern, Antidepressiva und Migränemitteln. Vorsicht bei Alkohol.
Der Senat sieht in Ansehung des Berufungsvorbringens keine Veranlassung, diese sachverständige Einschätzung in Frage zu stellen. Sie wird durch die Aussage der WHO in ihrem Bericht aus dem Jahr 2007, wonach ein Verkehrsverbot für Kava-Kava nach gegenwärtigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht zu rechtfertigen ist (vgl. WHO Bericht, S. 18), gestützt. Auch Teschke spricht sich in seiner Veröffentlichung „Hepatotoxizität durch Kava-Kava: Risikofaktoren und Prävention“ (Deutsches Ärzteblatt 2002, 99 (50)) für entsprechende Maßnahmen aus. Aktuellere wissenschaftliche Erkenntnisse, die die Empfehlungen der Kommission E durchgreifend in Zweifel ziehen, liegen nicht vor.
157Diese sind auch geeignet, die bestehenden hepatotoxischen Risiken - soweit sie vorhersehbar sind - weitgehend wirkungsvoll auszuschalten.
158Besondere Bedeutung kommt hierbei der Unterstellung unter die Verschreibungspflicht zu. Hierdurch wird eine ärztliche Indikationsstellung sichergestellt und einer unsachgemäßen Selbstmedikation entgegengewirkt. Der Einwand der Beklagten, eine Verschreibungspflicht sei unzureichend, weil der hepatotoxische Wirkmechanismus von Kava-Kava nicht hinreichend geklärt sei und der verordnende Arzt nicht mit genügender Sicherheit vorhersehen könne, welcher Patient gefährdet sei, greift nicht durch. Er eignet sich schon deswegen nicht als Argument gegen die Verschreibungspflicht, weil das Arzneimittelgesetz in § 48 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AMG als eine Fallgruppe verschreibungspflichtiger Arzneimittel diejenigen vorsieht, die Stoffe mit in der medizinischen Wissenschaft nicht allgemein bekannten Wirkungen oder Zubereitungen solcher Stoffe enthalten. Abgesehen davon ist es einem Arzt in Bezug auf ein Kava-Kava-haltiges Präparat anhand der bekannten Risikofaktoren auch ungeachtet des genauen Wirkmechanismus möglich, das Risikoprofil eines Patienten abzustecken. Denn in einem ersten Schritt können - nach anamnestischer Abklärung - Fälle mit relevanter Begleitmedikation, erheblichem Alkoholkonsum, Lebererkrankung oder Lebervorschädigung sowie nicht zutreffender Indikation herausgefiltert werden. Erfolgt nach Abklärung dieser Gesichtspunkte eine Verschreibung, kann den von der Krankenvorgeschichte unabhängigen Risikofaktoren wirksam durch eine Begrenzung von Anwendungsdauer und Dosierung entsprechend den Vorgaben der Fachinformationen entgegengewirkt werden. Hinzuweisen ist darin außerdem auf die Risiken bei erheblichem Alkoholkonsum und einer begleitenden Medikation mit potentiell hepatotoxischen Medikamenten, wie Betablockern, Antidepressiva und Migränemitteln.
159Dabei sind die Einhaltung der vorgesehen Dosierung von 120 mg Kava-Pyrone und die Begrenzung der Anwendungsdauer entsprechend den aktualisierten Erkenntnissen der Kommission E auf einen, maximal zwei Monate entscheidend. Eine höhere Dosierung ist einerseits deswegen nicht vertretbar, weil die Wirksamkeit für eine Dosierung von 60 mg-120 mg Kava-Pyrone belegt ist und deswegen keine Rechtfertigung dafür besteht, potentiell mit einer höheren Dosierung einhergehende Zusatzrisiken einzugehen. Abgesehen davon bestehen den genannten wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine höhere Dosierung das Risiko für leberschädigende Nebenwirkungen erhöht. Entsprechendes gilt bezogen auf eine längere Anwendungsdauer.
160Flankierend zu den bereits erwähnten Maßnahmen wirkt die von der Kommission E vorgeschlagene Begrenzung der Packungsgröße auf maximal 30 Einheiten bei 120 mg Kava-Pyrone. Durch diese Maßnahme wird der Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung vorgebeugt und auf einen bestimmungsgemäßer Gebrauch hingewirkt. Dabei ist zu sehen, dass die Missbrauchsgefahr jedenfalls bei indikationskonformer Anwendung Kava-Kava-haltiger Präparate nicht gleichermaßen hoch sein dürfte, wie bei Arzneimitteln, die - wie z.B. Benzodiazepine - Abhängigkeiten auslösen. Allerdings ist insoweit darauf hinzuweisen, dass diesem Aspekt im Rahmen der Nutzen-Risiko-Abwägung, die sich an dem bestimmungsgemäßen Gebrauch zu orientieren hat, keine eigenständige Bedeutung zukommt. Abweichungen der von der Kommission E empfohlenen Packungsgröße begründen daher ohne das Hinzutreten weiterer Abweichungen kein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis.
161Die vorgesehene Bestimmung der Leberwerte vor Beginn der Behandlung und deren fortlaufende wöchentliche Kontrolle ermöglicht eine zeitnahe Reaktion auf festgestellte Veränderungen und zielt darauf ab, irreversiblen Schädigungen vorzubeugen.
162Der Senat verkennt nicht, dass mit den genannten Maßnahmen nicht in jedem Einzelfall ein Risikoausschluss garantiert werden kann, geht aber davon aus, dass bedingt durch ihre Zielrichtung, Wirkweise und ihr Ineinandergreifen die nach derzeitigem Erkenntnisstand prognostizierbaren Risiken in Relation zum Nutzen von Kava-Kava-Präparaten auf ein vertretbares Maß reduziert werden können.
163Das wird daran deutlich, dass mit Ausnahme eines Falls in sämtlichen Fällen, auf die das BfArM seine Risikoeinschätzung stützt, zumindest einer der durch die vorgenannten Maßnahmen begrenzbaren Risikofaktoren vorlag. Entweder es war eine Begleitmedikation verordnet oder die Anwendung dauerte länger als drei Monate an oder es wurde eine Überdosierung festgestellt. Zumeist war sogar eine Kombination aus mehreren dieser Faktoren gegeben.
164Vgl. die Übersicht in Table 1 bei Teschke/Schwarzenboeck/Hennermann “Kava hepatotoxcity: a clinical survey and critical analysis of 26 cases”, European Journal of gastroenterology & hepatology 2008, Vol. 20, S. 1182 ff.
165Dieser Einschätzung steht auch nicht das vermehrte Auftreten idiosynkratischer, d. h. unvorhersehbarer Leberreaktionen im Zusammenhang mit der Einnahme von Kava-Kava-Präparaten entgegen. Die Auswertung der Fallberichte des BfArM liefert hierfür keinen Beleg. Letztlich scheint die Beklagte selbst ‑ wenngleich sie diesen Aspekt besonders hervorgehoben hat - nicht hiervon auszugehen, wenn sie diese Fälle als „Ausreißer“ bezeichnet und andererseits meint, ein „charakteristisches Muster“ für die potentielle Lebertoxizität von Kava-Kava-Präparaten ausmachen zu können. Abgesehen davon ist die Möglichkeit einer idiosynkratischen Leberschädigung deswegen kein durchgreifendes Argument für ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis der hier in Rede stehenden Kava-Kava-Präparate, weil es sich dabei um ein generelles Problem im Hinblick auf die Lebertoxizität von Medikamenten handelt. Der Mechanismus der Idiosynkrasie, also einer angeborenen oder erworbenen Überempfindlichkeit schon beim ersten Kontakt gegen bestimmte, von außen zugeführte Stoffe, die nicht durch eine Reaktion des Immunsystems hervorgerufen wird, sondern durch Fehlfunktion/Nichtfunktion defekter oder Fehlen intakter Enzyme,
166vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Idiosynkrasie,
167beschränkt sich nicht auf Kava-Kava-haltige Arzneimittel.
168Ungefähr 1000 Arzneistoffe gelten als lebertoxisch. Hierzu gehören beispielsweise Paracetamol, Diclofenac und Penicillin.
169Vgl. Schlatter, Entgiftung zum Gift, Nebenwirkung Leberschaden, Pharmazeutische Zeitung Ausgabe 35/2009.
170Obgleich bei all diesen Arzneistoffen unvorhersehbare, also idiosynkratische, Leberreaktionen möglich sind, befindet sich eine Vielzahl von Präparaten, die diese Wirkstoffe enthalten, auf dem Markt.
171An der getroffenen Bewertung ändern auch bestehende Behandlungsalternativen nichts, insbesondere fällt die Nutzen-Risiko-Abwägung mit Blick darauf nicht generell zu Ungunsten der streitbefangenen Präparate aus. Abwägungsrelevant könnte dieser Aspekt sein, wenn deren Ersetzbarkeit durch andere Arzneimittel mit günstigerem Nebenwirkungsprofil gewährleistet wäre. Das ist aber nicht der Fall. Denn soweit die Beklagte Bezug auf den Inhalt der S3-Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen nimmt und auf selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) und Pregabalin als Mittel der ersten Wahl sowie auf trizyklische Antidepressiva (TZA), Buspiron, Benzodiazepine, Hydroxin und Opipramol als Mittel der zweiten Wahl verweist, sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Es erscheint schon zweifelhaft, ob es sich dabei überhaupt um einen geeigneten Ersatz für Kava-Kava-Präparate handelt. Das gilt ungeachtet der fehlenden vollständigen Übereinstimmung der Anwendungsgebiete insbesondere deswegen, weil jene Arzneimittel im Gegensatz zu den auf eine Kurzzeitbehandlung mit raschem Wirkeintritt gerichteten Kava-Kava-Präparaten größtenteils eine längere Wirklatenz von bis zu sechs Wochen haben. Überdies kann für keines der von der Beklagten empfohlenen synthetischen Alternativarzneimittel ein günstigeres Nebenwirkungsprofil festgestellt werden. Das ergibt sich daraus, dass das Spektrum möglicher Nebenwirkungen weitgehend breiter gefächert ist als bei den verfahrensgegenständlichen Kava-Kava-Präparaten, zum Teil auch schwere Nebenwirkungen umfasst und vielfach Absetzphänomene, Abhängigkeitsrisiken und sedierende Effekte mit dem damit einhergehenden negativen Einfluss auf die geistige Leistungsfähigkeit beschrieben werden. Wegen der Einzelheiten dazu wird auf die tabellarische Übersicht bei B. Bandelow, R. Boerner, S. Kasper, M.Linden, H.-U. Wittchen und H.-J. Möller „Generalisierte Angststörung: Diagnostik und Therapie“, Deutsches Ärzteblatt 2013, S. 303, und die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.
172Die von der Beklagten angesprochenen traditionellen Phytopharamka, namentlich Baldrianwurzelzubereitungen und Lavendelöl sind schon deswegen keine geeignete Alternative, weil ihr Anwendungsgebiet nicht deckungsgleich mit dem Kava-Kava-haltiger Arzneimittel ist, sondern sich insoweit nur gewisse Überschneidungen ergeben.
173Gemessen an den vorstehenden Überlegungen ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis der streitbefangenen Präparate ungünstig. Denn unter Zugrundelegung des Inhalts der Änderungsanzeigen und der vorstehenden Ausführungen sind die bisher umgesetzten Maßnahmen zur Minimierung der bestehenden Risiken nicht ausreichend.
174Dies bezieht sich in erster Linie auf die Dosierung der Präparate. Diese weisen nach der Änderungsanzeige keine der Monographie der Kommission E bzw. deren Empfehlungen aus dem Jahr 2002 entsprechende Dosierung von 60-120 mg Kava-Pyrone (= Kavalactone) auf. Damit hat die Klägerin die Tagesdosis für Kava N. Kapseln von zweimal täglich eine Kapsel (a 50 mg Kavalactone) auf drei- bis viermal täglich eine Kapsel entsprechend 150-200 mg Kava-Pyrone und für die übrigen streitbefangenen Präparate von einmal täglich eine Tablette bzw. bei B. 120 mg von zweimal täglich ½ Tablette auf ein- bis zweimal täglich eine Tablette entsprechend 120-240 mg Kava-Pyrone erhöht. Diese Dosierung ist ‑ wenngleich die Abweichung bei dem Präparat Kava N. Kapseln im vorliegenden Fall vergleichsweise geringfügig ist - nicht monographiekonform. Diese Feststellung beruht auf Folgendem: Der Senat ist aufgrund der plausiblen und durchgehend nachvollziehbaren sachverständigen Erläuterungen von Frau Dr. H. und Herrn Dr. T1. , denen die Beklagte nichts Durchgreifendes entgegen gesetzt hat, zu der Überzeugung gelangt, dass sich die in der Monographie der Kommission E angegebene Dosierungsspanne von 60-120 mg Kava-Pyrone auf die DC-Methode und nicht - auch nicht teilweise - auf die HPLC-Methode bezieht.
175In der Monographie selber ist keine Aussage zu der zugrunde liegenden Messmethode getroffen worden. Das sich bei den Unterlagen zur Monographieerstellung befindliche Gutachten von Dr. K. M. aus dem Jahr 1986 erlaubt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht den Rückschluss, dass sich die Dosierungsangabe auf die HPLC- Methode bezieht. Denn daraus geht lediglich hervor, dass zu diesem Zeitpunkt bereits alle sechs Kava-Pyrone bekannt waren und es die HPLC-Methode gab. Zum Umfang ihres Einsatzes und dazu, ob die für die Erstellung der Positivmonographie maßgebenden Studien mit Extrakten durchgeführt worden sind, deren Kavalactongehalt mit dieser Methode gemessen worden ist, ergibt sich daraus hingegen nichts.
176Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung auch nicht in Abrede gestellt,
177dass es die HPLC-Methode zu diesem Zeitpunkt bereits gab, sondern hat vielmehr bestätigt, dass sie bereits damals im universitären Bereich Anwendung gefunden hat. Etwas anderes gelte indes für die Industrie. Dort habe man zur Zeit der Monographieerstellung nicht über die entsprechenden Reinsubstanzen verfügt, um alle sechs Kava-Pyrone quantifizieren zu können. Da die der Monographieerstellung zugrundeliegenden Studien mit Industriepräparaten durchgeführt worden seien, beziehe sich die in der Monographie angegebene Dosierung demzufolge auf die DC-Methode. Dass die Studien mit Industriepräparaten durchgeführt worden sind, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Hierzu hat Frau Dr. H. - von der Beklagten unwidersprochen ‑ darauf hingewiesen, dass die Firma G. , bei der sie zum damaligen Zeitpunkt angestellt war, damals allein mit der DC-Methode gemessene Kava-Extrakte hergestellt und an pharmazeutische Unternehmen geliefert und insoweit einen 95 prozentigen Marktanteil gehalten habe.
178Angesichts dessen konnte die Beklagte auch lediglich auf die Extrakte der Firma Schwabe, die erst zu einem späteren Zeitpunkt Kundin der Firma G. geworden war, verweisen. Sie gehe davon aus, dass die Firma T2. ab dem Jahr 1990 Extrakte hergestellt habe, die nach der HPLC-Methode bemessen worden seien und davon, dass mit deren Präparaten die Studien von Warnecke, die für die Erstellung der Monographie maßgebend waren, durchgeführt worden seien. Hierbei handelt es sich indes um eine durch die von Herrn Dr. T1. angestellten Ermittlungen widerlegte Vermutung. Denn daraus geht hervor, dass in der Monographie nicht auf die erst später erstellten Studien von Warnecke zu dem Präparat M1. , sondern lediglich auf zwei der Komission E im Zeitraum von April bis September 1989 vorgelegte Studienberichte Bezug genommen wird. Das folge - so Herr Dr. T1. - daraus, dass sich die Untersuchungen von Warnecke ausweislich der Monographie auf ein mit 60 mg Kava-Pyrone dosiertes Präparat und die erst nach Erstellung der Monographie veröffentlichten Studien hingegen auf das sich erst seit Dezember 1989 auf dem Markt befindliche Präparat M1. mit einer Dosierung von 70-210 mg Kava-Pyrone bezogen hätten.
179Diese unterschiedlichen Dosierungen können einerseits als Hinweis darauf gedeutet werden, dass im Zeitraum zwischen den Studienberichten und der Veröffentlichung der Studien eine Umrechnung stattgefunden hat, für die aber nur dann ein Erfordernis bestand, wenn das den Studienberichten zugrundeliegende Präparat mittels DC-Methode gemessen war. Als weitere denkbare Erklärungsmöglichkeit kommt allein in Betracht, dass sich Studien und Studienberichte auf unterschiedliche Präparate bezogen haben. Aber auch daraus ergibt sich kein Anhalt dafür, dass das Präparat, zu dem sich der Studienbericht verhält, bereits nach der HPLC-Methode gemessen war. Dagegen spricht, dass es sich dabei um ein - an der damals standardisierten DC-Methode gemessen - erheblich aus dem Rahmen fallendes, weil deutlich unterhalb der angenommen Wirksamkeitsschwelle dosiertes Präparat gehandelt hätte. Hinzu kommt, dass die entgegengesetzte Annahme der Beklagten nicht auf validen Erkenntnissen beruht, sondern auf einer Mitteilung, die die Firma T2. erst zu einem viel späteren Zeitpunkt, nämlich im Zulassungsverfahren gemacht hat. Demgegenüber hat Herr Dr. T1. anhand der Studienberichte die dem Präparat der Firma T2. zugrundeliegende Analytik selbst geprüft und hat dabei keinen Hinweis darauf gefunden, dass dies nach der HPLC-Methode bemessen wurde.
180Vor diesem Hintergrund ist auch die weitere Vermutung der Beklagten, dass der in der Monographie angegebene Wert von 60 mg Kava-Pyrone auf der DC-Methode beruhte und der Wert von 120 mg auf der HPLC-Methode, fernliegend und durch nichts belegt. Denn einerseits ginge damit einher, dass die für Phyto-pharmaka charakteristische Dosierungsspanne weitgehend entfiele. Andererseits hält der Senat es mit Frau Dr. H. für abwegig, dass in einer Dosisempfehlung, die eine Spannbreite angibt, zwei Werte genannt werden, die auf unterschiedlichen Mess- und Analysemethoden beruhen.
181Angesichts dessen ist der Klägerin darin zu folgen, dass die Deklarierung der Dosierung an die heute standardisierte HPLC-Methode angepasst werden muss. Der Senat stimmt aber darin nicht mit der Klägerin überein, dass dies im Sinne einer Verdoppelung zu erfolgen hat. Der Umstand, dass die Bestimmung nach der DC-Methode mit drei Kava-Pyronen erfolgt und die nach der HPLC-Methode mit sechs Kava-Pyronen rechtfertigt dies nicht, weil der Lactongehalt der unterschiedlichen Pyrone variiert. Das erfordert die Bestimmung eines anderen Umrechnungsfaktors. Frau Dr. H. hat 1,61 als Korrelationsfaktor angegeben und dessen Herleitung anhand einer gut nachvollziehbaren und stimmigen Berechnungsübersicht erläutert. Die Beklagte ist dem nicht entgegen getreten. Der Senat hat auch unter Berücksichtigung der übrigen in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse keine Zweifel, dass dieser Korrelationsfaktor zutrifft. Bei seiner Anwendung ergibt sich, dass der in der Monographie genannten Dosierungsspanne von 60-120 mg Kava-Pyrone nach der DC-Methode einer Dosierungsspanne von 97-193 mg Kava-Pyrone nach der HPLC-Methode entspricht und die hier streitgegenständlichen Präparate deswegen überdosiert sind.
182Neben der Dosierung entsprechen auch die dem Senat vorliegenden Gebrauchs- und Fachinformation - unterstellt, die darin enthaltenen Änderungen von für die Zulassung wesentlichen Angaben sind im Wege der Änderungsanzeige wirksam geworden - nicht vollständig den Empfehlungen der Kommission E. Das betrifft die Angabe der Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten (der Hinweis auf die Vermeidung einer begleitenden Medikation mit potentiell hepatotoxischen Medikamenten, insbesondere auch Betablockern, Antidepressiva und Migräne-mitteln fehlt) und die darin vorgesehene Bestimmung der Leberwerte vor Beginn der Behandlung, sodann wöchentlich und optional nach Abschluss der Behand-lung. Überdies fehlt die ausdrückliche Begrenzung der Anwendungsdauer auf einen, maximal zwei Monate.
183(II.) Wenngleich die festgestellten Abweichungen ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis begründen, rechtfertigen sie nicht den Widerruf der Zulassung, weil eine Änderung der Zulassung auf der Grundlage von § 30 Abs. 2a Satz 1 AMG vorrangig ist. Mit dieser in der Fassung vom 19. Dezember 2012 geltenden Vorschrift, die als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu interpretieren ist, besteht eine Grundlage dafür, Änderungen auf Ebene der Zulassung vorzunehmen.
184Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 18. April 2012, BT-Drs. 17/9341, S. 54.
185Wie ausgeführt, ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis der hier streitgegenständlichen Präparate - insbesondere wegen der zu hohen Dosierung, aber auch im Hinblick auf die übrigen Abweichungen von den Empfehlungen der Kommission E in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2002 als ungünstig zu bewerten, erwiese sich aber nach entsprechender Anpassung an diese Empfehlungen nicht mehr als ungünstig, mit der Folge, dass der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG entfällt. Zur Begründung dafür wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.
186Lassen sich die mit der Anwendung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel in Verbindung gebrachten Nebenwirkungen danach bereits durch die von der Kommission E vorgeschlagenen regulatorischen Maßnahmen auf ein vertretbares Maß reduzieren, kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die Beklagte vorrangig unter der Voraussetzungen des § 28 Abs. 3b Satz 1 Nr. 2 AMG eine Unbedenklichkeitsstudie („PASS“) hätte anordnen können und müssen.
187Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
188Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.
189Die Revision ist zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegen.
(1) Die Zulassung ist zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass einer der Versagungsgründe des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2, 3, 5, 5a oder 7 bei der Erteilung vorgelegen hat; sie ist zu widerrufen, wenn einer der Versagungsgründe des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3, 5, 5a oder 7 nachträglich eingetreten ist. Die Zulassung ist ferner zurückzunehmen oder zu widerrufen, wenn
- 1.
sich herausstellt, dass dem Arzneimittel die therapeutische Wirksamkeit fehlt, - 2.
in den Fällen des § 28 Abs. 3 die therapeutische Wirksamkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse unzureichend begründet ist.
(1a) Die Zulassung ist ferner ganz oder teilweise zurückzunehmen oder zu widerrufen, soweit dies erforderlich ist, um einer Entscheidung oder einem Beschluss der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union nach Artikel 34 der Richtlinie 2001/83/EG zu entsprechen. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet bei Rechtsmitteln gegen Entscheidungen der zuständigen Bundesoberbehörde nach Satz 1 nicht statt. In den Fällen des Satzes 1 kann auch das Ruhen der Zulassung befristet angeordnet werden.
(2) Die zuständige Bundesoberbehörde kann die Zulassung
- 1.
zurücknehmen, wenn in den Unterlagen nach § 22 oder § 24 unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht worden sind, - 2.
widerrufen, wenn der Versagungsgrund des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 nachträglich eingetreten ist oder wenn eine der nach § 28 angeordneten Auflagen nicht eingehalten und diesem Mangel nicht innerhalb einer von der zuständigen Bundesoberbehörde zu setzenden angemessenen Frist abgeholfen worden ist; dabei sind Auflagen nach § 28 Abs. 3 und 3a jährlich zu überprüfen, - 3.
im Benehmen mit der zuständigen Behörde widerrufen, wenn die für das Arzneimittel vorgeschriebenen Prüfungen der Qualität nicht oder nicht ausreichend durchgeführt worden sind, - 4.
im Benehmen mit der zuständigen Behörde widerrufen, wenn sich herausstellt, dass das Arzneimittel nicht nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln hergestellt worden ist.
(2a) In den Fällen der Absätze 1 und 1a ist die Zulassung zu ändern, wenn dadurch der in Absatz 1 genannte betreffende Versagungsgrund entfällt oder der in Absatz 1a genannten Entscheidung entsprochen wird. In den Fällen des Absatzes 2 kann die Zulassung durch Auflage geändert werden, wenn dies ausreichend ist, um den Belangen der Arzneimittelsicherheit zu entsprechen.
(3) Vor einer Entscheidung nach den Absätzen 1 bis 2a muss der Inhaber der Zulassung gehört werden, es sei denn, dass Gefahr im Verzuge ist. Das gilt auch, wenn eine Entscheidung der zuständigen Bundesoberbehörde über die Änderung der Zulassung, Auflagen zur Zulassung, den Widerruf, die Rücknahme oder das Ruhen der Zulassung auf einer Einigung der Koordinierungsgruppe nach Artikel 107g, 107k oder Artikel 107q der Richtlinie 2001/83/EG beruht. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet in den Fällen des Satzes 2 nicht statt. In den Fällen des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 ist die Entscheidung sofort vollziehbar. Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung.
(4) Ist die Zulassung für ein Arzneimittel zurückgenommen oder widerrufen oder ruht die Zulassung, so darf es
Die Rückgabe des Arzneimittels an den pharmazeutischen Unternehmer ist unter entsprechender Kenntlichmachung zulässig. Die Rückgabe kann von der zuständigen Behörde angeordnet werden.Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 20. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen. Sie wendet sich gegen den Widerruf der Zulassung der Präparate Kava N. Kapseln, B. 120 mg Tabletten, Kava-N1. Tabletten, T. Tabletten und X. Tabletten, die sie bis zum Jahr 2001 in den Verkehr gebracht hatte.
3Für das zuerst genannte Präparat wurde die beantragte Nachzulassung bislang nicht erteilt. Für die Präparate Kava-N1. Tabletten, T. Tabletten und X. Tabletten hatte das BfArM die Zulassung mit einer Dosierung von einmal täglich einer Tablette bei einer Wirkstoffmenge von 120 mg pro Tablette und für B. 120 mg Tabletten mit einer Dosierung von zweimal täglich ½ Tablette erteilt.
4Bei den Präparaten handelt es sich um pflanzliche Angstlöser (Anxiolytika) zur Anwendung bei nervösen Angst-, Spannungs- und Unruhezuständen, die als Wirkstoff den Kava-Kava-Wurzelstock-Trockenextrakt - Piperis methystici rhizoma - in Gestalt eines ethanolischen Auszugs enthalten.
5Die Anwendungsgebiete der Arzneimittel der Klägerin entsprachen den Vorgaben der Monographie der Kommission E vom 1. Juni 1990. Im Jahr 2002 war ihre Verschreibungspflicht beschlossen worden.
6Im Jahr 2001 leitete das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgrund von Berichten über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen in Gestalt lebertoxischer Effekte bei acetonischen Kava-Kava-Auszügen insbesondere aus der Schweiz ein Stufenplanverfahren nach § 63 AMG ein. Nach Anhörung der betroffenen pharmazeutischen Unternehmen widerrief das BfArM mit Bescheid vom 14. Juni 2002 erstmals die Zulassungen Kava-Kava- und Kavain-haltiger Arzneimittel bis zu einer homöopathischen Verdünnung von D4. Hiergegen legten die betroffenen Unternehmen Widerspruch ein, woraufhin das BfArM an der Widerrufsentscheidung nicht festhielt, sondern stattdessen mit Bescheid vom 12. Mai 2005 ein befristetes Ruhen der betroffenen Zulassungen anordnete.
7Nachdem zwischen den beteiligten Unternehmen, ihren Verbänden und dem BfArM über die Art des vorzulegenden wissenschaftlichen Erkenntnismaterials keine Einigung erzielt werden konnte, widerrief die Behörde mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 21. Dezember 2007 die Zulassungen Kava-Kava- und Kavain-haltiger Arzneimittel und homöopathischer Zubereitungen aus Kava-Kava-Zubereitungen. Es bestehe weiterhin der Widerrufsgrund des § 30 Abs. 1 i. V. m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG, da der begründete Verdacht schädlicher Wirkungen auch unter Berücksichtigung der von den betroffenen Unternehmen und ihren Verbänden vorgelegten Unterlagen fortbestehe. Das Ruhen der Zulassungen sei angeordnet worden, um den betroffenen Unternehmen Gelegenheit zu geben, Studienergebnisse vorzulegen, die die Wirksamkeit in dem beanspruchten Anwendungsgebiet in einem Maße belegten, dass die bekannten hepatotoxischen Risiken vertretbar seien. Die vorgelegten toxikologischen Untersuchungen lieferten keine hinreichende Grundlage für die Risikoabschätzung. Anhand der in-vitro-Studien könne zwar ein gewisser Toxizitätsvergleich der untersuchten Kava-Kava-Extrakte bzw. Kavalactone aufgestellt werden. Eine direkte Risikoabschätzung bzw. ein Unbedenklichkeitsnachweis für die Anwendung sämtlicher Arten von Kava-Kava-Extrakten am Menschen könne daraus aber nicht abgeleitet werden. Die in-vivo-Studien wiesen methodische Mängel auf und seien deswegen nicht bewertungsfähig. Zudem beschränke sich die Aussagekraft der Studie von DiSilvestro et al. auf einen bestimmten Kava-Kava-Extrakt und könne deswegen nicht zur Risikoabschätzung von Kava-Kava-Arzneimitteln allgemein herangezogen werden. In der Studie von L. Sorrentino et al. seien nicht genügend Parameter zum Ausschluss der Lebertoxizität erhoben worden. Zudem fehlten Daten zur Pharmakokinetik bzw. Toxikokinetik der potentiell toxischen Inhaltsstoffe. Es sei weiterhin unklar, ob die Ratte die geeignete Tierspezies sei, um vergleichbare hepatotoxische Effekte auszulösen, wie sie aufgetreten seien. Die nachgereichten Publikationen lieferten keine Erkenntnisse, die eine Hepatotoxizität der von dem Stufenplan betroffenen deutschen Kava-Kava-haltigen Arzneimittel ausschlössen oder relativierten. Deren Fehlen in den vorliegenden Untersuchungen stehe im Widerspruch zu den klinischen Befunden. Mangels weiterer Untersuchungen, die die pharmazeutischen Unternehmen zwar angekündigt, aber nicht durchgeführt hätten, seien nach wie vor weder die Mechanismen der klinisch aufgetretenen hepatotoxischen Effekte noch das klinisch relevante Toxin bekannt.
8Der Bescheid enthält eine Zusammenfassung der vorliegenden Erkenntnisse zum Risiko der Einnahme Kava-Kava-haltiger Präparate und verweist insoweit auf einen Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 2007, der eine Bewertung von 93 Fallberichten zu Leberschädigungen enthalte. Diese seien in sieben Fällen tödlich verlaufen und in 14 Fällen sei eine Lebertransplantation erforderlich geworden. Außerdem wird in dem Bescheid auf den Bericht der britischen Gesundheitsbehörde Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency (MHRA) vom 27. Juni 2006 verwiesen, in dem - nach Ländern gegliedert - die bei der MHRA eingegangenen Meldungen zu 110 Nebenwirkungsverdachtsfällen weltweit - darunter die überwiegende Anzahl aus Deutschland - aufgeführt sind.
9Den hiernach bestehenden Risiken stehe der Umstand gegenüber, dass neuere Untersuchungen zum Beleg der Wirksamkeit Kava-Kava- sowie Kavalacton-haltiger Arzneimittel nicht vorgelegt worden seien. Bei Arzneimitteln, für die es ‑ jedenfalls bei der vorgeschlagenen Dosierung - keine ausreichenden Wirksamkeitsbelege gebe, sei ein nicht zu eliminierendes Risiko nicht hinnehmbar, wenn es um schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) gehe. Risikominimierende Maßnahmen wie die Unterstellung unter die Verschreibungspflicht, die Begrenzung der Dosierung und Leberfunktionstests rechtfertigten keine abweichende Bewertung, zumal bei der Behandlung von Angststörungen mit Benzodiazepinen, Buspiron und einigen Serotoninwiederaufnahmehemmern wie Paroxetin und Citalopram therapeutische Alternativen zur Verfügung stünden. Deren Wirksamkeit in der Behandlung von unterschiedlichen Formen von Angststörungen sei im Gegensatz zu Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln in mehreren klinischen Studien gut untersucht und belegt worden. Das bei Benzodiazepinen bestehende Abhängigkeitsrisiko rechtfertige es nicht, das mit Kava-Kava-Produkten verbundene Risiko hinzunehmen.
10In einer zusammenfassenden Bewertung führte das BfArM aus, dass bei monographiekonformer Dosierung bis 120 mg als Tagesdosis Kava-Pyrone das Risiko von Leberschädigungen zwar geringer, aber immer noch deutlich vorhanden sei. Bei Dosierungen oberhalb von 120 mg Kava-Pyrone bestehe zwar ein gewisser Anhalt für die Wirksamkeit; das Risiko für Leberschäden sei dann aber zu groß.
11Die Klägerin erhob gegen den Bescheid Widerspruch. In einer Stellungnahme des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller e.V. (BAH) zum Widerruf der Zulassungen, die sich die Klägerin zu eigen machte, führte der Verband aus, die Annahme schädlicher Wirkungen Kava-Kava- und Kavain-haltiger Arzneimittel sei unzutreffend. Das BfArM habe die neu vorgelegten toxikologischen Untersuchungen nicht bewertet bzw. keinen nachvollziehbaren Bewertungskriterien unterworfen. Die Kommission E habe in ihrer Sitzung vom 27. Februar 2002 unter dem Vorbehalt bestimmter Sicherheitsmaßnahmen ein klares Votum zur weiteren Verkehrsfähigkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel abgegeben. Auch berücksichtige der Bescheid nicht, dass § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG in seiner seit dem 6. September 2005 geltenden Fassung keinen „begründeten Verdacht schäd-licher Wirkungen“, sondern ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis voraus-setze. Kava-Kava erfülle die Voraussetzungen eines „well-established use“. Es werde seit Jahrzehnten in der Europäischen Union medizinisch verwendet. Wirkungen und Nebenwirkungen seien bekannt. Neue klinische Studien könnten folglich nicht verlangt werden. Zudem könne eine klinische Studie keine Erkennt-nisse über seltene Nebenwirkungen liefern. Anlass zu Kritik an den eingereichten toxikologischen Studien bestehe nicht. Andere therapeutische Ansätze wie z.B. Benzodiazepine stellten aufgrund ihrer Risiken keine therapeutische Alternative dar. Andere Arzneistoffe wiesen das gleiche oder sogar ein höheres Risiko für Leberschädigungen und zudem weitere schwerwiegendere unerwünschte Effekte als Kava-Kava auf, insbesondere sei ein Anstieg der Suizidrate bekannt. Die Ergebnisse des Berichts der MHRA seien wegen der gänzlich anderen Indikation in Großbritannien (Blasenerkrankungen) nicht übertragbar. Die Bewertung der vorliegenden Fallmeldungen sei nicht sachgerecht. Ihre Inzidenzrate werde vom BfArM nach wie vor nicht berücksichtigt.
12In der Folgezeit führten Gespräche und Schriftwechsel zwischen den pharmazeutischen Unternehmen und dem BfArM zu keinem Ergebnis. Der Widerspruch der Klägerin blieb zunächst unbeschieden.
13Unter dem 7. April 2011 richtete die Klägerin Änderungsanzeigen für alle streitgegenständlichen Präparate an das BfArM, deren Inhalt jeweils die Erhöhung der Tagesdosierung entsprechend 120 mg bis 240 mg Kava-Pyrone bzw. bezogen auf das Präparat Kava N. Kapseln entsprechend 150 bis 200 mg Kava-Pyrone ist.
14In den für das Präparat Kava N. Kapseln beigefügten Fachinformationen, Stand April 2011, ist eine Dosierung von drei- bis viermal täglich eine Kapsel (a 50 mg) vorgesehen. Als Dosierung für die übrigen Präparate wird darin ein- bis zweimal täglich eine Tablette genannt. Unter den Gegenanzeigen sind bei allen Präparaten u.a. eine vorbestehende Leberschädigung und erheblicher Alkoholkonsum aufgeführt. Unter der Rubrik Nebenwirkungen enthalten sie den Hinweis auf sehr selten auftretende Leberschäden unterschiedlicher Schweregrade (Transaminasenanstieg, Ikterus, Hepatitis). In einigen Fällen sei es nach der Einnahme der empfohlenen oder der zwei- bis dreifachen Dosierung bei Kava-Kava-Zubereitungen bereits nach acht Wochen zu einem irreversiblen Leberversagen gekommen. Deswegen seien insbesondere bei einer länger als einen Monat dauernden Therapie regelmäßig Laborkontrollen der Leberfunktion durchzuführen. Als Wechselwirkung sei eine Wirkverstärkung von zentral wirksamen Substanzen wie Alkohol, Psychopharmaka und Muskelrelaxanzien möglich. Eine Verstärkung hepatotoxischer Wirkungen anderer Arzneimittel durch die zeitnahe Einnahme von Kava-Kava-Zubereitungen könne nicht ausgeschlossen werden. Die entsprechenden Gebrauchsinformationen enthalten den Hinweis auf die Symptome einer fortgeschrittenen Leberschädigung, bei deren Auftreten das Präparat abzusetzen und sofort ein Arzt aufzusuchen sei. Außerdem wird darin darauf hingewiesen, dass der Genuss alkoholhaltiger Getränke während der Behandlung mit den jeweiligen Präparaten vermieden werden sollte. Hinsichtlich der Anwendungsdauer ist keine zeitliche Begrenzung vorgegeben. Für alle Präparate sind Packungsgrößen von 30/60/100 Tabletten bzw. bei Kava N. Kapseln vorgesehen.
15Das BfArM hat den Änderungsanzeigen in der Folgezeit nicht widersprochen.
16Die Klägerin hat am 20. Dezember 2011 die vorliegende Klage als Untätigkeitsklage erhoben und zugleich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung deren aufschiebender Wirkung beantragt (VG Köln 7 L 1918/11). Diesen Antrag hat sie am 24. Mai 2012 zurückgenommen.
17Zur Begründung der Klage hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Der Widerruf der Zulassungen sei rechtswidrig. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis für Kava-Kava-haltige Arzneimittel, die auf einem ethanolischen Extrakt des Kava-Kava-Wurzelstocks basierten, sei nicht ungünstig. Die Wirksamkeit des Arzneimittels sei bei einer Dosierung von 240 mg Kava-Pyrone, berechnet nach der Hochleistungsflüssigkeitschromatographie-Methode - engl. high performance liquid chromato-graphy - (HPLC-Methode) auf sechs Kava-Pyrone, belegt. Die von der Kommis-sion E angegebenen 120 mg Kava-Pyrone seien mittels Dünnschichtchromato-graphie (DC) beschränkt auf drei Kava-Pryrone berechnet worden. Deswegen entsprächen 120 mg Kava-Pyrone berechnet nach der DC-Methode 240 mg Kava-Pyrone berechnet nach der HPLC-Methode. Überdies sei Ende der 80er Jahre eine exakte quantitative Bestimmung aller maßgeblichen sechs Kava-lactone auch mit Hilfe der HPLC-Methode nicht möglich gewesen. Demzufolge entsprächen die in der Monographie ermittelten 120 mg nicht dem Gesamtgehalt an Kavalactonen. Vielmehr sei der Kavalactongehalt der Kava-Produkte, die in der Monographie Berücksichtigung gefunden hätten, nach heutigen Standards wesentlich höher anzusetzen.
18Der Einwand des BfArM, die Mittel seien nicht wirksam, beruhe darauf, dass die betroffenen Unternehmen auf entsprechende Forderung des BfArM die Dosierung halbiert hätten, um sich numerisch an die Monographie anzupassen. Das sei inzwischen mit Blick auf die unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen durch die mit der Änderungsanzeige erfolgte Anhebung auf die alte Menge von 240 mg Kava-Pyrone korrigiert worden. Bei der Bewertung der Wirksamkeit müsse deswegen nach aktuellem Stand der Zulassung für alle betroffenen Arzneimittel eine Dosierung von 240 mg Kava-Pyrone zugrunde gelegt werden.
19Die vorliegenden Fälle unerwünschter Ereignisse in Zusammenhang mit Kava-Kava seien vom BfArM unrichtig und teilweise anders als von anderen Institutionen bewertet worden. Auf der Grundlage der Auswertung durch Teschke et al. aus dem Jahr 2008 ergäben sich lediglich drei Fälle, in denen überhaupt von einer Auslösung durch Kava-Kava auszugehen sei. In zwei dieser Fälle habe es sich um acetonische Extrakte gehandelt. Der verbleibende Fall stehe im Zusammenhang mit einer Allergie. Die Häufung von UAW-Meldungen in den Jahren 2001 und 2002 sei zudem durch die aktive negative Informationspolitik des BfArM zu erklären. Im Gegensatz zum BfArM habe die schweizerische Behörde nicht auf Vorlage präklinischer Studien bestanden, sondern nur eine Anwendungsbeobachtung gefordert, die jedoch wegen des deutschen Kava-Kava-Verbots abgebrochen worden sei. In den USA würden Kava-Kava-Produkte nach wie vor als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebracht.
20Die Risiken in Betracht zu ziehender Alternativpräparate - insbesondere Benzodiazepine und Antidepressiva - seien ungleich höher als die der betroffenen Kava-Kava-Produkte. Das angestrebte Ziel der Verminderung von Therapierisiken könne mit dem Widerruf nicht erreicht werden. Anstelle des geringeren Risikos von Kava-Kava-Produkten lasse das BfArM zu, Arzneimittel einzusetzen, deren Anwendung für die Patienten mit weit größeren Risiken verbunden sei. Noch bis zum Jahr 2001 habe das BfArM Neuzulassungen für Kava-Kava-haltige Arzneimittel erteilt.
21Mit Bescheid vom 15. Februar 2012 hat das BfArM den Widerspruch der Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung seiner vorherigen Ausführungen zum Risiko der Anwendung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel als unbegründet zurückgewiesen. In Deutschland seien 48 Fälle lebertoxischer Reaktionen registriert worden, von denen 26 ausreichend gut dokumentiert seien. In sieben Fällen habe eine Lebertransplantation vorgenommen werden müssen. Zwei dieser Patienten und eine Patientin ohne Lebertransplantation seien verstorben. In zwei Fällen sei die lebertoxische Reaktion nach Absetzen des Kava-Kava-Produkts zurückgegangen und bei Reexposition erneut aufgetreten. In dreizehn Fällen sei aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs, des Fehlens lebertoxischer Faktoren und einer entsprechenden Komedikation ein Kausalzusammenhang wahrscheinlich. In einzelnen dieser Fälle sei eine synergistische Beteiligung eines anderen Arzneimittels (z.B. eines Estrogens) als möglich anzusehen, ohne dass dies die Annahme gerechtfertigt hätte, dass das Kava-Kava-Arzneimittel nicht an der hepato-toxischen Reaktion beteiligt gewesen wäre. In weiteren fünf spontan gemeldeten Fällen sei ein Kausalzusammenhang „möglich bis wahrscheinlich“ und in den restlichen Fällen „möglich“. Aus den dargestellten Fällen gehe hervor, dass Kava-Kava eindeutig das Potential zu schwerer Lebertoxizität habe. Der Effekt weise ein durchaus charakteristisches Muster auf mit einem zeitlichen Gipfel bei drei bis vier Monaten nach Medikationsbeginn und einer wahrscheinlich höheren Toxizität bei höheren Dosen.
22Zur toxikologischen Bewertung von Kava-Kava-Extrakten fehlten weiterhin nach heutigen Standards durchgeführte Tierstudien. Die Wirksamkeit der ethano-lischen Kava-Kava-Auszüge als Anxiolytikum sei unverändert als nicht belegt anzusehen. Ein Vergleich des Nutzen-Risiko-Profils mit therapeutischen Alter-nativen setze diesen Wirksamkeitsnachweis aber voraus.
23Mit Auflagenbeschluss vom 30. Oktober 2012 hat das Verwaltungsgericht der Beklagten aufgegeben, eine Zusammenstellung nebst Wirksamkeitsbelegen und Nebenwirkungsprofil von Benzodiazepin-haltigen, in Deutschland verkehrsfähigen Arzneimitteln vorzulegen, deren Anwendungsgebiet ganz oder teilweise der Indikation „Nervöse Angst-, Spannungs- und Unruhezustände“ entspricht. Zugleich hat es der Klägerin aufgegeben, darzulegen, ob und unter welchen Voraussetzungen toxikologische Untersuchungen in vivo mit dem Wirkstoff ihres Arzneimittels an einer weiteren Tierart, die nicht Nagetier ist, durchgeführt werden können.
24Die Beklagte ist diesen Auflagen nachgekommen und hat hierzu erwidert, es sei reine Spekulation und durch nichts belegt, dass Patienten nach dem Verbot von Kava-Kava auf Benzodiazepine übergegangen seien. Deren Verwendung sei durch die Hinweise an die Ärzte zum bestimmungsgemäßen Gebrauch von Benzodiazepin-haltigen Präparaten limitiert. Auch weise die Fachinformation auf den überwiegenden Einsatz dieser Arzneistoffe bei schweren Angstzuständen, Schlafstörungen sowie zur Behandlung von Muskelverspannungen und Epilepsien sowie die zeitliche Begrenzung einer Behandlung hin. Zur symptomatischen Behandlung von Angstzuständen (Leitsymptomatik: Angst, innere Unruhe, Spannungszustände) stehe der Wirkstoff Buspiron zur Verfügung, ein Serotonin ohne erhöhtes Abhängigkeitspotential, aber mit verzögertem Wirkungseintritt. Daneben hat das BfArM auf unterschiedliche Psychopharmaka, ferner auf andere pflanzliche Präparate wie Baldrian, Hopfen, Melisse, Passionsblume oder Johanniskraut verwiesen. Die von Klägerseite vertretene Annahme unterschiedlicher Risiken verschiedener Kava-Kava-Kultivare sei spekulativ, da sich die Nebenwirkungsmeldungen gleichmäßig auf die verschiedenen Kultivare und Extrakte verteilten. In einem Fall sei es sogar zu einer „positiven Rechallenge“ - einem Wiederauftreten der Nebenwirkung nach erneuter Gabe - gekommen, was eine gesicherte Kausalität begründe. Zudem habe sich in mehreren vom National Toxicology Program (NTP) der USA mit einem handelsüblichen Kava-Kava-Extrakt durchgeführten Studien ergeben, dass die Leber Hauptzielorgan toxischer und kanzerogener Effekte sei.
25Die Klägerin hat sich in ihrer Gegenäußerung zum Auflagenbeschluss gegen das Erfordernis weiterer tierexperimenteller Toxizitätsstudien gewandt und dazu ausgeführt: Das bisherige Datenmaterial habe ein hepatotoxisches Potential von Kava-Kava nicht belegen können. Nebenwirkungen seien insoweit in der Vergangenheit in erster Linie bei acetonischen Kava-Kava-Extrakten und minderwertigen Sorten aufgetreten. Unter Zugrundelegung des zutreffenden Bewertungsschemas
26wären zahlreiche Meldungen nicht auf Kava-Kava zurückzuführen. Der einzelne Fall einer Rechallenge hätte in diesem Licht unter dem Gesichtspunkt einer Allergie bewertet werden müssen. Zur Gewinnung weiterer Erkenntnisse über das Risiko am Menschen sei eine Beobachtung von Patienten im Rahmen der laufenden Behandlung geeignet (sog. Post Authorisation Safety Study, „PASS“). Entsprechendes sei vom BfArM auch im Fall von Pelargonium („V. “) akzeptiert worden. Die bestehende toxikologische Datenlage reiche aus. Es lägen allein in Deutschland Erfahrungswerte über einen Zeitraum von 100 Jahren vor. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang u.a. auf eine Reihe - teils neuerer - Studien, die ein hepatotoxisches Risiko des ethanolischen Extrakts, insbesondere bei einer Anwendungsdauer von bis zu vier Wochen, nicht hätten belegen können. In den USA sei Kava-Kava nach wie vor unbeanstandet als Nahrungsergänzungsmittel verkehrsfähig. Kanzerogene Effekte seien bei Mäusen festgestellt worden; dieses Spezies-spezifische Phänomen trete in dieser Form auch bei Benzodiazepinen auf und erfordere eine Langzeitgabe sehr hoher Dosen. Zudem hätten andere Studien gezeigt, dass Kava-Kava nicht mutagen sei. Die Beklagte lasse - der Zulassungspraxis des BfArM widersprechend - bei der Auswertung der Nebenwirkungsmeldungen konsequent die erforderliche Differenzierung der Arzneimittel nach Art der Droge und Extraktionsmittel vermissen.
27Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten seien Benzodiazepine bei der Nutzen-Risiko-Abwägung von Kava-Kava durchaus in den Blick zu nehmen. Die Beklagte selbst benenne Benzodiazepine als risikoärmere Alternative zu Kava-Kava. Angesichts des teilweise identischen Anwendungsgebiets von Kava-Kava und mit Blick auf die Verschreibungszahlen 1998 und 1999 lasse sich feststellen, dass bei etwa jeder 10. Verordnung die Wahl auf Kava-Kava als risikoärmere Alternative zu Benzodiazepinen gefallen sei. Das von der Beklagten aufgrund des Auflagenbeschlusses vorgelegte Material belege ein erhebliches Nebenwirkungspotential von Benzodiazepinen, die in ihrer Schwere einer Hepatotoxizität entsprächen oder über diese hinausgingen, wie etwa die Gefahr einer missbräuchlichen Überdosierung und Selbsttötungen unter Zuhilfenahme von Benzodiazepinen. Auch das von der Beklagten angeführte Buspiron weise ein größeres Abhängigkeitspotential als Kava-Kava auf und sei nebenwirkungsbehaftet. Vergleichbares gelte für Antidepressiva, auch in Bezug auf Leberschädigungen. Johanniskraut zeige Wechselwirkungen zu anderen Arzneimitteln, führe zu Lichtempfindlichkeit und müsse über einen längeren Zeitraum eingenommen werden, um überhaupt eine Wirkung zu zeitigen.
28Auch bestehe eine Asymmetrie in der Risikobewertung des BfArM bei Phyto-pharmaka. Es stelle sich die Frage, warum bei einem freiverkäuflichen Arznei-mittel wie „V. “ mit dem Wirkstoff aus der Pelargoniumwurzel, das ebenfalls im Verdacht stehe, Leberschädigungen hervorzurufen, dieses Risiko in Kauf genommen werde, bei Kava-Kava jedoch trotz von den Unternehmen angebotener Transaminasen-Kontrollen, der Verschreibungspflicht und des hochwertigen Anwendungsgebiets die Zulassungen widerrufen würden.
29Die Klägerin hat beantragt,
30den Bescheid des BfArM vom 21. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2012 aufzuheben.
31Die Beklagte hat beantragt,
32die Klage abzuweisen.
33Sie hat ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft und ergänzend Folgendes ausgeführt: Die von der britischen Gesundheitsbehörde in ihrem Bericht aus dem Jahr 2006 aufgeführten 110 Nebenwirkungsverdachtsfälle beschränkten sich nicht auf acetonische Extrakte, sondern hätten in der Mehrzahl der Fälle ethanolische Extrakte betroffen.
34Die seitens der Unternehmen vorgelegten toxikologischen Untersuchungen seien nicht geeignet, die Risikofreiheit des Wirkstoffs zu belegen. Insbesondere geeignete Tierstudien stünden aus. Eine Kurzzeitanwendung von nur vier Wochen sei angesichts des Krankheitsbildes auch wenig realistisch. Die einschlägigen Guidelines forderten eine Studiendauer bei Nicht-Nagern von neun Monaten.
35Auch die Wirksamkeit sei nicht hinreichend belegt. Insbesondere sei die Darstellung, die Monographie der Kommission E beruhe auf einer DC-Messung, nicht belegt. Aus den Unterlagen zur Monographieerstellung der Kommission E gehe hervor, dass die Bestimmung auch zum damaligen Zeitpunkt schon mit der HPLC-Methode erfolgt sei. Die zwischenzeitliche Erhöhung der Tagesdosis über den monographiekonformen Wert von 60 bis 120 mg Kava-Pyrone hinaus sei nicht geeignet, das negative Nutzen-Risiko-Verhältnis zu ändern.
36Der Klägerin sei zwar darin zuzustimmen, dass in der Phytotherapie der arzneilich wirksame Bestandteil durch das Extraktionsmittel und das Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV) eindeutig gekennzeichnet sei und eine Änderung des Extraktionsmittels bzw. des DEV auch zu einem anderen Wirkstoff führe. Nur die Berücksichtigung ethanolischer Extrakte reduziere aber auch das zugunsten der Klägerin vorgelegte Studienmaterial immens, da dann alle Ergebnisse zu wässrigen, acetonischen oder CO2-Extrakten nicht berücksichtigungsfähig seien.
37Die Beklagte sieht sich durch die NTP-Studie in ihrer Risikobewertung bestätigt. Dass die US-amerikanische Behörde hieraus keinen Handlungsbedarf abgeleitet habe, sei ohne Belang. Die von der Klägerin herangezogenen neueren Studien seien nicht hinreichend aussagekräftig.
38Die Möglichkeit der Anordnung von Post Authorization Safety Studies sei erst durch das 2. AMG-Änderungsgesetz vom 19. Oktober 2012 geschaffen worden.
39Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des BfArM vom 21. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2012 durch Urteil vom 20. Mai 2014 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Nutzen-Risiko-Verhältnis Kava-Kava-haltiger Arzneimittel der hier streitgegenständlichen Art erweise sich nicht als ungünstig. Wenngleich die Monographie „Piperis methystici rhizoma" der Kommission E vom 1. Juni 1990, aus der die Klägerin die Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel im Wesentlichen herleite, nicht auf einer aktuellen Erfordernissen genügenden klinischen Erprobung des Wirkstoffs beruhe, sei sie in der Folgezeit Grundlage für eine Vielzahl von Zulassungen und Nachzulassungen Kava-Kava-haltiger Präparaten gewesen, ohne dass insoweit eine sachliche Unterscheidung zwischen ethanolischen und anderen Auszügen erfolgt sei. Diese Wirksamkeitsaussage habe das BfArM im gerichtlichen Verfahren nicht substantiiert angegriffen. Auch habe sich die Kommission E noch im Jahre 2002 in Kenntnis der bekannten Risikoaspekte für die Verkehrsfähigkeit der Produkte unter dem Vorbehalt bestimmter Sicherheitsmaßnahmen ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund könne den vom Widerruf betroffenen Arzneimitteln ungeachtet ihrer Dosierung nicht jede Wirksamkeit von vornherein abgesprochen werden. Wegen des abweichenden Prüfungsmaßstabs des § 30 Abs. 1 AMG komme es auf die Frage, ob die Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel in einer den Anforderungen des § 22 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 3 AMG genügenden Weise begründbar sei, nicht an.
40Dem durch die Zulassungsbescheide belegten Nutzen der Präparate in den Anwendungsgebieten „nervöse Angst, Spannungs- und Unruhezustände" stünden Anwendungsrisiken in Gestalt hepatotoxischer Ereignisse gegenüber. Die in dem Bericht der WHO dokumentierten Fälle lebertoxischer Reaktionen seien im Rahmen einer quantitativen Gewichtung angesichts der weiten Verbreitung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel als „selten" oder „sehr selten" auftretende Nebenwirkungen auszuweisen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin nachvollziehbar dargelegt habe, dass in die Berichte der WHO und der MHRA auch Meldungen aus Deutschland eingeflossen seien und deswegen eine doppelte Berücksichtigung ein und desselben Ereignisses nahe liege. Inhaltlich sei das zu den hepatotoxischen Nebenwirkungen vorliegende Zahlenmaterial nicht konsistent. Das aus Großbritannien ausgewertete Zahlenmaterial beziehe sich auf die Anwendung von Kava-Kava in einem anderen Anwendungsgebiet, nämlich Blasenerkrankungen. Zudem erschwere die Multikausalität von Leberschädigungen die Zuordnung zu einer bestimmten Medikamentengabe. Die Klägerin habe nachvollziehbar dargelegt, dass es auch in sog. „Rechallenge-Fällen" einer Dokumentation der Komedikation bedürfe, um eine tragfähige Wahrscheinlichkeitsaussage treffen zu können. In der vorliegenden Gestalt lasse das Zahlenmaterial nur die Aussage einer möglichen Verknüpfung von Nebenwirkungen durch Kava-Kava-Gabe zu. Dies gelte auch für ethanolische Extrakte.
41Im Rahmen der Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses hat das Verwaltungsgericht zunächst darauf hingewiesen, dass das monographierte Anwendungsgebiet „nervöse Angst, Spannungs- und Unruhezustände" sich mit dem für Benzodiazepine zugelassenen Anwendungsgebiet überschneide. Obwohl es sich bei Letzteren um zugelassene und verschreibungspflichtige Arzneimittel handele, gingen von diesen Wirkstoffen erhebliche Gefahren aus. Es bestehe schon bei therapeutischen Dosierungen ein sehr hohes Abhängigkeitspotential. Benzodiazepine würden weltweit als Medikamente mit der höchsten Missbrauchsrate gelten. Seit 2002 habe es für Benzodiazepine insgesamt 4.478 UAW-Meldungen gegeben, die sich über eine Vielzahl von unerwünschten Nebenwirkungen erstreckten und - soweit schwer - bei Suizidversuchen und Suchtmissbrauch deutliche Spitzen aufwiesen, vereinzelt aber auch Leberschädigungen zeigten. Vor diesem Hintergrund könne nicht von einer risikoärmeren Alternative zu Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln ausgegangen werden. Das gelte in abgeschwächter Form auch für das vom BfArM angeführte Buspiron und die erwähnten Antidepressiva. Zudem seien im Rahmen einer am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Übermaßverbot orientierten Nutzen-Risiko-Abwägung andere regulatorische Maßnahmen zur Risikominimierung zu berücksichtigen, die eine weitere Verkehrsfähigkeit der Produkte ohne unvertretbare Gefahren für die öffentliche Gesundheit gewährleisteten. Hierzu zählten die Verschreibungspflicht, Gegenanzeigen, Anwendungsbeschränkungen, eine ausdrückliche Beschränkung der Anwendungsdauer sowie eine begleitende regelmäßige Erhebung der Leberwerte. Hinzu trete die nunmehr gemäß § 28 Abs. 3b Satz 1 Nr. 2 AMG auch nach Erteilung der Zulassung bestehende Möglichkeit der Bundesoberbehörde, im Wege der Auflage anzuordnen, Unbedenklichkeitsprüfungen durchzuführen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich sei. Angesichts des Umstandes, dass bislang die Anhaltspunkte für ein hepatotoxisches Risiko der streitbefangenen Produkte nicht mit der genügenden Sicherheit hätten verifiziert werden können, wäre eine solche nachgelagerte Erprobung bei fortbestehender Marktfähigkeit unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten naheliegend und das gegenüber dem Widerruf mildere Mittel.
42Die Beklagte hat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht: Die Möglichkeit, eine Unbedenklichkeitsstudie anzuordnen, bestehe nicht. Das materielle Recht, insbesondere § 28 Abs. 3b Satz 1 Nr. 2 AMG, eröffne nicht die Möglichkeit, nach Zulassung eine Unbedenklichkeitsstudie anzuordnen. Es bestehe kein Ansatz dafür, dass die Vorschrift auf vor ihrem Inkrafttreten eingeleitete (und abgeschlossene) Risikoverfahren Anwendung finde. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend festgestellt, dass die aktuelle Bewertung der Wirksamkeit des Arzneimittels ein maßgeblicher Abwägungsbelang bei der Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses sei. Die Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel sei bereits bei Erstellung der Monographie der Kommission E fraglich gewesen. Wegen der geringen Bedeutung von Kava-Kava sei zunächst eine Negativmonographie erstellt worden. Die von der Kommission E in Bezug auf die Wirksamkeit angenommene Plausibilität würde und könnte unter den heutigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu einer traditionellen Registrierung gemäß § 39c AMG führen, womit allerdings eine sehr viel kritischere Nutzen-Risiko-Bewertung einhergehe. Schon zum Zeitpunkt der Stufenplanentscheidung hätten dem BfArM keine Studien vorgelegen, die eine Wirksamkeit ausreichend belegt hätten. Das Herbal Medicinal Product Commitee (HMPC) habe in einer öffentlichen Stellungnahme „Piperis methystici rhizoma“ als einen der Wirkstoffe benannt, für die die Erstellung einer Positivmonographie nicht erfolgversprechend erscheine. Das angegriffene Urteil überspanne die Anforderungen an den Verdachtsgrad schädlicher Nebenwirkungen. Wenn - wie vorliegend - eine größere Anzahl von Verdachtsfällen zusammenkomme, ergebe sich der begründete Verdacht des Auftretens unvertretbarer schädlicher Wirkungen mit zumindest möglicher Kausalität. Da es sich hier um sehr schwerwiegende Nebenwirkungen mit ernsten Konsequenzen gehandelt habe, seien zum Schutz der Patienten einschneidende Maßnahmen gerechtfertigt gewesen. Die vom Gericht beanstandete fehlende Häufigkeit der Nebenwirkungen sei aus den Daten der Spontanerfassung bekanntermaßen nicht verlässlich ableitbar. Insoweit sei insbesondere die hohe Dunkelziffer zu berücksichtigen. Quantitative Aussagen zur Häufigkeit von Nebenwirkungen seien nur durch Studien mit systematischer Datenerfassung und ausreichender Anzahl eingeschlossener Patienten zu treffen. Entscheidend sei das Vorliegen einer Reihe von Fällen schwerwiegender Nebenwirkungen, bei denen ein kausaler Zusammenhang mit der Anwendung von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln zumindest möglich erscheine. Dieser sei nach den dem BfArM vorliegenden - im Folgenden nochmals zusammengefassten - Erkenntnissen gegeben. Daraus gehe hervor, dass Kava-Kava eindeutig das Potential zu schwerer Lebertoxizität habe, wobei auch idiosynkratische Leberschädigungen eine denkbare Erklärungsmöglichkeit seien. Die Darstellung der Klägerin zu Inzidenzraten bleibe unklar. An der Arbeit von Teschke et al. sei auffällig, dass der Kausalzusammenhang in 13 Fällen wegen anderer nicht medikamentöser Ursachen verneint worden sei und dies in drei beispielhaft aufgeführten Fällen nicht mit den differenzialdiagnostischen Feststellungen der Ärzte, von denen diese Fallberichte stammten, in Einklang stehe. In der bisherigen Diskussion zu Noble-Kava und den zu erwartenden Qualitätsunterschieden habe die Klägerin bislang nicht belegt, welche Kava-Qualität sie in den 80er/90er Jahren verwendet habe. Es sei auch nicht dargelegt, ob die klinischen Studien, die der damaligen Zulassung zugrunde lagen, ausschließlich mit Noble-Kava durchgeführt worden seien.
43Auch wenn der für die NTP-Studie verwendete Extrakt mit überkritischem Kohlendioxyd nicht mit den ethanolischen Extrakten vergleichbar sei - was sich angesichts der 96%igen Ethanolkonzentration jedoch diskutieren ließe -, seien die dort gewonnenen Schlussfolgerungen als Hintergrundinformation bei der Bewertung mit einzubeziehen. Mit Bezug auf den Mechanismus der Hepatotoxizität seien zudem die Ergebnisse weiterer im Einzelnen aufgeführter Publikationen aus den Jahren 2011 und 2012 zu berücksichtigen.
44Die Nutzen-Risiko-Abwägung des Verwaltungsgerichts verdiene Kritik. Die dort angeführte Überschneidung der Anwendungsgebiete von Benzodiazepin- und Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln wiege die Unterschiede beider Arzneimittel nicht auf. Vielmehr sei mit Blick auf etwaige Behandlungsalternativen insbesondere die interdisziplinäre S3-Leitlinie „Behandlung von Angststörungen" in den Blick zu nehmen. Benzodiazepine zählten danach weder zu den Arzneimitteln der ersten noch der zweiten Wahl für die Angstbehandlung. Dazu zählten demgegenüber selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, Pregabalin, Buspiron, Opipramol, Hydroxyzin und damit Arzneimittel mit einem guten Nutzen-Risiko-Verhältnis. Abgesehen davon handele es sich bei der mit einer Behandlung mit Benzodiazepinen vielfach auftretenden Abhängigkeit um eine Niedrigdosisabhängigkeit, die keine Abhängigkeit im eigentlichen Sinne sei. Das Verwaltungsgericht setze sich auch in Widerspruch zu den von ihm selbst aufgestellten Kriterien, wenn es die missbräuchliche Verwendung von Benzodiazepinen in die Abwägung einfließen lasse. Darüber hinaus stünden auch aus dem Bereich der pflanzlichen Arzneimittel Behandlungsalternativen, etwa Baldrianwurzelzubereitungen oder Lavendelöl, zur Verfügung. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass dem Widerruf die Anordnung des Ruhens als milderes Mittel vorausgegangen sei. Die Widerrufsentscheidung habe darauf beruht, dass die Zulassungsinhaber nicht bereit gewesen seien, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen bzw. weiteres wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorzulegen. Auch wenn man die geänderte Rechtslage zugrundelegte, wäre die Anordnung einer Unbedenklichkeitsstudie kein gleich geeignetes, erst recht kein milderes Mittel. Denn sie lasse nicht den Versagungsgrund des ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses entfallen, sondern diene allein dem Gewinn neuer Erkenntnisse und der Erforschung der Risiken. Folglich führe eine solche Studie nicht zu einer Risikominimierung und wirke sich deswegen nicht positiv auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis aus. Das Risikoverfahren zu pelargoniumwurzelhaltigen Arzneimitteln sei mit dem vorliegenden Verfahren nicht vergleichbar und müsse differenziert bewertet werden.
45Die Beklagte beantragt,
46das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 20. Mai 2014 zu ändern und die Klage abzuweisen.
47Die Klägerin beantragt,
48die Berufung zurückzuweisen.
49Zur Begründung führt sie aus: Nach dem im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden materiellen Recht hätte die Beklagte die Durchführung einer PASS anordnen können. Zudem sei es eine stets geübte Praxis des BfArM gewesen, auf der Grundlage von § 30 AMG i. V. m. § 36 VwVfG entsprechende Anordnungen zu treffen. Die Ausführungen der Beklagten zur Nutzen-Risiko-Bewertung des Verwaltungsgerichts seien nicht überzeugend. Nach Erstellung der Monographie der Kommission E habe sich die Erkenntnislage eindeutig zu Gunsten von Kava-Kava verbessert. Das BfArM habe dies dadurch bestätigt, dass es gestützt auf diese Monographie und die nachfolgend publizierten klinischen Prüfungen sehr viele Zulassungen für Kava-Kava-haltige Arzneimittel erteilt habe und zwar mit einem Status nach § 22 Abs. 3 AMG. Die von der Beklagten zitierte öffentliche Stellungnahme des HMPC führe zu keiner anderen Bewertung der Wirksamkeit von Kava-Kava. Die darin enthaltenen Aussagen beträfen traditionelle pflanzliche Arzneimittel, die nicht verschreibungspflichtig seien, und könnten nicht auf die hier streitbefangenen verschreibungspflichtigen Arzneimittel erstreckt werden. In Bezug auf die in Rede stehenden Nebenwirkungen sei zwischen Kava-Kava-Präparaten aus Noble-Kava mit ethanolischem Extrakt und solchen aus Two-Day-Kava mit acetonischem Extrakt zu unterscheiden. Bei Ersteren ergebe sich aus den vorliegenden Erkenntnissen allenfalls ein schwacher Verdacht für Nebenwirkungen. Im Zusammenhang mit möglichen Behandlungsalternativen führe die Beklagte Arzneimittel an, die für andere Anwendungsgebiete zugelassen seien als Kava-Kava, und verharmlose überdies das bei einer Behandlung mit Benzodiazepinen bestehende Abhängigkeitsrisiko. Entsprechendes gelte mit Bezug auf die in der interdisziplinären S3-Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen aufgeführten Arzneimittel. Die von der Beklagten als Behandlungsalternative benannten pflanzlichen Arzneimittel deckten nicht die gleichen Erkrankungen ab. Entgegen der Auffassung der Beklagten bestehe bei Pelargoniumwurzelpräparaten und Kava-Kava-Präparaten in fachlich-medizinischer Hinsicht eine vergleichbare Situation. Insofern sei es bemerkenswert, dass das BfArM nur bei Ersteren, nicht hingegen bei Letzteren die Möglichkeit gesehen habe, eine PASS durchzuführen.
50Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
51Entscheidungsgründe:
52Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
53Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Der
54Widerrufsbescheid des BfArM vom 21. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Februar 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
55Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zulassung der Arzneimittel Kava N. Kapseln, B. 120 mg Tabletten, Kava-N1. Tabletten, T. Tabletten und X. Tabletten sind nicht erfüllt.
56Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheides ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz, hier also der Berufungsverhandlung, entscheidend. Der maßgebliche Zeitpunkt der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts richtet sich nach dem jeweiligen materiellen Recht. Für die Anfechtungsklage gilt im Allgemeinen, dass die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich ist, es sei denn, das materielle Recht regelt etwas Abweichendes.
57Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juli 1989 - 7 C 39.87 -, juris, Rn. 8, und vom 1. Juni 2011 - 8 C 4.10 -, juris, Rn. 19.
58Letzteres muss nicht zwingend in Gestalt einer ausdrücklichen fachgesetzlichen Regelung zum Ausdruck kommen, sondern kann sich auch aus dem Sinn und Zweck des jeweils einschlägigen Normgefüges ergeben.
59Vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage, 2014, § 113, Rn. 96.
60Dies ist hier der Fall. Einerseits erfordert der in § 1 AMG niedergelegte Gesetzeszweck der Arzneimittelsicherheit - wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend festgestellt hat - die Berücksichtigung von Änderungen der Sach- und Rechtslage nach der letzten behördlichen Entscheidung.
61Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. Januar 2014 - 13 A 2730/12 -, juris, Rn. 28 f.
62Andererseits gebietet dies die besondere Eingriffsintensität des Widerrufs in die Grundrechte der pharmazeutischen Unternehmer. Denn die Wiedererlangung der Zulassung ist nach deren bestandskräftigem Widerruf erheblich erschwert. Das folgt daraus, dass die Versagungsgründe des § 25 Abs. 2 AMG nicht deckungsgleich mit den Widerrufsgründen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AMG sind. Insbesondere ist der Widerruf der Zulassung nicht vorgesehen, wenn der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Nr. 2 AMG nachträglich eingetreten ist, also dann, wenn das Arzneimittel nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft worden ist oder das andere wissenschaftliche Erkenntnismaterial nach § 22 Abs. 3 AMG nicht dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entspricht. Angesichts dessen ist es unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten geboten, für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. Bestätigt wird dies durch den in § 30 Abs. 2a AMG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken einer gegenüber dem Widerruf vorrangigen Anpassung der Zulassung nach Maßgabe der jeweils geltenden Sach- und Rechtslage.
63Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Zulassung richtet sich deswegen nach § 30 Abs. 1, 2a AMG in der Fassung vom 19. Dezember 2012. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AMG ist die Arzneimittelzulassung zu widerrufen, wenn der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG nachträglich eingetreten ist, das heißt, wenn sich das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Präparats nachträglich als ungünstig erweist. Gemäß § 30 Abs. 2a Satz 1 1. Alt. AMG ist die Zulassung zu ändern, wenn dadurch der in Absatz 1 genannte betreffende Versagungsgrund entfällt. Ein Widerruf der Zulassung ist danach nur gerechtfertigt, wenn das Nutzen-Risiko-Verhältnis eines Arzneimittels ungünstig ist und dem durch eine Änderung der Zulassung nicht abgeholfen werden kann. Die Zulassungsänderung hat damit bei Vorliegen eines Versagungsgrundes Vorrang gegenüber dem Widerruf, mit der Folge, dass dieser rechtswidrig ist, wenn die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2a AMG erfüllt sind.
64Vgl. zu § 30 AMG a.F. Krüger, in: Kügel/Müller/ Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 30, Rn. 34.
65Das ist hier der Fall. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis der streitbefangenen Präparate ist derzeit ungünstig (I.). Dies rechtfertigt aber nicht den Widerruf der Zulassungen, weil dieser Versagungsgrund bereits durch deren Änderung ausgeräumt werden kann (II.).
66(I.) Das Nutzen-Risiko-Verhältnis umfasst nach § 4 Abs. 28 AMG eine Bewertung der positiven therapeutischen Wirkungen des Arzneimittels im Verhältnis zu dem Risiko nach Absatz 27 lit. a. Dies ist jedes Risiko im Zusammenhang mit der Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit des Arzneimittels für die Gesundheit der Patienten. Mit dem Begriff des Risikos wird ebenso wie bei der früheren Gesetzesfassung des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG jede Art von schädlichen Wirkungen erfasst, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Nach der bis zum 5. September 2005 geltenden Vorschrift durfte die Zulassung versagt werden, wenn bei dem Arzneimittel der begründete Verdacht bestand, dass es bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen (vgl. auch § 5 Abs. 2 AMG). Mit der Änderung des Wortlauts des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG, die der Angleichung an die Richtlinienvorgaben diente, ist keine inhaltliche Änderung verbunden. Beide Fassungen erstrecken sich auf jegliche Nebenwirkungen. Unter Nebenwirkungen sind die beim bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Arzneimittels auftretenden schädlichen unbeabsichtigten Reaktionen zu verstehen (§ 4 Abs. 13 AMG), also nicht nur pharmakologisch-toxikologische Wirkungen, sondern jedwede unerwünschte Folge. Der erforderliche Verdacht schädlicher Wirkungen liegt vor, wenn ernstzunehmende Erkenntnisse den Schluss nahelegen, dass das Arzneimittel unvertretbare Nebenwirkungen hat.
67Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 - 3 C 10.09 -, NVwZ-RR 2010, 330 = juris, Rn. 32 ff., sowie Beschluss vom 12. Juni 2012 - 3 B 88.11 ‑, juris, Rn. 3; OVG NRW, Urteile vom 7. November 2012 - 13 A 2710/08 -, juris, Rn. 39 ff. und vom 29. Januar 2014 - 13 A 2730/12 - , juris, Rn. 34; BT-Drs. 15/5316, S. 38.
68Dafür bedarf es keines positiven Nachweises der kausalen Beziehung zwischen der Einnahme des Arzneimittels und aufgetretenen Nebenwirkungen, weil dies dem Gebot der Arzneimittelsicherheit zuwiderlaufen würde.
69Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2007 - 3 C 36.06 ‑, Pharma Recht 2007, 423 = NVwZ-RR 2007, 774; OVG NRW, Beschluss vom 17. September 2009 - 13 A 1428/08 -, juris, Rn. 11; OVG Berlin, Urteil vom 16. September 1999 - 5 B 34.97 -, juris, Rn. 17; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Stand: 2012, § 25, Rn. 76, m. w. N.
70Insbesondere dann, wenn schwere Gesundheitsgefahren in Rede stehen, reicht es aus, wenn die entfernte Möglichkeit einer Risikoverwirklichung besteht.
71Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. September 2009 - 13 A 1428/08 -, juris, Rn. 13.
72Ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis folgt nicht bereits daraus, dass die bezweckte therapeutische Wirksamkeit eines Arzneimittels nicht (mehr) belegt ist. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, begründen Zweifel an der Wirksamkeit oder eine unzureichende Wirksamkeitsbegründung nicht automatisch die Annahme eines ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses und rechtfertigen daher für sich genommen nicht die Aufhebung der Zulassung, die nur auf die feststehende fehlende Wirksamkeit gestützt werden kann (vgl. § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG).
73Vgl. dazu Krüger, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 30, Rn. 15.
74Nach aktuellem Erkenntnisstand bestehende Zweifel an der Wirksamkeit eines Arzneimittels sind für die im Rahmen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG zu treffende Prognoseentscheidung gleichwohl von Bedeutung. Denn unter der Voraussetzung, dass die insoweit darlegungs- und materiell beweispflichtige Behörde sie konkret begründet hat, bilden sie einen Abwägungsbelang, der auf dritter Stufe bei der Abwägung des festgestellten Nutzens und der Risiken eines Arzneimittels zu berücksichtigen ist.
75Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. Januar 2014 - 13 A 2730/12 -, juris, Rn. 43.
76Hierbei sind Gesichtspunkte wie Indikation, Schwere des zu behandelnden Defekts, Behandlungsnotwendigkeit, Chancen eines Behandlungserfolges sowie eventuelle Behandlungsalternativen gegen solche wie Schweregrad und Häufigkeit der unerwünschten Nebenwirkung, die Rückbildungswahrscheinlichkeit (Reversibilität), mutmaßliche Gegenmaßnahmen und Suchtpotential im Sinne einer Vertretbarkeitsentscheidung gegeneinander abzuwägen.
77Vgl. zu den Abwägungskriterien: Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Stand 2012, § 25 Rn. 77; Kügel, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, § 25, Rn. 56.
78Voraussetzung für den Widerruf ist, dass die mit dem Verdacht schädlicher Wirkungen verbundenen Risiken gegenüber dem therapeutischen Nutzen des Arzneimittels überwiegen.
79Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2007 - 3 C 36.06 -, Pharma Recht 2007, 423 = NVwZ-RR 2007, 774.
80Die materielle Beweislast für das Vorliegen sämtlicher tatbestandlichen Voraussetzungen des den Widerruf der Zulassung auslösenden Versagungsgrundes trägt die Beklagte,
81vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 1993 - 3 C 46.91 -, juris, Rn. 31; Kügel, in: Kügel/Müller/ Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 25, Rn. 58,
82mit der Folge, dass insoweit verbleibende Zweifel zu ihren Lasten gehen und sie das Risiko der Unaufklärbarkeit des Sachverhalts trägt.
83Hiervon ausgehend gilt für die Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses der hier streitgegenständlichen Arzneimittel Folgendes:
84(1) Kernkriterium für die Bewertung des Nutzens eines Arzneimittels ist seine therapeutische Wirksamkeit. Diese ist für die Präparate B. 120 mg Tabletten, Kava-N1. Tabletten, T. Tabletten und X. Tabletten mit einer Tagesdosierung entsprechend 120 bis 240 mg Kava-Pyrone und für das Präparat Kava N. Kapseln mit einer Tagesdosierung von 150 bis 200 mg Kava-Pyrone zu bejahen. Mit dieser Dosierung sind B. 120 mg Tabletten, Kava-N1. Tabletten, T. Tabletten und X. Tabletten und gelten Kava N. Kapseln als zugelassen. Für die zuerst genannten Präparate folgt dies aus § 29 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1, Satz 3 AMG. Die Klägerin hat die Erhöhung der Dosierung dafür nebst entsprechender Änderung der Gebrauchs- und Fachinformationen durch Änderungsanzeigen vom 7. April 2011 angezeigt. Die Beklagte hat den Änderungsanzeigen nicht innerhalb der Dreimonatsfrist widersprochen, was zur Folge hat, dass die Zustimmung als erteilt gilt (§ 29 Abs. 2a Satz 3 AMG). Für das Präparat Kava N. Kapseln, für das bislang keine Nachzulassung erteilt wurde, hat die Klägerin ebenfalls eine Dosierungsänderung angezeigt, die mangels bestehender Genehmigungspflicht zu einer entsprechenden Modifizierung der fiktiven Zulassung geführt hat (vgl. § 105 Abs. 3a Satz 1 AMG). Unschädlich ist insoweit, dass die Änderungsanzeigen erst im laufenden Widerspruchsverfahren gestellt worden sind. Denn der sofortige Vollzug des Widerrufs berührt die Wirksamkeit der Zulassungen nicht.
85Die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Präparate wird weder durch das erstinstanzliche Vorbringen der Beklagten noch durch ihr Vorbringen im Berufungsverfahren durchgreifend in Zweifel gezogen.
86Mit ihrer Monographie „Piperis methystici rhizoma“ („Kava-Kava-Wurzelstock“) vom 1. Juni 1990 hat die Kommission E die anxiolytische, also angstlösende Wirkung des Wirkstoffs für die Anwendungsgebiete „Nervöse Angst-, Spannungs- und Unruhezustände“ unter Angabe einer Tagesdosis von Droge und Zubereitung entsprechend 60-120 mg Kava-Pyrone festgestellt. In weitgehender Übereinstimmung damit steht die Aussage der entsprechenden im Jahr 2003 veröffentlichten Monographie der European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP), des europäischen Dachverbandes der nationalen Gesellschaften für Phytotherapie. Darin ist als Anwendungsgebiet „Anxiety, tension and restless-ness arising from various causes of non psychotic origin“ mit einer Tagesdosie-rung von 60-120 mg Kavalactonen angegeben.
87Vgl. ESCOP Monographs, 2003, The scientific foundation for herbal medicinal products, S. 365 ff.
88Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt den von den unterschiedlichen Kommissionen aufgestellten Kriterien und Empfehlungen die Qualität antizipierter Sachverständigengutachten zu.
89Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. November 2009 - 3 C 10.09 -, juris, Rn. 25, und vom 16. Oktober 2008 - 3 C 24.07 -, juris, Rn 20.
90Sie geben den jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wieder und sind einer Neubewertung zugänglich. Stellungnahmen der Kommissionen sind anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial im Sinne des § 22 Abs. 3 AMG. Die Zulassungsbehörde ist nicht an die in der Monographie getroffene Aussage gebunden.
91Kügel, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 25, Rn. 177.
92Da sachverständige Feststellungen bei besserer Erkenntnis ersetzt werden können (und müssen), darf die Kommission von früheren Feststellungen in Aufbereitungsmonographien abweichen.
93Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 - 3 C 10.09 -, juris, Rn. 27.
94Handelt es sich dabei um allgemeine Aussagen, sind diese als sachverständige Äußerung zu bewerten.
95Vgl. dazu Kügel, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 25, Rn. 178.
96Die Kommission E verfügt über besondere Sach- und Fachkunde. Hieraus und nicht zuletzt deswegen, weil es sich dabei um ein neutrales Sachverständigengremium handelt, folgt die besondere Bedeutung ihrer Stellungnahmen. Die Mitglieder der Kommission E sind Sachverständige mit besonderen Kenntnissen der wissenschaftlichen und/oder praktischen Phytotherapie. Die Kommission ist interdisziplinär mit Experten für Toxikologie, experimentelle Pharmakologie, Biometrie, pharmazeutische Biologie sowie Ärzten und Heilpraktikern, die Phyto-pharmaka praktisch einsetzen, zusammengesetzt. Diese werden alle drei Jahre von Verbänden der Fachrichtung vorgeschlagen und vom Bundesgesundheitsministerium benannt.
97Vergleichbares gilt bezogen auf die Monographien der ESCOP. Wenngleich sie keinen gesetzlichen Standard definieren, dienen sie dazu, die beste verfügbare wissenschaftliche Evidenz auf der Basis der aktuellen Literatur zusammenzustellen
98Vgl. Pharmazeutische Zeitung online „Monographien als Richtschnur“ 13/2014, abrufbar unter: http://www.pharmazeutische-zeitung.de/ index.php?id=51461.
99Die Beklagte hat die Monographie der Kommission E aus 1990 im Zulassungsverfahren als Wirksamkeitsbeleg zugrunde gelegt, ohne weitere Erkenntnisse zu fordern oder beizuziehen. Angesichts dessen sieht der Senat keine Veranlassung, die Wirksamkeit des Arzneimittels bezogen auf diesen Zeitpunkt anzuzweifeln, zumal die Beklagte in dem angegriffenen Bescheid selbst konstatiert, dass das Votum der Kommission E dem Erkenntnisstand der frühen 1990er Jahre entsprochen habe.
100Demgegenüber fehlen Vortrag und Anhalt dafür, dass dieser Erkenntnisstand durch neuere Erkenntnisse, die ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel begründen, überholt ist. Im Gegenteil: Die Kommission E hat sich aufgrund der Einleitung des Stufenplanverfahrens und nach näherer Befassung mit der Angelegenheit veranlasst gesehen, in einer Anfang des Jahres 2002 verfassten öffentlichen Erklärung mitzuteilen, dass ihre Mitglieder nach wie vor von den vorgelegten wissenschaftlichen Daten zur Wirksamkeit von Kava-Kava überzeugt seien. Das impliziert, dass zum damaligen Zeitpunkt aus Expertensicht keine abweichenden neuen Erkenntnisse vorlagen. Nichts spricht dafür, dass die Kommission E zwischenzeitlich angesichts aktuellerer Forschungsergebnisse von diesem Standpunkt abgerückt ist. Insbesondere hat sie bis heute keine anderslautende Stellungnahme abgegeben. Entsprechendes gilt für die ESCOP. Die für „Piperis methystici rhizoma“ erstellte Monographie gehörte zu den ersten 80 Monographien, die die ESCOP im Jahr 2003 veröffentlicht hat.
101Vgl. ESCOP Monographs, 2003, The scientific foundation for herbal medicinal products, S. 365 ff.
102Obgleich die ESCOP ihre Monographien regelmäßig überarbeitet und aktualisiert, hat diejenige für „Piperis methystici rhizoma“ bislang keine Änderung erfahren.
103Hinzu kommt, dass die WHO in ihrem Bericht aus dem Jahr 2007 (Coulter et al., „Assessment of the risk of hepatotoxicity with kava products“) offensichtlich ebenfalls von der Wirksamkeit von Kava-Kava ausgeht. Dort heißt es, 16 gut kontrollierte Doppelblindstudien hätten die angstlösende Wirkung von Kava-Kava gezeigt (vgl. Tabelle 3, S. 6, 11). Diese Bewertung entspricht der mit dem Ziel der Untersuchung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel durchgeführten Metaanalyse einer Reihe randomisierter placebokontrollierter Doppelblindstudien von Pittler und Ernst (zuletzt, „Kava extract versus placebo for treating anxiety“, 2003). Diese hat zur Wirksamkeit der Behandlung von Angststörungen, gemessen an den Kriterien der Hamilton Anxiety Scale (HAMA) die Überlegenheit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel gegenüber Placebopräparaten ergeben. Eventuelle Mängel der analysierten Einzelstudien vermögen die Indizwirkung des Ergebnisses der Metaanalyse im Zusammenhang mit dem weiteren Erkenntnismaterial nicht zu entkräften.
104Letztlich konzediert die Beklagte selbst eine - wenngleich dosisabhängige - Wirksamkeit, wenn es in dem angefochtenen Bescheid heißt, bei Dosierungen oberhalb von 120 mg Kava-Pyrone pro Tag bestehe ein gewisser Anhalt für eine Wirksamkeit in den beanspruchten Indikationen. Angesichts dessen sind Wirksamkeitszweifel auch nicht etwa deswegen angezeigt, weil die Dosierung der streitgegenständlichen Präparate - worauf noch einzugehen sein wird - über die Monographieempfehlung hinaus geht, zumal das übrige in das Verfahren eingeführte Erkenntnismaterial hierfür ebenfalls keinen Anknüpfungspunkt bietet. Hinzu kommt, dass aus dem angefochtenen Bescheid hervorgeht, dass die Wirksamkeitszweifel des BfArM nicht auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützt sind, wenn es darin heißt, aus den Ausführungen zur Wirksamkeit ergäben sich keine neuen Erkenntnisse gegenüber dem früheren Kenntnisstand (Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2012, S. 6).
105Angesichts dieser Erkenntnissituation vermag der Umstand, dass das vorliegende Studienmaterial heute nicht in jeder Hinsicht den speziell für Angsterkrankungen entwickelten Anforderungen der Guidelines der European Medicines Agency (EMA) entspricht, keine nachhaltigen Zweifel am Nutzen der Präparate zu wecken. Das gilt bereits bei einer monographiekonformen Dosierung. Da die Kommission E eine Dosierung oberhalb von 120 mg Kava-Pyrone nicht vorgegeben hat, kommt es hinsichtlich der Frage der Wirksamkeit auf die unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten hinsichtlich der jeweils zugrunde liegenden Berechnungsgrundlagen nicht entscheidungserheblich an.
106Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, aus der nicht zureichend belegten Wirksamkeit resultierten automatisch Wirksamkeitszweifel, ist dieser Rückschluss ohne das Hinzutreten tatsächlicher Anhaltspunkte für solche Zweifel nicht gerechtfertigt. Denn in der Konsequenz würde dies in einer nicht überschaubaren Anzahl von Fällen dazu führen, dass während der Geltungsdauer einer Zulassung die Wirksamkeit eines Arzneimittels fortlaufend neu zu belegen wäre. Überdies geht der Senat mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass bei der Forderung nach einer guidelinekonformen Studie die Absicht im Vordergrund steht, Daten für die weitere Nutzen-Risiko-Abwägung zu generieren. Zumindest bietet dies einen Erklärungsansatz dafür, warum das BfArM im Stufenplanbescheid auf die CPMP-Guidelinie zur klinischen Prüfung von Arzneimitteln zur Behandlung von Angststörungen in der Fassung aus den Jahren 1993/94 verwiesen hat, obgleich es - dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin zufolge - zugleich bis in das Jahr 2001 Neuzulassungen für Kava-Kava-haltige Arzneimittel erteilt hat, ohne die Vorlage entsprechender Studien verlangt zu haben.
107Die weiteren Einwände der Beklagten im Berufungsverfahren rechtfertigen keine andere Bewertung: Ihr Hinweis darauf, dass die Kommission E im Zuge der Ausarbeitung der Monographie angesichts der geringen Bedeutung von Kava-Kava als Droge oder Drogenzubereitung zunächst beabsichtigte, eine Negativmonographie zu erstellen, ist unerheblich. Denn abgesehen davon, dass die geringe Bedeutung eines Wirkstoffs nichts über seine Wirksamkeit aussagt, hat die Kommission E diese Einschätzung - was entscheidend ist - letztlich revidiert und eine Positivmonographie erstellt. Darin hat sie folgende Überlegungen zur Wirksamkeit von Kava-Kava angestellt:
108„Aufgrund der Wirkungen der isolierten Inhaltsstoffe ist eine
109schwache, zentral relaxierende Wirkung ähnlich wie bei
110Benzodiazepinen anzunehmen. Durch Kava-Kava-Extrakt zeigt sich im quantitativen EEG eine für das anxiolytische Pharmako-EEG-Profil von Benzodiazepinen typische Steigerung der ß-Aktivität bei gleichzeitiger Abnahme der alpha-Aktivität (Johnson 1989). Neuere Studien weisen eine Wirksamkeit von Kava-Kava-Extrakt bei ,Angst, Spannungs- und Unruhezuständen‘ nach (Warnecke 1989, Bhate 1989).“
111Soweit die Beklagte sinngemäß beanstandet, dieser Monographie liege letztlich nur eine Plausibilitätsprüfung zugrunde, ist dem entgegenzuhalten, dass die Kommission E in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2002 ausdrücklich erklärt hat, „von den vorgelegten wissenschaftlichen Daten zur Wirksamkeit von Kava-Kava überzeugt zu sein“. Abgesehen davon sind die Überlegungen der Beklagten zu § 39c AMG bereits deswegen nicht tragfähig, weil es sich bei Kava-Kava-Präparaten um Arzneimittel handelt, die der Verschreibungspflicht unterliegen, und eine Registrierung als traditionelles pflanzliches Arzneimittel deswegen ausscheidet (§ 39c Abs. 2 Nr. 2 AMG).
112Ebenso wenig stützt die Stellungnahme des Comittee on Herbal Medicine Products (HMPC) der EMA vom 6. Mai 2014 die Position der Beklagten. Zwar prognostiziert das HMPC darin, dass u.a. für den Wirkstoff „Piperis methystici rhizoma“ angesichts des ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses voraussichtlich keine Monographie erteilt werden wird. Hierbei handelt es sich - was sprachlich durch die Formulierung „es ist nicht wahrscheinlich, auf ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis zu schließen“ zum Ausdruck gebracht wird - nicht um eine sichere Voraussage, sondern um eine Vorabeinschätzung. Da dieser - wie sich aus dem Bericht ergibt - aber gerade keine detaillierte Prüfung zugrunde liegt, kommt ihr kein entscheidendes Gewicht zu. Eine isolierte Aussage über die Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel lässt sich auf der Grundlage dieser Aussage ohnehin nicht treffen. Hinzu kommt, dass sich der Bericht auf Wirkstoffe bezieht, die als Grundlage einer späteren Registrierung (§ 39 AMG) eine Monographie als traditionelle pflanzliche Arzneimittel erhalten sollen, bei denen sich die Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses nach anderen Maßstäben richtet als bei den verfahrensgegenständlichen verschreibungspflichtigen Präparaten.
113Ist danach von der therapeutischen Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kava-Kava-Präparate auszugehen, sprechen für deren Nutzen weiterhin die Art und Schwere der in Rede stehenden Erkrankung sowie deren Behandlungsnotwendigkeit. Jedenfalls soweit das monographierte Anwendungsgebiet auf die Behandlung von Angststörungen abzielt, handelt es sich nicht um eine Bagatelldiagnose, sondern um eine ernsthafte, weitverbreitete psychische Erkrankung. Bei dieser stehen Symptome der Angst in Gestalt einer anhaltenden Angstreaktion, mangelnder Kontrolle der Angst, eventueller körperlicher Reaktionen einschließlich katastrophisierender Fehlinterpretationen und Beeinträchtigung in wichtigen Funktionen des Berufs-, Alltags- und Familienlebens im Vordergrund.
114Vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 263. Auflage 2012, „Angststörung“.
115Angststörungen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Ihre Verbreitung nimmt zu. Je nach Schweregrad können sie mit erheblichen psychosozialen, somatischen und ökonomischen Folgen einhergehen. Dazu zählen Arbeitsunfähigkeit, ein erhöhtes Risiko für sekundäre komorbide Erkrankungen ‑ beispielsweise Suchterkrankungen -, eine erhöhte Suizidrate sowie eine übermäßige Inanspruchnahme medizinischer Leistungen.
116Vgl. Deutsches Ärzteblatt, „Angststörungen/ Panikattacken: Angst aus heiterem Himmel“, Dezember 2005, 557.
117Bereits bei mittlerem Leidensdruck des Patienten, psychosozialen Einschränkungen sowie Komplikationen der Angsterkrankung ist eine Behandlung in Gestalt von Psycho- oder Pharmakotherapie oder einer Kombination aus beidem indiziert.
118Vgl. Deutsches Ärzteblatt, „Diagnostik und Therapieempfehlungen bei Angststörungen“, Juli 2014, 475 ff.
119Unter diesen Gesichtspunkten erschließt sich der besondere Nutzen einer wirksamen anxiolytischen Medikation. Bezogen auf Kava-Kava-haltige-Präparate ist insoweit zu berücksichtigen, dass deren Anwendung nur für leichte und mittelschwere Formen von Angststörungen indiziert ist, die damit nach Einschätzung von Experten üblicherweise innerhalb eines Monats gut therapiert werden können. Für schwere Angststörungen wird von einer Kontraindikation ausgegangen.
120Vgl. Teschke, Deutsches Ärzteblatt, „Hepatoxizität durch Kava-Kava: Risikofaktoren und Prävention“, 2002, 99.
121(2) In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht geht der Senat davon aus, dass dem vorstehend beschriebenen Nutzen der verfahrensgegenständlichen Präparate Anwendungsrisiken in Form hepatotoxischer Ereignisse gegenüberstehen, also ein begründeter Verdacht für derartige Nebenwirkungen besteht. Angesichts dessen ist der sinngemäße Einwand der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Bewertung die Anforderungen, die an die Annahme eines begründeten Nebenwirkungsverdachts zu stellen sind, überspannt, nicht nachvollziehbar.
122Die von der WHO in ihrem Bericht aus dem Jahr 2007 dokumentierten Fälle sind als Beleg für die Möglichkeit hepatotoxischer Wirkungen der hier in Rede stehenden Kava-Kava-Präparate zu werten. Entsprechendes gilt für die dem BfArM vorliegenden Fallberichte zu Leberreaktionen. Zwar wird dies durch den Bericht der MHRA aus dem Jahr 2006 („Report of the Committee on Safety of Medicines Export Working Group") gestützt. Allerdings ist der Senat übereinstimmend mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass der darin enthaltenen Risikobeurteilung, die - unter Einschluss des vom BfArM übermittelten Fallmaterials aus Deutschland - nicht die Begutachtung von Kava-Kava als Anxiolytikum, sondern bei Oberbauch- und Blasenbeschwerden zum Gegenstand hatte, keine besondere Bedeutung beizumessen ist.
123Der Bericht der WHO enthält eine Auswertung von 93 Fallberichten - darunter einige der vom BfArM dokumentierten Fälle aus Deutschland - über hypothetisch mit der Einnahme von Kava-Kava-Extrakten im Zusammenhang stehende Leberschädigungen. In vierzehn Fällen erfolgte eine Lebertransplantation. Sieben Fälle endeten tödlich. Die WHO-Expertengruppe bewertete die Kausalität zwischen hepatotoxischer Schädigung und der Einnahme von Kava-Kava-Präparaten in keinem Fall als sicher, in acht Fällen als wahrscheinlich, in 54 Fällen als möglich und in 28 Fällen als nicht bewertbar.
124Die Beklagte verweist auf 41 Fälle in Deutschland aufgetretener lebertoxischer Reaktionen. Hiervon seien 20 hinreichend gut dokumentiert, um eine fundierte Kausalitätsbewertung vornehmen zu können. In sieben dieser Fälle sei eine Lebertransplantation erforderlich gewesen. Insgesamt seien drei Patienten verstorben. In zwei Fällen sei die lebertoxische Reaktion nach Absetzen des Kava-Kava-Präparats zurückgegangen und bei Reexposition erneut aufgetreten. Bei zwölf spontan gemeldeten Fällen und einem in einer Publikation dargestellten Fall sei der Kausalzusammenhang wahrscheinlich. Diese Bewertung beruhe auf dem deutlichen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Beginn der Kava-Kava-Medikation und dem Auftreten der Symptome bzw. pathologischen Veränderungen einerseits und dem Zurückgehen der Lebererkrankung nach Absetzen der Kava-Kava-Medikation und/oder des Fehlens lebertoxischer Faktoren wie einer entsprechenden Komedikation andererseits. In einigen dieser Fälle sei die synergistische Beteiligung eines anderen Arzneimittels jedoch möglich.
125Diese Auswertungsergebnisse reichen für die Annahme eines begründeten Verdachts leberschädigender Wirkungen aus, weil insoweit geringe Kausalitätsanforderungen gelten. Für die Nutzen-Risiko-Abwägung ist aber der Verdacht graduell und qualitativ näher zu bestimmen.
126Allerdings bietet die gegenwärtige Studienlage hierfür keine tragfähigen Anknüpfungspunkte. Bei Gesamtbetrachtung ist sie uneinheitlich und deswegen nicht ergiebig. Herkömmliche klinische Studien sind - darüber sind sich die Beteiligten einig - aufgrund der zu geringen Population nicht geeignet, tragfähige Erkenntnisse über das lebertoxische Risiko zu gewinnen. Toxizitätsstudien haben weder potentiell toxische Bestandteile von Kava-Kava noch einen lebertoxischen Mechanismus aufzeigen können. Die Ergebnisse der NTP-Studie, auf die die Beklagte verweist, mögen zwar einen Toxizitätsbeleg begründen. Das gilt aber nur für die darin einbezogenen Präparate mit einem CO²-Extrakt. Für eine Übertragbarkeit der gefundenen Ergebnisse auf die hier streitgegenständlichen Präparate mit ethanolischen Auszügen hat die Beklagte keine überzeugenden Gesichtspunkte benannt. Abgesehen davon gibt der Nachweis toxischer Effekte eines bestimmten Präparats als solcher - was auch die Beklagte anerkennt - weder Aufschluss über die potentiell toxischen Einzelstoffe noch über den Mechanismus einer lebertoxischen Wirkweise, sondern untermauert lediglich das, wovon bereits auf der Grundlage der Fallberichte auszugehen ist. Auch das restliche vorliegende Studienmaterial bietet hierzu keine belastbaren und konsistenten Erkenntnisse. Anders als die Beklagte meint, geht dieser Umstand zu ihren Lasten. Denn sie trägt das Risiko der Unerweislichkeit der Umstände, die ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis begründen.
127Demgegenüber erlauben die folgenden relativierenden Faktoren eine nähere Eingrenzung der bestehenden Verdachtsmomente für eine hepatotoxische Wirkung von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln. Wenngleich sie den geweckten Verdacht nicht auszuräumen vermögen, schwächen sie ihn ab.
128Von Bedeutung ist insoweit zunächst, dass die Auswertungsergebnisse der WHO und des BfArM nicht für eine hohe, sondern im Gegenteil für eine schwache Inzidenzrate sprechen. Zwar lässt sich diese auf der Grundlage des vorliegenden Erkenntnismaterials nicht genau bestimmen. Andererseits gibt es aber bereits im Ausgangspunkt keine tragfähigen Belege dafür, dass hepatotoxische Ereignisse im Zusammenhang mit der Anwendung von Kava-Kava-Präparaten gehäuft auftreten, also eine hohe Inzidenzrate besteht. Umgekehrt sprechen deutschlandweit 20 und nach der Datenlage des WHO-Berichts weltweit 62 Fälle, in denen eine derartige Relation festgestellt werden konnte, bei einem Anwendungsvolumen von - dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin zufolge ‑ 250 Millionen Tagesdosen bezogen auf einen Zehnjahreszeitraum für eine sehr geringe lnzidenzrate. Das gilt auch unter Berücksichtigung der mit dem zugrundeliegenden Spontanerfassungssystem verbundenen Abbildungsdefizite, zumal wenn man berücksichtigt, dass ein Großteil dieser Meldungen in zeitlichem Zusammenhang mit dem Stufenplanverfahren und der öffentlich geführten Debatte um die potentielle Toxizität Kava-Kava-haltiger Arzneimittel steht. Dem entspricht die Einschätzung der Expertengruppe der WHO in ihrem Bericht aus dem Jahr 2007, in dem es heißt, die genaue Inzidenzrate von Nebenwirkungen, die mit der Einnahme von Kava-Kava in Zusammenhang stünden, sei nicht bekannt, scheine aber ziemlich niedrig zu sein (vgl. WHO-Bericht, S. 60).
129Unabhängig von diesem quantitativen Gesichtspunkt ist die Aussagekraft der Fälle, in denen ein Kausalzusammenhang als wahrscheinlich oder möglich angesehen worden ist, unter qualitativen Aspekten begrenzt.
130Bezogen auf den Bericht der WHO ergibt sich dies aus Folgendem: Nach dessen Ergebnis konnte nur in knapp zwei Dritteln der untersuchten Fälle (62 von 93) überhaupt eine Relation zwischen hepatotoxischen Wirkungen und der Einnahme von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln hergestellt werden. In keinem dieser Fälle wurde ein sicherer Kausalzusammenhang festgestellt. In 54 Fällen - darunter in allen sieben Todesfällen und in zehn Fällen mit Lebertransplantation - wurde der Kausalzusammenhang als „möglich“ und in acht Fällen als „wahrscheinlich“ eingestuft. Dass sich unter den zuletzt genannten Fällen nicht solche mit tödlichem Ausgang oder Lebertransplantation finden, beruht nicht lediglich auf der Definition der Kausalitätskriterien der WHO für einen wahrscheinlichen Kausalzusammenhang. Denn für elf der insgesamt 14 Patienten mit Lebertransplantation ist eine Begleitmedikation dokumentiert, die ebenfalls Auslöser der aufgetretenen Leberreaktionen gewesen sein könnte (vgl. WHO-Bericht, Tabelle 11a und 11 b, S. 46). Das gilt gleichermaßen für sämtliche Fälle mit tödlichem Ausgang (vgl. WHO-Bericht, Tabelle 12, S. 48). Es erscheint deswegen durchaus nicht fernliegend, die schwache lnzidenz schwerer Nebenwirkungen bei alleiniger Gabe Kava-Kava-haltiger Präparate als ein diesen Wirkstoff entlastendes lndiz zu werten.
131Hierzu passt die Einschätzung der Expertengruppe der WHO, wonach ein direkter Kausalzusammenhang zwischen der Einnahme Kava-Kava-haltiger Arzneimittel in der Mehrzahl der untersuchten Fälle schwierig nachzuweisen ist und die verfügbaren Fallberichte insoweit keinen Beweis für ein Ursache-Wirkungs-Verhältnis liefern (vgl. WHO-Bericht, S. 17). Als Ergebnis enthält der Bericht mit Blick darauf die - relativierende - Feststellung, dass Kavalactone durch die Wechselwirkungen von Kava-Kava und anderen Arzneimitteln, exzessiven Alkoholkonsum, metabolisch oder immunologisch bedingte Idiosynkrasie oder aufgrund einer vorbestehenden Lebererkrankung in jeder Art von Präparat selten hepatische Nebenwirkungen hervorrufen können (vgl. WHO-Bericht, S.63). Damit sind zugleich besondere Risikofaktoren angesprochen, die die WHO auch an anderer Stelle ihres Berichts noch gesondert aufführt (vgl. WHO-Bericht, S.61). Das impliziert, dass hepatotoxische Ereignisse, was im Übrigen wissenschaftlich anerkannt sein dürfte,
132vgl. etwa Russmann/Kullak-Ublick, Beurteilung und Meldung medikamentöser Leberschäden, swissmedic, Jubiläumsausgabe Dezember 2012, 11/26,
133multifaktorielle Ereignisse sind und sich dies erschwerend auf die Möglichkeit der Zuordnung ihrer Ursachen auswirkt.
134Zudem sind die Auswertungsergebnisse der WHO auch deswegen nur bedingt aussagekräftig, weil sie sich auf sämtliche Arten Kava-Kava-haltiger Arzneimittel beziehen. Aus dem in das Verfahren eingeführten wissenschaftlichen Erkenntnismaterial geht hervor, dass weder die potentiell toxischen Einzelstoffe noch der Mechanismus einer lebertoxischen Wirkung von Kava-Kava bekannt sind. Vermutet wird, dass neben Anwendungsdauer und Dosierung auch Extrakt und Kultivar insoweit eine Rolle spielen könnten. Hierzu hat die Klägerin plausible und von dem Experten Dr. N2. T1. in mehreren Stellungnahmen untermauerte Überlegungen angestellt, denen die Beklagte in der Sache nicht substantiiert entgegengetreten ist. Der Bericht der WHO enthält keine differenzierte Auswertung nach Extrakt und Kultivar. Vielmehr bezieht sich die Auswertung und dementsprechend auch die getroffene Risikoaussage auf sämtliche Arten Kava-Kava-haltiger Präparate. Demgegenüber handelt es sich bei den verfahrensgegenständlichen Präparaten unbestritten ausnahmslos um solche mit einem ethano-lischen Auszug. Da aber Risikoaussagen zu einer Auszugsart nicht ohne weiteres auf eine andere übertragen werden können,
135vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. November 2010 - 13 A 2807/09 -, juris, Rn. 10,
136sind die Ergebnisse in dem Bericht der WHO für das vorliegende Verfahren nur eingeschränkt aussagekräftig.
137Auch die von der Beklagten selbst auf der Grundlage des Fallmaterials des BfArM vorgenommene Risikobeurteilung ist unter verschiedenen Gesichtspunkten zweifelhaft. Ihr Vorbringen suggeriert eine „fundierte Kausalitätsbewertung" in 20 von 41 Fällen. Hiervon seien 18 spontan gemeldet worden und in zwei Fällen handele es sich um Berichte aus der Literatur. Demgegenüber ist der Kausalzusammenhang nur für 15 Fälle nachvollziehbar dargelegt, wobei in „einigen“ ‑ weder benannten noch bezifferten - dieser Fälle die synergistische Beteiligung eines anderen Arzneimittels möglich gewesen sein soll. Dieses Vorbringen bezieht sich offensichtlich auf die in dem Bescheid vom 12. Mai 2005 detailliert aufgeführten 26 Fallberichte und überschneidet sich damit. Bei deren Auswertung war das BfArM in 19 Fällen von einem Kausalzusammenhang im Bereich „wahrscheinlich“ - hiervon in drei Fällen als „wahrscheinlich bis gesichert“ - und in sechs Fällen von einer „möglichen“ Kausalität ausgegangen. Einen Fall hatte es für nicht auswertbar erachtet. Der Senat ist unter Berücksichtigung des wechselseitigen Vorbringens und der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse nicht zu der Überzeugung gelangt, dass diese Bewertung insgesamt zutrifft. Denn sie steht tiefgreifend in Widerspruch mit den Bewertungen anderer Institutionen, die jedenfalls nicht weniger plausibel hergeleitet und unabhängig voneinander durchgehend zu weniger besorgniserregenden Ergebnissen gelangt sind. Dies folgt aus der Übersicht in der Stellungnahme von Dr. N2. T1. vom 6. Februar 2012, in der dieser sich außerdem detailliert mit den einzelnen Fallberichten und deren Bewertung durch das BfArM auseinandergesetzt und diese durchgreifend in Zweifel gezogen hat (vgl. dort S. 9 ff.). Die Beklagte ist den darin enthaltenen Einwänden inhaltlich nicht substantiiert entgegen getreten. Unabhängig davon erscheint die Annahme eines „wahrscheinlichen“ Kausalzusammenhangs schon aufgrund der in der Mehrzahl der Fälle jeweils dokumentierten Begleitmedikation vielfach zweifelhaft. Entgegen der Auffassung der Beklagten rechtfertigt auch der Umstand, dass die festgestellten Leberreaktionen in zwei Fällen nach Absetzen des Kava-Kava-Präparats zurückgegangen und nach Reexposition erneut aufgetreten sind, mangels ausreichender Dokumentation der Begleitmedikation jedenfalls nicht die Bewertung eines „gesicherten“ Kausalzusammenhangs (BfArM 01003950/01003951).
138Weitere Bedenken gegen die Kausalitätsbewertung der Beklagten ergeben sich auf der Grundlage der Publikation von Teschke et al. („Kava hepatotoxicity: a clinical survey and critical analysis of 26 suspected cases“, European Journal of gastroenterology & hepatology 2008, Vol. 20, S. 1182 ff.). Nach den stimmigen und transparent hergeleiteten dortigen Ausführungen, auf die Bezug genommen wird, bestand lediglich in acht Fällen ein Kausalzusammenhang, wobei lediglich in einem dieser Fälle eine monographiekonforme Anwendung dokumentiert war.
139Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 26. Januar 2015 die in dieser Publikation getroffene Feststellung des Fehlens einer medikamentösen Ursache in 13 Fällen beanstandet, und, um dies zu wiederlegen, bezogen auf drei Fälle auf den Inhalt der hierzu gefertigten Arztberichte verwiesen hat, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Denn daraus geht jedenfalls nicht hervor, dass die beobachtete Leberschädigung durch Kava-Kava und nicht durch die jeweils dokumentierte Begleitmedikation verursacht worden ist. Unter diesen Umständen ergibt sich dies nicht bereits daraus, dass nach ärztlicher Einschätzung von einer medikamentös induzierten Leberschädigung auszugehen ist.
140Relativierend ist zuletzt der ebenfalls vom Verwaltungsgericht bereits angesprochene Aspekt in den Blick zu nehmen, dass die streitbefangenen Präparate auf eine Kurzzeitbehandlung angelegt sind und eine Begrenzung von Anwendungsdauer und Dosierung vorgesehen ist. Auch hieraus folgt die nur begrenzte Aussagekraft der Auswertungen des BfArM und der WHO, in denen nicht nach diesen von der Beklagten selbst als risikobeeinflussend eingestuften Kriterien differenziert wird. Da eine lange Exposition einerseits und eine erhöhte Dosierung andererseits mit einer Risikoerhöhung assoziiert werden, liegt es auf der Hand, dass die Auswertung eines Kollektivs von Fällen, in denen diese Differenzierung nicht getroffen wird, keine einheitliche Risikoaussage erlaubt. Die Vielzahl der Fälle, in denen Leberschädigungen im Zusammenhang mit einer Überdosierung, einer überlangen Anwendungsdauer oder einer potentiell lebertoxischen Begleitmedikation aufgetreten sind, ist aber umgekehrt als Beleg dafür zu werten, dass es sich hierbei um Risikofaktoren handelt. Dies wird auch von keinem der Beteiligten in Abrede gestellt.
141Auf der Basis aller in das Verfahren eingeführter Erkenntnisse geht der Senat davon aus, dass toxische Lebererkrankungen durch Kava-Kava-Extrakte sehr selten sind, im Einzelfall aber potenziell lebensbedrohend verlaufen können und durch eine Vielzahl von Risikofaktoren wie Dosierung, Anwendungsdauer, Begleitmedikation, Alkoholkonsum und Lebervorschädigung beeinflusst werden. Hinsichtlich dieser Risikofaktoren stimmen die Beteiligten überein, wenngleich ihre Einschätzungen zu den Risiken der Verwendung unterschiedlicher Auszüge und Kultivare auseinandergehen.
142(3) Hiervon ausgehend ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis der streitgegenständlichen Präparate derzeit ungünstig. Dieser Einschätzung liegt zugrunde, dass hinsichtlich Kava-Kava-haltiger Arzneimittel zwar nicht generell, aber dann von einem ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnis ausgegangen werden muss, wenn nicht alle Maßnahmen umgesetzt worden sind, um die damit einhergehenden Risiken bestmöglich einzudämmen. Letzteres ist hier der Fall.
143Der Umstand, dass die zuvor erwähnten Risikofaktoren im Zusammenhang mit der Hepatotoxizität von Kava-Kava bekannt sind, führt in der Publikation von Teschke et al. („Kava hepatotoxicity: a clinical survey and critical analysis of 26 suspected cases“, European Journal of gastroenterology & hepatology 2008, Vol. 20, S. 1182 ff.) zu der überzeugenden Schlussfolgerung, dass hepatotoxische Ereignisse im Zusammenhang mit Kava-Kava weitgehend vermeidbar sind. Dies, die nur schwache Inzidenzrate und der belegte Nutzen Kava-Kava-haltiger Arzneimittel stehen der generellen - also nicht präparatspezifischen, sondern rein wirkstoffbezogenen - Annahme eines ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses entgegen. Andererseits sind angesichts der Schwere möglicher Nebenwirkungen vermeidbare Risiken nicht hinnehmbar.
144Insoweit bilden die Empfehlungen der Kommission E in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2002 nach Auffassung des Senats einen tauglichen und deshalb einzuhaltenden Maßstab zur Risikominimierung und führen bei Beachtung im Ergebnis zu einem günstigen Nutzen-Risiko-Verhältnis. Sie beruhen auf den Unterlagen, die das BfArM der Kommission E zur Verfügung gestellt hat und sind auf der Grundlage einer eingehenden Befassung mit der Kava-Kava-Thematik abgegeben worden (vgl. Ruhensbescheid des BfArM vom 12. Mai 2005, S. 52).
145Die Kommission E hat darin unter Hinweis darauf, weiterhin von einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis auszugehen und die Auffassung des BfArM bezüglich der Risiken bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nicht zu teilen, folgende Regularien zu deren Eindämmung empfohlen:
146- 147
Ärztliche Verschreibungspflicht für Kava-Kava-haltige Arzneimittel
- 148
Klare Indikationsstellung: Leichte bis mittelschwere generalisierte Angststörungen. Depression ist keine Indikation.
- 149
Maximale Tagesdosis entsprechend 120 mg Kava-Pyrone.
- 151
Packungsgröße bei 120 mg Kava-Pyrone maximal 30 Einheiten
- 152
Übliche Therapiedauer 1 Monat, maximal 2 Monate
- 153
Bestimmung der Leberwerte (GPT und -GT vor Beginn der Behandlung und dann einmal wöchentlich)
- 154
Optional: Bestimmung der Leberwerte am Ende der Behandlung (wichtig für evtl. spätere erneute Behandlung)
- 155
Vermeidung einer begleitenden Medikation mit potentiell hepatotoxischen Medikamenten, insbesondere auch Betablockern, Antidepressiva und Migränemitteln. Vorsicht bei Alkohol.
Der Senat sieht in Ansehung des Berufungsvorbringens keine Veranlassung, diese sachverständige Einschätzung in Frage zu stellen. Sie wird durch die Aussage der WHO in ihrem Bericht aus dem Jahr 2007, wonach ein Verkehrsverbot für Kava-Kava nach gegenwärtigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht zu rechtfertigen ist (vgl. WHO Bericht, S. 18), gestützt. Auch Teschke spricht sich in seiner Veröffentlichung „Hepatotoxizität durch Kava-Kava: Risikofaktoren und Prävention“ (Deutsches Ärzteblatt 2002, 99 (50)) für entsprechende Maßnahmen aus. Aktuellere wissenschaftliche Erkenntnisse, die die Empfehlungen der Kommission E durchgreifend in Zweifel ziehen, liegen nicht vor.
157Diese sind auch geeignet, die bestehenden hepatotoxischen Risiken - soweit sie vorhersehbar sind - weitgehend wirkungsvoll auszuschalten.
158Besondere Bedeutung kommt hierbei der Unterstellung unter die Verschreibungspflicht zu. Hierdurch wird eine ärztliche Indikationsstellung sichergestellt und einer unsachgemäßen Selbstmedikation entgegengewirkt. Der Einwand der Beklagten, eine Verschreibungspflicht sei unzureichend, weil der hepatotoxische Wirkmechanismus von Kava-Kava nicht hinreichend geklärt sei und der verordnende Arzt nicht mit genügender Sicherheit vorhersehen könne, welcher Patient gefährdet sei, greift nicht durch. Er eignet sich schon deswegen nicht als Argument gegen die Verschreibungspflicht, weil das Arzneimittelgesetz in § 48 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AMG als eine Fallgruppe verschreibungspflichtiger Arzneimittel diejenigen vorsieht, die Stoffe mit in der medizinischen Wissenschaft nicht allgemein bekannten Wirkungen oder Zubereitungen solcher Stoffe enthalten. Abgesehen davon ist es einem Arzt in Bezug auf ein Kava-Kava-haltiges Präparat anhand der bekannten Risikofaktoren auch ungeachtet des genauen Wirkmechanismus möglich, das Risikoprofil eines Patienten abzustecken. Denn in einem ersten Schritt können - nach anamnestischer Abklärung - Fälle mit relevanter Begleitmedikation, erheblichem Alkoholkonsum, Lebererkrankung oder Lebervorschädigung sowie nicht zutreffender Indikation herausgefiltert werden. Erfolgt nach Abklärung dieser Gesichtspunkte eine Verschreibung, kann den von der Krankenvorgeschichte unabhängigen Risikofaktoren wirksam durch eine Begrenzung von Anwendungsdauer und Dosierung entsprechend den Vorgaben der Fachinformationen entgegengewirkt werden. Hinzuweisen ist darin außerdem auf die Risiken bei erheblichem Alkoholkonsum und einer begleitenden Medikation mit potentiell hepatotoxischen Medikamenten, wie Betablockern, Antidepressiva und Migränemitteln.
159Dabei sind die Einhaltung der vorgesehen Dosierung von 120 mg Kava-Pyrone und die Begrenzung der Anwendungsdauer entsprechend den aktualisierten Erkenntnissen der Kommission E auf einen, maximal zwei Monate entscheidend. Eine höhere Dosierung ist einerseits deswegen nicht vertretbar, weil die Wirksamkeit für eine Dosierung von 60 mg-120 mg Kava-Pyrone belegt ist und deswegen keine Rechtfertigung dafür besteht, potentiell mit einer höheren Dosierung einhergehende Zusatzrisiken einzugehen. Abgesehen davon bestehen den genannten wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine höhere Dosierung das Risiko für leberschädigende Nebenwirkungen erhöht. Entsprechendes gilt bezogen auf eine längere Anwendungsdauer.
160Flankierend zu den bereits erwähnten Maßnahmen wirkt die von der Kommission E vorgeschlagene Begrenzung der Packungsgröße auf maximal 30 Einheiten bei 120 mg Kava-Pyrone. Durch diese Maßnahme wird der Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung vorgebeugt und auf einen bestimmungsgemäßer Gebrauch hingewirkt. Dabei ist zu sehen, dass die Missbrauchsgefahr jedenfalls bei indikationskonformer Anwendung Kava-Kava-haltiger Präparate nicht gleichermaßen hoch sein dürfte, wie bei Arzneimitteln, die - wie z.B. Benzodiazepine - Abhängigkeiten auslösen. Allerdings ist insoweit darauf hinzuweisen, dass diesem Aspekt im Rahmen der Nutzen-Risiko-Abwägung, die sich an dem bestimmungsgemäßen Gebrauch zu orientieren hat, keine eigenständige Bedeutung zukommt. Abweichungen der von der Kommission E empfohlenen Packungsgröße begründen daher ohne das Hinzutreten weiterer Abweichungen kein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis.
161Die vorgesehene Bestimmung der Leberwerte vor Beginn der Behandlung und deren fortlaufende wöchentliche Kontrolle ermöglicht eine zeitnahe Reaktion auf festgestellte Veränderungen und zielt darauf ab, irreversiblen Schädigungen vorzubeugen.
162Der Senat verkennt nicht, dass mit den genannten Maßnahmen nicht in jedem Einzelfall ein Risikoausschluss garantiert werden kann, geht aber davon aus, dass bedingt durch ihre Zielrichtung, Wirkweise und ihr Ineinandergreifen die nach derzeitigem Erkenntnisstand prognostizierbaren Risiken in Relation zum Nutzen von Kava-Kava-Präparaten auf ein vertretbares Maß reduziert werden können.
163Das wird daran deutlich, dass mit Ausnahme eines Falls in sämtlichen Fällen, auf die das BfArM seine Risikoeinschätzung stützt, zumindest einer der durch die vorgenannten Maßnahmen begrenzbaren Risikofaktoren vorlag. Entweder es war eine Begleitmedikation verordnet oder die Anwendung dauerte länger als drei Monate an oder es wurde eine Überdosierung festgestellt. Zumeist war sogar eine Kombination aus mehreren dieser Faktoren gegeben.
164Vgl. die Übersicht in Table 1 bei Teschke/Schwarzenboeck/Hennermann “Kava hepatotoxcity: a clinical survey and critical analysis of 26 cases”, European Journal of gastroenterology & hepatology 2008, Vol. 20, S. 1182 ff.
165Dieser Einschätzung steht auch nicht das vermehrte Auftreten idiosynkratischer, d. h. unvorhersehbarer Leberreaktionen im Zusammenhang mit der Einnahme von Kava-Kava-Präparaten entgegen. Die Auswertung der Fallberichte des BfArM liefert hierfür keinen Beleg. Letztlich scheint die Beklagte selbst ‑ wenngleich sie diesen Aspekt besonders hervorgehoben hat - nicht hiervon auszugehen, wenn sie diese Fälle als „Ausreißer“ bezeichnet und andererseits meint, ein „charakteristisches Muster“ für die potentielle Lebertoxizität von Kava-Kava-Präparaten ausmachen zu können. Abgesehen davon ist die Möglichkeit einer idiosynkratischen Leberschädigung deswegen kein durchgreifendes Argument für ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis der hier in Rede stehenden Kava-Kava-Präparate, weil es sich dabei um ein generelles Problem im Hinblick auf die Lebertoxizität von Medikamenten handelt. Der Mechanismus der Idiosynkrasie, also einer angeborenen oder erworbenen Überempfindlichkeit schon beim ersten Kontakt gegen bestimmte, von außen zugeführte Stoffe, die nicht durch eine Reaktion des Immunsystems hervorgerufen wird, sondern durch Fehlfunktion/Nichtfunktion defekter oder Fehlen intakter Enzyme,
166vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Idiosynkrasie,
167beschränkt sich nicht auf Kava-Kava-haltige Arzneimittel.
168Ungefähr 1000 Arzneistoffe gelten als lebertoxisch. Hierzu gehören beispielsweise Paracetamol, Diclofenac und Penicillin.
169Vgl. Schlatter, Entgiftung zum Gift, Nebenwirkung Leberschaden, Pharmazeutische Zeitung Ausgabe 35/2009.
170Obgleich bei all diesen Arzneistoffen unvorhersehbare, also idiosynkratische, Leberreaktionen möglich sind, befindet sich eine Vielzahl von Präparaten, die diese Wirkstoffe enthalten, auf dem Markt.
171An der getroffenen Bewertung ändern auch bestehende Behandlungsalternativen nichts, insbesondere fällt die Nutzen-Risiko-Abwägung mit Blick darauf nicht generell zu Ungunsten der streitbefangenen Präparate aus. Abwägungsrelevant könnte dieser Aspekt sein, wenn deren Ersetzbarkeit durch andere Arzneimittel mit günstigerem Nebenwirkungsprofil gewährleistet wäre. Das ist aber nicht der Fall. Denn soweit die Beklagte Bezug auf den Inhalt der S3-Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen nimmt und auf selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) und Pregabalin als Mittel der ersten Wahl sowie auf trizyklische Antidepressiva (TZA), Buspiron, Benzodiazepine, Hydroxin und Opipramol als Mittel der zweiten Wahl verweist, sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Es erscheint schon zweifelhaft, ob es sich dabei überhaupt um einen geeigneten Ersatz für Kava-Kava-Präparate handelt. Das gilt ungeachtet der fehlenden vollständigen Übereinstimmung der Anwendungsgebiete insbesondere deswegen, weil jene Arzneimittel im Gegensatz zu den auf eine Kurzzeitbehandlung mit raschem Wirkeintritt gerichteten Kava-Kava-Präparaten größtenteils eine längere Wirklatenz von bis zu sechs Wochen haben. Überdies kann für keines der von der Beklagten empfohlenen synthetischen Alternativarzneimittel ein günstigeres Nebenwirkungsprofil festgestellt werden. Das ergibt sich daraus, dass das Spektrum möglicher Nebenwirkungen weitgehend breiter gefächert ist als bei den verfahrensgegenständlichen Kava-Kava-Präparaten, zum Teil auch schwere Nebenwirkungen umfasst und vielfach Absetzphänomene, Abhängigkeitsrisiken und sedierende Effekte mit dem damit einhergehenden negativen Einfluss auf die geistige Leistungsfähigkeit beschrieben werden. Wegen der Einzelheiten dazu wird auf die tabellarische Übersicht bei B. Bandelow, R. Boerner, S. Kasper, M.Linden, H.-U. Wittchen und H.-J. Möller „Generalisierte Angststörung: Diagnostik und Therapie“, Deutsches Ärzteblatt 2013, S. 303, und die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.
172Die von der Beklagten angesprochenen traditionellen Phytopharamka, namentlich Baldrianwurzelzubereitungen und Lavendelöl sind schon deswegen keine geeignete Alternative, weil ihr Anwendungsgebiet nicht deckungsgleich mit dem Kava-Kava-haltiger Arzneimittel ist, sondern sich insoweit nur gewisse Überschneidungen ergeben.
173Gemessen an den vorstehenden Überlegungen ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis der streitbefangenen Präparate ungünstig. Denn unter Zugrundelegung des Inhalts der Änderungsanzeigen und der vorstehenden Ausführungen sind die bisher umgesetzten Maßnahmen zur Minimierung der bestehenden Risiken nicht ausreichend.
174Dies bezieht sich in erster Linie auf die Dosierung der Präparate. Diese weisen nach der Änderungsanzeige keine der Monographie der Kommission E bzw. deren Empfehlungen aus dem Jahr 2002 entsprechende Dosierung von 60-120 mg Kava-Pyrone (= Kavalactone) auf. Damit hat die Klägerin die Tagesdosis für Kava N. Kapseln von zweimal täglich eine Kapsel (a 50 mg Kavalactone) auf drei- bis viermal täglich eine Kapsel entsprechend 150-200 mg Kava-Pyrone und für die übrigen streitbefangenen Präparate von einmal täglich eine Tablette bzw. bei B. 120 mg von zweimal täglich ½ Tablette auf ein- bis zweimal täglich eine Tablette entsprechend 120-240 mg Kava-Pyrone erhöht. Diese Dosierung ist ‑ wenngleich die Abweichung bei dem Präparat Kava N. Kapseln im vorliegenden Fall vergleichsweise geringfügig ist - nicht monographiekonform. Diese Feststellung beruht auf Folgendem: Der Senat ist aufgrund der plausiblen und durchgehend nachvollziehbaren sachverständigen Erläuterungen von Frau Dr. H. und Herrn Dr. T1. , denen die Beklagte nichts Durchgreifendes entgegen gesetzt hat, zu der Überzeugung gelangt, dass sich die in der Monographie der Kommission E angegebene Dosierungsspanne von 60-120 mg Kava-Pyrone auf die DC-Methode und nicht - auch nicht teilweise - auf die HPLC-Methode bezieht.
175In der Monographie selber ist keine Aussage zu der zugrunde liegenden Messmethode getroffen worden. Das sich bei den Unterlagen zur Monographieerstellung befindliche Gutachten von Dr. K. M. aus dem Jahr 1986 erlaubt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht den Rückschluss, dass sich die Dosierungsangabe auf die HPLC- Methode bezieht. Denn daraus geht lediglich hervor, dass zu diesem Zeitpunkt bereits alle sechs Kava-Pyrone bekannt waren und es die HPLC-Methode gab. Zum Umfang ihres Einsatzes und dazu, ob die für die Erstellung der Positivmonographie maßgebenden Studien mit Extrakten durchgeführt worden sind, deren Kavalactongehalt mit dieser Methode gemessen worden ist, ergibt sich daraus hingegen nichts.
176Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung auch nicht in Abrede gestellt,
177dass es die HPLC-Methode zu diesem Zeitpunkt bereits gab, sondern hat vielmehr bestätigt, dass sie bereits damals im universitären Bereich Anwendung gefunden hat. Etwas anderes gelte indes für die Industrie. Dort habe man zur Zeit der Monographieerstellung nicht über die entsprechenden Reinsubstanzen verfügt, um alle sechs Kava-Pyrone quantifizieren zu können. Da die der Monographieerstellung zugrundeliegenden Studien mit Industriepräparaten durchgeführt worden seien, beziehe sich die in der Monographie angegebene Dosierung demzufolge auf die DC-Methode. Dass die Studien mit Industriepräparaten durchgeführt worden sind, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Hierzu hat Frau Dr. H. - von der Beklagten unwidersprochen ‑ darauf hingewiesen, dass die Firma G. , bei der sie zum damaligen Zeitpunkt angestellt war, damals allein mit der DC-Methode gemessene Kava-Extrakte hergestellt und an pharmazeutische Unternehmen geliefert und insoweit einen 95 prozentigen Marktanteil gehalten habe.
178Angesichts dessen konnte die Beklagte auch lediglich auf die Extrakte der Firma Schwabe, die erst zu einem späteren Zeitpunkt Kundin der Firma G. geworden war, verweisen. Sie gehe davon aus, dass die Firma T2. ab dem Jahr 1990 Extrakte hergestellt habe, die nach der HPLC-Methode bemessen worden seien und davon, dass mit deren Präparaten die Studien von Warnecke, die für die Erstellung der Monographie maßgebend waren, durchgeführt worden seien. Hierbei handelt es sich indes um eine durch die von Herrn Dr. T1. angestellten Ermittlungen widerlegte Vermutung. Denn daraus geht hervor, dass in der Monographie nicht auf die erst später erstellten Studien von Warnecke zu dem Präparat M1. , sondern lediglich auf zwei der Komission E im Zeitraum von April bis September 1989 vorgelegte Studienberichte Bezug genommen wird. Das folge - so Herr Dr. T1. - daraus, dass sich die Untersuchungen von Warnecke ausweislich der Monographie auf ein mit 60 mg Kava-Pyrone dosiertes Präparat und die erst nach Erstellung der Monographie veröffentlichten Studien hingegen auf das sich erst seit Dezember 1989 auf dem Markt befindliche Präparat M1. mit einer Dosierung von 70-210 mg Kava-Pyrone bezogen hätten.
179Diese unterschiedlichen Dosierungen können einerseits als Hinweis darauf gedeutet werden, dass im Zeitraum zwischen den Studienberichten und der Veröffentlichung der Studien eine Umrechnung stattgefunden hat, für die aber nur dann ein Erfordernis bestand, wenn das den Studienberichten zugrundeliegende Präparat mittels DC-Methode gemessen war. Als weitere denkbare Erklärungsmöglichkeit kommt allein in Betracht, dass sich Studien und Studienberichte auf unterschiedliche Präparate bezogen haben. Aber auch daraus ergibt sich kein Anhalt dafür, dass das Präparat, zu dem sich der Studienbericht verhält, bereits nach der HPLC-Methode gemessen war. Dagegen spricht, dass es sich dabei um ein - an der damals standardisierten DC-Methode gemessen - erheblich aus dem Rahmen fallendes, weil deutlich unterhalb der angenommen Wirksamkeitsschwelle dosiertes Präparat gehandelt hätte. Hinzu kommt, dass die entgegengesetzte Annahme der Beklagten nicht auf validen Erkenntnissen beruht, sondern auf einer Mitteilung, die die Firma T2. erst zu einem viel späteren Zeitpunkt, nämlich im Zulassungsverfahren gemacht hat. Demgegenüber hat Herr Dr. T1. anhand der Studienberichte die dem Präparat der Firma T2. zugrundeliegende Analytik selbst geprüft und hat dabei keinen Hinweis darauf gefunden, dass dies nach der HPLC-Methode bemessen wurde.
180Vor diesem Hintergrund ist auch die weitere Vermutung der Beklagten, dass der in der Monographie angegebene Wert von 60 mg Kava-Pyrone auf der DC-Methode beruhte und der Wert von 120 mg auf der HPLC-Methode, fernliegend und durch nichts belegt. Denn einerseits ginge damit einher, dass die für Phyto-pharmaka charakteristische Dosierungsspanne weitgehend entfiele. Andererseits hält der Senat es mit Frau Dr. H. für abwegig, dass in einer Dosisempfehlung, die eine Spannbreite angibt, zwei Werte genannt werden, die auf unterschiedlichen Mess- und Analysemethoden beruhen.
181Angesichts dessen ist der Klägerin darin zu folgen, dass die Deklarierung der Dosierung an die heute standardisierte HPLC-Methode angepasst werden muss. Der Senat stimmt aber darin nicht mit der Klägerin überein, dass dies im Sinne einer Verdoppelung zu erfolgen hat. Der Umstand, dass die Bestimmung nach der DC-Methode mit drei Kava-Pyronen erfolgt und die nach der HPLC-Methode mit sechs Kava-Pyronen rechtfertigt dies nicht, weil der Lactongehalt der unterschiedlichen Pyrone variiert. Das erfordert die Bestimmung eines anderen Umrechnungsfaktors. Frau Dr. H. hat 1,61 als Korrelationsfaktor angegeben und dessen Herleitung anhand einer gut nachvollziehbaren und stimmigen Berechnungsübersicht erläutert. Die Beklagte ist dem nicht entgegen getreten. Der Senat hat auch unter Berücksichtigung der übrigen in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse keine Zweifel, dass dieser Korrelationsfaktor zutrifft. Bei seiner Anwendung ergibt sich, dass der in der Monographie genannten Dosierungsspanne von 60-120 mg Kava-Pyrone nach der DC-Methode einer Dosierungsspanne von 97-193 mg Kava-Pyrone nach der HPLC-Methode entspricht und die hier streitgegenständlichen Präparate deswegen überdosiert sind.
182Neben der Dosierung entsprechen auch die dem Senat vorliegenden Gebrauchs- und Fachinformation - unterstellt, die darin enthaltenen Änderungen von für die Zulassung wesentlichen Angaben sind im Wege der Änderungsanzeige wirksam geworden - nicht vollständig den Empfehlungen der Kommission E. Das betrifft die Angabe der Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten (der Hinweis auf die Vermeidung einer begleitenden Medikation mit potentiell hepatotoxischen Medikamenten, insbesondere auch Betablockern, Antidepressiva und Migräne-mitteln fehlt) und die darin vorgesehene Bestimmung der Leberwerte vor Beginn der Behandlung, sodann wöchentlich und optional nach Abschluss der Behand-lung. Überdies fehlt die ausdrückliche Begrenzung der Anwendungsdauer auf einen, maximal zwei Monate.
183(II.) Wenngleich die festgestellten Abweichungen ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis begründen, rechtfertigen sie nicht den Widerruf der Zulassung, weil eine Änderung der Zulassung auf der Grundlage von § 30 Abs. 2a Satz 1 AMG vorrangig ist. Mit dieser in der Fassung vom 19. Dezember 2012 geltenden Vorschrift, die als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu interpretieren ist, besteht eine Grundlage dafür, Änderungen auf Ebene der Zulassung vorzunehmen.
184Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 18. April 2012, BT-Drs. 17/9341, S. 54.
185Wie ausgeführt, ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis der hier streitgegenständlichen Präparate - insbesondere wegen der zu hohen Dosierung, aber auch im Hinblick auf die übrigen Abweichungen von den Empfehlungen der Kommission E in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2002 als ungünstig zu bewerten, erwiese sich aber nach entsprechender Anpassung an diese Empfehlungen nicht mehr als ungünstig, mit der Folge, dass der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG entfällt. Zur Begründung dafür wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.
186Lassen sich die mit der Anwendung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel in Verbindung gebrachten Nebenwirkungen danach bereits durch die von der Kommission E vorgeschlagenen regulatorischen Maßnahmen auf ein vertretbares Maß reduzieren, kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die Beklagte vorrangig unter der Voraussetzungen des § 28 Abs. 3b Satz 1 Nr. 2 AMG eine Unbedenklichkeitsstudie („PASS“) hätte anordnen können und müssen.
187Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
188Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.
189Die Revision ist zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegen.
(1) Die Zulassung ist zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass einer der Versagungsgründe des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2, 3, 5, 5a oder 7 bei der Erteilung vorgelegen hat; sie ist zu widerrufen, wenn einer der Versagungsgründe des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3, 5, 5a oder 7 nachträglich eingetreten ist. Die Zulassung ist ferner zurückzunehmen oder zu widerrufen, wenn
- 1.
sich herausstellt, dass dem Arzneimittel die therapeutische Wirksamkeit fehlt, - 2.
in den Fällen des § 28 Abs. 3 die therapeutische Wirksamkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse unzureichend begründet ist.
(1a) Die Zulassung ist ferner ganz oder teilweise zurückzunehmen oder zu widerrufen, soweit dies erforderlich ist, um einer Entscheidung oder einem Beschluss der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union nach Artikel 34 der Richtlinie 2001/83/EG zu entsprechen. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet bei Rechtsmitteln gegen Entscheidungen der zuständigen Bundesoberbehörde nach Satz 1 nicht statt. In den Fällen des Satzes 1 kann auch das Ruhen der Zulassung befristet angeordnet werden.
(2) Die zuständige Bundesoberbehörde kann die Zulassung
- 1.
zurücknehmen, wenn in den Unterlagen nach § 22 oder § 24 unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht worden sind, - 2.
widerrufen, wenn der Versagungsgrund des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 nachträglich eingetreten ist oder wenn eine der nach § 28 angeordneten Auflagen nicht eingehalten und diesem Mangel nicht innerhalb einer von der zuständigen Bundesoberbehörde zu setzenden angemessenen Frist abgeholfen worden ist; dabei sind Auflagen nach § 28 Abs. 3 und 3a jährlich zu überprüfen, - 3.
im Benehmen mit der zuständigen Behörde widerrufen, wenn die für das Arzneimittel vorgeschriebenen Prüfungen der Qualität nicht oder nicht ausreichend durchgeführt worden sind, - 4.
im Benehmen mit der zuständigen Behörde widerrufen, wenn sich herausstellt, dass das Arzneimittel nicht nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln hergestellt worden ist.
(2a) In den Fällen der Absätze 1 und 1a ist die Zulassung zu ändern, wenn dadurch der in Absatz 1 genannte betreffende Versagungsgrund entfällt oder der in Absatz 1a genannten Entscheidung entsprochen wird. In den Fällen des Absatzes 2 kann die Zulassung durch Auflage geändert werden, wenn dies ausreichend ist, um den Belangen der Arzneimittelsicherheit zu entsprechen.
(3) Vor einer Entscheidung nach den Absätzen 1 bis 2a muss der Inhaber der Zulassung gehört werden, es sei denn, dass Gefahr im Verzuge ist. Das gilt auch, wenn eine Entscheidung der zuständigen Bundesoberbehörde über die Änderung der Zulassung, Auflagen zur Zulassung, den Widerruf, die Rücknahme oder das Ruhen der Zulassung auf einer Einigung der Koordinierungsgruppe nach Artikel 107g, 107k oder Artikel 107q der Richtlinie 2001/83/EG beruht. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet in den Fällen des Satzes 2 nicht statt. In den Fällen des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 ist die Entscheidung sofort vollziehbar. Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung.
(4) Ist die Zulassung für ein Arzneimittel zurückgenommen oder widerrufen oder ruht die Zulassung, so darf es
Die Rückgabe des Arzneimittels an den pharmazeutischen Unternehmer ist unter entsprechender Kenntlichmachung zulässig. Die Rückgabe kann von der zuständigen Behörde angeordnet werden.Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 20. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen. Sie wendet sich gegen den Widerruf der Zulassung der Präparate Kava N. Kapseln, B. 120 mg Tabletten, Kava-N1. Tabletten, T. Tabletten und X. Tabletten, die sie bis zum Jahr 2001 in den Verkehr gebracht hatte.
3Für das zuerst genannte Präparat wurde die beantragte Nachzulassung bislang nicht erteilt. Für die Präparate Kava-N1. Tabletten, T. Tabletten und X. Tabletten hatte das BfArM die Zulassung mit einer Dosierung von einmal täglich einer Tablette bei einer Wirkstoffmenge von 120 mg pro Tablette und für B. 120 mg Tabletten mit einer Dosierung von zweimal täglich ½ Tablette erteilt.
4Bei den Präparaten handelt es sich um pflanzliche Angstlöser (Anxiolytika) zur Anwendung bei nervösen Angst-, Spannungs- und Unruhezuständen, die als Wirkstoff den Kava-Kava-Wurzelstock-Trockenextrakt - Piperis methystici rhizoma - in Gestalt eines ethanolischen Auszugs enthalten.
5Die Anwendungsgebiete der Arzneimittel der Klägerin entsprachen den Vorgaben der Monographie der Kommission E vom 1. Juni 1990. Im Jahr 2002 war ihre Verschreibungspflicht beschlossen worden.
6Im Jahr 2001 leitete das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgrund von Berichten über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen in Gestalt lebertoxischer Effekte bei acetonischen Kava-Kava-Auszügen insbesondere aus der Schweiz ein Stufenplanverfahren nach § 63 AMG ein. Nach Anhörung der betroffenen pharmazeutischen Unternehmen widerrief das BfArM mit Bescheid vom 14. Juni 2002 erstmals die Zulassungen Kava-Kava- und Kavain-haltiger Arzneimittel bis zu einer homöopathischen Verdünnung von D4. Hiergegen legten die betroffenen Unternehmen Widerspruch ein, woraufhin das BfArM an der Widerrufsentscheidung nicht festhielt, sondern stattdessen mit Bescheid vom 12. Mai 2005 ein befristetes Ruhen der betroffenen Zulassungen anordnete.
7Nachdem zwischen den beteiligten Unternehmen, ihren Verbänden und dem BfArM über die Art des vorzulegenden wissenschaftlichen Erkenntnismaterials keine Einigung erzielt werden konnte, widerrief die Behörde mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 21. Dezember 2007 die Zulassungen Kava-Kava- und Kavain-haltiger Arzneimittel und homöopathischer Zubereitungen aus Kava-Kava-Zubereitungen. Es bestehe weiterhin der Widerrufsgrund des § 30 Abs. 1 i. V. m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG, da der begründete Verdacht schädlicher Wirkungen auch unter Berücksichtigung der von den betroffenen Unternehmen und ihren Verbänden vorgelegten Unterlagen fortbestehe. Das Ruhen der Zulassungen sei angeordnet worden, um den betroffenen Unternehmen Gelegenheit zu geben, Studienergebnisse vorzulegen, die die Wirksamkeit in dem beanspruchten Anwendungsgebiet in einem Maße belegten, dass die bekannten hepatotoxischen Risiken vertretbar seien. Die vorgelegten toxikologischen Untersuchungen lieferten keine hinreichende Grundlage für die Risikoabschätzung. Anhand der in-vitro-Studien könne zwar ein gewisser Toxizitätsvergleich der untersuchten Kava-Kava-Extrakte bzw. Kavalactone aufgestellt werden. Eine direkte Risikoabschätzung bzw. ein Unbedenklichkeitsnachweis für die Anwendung sämtlicher Arten von Kava-Kava-Extrakten am Menschen könne daraus aber nicht abgeleitet werden. Die in-vivo-Studien wiesen methodische Mängel auf und seien deswegen nicht bewertungsfähig. Zudem beschränke sich die Aussagekraft der Studie von DiSilvestro et al. auf einen bestimmten Kava-Kava-Extrakt und könne deswegen nicht zur Risikoabschätzung von Kava-Kava-Arzneimitteln allgemein herangezogen werden. In der Studie von L. Sorrentino et al. seien nicht genügend Parameter zum Ausschluss der Lebertoxizität erhoben worden. Zudem fehlten Daten zur Pharmakokinetik bzw. Toxikokinetik der potentiell toxischen Inhaltsstoffe. Es sei weiterhin unklar, ob die Ratte die geeignete Tierspezies sei, um vergleichbare hepatotoxische Effekte auszulösen, wie sie aufgetreten seien. Die nachgereichten Publikationen lieferten keine Erkenntnisse, die eine Hepatotoxizität der von dem Stufenplan betroffenen deutschen Kava-Kava-haltigen Arzneimittel ausschlössen oder relativierten. Deren Fehlen in den vorliegenden Untersuchungen stehe im Widerspruch zu den klinischen Befunden. Mangels weiterer Untersuchungen, die die pharmazeutischen Unternehmen zwar angekündigt, aber nicht durchgeführt hätten, seien nach wie vor weder die Mechanismen der klinisch aufgetretenen hepatotoxischen Effekte noch das klinisch relevante Toxin bekannt.
8Der Bescheid enthält eine Zusammenfassung der vorliegenden Erkenntnisse zum Risiko der Einnahme Kava-Kava-haltiger Präparate und verweist insoweit auf einen Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 2007, der eine Bewertung von 93 Fallberichten zu Leberschädigungen enthalte. Diese seien in sieben Fällen tödlich verlaufen und in 14 Fällen sei eine Lebertransplantation erforderlich geworden. Außerdem wird in dem Bescheid auf den Bericht der britischen Gesundheitsbehörde Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency (MHRA) vom 27. Juni 2006 verwiesen, in dem - nach Ländern gegliedert - die bei der MHRA eingegangenen Meldungen zu 110 Nebenwirkungsverdachtsfällen weltweit - darunter die überwiegende Anzahl aus Deutschland - aufgeführt sind.
9Den hiernach bestehenden Risiken stehe der Umstand gegenüber, dass neuere Untersuchungen zum Beleg der Wirksamkeit Kava-Kava- sowie Kavalacton-haltiger Arzneimittel nicht vorgelegt worden seien. Bei Arzneimitteln, für die es ‑ jedenfalls bei der vorgeschlagenen Dosierung - keine ausreichenden Wirksamkeitsbelege gebe, sei ein nicht zu eliminierendes Risiko nicht hinnehmbar, wenn es um schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) gehe. Risikominimierende Maßnahmen wie die Unterstellung unter die Verschreibungspflicht, die Begrenzung der Dosierung und Leberfunktionstests rechtfertigten keine abweichende Bewertung, zumal bei der Behandlung von Angststörungen mit Benzodiazepinen, Buspiron und einigen Serotoninwiederaufnahmehemmern wie Paroxetin und Citalopram therapeutische Alternativen zur Verfügung stünden. Deren Wirksamkeit in der Behandlung von unterschiedlichen Formen von Angststörungen sei im Gegensatz zu Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln in mehreren klinischen Studien gut untersucht und belegt worden. Das bei Benzodiazepinen bestehende Abhängigkeitsrisiko rechtfertige es nicht, das mit Kava-Kava-Produkten verbundene Risiko hinzunehmen.
10In einer zusammenfassenden Bewertung führte das BfArM aus, dass bei monographiekonformer Dosierung bis 120 mg als Tagesdosis Kava-Pyrone das Risiko von Leberschädigungen zwar geringer, aber immer noch deutlich vorhanden sei. Bei Dosierungen oberhalb von 120 mg Kava-Pyrone bestehe zwar ein gewisser Anhalt für die Wirksamkeit; das Risiko für Leberschäden sei dann aber zu groß.
11Die Klägerin erhob gegen den Bescheid Widerspruch. In einer Stellungnahme des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller e.V. (BAH) zum Widerruf der Zulassungen, die sich die Klägerin zu eigen machte, führte der Verband aus, die Annahme schädlicher Wirkungen Kava-Kava- und Kavain-haltiger Arzneimittel sei unzutreffend. Das BfArM habe die neu vorgelegten toxikologischen Untersuchungen nicht bewertet bzw. keinen nachvollziehbaren Bewertungskriterien unterworfen. Die Kommission E habe in ihrer Sitzung vom 27. Februar 2002 unter dem Vorbehalt bestimmter Sicherheitsmaßnahmen ein klares Votum zur weiteren Verkehrsfähigkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel abgegeben. Auch berücksichtige der Bescheid nicht, dass § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG in seiner seit dem 6. September 2005 geltenden Fassung keinen „begründeten Verdacht schäd-licher Wirkungen“, sondern ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis voraus-setze. Kava-Kava erfülle die Voraussetzungen eines „well-established use“. Es werde seit Jahrzehnten in der Europäischen Union medizinisch verwendet. Wirkungen und Nebenwirkungen seien bekannt. Neue klinische Studien könnten folglich nicht verlangt werden. Zudem könne eine klinische Studie keine Erkennt-nisse über seltene Nebenwirkungen liefern. Anlass zu Kritik an den eingereichten toxikologischen Studien bestehe nicht. Andere therapeutische Ansätze wie z.B. Benzodiazepine stellten aufgrund ihrer Risiken keine therapeutische Alternative dar. Andere Arzneistoffe wiesen das gleiche oder sogar ein höheres Risiko für Leberschädigungen und zudem weitere schwerwiegendere unerwünschte Effekte als Kava-Kava auf, insbesondere sei ein Anstieg der Suizidrate bekannt. Die Ergebnisse des Berichts der MHRA seien wegen der gänzlich anderen Indikation in Großbritannien (Blasenerkrankungen) nicht übertragbar. Die Bewertung der vorliegenden Fallmeldungen sei nicht sachgerecht. Ihre Inzidenzrate werde vom BfArM nach wie vor nicht berücksichtigt.
12In der Folgezeit führten Gespräche und Schriftwechsel zwischen den pharmazeutischen Unternehmen und dem BfArM zu keinem Ergebnis. Der Widerspruch der Klägerin blieb zunächst unbeschieden.
13Unter dem 7. April 2011 richtete die Klägerin Änderungsanzeigen für alle streitgegenständlichen Präparate an das BfArM, deren Inhalt jeweils die Erhöhung der Tagesdosierung entsprechend 120 mg bis 240 mg Kava-Pyrone bzw. bezogen auf das Präparat Kava N. Kapseln entsprechend 150 bis 200 mg Kava-Pyrone ist.
14In den für das Präparat Kava N. Kapseln beigefügten Fachinformationen, Stand April 2011, ist eine Dosierung von drei- bis viermal täglich eine Kapsel (a 50 mg) vorgesehen. Als Dosierung für die übrigen Präparate wird darin ein- bis zweimal täglich eine Tablette genannt. Unter den Gegenanzeigen sind bei allen Präparaten u.a. eine vorbestehende Leberschädigung und erheblicher Alkoholkonsum aufgeführt. Unter der Rubrik Nebenwirkungen enthalten sie den Hinweis auf sehr selten auftretende Leberschäden unterschiedlicher Schweregrade (Transaminasenanstieg, Ikterus, Hepatitis). In einigen Fällen sei es nach der Einnahme der empfohlenen oder der zwei- bis dreifachen Dosierung bei Kava-Kava-Zubereitungen bereits nach acht Wochen zu einem irreversiblen Leberversagen gekommen. Deswegen seien insbesondere bei einer länger als einen Monat dauernden Therapie regelmäßig Laborkontrollen der Leberfunktion durchzuführen. Als Wechselwirkung sei eine Wirkverstärkung von zentral wirksamen Substanzen wie Alkohol, Psychopharmaka und Muskelrelaxanzien möglich. Eine Verstärkung hepatotoxischer Wirkungen anderer Arzneimittel durch die zeitnahe Einnahme von Kava-Kava-Zubereitungen könne nicht ausgeschlossen werden. Die entsprechenden Gebrauchsinformationen enthalten den Hinweis auf die Symptome einer fortgeschrittenen Leberschädigung, bei deren Auftreten das Präparat abzusetzen und sofort ein Arzt aufzusuchen sei. Außerdem wird darin darauf hingewiesen, dass der Genuss alkoholhaltiger Getränke während der Behandlung mit den jeweiligen Präparaten vermieden werden sollte. Hinsichtlich der Anwendungsdauer ist keine zeitliche Begrenzung vorgegeben. Für alle Präparate sind Packungsgrößen von 30/60/100 Tabletten bzw. bei Kava N. Kapseln vorgesehen.
15Das BfArM hat den Änderungsanzeigen in der Folgezeit nicht widersprochen.
16Die Klägerin hat am 20. Dezember 2011 die vorliegende Klage als Untätigkeitsklage erhoben und zugleich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung deren aufschiebender Wirkung beantragt (VG Köln 7 L 1918/11). Diesen Antrag hat sie am 24. Mai 2012 zurückgenommen.
17Zur Begründung der Klage hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Der Widerruf der Zulassungen sei rechtswidrig. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis für Kava-Kava-haltige Arzneimittel, die auf einem ethanolischen Extrakt des Kava-Kava-Wurzelstocks basierten, sei nicht ungünstig. Die Wirksamkeit des Arzneimittels sei bei einer Dosierung von 240 mg Kava-Pyrone, berechnet nach der Hochleistungsflüssigkeitschromatographie-Methode - engl. high performance liquid chromato-graphy - (HPLC-Methode) auf sechs Kava-Pyrone, belegt. Die von der Kommis-sion E angegebenen 120 mg Kava-Pyrone seien mittels Dünnschichtchromato-graphie (DC) beschränkt auf drei Kava-Pryrone berechnet worden. Deswegen entsprächen 120 mg Kava-Pyrone berechnet nach der DC-Methode 240 mg Kava-Pyrone berechnet nach der HPLC-Methode. Überdies sei Ende der 80er Jahre eine exakte quantitative Bestimmung aller maßgeblichen sechs Kava-lactone auch mit Hilfe der HPLC-Methode nicht möglich gewesen. Demzufolge entsprächen die in der Monographie ermittelten 120 mg nicht dem Gesamtgehalt an Kavalactonen. Vielmehr sei der Kavalactongehalt der Kava-Produkte, die in der Monographie Berücksichtigung gefunden hätten, nach heutigen Standards wesentlich höher anzusetzen.
18Der Einwand des BfArM, die Mittel seien nicht wirksam, beruhe darauf, dass die betroffenen Unternehmen auf entsprechende Forderung des BfArM die Dosierung halbiert hätten, um sich numerisch an die Monographie anzupassen. Das sei inzwischen mit Blick auf die unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen durch die mit der Änderungsanzeige erfolgte Anhebung auf die alte Menge von 240 mg Kava-Pyrone korrigiert worden. Bei der Bewertung der Wirksamkeit müsse deswegen nach aktuellem Stand der Zulassung für alle betroffenen Arzneimittel eine Dosierung von 240 mg Kava-Pyrone zugrunde gelegt werden.
19Die vorliegenden Fälle unerwünschter Ereignisse in Zusammenhang mit Kava-Kava seien vom BfArM unrichtig und teilweise anders als von anderen Institutionen bewertet worden. Auf der Grundlage der Auswertung durch Teschke et al. aus dem Jahr 2008 ergäben sich lediglich drei Fälle, in denen überhaupt von einer Auslösung durch Kava-Kava auszugehen sei. In zwei dieser Fälle habe es sich um acetonische Extrakte gehandelt. Der verbleibende Fall stehe im Zusammenhang mit einer Allergie. Die Häufung von UAW-Meldungen in den Jahren 2001 und 2002 sei zudem durch die aktive negative Informationspolitik des BfArM zu erklären. Im Gegensatz zum BfArM habe die schweizerische Behörde nicht auf Vorlage präklinischer Studien bestanden, sondern nur eine Anwendungsbeobachtung gefordert, die jedoch wegen des deutschen Kava-Kava-Verbots abgebrochen worden sei. In den USA würden Kava-Kava-Produkte nach wie vor als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebracht.
20Die Risiken in Betracht zu ziehender Alternativpräparate - insbesondere Benzodiazepine und Antidepressiva - seien ungleich höher als die der betroffenen Kava-Kava-Produkte. Das angestrebte Ziel der Verminderung von Therapierisiken könne mit dem Widerruf nicht erreicht werden. Anstelle des geringeren Risikos von Kava-Kava-Produkten lasse das BfArM zu, Arzneimittel einzusetzen, deren Anwendung für die Patienten mit weit größeren Risiken verbunden sei. Noch bis zum Jahr 2001 habe das BfArM Neuzulassungen für Kava-Kava-haltige Arzneimittel erteilt.
21Mit Bescheid vom 15. Februar 2012 hat das BfArM den Widerspruch der Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung seiner vorherigen Ausführungen zum Risiko der Anwendung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel als unbegründet zurückgewiesen. In Deutschland seien 48 Fälle lebertoxischer Reaktionen registriert worden, von denen 26 ausreichend gut dokumentiert seien. In sieben Fällen habe eine Lebertransplantation vorgenommen werden müssen. Zwei dieser Patienten und eine Patientin ohne Lebertransplantation seien verstorben. In zwei Fällen sei die lebertoxische Reaktion nach Absetzen des Kava-Kava-Produkts zurückgegangen und bei Reexposition erneut aufgetreten. In dreizehn Fällen sei aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs, des Fehlens lebertoxischer Faktoren und einer entsprechenden Komedikation ein Kausalzusammenhang wahrscheinlich. In einzelnen dieser Fälle sei eine synergistische Beteiligung eines anderen Arzneimittels (z.B. eines Estrogens) als möglich anzusehen, ohne dass dies die Annahme gerechtfertigt hätte, dass das Kava-Kava-Arzneimittel nicht an der hepato-toxischen Reaktion beteiligt gewesen wäre. In weiteren fünf spontan gemeldeten Fällen sei ein Kausalzusammenhang „möglich bis wahrscheinlich“ und in den restlichen Fällen „möglich“. Aus den dargestellten Fällen gehe hervor, dass Kava-Kava eindeutig das Potential zu schwerer Lebertoxizität habe. Der Effekt weise ein durchaus charakteristisches Muster auf mit einem zeitlichen Gipfel bei drei bis vier Monaten nach Medikationsbeginn und einer wahrscheinlich höheren Toxizität bei höheren Dosen.
22Zur toxikologischen Bewertung von Kava-Kava-Extrakten fehlten weiterhin nach heutigen Standards durchgeführte Tierstudien. Die Wirksamkeit der ethano-lischen Kava-Kava-Auszüge als Anxiolytikum sei unverändert als nicht belegt anzusehen. Ein Vergleich des Nutzen-Risiko-Profils mit therapeutischen Alter-nativen setze diesen Wirksamkeitsnachweis aber voraus.
23Mit Auflagenbeschluss vom 30. Oktober 2012 hat das Verwaltungsgericht der Beklagten aufgegeben, eine Zusammenstellung nebst Wirksamkeitsbelegen und Nebenwirkungsprofil von Benzodiazepin-haltigen, in Deutschland verkehrsfähigen Arzneimitteln vorzulegen, deren Anwendungsgebiet ganz oder teilweise der Indikation „Nervöse Angst-, Spannungs- und Unruhezustände“ entspricht. Zugleich hat es der Klägerin aufgegeben, darzulegen, ob und unter welchen Voraussetzungen toxikologische Untersuchungen in vivo mit dem Wirkstoff ihres Arzneimittels an einer weiteren Tierart, die nicht Nagetier ist, durchgeführt werden können.
24Die Beklagte ist diesen Auflagen nachgekommen und hat hierzu erwidert, es sei reine Spekulation und durch nichts belegt, dass Patienten nach dem Verbot von Kava-Kava auf Benzodiazepine übergegangen seien. Deren Verwendung sei durch die Hinweise an die Ärzte zum bestimmungsgemäßen Gebrauch von Benzodiazepin-haltigen Präparaten limitiert. Auch weise die Fachinformation auf den überwiegenden Einsatz dieser Arzneistoffe bei schweren Angstzuständen, Schlafstörungen sowie zur Behandlung von Muskelverspannungen und Epilepsien sowie die zeitliche Begrenzung einer Behandlung hin. Zur symptomatischen Behandlung von Angstzuständen (Leitsymptomatik: Angst, innere Unruhe, Spannungszustände) stehe der Wirkstoff Buspiron zur Verfügung, ein Serotonin ohne erhöhtes Abhängigkeitspotential, aber mit verzögertem Wirkungseintritt. Daneben hat das BfArM auf unterschiedliche Psychopharmaka, ferner auf andere pflanzliche Präparate wie Baldrian, Hopfen, Melisse, Passionsblume oder Johanniskraut verwiesen. Die von Klägerseite vertretene Annahme unterschiedlicher Risiken verschiedener Kava-Kava-Kultivare sei spekulativ, da sich die Nebenwirkungsmeldungen gleichmäßig auf die verschiedenen Kultivare und Extrakte verteilten. In einem Fall sei es sogar zu einer „positiven Rechallenge“ - einem Wiederauftreten der Nebenwirkung nach erneuter Gabe - gekommen, was eine gesicherte Kausalität begründe. Zudem habe sich in mehreren vom National Toxicology Program (NTP) der USA mit einem handelsüblichen Kava-Kava-Extrakt durchgeführten Studien ergeben, dass die Leber Hauptzielorgan toxischer und kanzerogener Effekte sei.
25Die Klägerin hat sich in ihrer Gegenäußerung zum Auflagenbeschluss gegen das Erfordernis weiterer tierexperimenteller Toxizitätsstudien gewandt und dazu ausgeführt: Das bisherige Datenmaterial habe ein hepatotoxisches Potential von Kava-Kava nicht belegen können. Nebenwirkungen seien insoweit in der Vergangenheit in erster Linie bei acetonischen Kava-Kava-Extrakten und minderwertigen Sorten aufgetreten. Unter Zugrundelegung des zutreffenden Bewertungsschemas
26wären zahlreiche Meldungen nicht auf Kava-Kava zurückzuführen. Der einzelne Fall einer Rechallenge hätte in diesem Licht unter dem Gesichtspunkt einer Allergie bewertet werden müssen. Zur Gewinnung weiterer Erkenntnisse über das Risiko am Menschen sei eine Beobachtung von Patienten im Rahmen der laufenden Behandlung geeignet (sog. Post Authorisation Safety Study, „PASS“). Entsprechendes sei vom BfArM auch im Fall von Pelargonium („V. “) akzeptiert worden. Die bestehende toxikologische Datenlage reiche aus. Es lägen allein in Deutschland Erfahrungswerte über einen Zeitraum von 100 Jahren vor. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang u.a. auf eine Reihe - teils neuerer - Studien, die ein hepatotoxisches Risiko des ethanolischen Extrakts, insbesondere bei einer Anwendungsdauer von bis zu vier Wochen, nicht hätten belegen können. In den USA sei Kava-Kava nach wie vor unbeanstandet als Nahrungsergänzungsmittel verkehrsfähig. Kanzerogene Effekte seien bei Mäusen festgestellt worden; dieses Spezies-spezifische Phänomen trete in dieser Form auch bei Benzodiazepinen auf und erfordere eine Langzeitgabe sehr hoher Dosen. Zudem hätten andere Studien gezeigt, dass Kava-Kava nicht mutagen sei. Die Beklagte lasse - der Zulassungspraxis des BfArM widersprechend - bei der Auswertung der Nebenwirkungsmeldungen konsequent die erforderliche Differenzierung der Arzneimittel nach Art der Droge und Extraktionsmittel vermissen.
27Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten seien Benzodiazepine bei der Nutzen-Risiko-Abwägung von Kava-Kava durchaus in den Blick zu nehmen. Die Beklagte selbst benenne Benzodiazepine als risikoärmere Alternative zu Kava-Kava. Angesichts des teilweise identischen Anwendungsgebiets von Kava-Kava und mit Blick auf die Verschreibungszahlen 1998 und 1999 lasse sich feststellen, dass bei etwa jeder 10. Verordnung die Wahl auf Kava-Kava als risikoärmere Alternative zu Benzodiazepinen gefallen sei. Das von der Beklagten aufgrund des Auflagenbeschlusses vorgelegte Material belege ein erhebliches Nebenwirkungspotential von Benzodiazepinen, die in ihrer Schwere einer Hepatotoxizität entsprächen oder über diese hinausgingen, wie etwa die Gefahr einer missbräuchlichen Überdosierung und Selbsttötungen unter Zuhilfenahme von Benzodiazepinen. Auch das von der Beklagten angeführte Buspiron weise ein größeres Abhängigkeitspotential als Kava-Kava auf und sei nebenwirkungsbehaftet. Vergleichbares gelte für Antidepressiva, auch in Bezug auf Leberschädigungen. Johanniskraut zeige Wechselwirkungen zu anderen Arzneimitteln, führe zu Lichtempfindlichkeit und müsse über einen längeren Zeitraum eingenommen werden, um überhaupt eine Wirkung zu zeitigen.
28Auch bestehe eine Asymmetrie in der Risikobewertung des BfArM bei Phyto-pharmaka. Es stelle sich die Frage, warum bei einem freiverkäuflichen Arznei-mittel wie „V. “ mit dem Wirkstoff aus der Pelargoniumwurzel, das ebenfalls im Verdacht stehe, Leberschädigungen hervorzurufen, dieses Risiko in Kauf genommen werde, bei Kava-Kava jedoch trotz von den Unternehmen angebotener Transaminasen-Kontrollen, der Verschreibungspflicht und des hochwertigen Anwendungsgebiets die Zulassungen widerrufen würden.
29Die Klägerin hat beantragt,
30den Bescheid des BfArM vom 21. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2012 aufzuheben.
31Die Beklagte hat beantragt,
32die Klage abzuweisen.
33Sie hat ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft und ergänzend Folgendes ausgeführt: Die von der britischen Gesundheitsbehörde in ihrem Bericht aus dem Jahr 2006 aufgeführten 110 Nebenwirkungsverdachtsfälle beschränkten sich nicht auf acetonische Extrakte, sondern hätten in der Mehrzahl der Fälle ethanolische Extrakte betroffen.
34Die seitens der Unternehmen vorgelegten toxikologischen Untersuchungen seien nicht geeignet, die Risikofreiheit des Wirkstoffs zu belegen. Insbesondere geeignete Tierstudien stünden aus. Eine Kurzzeitanwendung von nur vier Wochen sei angesichts des Krankheitsbildes auch wenig realistisch. Die einschlägigen Guidelines forderten eine Studiendauer bei Nicht-Nagern von neun Monaten.
35Auch die Wirksamkeit sei nicht hinreichend belegt. Insbesondere sei die Darstellung, die Monographie der Kommission E beruhe auf einer DC-Messung, nicht belegt. Aus den Unterlagen zur Monographieerstellung der Kommission E gehe hervor, dass die Bestimmung auch zum damaligen Zeitpunkt schon mit der HPLC-Methode erfolgt sei. Die zwischenzeitliche Erhöhung der Tagesdosis über den monographiekonformen Wert von 60 bis 120 mg Kava-Pyrone hinaus sei nicht geeignet, das negative Nutzen-Risiko-Verhältnis zu ändern.
36Der Klägerin sei zwar darin zuzustimmen, dass in der Phytotherapie der arzneilich wirksame Bestandteil durch das Extraktionsmittel und das Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV) eindeutig gekennzeichnet sei und eine Änderung des Extraktionsmittels bzw. des DEV auch zu einem anderen Wirkstoff führe. Nur die Berücksichtigung ethanolischer Extrakte reduziere aber auch das zugunsten der Klägerin vorgelegte Studienmaterial immens, da dann alle Ergebnisse zu wässrigen, acetonischen oder CO2-Extrakten nicht berücksichtigungsfähig seien.
37Die Beklagte sieht sich durch die NTP-Studie in ihrer Risikobewertung bestätigt. Dass die US-amerikanische Behörde hieraus keinen Handlungsbedarf abgeleitet habe, sei ohne Belang. Die von der Klägerin herangezogenen neueren Studien seien nicht hinreichend aussagekräftig.
38Die Möglichkeit der Anordnung von Post Authorization Safety Studies sei erst durch das 2. AMG-Änderungsgesetz vom 19. Oktober 2012 geschaffen worden.
39Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des BfArM vom 21. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2012 durch Urteil vom 20. Mai 2014 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Nutzen-Risiko-Verhältnis Kava-Kava-haltiger Arzneimittel der hier streitgegenständlichen Art erweise sich nicht als ungünstig. Wenngleich die Monographie „Piperis methystici rhizoma" der Kommission E vom 1. Juni 1990, aus der die Klägerin die Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel im Wesentlichen herleite, nicht auf einer aktuellen Erfordernissen genügenden klinischen Erprobung des Wirkstoffs beruhe, sei sie in der Folgezeit Grundlage für eine Vielzahl von Zulassungen und Nachzulassungen Kava-Kava-haltiger Präparaten gewesen, ohne dass insoweit eine sachliche Unterscheidung zwischen ethanolischen und anderen Auszügen erfolgt sei. Diese Wirksamkeitsaussage habe das BfArM im gerichtlichen Verfahren nicht substantiiert angegriffen. Auch habe sich die Kommission E noch im Jahre 2002 in Kenntnis der bekannten Risikoaspekte für die Verkehrsfähigkeit der Produkte unter dem Vorbehalt bestimmter Sicherheitsmaßnahmen ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund könne den vom Widerruf betroffenen Arzneimitteln ungeachtet ihrer Dosierung nicht jede Wirksamkeit von vornherein abgesprochen werden. Wegen des abweichenden Prüfungsmaßstabs des § 30 Abs. 1 AMG komme es auf die Frage, ob die Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel in einer den Anforderungen des § 22 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 3 AMG genügenden Weise begründbar sei, nicht an.
40Dem durch die Zulassungsbescheide belegten Nutzen der Präparate in den Anwendungsgebieten „nervöse Angst, Spannungs- und Unruhezustände" stünden Anwendungsrisiken in Gestalt hepatotoxischer Ereignisse gegenüber. Die in dem Bericht der WHO dokumentierten Fälle lebertoxischer Reaktionen seien im Rahmen einer quantitativen Gewichtung angesichts der weiten Verbreitung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel als „selten" oder „sehr selten" auftretende Nebenwirkungen auszuweisen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin nachvollziehbar dargelegt habe, dass in die Berichte der WHO und der MHRA auch Meldungen aus Deutschland eingeflossen seien und deswegen eine doppelte Berücksichtigung ein und desselben Ereignisses nahe liege. Inhaltlich sei das zu den hepatotoxischen Nebenwirkungen vorliegende Zahlenmaterial nicht konsistent. Das aus Großbritannien ausgewertete Zahlenmaterial beziehe sich auf die Anwendung von Kava-Kava in einem anderen Anwendungsgebiet, nämlich Blasenerkrankungen. Zudem erschwere die Multikausalität von Leberschädigungen die Zuordnung zu einer bestimmten Medikamentengabe. Die Klägerin habe nachvollziehbar dargelegt, dass es auch in sog. „Rechallenge-Fällen" einer Dokumentation der Komedikation bedürfe, um eine tragfähige Wahrscheinlichkeitsaussage treffen zu können. In der vorliegenden Gestalt lasse das Zahlenmaterial nur die Aussage einer möglichen Verknüpfung von Nebenwirkungen durch Kava-Kava-Gabe zu. Dies gelte auch für ethanolische Extrakte.
41Im Rahmen der Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses hat das Verwaltungsgericht zunächst darauf hingewiesen, dass das monographierte Anwendungsgebiet „nervöse Angst, Spannungs- und Unruhezustände" sich mit dem für Benzodiazepine zugelassenen Anwendungsgebiet überschneide. Obwohl es sich bei Letzteren um zugelassene und verschreibungspflichtige Arzneimittel handele, gingen von diesen Wirkstoffen erhebliche Gefahren aus. Es bestehe schon bei therapeutischen Dosierungen ein sehr hohes Abhängigkeitspotential. Benzodiazepine würden weltweit als Medikamente mit der höchsten Missbrauchsrate gelten. Seit 2002 habe es für Benzodiazepine insgesamt 4.478 UAW-Meldungen gegeben, die sich über eine Vielzahl von unerwünschten Nebenwirkungen erstreckten und - soweit schwer - bei Suizidversuchen und Suchtmissbrauch deutliche Spitzen aufwiesen, vereinzelt aber auch Leberschädigungen zeigten. Vor diesem Hintergrund könne nicht von einer risikoärmeren Alternative zu Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln ausgegangen werden. Das gelte in abgeschwächter Form auch für das vom BfArM angeführte Buspiron und die erwähnten Antidepressiva. Zudem seien im Rahmen einer am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Übermaßverbot orientierten Nutzen-Risiko-Abwägung andere regulatorische Maßnahmen zur Risikominimierung zu berücksichtigen, die eine weitere Verkehrsfähigkeit der Produkte ohne unvertretbare Gefahren für die öffentliche Gesundheit gewährleisteten. Hierzu zählten die Verschreibungspflicht, Gegenanzeigen, Anwendungsbeschränkungen, eine ausdrückliche Beschränkung der Anwendungsdauer sowie eine begleitende regelmäßige Erhebung der Leberwerte. Hinzu trete die nunmehr gemäß § 28 Abs. 3b Satz 1 Nr. 2 AMG auch nach Erteilung der Zulassung bestehende Möglichkeit der Bundesoberbehörde, im Wege der Auflage anzuordnen, Unbedenklichkeitsprüfungen durchzuführen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich sei. Angesichts des Umstandes, dass bislang die Anhaltspunkte für ein hepatotoxisches Risiko der streitbefangenen Produkte nicht mit der genügenden Sicherheit hätten verifiziert werden können, wäre eine solche nachgelagerte Erprobung bei fortbestehender Marktfähigkeit unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten naheliegend und das gegenüber dem Widerruf mildere Mittel.
42Die Beklagte hat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht: Die Möglichkeit, eine Unbedenklichkeitsstudie anzuordnen, bestehe nicht. Das materielle Recht, insbesondere § 28 Abs. 3b Satz 1 Nr. 2 AMG, eröffne nicht die Möglichkeit, nach Zulassung eine Unbedenklichkeitsstudie anzuordnen. Es bestehe kein Ansatz dafür, dass die Vorschrift auf vor ihrem Inkrafttreten eingeleitete (und abgeschlossene) Risikoverfahren Anwendung finde. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend festgestellt, dass die aktuelle Bewertung der Wirksamkeit des Arzneimittels ein maßgeblicher Abwägungsbelang bei der Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses sei. Die Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel sei bereits bei Erstellung der Monographie der Kommission E fraglich gewesen. Wegen der geringen Bedeutung von Kava-Kava sei zunächst eine Negativmonographie erstellt worden. Die von der Kommission E in Bezug auf die Wirksamkeit angenommene Plausibilität würde und könnte unter den heutigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu einer traditionellen Registrierung gemäß § 39c AMG führen, womit allerdings eine sehr viel kritischere Nutzen-Risiko-Bewertung einhergehe. Schon zum Zeitpunkt der Stufenplanentscheidung hätten dem BfArM keine Studien vorgelegen, die eine Wirksamkeit ausreichend belegt hätten. Das Herbal Medicinal Product Commitee (HMPC) habe in einer öffentlichen Stellungnahme „Piperis methystici rhizoma“ als einen der Wirkstoffe benannt, für die die Erstellung einer Positivmonographie nicht erfolgversprechend erscheine. Das angegriffene Urteil überspanne die Anforderungen an den Verdachtsgrad schädlicher Nebenwirkungen. Wenn - wie vorliegend - eine größere Anzahl von Verdachtsfällen zusammenkomme, ergebe sich der begründete Verdacht des Auftretens unvertretbarer schädlicher Wirkungen mit zumindest möglicher Kausalität. Da es sich hier um sehr schwerwiegende Nebenwirkungen mit ernsten Konsequenzen gehandelt habe, seien zum Schutz der Patienten einschneidende Maßnahmen gerechtfertigt gewesen. Die vom Gericht beanstandete fehlende Häufigkeit der Nebenwirkungen sei aus den Daten der Spontanerfassung bekanntermaßen nicht verlässlich ableitbar. Insoweit sei insbesondere die hohe Dunkelziffer zu berücksichtigen. Quantitative Aussagen zur Häufigkeit von Nebenwirkungen seien nur durch Studien mit systematischer Datenerfassung und ausreichender Anzahl eingeschlossener Patienten zu treffen. Entscheidend sei das Vorliegen einer Reihe von Fällen schwerwiegender Nebenwirkungen, bei denen ein kausaler Zusammenhang mit der Anwendung von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln zumindest möglich erscheine. Dieser sei nach den dem BfArM vorliegenden - im Folgenden nochmals zusammengefassten - Erkenntnissen gegeben. Daraus gehe hervor, dass Kava-Kava eindeutig das Potential zu schwerer Lebertoxizität habe, wobei auch idiosynkratische Leberschädigungen eine denkbare Erklärungsmöglichkeit seien. Die Darstellung der Klägerin zu Inzidenzraten bleibe unklar. An der Arbeit von Teschke et al. sei auffällig, dass der Kausalzusammenhang in 13 Fällen wegen anderer nicht medikamentöser Ursachen verneint worden sei und dies in drei beispielhaft aufgeführten Fällen nicht mit den differenzialdiagnostischen Feststellungen der Ärzte, von denen diese Fallberichte stammten, in Einklang stehe. In der bisherigen Diskussion zu Noble-Kava und den zu erwartenden Qualitätsunterschieden habe die Klägerin bislang nicht belegt, welche Kava-Qualität sie in den 80er/90er Jahren verwendet habe. Es sei auch nicht dargelegt, ob die klinischen Studien, die der damaligen Zulassung zugrunde lagen, ausschließlich mit Noble-Kava durchgeführt worden seien.
43Auch wenn der für die NTP-Studie verwendete Extrakt mit überkritischem Kohlendioxyd nicht mit den ethanolischen Extrakten vergleichbar sei - was sich angesichts der 96%igen Ethanolkonzentration jedoch diskutieren ließe -, seien die dort gewonnenen Schlussfolgerungen als Hintergrundinformation bei der Bewertung mit einzubeziehen. Mit Bezug auf den Mechanismus der Hepatotoxizität seien zudem die Ergebnisse weiterer im Einzelnen aufgeführter Publikationen aus den Jahren 2011 und 2012 zu berücksichtigen.
44Die Nutzen-Risiko-Abwägung des Verwaltungsgerichts verdiene Kritik. Die dort angeführte Überschneidung der Anwendungsgebiete von Benzodiazepin- und Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln wiege die Unterschiede beider Arzneimittel nicht auf. Vielmehr sei mit Blick auf etwaige Behandlungsalternativen insbesondere die interdisziplinäre S3-Leitlinie „Behandlung von Angststörungen" in den Blick zu nehmen. Benzodiazepine zählten danach weder zu den Arzneimitteln der ersten noch der zweiten Wahl für die Angstbehandlung. Dazu zählten demgegenüber selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, Pregabalin, Buspiron, Opipramol, Hydroxyzin und damit Arzneimittel mit einem guten Nutzen-Risiko-Verhältnis. Abgesehen davon handele es sich bei der mit einer Behandlung mit Benzodiazepinen vielfach auftretenden Abhängigkeit um eine Niedrigdosisabhängigkeit, die keine Abhängigkeit im eigentlichen Sinne sei. Das Verwaltungsgericht setze sich auch in Widerspruch zu den von ihm selbst aufgestellten Kriterien, wenn es die missbräuchliche Verwendung von Benzodiazepinen in die Abwägung einfließen lasse. Darüber hinaus stünden auch aus dem Bereich der pflanzlichen Arzneimittel Behandlungsalternativen, etwa Baldrianwurzelzubereitungen oder Lavendelöl, zur Verfügung. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass dem Widerruf die Anordnung des Ruhens als milderes Mittel vorausgegangen sei. Die Widerrufsentscheidung habe darauf beruht, dass die Zulassungsinhaber nicht bereit gewesen seien, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen bzw. weiteres wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorzulegen. Auch wenn man die geänderte Rechtslage zugrundelegte, wäre die Anordnung einer Unbedenklichkeitsstudie kein gleich geeignetes, erst recht kein milderes Mittel. Denn sie lasse nicht den Versagungsgrund des ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses entfallen, sondern diene allein dem Gewinn neuer Erkenntnisse und der Erforschung der Risiken. Folglich führe eine solche Studie nicht zu einer Risikominimierung und wirke sich deswegen nicht positiv auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis aus. Das Risikoverfahren zu pelargoniumwurzelhaltigen Arzneimitteln sei mit dem vorliegenden Verfahren nicht vergleichbar und müsse differenziert bewertet werden.
45Die Beklagte beantragt,
46das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 20. Mai 2014 zu ändern und die Klage abzuweisen.
47Die Klägerin beantragt,
48die Berufung zurückzuweisen.
49Zur Begründung führt sie aus: Nach dem im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden materiellen Recht hätte die Beklagte die Durchführung einer PASS anordnen können. Zudem sei es eine stets geübte Praxis des BfArM gewesen, auf der Grundlage von § 30 AMG i. V. m. § 36 VwVfG entsprechende Anordnungen zu treffen. Die Ausführungen der Beklagten zur Nutzen-Risiko-Bewertung des Verwaltungsgerichts seien nicht überzeugend. Nach Erstellung der Monographie der Kommission E habe sich die Erkenntnislage eindeutig zu Gunsten von Kava-Kava verbessert. Das BfArM habe dies dadurch bestätigt, dass es gestützt auf diese Monographie und die nachfolgend publizierten klinischen Prüfungen sehr viele Zulassungen für Kava-Kava-haltige Arzneimittel erteilt habe und zwar mit einem Status nach § 22 Abs. 3 AMG. Die von der Beklagten zitierte öffentliche Stellungnahme des HMPC führe zu keiner anderen Bewertung der Wirksamkeit von Kava-Kava. Die darin enthaltenen Aussagen beträfen traditionelle pflanzliche Arzneimittel, die nicht verschreibungspflichtig seien, und könnten nicht auf die hier streitbefangenen verschreibungspflichtigen Arzneimittel erstreckt werden. In Bezug auf die in Rede stehenden Nebenwirkungen sei zwischen Kava-Kava-Präparaten aus Noble-Kava mit ethanolischem Extrakt und solchen aus Two-Day-Kava mit acetonischem Extrakt zu unterscheiden. Bei Ersteren ergebe sich aus den vorliegenden Erkenntnissen allenfalls ein schwacher Verdacht für Nebenwirkungen. Im Zusammenhang mit möglichen Behandlungsalternativen führe die Beklagte Arzneimittel an, die für andere Anwendungsgebiete zugelassen seien als Kava-Kava, und verharmlose überdies das bei einer Behandlung mit Benzodiazepinen bestehende Abhängigkeitsrisiko. Entsprechendes gelte mit Bezug auf die in der interdisziplinären S3-Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen aufgeführten Arzneimittel. Die von der Beklagten als Behandlungsalternative benannten pflanzlichen Arzneimittel deckten nicht die gleichen Erkrankungen ab. Entgegen der Auffassung der Beklagten bestehe bei Pelargoniumwurzelpräparaten und Kava-Kava-Präparaten in fachlich-medizinischer Hinsicht eine vergleichbare Situation. Insofern sei es bemerkenswert, dass das BfArM nur bei Ersteren, nicht hingegen bei Letzteren die Möglichkeit gesehen habe, eine PASS durchzuführen.
50Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
51Entscheidungsgründe:
52Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
53Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Der
54Widerrufsbescheid des BfArM vom 21. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Februar 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
55Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zulassung der Arzneimittel Kava N. Kapseln, B. 120 mg Tabletten, Kava-N1. Tabletten, T. Tabletten und X. Tabletten sind nicht erfüllt.
56Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheides ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz, hier also der Berufungsverhandlung, entscheidend. Der maßgebliche Zeitpunkt der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts richtet sich nach dem jeweiligen materiellen Recht. Für die Anfechtungsklage gilt im Allgemeinen, dass die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich ist, es sei denn, das materielle Recht regelt etwas Abweichendes.
57Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juli 1989 - 7 C 39.87 -, juris, Rn. 8, und vom 1. Juni 2011 - 8 C 4.10 -, juris, Rn. 19.
58Letzteres muss nicht zwingend in Gestalt einer ausdrücklichen fachgesetzlichen Regelung zum Ausdruck kommen, sondern kann sich auch aus dem Sinn und Zweck des jeweils einschlägigen Normgefüges ergeben.
59Vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage, 2014, § 113, Rn. 96.
60Dies ist hier der Fall. Einerseits erfordert der in § 1 AMG niedergelegte Gesetzeszweck der Arzneimittelsicherheit - wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend festgestellt hat - die Berücksichtigung von Änderungen der Sach- und Rechtslage nach der letzten behördlichen Entscheidung.
61Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. Januar 2014 - 13 A 2730/12 -, juris, Rn. 28 f.
62Andererseits gebietet dies die besondere Eingriffsintensität des Widerrufs in die Grundrechte der pharmazeutischen Unternehmer. Denn die Wiedererlangung der Zulassung ist nach deren bestandskräftigem Widerruf erheblich erschwert. Das folgt daraus, dass die Versagungsgründe des § 25 Abs. 2 AMG nicht deckungsgleich mit den Widerrufsgründen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AMG sind. Insbesondere ist der Widerruf der Zulassung nicht vorgesehen, wenn der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Nr. 2 AMG nachträglich eingetreten ist, also dann, wenn das Arzneimittel nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft worden ist oder das andere wissenschaftliche Erkenntnismaterial nach § 22 Abs. 3 AMG nicht dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entspricht. Angesichts dessen ist es unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten geboten, für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. Bestätigt wird dies durch den in § 30 Abs. 2a AMG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken einer gegenüber dem Widerruf vorrangigen Anpassung der Zulassung nach Maßgabe der jeweils geltenden Sach- und Rechtslage.
63Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Zulassung richtet sich deswegen nach § 30 Abs. 1, 2a AMG in der Fassung vom 19. Dezember 2012. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AMG ist die Arzneimittelzulassung zu widerrufen, wenn der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG nachträglich eingetreten ist, das heißt, wenn sich das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Präparats nachträglich als ungünstig erweist. Gemäß § 30 Abs. 2a Satz 1 1. Alt. AMG ist die Zulassung zu ändern, wenn dadurch der in Absatz 1 genannte betreffende Versagungsgrund entfällt. Ein Widerruf der Zulassung ist danach nur gerechtfertigt, wenn das Nutzen-Risiko-Verhältnis eines Arzneimittels ungünstig ist und dem durch eine Änderung der Zulassung nicht abgeholfen werden kann. Die Zulassungsänderung hat damit bei Vorliegen eines Versagungsgrundes Vorrang gegenüber dem Widerruf, mit der Folge, dass dieser rechtswidrig ist, wenn die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2a AMG erfüllt sind.
64Vgl. zu § 30 AMG a.F. Krüger, in: Kügel/Müller/ Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 30, Rn. 34.
65Das ist hier der Fall. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis der streitbefangenen Präparate ist derzeit ungünstig (I.). Dies rechtfertigt aber nicht den Widerruf der Zulassungen, weil dieser Versagungsgrund bereits durch deren Änderung ausgeräumt werden kann (II.).
66(I.) Das Nutzen-Risiko-Verhältnis umfasst nach § 4 Abs. 28 AMG eine Bewertung der positiven therapeutischen Wirkungen des Arzneimittels im Verhältnis zu dem Risiko nach Absatz 27 lit. a. Dies ist jedes Risiko im Zusammenhang mit der Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit des Arzneimittels für die Gesundheit der Patienten. Mit dem Begriff des Risikos wird ebenso wie bei der früheren Gesetzesfassung des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG jede Art von schädlichen Wirkungen erfasst, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Nach der bis zum 5. September 2005 geltenden Vorschrift durfte die Zulassung versagt werden, wenn bei dem Arzneimittel der begründete Verdacht bestand, dass es bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen (vgl. auch § 5 Abs. 2 AMG). Mit der Änderung des Wortlauts des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG, die der Angleichung an die Richtlinienvorgaben diente, ist keine inhaltliche Änderung verbunden. Beide Fassungen erstrecken sich auf jegliche Nebenwirkungen. Unter Nebenwirkungen sind die beim bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Arzneimittels auftretenden schädlichen unbeabsichtigten Reaktionen zu verstehen (§ 4 Abs. 13 AMG), also nicht nur pharmakologisch-toxikologische Wirkungen, sondern jedwede unerwünschte Folge. Der erforderliche Verdacht schädlicher Wirkungen liegt vor, wenn ernstzunehmende Erkenntnisse den Schluss nahelegen, dass das Arzneimittel unvertretbare Nebenwirkungen hat.
67Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 - 3 C 10.09 -, NVwZ-RR 2010, 330 = juris, Rn. 32 ff., sowie Beschluss vom 12. Juni 2012 - 3 B 88.11 ‑, juris, Rn. 3; OVG NRW, Urteile vom 7. November 2012 - 13 A 2710/08 -, juris, Rn. 39 ff. und vom 29. Januar 2014 - 13 A 2730/12 - , juris, Rn. 34; BT-Drs. 15/5316, S. 38.
68Dafür bedarf es keines positiven Nachweises der kausalen Beziehung zwischen der Einnahme des Arzneimittels und aufgetretenen Nebenwirkungen, weil dies dem Gebot der Arzneimittelsicherheit zuwiderlaufen würde.
69Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2007 - 3 C 36.06 ‑, Pharma Recht 2007, 423 = NVwZ-RR 2007, 774; OVG NRW, Beschluss vom 17. September 2009 - 13 A 1428/08 -, juris, Rn. 11; OVG Berlin, Urteil vom 16. September 1999 - 5 B 34.97 -, juris, Rn. 17; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Stand: 2012, § 25, Rn. 76, m. w. N.
70Insbesondere dann, wenn schwere Gesundheitsgefahren in Rede stehen, reicht es aus, wenn die entfernte Möglichkeit einer Risikoverwirklichung besteht.
71Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. September 2009 - 13 A 1428/08 -, juris, Rn. 13.
72Ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis folgt nicht bereits daraus, dass die bezweckte therapeutische Wirksamkeit eines Arzneimittels nicht (mehr) belegt ist. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, begründen Zweifel an der Wirksamkeit oder eine unzureichende Wirksamkeitsbegründung nicht automatisch die Annahme eines ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses und rechtfertigen daher für sich genommen nicht die Aufhebung der Zulassung, die nur auf die feststehende fehlende Wirksamkeit gestützt werden kann (vgl. § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG).
73Vgl. dazu Krüger, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 30, Rn. 15.
74Nach aktuellem Erkenntnisstand bestehende Zweifel an der Wirksamkeit eines Arzneimittels sind für die im Rahmen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG zu treffende Prognoseentscheidung gleichwohl von Bedeutung. Denn unter der Voraussetzung, dass die insoweit darlegungs- und materiell beweispflichtige Behörde sie konkret begründet hat, bilden sie einen Abwägungsbelang, der auf dritter Stufe bei der Abwägung des festgestellten Nutzens und der Risiken eines Arzneimittels zu berücksichtigen ist.
75Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. Januar 2014 - 13 A 2730/12 -, juris, Rn. 43.
76Hierbei sind Gesichtspunkte wie Indikation, Schwere des zu behandelnden Defekts, Behandlungsnotwendigkeit, Chancen eines Behandlungserfolges sowie eventuelle Behandlungsalternativen gegen solche wie Schweregrad und Häufigkeit der unerwünschten Nebenwirkung, die Rückbildungswahrscheinlichkeit (Reversibilität), mutmaßliche Gegenmaßnahmen und Suchtpotential im Sinne einer Vertretbarkeitsentscheidung gegeneinander abzuwägen.
77Vgl. zu den Abwägungskriterien: Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Stand 2012, § 25 Rn. 77; Kügel, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, § 25, Rn. 56.
78Voraussetzung für den Widerruf ist, dass die mit dem Verdacht schädlicher Wirkungen verbundenen Risiken gegenüber dem therapeutischen Nutzen des Arzneimittels überwiegen.
79Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2007 - 3 C 36.06 -, Pharma Recht 2007, 423 = NVwZ-RR 2007, 774.
80Die materielle Beweislast für das Vorliegen sämtlicher tatbestandlichen Voraussetzungen des den Widerruf der Zulassung auslösenden Versagungsgrundes trägt die Beklagte,
81vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 1993 - 3 C 46.91 -, juris, Rn. 31; Kügel, in: Kügel/Müller/ Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 25, Rn. 58,
82mit der Folge, dass insoweit verbleibende Zweifel zu ihren Lasten gehen und sie das Risiko der Unaufklärbarkeit des Sachverhalts trägt.
83Hiervon ausgehend gilt für die Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses der hier streitgegenständlichen Arzneimittel Folgendes:
84(1) Kernkriterium für die Bewertung des Nutzens eines Arzneimittels ist seine therapeutische Wirksamkeit. Diese ist für die Präparate B. 120 mg Tabletten, Kava-N1. Tabletten, T. Tabletten und X. Tabletten mit einer Tagesdosierung entsprechend 120 bis 240 mg Kava-Pyrone und für das Präparat Kava N. Kapseln mit einer Tagesdosierung von 150 bis 200 mg Kava-Pyrone zu bejahen. Mit dieser Dosierung sind B. 120 mg Tabletten, Kava-N1. Tabletten, T. Tabletten und X. Tabletten und gelten Kava N. Kapseln als zugelassen. Für die zuerst genannten Präparate folgt dies aus § 29 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1, Satz 3 AMG. Die Klägerin hat die Erhöhung der Dosierung dafür nebst entsprechender Änderung der Gebrauchs- und Fachinformationen durch Änderungsanzeigen vom 7. April 2011 angezeigt. Die Beklagte hat den Änderungsanzeigen nicht innerhalb der Dreimonatsfrist widersprochen, was zur Folge hat, dass die Zustimmung als erteilt gilt (§ 29 Abs. 2a Satz 3 AMG). Für das Präparat Kava N. Kapseln, für das bislang keine Nachzulassung erteilt wurde, hat die Klägerin ebenfalls eine Dosierungsänderung angezeigt, die mangels bestehender Genehmigungspflicht zu einer entsprechenden Modifizierung der fiktiven Zulassung geführt hat (vgl. § 105 Abs. 3a Satz 1 AMG). Unschädlich ist insoweit, dass die Änderungsanzeigen erst im laufenden Widerspruchsverfahren gestellt worden sind. Denn der sofortige Vollzug des Widerrufs berührt die Wirksamkeit der Zulassungen nicht.
85Die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Präparate wird weder durch das erstinstanzliche Vorbringen der Beklagten noch durch ihr Vorbringen im Berufungsverfahren durchgreifend in Zweifel gezogen.
86Mit ihrer Monographie „Piperis methystici rhizoma“ („Kava-Kava-Wurzelstock“) vom 1. Juni 1990 hat die Kommission E die anxiolytische, also angstlösende Wirkung des Wirkstoffs für die Anwendungsgebiete „Nervöse Angst-, Spannungs- und Unruhezustände“ unter Angabe einer Tagesdosis von Droge und Zubereitung entsprechend 60-120 mg Kava-Pyrone festgestellt. In weitgehender Übereinstimmung damit steht die Aussage der entsprechenden im Jahr 2003 veröffentlichten Monographie der European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP), des europäischen Dachverbandes der nationalen Gesellschaften für Phytotherapie. Darin ist als Anwendungsgebiet „Anxiety, tension and restless-ness arising from various causes of non psychotic origin“ mit einer Tagesdosie-rung von 60-120 mg Kavalactonen angegeben.
87Vgl. ESCOP Monographs, 2003, The scientific foundation for herbal medicinal products, S. 365 ff.
88Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt den von den unterschiedlichen Kommissionen aufgestellten Kriterien und Empfehlungen die Qualität antizipierter Sachverständigengutachten zu.
89Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. November 2009 - 3 C 10.09 -, juris, Rn. 25, und vom 16. Oktober 2008 - 3 C 24.07 -, juris, Rn 20.
90Sie geben den jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wieder und sind einer Neubewertung zugänglich. Stellungnahmen der Kommissionen sind anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial im Sinne des § 22 Abs. 3 AMG. Die Zulassungsbehörde ist nicht an die in der Monographie getroffene Aussage gebunden.
91Kügel, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 25, Rn. 177.
92Da sachverständige Feststellungen bei besserer Erkenntnis ersetzt werden können (und müssen), darf die Kommission von früheren Feststellungen in Aufbereitungsmonographien abweichen.
93Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 - 3 C 10.09 -, juris, Rn. 27.
94Handelt es sich dabei um allgemeine Aussagen, sind diese als sachverständige Äußerung zu bewerten.
95Vgl. dazu Kügel, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 25, Rn. 178.
96Die Kommission E verfügt über besondere Sach- und Fachkunde. Hieraus und nicht zuletzt deswegen, weil es sich dabei um ein neutrales Sachverständigengremium handelt, folgt die besondere Bedeutung ihrer Stellungnahmen. Die Mitglieder der Kommission E sind Sachverständige mit besonderen Kenntnissen der wissenschaftlichen und/oder praktischen Phytotherapie. Die Kommission ist interdisziplinär mit Experten für Toxikologie, experimentelle Pharmakologie, Biometrie, pharmazeutische Biologie sowie Ärzten und Heilpraktikern, die Phyto-pharmaka praktisch einsetzen, zusammengesetzt. Diese werden alle drei Jahre von Verbänden der Fachrichtung vorgeschlagen und vom Bundesgesundheitsministerium benannt.
97Vergleichbares gilt bezogen auf die Monographien der ESCOP. Wenngleich sie keinen gesetzlichen Standard definieren, dienen sie dazu, die beste verfügbare wissenschaftliche Evidenz auf der Basis der aktuellen Literatur zusammenzustellen
98Vgl. Pharmazeutische Zeitung online „Monographien als Richtschnur“ 13/2014, abrufbar unter: http://www.pharmazeutische-zeitung.de/ index.php?id=51461.
99Die Beklagte hat die Monographie der Kommission E aus 1990 im Zulassungsverfahren als Wirksamkeitsbeleg zugrunde gelegt, ohne weitere Erkenntnisse zu fordern oder beizuziehen. Angesichts dessen sieht der Senat keine Veranlassung, die Wirksamkeit des Arzneimittels bezogen auf diesen Zeitpunkt anzuzweifeln, zumal die Beklagte in dem angegriffenen Bescheid selbst konstatiert, dass das Votum der Kommission E dem Erkenntnisstand der frühen 1990er Jahre entsprochen habe.
100Demgegenüber fehlen Vortrag und Anhalt dafür, dass dieser Erkenntnisstand durch neuere Erkenntnisse, die ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel begründen, überholt ist. Im Gegenteil: Die Kommission E hat sich aufgrund der Einleitung des Stufenplanverfahrens und nach näherer Befassung mit der Angelegenheit veranlasst gesehen, in einer Anfang des Jahres 2002 verfassten öffentlichen Erklärung mitzuteilen, dass ihre Mitglieder nach wie vor von den vorgelegten wissenschaftlichen Daten zur Wirksamkeit von Kava-Kava überzeugt seien. Das impliziert, dass zum damaligen Zeitpunkt aus Expertensicht keine abweichenden neuen Erkenntnisse vorlagen. Nichts spricht dafür, dass die Kommission E zwischenzeitlich angesichts aktuellerer Forschungsergebnisse von diesem Standpunkt abgerückt ist. Insbesondere hat sie bis heute keine anderslautende Stellungnahme abgegeben. Entsprechendes gilt für die ESCOP. Die für „Piperis methystici rhizoma“ erstellte Monographie gehörte zu den ersten 80 Monographien, die die ESCOP im Jahr 2003 veröffentlicht hat.
101Vgl. ESCOP Monographs, 2003, The scientific foundation for herbal medicinal products, S. 365 ff.
102Obgleich die ESCOP ihre Monographien regelmäßig überarbeitet und aktualisiert, hat diejenige für „Piperis methystici rhizoma“ bislang keine Änderung erfahren.
103Hinzu kommt, dass die WHO in ihrem Bericht aus dem Jahr 2007 (Coulter et al., „Assessment of the risk of hepatotoxicity with kava products“) offensichtlich ebenfalls von der Wirksamkeit von Kava-Kava ausgeht. Dort heißt es, 16 gut kontrollierte Doppelblindstudien hätten die angstlösende Wirkung von Kava-Kava gezeigt (vgl. Tabelle 3, S. 6, 11). Diese Bewertung entspricht der mit dem Ziel der Untersuchung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel durchgeführten Metaanalyse einer Reihe randomisierter placebokontrollierter Doppelblindstudien von Pittler und Ernst (zuletzt, „Kava extract versus placebo for treating anxiety“, 2003). Diese hat zur Wirksamkeit der Behandlung von Angststörungen, gemessen an den Kriterien der Hamilton Anxiety Scale (HAMA) die Überlegenheit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel gegenüber Placebopräparaten ergeben. Eventuelle Mängel der analysierten Einzelstudien vermögen die Indizwirkung des Ergebnisses der Metaanalyse im Zusammenhang mit dem weiteren Erkenntnismaterial nicht zu entkräften.
104Letztlich konzediert die Beklagte selbst eine - wenngleich dosisabhängige - Wirksamkeit, wenn es in dem angefochtenen Bescheid heißt, bei Dosierungen oberhalb von 120 mg Kava-Pyrone pro Tag bestehe ein gewisser Anhalt für eine Wirksamkeit in den beanspruchten Indikationen. Angesichts dessen sind Wirksamkeitszweifel auch nicht etwa deswegen angezeigt, weil die Dosierung der streitgegenständlichen Präparate - worauf noch einzugehen sein wird - über die Monographieempfehlung hinaus geht, zumal das übrige in das Verfahren eingeführte Erkenntnismaterial hierfür ebenfalls keinen Anknüpfungspunkt bietet. Hinzu kommt, dass aus dem angefochtenen Bescheid hervorgeht, dass die Wirksamkeitszweifel des BfArM nicht auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützt sind, wenn es darin heißt, aus den Ausführungen zur Wirksamkeit ergäben sich keine neuen Erkenntnisse gegenüber dem früheren Kenntnisstand (Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2012, S. 6).
105Angesichts dieser Erkenntnissituation vermag der Umstand, dass das vorliegende Studienmaterial heute nicht in jeder Hinsicht den speziell für Angsterkrankungen entwickelten Anforderungen der Guidelines der European Medicines Agency (EMA) entspricht, keine nachhaltigen Zweifel am Nutzen der Präparate zu wecken. Das gilt bereits bei einer monographiekonformen Dosierung. Da die Kommission E eine Dosierung oberhalb von 120 mg Kava-Pyrone nicht vorgegeben hat, kommt es hinsichtlich der Frage der Wirksamkeit auf die unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten hinsichtlich der jeweils zugrunde liegenden Berechnungsgrundlagen nicht entscheidungserheblich an.
106Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, aus der nicht zureichend belegten Wirksamkeit resultierten automatisch Wirksamkeitszweifel, ist dieser Rückschluss ohne das Hinzutreten tatsächlicher Anhaltspunkte für solche Zweifel nicht gerechtfertigt. Denn in der Konsequenz würde dies in einer nicht überschaubaren Anzahl von Fällen dazu führen, dass während der Geltungsdauer einer Zulassung die Wirksamkeit eines Arzneimittels fortlaufend neu zu belegen wäre. Überdies geht der Senat mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass bei der Forderung nach einer guidelinekonformen Studie die Absicht im Vordergrund steht, Daten für die weitere Nutzen-Risiko-Abwägung zu generieren. Zumindest bietet dies einen Erklärungsansatz dafür, warum das BfArM im Stufenplanbescheid auf die CPMP-Guidelinie zur klinischen Prüfung von Arzneimitteln zur Behandlung von Angststörungen in der Fassung aus den Jahren 1993/94 verwiesen hat, obgleich es - dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin zufolge - zugleich bis in das Jahr 2001 Neuzulassungen für Kava-Kava-haltige Arzneimittel erteilt hat, ohne die Vorlage entsprechender Studien verlangt zu haben.
107Die weiteren Einwände der Beklagten im Berufungsverfahren rechtfertigen keine andere Bewertung: Ihr Hinweis darauf, dass die Kommission E im Zuge der Ausarbeitung der Monographie angesichts der geringen Bedeutung von Kava-Kava als Droge oder Drogenzubereitung zunächst beabsichtigte, eine Negativmonographie zu erstellen, ist unerheblich. Denn abgesehen davon, dass die geringe Bedeutung eines Wirkstoffs nichts über seine Wirksamkeit aussagt, hat die Kommission E diese Einschätzung - was entscheidend ist - letztlich revidiert und eine Positivmonographie erstellt. Darin hat sie folgende Überlegungen zur Wirksamkeit von Kava-Kava angestellt:
108„Aufgrund der Wirkungen der isolierten Inhaltsstoffe ist eine
109schwache, zentral relaxierende Wirkung ähnlich wie bei
110Benzodiazepinen anzunehmen. Durch Kava-Kava-Extrakt zeigt sich im quantitativen EEG eine für das anxiolytische Pharmako-EEG-Profil von Benzodiazepinen typische Steigerung der ß-Aktivität bei gleichzeitiger Abnahme der alpha-Aktivität (Johnson 1989). Neuere Studien weisen eine Wirksamkeit von Kava-Kava-Extrakt bei ,Angst, Spannungs- und Unruhezuständen‘ nach (Warnecke 1989, Bhate 1989).“
111Soweit die Beklagte sinngemäß beanstandet, dieser Monographie liege letztlich nur eine Plausibilitätsprüfung zugrunde, ist dem entgegenzuhalten, dass die Kommission E in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2002 ausdrücklich erklärt hat, „von den vorgelegten wissenschaftlichen Daten zur Wirksamkeit von Kava-Kava überzeugt zu sein“. Abgesehen davon sind die Überlegungen der Beklagten zu § 39c AMG bereits deswegen nicht tragfähig, weil es sich bei Kava-Kava-Präparaten um Arzneimittel handelt, die der Verschreibungspflicht unterliegen, und eine Registrierung als traditionelles pflanzliches Arzneimittel deswegen ausscheidet (§ 39c Abs. 2 Nr. 2 AMG).
112Ebenso wenig stützt die Stellungnahme des Comittee on Herbal Medicine Products (HMPC) der EMA vom 6. Mai 2014 die Position der Beklagten. Zwar prognostiziert das HMPC darin, dass u.a. für den Wirkstoff „Piperis methystici rhizoma“ angesichts des ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses voraussichtlich keine Monographie erteilt werden wird. Hierbei handelt es sich - was sprachlich durch die Formulierung „es ist nicht wahrscheinlich, auf ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis zu schließen“ zum Ausdruck gebracht wird - nicht um eine sichere Voraussage, sondern um eine Vorabeinschätzung. Da dieser - wie sich aus dem Bericht ergibt - aber gerade keine detaillierte Prüfung zugrunde liegt, kommt ihr kein entscheidendes Gewicht zu. Eine isolierte Aussage über die Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel lässt sich auf der Grundlage dieser Aussage ohnehin nicht treffen. Hinzu kommt, dass sich der Bericht auf Wirkstoffe bezieht, die als Grundlage einer späteren Registrierung (§ 39 AMG) eine Monographie als traditionelle pflanzliche Arzneimittel erhalten sollen, bei denen sich die Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses nach anderen Maßstäben richtet als bei den verfahrensgegenständlichen verschreibungspflichtigen Präparaten.
113Ist danach von der therapeutischen Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kava-Kava-Präparate auszugehen, sprechen für deren Nutzen weiterhin die Art und Schwere der in Rede stehenden Erkrankung sowie deren Behandlungsnotwendigkeit. Jedenfalls soweit das monographierte Anwendungsgebiet auf die Behandlung von Angststörungen abzielt, handelt es sich nicht um eine Bagatelldiagnose, sondern um eine ernsthafte, weitverbreitete psychische Erkrankung. Bei dieser stehen Symptome der Angst in Gestalt einer anhaltenden Angstreaktion, mangelnder Kontrolle der Angst, eventueller körperlicher Reaktionen einschließlich katastrophisierender Fehlinterpretationen und Beeinträchtigung in wichtigen Funktionen des Berufs-, Alltags- und Familienlebens im Vordergrund.
114Vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 263. Auflage 2012, „Angststörung“.
115Angststörungen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Ihre Verbreitung nimmt zu. Je nach Schweregrad können sie mit erheblichen psychosozialen, somatischen und ökonomischen Folgen einhergehen. Dazu zählen Arbeitsunfähigkeit, ein erhöhtes Risiko für sekundäre komorbide Erkrankungen ‑ beispielsweise Suchterkrankungen -, eine erhöhte Suizidrate sowie eine übermäßige Inanspruchnahme medizinischer Leistungen.
116Vgl. Deutsches Ärzteblatt, „Angststörungen/ Panikattacken: Angst aus heiterem Himmel“, Dezember 2005, 557.
117Bereits bei mittlerem Leidensdruck des Patienten, psychosozialen Einschränkungen sowie Komplikationen der Angsterkrankung ist eine Behandlung in Gestalt von Psycho- oder Pharmakotherapie oder einer Kombination aus beidem indiziert.
118Vgl. Deutsches Ärzteblatt, „Diagnostik und Therapieempfehlungen bei Angststörungen“, Juli 2014, 475 ff.
119Unter diesen Gesichtspunkten erschließt sich der besondere Nutzen einer wirksamen anxiolytischen Medikation. Bezogen auf Kava-Kava-haltige-Präparate ist insoweit zu berücksichtigen, dass deren Anwendung nur für leichte und mittelschwere Formen von Angststörungen indiziert ist, die damit nach Einschätzung von Experten üblicherweise innerhalb eines Monats gut therapiert werden können. Für schwere Angststörungen wird von einer Kontraindikation ausgegangen.
120Vgl. Teschke, Deutsches Ärzteblatt, „Hepatoxizität durch Kava-Kava: Risikofaktoren und Prävention“, 2002, 99.
121(2) In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht geht der Senat davon aus, dass dem vorstehend beschriebenen Nutzen der verfahrensgegenständlichen Präparate Anwendungsrisiken in Form hepatotoxischer Ereignisse gegenüberstehen, also ein begründeter Verdacht für derartige Nebenwirkungen besteht. Angesichts dessen ist der sinngemäße Einwand der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Bewertung die Anforderungen, die an die Annahme eines begründeten Nebenwirkungsverdachts zu stellen sind, überspannt, nicht nachvollziehbar.
122Die von der WHO in ihrem Bericht aus dem Jahr 2007 dokumentierten Fälle sind als Beleg für die Möglichkeit hepatotoxischer Wirkungen der hier in Rede stehenden Kava-Kava-Präparate zu werten. Entsprechendes gilt für die dem BfArM vorliegenden Fallberichte zu Leberreaktionen. Zwar wird dies durch den Bericht der MHRA aus dem Jahr 2006 („Report of the Committee on Safety of Medicines Export Working Group") gestützt. Allerdings ist der Senat übereinstimmend mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass der darin enthaltenen Risikobeurteilung, die - unter Einschluss des vom BfArM übermittelten Fallmaterials aus Deutschland - nicht die Begutachtung von Kava-Kava als Anxiolytikum, sondern bei Oberbauch- und Blasenbeschwerden zum Gegenstand hatte, keine besondere Bedeutung beizumessen ist.
123Der Bericht der WHO enthält eine Auswertung von 93 Fallberichten - darunter einige der vom BfArM dokumentierten Fälle aus Deutschland - über hypothetisch mit der Einnahme von Kava-Kava-Extrakten im Zusammenhang stehende Leberschädigungen. In vierzehn Fällen erfolgte eine Lebertransplantation. Sieben Fälle endeten tödlich. Die WHO-Expertengruppe bewertete die Kausalität zwischen hepatotoxischer Schädigung und der Einnahme von Kava-Kava-Präparaten in keinem Fall als sicher, in acht Fällen als wahrscheinlich, in 54 Fällen als möglich und in 28 Fällen als nicht bewertbar.
124Die Beklagte verweist auf 41 Fälle in Deutschland aufgetretener lebertoxischer Reaktionen. Hiervon seien 20 hinreichend gut dokumentiert, um eine fundierte Kausalitätsbewertung vornehmen zu können. In sieben dieser Fälle sei eine Lebertransplantation erforderlich gewesen. Insgesamt seien drei Patienten verstorben. In zwei Fällen sei die lebertoxische Reaktion nach Absetzen des Kava-Kava-Präparats zurückgegangen und bei Reexposition erneut aufgetreten. Bei zwölf spontan gemeldeten Fällen und einem in einer Publikation dargestellten Fall sei der Kausalzusammenhang wahrscheinlich. Diese Bewertung beruhe auf dem deutlichen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Beginn der Kava-Kava-Medikation und dem Auftreten der Symptome bzw. pathologischen Veränderungen einerseits und dem Zurückgehen der Lebererkrankung nach Absetzen der Kava-Kava-Medikation und/oder des Fehlens lebertoxischer Faktoren wie einer entsprechenden Komedikation andererseits. In einigen dieser Fälle sei die synergistische Beteiligung eines anderen Arzneimittels jedoch möglich.
125Diese Auswertungsergebnisse reichen für die Annahme eines begründeten Verdachts leberschädigender Wirkungen aus, weil insoweit geringe Kausalitätsanforderungen gelten. Für die Nutzen-Risiko-Abwägung ist aber der Verdacht graduell und qualitativ näher zu bestimmen.
126Allerdings bietet die gegenwärtige Studienlage hierfür keine tragfähigen Anknüpfungspunkte. Bei Gesamtbetrachtung ist sie uneinheitlich und deswegen nicht ergiebig. Herkömmliche klinische Studien sind - darüber sind sich die Beteiligten einig - aufgrund der zu geringen Population nicht geeignet, tragfähige Erkenntnisse über das lebertoxische Risiko zu gewinnen. Toxizitätsstudien haben weder potentiell toxische Bestandteile von Kava-Kava noch einen lebertoxischen Mechanismus aufzeigen können. Die Ergebnisse der NTP-Studie, auf die die Beklagte verweist, mögen zwar einen Toxizitätsbeleg begründen. Das gilt aber nur für die darin einbezogenen Präparate mit einem CO²-Extrakt. Für eine Übertragbarkeit der gefundenen Ergebnisse auf die hier streitgegenständlichen Präparate mit ethanolischen Auszügen hat die Beklagte keine überzeugenden Gesichtspunkte benannt. Abgesehen davon gibt der Nachweis toxischer Effekte eines bestimmten Präparats als solcher - was auch die Beklagte anerkennt - weder Aufschluss über die potentiell toxischen Einzelstoffe noch über den Mechanismus einer lebertoxischen Wirkweise, sondern untermauert lediglich das, wovon bereits auf der Grundlage der Fallberichte auszugehen ist. Auch das restliche vorliegende Studienmaterial bietet hierzu keine belastbaren und konsistenten Erkenntnisse. Anders als die Beklagte meint, geht dieser Umstand zu ihren Lasten. Denn sie trägt das Risiko der Unerweislichkeit der Umstände, die ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis begründen.
127Demgegenüber erlauben die folgenden relativierenden Faktoren eine nähere Eingrenzung der bestehenden Verdachtsmomente für eine hepatotoxische Wirkung von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln. Wenngleich sie den geweckten Verdacht nicht auszuräumen vermögen, schwächen sie ihn ab.
128Von Bedeutung ist insoweit zunächst, dass die Auswertungsergebnisse der WHO und des BfArM nicht für eine hohe, sondern im Gegenteil für eine schwache Inzidenzrate sprechen. Zwar lässt sich diese auf der Grundlage des vorliegenden Erkenntnismaterials nicht genau bestimmen. Andererseits gibt es aber bereits im Ausgangspunkt keine tragfähigen Belege dafür, dass hepatotoxische Ereignisse im Zusammenhang mit der Anwendung von Kava-Kava-Präparaten gehäuft auftreten, also eine hohe Inzidenzrate besteht. Umgekehrt sprechen deutschlandweit 20 und nach der Datenlage des WHO-Berichts weltweit 62 Fälle, in denen eine derartige Relation festgestellt werden konnte, bei einem Anwendungsvolumen von - dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin zufolge ‑ 250 Millionen Tagesdosen bezogen auf einen Zehnjahreszeitraum für eine sehr geringe lnzidenzrate. Das gilt auch unter Berücksichtigung der mit dem zugrundeliegenden Spontanerfassungssystem verbundenen Abbildungsdefizite, zumal wenn man berücksichtigt, dass ein Großteil dieser Meldungen in zeitlichem Zusammenhang mit dem Stufenplanverfahren und der öffentlich geführten Debatte um die potentielle Toxizität Kava-Kava-haltiger Arzneimittel steht. Dem entspricht die Einschätzung der Expertengruppe der WHO in ihrem Bericht aus dem Jahr 2007, in dem es heißt, die genaue Inzidenzrate von Nebenwirkungen, die mit der Einnahme von Kava-Kava in Zusammenhang stünden, sei nicht bekannt, scheine aber ziemlich niedrig zu sein (vgl. WHO-Bericht, S. 60).
129Unabhängig von diesem quantitativen Gesichtspunkt ist die Aussagekraft der Fälle, in denen ein Kausalzusammenhang als wahrscheinlich oder möglich angesehen worden ist, unter qualitativen Aspekten begrenzt.
130Bezogen auf den Bericht der WHO ergibt sich dies aus Folgendem: Nach dessen Ergebnis konnte nur in knapp zwei Dritteln der untersuchten Fälle (62 von 93) überhaupt eine Relation zwischen hepatotoxischen Wirkungen und der Einnahme von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln hergestellt werden. In keinem dieser Fälle wurde ein sicherer Kausalzusammenhang festgestellt. In 54 Fällen - darunter in allen sieben Todesfällen und in zehn Fällen mit Lebertransplantation - wurde der Kausalzusammenhang als „möglich“ und in acht Fällen als „wahrscheinlich“ eingestuft. Dass sich unter den zuletzt genannten Fällen nicht solche mit tödlichem Ausgang oder Lebertransplantation finden, beruht nicht lediglich auf der Definition der Kausalitätskriterien der WHO für einen wahrscheinlichen Kausalzusammenhang. Denn für elf der insgesamt 14 Patienten mit Lebertransplantation ist eine Begleitmedikation dokumentiert, die ebenfalls Auslöser der aufgetretenen Leberreaktionen gewesen sein könnte (vgl. WHO-Bericht, Tabelle 11a und 11 b, S. 46). Das gilt gleichermaßen für sämtliche Fälle mit tödlichem Ausgang (vgl. WHO-Bericht, Tabelle 12, S. 48). Es erscheint deswegen durchaus nicht fernliegend, die schwache lnzidenz schwerer Nebenwirkungen bei alleiniger Gabe Kava-Kava-haltiger Präparate als ein diesen Wirkstoff entlastendes lndiz zu werten.
131Hierzu passt die Einschätzung der Expertengruppe der WHO, wonach ein direkter Kausalzusammenhang zwischen der Einnahme Kava-Kava-haltiger Arzneimittel in der Mehrzahl der untersuchten Fälle schwierig nachzuweisen ist und die verfügbaren Fallberichte insoweit keinen Beweis für ein Ursache-Wirkungs-Verhältnis liefern (vgl. WHO-Bericht, S. 17). Als Ergebnis enthält der Bericht mit Blick darauf die - relativierende - Feststellung, dass Kavalactone durch die Wechselwirkungen von Kava-Kava und anderen Arzneimitteln, exzessiven Alkoholkonsum, metabolisch oder immunologisch bedingte Idiosynkrasie oder aufgrund einer vorbestehenden Lebererkrankung in jeder Art von Präparat selten hepatische Nebenwirkungen hervorrufen können (vgl. WHO-Bericht, S.63). Damit sind zugleich besondere Risikofaktoren angesprochen, die die WHO auch an anderer Stelle ihres Berichts noch gesondert aufführt (vgl. WHO-Bericht, S.61). Das impliziert, dass hepatotoxische Ereignisse, was im Übrigen wissenschaftlich anerkannt sein dürfte,
132vgl. etwa Russmann/Kullak-Ublick, Beurteilung und Meldung medikamentöser Leberschäden, swissmedic, Jubiläumsausgabe Dezember 2012, 11/26,
133multifaktorielle Ereignisse sind und sich dies erschwerend auf die Möglichkeit der Zuordnung ihrer Ursachen auswirkt.
134Zudem sind die Auswertungsergebnisse der WHO auch deswegen nur bedingt aussagekräftig, weil sie sich auf sämtliche Arten Kava-Kava-haltiger Arzneimittel beziehen. Aus dem in das Verfahren eingeführten wissenschaftlichen Erkenntnismaterial geht hervor, dass weder die potentiell toxischen Einzelstoffe noch der Mechanismus einer lebertoxischen Wirkung von Kava-Kava bekannt sind. Vermutet wird, dass neben Anwendungsdauer und Dosierung auch Extrakt und Kultivar insoweit eine Rolle spielen könnten. Hierzu hat die Klägerin plausible und von dem Experten Dr. N2. T1. in mehreren Stellungnahmen untermauerte Überlegungen angestellt, denen die Beklagte in der Sache nicht substantiiert entgegengetreten ist. Der Bericht der WHO enthält keine differenzierte Auswertung nach Extrakt und Kultivar. Vielmehr bezieht sich die Auswertung und dementsprechend auch die getroffene Risikoaussage auf sämtliche Arten Kava-Kava-haltiger Präparate. Demgegenüber handelt es sich bei den verfahrensgegenständlichen Präparaten unbestritten ausnahmslos um solche mit einem ethano-lischen Auszug. Da aber Risikoaussagen zu einer Auszugsart nicht ohne weiteres auf eine andere übertragen werden können,
135vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. November 2010 - 13 A 2807/09 -, juris, Rn. 10,
136sind die Ergebnisse in dem Bericht der WHO für das vorliegende Verfahren nur eingeschränkt aussagekräftig.
137Auch die von der Beklagten selbst auf der Grundlage des Fallmaterials des BfArM vorgenommene Risikobeurteilung ist unter verschiedenen Gesichtspunkten zweifelhaft. Ihr Vorbringen suggeriert eine „fundierte Kausalitätsbewertung" in 20 von 41 Fällen. Hiervon seien 18 spontan gemeldet worden und in zwei Fällen handele es sich um Berichte aus der Literatur. Demgegenüber ist der Kausalzusammenhang nur für 15 Fälle nachvollziehbar dargelegt, wobei in „einigen“ ‑ weder benannten noch bezifferten - dieser Fälle die synergistische Beteiligung eines anderen Arzneimittels möglich gewesen sein soll. Dieses Vorbringen bezieht sich offensichtlich auf die in dem Bescheid vom 12. Mai 2005 detailliert aufgeführten 26 Fallberichte und überschneidet sich damit. Bei deren Auswertung war das BfArM in 19 Fällen von einem Kausalzusammenhang im Bereich „wahrscheinlich“ - hiervon in drei Fällen als „wahrscheinlich bis gesichert“ - und in sechs Fällen von einer „möglichen“ Kausalität ausgegangen. Einen Fall hatte es für nicht auswertbar erachtet. Der Senat ist unter Berücksichtigung des wechselseitigen Vorbringens und der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse nicht zu der Überzeugung gelangt, dass diese Bewertung insgesamt zutrifft. Denn sie steht tiefgreifend in Widerspruch mit den Bewertungen anderer Institutionen, die jedenfalls nicht weniger plausibel hergeleitet und unabhängig voneinander durchgehend zu weniger besorgniserregenden Ergebnissen gelangt sind. Dies folgt aus der Übersicht in der Stellungnahme von Dr. N2. T1. vom 6. Februar 2012, in der dieser sich außerdem detailliert mit den einzelnen Fallberichten und deren Bewertung durch das BfArM auseinandergesetzt und diese durchgreifend in Zweifel gezogen hat (vgl. dort S. 9 ff.). Die Beklagte ist den darin enthaltenen Einwänden inhaltlich nicht substantiiert entgegen getreten. Unabhängig davon erscheint die Annahme eines „wahrscheinlichen“ Kausalzusammenhangs schon aufgrund der in der Mehrzahl der Fälle jeweils dokumentierten Begleitmedikation vielfach zweifelhaft. Entgegen der Auffassung der Beklagten rechtfertigt auch der Umstand, dass die festgestellten Leberreaktionen in zwei Fällen nach Absetzen des Kava-Kava-Präparats zurückgegangen und nach Reexposition erneut aufgetreten sind, mangels ausreichender Dokumentation der Begleitmedikation jedenfalls nicht die Bewertung eines „gesicherten“ Kausalzusammenhangs (BfArM 01003950/01003951).
138Weitere Bedenken gegen die Kausalitätsbewertung der Beklagten ergeben sich auf der Grundlage der Publikation von Teschke et al. („Kava hepatotoxicity: a clinical survey and critical analysis of 26 suspected cases“, European Journal of gastroenterology & hepatology 2008, Vol. 20, S. 1182 ff.). Nach den stimmigen und transparent hergeleiteten dortigen Ausführungen, auf die Bezug genommen wird, bestand lediglich in acht Fällen ein Kausalzusammenhang, wobei lediglich in einem dieser Fälle eine monographiekonforme Anwendung dokumentiert war.
139Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 26. Januar 2015 die in dieser Publikation getroffene Feststellung des Fehlens einer medikamentösen Ursache in 13 Fällen beanstandet, und, um dies zu wiederlegen, bezogen auf drei Fälle auf den Inhalt der hierzu gefertigten Arztberichte verwiesen hat, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Denn daraus geht jedenfalls nicht hervor, dass die beobachtete Leberschädigung durch Kava-Kava und nicht durch die jeweils dokumentierte Begleitmedikation verursacht worden ist. Unter diesen Umständen ergibt sich dies nicht bereits daraus, dass nach ärztlicher Einschätzung von einer medikamentös induzierten Leberschädigung auszugehen ist.
140Relativierend ist zuletzt der ebenfalls vom Verwaltungsgericht bereits angesprochene Aspekt in den Blick zu nehmen, dass die streitbefangenen Präparate auf eine Kurzzeitbehandlung angelegt sind und eine Begrenzung von Anwendungsdauer und Dosierung vorgesehen ist. Auch hieraus folgt die nur begrenzte Aussagekraft der Auswertungen des BfArM und der WHO, in denen nicht nach diesen von der Beklagten selbst als risikobeeinflussend eingestuften Kriterien differenziert wird. Da eine lange Exposition einerseits und eine erhöhte Dosierung andererseits mit einer Risikoerhöhung assoziiert werden, liegt es auf der Hand, dass die Auswertung eines Kollektivs von Fällen, in denen diese Differenzierung nicht getroffen wird, keine einheitliche Risikoaussage erlaubt. Die Vielzahl der Fälle, in denen Leberschädigungen im Zusammenhang mit einer Überdosierung, einer überlangen Anwendungsdauer oder einer potentiell lebertoxischen Begleitmedikation aufgetreten sind, ist aber umgekehrt als Beleg dafür zu werten, dass es sich hierbei um Risikofaktoren handelt. Dies wird auch von keinem der Beteiligten in Abrede gestellt.
141Auf der Basis aller in das Verfahren eingeführter Erkenntnisse geht der Senat davon aus, dass toxische Lebererkrankungen durch Kava-Kava-Extrakte sehr selten sind, im Einzelfall aber potenziell lebensbedrohend verlaufen können und durch eine Vielzahl von Risikofaktoren wie Dosierung, Anwendungsdauer, Begleitmedikation, Alkoholkonsum und Lebervorschädigung beeinflusst werden. Hinsichtlich dieser Risikofaktoren stimmen die Beteiligten überein, wenngleich ihre Einschätzungen zu den Risiken der Verwendung unterschiedlicher Auszüge und Kultivare auseinandergehen.
142(3) Hiervon ausgehend ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis der streitgegenständlichen Präparate derzeit ungünstig. Dieser Einschätzung liegt zugrunde, dass hinsichtlich Kava-Kava-haltiger Arzneimittel zwar nicht generell, aber dann von einem ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnis ausgegangen werden muss, wenn nicht alle Maßnahmen umgesetzt worden sind, um die damit einhergehenden Risiken bestmöglich einzudämmen. Letzteres ist hier der Fall.
143Der Umstand, dass die zuvor erwähnten Risikofaktoren im Zusammenhang mit der Hepatotoxizität von Kava-Kava bekannt sind, führt in der Publikation von Teschke et al. („Kava hepatotoxicity: a clinical survey and critical analysis of 26 suspected cases“, European Journal of gastroenterology & hepatology 2008, Vol. 20, S. 1182 ff.) zu der überzeugenden Schlussfolgerung, dass hepatotoxische Ereignisse im Zusammenhang mit Kava-Kava weitgehend vermeidbar sind. Dies, die nur schwache Inzidenzrate und der belegte Nutzen Kava-Kava-haltiger Arzneimittel stehen der generellen - also nicht präparatspezifischen, sondern rein wirkstoffbezogenen - Annahme eines ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses entgegen. Andererseits sind angesichts der Schwere möglicher Nebenwirkungen vermeidbare Risiken nicht hinnehmbar.
144Insoweit bilden die Empfehlungen der Kommission E in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2002 nach Auffassung des Senats einen tauglichen und deshalb einzuhaltenden Maßstab zur Risikominimierung und führen bei Beachtung im Ergebnis zu einem günstigen Nutzen-Risiko-Verhältnis. Sie beruhen auf den Unterlagen, die das BfArM der Kommission E zur Verfügung gestellt hat und sind auf der Grundlage einer eingehenden Befassung mit der Kava-Kava-Thematik abgegeben worden (vgl. Ruhensbescheid des BfArM vom 12. Mai 2005, S. 52).
145Die Kommission E hat darin unter Hinweis darauf, weiterhin von einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis auszugehen und die Auffassung des BfArM bezüglich der Risiken bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nicht zu teilen, folgende Regularien zu deren Eindämmung empfohlen:
146- 147
Ärztliche Verschreibungspflicht für Kava-Kava-haltige Arzneimittel
- 148
Klare Indikationsstellung: Leichte bis mittelschwere generalisierte Angststörungen. Depression ist keine Indikation.
- 149
Maximale Tagesdosis entsprechend 120 mg Kava-Pyrone.
- 151
Packungsgröße bei 120 mg Kava-Pyrone maximal 30 Einheiten
- 152
Übliche Therapiedauer 1 Monat, maximal 2 Monate
- 153
Bestimmung der Leberwerte (GPT und -GT vor Beginn der Behandlung und dann einmal wöchentlich)
- 154
Optional: Bestimmung der Leberwerte am Ende der Behandlung (wichtig für evtl. spätere erneute Behandlung)
- 155
Vermeidung einer begleitenden Medikation mit potentiell hepatotoxischen Medikamenten, insbesondere auch Betablockern, Antidepressiva und Migränemitteln. Vorsicht bei Alkohol.
Der Senat sieht in Ansehung des Berufungsvorbringens keine Veranlassung, diese sachverständige Einschätzung in Frage zu stellen. Sie wird durch die Aussage der WHO in ihrem Bericht aus dem Jahr 2007, wonach ein Verkehrsverbot für Kava-Kava nach gegenwärtigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht zu rechtfertigen ist (vgl. WHO Bericht, S. 18), gestützt. Auch Teschke spricht sich in seiner Veröffentlichung „Hepatotoxizität durch Kava-Kava: Risikofaktoren und Prävention“ (Deutsches Ärzteblatt 2002, 99 (50)) für entsprechende Maßnahmen aus. Aktuellere wissenschaftliche Erkenntnisse, die die Empfehlungen der Kommission E durchgreifend in Zweifel ziehen, liegen nicht vor.
157Diese sind auch geeignet, die bestehenden hepatotoxischen Risiken - soweit sie vorhersehbar sind - weitgehend wirkungsvoll auszuschalten.
158Besondere Bedeutung kommt hierbei der Unterstellung unter die Verschreibungspflicht zu. Hierdurch wird eine ärztliche Indikationsstellung sichergestellt und einer unsachgemäßen Selbstmedikation entgegengewirkt. Der Einwand der Beklagten, eine Verschreibungspflicht sei unzureichend, weil der hepatotoxische Wirkmechanismus von Kava-Kava nicht hinreichend geklärt sei und der verordnende Arzt nicht mit genügender Sicherheit vorhersehen könne, welcher Patient gefährdet sei, greift nicht durch. Er eignet sich schon deswegen nicht als Argument gegen die Verschreibungspflicht, weil das Arzneimittelgesetz in § 48 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AMG als eine Fallgruppe verschreibungspflichtiger Arzneimittel diejenigen vorsieht, die Stoffe mit in der medizinischen Wissenschaft nicht allgemein bekannten Wirkungen oder Zubereitungen solcher Stoffe enthalten. Abgesehen davon ist es einem Arzt in Bezug auf ein Kava-Kava-haltiges Präparat anhand der bekannten Risikofaktoren auch ungeachtet des genauen Wirkmechanismus möglich, das Risikoprofil eines Patienten abzustecken. Denn in einem ersten Schritt können - nach anamnestischer Abklärung - Fälle mit relevanter Begleitmedikation, erheblichem Alkoholkonsum, Lebererkrankung oder Lebervorschädigung sowie nicht zutreffender Indikation herausgefiltert werden. Erfolgt nach Abklärung dieser Gesichtspunkte eine Verschreibung, kann den von der Krankenvorgeschichte unabhängigen Risikofaktoren wirksam durch eine Begrenzung von Anwendungsdauer und Dosierung entsprechend den Vorgaben der Fachinformationen entgegengewirkt werden. Hinzuweisen ist darin außerdem auf die Risiken bei erheblichem Alkoholkonsum und einer begleitenden Medikation mit potentiell hepatotoxischen Medikamenten, wie Betablockern, Antidepressiva und Migränemitteln.
159Dabei sind die Einhaltung der vorgesehen Dosierung von 120 mg Kava-Pyrone und die Begrenzung der Anwendungsdauer entsprechend den aktualisierten Erkenntnissen der Kommission E auf einen, maximal zwei Monate entscheidend. Eine höhere Dosierung ist einerseits deswegen nicht vertretbar, weil die Wirksamkeit für eine Dosierung von 60 mg-120 mg Kava-Pyrone belegt ist und deswegen keine Rechtfertigung dafür besteht, potentiell mit einer höheren Dosierung einhergehende Zusatzrisiken einzugehen. Abgesehen davon bestehen den genannten wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine höhere Dosierung das Risiko für leberschädigende Nebenwirkungen erhöht. Entsprechendes gilt bezogen auf eine längere Anwendungsdauer.
160Flankierend zu den bereits erwähnten Maßnahmen wirkt die von der Kommission E vorgeschlagene Begrenzung der Packungsgröße auf maximal 30 Einheiten bei 120 mg Kava-Pyrone. Durch diese Maßnahme wird der Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung vorgebeugt und auf einen bestimmungsgemäßer Gebrauch hingewirkt. Dabei ist zu sehen, dass die Missbrauchsgefahr jedenfalls bei indikationskonformer Anwendung Kava-Kava-haltiger Präparate nicht gleichermaßen hoch sein dürfte, wie bei Arzneimitteln, die - wie z.B. Benzodiazepine - Abhängigkeiten auslösen. Allerdings ist insoweit darauf hinzuweisen, dass diesem Aspekt im Rahmen der Nutzen-Risiko-Abwägung, die sich an dem bestimmungsgemäßen Gebrauch zu orientieren hat, keine eigenständige Bedeutung zukommt. Abweichungen der von der Kommission E empfohlenen Packungsgröße begründen daher ohne das Hinzutreten weiterer Abweichungen kein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis.
161Die vorgesehene Bestimmung der Leberwerte vor Beginn der Behandlung und deren fortlaufende wöchentliche Kontrolle ermöglicht eine zeitnahe Reaktion auf festgestellte Veränderungen und zielt darauf ab, irreversiblen Schädigungen vorzubeugen.
162Der Senat verkennt nicht, dass mit den genannten Maßnahmen nicht in jedem Einzelfall ein Risikoausschluss garantiert werden kann, geht aber davon aus, dass bedingt durch ihre Zielrichtung, Wirkweise und ihr Ineinandergreifen die nach derzeitigem Erkenntnisstand prognostizierbaren Risiken in Relation zum Nutzen von Kava-Kava-Präparaten auf ein vertretbares Maß reduziert werden können.
163Das wird daran deutlich, dass mit Ausnahme eines Falls in sämtlichen Fällen, auf die das BfArM seine Risikoeinschätzung stützt, zumindest einer der durch die vorgenannten Maßnahmen begrenzbaren Risikofaktoren vorlag. Entweder es war eine Begleitmedikation verordnet oder die Anwendung dauerte länger als drei Monate an oder es wurde eine Überdosierung festgestellt. Zumeist war sogar eine Kombination aus mehreren dieser Faktoren gegeben.
164Vgl. die Übersicht in Table 1 bei Teschke/Schwarzenboeck/Hennermann “Kava hepatotoxcity: a clinical survey and critical analysis of 26 cases”, European Journal of gastroenterology & hepatology 2008, Vol. 20, S. 1182 ff.
165Dieser Einschätzung steht auch nicht das vermehrte Auftreten idiosynkratischer, d. h. unvorhersehbarer Leberreaktionen im Zusammenhang mit der Einnahme von Kava-Kava-Präparaten entgegen. Die Auswertung der Fallberichte des BfArM liefert hierfür keinen Beleg. Letztlich scheint die Beklagte selbst ‑ wenngleich sie diesen Aspekt besonders hervorgehoben hat - nicht hiervon auszugehen, wenn sie diese Fälle als „Ausreißer“ bezeichnet und andererseits meint, ein „charakteristisches Muster“ für die potentielle Lebertoxizität von Kava-Kava-Präparaten ausmachen zu können. Abgesehen davon ist die Möglichkeit einer idiosynkratischen Leberschädigung deswegen kein durchgreifendes Argument für ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis der hier in Rede stehenden Kava-Kava-Präparate, weil es sich dabei um ein generelles Problem im Hinblick auf die Lebertoxizität von Medikamenten handelt. Der Mechanismus der Idiosynkrasie, also einer angeborenen oder erworbenen Überempfindlichkeit schon beim ersten Kontakt gegen bestimmte, von außen zugeführte Stoffe, die nicht durch eine Reaktion des Immunsystems hervorgerufen wird, sondern durch Fehlfunktion/Nichtfunktion defekter oder Fehlen intakter Enzyme,
166vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Idiosynkrasie,
167beschränkt sich nicht auf Kava-Kava-haltige Arzneimittel.
168Ungefähr 1000 Arzneistoffe gelten als lebertoxisch. Hierzu gehören beispielsweise Paracetamol, Diclofenac und Penicillin.
169Vgl. Schlatter, Entgiftung zum Gift, Nebenwirkung Leberschaden, Pharmazeutische Zeitung Ausgabe 35/2009.
170Obgleich bei all diesen Arzneistoffen unvorhersehbare, also idiosynkratische, Leberreaktionen möglich sind, befindet sich eine Vielzahl von Präparaten, die diese Wirkstoffe enthalten, auf dem Markt.
171An der getroffenen Bewertung ändern auch bestehende Behandlungsalternativen nichts, insbesondere fällt die Nutzen-Risiko-Abwägung mit Blick darauf nicht generell zu Ungunsten der streitbefangenen Präparate aus. Abwägungsrelevant könnte dieser Aspekt sein, wenn deren Ersetzbarkeit durch andere Arzneimittel mit günstigerem Nebenwirkungsprofil gewährleistet wäre. Das ist aber nicht der Fall. Denn soweit die Beklagte Bezug auf den Inhalt der S3-Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen nimmt und auf selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) und Pregabalin als Mittel der ersten Wahl sowie auf trizyklische Antidepressiva (TZA), Buspiron, Benzodiazepine, Hydroxin und Opipramol als Mittel der zweiten Wahl verweist, sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Es erscheint schon zweifelhaft, ob es sich dabei überhaupt um einen geeigneten Ersatz für Kava-Kava-Präparate handelt. Das gilt ungeachtet der fehlenden vollständigen Übereinstimmung der Anwendungsgebiete insbesondere deswegen, weil jene Arzneimittel im Gegensatz zu den auf eine Kurzzeitbehandlung mit raschem Wirkeintritt gerichteten Kava-Kava-Präparaten größtenteils eine längere Wirklatenz von bis zu sechs Wochen haben. Überdies kann für keines der von der Beklagten empfohlenen synthetischen Alternativarzneimittel ein günstigeres Nebenwirkungsprofil festgestellt werden. Das ergibt sich daraus, dass das Spektrum möglicher Nebenwirkungen weitgehend breiter gefächert ist als bei den verfahrensgegenständlichen Kava-Kava-Präparaten, zum Teil auch schwere Nebenwirkungen umfasst und vielfach Absetzphänomene, Abhängigkeitsrisiken und sedierende Effekte mit dem damit einhergehenden negativen Einfluss auf die geistige Leistungsfähigkeit beschrieben werden. Wegen der Einzelheiten dazu wird auf die tabellarische Übersicht bei B. Bandelow, R. Boerner, S. Kasper, M.Linden, H.-U. Wittchen und H.-J. Möller „Generalisierte Angststörung: Diagnostik und Therapie“, Deutsches Ärzteblatt 2013, S. 303, und die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.
172Die von der Beklagten angesprochenen traditionellen Phytopharamka, namentlich Baldrianwurzelzubereitungen und Lavendelöl sind schon deswegen keine geeignete Alternative, weil ihr Anwendungsgebiet nicht deckungsgleich mit dem Kava-Kava-haltiger Arzneimittel ist, sondern sich insoweit nur gewisse Überschneidungen ergeben.
173Gemessen an den vorstehenden Überlegungen ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis der streitbefangenen Präparate ungünstig. Denn unter Zugrundelegung des Inhalts der Änderungsanzeigen und der vorstehenden Ausführungen sind die bisher umgesetzten Maßnahmen zur Minimierung der bestehenden Risiken nicht ausreichend.
174Dies bezieht sich in erster Linie auf die Dosierung der Präparate. Diese weisen nach der Änderungsanzeige keine der Monographie der Kommission E bzw. deren Empfehlungen aus dem Jahr 2002 entsprechende Dosierung von 60-120 mg Kava-Pyrone (= Kavalactone) auf. Damit hat die Klägerin die Tagesdosis für Kava N. Kapseln von zweimal täglich eine Kapsel (a 50 mg Kavalactone) auf drei- bis viermal täglich eine Kapsel entsprechend 150-200 mg Kava-Pyrone und für die übrigen streitbefangenen Präparate von einmal täglich eine Tablette bzw. bei B. 120 mg von zweimal täglich ½ Tablette auf ein- bis zweimal täglich eine Tablette entsprechend 120-240 mg Kava-Pyrone erhöht. Diese Dosierung ist ‑ wenngleich die Abweichung bei dem Präparat Kava N. Kapseln im vorliegenden Fall vergleichsweise geringfügig ist - nicht monographiekonform. Diese Feststellung beruht auf Folgendem: Der Senat ist aufgrund der plausiblen und durchgehend nachvollziehbaren sachverständigen Erläuterungen von Frau Dr. H. und Herrn Dr. T1. , denen die Beklagte nichts Durchgreifendes entgegen gesetzt hat, zu der Überzeugung gelangt, dass sich die in der Monographie der Kommission E angegebene Dosierungsspanne von 60-120 mg Kava-Pyrone auf die DC-Methode und nicht - auch nicht teilweise - auf die HPLC-Methode bezieht.
175In der Monographie selber ist keine Aussage zu der zugrunde liegenden Messmethode getroffen worden. Das sich bei den Unterlagen zur Monographieerstellung befindliche Gutachten von Dr. K. M. aus dem Jahr 1986 erlaubt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht den Rückschluss, dass sich die Dosierungsangabe auf die HPLC- Methode bezieht. Denn daraus geht lediglich hervor, dass zu diesem Zeitpunkt bereits alle sechs Kava-Pyrone bekannt waren und es die HPLC-Methode gab. Zum Umfang ihres Einsatzes und dazu, ob die für die Erstellung der Positivmonographie maßgebenden Studien mit Extrakten durchgeführt worden sind, deren Kavalactongehalt mit dieser Methode gemessen worden ist, ergibt sich daraus hingegen nichts.
176Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung auch nicht in Abrede gestellt,
177dass es die HPLC-Methode zu diesem Zeitpunkt bereits gab, sondern hat vielmehr bestätigt, dass sie bereits damals im universitären Bereich Anwendung gefunden hat. Etwas anderes gelte indes für die Industrie. Dort habe man zur Zeit der Monographieerstellung nicht über die entsprechenden Reinsubstanzen verfügt, um alle sechs Kava-Pyrone quantifizieren zu können. Da die der Monographieerstellung zugrundeliegenden Studien mit Industriepräparaten durchgeführt worden seien, beziehe sich die in der Monographie angegebene Dosierung demzufolge auf die DC-Methode. Dass die Studien mit Industriepräparaten durchgeführt worden sind, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Hierzu hat Frau Dr. H. - von der Beklagten unwidersprochen ‑ darauf hingewiesen, dass die Firma G. , bei der sie zum damaligen Zeitpunkt angestellt war, damals allein mit der DC-Methode gemessene Kava-Extrakte hergestellt und an pharmazeutische Unternehmen geliefert und insoweit einen 95 prozentigen Marktanteil gehalten habe.
178Angesichts dessen konnte die Beklagte auch lediglich auf die Extrakte der Firma Schwabe, die erst zu einem späteren Zeitpunkt Kundin der Firma G. geworden war, verweisen. Sie gehe davon aus, dass die Firma T2. ab dem Jahr 1990 Extrakte hergestellt habe, die nach der HPLC-Methode bemessen worden seien und davon, dass mit deren Präparaten die Studien von Warnecke, die für die Erstellung der Monographie maßgebend waren, durchgeführt worden seien. Hierbei handelt es sich indes um eine durch die von Herrn Dr. T1. angestellten Ermittlungen widerlegte Vermutung. Denn daraus geht hervor, dass in der Monographie nicht auf die erst später erstellten Studien von Warnecke zu dem Präparat M1. , sondern lediglich auf zwei der Komission E im Zeitraum von April bis September 1989 vorgelegte Studienberichte Bezug genommen wird. Das folge - so Herr Dr. T1. - daraus, dass sich die Untersuchungen von Warnecke ausweislich der Monographie auf ein mit 60 mg Kava-Pyrone dosiertes Präparat und die erst nach Erstellung der Monographie veröffentlichten Studien hingegen auf das sich erst seit Dezember 1989 auf dem Markt befindliche Präparat M1. mit einer Dosierung von 70-210 mg Kava-Pyrone bezogen hätten.
179Diese unterschiedlichen Dosierungen können einerseits als Hinweis darauf gedeutet werden, dass im Zeitraum zwischen den Studienberichten und der Veröffentlichung der Studien eine Umrechnung stattgefunden hat, für die aber nur dann ein Erfordernis bestand, wenn das den Studienberichten zugrundeliegende Präparat mittels DC-Methode gemessen war. Als weitere denkbare Erklärungsmöglichkeit kommt allein in Betracht, dass sich Studien und Studienberichte auf unterschiedliche Präparate bezogen haben. Aber auch daraus ergibt sich kein Anhalt dafür, dass das Präparat, zu dem sich der Studienbericht verhält, bereits nach der HPLC-Methode gemessen war. Dagegen spricht, dass es sich dabei um ein - an der damals standardisierten DC-Methode gemessen - erheblich aus dem Rahmen fallendes, weil deutlich unterhalb der angenommen Wirksamkeitsschwelle dosiertes Präparat gehandelt hätte. Hinzu kommt, dass die entgegengesetzte Annahme der Beklagten nicht auf validen Erkenntnissen beruht, sondern auf einer Mitteilung, die die Firma T2. erst zu einem viel späteren Zeitpunkt, nämlich im Zulassungsverfahren gemacht hat. Demgegenüber hat Herr Dr. T1. anhand der Studienberichte die dem Präparat der Firma T2. zugrundeliegende Analytik selbst geprüft und hat dabei keinen Hinweis darauf gefunden, dass dies nach der HPLC-Methode bemessen wurde.
180Vor diesem Hintergrund ist auch die weitere Vermutung der Beklagten, dass der in der Monographie angegebene Wert von 60 mg Kava-Pyrone auf der DC-Methode beruhte und der Wert von 120 mg auf der HPLC-Methode, fernliegend und durch nichts belegt. Denn einerseits ginge damit einher, dass die für Phyto-pharmaka charakteristische Dosierungsspanne weitgehend entfiele. Andererseits hält der Senat es mit Frau Dr. H. für abwegig, dass in einer Dosisempfehlung, die eine Spannbreite angibt, zwei Werte genannt werden, die auf unterschiedlichen Mess- und Analysemethoden beruhen.
181Angesichts dessen ist der Klägerin darin zu folgen, dass die Deklarierung der Dosierung an die heute standardisierte HPLC-Methode angepasst werden muss. Der Senat stimmt aber darin nicht mit der Klägerin überein, dass dies im Sinne einer Verdoppelung zu erfolgen hat. Der Umstand, dass die Bestimmung nach der DC-Methode mit drei Kava-Pyronen erfolgt und die nach der HPLC-Methode mit sechs Kava-Pyronen rechtfertigt dies nicht, weil der Lactongehalt der unterschiedlichen Pyrone variiert. Das erfordert die Bestimmung eines anderen Umrechnungsfaktors. Frau Dr. H. hat 1,61 als Korrelationsfaktor angegeben und dessen Herleitung anhand einer gut nachvollziehbaren und stimmigen Berechnungsübersicht erläutert. Die Beklagte ist dem nicht entgegen getreten. Der Senat hat auch unter Berücksichtigung der übrigen in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse keine Zweifel, dass dieser Korrelationsfaktor zutrifft. Bei seiner Anwendung ergibt sich, dass der in der Monographie genannten Dosierungsspanne von 60-120 mg Kava-Pyrone nach der DC-Methode einer Dosierungsspanne von 97-193 mg Kava-Pyrone nach der HPLC-Methode entspricht und die hier streitgegenständlichen Präparate deswegen überdosiert sind.
182Neben der Dosierung entsprechen auch die dem Senat vorliegenden Gebrauchs- und Fachinformation - unterstellt, die darin enthaltenen Änderungen von für die Zulassung wesentlichen Angaben sind im Wege der Änderungsanzeige wirksam geworden - nicht vollständig den Empfehlungen der Kommission E. Das betrifft die Angabe der Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten (der Hinweis auf die Vermeidung einer begleitenden Medikation mit potentiell hepatotoxischen Medikamenten, insbesondere auch Betablockern, Antidepressiva und Migräne-mitteln fehlt) und die darin vorgesehene Bestimmung der Leberwerte vor Beginn der Behandlung, sodann wöchentlich und optional nach Abschluss der Behand-lung. Überdies fehlt die ausdrückliche Begrenzung der Anwendungsdauer auf einen, maximal zwei Monate.
183(II.) Wenngleich die festgestellten Abweichungen ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis begründen, rechtfertigen sie nicht den Widerruf der Zulassung, weil eine Änderung der Zulassung auf der Grundlage von § 30 Abs. 2a Satz 1 AMG vorrangig ist. Mit dieser in der Fassung vom 19. Dezember 2012 geltenden Vorschrift, die als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu interpretieren ist, besteht eine Grundlage dafür, Änderungen auf Ebene der Zulassung vorzunehmen.
184Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 18. April 2012, BT-Drs. 17/9341, S. 54.
185Wie ausgeführt, ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis der hier streitgegenständlichen Präparate - insbesondere wegen der zu hohen Dosierung, aber auch im Hinblick auf die übrigen Abweichungen von den Empfehlungen der Kommission E in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2002 als ungünstig zu bewerten, erwiese sich aber nach entsprechender Anpassung an diese Empfehlungen nicht mehr als ungünstig, mit der Folge, dass der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG entfällt. Zur Begründung dafür wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.
186Lassen sich die mit der Anwendung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel in Verbindung gebrachten Nebenwirkungen danach bereits durch die von der Kommission E vorgeschlagenen regulatorischen Maßnahmen auf ein vertretbares Maß reduzieren, kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die Beklagte vorrangig unter der Voraussetzungen des § 28 Abs. 3b Satz 1 Nr. 2 AMG eine Unbedenklichkeitsstudie („PASS“) hätte anordnen können und müssen.
187Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
188Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.
189Die Revision ist zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegen.
(1) Der pharmazeutische Unternehmer ist verpflichtet, den folgenden Personen auf Anforderung für Fertigarzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen oder davon freigestellt sind und die für den Verkehr außerhalb der Apotheken nicht freigegeben sind, eine Gebrauchsinformation für Fachkreise (Fachinformation) zur Verfügung zu stellen:
- 1.
Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten und Apothekern sowie - 2.
anderen Personen, die die Heilkunde oder Zahnheilkunde berufsmäßig ausüben, wenn es sich um nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt.
- 1.
die Bezeichnung des Arzneimittels, gefolgt von der Stärke und der Darreichungsform; - 2.
qualitative und quantitative Zusammensetzung nach Wirkstoffen und den sonstigen Bestandteilen, deren Kenntnis für eine zweckgemäße Verabreichung des Mittels erforderlich ist, unter Angabe der gebräuchlichen oder chemischen Bezeichnung; § 10 Abs. 6 findet Anwendung; - 3.
Darreichungsform; - 4.
klinische Angaben: - a)
Anwendungsgebiete, - b)
Dosierung und Art der Anwendung bei Erwachsenen und, soweit das Arzneimittel zur Anwendung bei Kindern bestimmt ist, bei Kindern, - c)
Gegenanzeigen, - d)
besondere Warn- und Vorsichtshinweise für die Anwendung und bei immunologischen Arzneimitteln alle besonderen Vorsichtsmaßnahmen, die von Personen, die mit immunologischen Arzneimitteln in Berührung kommen und von Personen, die diese Arzneimittel Patienten verabreichen, zu treffen sind, sowie von dem Patienten zu treffenden Vorsichtsmaßnahmen, soweit dies durch Auflagen der zuständigen Bundesoberbehörde nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a angeordnet oder auf Grund von § 7 des Anti-Doping-Gesetzes oder durch Rechtsverordnung vorgeschrieben ist, - e)
Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln oder anderen Mitteln, soweit sie die Wirkung des Arzneimittels beeinflussen können, - f)
Verwendung bei Schwangerschaft und Stillzeit, - g)
Auswirkungen auf die Fähigkeit zur Bedienung von Maschinen und zum Führen von Kraftfahrzeugen, - h)
Nebenwirkungen bei bestimmungsgemäßem Gebrauch, - i)
Überdosierung: Symptome, Notfallmaßnahmen, Gegenmittel;
- 5.
pharmakologische Eigenschaften: - a)
pharmakodynamische Eigenschaften, - b)
pharmakokinetische Eigenschaften, - c)
vorklinische Sicherheitsdaten;
- 6.
pharmazeutische Angaben: - a)
Liste der sonstigen Bestandteile, - b)
Hauptinkompatibilitäten, - c)
Dauer der Haltbarkeit und, soweit erforderlich, die Haltbarkeit bei Herstellung einer gebrauchsfertigen Zubereitung des Arzneimittels oder bei erstmaliger Öffnung des Behältnisses, - d)
besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Aufbewahrung, - e)
Art und Inhalt des Behältnisses, - f)
besondere Vorsichtsmaßnahmen für die Beseitigung von angebrochenen Arzneimitteln oder der davon stammenden Abfallmaterialien, um Gefahren für die Umwelt zu vermeiden;
- 7.
Inhaber der Zulassung; - 8.
Zulassungsnummer; - 9.
Datum der Erteilung der Zulassung oder der Verlängerung der Zulassung; - 10.
Datum der Überarbeitung der Fachinformation.
(1a) Bei Sera ist auch die Art des Lebewesens, aus dem sie gewonnen sind, bei Virusimpfstoffen das Wirtssystem, das zur Virusvermehrung gedient hat, und bei Arzneimitteln aus humanem Blutplasma zur Fraktionierung das Herkunftsland des Blutplasmas anzugeben.
(1b) Bei radioaktiven Arzneimitteln sind ferner die Einzelheiten der internen Strahlungsdosimetrie, zusätzliche detaillierte Anweisungen für die extemporane Zubereitung und die Qualitätskontrolle für diese Zubereitung sowie, soweit erforderlich, die Höchstlagerzeit anzugeben, während der eine Zwischenzubereitung wie ein Eluat oder das gebrauchsfertige Arzneimittel seinen Spezifikationen entspricht.
(1c) Bei Arzneimitteln, die der Verschreibungspflicht nach § 48 unterliegen, ist auch der Hinweis "Verschreibungspflichtig", bei Betäubungsmitteln der Hinweis "Betäubungsmittel", bei sonstigen Arzneimitteln, die nur in Apotheken an Verbraucher abgegeben werden dürfen, der Hinweis "Apothekenpflichtig" anzugeben; bei Arzneimitteln, die einen Stoff oder eine Zubereitung nach § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 enthalten, ist eine entsprechende Angabe zu machen.
(1d) Für Zulassungen von Arzneimitteln nach § 24b können Angaben nach Absatz 1 entfallen, die sich auf Anwendungsgebiete, Dosierungen oder andere Gegenstände eines Patents beziehen, die zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens noch unter das Patentrecht fallen.
(2) Der pharmazeutische Unternehmer ist verpflichtet, die Änderungen der Fachinformation, die für die Therapie relevant sind, den Fachkreisen in geeigneter Form zugänglich zu machen. Die zuständige Bundesoberbehörde kann, soweit erforderlich, durch Auflage bestimmen, in welcher Form die Änderungen allen oder bestimmten Fachkreisen zugänglich zu machen sind.
(3) Ein Muster der Fachinformation und geänderter Fassungen ist der zuständigen Bundesoberbehörde unverzüglich zu übersenden, soweit nicht das Arzneimittel von der Zulassung freigestellt ist.
(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 kann bei Arzneimitteln, die ausschließlich von Angehörigen der Heilberufe verabreicht werden, auch durch Aufnahme der Angaben nach Absatz 1 Satz 2 in der Packungsbeilage erfüllt werden. Die Packungsbeilage muss mit der Überschrift "Gebrauchsinformation und Fachinformation" versehen werden.
(1) Die zuständige Bundesoberbehörde kann die Zulassung mit Auflagen verbinden. Bei Auflagen nach den Absätzen 2 bis 3d zum Schutz der Umwelt, entscheidet die zuständige Bundesoberbehörde im Einvernehmen mit dem Umweltbundesamt, soweit Auswirkungen auf die Umwelt zu bewerten sind. Hierzu übermittelt die zuständige Bundesoberbehörde dem Umweltbundesamt die zur Beurteilung der Auswirkungen auf die Umwelt erforderlichen Angaben und Unterlagen. Auflagen können auch nachträglich angeordnet werden.
(2) Auflagen nach Absatz 1 können angeordnet werden, um sicherzustellen, dass
- 1.
die Kennzeichnung der Behältnisse und äußeren Umhüllungen den Vorschriften des § 10 entspricht; dabei kann angeordnet werden, dass angegeben werden müssen - a)
Hinweise oder Warnhinweise, soweit sie erforderlich sind, um bei der Anwendung des Arzneimittels eine unmittelbare oder mittelbare Gefährdung der menschlichen Gesundheit zu verhüten, - b)
Aufbewahrungshinweise für den Verbraucher und Lagerhinweise für die Fachkreise, soweit sie geboten sind, um die erforderliche Qualität des Arzneimittels zu erhalten,
- 2.
die Packungsbeilage den Vorschriften des § 11 entspricht; dabei kann angeordnet werden, dass angegeben werden müssen - a)
die in der Nummer 1 Buchstabe a genannten Hinweise oder Warnhinweise, - b)
die Aufbewahrungshinweise für den Verbraucher, soweit sie geboten sind, um die erforderliche Qualität des Arzneimittels zu erhalten,
- 2a.
die Fachinformation den Vorschriften des § 11a entspricht; dabei kann angeordnet werden, dass angegeben werden müssen - a)
die in Nummer 1 Buchstabe a genannten Hinweise oder Warnhinweise, - b)
besondere Lager- und Aufbewahrungshinweise, soweit sie geboten sind, um die erforderliche Qualität des Arzneimittels zu erhalten, - c)
Hinweise auf Auflagen nach Absatz 3,
- 3.
die Angaben nach den §§ 10, 11 und 11a den für die Zulassung eingereichten Unterlagen entsprechen und dabei einheitliche und allgemein verständliche Begriffe und ein einheitlicher Wortlaut, auch entsprechend den Empfehlungen und Stellungnahmen der Ausschüsse der Europäischen Arzneimittel-Agentur, verwendet werden, wobei die Angabe weiterer Gegenanzeigen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen zulässig bleibt; von dieser Befugnis kann die zuständige Bundesoberbehörde allgemein aus Gründen der Arzneimittelsicherheit, der Transparenz oder der rationellen Arbeitsweise Gebrauch machen; dabei kann angeordnet werden, dass bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bestimmte Anwendungsgebiete entfallen, wenn zu befürchten ist, dass durch deren Angabe der therapeutische Zweck gefährdet wird, - 4.
das Arzneimittel in Packungsgrößen in den Verkehr gebracht wird, die den Anwendungsgebieten und der vorgesehenen Dauer der Anwendung angemessen sind, - 5.
das Arzneimittel in einem Behältnis mit bestimmter Form, bestimmtem Verschluss oder sonstiger Sicherheitsvorkehrung in den Verkehr gebracht wird, soweit es geboten ist, um die Einhaltung der Dosierungsanleitung zu gewährleisten oder um die Gefahr des Missbrauchs durch Kinder zu verhüten.
(2a) Warnhinweise nach Absatz 2 können auch angeordnet werden, um sicherzustellen, dass das Arzneimittel nur von Ärzten bestimmter Fachgebiete verschrieben und unter deren Kontrolle oder nur in Kliniken oder Spezialkliniken oder in Zusammenarbeit mit solchen Einrichtungen angewendet werden darf, wenn dies erforderlich ist, um bei der Anwendung eine unmittelbare oder mittelbare Gefährdung der Gesundheit von Menschen zu verhüten, insbesondere, wenn die Anwendung des Arzneimittels nur bei Vorhandensein besonderer Fachkunde oder besonderer therapeutischer Einrichtungen unbedenklich erscheint.
(3) Die zuständige Bundesoberbehörde kann durch Auflagen ferner anordnen, dass weitere analytische, pharmakologisch-toxikologische oder klinische Prüfungen durchgeführt werden und über die Ergebnisse berichtet wird, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Arzneimittel einen großen therapeutischen Wert haben kann und deshalb ein öffentliches Interesse an seinem unverzüglichen Inverkehrbringen besteht, jedoch für die umfassende Beurteilung des Arzneimittels weitere wichtige Angaben erforderlich sind. Die zuständige Bundesoberbehörde überprüft jährlich die Ergebnisse dieser Prüfungen.
(3a) Die zuständige Bundesoberbehörde kann bei Erteilung der Zulassung durch Auflagen ferner anordnen,
- 1.
bestimmte im Risikomanagement-System enthaltene Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Anwendung des Arzneimittels zu ergreifen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 2.
Unbedenklichkeitsstudien durchzuführen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 3.
Verpflichtungen im Hinblick auf die Erfassung oder Meldung von Verdachtsfällen von Nebenwirkungen, die über jene des Zehnten Abschnitts hinausgehen, einzuhalten, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 4.
sonstige erforderliche Maßnahmen hinsichtlich der sicheren und wirksamen Anwendung des Arzneimittels zu ergreifen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 5.
ein angemessenes Pharmakovigilanz-System einzuführen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 6.
soweit Bedenken bezüglich einzelner Aspekte der Wirksamkeit des Arzneimittels bestehen, die erst nach seinem Inverkehrbringen beseitigt werden können, Wirksamkeitsstudien nach der Zulassung durchzuführen, die den Vorgaben in Artikel 21a Satz 1 Buchstabe f der Richtlinie 2001/83/EG entsprechen.
(3b) Die zuständige Bundesoberbehörde kann nach Erteilung der Zulassung ferner durch Auflagen anordnen,
- 1.
ein Risikomanagement-System und einen Risikomanagement-Plan einzuführen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 2.
Unbedenklichkeitsstudien durchzuführen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, - 3.
eine Wirksamkeitsstudie durchzuführen, wenn Erkenntnisse über die Krankheit oder die klinische Methodik darauf hindeuten, dass frühere Bewertungen der Wirksamkeit erheblich korrigiert werden müssen; die Verpflichtung, diese Wirksamkeitsstudie nach der Zulassung durchzuführen, muss den Vorgaben nach Artikel 22a Absatz 1 Buchstabe b Satz 2 der Richtlinie 2001/83/EG entsprechen.
(3c) Die zuständige Bundesoberbehörde kann durch Auflage ferner anordnen, dass bei der Herstellung und Kontrolle solcher Arzneimittel und ihrer Ausgangsstoffe, die biologischer Herkunft sind oder auf biotechnischem Wege hergestellt werden,
- 1.
bestimmte Anforderungen eingehalten und bestimmte Maßnahmen und Verfahren angewendet werden, - 2.
Unterlagen vorgelegt werden, die die Eignung bestimmter Maßnahmen und Verfahren begründen, einschließlich von Unterlagen über die Validierung, - 3.
die Einführung oder Änderung bestimmter Anforderungen, Maßnahmen und Verfahren der vorherigen Zustimmung der zuständigen Bundesoberbehörde bedarf,
(3d) (weggefallen)
(3e) (weggefallen)
(3f) Bei Auflagen nach den Absätzen 3, 3a und 3b kann die zuständige Bundesoberbehörde Art, Umfang und Zeitrahmen der Studien oder Prüfungen sowie Tätigkeiten, Maßnahmen und Bewertungen im Rahmen des Risikomanagement-Systems bestimmen. Die Ergebnisse sind durch Unterlagen so zu belegen, dass aus diesen Art, Umfang und Zeitpunkt der Studien oder Prüfungen hervorgehen.
(3g) Der Inhaber der Zulassung eines Arzneimittels hat alle Auflagen nach den Absätzen 3, 3a und 3b in sein Risikomanagement-System aufzunehmen. Die zuständige Bundesoberbehörde unterrichtet die Europäische Arzneimittel-Agentur über die Zulassungen, die unter den Auflagen nach den Absätzen 3, 3a und 3b erteilt wurden.
(3h) Die zuständige Bundesoberbehörde kann bei biologischen Arzneimitteln geeignete Maßnahmen zur besseren Identifizierbarkeit von Nebenwirkungsmeldungen anordnen.
(4) Soll die Zulassung mit einer Auflage verbunden werden, so wird die in § 27 Abs. 1 vorgesehene Frist bis zum Ablauf einer dem Antragsteller gewährten Frist zur Stellungnahme gehemmt. § 27 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.
(1) Die Zulassung ist zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass einer der Versagungsgründe des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2, 3, 5, 5a oder 7 bei der Erteilung vorgelegen hat; sie ist zu widerrufen, wenn einer der Versagungsgründe des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3, 5, 5a oder 7 nachträglich eingetreten ist. Die Zulassung ist ferner zurückzunehmen oder zu widerrufen, wenn
- 1.
sich herausstellt, dass dem Arzneimittel die therapeutische Wirksamkeit fehlt, - 2.
in den Fällen des § 28 Abs. 3 die therapeutische Wirksamkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse unzureichend begründet ist.
(1a) Die Zulassung ist ferner ganz oder teilweise zurückzunehmen oder zu widerrufen, soweit dies erforderlich ist, um einer Entscheidung oder einem Beschluss der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union nach Artikel 34 der Richtlinie 2001/83/EG zu entsprechen. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet bei Rechtsmitteln gegen Entscheidungen der zuständigen Bundesoberbehörde nach Satz 1 nicht statt. In den Fällen des Satzes 1 kann auch das Ruhen der Zulassung befristet angeordnet werden.
(2) Die zuständige Bundesoberbehörde kann die Zulassung
- 1.
zurücknehmen, wenn in den Unterlagen nach § 22 oder § 24 unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht worden sind, - 2.
widerrufen, wenn der Versagungsgrund des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 nachträglich eingetreten ist oder wenn eine der nach § 28 angeordneten Auflagen nicht eingehalten und diesem Mangel nicht innerhalb einer von der zuständigen Bundesoberbehörde zu setzenden angemessenen Frist abgeholfen worden ist; dabei sind Auflagen nach § 28 Abs. 3 und 3a jährlich zu überprüfen, - 3.
im Benehmen mit der zuständigen Behörde widerrufen, wenn die für das Arzneimittel vorgeschriebenen Prüfungen der Qualität nicht oder nicht ausreichend durchgeführt worden sind, - 4.
im Benehmen mit der zuständigen Behörde widerrufen, wenn sich herausstellt, dass das Arzneimittel nicht nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln hergestellt worden ist.
(2a) In den Fällen der Absätze 1 und 1a ist die Zulassung zu ändern, wenn dadurch der in Absatz 1 genannte betreffende Versagungsgrund entfällt oder der in Absatz 1a genannten Entscheidung entsprochen wird. In den Fällen des Absatzes 2 kann die Zulassung durch Auflage geändert werden, wenn dies ausreichend ist, um den Belangen der Arzneimittelsicherheit zu entsprechen.
(3) Vor einer Entscheidung nach den Absätzen 1 bis 2a muss der Inhaber der Zulassung gehört werden, es sei denn, dass Gefahr im Verzuge ist. Das gilt auch, wenn eine Entscheidung der zuständigen Bundesoberbehörde über die Änderung der Zulassung, Auflagen zur Zulassung, den Widerruf, die Rücknahme oder das Ruhen der Zulassung auf einer Einigung der Koordinierungsgruppe nach Artikel 107g, 107k oder Artikel 107q der Richtlinie 2001/83/EG beruht. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet in den Fällen des Satzes 2 nicht statt. In den Fällen des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 ist die Entscheidung sofort vollziehbar. Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung.
(4) Ist die Zulassung für ein Arzneimittel zurückgenommen oder widerrufen oder ruht die Zulassung, so darf es
Die Rückgabe des Arzneimittels an den pharmazeutischen Unternehmer ist unter entsprechender Kenntlichmachung zulässig. Die Rückgabe kann von der zuständigen Behörde angeordnet werden.(1) Fertigarzneimittel sind Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden oder andere zur Abgabe an Verbraucher bestimmte Arzneimittel, bei deren Zubereitung in sonstiger Weise ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt oder die, ausgenommen in Apotheken, gewerblich hergestellt werden. Fertigarzneimittel sind nicht Zwischenprodukte, die für eine weitere Verarbeitung durch einen Hersteller bestimmt sind.
(2) Blutzubereitungen sind Arzneimittel, die aus Blut gewonnene Blut-, Plasma- oder Serumkonserven, Blutbestandteile oder Zubereitungen aus Blutbestandteilen sind oder als Wirkstoffe enthalten.
(3) Sera sind Arzneimittel im Sinne des § 2 Absatz 1, die Antikörper, Antikörperfragmente oder Fusionsproteine mit einem funktionellen Antikörperbestandteil als Wirkstoff enthalten und wegen dieses Wirkstoffs angewendet werden. Sera gelten nicht als Blutzubereitungen im Sinne des Absatzes 2 oder als Gewebezubereitungen im Sinne des Absatzes 30.
(4) Impfstoffe sind Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1, die Antigene oder rekombinante Nukleinsäuren enthalten und die dazu bestimmt sind, beim Menschen zur Erzeugung von spezifischen Abwehr- und Schutzstoffen angewendet zu werden und, soweit sie rekombinante Nukleinsäuren enthalten, ausschließlich zur Vorbeugung oder Behandlung von Infektionskrankheiten bestimmt sind.
(5) Allergene sind Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1, die Antigene oder Haptene enthalten und dazu bestimmt sind, beim Menschen zur Erkennung von spezifischen Abwehr- oder Schutzstoffen angewendet zu werden (Testallergene), oder Stoffe enthalten, die zur antigenspezifischen Verminderung einer spezifischen immunologischen Überempfindlichkeit angewendet werden (Therapieallergene).
(6) (weggefallen)
(7) (weggefallen)
(8) Radioaktive Arzneimittel sind Arzneimittel, die radioaktive Stoffe sind oder enthalten und ionisierende Strahlen spontan aussenden und die dazu bestimmt sind, wegen dieser Eigenschaften angewendet zu werden; als radioaktive Arzneimittel gelten auch für die Radiomarkierung anderer Stoffe vor der Verabreichung hergestellte Radionuklide (Vorstufen) sowie die zur Herstellung von radioaktiven Arzneimitteln bestimmten Systeme mit einem fixierten Mutterradionuklid, das ein Tochterradionuklid bildet, (Generatoren).
(9) Arzneimittel für neuartige Therapien sind Gentherapeutika, somatische Zelltherapeutika oder biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Arzneimittel für neuartige Therapien und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl. L 324 vom 10.12.2007, S. 121; L 87 vom 31.3.2009, S. 174), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1243 (ABl. L 198 vom 25.07.2019, S. 241) geändert worden ist.
(10) (weggefallen)
(11) (weggefallen)
(12) (weggefallen)
(13) Nebenwirkungen sind schädliche und unbeabsichtigte Reaktionen auf das Arzneimittel. Schwerwiegende Nebenwirkungen sind Nebenwirkungen, die tödlich oder lebensbedrohend sind, eine stationäre Behandlung oder Verlängerung einer stationären Behandlung erforderlich machen, zu bleibender oder schwerwiegender Behinderung, Invalidität, kongenitalen Anomalien oder Geburtsfehlern führen. Unerwartete Nebenwirkungen sind Nebenwirkungen, deren Art, Ausmaß oder Ergebnis von der Fachinformation des Arzneimittels abweichen.
(14) Herstellen ist das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- oder Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das Abpacken, das Kennzeichnen und die Freigabe.
(15) Qualität ist die Beschaffenheit eines Arzneimittels, die nach Identität, Gehalt, Reinheit, sonstigen chemischen, physikalischen, biologischen Eigenschaften oder durch das Herstellungsverfahren bestimmt wird.
(16) Eine Charge ist die jeweils aus derselben Ausgangsmenge in einem einheitlichen Herstellungsvorgang oder bei einem kontinuierlichen Herstellungsverfahren in einem bestimmten Zeitraum erzeugte Menge eines Arzneimittels.
(17) Inverkehrbringen ist das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten, das Feilbieten und die Abgabe an andere.
(18) Der pharmazeutische Unternehmer ist bei zulassungs- oder registrierungspflichtigen Arzneimitteln der Inhaber der Zulassung oder Registrierung. Pharmazeutischer Unternehmer ist auch, wer Arzneimittel im Parallelvertrieb oder sonst unter seinem Namen in den Verkehr bringt, außer in den Fällen des § 9 Abs. 1 Satz 2.
(19) Wirkstoffe sind Stoffe, die dazu bestimmt sind, bei der Herstellung von Arzneimitteln als arzneilich wirksame Bestandteile verwendet zu werden oder bei ihrer Verwendung in der Arzneimittelherstellung zu arzneilich wirksamen Bestandteilen der Arzneimittel zu werden.
(20) Ein Hilfsstoff ist jeder Bestandteil eines Arzneimittels, mit Ausnahme des Wirkstoffs und des Verpackungsmaterials.
(21) Xenogene Arzneimittel sind zur Anwendung im oder am Menschen bestimmte Arzneimittel, die lebende tierische Gewebe oder Zellen sind oder enthalten.
(22) Großhandel mit Arzneimitteln ist jede berufs- oder gewerbsmäßige zum Zwecke des Handeltreibens ausgeübte Tätigkeit, die in der Beschaffung, der Lagerung, der Abgabe oder Ausfuhr von Arzneimitteln besteht, mit Ausnahme der Abgabe von Arzneimitteln an andere Verbraucher als Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte oder Krankenhäuser.
(22a) Arzneimittelvermittlung ist jede berufs- oder gewerbsmäßig ausgeübte Tätigkeit von Personen, die, ohne Großhandel zu betreiben, selbstständig und im fremden Namen mit Arzneimitteln handeln, ohne tatsächliche Verfügungsgewalt über die Arzneimittel zu erlangen.
(23) Klinische Prüfung ist eine solche im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 2 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG (ABl. L 158 vom 27.5.2014, S. 1; L 311 vom 17.11.2016, S. 25). Keine klinische Prüfung ist eine nichtinterventionelle Studie im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 4 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014.
(24) Sponsor ist eine Person, ein Unternehmen, eine Einrichtung oder eine Organisation im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 14 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014.
(25) Prüfer ist eine Person im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 15 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014. Hauptprüfer ist eine Person im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 Nummer 16 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014.
(26) Homöopathisches Arzneimittel ist ein Arzneimittel, das nach einem im Europäischen Arzneibuch oder, in Ermangelung dessen, nach einem in den offiziell gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren hergestellt worden ist. Ein homöopathisches Arzneimittel kann auch mehrere Wirkstoffe enthalten.
(27) Ein mit der Anwendung des Arzneimittels verbundenes Risiko ist
- a)
jedes Risiko im Zusammenhang mit der Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit des Arzneimittels für die Gesundheit der Patienten oder die öffentliche Gesundheit, - b)
jedes Risiko unerwünschter Auswirkungen auf die Umwelt.
(28) Das Nutzen-Risiko-Verhältnis umfasst eine Bewertung der positiven therapeutischen Wirkungen des Arzneimittels im Verhältnis zu dem Risiko nach Absatz 27 Buchstabe a.
(29) Pflanzliche Arzneimittel sind Arzneimittel, die als Wirkstoff ausschließlich einen oder mehrere pflanzliche Stoffe oder eine oder mehrere pflanzliche Zubereitungen oder eine oder mehrere solcher pflanzlichen Stoffe in Kombination mit einer oder mehreren solcher pflanzlichen Zubereitungen enthalten.
(30) Gewebezubereitungen sind Arzneimittel, die Gewebe im Sinne von § 1a Nr. 4 des Transplantationsgesetzes sind oder aus solchen Geweben hergestellt worden sind. Menschliche Samen- und Eizellen (Keimzellen) sowie imprägnierte Eizellen und Embryonen sind weder Arzneimittel noch Gewebezubereitungen.
(30a) Einheitlicher Europäischer Code oder „SEC“ ist die eindeutige Kennnummer für in der Europäischen Union verteilte Gewebe oder Gewebezubereitungen gemäß Anhang VII der Richtlinie 2006/86/EG der Kommission vom 24. Oktober 2006 zur Umsetzung der Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit, der Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und unerwünschter Reaktionen sowie bestimmter technischer Anforderungen an die Kodierung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen (ABl. L 294 vom 25.10.2006, S. 32), die zuletzt durch die Richtlinie (EU) 2015/565 (ABl. L 93 vom 9.4.2015, S. 43) geändert worden ist.
(30b) EU-Gewebeeinrichtungs-Code ist die eindeutige Kennnummer für Gewebeeinrichtungen in der Europäischen Union. Für den Geltungsbereich dieses Gesetzes gilt er für alle Einrichtungen, die erlaubnispflichtige Tätigkeiten mit Geweben, Gewebezubereitungen oder mit hämatopoetischen Stammzellen oder Stammzellzubereitungen aus dem peripheren Blut oder aus dem Nabelschnurblut durchführen. Der EU-Gewebeeinrichtungs-Code besteht gemäß Anhang VII der Richtlinie 2006/86/EG aus einem ISO-Ländercode und der Gewebeeinrichtungsnummer des EU-Kompendiums der Gewebeeinrichtungen.
(30c) EU-Kompendium der Gewebeeinrichtungen ist das Register, in dem alle von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union genehmigten, lizenzierten, benannten oder zugelassenen Gewebeeinrichtungen enthalten sind und das die Informationen über diese Einrichtungen gemäß Anhang VIII der Richtlinie 2006/86/EG in der jeweils geltenden Fassung enthält. Für den Geltungsbereich dieses Gesetzes enthält das Register alle Einrichtungen, die erlaubnispflichtige Tätigkeiten mit Geweben, Gewebezubereitungen oder mit hämatopoetischen Stammzellen oder Stammzellzubereitungen aus dem peripheren Blut oder aus dem Nabelschnurblut durchführen.
(30d) EU-Kompendium der Gewebe- und Zellprodukte ist das Register aller in der Europäischen Union in Verkehr befindlichen Arten von Geweben, Gewebezubereitungen oder von hämatopoetischen Stammzellen oder Stammzellzubereitungen aus dem peripheren Blut oder aus dem Nabelschnurblut mit den jeweiligen Produktcodes.
(31) Rekonstitution eines Fertigarzneimittels ist die Überführung in seine anwendungsfähige Form unmittelbar vor seiner Anwendung gemäß den Angaben der Packungsbeilage oder im Rahmen der klinischen Prüfung nach Maßgabe des Prüfplans.
(32) Verbringen ist jede Beförderung in den, durch den oder aus dem Geltungsbereich des Gesetzes. Einfuhr ist die Überführung von unter das Arzneimittelgesetz fallenden Produkten aus Drittstaaten, die nicht Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind, in den zollrechtlich freien Verkehr. Produkte gemäß Satz 2 gelten als eingeführt, wenn sie entgegen den Zollvorschriften in den Wirtschaftskreislauf überführt wurden. Ausfuhr ist jedes Verbringen in Drittstaaten, die nicht Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind.
(33) Anthroposophisches Arzneimittel ist ein Arzneimittel, das nach der anthroposophischen Menschen- und Naturerkenntnis entwickelt wurde, nach einem im Europäischen Arzneibuch oder, in Ermangelung dessen, nach einem in den offiziell gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren oder nach einem besonderen anthroposophischen Zubereitungsverfahren hergestellt worden ist und das bestimmt ist, entsprechend den Grundsätzen der anthroposophischen Menschen- und Naturerkenntnis angewendet zu werden.
(34) Eine Unbedenklichkeitsstudie ist jede Studie zu einem zugelassenen Arzneimittel, die durchgeführt wird, um ein Sicherheitsrisiko zu ermitteln, zu beschreiben oder zu quantifizieren, das Sicherheitsprofil eines Arzneimittels zu bestätigen oder die Effizienz von Risikomanagement-Maßnahmen zu messen.
(35) (weggefallen)
(36) Das Risikomanagement-System umfasst Tätigkeiten im Bereich der Pharmakovigilanz und Maßnahmen, durch die Risiken im Zusammenhang mit einem Arzneimittel ermittelt, beschrieben, vermieden oder minimiert werden sollen; dazu gehört auch die Bewertung der Wirksamkeit derartiger Tätigkeiten und Maßnahmen.
(37) Der Risikomanagement-Plan ist eine detaillierte Beschreibung des Risikomanagement-Systems.
(38) Das Pharmakovigilanz-System ist ein System, das der Inhaber der Zulassung und die zuständige Bundesoberbehörde anwenden, um insbesondere den im Zehnten Abschnitt aufgeführten Aufgaben und Pflichten nachzukommen, und das der Überwachung der Sicherheit zugelassener Arzneimittel und der Entdeckung sämtlicher Änderungen des Nutzen-Risiko-Verhältnisses dient.
(39) Die Pharmakovigilanz-Stammdokumentation ist eine detaillierte Beschreibung des Pharmakovigilanz-Systems, das der Inhaber der Zulassung auf eines oder mehrere zugelassene Arzneimittel anwendet.
(40) Ein gefälschtes Arzneimittel ist ein Arzneimittel mit falschen Angaben über
- 1.
die Identität, einschließlich seiner Verpackung, seiner Kennzeichnung, seiner Bezeichnung oder seiner Zusammensetzung in Bezug auf einen oder mehrere seiner Bestandteile, einschließlich der Hilfsstoffe und des Gehalts dieser Bestandteile, - 2.
die Herkunft, einschließlich des Herstellers, das Herstellungsland, das Herkunftsland und den Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen oder den Inhaber der Zulassung oder - 3.
den in Aufzeichnungen und Dokumenten beschriebenen Vertriebsweg.
(41) Ein gefälschter Wirkstoff ist ein Wirkstoff, dessen Kennzeichnung auf dem Behältnis nicht den tatsächlichen Inhalt angibt oder dessen Begleitdokumentation nicht alle beteiligten Hersteller oder nicht den tatsächlichen Vertriebsweg widerspiegelt.
(42) EU-Portal ist das gemäß Artikel 80 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 auf EU-Ebene eingerichtete und unterhaltene Portal für die Übermittlung von Daten und Informationen im Zusammenhang mit klinischen Prüfungen.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Beteiligten sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter können nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6 als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden.
(2) Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates technische Rahmenbedingungen für die Übermittlung und die Eignung zur Bearbeitung durch das Gericht.
(3) Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Satz 1 gilt nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind.
(4) Sichere Übermittlungswege sind
- 1.
der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt, - 2.
der Übermittlungsweg zwischen den besonderen elektronischen Anwaltspostfächern nach den §§ 31a und 31b der Bundesrechtsanwaltsordnung oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts, - 3.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und der elektronischen Poststelle des Gerichts, - 4.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten elektronischen Postfach einer natürlichen oder juristischen Person oder einer sonstigen Vereinigung und der elektronischen Poststelle des Gerichts, - 5.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens genutzten Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Absatz 5 des Onlinezugangsgesetzes und der elektronischen Poststelle des Gerichts, - 6.
sonstige bundeseinheitliche Übermittlungswege, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, bei denen die Authentizität und Integrität der Daten sowie die Barrierefreiheit gewährleistet sind.
(5) Ein elektronisches Dokument ist eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Dem Absender ist eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs zu erteilen. Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Beifügung von Abschriften für die übrigen Beteiligten finden keine Anwendung.
(6) Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs unverzüglich mitzuteilen. Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.
(7) Soweit eine handschriftliche Unterzeichnung durch den Richter oder den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgeschrieben ist, genügt dieser Form die Aufzeichnung als elektronisches Dokument, wenn die verantwortenden Personen am Ende des Dokuments ihren Namen hinzufügen und das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Der in Satz 1 genannten Form genügt auch ein elektronisches Dokument, in welches das handschriftlich unterzeichnete Schriftstück gemäß § 55b Absatz 6 Satz 4 übertragen worden ist.
(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.
(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur
- 1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen, - 2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht, - 3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinn des § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinn des § 3 Nr. 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinn des § 3 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten, - 3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinn des § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinn des § 3 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinn des § 3 Nummer 1 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen, - 4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder, - 5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder, - 6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten, - 7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.
(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.
(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.
(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Beteiligten sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter können nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6 als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden.
(2) Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates technische Rahmenbedingungen für die Übermittlung und die Eignung zur Bearbeitung durch das Gericht.
(3) Das elektronische Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Satz 1 gilt nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind.
(4) Sichere Übermittlungswege sind
- 1.
der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos, wenn der Absender bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet ist und er sich die sichere Anmeldung gemäß § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes bestätigen lässt, - 2.
der Übermittlungsweg zwischen den besonderen elektronischen Anwaltspostfächern nach den §§ 31a und 31b der Bundesrechtsanwaltsordnung oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts, - 3.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten Postfach einer Behörde oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts und der elektronischen Poststelle des Gerichts, - 4.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens eingerichteten elektronischen Postfach einer natürlichen oder juristischen Person oder einer sonstigen Vereinigung und der elektronischen Poststelle des Gerichts, - 5.
der Übermittlungsweg zwischen einem nach Durchführung eines Identifizierungsverfahrens genutzten Postfach- und Versanddienst eines Nutzerkontos im Sinne des § 2 Absatz 5 des Onlinezugangsgesetzes und der elektronischen Poststelle des Gerichts, - 6.
sonstige bundeseinheitliche Übermittlungswege, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, bei denen die Authentizität und Integrität der Daten sowie die Barrierefreiheit gewährleistet sind.
(5) Ein elektronisches Dokument ist eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Dem Absender ist eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs zu erteilen. Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Beifügung von Abschriften für die übrigen Beteiligten finden keine Anwendung.
(6) Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs unverzüglich mitzuteilen. Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.
(7) Soweit eine handschriftliche Unterzeichnung durch den Richter oder den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgeschrieben ist, genügt dieser Form die Aufzeichnung als elektronisches Dokument, wenn die verantwortenden Personen am Ende des Dokuments ihren Namen hinzufügen und das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Der in Satz 1 genannten Form genügt auch ein elektronisches Dokument, in welches das handschriftlich unterzeichnete Schriftstück gemäß § 55b Absatz 6 Satz 4 übertragen worden ist.