Landgericht Hamburg Urteil, 15. März 2017 - 710 Ns 4/17

bei uns veröffentlicht am15.03.2017

Tenor

Auf die Berufung des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek vom 18.10.2016 hinsichtlich des Schuldspruchs wie folgt geändert: Der Angeklagte wird wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen verurteilt.

Im Übrigen wird die Berufung des Angeklagten verworfen.

Die Berufung der Staatsanwaltschaft wird verworfen.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Staatskasse trägt die Kosten der von der Staatsanwaltschaft eingelegten Berufung und die dem Angeklagten insoweit ausscheidbar entstandenen notwendigen Auslagen.

Angewendete Vorschriften: §§ 223 Abs. 1, 225 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 52 StGB.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht Hamburg-Barmbek verurteilte den Angeklagten am 18.10.2016 wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten. Gegen dieses Urteil legten der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft form- und fristgerecht Berufung ein. Die Berufung des Angeklagten hatte lediglich hinsichtlich der Abänderung des Schuldspruchs Erfolg. Im Übrigen hatten die Berufungen des Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft keinen Erfolg.

II.

2

Der Angeklagte wurde am 1967 in S./Ä. geboren und ist ägyptischer Staatsangehöriger. Er ist verheiratet und hat 4 Kinder: F. (geb. am 2010), M. (geb. am 2008), A. (geb. am 2006) und A. (geb. am 2002). Bis zu seiner Inhaftierung für das vorliegende Verfahren am 19.02.2016 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Hamburg vom 16.02.2016, lebte der Angeklagte, der mit seiner Ehefrau das gemeinsame Sorgerecht für die Kinder hat, gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen Kindern in einer Wohnung in H.-S.. Die Ehefrau des Angeklagten ist Hausfrau. Der Angeklagte hat in Ä. eine Ausbildung zum Gartenbauingenieur absolviert und lebt seit 1991 in der Bundesrepublik Deutschland. Vor seiner Inhaftierung für das vorliegende Verfahren war der Angeklagte als selbständiger Abschleppunternehmer tätig und erzielte dort ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 2.800,00 € monatlich. Der Angeklagte verfügt über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis in Deutschland. Die drei jüngeren Kinder des Angeklagten leben seit Februar 2016 in einer Kinderschutzeinrichtung. Der älteste Sohn des Angeklagten lebt seit der Inhaftierung des Angeklagten allein mit seiner Mutter in der ehemals gemeinsamen Familienwohnung.

3

Strafrechtlich ist der Angeklagte bislang wie folgt in Erscheinung getreten:

4

Am 01.06.1994, rechtskräftig seit 02.07.1994, verurteilte das Amtsgericht H.-W. den Angeklagten wegen Betrugs in drei Fällen zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10,00 DM.

5

Am 31.07.1996 wurde der Angeklagte durch das Amtsgericht H.-W., rechtskräftig seit 31.07.2016, wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 10,00 DM verurteilt.

6

Am 07.06.2002 wurde der Angeklagte, rechtskräftig seit 07.06.2002, wegen gefährlicher Körperverletzung durch das Amtsgericht H.-A. (Az.:) zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 10,00 € verurteilt.

7

Der Verurteilung des Amtsgerichts H.-A. vom 07.06.2002 lag der folgende Sachverhalt zugrunde:

8

Der Angeklagte arbeitete am 19.01.2002 als Ladendetektiv bei E. in der S.str. in H.. Dort entdeckte er Frau H.-B., von der er glaubte, dass gegen sie ein Hausverbot ausgesprochen worden war. Frau H.-B. hatte im Geschäft eingekauft. Nach Verlassen des Kassenbereichs sprach der Angeklagte Frau H.-B. an. Es entwickelte sich ein Streitgespräch, in dessen Verlauf der Angeklagte Frau H.-B. aufforderte, sie in das Büro der Filialleiterin zu begleiten, was diese auch tat. Dort rastete der Angeklagte plötzlich ohne rechtfertigenden Grund aus. Er packte einen Stuhl und schleuderte diesen auf Frau H.-B., die dadurch am Bein und im Bauchbereich verletzt wurde. Darüber hinaus schlug der Angeklagte Frau H.-B. mit der flachen Hand in das Gesicht.

9

Am 25.11.2004 wurde der Angeklagte durch das Amtsgericht H.-B. (Az.:), rechtskräftig seit 25.01.2005, wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Die Strafe wurde mit Wirkung zum 22.02.2008 erlassen.

10

Dem Urteil des Amtsgerichts H.-B. vom 25.11.2004 lag der folgende Sachverhalt zugrunde:

11

Am 06.08.2004 hielt der Angeklagte dem Geschädigten I. in dessen Wohnung im C.-Ring in H. wegen einer vermeintlich bestehenden Geldforderung einen Gegenstand an den Hals, um diesen zur Zahlung eines Geldbetrags zu veranlassen. Der Geschädigte kam diesem Zahlungsbegehren jedoch nicht nach. Der Angeklagte brachte dem Geschädigten I. mit dem Gegenstand am Hals zwei geringfügige Verletzungen bei.

12

Am 03.01.2006, rechtskräftig seit 11.01.2006, wurde der Angeklagte durch das Amtsgericht H.-S. G. wegen Betrugs zu einer 6-monatigen Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Die Strafe wurde mit Wirkung vom 02.02.2009 erlassen.

13

Am 24.05.2012 wurde der Angeklagte durch Urteil des Amtsgerichts H.-B. (Az.:) in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts H. vom 09.10.2012 (Az.:), rechtskräftig seit 02.07.2013, wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Missbrauch von Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten verurteilt.

14

Dem Urteil des Landgerichts H. vom 09.10.2012 lag der folgende Sachverhalt zugrunde:

15

Am 12.04.2011 oder 13.04.2011 verletzte der Angeklagte seinen damals 8-jährigen Sohn A. durch mehrere kräftige Schläge mittels eines dünnen beweglichen Gegenstands gegen dessen Kopf, Hals und Nacken sowie durch ungeformte körperliche Gewalt an dessen Halsvorderseite bis zum Brustbein hin und hinter dem linken Ohr, so dass A. erhebliche striemenartige Hautunterblutungen von bis zu 20 cm Länge im Bereich seiner linken Wange, Schläfe und Stirn, zum Teil in den Haaransatz übergehend, sowie kürzere im Bereich der linken Halsseite, des Nackens und vor dem und über dem rechten Ohr erlitt. Darüber hinaus wies A. unzählige rötliche punktförmige Hautunterblutungen im Bereich der Vorderseite des Halses bis hinunter zum Brustbein und hinter dem linken Ohr auf, die für A. jeweils schmerzhaft waren.

16

Der Angeklagte verbüßte diese Freiheitsstrafe in der JVA B. in der Zeit vom 29.11.2013 bis 22.01.2015. Eine vorzeitige Entlassung des Angeklagten wurde seitens der Haftanstalt wegen fehlender Delinquenzbearbeitung nicht befürwortet. Zudem wurde dem Angeklagten in der Haft eine stark herabgesetzte Frustrationstoleranz attestiert. Bei Entscheidungen, die nicht die Billigung des Angeklagten fanden, reagierte er mit Ablehnung, hoher Gesprächslautstärke und Vorwürfen gegenüber den Bediensteten.

17

Am 12.09.2014 wurde der Angeklagte durch das Amtsgericht H.-H., rechtskräftig seit 10.10.2014, wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 362 Fällen, zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 5,00 € verurteilt. Zugleich wurde auf ein 3-monatiges Fahrverbot erkannt.

18

Die vorstehenden Feststellungen beruhen auf den insoweit glaubhaften Angaben des Angeklagten, die das Gericht nachvollzogen hat, sowie auf dem verlesenen Bundeszentralregisterauszug vom 27.04.2016. Darüber hinaus beruhen die Feststellungen auf den auszugsweise verlesenen Urteilen des Amtsgerichts H.-A. vom 07.06.2002 (Az.:), des Amtsgerichts H.-B. vom 25.11.2004 (Az.:) und des Landgerichts H. vom 09.10.2012 (Az.:). Der Angeklagte hat die inhaltliche Richtigkeit der Eintragungen im Bundeszentralregisterauszug sowie der verlesenen Urteile ausdrücklich bestätigt. Ferner beruhen die Feststellungen zum Vollzugsverhalten des Angeklagten auf der verlesenen Stellungnahme zur bedingten Entlassung der JVA B. vom 05.05.2014.

III.

19

Am Abend des 04.02.2016 würgte der Angeklagte in der im 6. Obergeschoss des Hauses C.-Ring in H.-S. gelegenen Familienwohnung seine damals 5-jährige Tochter F. für mindestens 8 Sekunden mit einer oder beiden Händen mit massiver Krafteinwirkung am Hals, so dass F. beidseits des Halses großflächige Hauteinblutungen, sog. Würgemale, davontrug. Am Nachmittag des 05.02.2016 zeigte sich infolge des Würgens folgendes Verletzungsbild am Hals der Geschädigten: Auf der linken Seite des Halses beginnend unmittelbar unterhalb des Unterkieferastes links befanden sich zwei bandförmige, fast parallel zueinander verlaufende und schräg zur Körperlängsachse verlaufende, jeweils 1 cm lange und bis zu 2 mm breite aus punktförmigen, rötlich verfärbten Hauteinblutungen bestehende Verletzungen, darunter eine Aussparung mit vereinzelten punktförmigen rötlich verfärbten Hauteinblutungen. Von der Mitte des Halses links bis zum Halsansatz auf einer Fläche von 3,5 x 2,0 cm waren fleckförmig angeordnete, zum Teil ineinander übergehende, dunkelrot bis bläulich verfärbte Hauteinblutungen vorhanden. Auf der rechten Seite des Halses befanden sich auf einer Fläche von 3,5 x 2,5 cm unzählige, punktförmige, zum Teil ineinander übergehende, dunkelrot verfärbte Hauteinblutungen. Der Würgevorgang war für F. mit Schmerzen verbunden. Darüber hinaus hatte sie aufgrund des Würgens am Vorabend noch im Tagesverlauf des 05.02.2016 Schluckbeschwerden. Die Würgemale sind nach ca. 10 Tagen folgenlos ausgeheilt. Durch das zielgerichtete Würgen seiner Tochter, für die er sorgeberechtigt war und mit der er im gemeinsamen Hausstand lebte, hat der Angeklagte eine gefühllose, fremdes Leiden missachtende Gesinnung zum Ausdruck gebracht. Der Angeklagte würgte F. absichtlich. Darüber hinaus nahm er zumindest billigend in Kauf, dass sein Handeln das Wohlbefinden des Körpers seiner Tochter bzw. die Unversehrtheit ihres Körpers beeinträchtigen werden würde. Ferner war er sich der Rohheit seines Handelns bewusst. Entsprechendes gilt für die übrigen Tatbestandsmerkmale des § 225 StGB, wie das Alter seiner Tochter, die ihm obliegende Fürsorge und den gemeinsamen Hausstand zur Tatzeit.

IV.

20

Der Angeklagte hat glaubhaft eingeräumt, seine Tochter gewürgt zu haben. Die Täterschaft des Angeklagten wird dadurch gestützt, das seine Tochter F. ausweislich der gemäß § 325 StPO verlesenen amtsgerichtlichen Aussagen der Zeugen K. und K. am Morgen des 05.02.2016 in der Schule diesen berichtet habe, dass ihr Vater für die Verletzungen verantwortlich sei.

21

Die Feststellungen zu den Verletzungsfolgen beruhen auf dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. P.. Dieser hat das am 05.02.2016 vorgefundene Verletzungsbild anhand der am 05.02.2016 von der Geschädigten gefertigten Lichtbilder, die die einzelnen Verletzungen dokumentieren, nachvollziehbar – wie festgestellt – beschrieben. Hinsichtlich der einzelnen Verletzungen am Hals der Geschädigten wird ergänzend gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die Lichtbilder (Bl. 51 d. A.) verwiesen. Der Sachverständige Prof. Dr. P. hat darüber hinaus glaubhaft angegeben, dass F. im Rahmen der rechtsmedizinischen Untersuchung am 05.02.2016 gegen 14.00 Uhr über fortwährende Schluckbeschwerden klagte. Aufgrund des Umfangs der vorhandenen Hautunterblutungen schlussfolgerte der Sachverständige Prof. Dr. P. nachvollziehbar, dass mit massivem Kraftaufwand und einer Mindestdauer von 8 Sekunden auf den Hals eingewirkt worden sein muss, wobei er die Dauer des Würgevorgangs „realistisch“ auf 10 bis 20 Sekunden schätzte. Die Dauer des Abheilungsprozesses der F. zugefügten Verletzungen folgt ebenfalls aus dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. P., dessen Ausführungen sich die Kammer auch insoweit anschließt.

22

Die Feststellungen zur inneren Tatseite folgen im Ausgangspunkt aus der Einlassung des Angeklagten, der eingeräumt hat, seine Tochter mit Absicht gewürgt zu haben, dies in Kenntnis ihres Alters, der ihm obliegenden Fürsorge und des gemeinsamen Hausstands. Darüber hinaus hat der Angeklagte eingeräumt, dass es ihm grundsätzlich bekannt sei, dass das Würgen eines Menschen geeignet ist, Schmerzen und Verletzungen zuzufügen. Dass er vorliegend den Eintritt der festgestellten Verletzungen zumindest billigend in Kauf genommen hat, schließt die Kammer aus dem äußeren Tatgeschehen sowie dem Umstand, dass ausweislich der auch insoweit nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. P. hochwahrscheinlich davon auszugehen ist, dass es wegen des Würgegriffs und der damit verbundenen Schmerzen unmittelbar zu Abwehrversuchen bzw. Versuchen, sich dem Griff ihres Vaters zu entziehen, gekommen sein muss, der Angeklagte aber gleichwohl für mindestens 8 Sekunden auf seine Tochter eingewirkt hat, obwohl ihm aufgrund des Verhaltens seiner Tochter bewusst gewesen sein muss, dass er dieser Schmerzen zufügt.

23

Das Handeln des Angeklagten lässt keinen anderen Schluss zu, als bei ihm auf eine gefühllose, fremdes Leiden missachtende Gesinnung zu schließen, zumal diese innere Haltung bereits durch das Urteil des Landgerichts H. vom 09.10.2002 dokumentiert wird. Darüber hinaus besteht – schlussfolgernd aus dem äußeren Tatbestand – kein Zweifel daran, dass der Angeklagte zumindest bedingt vorsätzlich hinsichtlich der Rohheit seines Handelns agierte.

V.

24

Aufgrund des festgestellten Sachverhalts hat sich der Angeklagte wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß § 225 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB in Tateinheit mit Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Hinsichtlich der Strafbarkeit wegen Körperverletzung hat die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht.

25

Die Kammer konnte sich nicht mit letzter Gewissheit davon überzeugen, dass es sich bei der dem Angeklagten zur Last zu legenden Körperverletzung um eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB handelte. Zwar kann festes Würgen am Hals grundsätzlich geeignet sein, eine Lebensgefährdung herbeizuführen. Allerdings reicht nach ständiger Rechtsprechung hierfür jedoch nicht jeder Griff an den Hals aus, der zu würgemalähnlichen Druckmerkmalen oder Hautunterblutungen führt. Von maßgeblicher Bedeutung sind vielmehr Dauer und Stärke der Einwendung, die abstrakt geeignet sein muss, das Leben des Opfers zu gefährden (vgl. Beschluss des BGH vom 14.10.2004, Az.: 4 StR 403/04; Beschluss des BGH vom 28.09.2010, Az.: 4 StR 442/10). Vorliegend konnten bei F. ausweislich der Sachverständigen S. und P. keine punktförmigen Einblutungen hinter dem Ohr oder im Bereich der Augenbindehäute sowie der Mundhöhle diagnostiziert werden. Damit fehlen sichere Anhaltspunkte dafür, dass Blutadern abgedrückt worden sind bzw. die Blutzirkulation unterbrochen war. Ein Anhalt dafür, dass die Luftzufuhr unterbrochen wurde bzw. für einen Erstickungsvorgang, besteht ebenfalls nicht. Ferner war die Einwirkung auf den Hals zu kurz, um wichtige Nervenbahnen zu schädigen. Darüber hinaus lassen ausweislich des überzeugenden Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. P. die von F. geschilderten Schluckbeschwerden keinen Rückschluss auf die Dauer der Einwirkung zu.

VI.

26

Die Kammer hat die zu verhängende Strafe dem Strafrahmen des § 225 Abs. 1 StGB entnommen. Die Voraussetzungen für die Annahme eines minder schweren Falls nach § 225 Abs. 4 StGB lagen nicht vor.

27

Minder schwere Fälle werden nur dann bejaht, wenn die unter Berücksichtigung aller wesentlichen belastenden und entlastenden Umstände vorzunehmende Gesamtabwägung ergeben sollte, dass in dem betreffenden Fall das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Merkmale und der Persönlichkeit des Angeklagten vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle derartiger Delikte in einem solchen Maße positiv abweicht, dass die Anknüpfung an den normalen Strafrahmen den Besonderheiten des Falles nicht gerecht werden würde und zu hart wäre. Letzteres nimmt man insbesondere dann an, wenn ein bereits deutliches Überwiegen der Strafmilderungsgründe gegenüber den Strafschärfungsgründen festgestellt werden kann. Das vermag die Kammer hier aber mit Blick auf die nachfolgend darzustellenden Strafzumessungsgesichtspunkte und deren Gesamtwürdigung und Abwägung nicht festzustellen.

28

Bei Festsetzung der zu verhängenden Strafe hat sich die Kammer insbesondere von folgenden Strafzumessungserwägungen leiten lassen:

29

So war strafmildernd zu berücksichtigen, dass der Angeklagte weitgehend geständig war. Darüber hinaus hat er keine schwerwiegenden körperlichen Verletzungen herbeigeführt. Auch sind keine körperlichen Folgeschäden bei der Geschädigten zu verzeichnen.

30

Dagegen war zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass der Angeklagte schon strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und bereits wegen der Misshandlung seines Sohnes eine 14-monatige Haftstrafe verbüßen musste, ohne dass ihn dies von der Misshandlung seiner Tochter abgehalten hätte. Darüber hinaus hat der Angeklagte tateinheitlich zwei Straftatbestände verwirklicht.

31

Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte war die Verhängung einer

32

Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten

33

tat- und schuldangemessen.

34

Der Vollzug dieser Freiheitsstrafe ist auch aus spezialpräventiven Gründen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich der Angeklagte hinsichtlich des Missbrauchs von Schutzbefohlenen trotz insoweit bereits verbüßter Freiheitsstrafe als Wiederholungstäter erwiesen hat, erforderlich.

VII.

35

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Urteilsbesprechung zu Landgericht Hamburg Urteil, 15. März 2017 - 710 Ns 4/17

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Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafgesetzbuch - StGB | § 223 Körperverletzung


(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.
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Gesetz über den Lastenausgleich


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(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

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(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

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(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Strafgesetzbuch - StGB | § 225 Mißhandlung von Schutzbefohlenen


(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die 1. seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,2. seinem Hausstand angehört,3. von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder4.

Strafprozeßordnung - StPO | § 325 Verlesung von Urkunden


Bei der Berichterstattung und der Beweisaufnahme können Urkunden verlesen werden; Protokolle über Aussagen der in der Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges vernommenen Zeugen und Sachverständigen dürfen, abgesehen von den Fällen der §§ 251 und 253,

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Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Sept. 2010 - 4 StR 442/10

bei uns veröffentlicht am 28.09.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 442/10 vom 28. September 2010 in der Strafsache gegen wegen Körperverletzung Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts , zu Ziffer 1. auf dessen Antrag, und nach Anhörung

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(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die

1.
seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,
2.
seinem Hausstand angehört,
3.
von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder
4.
ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,
quält oder roh mißhandelt, oder wer durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für sie zu sorgen, sie an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr

1.
des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder
2.
einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung
bringt.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

Bei der Berichterstattung und der Beweisaufnahme können Urkunden verlesen werden; Protokolle über Aussagen der in der Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges vernommenen Zeugen und Sachverständigen dürfen, abgesehen von den Fällen der §§ 251 und 253, ohne die Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten nicht verlesen werden, wenn die wiederholte Vorladung der Zeugen oder Sachverständigen erfolgt ist oder von dem Angeklagten rechtzeitig vor der Hauptverhandlung beantragt worden war.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die

1.
seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,
2.
seinem Hausstand angehört,
3.
von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder
4.
ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,
quält oder roh mißhandelt, oder wer durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für sie zu sorgen, sie an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr

1.
des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder
2.
einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung
bringt.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 442/10
vom
28. September 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
, zu Ziffer 1. auf dessen Antrag, und nach Anhörung der Beschwerdeführerin
am 28. September 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen
:
1. Die Revision der Nebenklägerin gegen das Urteil des
Landgerichts Magdeburg vom 27. Januar 2010 wird als
unbegründet verworfen, soweit sie zu Ungunsten des
Angeklagten eingelegt ist.
2. Soweit das Rechtsmittel zu Gunsten des Angeklagten
wirkt (§ 301 StPO), wird das vorbezeichnete Urteil

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte
der vorsätzlichen Körperverletzung schuldig
ist,

b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung an das Amtsgericht - Strafrichter
- Aschersleben zurückverwiesen.
4. Die Nebenklägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels
und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat; außerdem hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die Nebenklägerin erstrebt mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, eine Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit versuchter Vergewaltigung.
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Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten ergeben, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat. Das Urteil ist jedoch in entsprechender Anwendung des § 301 StPO zu Gunsten des Angeklagten im Schuldspruch abzuändern und im Strafausspruch aufzuheben , weil es einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweist, der auf die Revision der Nebenklägerin zu beachten ist, obwohl das Rechtsmittel nur zu Ungunsten des Angeklagten eingelegt wurde (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. August 1995 - 2 StR 394/95, NStZ-RR 1996, 130 und vom 12. Januar 2010 - 4 StR 589/09, NStZ-RR 2010, 205, 206).
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1. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen fasste der Angeklagte der Nebenklägerin im Verlauf einer Rangelei mit einer Hand an ihre linke Halsseite und drückte während einer kurzen Zeit mit zwei Fingern mit einiger Kraft dagegen. Damit wollte er erreichen, dass sie aufhörte, ihn zu kratzen, und sie dafür bestrafen, dass sie sich über ihn lustig gemacht und ihn beleidigt hatte; töten wollte er sie nicht. Die Nebenklägerin erlitt zwei dicht beieinander befindliche Hämatome an der linken Halsseite. Die rechtsmedizinische Sachverständige hat dazu ausgeführt, dass es sich nicht um "klassische" Würgemale hande- le, vielmehr seien die Hämatome durch einfachen Druck gegen den Hals mit einer Hand verursacht worden. Der ausgeübte Druck sei zu gering gewesen, um eine Halsschlagader zu verschließen oder eine Unterbrechung der Luftzufuhr zu bewirken. Zwar könne auch eine Kompression der Halsweichteile, selbst wenn sie nicht zu einem Verschluss der Halsgefäße geführt habe, potenziell lebensgefährlich sein; dies erfordere aber eine längere Einwirkung auf bestimmte , im Hals verlaufende Nervenbahnen [UA 16, 23]. Diesen Ausführungen hat sich das Landgericht angeschlossen.
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2. Diese Feststellungen tragen die Annahme einer vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB), nicht jedoch die einer gefährlichen Körperverletzung in der Tatbestandsvariante der lebensgefährdenden Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB.
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Zwar kann festes Würgen am Hals geeignet sein, eine Lebensgefährdung herbeizuführen; es reicht hierfür jedoch nicht jeder Griff an den Hals aus, der zu würgemalähnlichen Druckmerkmalen oder Hämatomen führt (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2004 - 4 StR 403/04, NStZ-RR 2005, 44 m.w.N.). Von maßgeblicher Bedeutung sind vielmehr Dauer und Stärke der Einwirkung, die zwar nicht dazu führen muss, dass das Opfer der Körperverletzung tatsächlich in Lebensgefahr gerät, aber abstrakt geeignet sein muss, das Leben des Opfers zu gefährden (st. Rspr.; vgl. die Nachweise bei Fischer StGB 57. Aufl. § 224 Rn. 12, 12c). Die vom Landgericht zu Intensität und Dauer der Einwirkung auf den Halsbereich der Nebenklägerin getroffenen Feststellungen belegen eine solche Eignung nicht: Danach war die Einwirkung zu schwach, um eine Unterbrechung der Blutzirkulation oder der Luftzufuhr zu bewirken, und zu kurz, um wichtige Nervenbahnen so zu schädigen, dass dadurch ein Herzstillstand eintreten konnte.
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3. Der Senat stellt den Schuldspruch auf vorsätzliche Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) um. Die Voraussetzung des § 230 Abs. 1 StGB liegt vor, da der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht hat. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
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4. Die Änderung des Schuldspruchs zieht angesichts des gegenüber § 224 StGB milderen Strafrahmens des § 223 StGB die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Eine Aufhebung der Adhäsionsentscheidung durch den Senat kam dagegen nicht in Betracht (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 28. November 2007 - 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96 f.; vgl. auch Meyer-Goßner StPO 53. Aufl. § 406a Rn. 8 m.w.N.).
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5. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 3 StPO Gebrauch und verweist die Sache an das Amtsgericht - Strafrichter - Aschersleben zurück, da dessen Strafgewalt hier ausreicht.
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Bender

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die

1.
seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,
2.
seinem Hausstand angehört,
3.
von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder
4.
ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,
quält oder roh mißhandelt, oder wer durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für sie zu sorgen, sie an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr

1.
des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder
2.
einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung
bringt.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.