Landgericht Kleve Urteil, 07. Nov. 2014 - 120 KLs 29/14
Gericht
Tenor
Der Angeklagte wird wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von
10 Jahren
kostenpflichtig verurteilt.
Die in den Niederlanden erlittene Auslieferungshaft wird im Maßstab von 1:1 angerechnet.
Gegen den Angeklagten wird ein erweiterter Wertersatzverfall in Höhe von 300.000,00 € angeordnet.
- §§ 30a Abs. 1, 33 BtMG, 73, 73a, 73d StGB -
1
Gründe:
2Spätestens im Herbst 2012 schlossen sich der niederländische Angeklagte sowie die bereits rechtskräftig verurteilten, ebenfalls niederländischen Staatsangehörigen E2 und L zusammen, um künftig gemeinsam und arbeitsteilig auf Dauer synthetische Drogen über das Internet an eine Vielzahl von Einzelabnehmern gewinnbringend zu veräußern. Die Aufgabenverteilung wurde durch sie wie folgt festgelegt und nachfolgend auch durchgeführt: Der Angeklagte fungierte als Ideengeber und „Kopf“ der Gruppierung. Er steuerte das Geschehen maßgeblich im Hintergrund aus den Niederlanden: Er war für die Einrichtung und den Betrieb der genannten Internetshops verantwortlich. Er führte auch die erforderlichen, vielzähligen Bestellungen der über die Internetshops vertriebenen Stoffe und der Verpackungsmaterialien in Asien durch und unterhielt die hierzu notwendigen Kontakte. Darüber hinaus war er für die Entlohnung seiner „Mitarbeiter“ – jedenfalls der bereits rechtskräftig verurteilten E2 und L - zuständig. Als seine „rechte Hand“ fungierte der gesondert verfolgte E2, der insbesondere die vom Angeklagten bestellten Betäubungsmittel aus den Niederlanden nach Deutschland in die eigens hierfür angemietete, als Lager dienende Wohnung auf die L-Straße in F verbrachte sowie die Bestelllisten – neben dem Angeklagten - fertigte und an L versandte. L portionierte und verpackte für den Versand an die Kunden die Stoffe und versah die Briefe und Pakete mit fiktiven Absenderadressen. Die Aufgabe zur Post erfolgte durch ihn allein oder gemeinsam mit E2 und/oder dem Angeklagten. Allein auf das Konto des Angeklagten bei der Volksbank F gingen aufgrund der Bestellungen in der Zeit von September 2012 bis April 2013 über 300.000,00 € ein. An E2, dem er einen F2 als „Dienstwagen“ bereitstellte, zahlte er ein monatliches Entgeld zwischen 1.500,00 und 2.000,00 €. L konnte dagegen seinen Lebensunterhalt auf Kosten des Angeklagten bestreiten. Allein am 10.05.2013 hielt der Angeklagte sowie die bereits rechtskräftig verurteilten E2 und L in der Wohnung auf der L-Straße in F unter anderem 1.198 g Reinsubstanz JWH-018, 1.272 g Reinsubstanz JWH-122, 174 g Reinsubstanz JWH-210, 873 g Reinsubstanz JWH-203, 2.967 g MDPV-Base sowie 61 g Reinsubstanz 4-FA Base (insgesamt das 4.989-fache der nicht geringen Menge) vorrätig, um dieses entsprechend der zuvor getroffenen Absprache gewinnbringend weiterzuveräußern, wobei der Angeklagte wusste, dass es sich bei den genannten Stoffen um in Deutschland verbotene Betäubungsmittel handelt.
3I. Feststellungen zur Person
4Der derzeit 26 Jahre alte Angeklagte wurde in Alkmaar/Niederlande geboren. Er wuchs zusammen mit seinem Bruder im elterlichen Haushalt auf. Nach der Grundschule besuchte er die weiterführende Schule, die er mit der Fachhochschulreife (im Bereich kaufmännisches Marketing/Kommunikation) verließ. Anschließend machte er sich selbstständig und Betrieb u.a. ab 2010 für verschiedene Hotels das Internetmarketing. Der Angeklagte ist ledig, hat aber eine Lebensgefährtin, die in einem Kosmetikbetrieb arbeitet. Er bewohnt in Amsterdam eine Mietwohnung, für die er monatlich 500 EUR Miete zahlen muss. Schulden hat er keine. Alkohol hat er nie im Übermaß konsumiert. Drogen nimmt er keine.
5In den Niederlanden ist der Angeklagte bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten, wohl aber in der Bundesrepublik:
6Mit Strafbefehl vom 22.02.2013 verurteilte ihn das Amtsgericht Wiesbaden wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 50,00 €. Der Strafbefehl ist seit dem 03.04.2013 rechtskräftig, die Geldstrafe ist bezahlt.
7Dem Strafbefehl liegen folgende tatsächliche Feststellungen zu Grunde:
8„Am 08.03.2012 reisten Sie mit Ihrem auf Sie zugelassenen Fahrzeug der Marke T4 mit dem amtlichen niederländischen Kennzeichen xx-xx-xx aus den Niederlanden in die Bundesrepublik Deutschland ein. Dabei führten sie auf der Rückbank Ihres Fahrzeuges eine Ledertasche mit 8 (teils mit Empfängeradresse beschrifteten) Briefumschlägen und einer blauen Kunststofftüte mit sich. In der Plastiktüte befanden sich 10 Briefchen mit insgesamt 9,63 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 3,21 g Cocain-Hydrochlorid. In den Briefumschlägen befanden sich versandgerecht verpackte Arzneimittel von pulvriger und flüssiger Substanz, welche der Zulassungspflicht unterliegen und in der Bundesrepublik nicht zugelassen sind. Diese verbrachten Sie über die niederländisch-deutsche Grenze und hielten sie zum anschließenden Verkauf vorrätig. Nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis besteht bezüglich dieser Substanzen der Verdacht, dass sie bei bestimmungsmäßigem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein vertretbares Maß hinausgehen. Im Einzelnen handelte es sich um
9- 0,89 Gramm (3-Diethylamino-2,2-dimethylpropyl)-4-aminobenzoat-HCI (Dimethocain-Hydrochlorid, Larocain, DMC),
10- 1,13 Gramm 3,4-Methylendioxpyrovaleron-Hydrochlorid (MDPV),
11- 6,68 Gramm 4-Fluormethcathinon-Hydrochlorid (4-FMC-HCI, Flephedron)
12- 1,09 Gramm 4-MEC-HCI (4-Methylcathinon-Hydrochlorid)
13- 3,98 Gramm 3,4-Methylendioxypyrovaleron-Hydrochlorid (MDPV)
14- 1,17 Gramm 3-Trifluormethylphenylpiperazin (TFMPP)
15- 0,89 Gramm 3,4-Methylendioxypyrovaleron-Hydrochlorid (MDPV)
16- 4,83 Gramm Methylon-HCI
17- 0,92 Gramm 5,6-Methylendioxy-2-aminoindan (MDAI)
18- 1,69 Gramm Methylon-HCI
19- 0,91 Gramm 4-Fluormethcathinon-Hydrochlorid (4-FMC-HCI, Flephedron)
20- 0,95 Gramm RCS-4 (1-Pentyl-3-(4-methoxybenzoyl)indol),
21- 4,81 Gramm Methylon-HCI
22- 1,11 Gramm Methylon-HCI und
23- 1,09 Gramm 3,4-Methylendioxypyrovaleron-Hydrochlorid (MDPV)
24Über eine Erlaubnis zum Umgang mit Betäubungsmitteln oder eine arzneimittelrechtliche Einfuhrerlaubnis verfügen Sie nicht.“
25II. Feststellungen zur Sache
261. Vorgeschichte
27Der gesondert verfolgte G betrieb, jedenfalls im Jahre 2012, einen Internetshop namens „Spicestore“, über den er synthetische Stoffe – sog. Research Chemicals –, die allein dazu dienen, bei dem Konsumenten einen mit bekannten Drogen wie Cannabis, Kokain und Amphetamin vergleichbaren Rauschzustand hervorzurufen, verkaufte. Zu Beginn des Jahres 2012 traf sich G mit dem Angeklagten, da dieser sich für den von Herrn G betriebenen Internetshop interessierte. Zu einem Verkauf des Shops an den Angeklagten E kam es gleichwohl nicht. Vielmehr eröffnete dieser im August 2012 seine eigenen Internetshops, u.a. den „spicestore247“ und den „ezchem“, über die ebenfalls synthetische und teilweise dem deutschen Betäubungsmittelgesetz unterliegende Stoffe vertrieben wurden. Jedenfalls wurde der seit Mitte des Jahres 2009 dem Betäubungsmittelgesetz unterliegende Stoff JWH-018 über die Shops verkauft. Nachdem durch die 26. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften weitere Stoffe – u.a. 4-Fluoramfetamin, JWH-122, JWH-203, JWH-210, MDPV – dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt wurden, sprach G den Angeklagten E darauf an. Dieser sah gleichwohl nicht davon ab, die nunmehr dem Betäubungsmittelgesetz unterfallenden Stoffe – im Gegensatz zu G, der u.a. in seinem Internetshop „rc-s“ am 26.07.2012 auf die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes hinwies –aus dem Angebot der Internetshops zu nehmen.
28Der Angeklagte erläuterte den bereits rechtskräftig verurteilten und ihm seit Jahren freundschaftlich verbundenen E2 und L spätestens im Herbst 2012, um diese zu einer Mitarbeit zu gewinnen, seine Idee, Internetshops vergleichbar mit dem des Freydorfers zu betreiben. E2 und L willigten ein und beschlossen – zusammen mit dem Angeklagten - nun gemeinsam und arbeitsteilig auf Dauer synthetische Drogen über das Internet an eine Vielzahl von Einzelabnehmern gewinnbringend zu veräußern. Die Aufgabenverteilung wurde durch sie wie folgt festgelegt und nachfolgend auch durchgeführt:
29Der Angeklagte fungierte als Ideengeber und „Kopf“ der Gruppierung. Er steuerte das Geschehen maßgeblich im Hintergrund aus den Niederlanden: Er war für die Einrichtung und den Betrieb der genannten Internetshops verantwortlich. Er führte auch die erforderlichen, vielzähligen Bestellungen der über die Internetshops vertriebenen Stoffe und der Verpackungsmaterialien in Asien durch und unterhielt die hierzu notwendigen Kontakte. Darüber hinaus war er für die Entlohnung seiner „Mitarbeiter“ – jedenfalls der bereits rechtskräftig verurteilten E2 und L, zuständig.
30Als seine „rechte Hand“ – zunächst in den Niederlanden, später vor Ort in F – fungierte der gesondert verfolgte E2, dem er für seine Tätigkeit ein monatliches Entgelt zwischen 1.500,00 und 2.000,00 € zahlte. Darüber hinaus stellte er ihm einen „Dienstwagen“, einem für 15.000,00 € erworbenen F2, an dem sich E2 mit lediglich 1.500,00 € beteiligte, zur Verfügung.
31Portioniert und verpackt für den Versand an die Kunden des Online-Shops wurden die Stoffe zunächst durch den bereits rechtskräftig verurteilten L in einer durch den Angeklagten gemieteten Wohnung in NL, in der L auch wohnte. Da der Post- und Paketversand aus den Niederlanden nach Deutschland und in weitere europäische Länder deutlich teurer war als alle Sendungen in Deutschland aufzugeben, entschied der Angeklagte in Absprache mit den bereits rechtskräftig verurteilten E2 und L die Sendungen in F am Rhein aufzugeben. Dazu fuhr zunächst der Angeklagte jedenfalls seit August 2012 regelmäßig nach F, um dort bei der Post die Pakete mit den „Research Chemicals“ aufzugeben. Die Postsendungen wurden mit den fiktiven Absenderadressen: Flash Data B.V./Oberhausen, Flash Data B.V./Ludwigshafen, Flash Data B.V./Den Haag, Ellipsis B.V./Den Haag und/oder Kimiko B.V./ Den Haag versehen, die dazu dienen sollten, den wahren Absender zu verschleiern. Möglicherweise standen hinter den Firmenbezeichnungen noch existierende, jedoch mangels Geschäftsbetriebs leere Firmen-„Mäntel“, die der Angeklagte E möglicherweise aus (ebenfalls strafrechtlich relevanten) steuerlichen Gründen besaß. Den Postmitarbeitern in F sagte der Angeklagte, damit diese nicht argwöhnisch werden, dass sich in den Postsendungen Computer- oder Handyteile befänden.
32Da die Vielzahl an Bestellungen sehr häufige Fahrten aus NL zur Post nach F erforderlich machten, entschied der Angeklagte in Absprache mit den bereits rechtskräftig verurteilten E2 und L eine Wohnung in F anzumieten, in der die Substanzen gelagert und versandfertig gemacht werden sollten. Offiziell mietete sodann E2 ab Anfang des Jahres 2013 die Wohnung auf der L-Straße in F an, die dieser zusammen mit dem Angeklagten einrichtete und die der Angeklagte mit Computern, Druckern und Aufbewahrungsfächern für die Substanzen versah. Seit Anmietung der Wohnung hielt der bereits rechtskräftig verurteilte L sich dort dauerhaft auf und portionierte und verpackte die in der Wohnung vorrätig gehaltenen Stoffe. Die nach wie vor aus Asien stammenden und nach NL bestellten Stoffe brachte E2 regelmäßig mit seinem zu diesem Zwecken vom Angeklagten ihm bereitgestellten „Dienstwagen“ von NL nach F in die Wohnung auf der L-Straße.
33Die Kunden bezahlten die Bestellungen per Nachnahme oder per Vorkasse. Die Gelder gingen auf ein Konto bei der Volksbank in F, Kontonummer #####/####, das am 04.09.2012 eröffnet wurde, des Angeklagten (Zahlungen per Vorkasse) oder auf ein Konto des bereits rechtskräftig verurteilten E2 bei der Postbank, Kontonummer #####/####, das am 21.05.2012 eröffnet wurde (Zahlungen per Nachnahme).
34Der Verkaufspreis für 1 Gramm der Stoffe JWH-018, -122, -203 und 210 lag jedenfalls am 25.04.2013 bei 19,95 Euro oder 19,99 Euro. 1 Gramm MDPV kostete 14,95 Euro oder 19,99 Euro und 1 Gramm 4-FA 24,95 € in den Shops „spicestore247“ bzw. „ezchem“.
35Nach Eingang der Bestellung über die Online-Shops erstellten der bereits rechtskräftig verurteilte E2 und der Angeklagte – und möglicherweise weitere unbekannt gebliebene Beteiligte – Listen, auf denen der bestellende Kunde mit Name und Adresse, die bestellten Substanzen und der zu zahlende Preis vermerkt waren. Diese Listen wurden L von dem Angeklagten – möglicherweise auch von dem bereits rechtskräftig verurteilten E2 und gegebenenfalls weiteren unbekannt gebliebenen Beteiligten – jedenfalls per E-Mail zugeschickt. L packte diesen Listen folgend die Pakete und versah sie mit Adresse und Absender. Anschließend brachte er die Pakete allein oder gemeinsam mit E2 und/oder dem Angeklagten zur Poststation in F. In den letzten Wochen vor dem 10.05.2013 war der Angeklagte noch ungefähr einmal in der Woche mit auf der Post in F.
36E2 verfügte seit dem 06.08.2012 über ein weiteres Konto in Deutschland bei der Deutschen Bank, Kontonummer #####/####. Über dieses Konto wurden hauptsächlich die laufenden Kosten beglichen. So wurden die Miete für die Wohnung auf der L-Straße und die Ausgaben bei der Post in F von diesem Konto gezahlt. L verfügte – jedenfalls wenn er sich in F aufhielt – über die EC-Karte für das Konto bei der Deutschen Bank. Er bezahlte – als Gegenleistung für seine Tätigkeit in F – neben den laufenden Kosten für Verpackung und Versand seine täglichen Ausgaben wie für Lebensmittel aber auch neue Kleidung mit dieser Karte. Inwieweit L zusätzlich Geld für seine Arbeit mit dem bereits rechtskräftig verurteilten E2 und dem Angeklagten bekam, konnte nicht festgestellt werden.
372. Tattag
38Am 10.05.2013 hielt der Angeklagte sowie die bereits rechtskräftig verurteilten E2 und L in der Wohnung auf der L-Straße in F unter anderem 742 Gramm Methylon, 2.568 Gramm MDPV, 1.055 Gramm JWH-018, 1.010 Gramm JWH-122, 341 Gramm Zubereitung aus JWH-018 und JWH-210, 311 Gramm JWH-122, 1.027 Gramm JWH-203, 1.088 Gramm 4-Methylethcathinon, 147 Gramm Methylenethcathinon, 76 Gramm 4 Fluoramphetamin-Hydrochlorid und ca. 1.431 Gramm MDPV-Zubereitung vorrätig. Darin enthalten waren 1.198 g Reinsubstanz JWH-018, 1.272 g Reinsubstanz JWH-122, 174 g Reinsubstanz JWH-210, 873 g Reinsubstanz JWH-203, 2.967 g MDPV-Base sowie 61 g Reinsubstanz 4-FA Base. Es handelte sich um insgesamt das 4.689-fache der nicht geringen Menge an JWH-Verbindungen, das 296-fache der nicht geringen Menge an MDPV und das 4-fache der nicht geringen Menge 4-FA, mithin insgesamt um das 4.989-fache.
39Die Betäubungsmittel, die – wie in den Monaten zuvor von E2 nach F gebracht worden waren – sollten entsprechend der getroffenen Absprache und des übereinstimmenden Willens der drei Beteiligten – wie in den Monaten zuvor – den Internetbestellungen zugeordnet, versandfertig gemacht und zu der Postfiliale in F gebracht werden und hierdurch gewinnbringend weiterveräußert werden.
40Der Angeklagte sowie die bereits rechtskräftig verurteilten E2 und L wussten, um welche synthetischen Substanzen es sich bei den in F gelagerten und über die Onlineshops vertriebenen Stoffen handelte. Ihnen war bewusst, dass sie von den Kunden zum Konsum als „high“ machendes Rauschmittel gekauft wurden. Dass der Handel mit diesen Stoffen in Deutschland verboten ist, wusste der Angeklagte. Ihm kam es – wie auch den beiden anderen bereits rechtskräftig veruteilten Beteiligten - einzig darauf an mit dem Verkauf der Stoffe einen Gewinn zu erwirtschaften.
41III. Beweiswürdigung
42Zur Person (I.) hat sich der Angeklagte entsprechend den getroffenen Feststellungen eingelassen, ergänzt um die in der Hauptverhandlung verlesenen Registerauszüge sowie dem Strafbefehl des Amtsgericht Wiesbaden vom 22.02.2013.
43Zur Sache (II.) hat sich der Angeklagte widersprüchlich eingelassen. Zum einen räumte er zunächst den Tatvorwurf vollumfänglich ein, in dem er zunächst pauschal gestand, dass der Vorwurf aus der Anklageschrift zutreffen würde. Im weiteren Verlauf gab er dann jedoch an, dass er lediglich den Internetshop „spicestore 247.biz“ in den Niederlanden betrieben habe. Eine geschäftliche Verbindung habe er zu dem bereits rechtskräftig verurteilten E2 nicht unterhalten. Vielmehr habe dieser seinen eigenen Internetshop „ezchem“ betrieben. Mit den Vorgängen in dessen Wohnung auf der L-Straße in F habe er nichts zu tun, er sei dort lediglich (selten) zu einem freundschaftlichen Besuch gewesen. Er habe sich lediglich das Konto bei der Volksbank in F mit diesem geteilt. Aufgrund dessen habe E2 auch über eine Kontokarte verfügt. Welche Umsätze dieser erzielt habe, wisse er gleichwohl nicht. Im Übrigen sei er davon ausgegangen, dass er mit den in Rede stehenden Stoffen Handel treiben dürfe. Schließlich hätten sie den niederländischen Zoll ohne Beanstandung passieren können.
44Der Angeklagte wird, soweit seine Einlassung den Feststellungen widerspricht, im Sinne der getroffenen Feststellungen überführt. Die bereits rechtskräftig verurteilten E2 und L haben im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmungen, wie die Zeugen T2 und B berichteten, das tatsächliche Geschehen wie festgestellt übereinstimmend geschildert. Deren Angaben sind auch glaubhaft. Sie finden Bestätigung in den von den Zeugen T2 und B geschilderten Angaben des Zeugen G. Dessen Angaben hat die Kammer im Hinblick darauf, dass gegen diesen zum Zeitpunkt seiner polizeilichen Vernehmung ein Ermittlungsverfahren wegen Handels mit „Research Chemicals“ anhängig war, bezüglich ihrer Glaubhaftigkeit insbesondere hinterfragt und keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben, die zu den oben genannten Feststellungen führten. Die Aussage ist in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Der Zeuge schilderte den Sachverhalt detailreich, unredliche Belastungstendenzen konnte das Gericht nicht feststellen.
45Darüber hinaus finden die Angaben von E2 und L Bestätigung in den Aussagen der Zeugen I2, B2, T und T5. Die Mitarbeiter der Poststation in F gaben, wie die Zeugen T2 und B in der Hauptverhandlung berichteten, im Ermittlungsverfahren übereinstimmend glaubhaft an, dass seit Spätsommer/Herbst des Jahres 2012 zunächst der Angeklagte und dann auch die bereits rechtskräftig verurteilten E2 und L in der Postfiliale in F mehrmals die Woche aufgetaucht seien und eine Vielzahl an Brief- sowie Paketsendungen aufgegeben hätten. Der Älteste, der als erster da gewesen sei, sei ihrer Einschätzung nach der „Chef“ gewesen. Auf den in Augenschein genommenen Lichtbildern erkannten die Zeugen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens den Angeklagten als den von ihnen beschriebenen Chef. Den bereits rechtskräftig verurteilten E2 erkannten die Zeugen übereinstimmend als denjenigen wieder, der als erster dann gemeinsam mit dem Angeklagten in der Filiale erschienen sei. Als Letzten hätten sie Herrn L „kennen gelernt“. Dies stimmt auch mit den insoweit glaubhaften Angaben von E2 und L im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmungen überein. So gab L an, dass, als er die Pakete noch in NL packte, zunächst der Angeklagte mehrfach nach F gefahren sei, um die Pakete dort aufzugeben, später auch E2 zur Post gegangen sei und er selbst erst als Letzter. Der Angeklagte habe ihnen am Anfang gesagt, dass sich in den Sendungen Computer- oder Handyteile befänden. Da dies auch zusammen mit den Absendeadressen wie „Flash Data“ Sinn gemacht habe, hätten sie auch nicht weiter nachgefragt.
46Dass der Angeklagten als „Kopf“ der Gruppierung fungierte ergibt sich schließlich auch aus dem Umstand, dass im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung auf der L-Straße in F versandfertige Etiketten mit den persönlichen Daten des Angeklagten sichergestellt werden konnten.
47All dies lässt jedenfalls den sicheren Schluss zu, dass der Angeklagte sowie E2 und L seit August 2012 Sendungen mit Research Chemicals in F aufgaben und, da sie um die Strafbarkeit ihres Handelns wussten, den wahren Inhalt der Sendungen verschleiern wollten. Die Kammer verkennt nicht, dass ein falscher Absender nicht nur den Zweck haben kann, den „tatsächlichen“ geheim zu halten. Insbesondere geht – wie auch vorliegend – ein gewisser „Schutz“ des Empfängers damit einher, da z.B. Nachbarn oder Eltern, die die Sendungen in Empfang nehmen könnten, nicht sofort erkennen würden, dass „Rauschmittel“ bestellt wurden. Da jedenfalls der Angeklagte seinen Namen gegenüber den Empfängern als Kontoinhaber (für Vorkassezahlungen) ohnehin bekannt gemacht hat, war zu erwägen, ob die falschen Absenderadressen allein zum Schutz der Empfänger angegeben wurden. Die Kammer schließt dies jedoch sicher aus, denn dann hätte für den Angeklagten keine Notwendigkeit bestanden, den Postmitarbeitern gegenüber falsche Angaben über den Inhalt der Sendungen zu machen. Dies lässt sich auch nicht damit erklären, dass versucht wurde mögliche Steuerhinterziehungsdelikte zu vertuschen. Es ging einzig darum den Inhalt der Pakete geheim zu halten.
48Dies deckt sich zudem mit den Angaben des G, der im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung angab, dass er den Angeklagten E auf die 26. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften hingewiesen habe und diese Stoffe sodann auch ab dem 26.07.2012 aus dem Angebot seines Internetshops genommen habe.
49Hinzukommt, dass der Angeklagte als Kaufmann im Grenzgebiet tätig war. Zudem handelt es sich gerade bei dem Handel mit synthetischen Drogen stellenweise um „Graubereiche“ des Betäubungsmittelstrafrechts - die sich diese Shops gerade zu Nutze machen wollen - da der Gesetzgeber versucht mit den „Laboren“ „Schritt zu halten“. Dass der Angeklagten auch vor diesem Hintergrund davon ausging, dass die von ihm vertriebenen Stoffe nicht den betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften unterfallen würden, ist schon deshalb nicht anzunehmen. Dies gilt umso mehr, als dass der Angeklagte sowie die bereits rechtskräftig verurteilten E2 und L über besondere Fachkenntnisse im Bereich des Internets verfügten. Dass etwa das bekannteste synthetische Cannabinoid „JWH-018“ bereits seit März 2009 in Deutschland verboten ist, kann jedermann ohne Weiteres durch eine einfache Internetrecherche herausfinden. Dass dann aber der Angeklagte, der wusste wie die von ihm mittels Internet vertriebenen Stoffe heißen, sich in diesem „Graubereich“ nicht über die Legalität dieser mittels einer Internetsuche erkundigte, ist lebensfremd.
50Die Feststellungen zur Auffindesituation der Wohnung auf der L-Straße beruhen auf den glaubhaften Angaben der Zeugen B und T2. Diese haben die Auffindesituation der Wohnung auf der L-Straße wie festgestellt unter Zuhilfenahme der Inaugenscheinnahme der am 10.05.2013 gefertigten Lichtbilder der Wohnung geschildert. Es bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der Zeugen. Ihre Schilderungen waren nachvollziehbar und detailreich. Aufgrund der Einrichtung der Wohnung hat die Kammer keinen vernüftigen Zweifel daran, dass diese allein als Ab-und Verpackstation angemietet wurde.
51Die Feststellungen zur Art und (Wirkstoff-)menge des tatbetroffenen Rauschgifts beruhen auf den glaubhaften und nachvollziehbaren Ausführung des Sachverständigen Dr. Mahler in der Hauptverhandlung vom 30.10.2014.
52IV. Rechtliche Würdigung
53Nach dem festgestellten Sachverhalt hat sich der Angeklagte des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 1 BtMG) schuldig gemacht.
54Die Angeklagten waren bei der Tatbegehung als Bande im Sinne von § 30 a Abs. 1 BtMG zusammengeschlossen.
55Der Begriff der Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstypus zu begehen. Danach unterscheidet sich die Bande von der Mittäterschaft durch das Element der auf eine gewisse Dauer angelegten Verbindung zu zukünftiger gemeinsamer Deliktsbegehung. Ein "gefestigter Bandenwille" oder ein "Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse" ist nicht erforderlich. Mitglied einer Bande kann auch derjenige Tatbeteiligte sein, dem nach der Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeit darstellen. Der Angeklagte und die bereits rechtskräftig verurteilten E2 und L betrieben jedenfalls seit Herbst des Jahres 2012 – möglicherweise mit weiteren unbekannt gebliebenen Bandenmitgliedern – arbeitsteilig den Versand der „Research Chemicals“ über das Internet. Allein, dass ausschließlich hierfür eine Wohnung angemietet wurde sowie dem Angeklagten E2 ein „Dienstwagen“ zu einem Preis von 15.000,00 € bereitgestellt wurde, zeigt, dass sie sich mit dem Verkauf der Stoffe für eine gewisse Dauer eine Einnahmequelle schaffen wollten.
56Eine „nicht geringe Menge“ im Sinne des BtMG liegt bei den Wirkstoffen JWH-018, -122, -203, -210 jeweils ab 0,75 Gramm JWH-018,-122, -203, -210 vor, bei MDPV ab 10g MDPV-Base und bei 4-FA ab 15 Gramm 4-Fluoramfetamin-Base.
57Die Kammer hat sich bei dieser Festlegung von folgenden, insbesondere auf den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. Mahler, der die Kammer umfassend über die Wirkstoffe der vorliegenden Drogen und die sich daraus ergebenden Gefahren für den Verbraucher zu unterrichten vermochte, beruhenden Erwägungen leiten lassen:
58JWH-018, -122, -203, -210:
59Eigenschaften und Gefährlichkeit:
60Von Tetrahydrocannabinol (THC), dem psychotropen Wirkstoff von Cannabis-Produkten, ist bekannt, dass es außer zur Rauscherzeugung auch zu medizinischen Zwecken verwendet werden kann (z. B. zur Schmerzlinderung). Seit Jahrzehnten wird auf dem Gebiet der Cannabinoide geforscht, um einerseits die Wirkungsweise von THC besser zu verstehen und um andererseits Wirkstoffe zu entwickeln, die, ohne zu berauschen, therapeutisch genutzt werden können.
61Im Rahmen wissenschaftlicher Studien wurden von einigen Pharmafirmen und Universitäten gezielt Substanzen synthetisiert, die sich an den Wirkungen von THC orientieren sollten. Sie werden deshalb als synthetische Cannabinoide bezeichnet. Bei JWH-Produkten handelt es sich um Aminoalkylindole, die von Prof. Dr. John W. Huffmann, auf dessen Namen auch die Bezeichnung JWH zurückgeht, seit 1989 zur medizinischen Behandlung von Schmerz- und Krebspatienten erforscht werden.
62Bislang wurden mehr als 1000 derartige Verbindungen in Fachzeitschriften publiziert. Es wird weiterhin intensiv an Neuentwicklungen von synthetischen Cannabinoiden geforscht, so dass mit einer Vielzahl weiterer Vertreter dieser Substanzklasse zu rechnen ist.
63Synthetische Cannabinoide nutzen in menschlichen bzw. tierischen Zellen die gleichen Rezeptoren wie THC. Die JWH-Alkylindole reagieren im menschlichen Körper an den Cannabisrezeptoren CB1 und CB2.
64CB2-Rezeptoren wirken in erster Linie modulierend auf das Immunsystem. Für die psychotropen Effekte sind hingegen die Wechselwirkungen der synthetischen Cannabinoide mit den CB1-Rezeptoren, welche hauptsächlich im zentralen Nervensystem lokalisiert sind, verantwortlich.
65Die synthetischen Cannabinoide der JWH-Verbindungen sind hoch potente Wirkstoffe, die im menschlichen Körper als Vollagonisten an die Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2 andocken und dabei eine berauschende Wirkung entfalten, die dem natürlichen Tetrahydrocannabinol im Wesentlichen ähnelt. Dabei weisen die JWH-Verbindungen eine deutlich stärkere Affinität auf, an den CB1-Rezeptor zu binden, als Tetrahydrocannabinol. Ein Maß für die Bindungsstärke am CB1-Rezeptor stellt die Affinitätskonstante Ki dar. Je kleiner diese Konstante ist, umso stärker/fester ist die Bindung der Substanz, was wiederum auch eine stärkere Rauschwirkung erwarten lässt.
66Eine Interaktion mit CB1-Rezeptoren kann neben der bekannten Rauschwirkung, vor allem bei Überdosierungen, zu unerwünschten, teilweise beträchtlichen Nebenwirkungen führen.
67Als konkrete körperliche Wirkungen der synthetischen Cannabinoide im Allgemeinen können der Verlust oder Störungen der Bewegungskontrolle, Halluzinationen, Panikattacken und Erhöhung der Herzfrequenz (Tachykardie) auftreten. Ähnlich wie bei Cannabis sind auch Persönlichkeitsveränderungen und Psychosen zu erwarten. Die JWH-Verbindungen stehen außerdem in Verdacht, krebsfördernd zu sein.
68Die konkreten pharmakologischen Wirkungen bei den Konsumenten sind variabel und stark abhängig von der Dosis, der Erwartungshaltung, der Erfahrung sowie der Konsumsituation. Es können eine gehobene Stimmung bis hin zur Euphorie, Störungen der Bewegungskontrolle bis zum Aussetzen von Schutzreflexen, Herzrasen, hoher Blutdruck, starke Unruhe, Krampfanfälle, Übelkeit mit teilweise heftigem und anhaltendem Erbrechen sowie psychotische Störungen, insbesondere Halluzinationen, Angstzustände und Panikattacken, auftreten. Bei starken Intoxikationen infolge von Überdosierungen kann ein lebensbedrohlicher Zustand eintreten.
69„Nicht geringe Menge“:
70Die Kammer hat bereits im Urteil vom 06.02.2013 (Az.: 120 KLs -103 Js 581/11- 40/11) ausgeführt:
71„... Auf der Grundlage dieser überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen sowie der vom BGH angelegten Maßstäbe sieht die Kammer als Grenzwert für die so genannte "nicht geringe Menge" im Sinne des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG beziehungsweise § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG bei dem synthetischen Cannabinoid JWH 0-18 einen Wert von 0,75 Gramm an.
72Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 07.11.1983 – 1 StR 721/83, NStZ 1984, 221 zu Heroin; BGH, Urteil vom 18.07.1984 – 3 StR 183/84, NJW 1985, 1404 zu Cannabis; BGH, Urteil vom 01.02.1985 – 2 StR 685/84, NJW 1985, 2771 zu Kokain; BGH, Urteil vom 11.04.1985 – 1 StR 507/84, NStZ 1986, 33 zu Amphetamin; BGH, Urteil vom 01.09.1987 – 1 StR 191/87, NStZ 1988, 28 zu LSD; BGH, Urteil vom 22.12.1987 – 1 StR 612/87, BGHSt 35, 179 zu Morphin; BGH, Urteil vom 09.10.1996 – 3 StR 220/96, BGHSt 42, 255 zu Ecstasy/MDE/MDEA; BGH, Beschluss vom 15.03.2001 – 3 StR 21/01, NJW 2001, 1805 zu MDMA; BGH, Urteil vom 18.12.2002 – 1 StR 340/02 zu Methamphetamin/Crystal-Speed; BGH, Urteil vom 28.10.2004 – 4 StR 59/04 zu Khat; BGH, Urteil vom 24.04.2007 – 1 StR 52/07 zu Buprenorphin; BGH, Urteil vom 02.11.2010 – 1 StR 581/09, BGHSt 56, 52 zu Benzodiazepinen/Zolpidem; BGH, Urteil vom 17.11.2011 – 3 StR 315/10 zu Methamphetaminracemat) ist der Grenzwert der nicht geringen Menge eines Betäubungsmittels in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und Wirkungsintensität festzulegen. Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs. Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten, das zu bemessen ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffs, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potenzials. Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen.
73… Bei JWH 0-18 (1-Pentyl-3-(1-naphtoyl)indol), Anlage II zu § 1 Absatz 1 BtMG) handelt es sich um eine synthetische chemische Verbindung aus der Gruppe der Aminoalkylindole, die als Agonist an die Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2 andockt und dabei eine berauschende Wirkung, ähnlich der des Cannabiswirkstoffes THC, entfaltet, aber keinerlei strukturelle Ähnlichkeit mit dem Wirkstoff THC aufweist.
74Im Vergleich zu THC hat das Cannabinoid JWH-018 eine circa 4,5 fach stärkere Affinität, an den CB1 Rezeptor zu binden, woraus eine stärker berauschende Wirkung dieses Cannabinoids im Vergleich zu THC resultiert.
75…
76Das Landgericht Ulm war im Urteil vom 24. März 2011 – 1 KLs 22 Js #####/#### – aufgrund des damaligen Forschungsstandes zu dem Ergebnis gekommen, dass 350 Konsumeinheiten je 5 mg und somit 1,75 g JWH-018 als "nicht geringe Menge" angesehen werden müssten.
77Der Sachverständige führte überzeugend aus, dass dort die Potenz des JWH-018 gegenüber THC noch vorsichtig abgeschätzt worden sei. Bereits deutlich geringere Mengen als bei Haschisch oder Marihuana seien ausreichend, um eine vergleichbare berauschende Wirkung zu erzielen. Die Richtigkeit dieser Ausführungen beruht zur Überzeugung der Kammer darauf, dass es von JWH-018 im Gegensatz zu THC eine äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis gibt, die auch inhalierbar ist. Bei einem typischen Konsum von Cannabis ist diese Dosis in der Regel nicht erreichbar, da der Konsument so große Mengen an Marihuana verrauchen müsste, dass schon die Rauchgassymptome und –effekte in den Atemwegen eine unbeabsichtigte Überdosierung unwahrscheinlich werden lassen. Dieses gilt jedoch nicht für die vielfach potenteren JWH-Verbindungen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist hier anzunehmen, dass für JWH-018 eine äußerst gefährliche Dosis existiert, die auch tatsächlich beim Rauchen von solchermaßen dotierten „Räuchermischungen“ inhaliert werden kann. Es sind notfallmedizinische Behandlungsnotwendigkeiten, ja sogar ein Todesfall nach dem Konsum von JWH-018 bekannt. Die äußerst gefährliche Dosis kann jedoch derzeit noch nicht exakt bestimmt werden, verlässliche Angaben dazu fehlen, aufgrund der Toxizität von JWH-018 sind zudem auch keine klinischen Studien dazu zu erwarten.
78Mangels der Festlegung einer äußerst gefährlichen, gar tödlichen Dosis war als Grenzwert, nach oben genanntem „Dreischritt“, ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten zu bestimmen, zu bemessen nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffs, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potenzials.
79Die Gefährlichkeit des Stoffes JWH-018 wurde aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse im Vergleich zu der Gefährlichkeit anderer Betäubungsmittel ermittelt.
80Der BGH (BGH, Urteil vom 18.07.1984 - 3 StR 183/84) hat die „nicht geringe Menge“ bei THC mit 7,5 g Tetrahydrocannabinol festgelegt, u.a. mit der Begründung, dass Cannabisprodukte von wesentlich geringerer Gefährlichkeit als Heroin seien. Zu einer äußerst gefährlichen toxischen Dosis gebe es keine Erkenntnisse, daher sei die durchschnittliche Konsumeinheit für einen Rauschzustand maßgeblich. Als Hauptkonsumform das Rauchen unterstellt, sei eine Konsumeinheit mit 15 mg THC anzusetzen. THC führe im Gegensatz zu Heroin nicht zur physischen Abhängigkeit und nur zu einer mäßigen psychischen Abhängigkeit, es bestehe aber die Gefahr von Störungen und des Umstiegs auf harte Drogen, daher seien nicht 150 Konsumeinheiten, sondern 500 Konsumeinheiten THC als Vielfaches zu multiplizieren.
81Dazu führte der hiesige Sachverständige Dr. Mahler aus, dass bei THC bereits eine Einheit von 10 mg eine berauschende Wirkung erziele, sicherheitshalber, aufgrund vieler Unsicherheitsfaktoren, sei aber ein Zuschlag von 50% gemacht worden. Bei einer Konsumeinheit von 15 mg THC würde zudem beim Rauchen nur ca. die Hälfte THC freigesetzt, was ebenfalls berücksichtigt werden müsse, zöge man THC als Vergleichswirkstoff heran. JWH-018 müsse nicht erst freigesetzt werden, es handele sich bereits um die effektive Komponente, einen "Schwund" beim Konsum gebe es nicht. JWH-018 sei darüber hinaus potenter als THC, da es schneller ins Fettgewebe und ins Blut und damit ins Gehirn gelange und damit schneller den „Kick“ auslöse. Daraus resultiere auch gleichzeitig eine höhere Abhängigkeit. Da JWH-018 ca. 4,5 mal potenter als THC sei und bereits bei 10 mg THC bei erfahrenen Konsumenten eine Wirkung erzielt worden sei, müsse dies aufgrund der höheren Potenz bei JWH-018 bei 2 mg, mit einem Sicherheitszuschlag von 50 % aber mit Sicherheit bei 3 mg der Fall sein. Von erfahrenen Konsumenten seien 2-5 mg JWH-018 als berauschend angegeben worden und auschlaggebend sei grundsätzlich der drogenunerfahrene Konsument. Hinzu komme, dass JWH-018 höchst toxisch und krebserregend sei. Bereits das unveränderte Naphthalin wird deshalb als krebsauslösender Stoff in die „Gruppe 2 B krebsauslösende Stoffe“ eingeordnet, die Toxizität wird durch die gängige Konsumform des Rauchens noch verstärkt.
82Mit diesem überprüften und nachvollzogenen Hintergrundwissen hat die Kammer die Konsumeinheit von JWH-018 mit 3 mg als sicher wirksame Dosis festgelegt.
83Das Vielfache dieser „sicher wirksamen Dosis“ muss sich nun an der Stärke, der Kraft, der Potenz, dem Suchtpotenzial und der Gefährlichkeit orientieren. Es muss berücksichtigt werden, dass es eine äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis im Gegensatz zum Cannabis gibt, dass es infolge des Konsums von JWH-018 zu Komazuständen kam, so dass eine höhere Gefährdung zu berücksichtigen ist. Teilweise kam Übelkeit hinzu, was zum Erbrechen und in einem Komazustand sodann zum Ersticken führen kann. Selbst ohne die Berücksichtigung der krebserregenden und insoweit ggf. langfristig tödlichen Wirkung muss JWH-018 nunmehr in der Gefährlichkeit dem Amphetamin gleichgesetzt werden.
84Der Sachverständige Dr. Mahler ist der Ansicht, dass es daher angezeigt sei, wie beim Amphetamin bei der Berechnung der „nicht geringen Menge“ 200 Konsumeinheiten anzusetzen.
85Beim Amphetamin seien auch Todesfälle bekannt. Beim JWH-018 sei jedoch noch zu berücksichtigen, dass es unterschiedliche Wirkstoffe gebe und es damit sehr schwer absehbar sei, wie viel man für den „Kick“ rauchen müsse. Anders als beim THC sei die Folge dann nur noch der Notarzt. Darüber hinaus sei JWH-018 hoch toxisch, da es, nicht erst durch das Rauchen, bei dem krebsauslösende Stoffe freigesetzt würden, selber krebsauslösend sei.
86Studien zeigten, dass es akute und lebensgefährliche Situation, Psychosen und aufgrund der Toxizität auch Krämpfe gebe. Es sei daher von 200 Konsumeinheiten á 3 mg und damit von einer „nicht geringen Menge“ von 0,6 mg auszugehen.
87Die Kammer folgt – wie dargelegt - den nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen Dr. Mahler zur Größe einer Konsumeinheit mit 3 mg. Hinsichtlich der Bestimmung des Vielfaches dieser Konsumeinheit, gemessen an der Stärke, der Kraft, der Potenz, dem Suchtpotenzial und der Gefährlichkeit, kommt die Kammer jedoch zu 250 Konsumeinheiten, angelehnt an die Droge Ecstasy. Der Sachverständige führte zwar aus, dass bei Ecstasy die Form als Tablette bereits eine Konsumeinheit vorgebe, was bei der „Kräutermischung“ aufgrund der äußerlich nicht vorgegebenen Konsumeinheit und der sehr ungleichmäßigen Verteilung der Wirkstoffe nicht der Fall sei, womit sich der entsprechenden Vergleich nicht anbiete, die Kammer hat in diesem Punkt aber im Einzelnen auf Folgendes abgestellt:
88Zum Amphetamin hat der BGH (a.a.O.) festgestellt, dass 10 g Amphetamin-Base die „nicht geringe Menge“ ausmache. Ausschlaggebend seien die Wirkung und die Gewöhnung. Bei einem Konsumenten ohne Toleranzentwicklung stellten sich charakteristische Amphetaminwirkungen schon nach der Einnahme von Einzeldosen zwischen 2,5 und 20 mg ein. Die hohe Dosis sei mit 50 mg anzusetzen. Die Droge mache psychisch, aber nicht körperlich abhängig, es seien aber schwerwiegende, auch körperliche Schädigungen möglich. Das Abhängigkeits- und Gefährdungspotential wie auch der Anreiz, zur Erzielung euphorischer Wirkungen die Dosis fortgesetzt zu steigern, ließen diesen Stoff keinesfalls als weniger gefährlich erscheinen als Cannabisprodukte, Haschisch berge aber die höhere Gefahr des Umstiegs auf harte Drogen. I2 und Kokain sei die Suchtgefährlichkeit höher, daher sei angesichts aller Erwägungen auch für die anderen Betäubungsmittel 10 g (200 Konsumeinheiten á 50 mg) als „nicht geringe Menge“ festzulegen.
89Bei Ecstasy hat der BGH (a.a.O.) die „nicht geringe Menge“ auf 30 g MDMA-Base (entspricht 35 g MDE-Hydrochlorid) bestimmt. Er hat dazu ausgeführt, dass MDE ein Amphetaminderivat ist und MDMA zu hoher, MDE zu mittlerer psychischer Abhängigkeit führen könne. Eine mögliche tödlich wirkende Dosis sei nicht sicher bestimmbar, daher sei Grundlage für die Bestimmung der nicht geringen Menge die durchschnittliche Konsumeinheit (120 mg MDE-Base). Bei der Gefährlichkeit spiele eine Rolle, dass die Droge gezielt auf junge Menschen szenetypisch eingesetzt werde, was ausgleiche, dass Amphetamin in stärkerem Maße eine euphorische Wirkung habe, Dosissteigerungen üblich seien und das psychische Abhängigkeitspotential erhöht sei, so dass unter Berücksichtigung der Grenzwertbestimmung … 250 Konsumeinheiten zu je 120 mg MDE-Base die nicht geringe Menge ausmachten.
90Dem Sachverständigen war zwar dahingehend zu folgen, dass bei Ecstasy durch die Tablettenform eine gewisse Konsumeinheit vorgegeben ist, zu berücksichtigen ist aber, dass der Verbraucher trotz dieser Vorgabe jedoch genauso wenig wie bei der (üblichen) Designer-Cannabinoid-Zubereitung weiß, welchen Wirkstoff in welcher Menge eine dieser Tabletten enthält. Aufgrund dieser gleichen Unsicherheit und damit ähnlichen Gefährlichkeit aufgrund der Gefahr unbewusster Überdosierungen hat die Kammer sich an diesem Vielfachen orientiert und hält daher 250 Konsumeinheiten für angemessen, zumal es sich auch bei Ecstasy um eine Designerdroge handelt und es auch hier eine mögliche tödlich wirkende Dosis gibt, die nicht sicher bestimmbar ist.
91Als Grenzwert zur nicht geringen Menge ergibt sich somit, entsprechend 250 Konsumeinheiten zu je 3 mg, eine Wirkstoffmenge von 0,75 Gramm JWH-018.“
92Die Kammer hält an ihrer bisherigen Rechtsprechung zu JWH-018 fest. Diesen Grenzwert hat die Kammer auch bei den Übrigen hier gegenständlichen JWH-Verbindungen (JWH-122, -203, -210) zu Grunde gelegt, auch wenn der Sachverständige die als sicher wirksame Dosis zum Teil als noch deutlich geringer, jedenfalls aber nicht höher einstufte. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die unterschiedlichen JWH-Verbindungen immer zu den gleichen Preisen verkauft wurden – damit sowohl für den Verkäufer als auch für den Konsumenten offensichtlich den gleichen Wert hatten. Auch erscheint die Vielzahl der verschiedenen JWH-Verbindungen und synthetischen Cannabinoide, die als Rauschmittel verkauft werden, auch dem Umstand geschuldet, dass durch die Veränderung eines Moleküls – aufgrund der Bestimmungen des deutschen BtMG – eine Strafbarkeit entfällt. Dass „Hersteller“ und „Konsument“ eine stärkere Rauschwirkung erwarten, ist nicht generell anzunehmen. Die Kammer hält es daher aufgrund mangelnder weiterer Erkenntnisse für angezeigt, die nicht geringe Menge für alle gegenständlichen JWH-Verbindungen einheitlich zu bestimmen.
93Ausgehend hiervon war der Grenzwert im Hinblick auf die sichergestellten JWH-Verbindungen zur nicht geringen Menge hier um das 4.689-fache überschritten.
94MDPV:
95MDPV ist eine psychotrope Substanz. Es wirkt auf indirekte Art und Weise. MDPV blockiert die Dopamin- und Noradrenalin-Wiederaufnahme in die Speichervesikel durch Blockade der entsprechenden Transporter im Gehirn und regt zusätzlich die Freisetzung von diesen Neurotransmittern aus den Vesikeln an. Das Wirkungsspektrum resultiert aus einer Stimulierung des Zentralnervensystems und peripher-somatischen, autonomen Effekten über den sympathischen Nervenstrang, auf den kein Willenseinfluss möglich ist. Die zentral stimulierenden Wirkungen betreffen unter anderem die Steigerung von Konzentrationsfähigkeit, Leistungs- und Entscheidungsbereitschaft, psychophysischer Aktivität sowie die Unterdrückung von Müdigkeit und körperlicher Abgeschlagenheit. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Schlaflosigkeit, Appetitmangel, Kopf-/Magenschmerzen, Verwirrtheit, Panikattacken, Erregbarkeit und Angst. Erhöhter Blutdruck und Agitiertheit können hinzukommen.
96Die Symptome einer akuten Überdosierung sind hauptsächlich auf die Übererregung des Zentralnervensystems und auf übermäßig starke sympathomimetische Effekte zurückzuführen. Folgende Symptome können auftreten: Übelkeit und Erbrechen, Agitiertheit, Tremor, Hyperreflexie, Muskelzuckungen, Schweißausbrüche und Hitzewallungen, Hyperpyrexie, Euphorie, Konfusion, Halluzinationen, Delirium, Tachykardie, Palpitationen, Herzrhythmusstörungen, Hypertonie, Mydriasis und trockene Schleimhäute, Kopfschmerzen, zerebrale Krampfanfälle. Es wurden bereits letal verlaufende Intoxikationen, die im kausalen Zusammenhang mit dem Konsum von MDPV standen, bekannt.
97Die „nicht geringe Menge“ MDPV:
98Wissenschaftlich fundierte Daten über eine „äußerst gefährliche Dosis“ MDPV liegen nicht vor. Es ist daher für die Bestimmung der „nicht geringen Menge“ auf die durchschnittliche Konsumeinheit eines Drogenunerfahrenen zur Festlegung abzustellen. Diese Menge wird mit einer Maßzahl multipliziert, in deren Bemessung die Eigenarten des Stoffes und seine Gefährlichkeit im generalisierenden Vergleich zu anderen BtM zum Ausdruck kommen.
99Hilfreich für die Abgrenzung eines derartigen „Schwellwertes“ ist die Dosierempfehlungen für das Arzneimittel Methylphenidat. Für die Behandlung des ADHS sind typischerweise tägliche Dosen von 10 bis 40mg (bis 80mg im Einzel-/Sonderfall) in 2-bis 3maliger Gabehäufigkeit indiziert, wobei nach Einzeldosen ab 5mg bereits entsprechende Wirkungen auftreten. Vor dem Hintergrund der Informationen zur Gefährlichkeit von MDPV, den bevorzugten Konsumformen und entsprechenden „Szene-Dosierempfehlungen“ und fehlenden Angaben zu therapeutischen Maximaldosen kann für MDPV eine Konsumeinheit von 10mg bis 30mg (Base), bezogen auf die nasale und auch orale Applikation, für einen Drogenunerfahrenen als wirksame Dosis postuliert werden.
100Mit dem Richtwert von 200 Konsumeinheiten werden einerseits die pharmakologischen, forensischen und polizeilichen Erkenntnisse einbezogen und andererseits auch das höhere Gefährdungspotential im Vergleich zu Cathinon gewichtet. Ausgehend von diesen Bezugsgrößen (30mg x 200 KE) lässt sich für das Betäubungsmittel MDPV eine „nicht geringe Menge“ im Sinne des § 29a BtMG von maximal 6g MDPV-Base errechnen.
101Den Grenzwert von 10 g Amphetamin-Base hat die höchstrichterliche Rechtsprechung auf Grund einer Gesamtwürdigung festgesetzt, ohne auf eine bestimmte Anzahl von durchschnittlichen Konsumeinheiten abzuheben (BGHSt 33, 169). Es wurde jedoch darauf hingewiesen, dass “die hohe Dosis für den nicht Amphetamingewöhnten bei 50 mg beginnt”. Die erwähnte Grenzmenge umfasst danach 200 solcher Dosen. Angesichts der Wirkungsweise von MDPV, die durch den in der Hauptverhandlung gehörten Sachverständigen als dem Amphetamin gleichzusetzen beschrieben wurde, hat die Kammer den Grenzwert von MDPV bei 10 g angesetzt.
102Ausgehend hiervon war der Grenzwert im Hinblick auf MPV zur nicht geringen Menge hier um das 296-fache überschritten.
1034-FA:
104Die Kammer hat bereits im Urteil vom 28.04.2014 (Az.: 120 KLs – 103 Js 29/14 – 13/14) ausgeführt:
105„Struktur des Wirkstoffes:
1064-Fluoramfetamin, para-Fluoramfetamin, 4-FA, PFA oder 4-FMP sind Trivialnamen für den Wirkstoff (RS)-1-(4-Fluorphenyl)propan-2-amin aus der Stoffgruppe der beta-Phenylethyl-amine. Es leitet sich vom Amfetamin ab, wobei es in para-Position des Phenylringes eine Halogensubstitution (Fluor-Atom) erfolgte.
107Wirkungsweise:Die ATS entfalten ihre Wirkung auf indirekte Art und Weise, indem sie die Konzentration der zwischen zwei Nervenenden agierenden Neurotransmitter (Adrenalin, Dopamin, Serotonin) massiv erhöhen. Dies geschieht dadurch, dass sie die physiologischer weise stattfindende Inaktivierung der Neurotransmitter durch Rückspeicherung in ihre Speichervesikel verhindern. Gleichzeitig hemmen die ATS das Enzym, welches die Neurotransmitter durch Oxidation an der Aminogruppe unwirksam macht. Daher werden die ATS pharmakologisch als indirekt wirksame Sympathomimetika bezeichnet.
108Tierexperimentelle Studien mit 4-Fluoramfetamin weisen auf eine dem Dexamfetamin vergleichbare dopaminerge Potenz mit zusätzlicher serotonerger Aktivität hin. Jedoch sind die serotonerge Wirksamkeit und Neurotoxizität wesentlich geringer als die ähnlicher Substanzen, wie 4-Bromamfetamin und 4-Jodamfetamin. Die serotonerge Potenz und die Neurotoxizität para-Halogen substituierter Amfetamine nimmt mit der Ordnungszahl des Halogen-Substituenten zu (4-FA < 4-CA < 4-BA < 4-IA), während umgekehrt die Wiederaufnahmehemmung von Dopamin bei 4-FA stärker ausgeprägt ist als bei 4-CA oder 4-IA.
109Das Wirkungsspektrum resultiert aus einer Stimulierung des Zentralnervensystems (ZNS) und peripher-somatischen, autonomen Effekten über den sympathischen Nervenstrang, auf den kein Willenseinfluss möglich ist.
110Die Aufgabe des sympathischen Nervensystems des Menschen besteht global in der Aktivierung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit bis hin zu der Fähigkeit, den Organismus bei lebensbedrohlichen Einwirkungen auf maximale Leistungsfähigkeit innerhalb kürzester Zeit einzustellen.
111Durch den erhöhten Sympathikotonus und in Abhängigkeit vom physiologischen Verteilungsmuster der alpha- und beta-Rezeptoren in der Peripherie kommt es zu Steigerungen von Herzfrequenz, Kontraktionskraft und Blutdruck, reduzierter Haut- und Schleimhaut- sowie erhöhter Muskel-Durchblutung, Reduktion des Tonus der Bronchialmuskulatur und Steigerung des Metabolismus.
112Im Gehirn (ZNS) gibt es eine Reihe von spezifischen Hirnarealen, in denen die genannten Neurotransmitter Transporterfunktionen haben, die im Zusammenhang mit dem Schlaf-Wach-Rhythmus und Stimmungsverhalten stehen. Der Mensch verfügt im Gesundheitszustand auch bei Vollbringung großer körperlicher Leistungsfähigkeit stets über sogenannte Schutzreserven, die es ihm ermöglichen, in extremen Situationen noch verstärkte Leistungen zu erbringen. Eine der gravierenden Nebenwirkungen aller ATS ist, dass diese Schutzreserven angegriffen werden bzw. aufgebraucht werden können, d. h. die physiologischen Speicher in den Nervenendigungen buchstäblich leer sind. Als Folge eines solchen Zustandes kann der Organismus auf Anforderungen nicht mehr reagieren und einer vollkommenen Erschöpfung unterliegen, die tödlich enden kann.
113Die zentral stimulierende Wirkung von 4-FA äußert sich unter anderem in der Steigerung von Konzentrationsfähigkeit, Leistungs- und Entscheidungsbereitschaft, psychophysischer Aktivität sowie in Unterdrückung von Müdigkeit und körperlicher Abgeschlagenheit.
114Insbesondere bei missbräuchlicher Anwendung kann dies zu einer Verkennung der Grenzen des Leistungsvermögens bis hin zum Zusammenbruch physiologischer Funktionssysteme, bei Überdosierung zum Tode führen.
115Die am häufigsten berichteten psychiatrisch relevanten Nebenwirkungen sind psychische Reaktionen wie Psychosen, Depressionen, Nervosität, Unruhe, Bruxismus (Kiefernverspannungen), Schlafstörungen und Schwindelgefühle und die am häufigsten berichteten kardialen Nebenwirkungen sind Tachykardie, Herzklopfen, Hypertonie und präkardiale Schmerzen.
116Das Wirkstoffdossier von Dexamfetamin weist direkt auf ein Abhängigkeitspotential hin. Dessen Einnahme kann bei nicht bestimmungsgemäßem Gebrauch zu Missbrauch und Entwicklung einer Abhängigkeit führen. Dabei können, in höheren Dosen und über längere Zeit angewendet, psychische Störungen (halluzinatorische Erlebnisse und Psychosen) auftreten.
117Entscheidend für das Wirkprofil sind neben der Konsumform und Dosis das individuelle Gesamtbefinden des Konsumenten („Set“) und die Umgebungsbedingungen („Setting“) während der Wirkungsphase. Hierzu zählen solche Faktoren wie der allgemeine Gesundheitszustand, das Lebensalter, Geschlecht, der individuelle Biorhythmus, die Gefühlslage, der Ernährungszustand, Gruppendynamik, Raumklima, akustische und visuelle Reize, körperliche Aktivitäten, Konsumgewohnheiten, Polytoxikomanie usw.
118„Nicht geringe Menge“:
119Hinsichtlich der qualitativen und quantitativen Wirkstoffbestimmung bei diesem Wirkstoff beruhen die Feststellungen der Kammer auf den detaillierten Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten. Auf der Grundlage dessen sowie der vom BGH angelegten Maßstäbe sieht die Kammer als Grenzwert für die so genannte "nicht geringe Menge" im Sinne des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG beziehungsweise § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG bei dem 4-Fluoramfetamin einen Wert von jedenfalls 15 Gramm 4-Fluoramfetamin-Base an.
120…
121Für 4-FA liegen derzeit keine wissenschaftlich fundierten Daten über eine „äußerst gefährliche Dosis“ oder therapeutisch effektive Einzel- oder Tagesmaximaldosen vor.
122Die Angaben zu den „szenetypischen Durchschnittsdosierungen mit spürbarer Wirksamkeit“ bewegen sich in den verfügbaren Medien/Internetplattformen in einem Bereich beginnend mit etwa 30mg bis zu 180mg als Höchstangabe für die orale oder nasale Applikation, bevorzugt in Kapselform oder als Pulver/Kristalle. Bei nasalem Konsum kommt es zur Reizung der Nasenschleimhäute („essigsäureartiges Brennen“). Nach oraler Aufnahme tritt die Wirkung innerhalb von 60 Minuten ein und kann bis zu 10 Stunden anhalten. Angaben über Plasmakonzentrationen, das konkrete metabolische Verhalten, die Eliminationshalbwertzeit und Ausscheidung beim Menschen sind derzeit nicht verfügbar.
123Als Ansatzpunkt für die Abschätzung des vom BGH in Bezug genommenen „Schwellwertes“, bezogen hier auf 4-FA, bieten sich in Hinblick auf tierexperimentelle Daten und Strukturähnlichkeiten zu/über Dexamfetamin die dortigen Empfehlungen an. Dexamfetamin ist im Rahmen einer therapeutischen Gesamtstrategie zur Behandlung von ADHS (therapierefraktäre Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) bei Kindern ab 6 Jahren und Jugendlichen indiziert, wenn andere medikamentöse und nicht-medikamentöse therapeutische Maßnahmen nicht ausreichend wirksam sind. Als Initialdosen werden 5 - 10mg Dexamfetamin/Tag (in Form des Hemisulfatsalzes, entsprechend 3,7 bzw. 7,4 mg Base) empfohlen und die sukzessive Erhöhung bis zu einer maximalen Tageshöchstdosis von 60 mg/Tag, wobei die Tagesdosis üblicherweise auf mehrere Gaben aufgeteilt wird.
124Vor dem Hintergrund der o. g. Informationen, den bevorzugten Konsumformen und entsprechenden „Szene-Dosierempfehlungen“ sowie fehlenden Angaben zu therapeutischen Maximaldosen, kann eine Konsumeinheit von 50 mg bis 70mg (Hydrochlorid-Salz), bezogen auf die nasale und auch orale Applikation, für einen Drogenunerfahrenen als wirksame Dosis postuliert werden. Vergleicht man diese Wirkstoffmenge und die Dosierempfehlungen für Dexamfetamin (Einzeldosis max. 10mg), dann entspricht sie der mindestens fünffachen maximalen „Schwellwertdosierung“ für eine therapeutische Indikation.
125Mit dem Richtwert von 200 Konsumeinheiten wird einerseits ein Faktor eingesetzt, der in den bisherigen Entscheidungen zu vergleichbaren ATS bevorzugt wurde und der andererseits die pharmakologischen, forensischen und polizeilichen Erkenntnisse integriert sowie das Gefährdungspotential nicht humanpharmakologisch erforschter Wirkstoffe gewichtet.
126Ausgehend von diesen o. g. Bezugsgrößen lässt sich für das Betäubungsmittel 4-Fluoramfetamin - (RS)-1-(4-Fluorphenyl)propan-2-amin - eine „nicht geringe Menge“ im Sinne des § 29a BtMG von maximal14g 4-Fluoramfetamin-Hydrochlorid (entsprechend 200 Konsumeinheiten zu je 70 mg), entsprechend 11,3g 4-Fluoramfetamin-Base postulieren.“
127Die Kammer hält an ihrer bisherigen Rechtsprechung zu 4-FA fest; die nicht geringe Menge 4-Fluoramfetamin beginnt bei 15 Gramm 4-FA-Base. Ausgehend hiervon war der Grenzwert zur nicht geringen Menge hier um (insgesamt) das 4-fache überschritten.
128V. Strafzumessung
129Ausgangspunkt der Strafzumessung ist der durch § 30a Abs. 1 BtMG bestimmte Strafrahmen, der Freiheitsstrafe von 5 bis 15 Jahren vorsieht.
130Eine Gesamtabwägung der Strafzumessungsgesichtspunkte ergibt, dass ein minder schwerer Fall im Sinne des § 30a Abs. 3 BtMG trotz der teilweise geständigen Einlassung und der anderen nachfolgend angeführten Strafmilderungsgründe angesichts der ganz erheblichen Menge des tatbetroffenen Rauschgifts nicht vorliegt.
131Eine Strafmilderung nach §§ 31 BtMG, 49 Abs. 1 StGB kommt dem Angeklagten nicht zu Gute. Er hat in keiner Weise Angaben gemacht, die als Ansätze zu weiteren Ermittlungen hätten dienen können.
132Innerhalb des Normalstrafrahmens hat die Kammer insbesondere strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte sich teilweise geständig eingelassen hat. Zu seinen Gunsten wirkte sich auch aus, dass das Rauschgift sichergestellt werden konnte und somit nicht in den Verkehr gelangte. Seine Haftempfindlichkeit ist dadurch erhöht, dass der noch recht junge Angeklagte Erstverbüßer ist und sich für ihn im Ausland in Haft befindet.
133Dass der Angeklagte sich schon seit einigen Monaten in Untersuchungshaft befindet, hat dagegen hier keinen strafmildernden Wert, da er ja ohnehin zu einer weit längerfristigeren Freiheitsstrafe verurteilt wird. Der Freiheitsentzug durch Untersuchungshaft als solcher stellt bei Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe wegen der vollen Anrechenbarkeit nach § 51 StGB grundsätzlich keinen strafmildernd zu berücksichtigenden Nachteil für den Angeklagten dar (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 18; BGH wistra 2001, 105; BGH NStZ-RR 2003, 110; BGH, Beschluss vom 13.10.2011 – 1 StR 407/11). Anders mag dies sein, wenn im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten wie eine besondere Beeindruckung eines Täters durch den Freiheitsentzug, die dazu führte, dass gegen ihn eine Bewährungsstrafe verhängt werden kann. Solche Besonderheiten liegen hier aber nicht vor.
134Strafschärfend musste sich auswirken, dass der Wirkstoffgehalt der sichergestellten Betäubungsmittel um das 4.989-fache den Grenzwert der „nicht geringen Menge“ überstieg. Darüber hinaus war seine Tätigkeit als „Kopf“ der Bande durch ein äußerst professionelles Vorgehen gekennzeichnet. Zudem hat er andere – wenn auch nicht ohne deren Mitschuld – in Unrecht verstrickt. Schließlich ist er bereits einschlägig in der Bundesrepublik strafrechtlich in Erscheinung getreten.
135Nach Abwägung aller für die Strafzumessung erheblichen Umstände ist eine Freiheitsstrafe von
13610 Jahren
137tat- und schuldangemessen.
138VI. Nebenentscheidungen
1391. ) Der erweiterte Wertersatzverfall war gemäß § 73d StGB in Höhe von 300.000,00 € anzuordnen. Mindestens in dieser Höhe hat der Angeklagte aus den vorangegangenen – nicht tatgegenständlichen - Bestellungen Zahlungen von den jeweiligen Bestellern und Käufern erhalten, wovon in einer Gesamtschau auszugehen ist. Die Zeugen T2 und B haben nachvollziehbar, detailreich und in sich schlüssig geschildert, dass allein in der Zeit von September 2012 bis April 2013 auf dem Konto des Angeklagten bei der Volksbank in F Zahlungen in Höhe von 306.000,00 € eingingen. Bestätigung findet dies auch in den in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunden. Zudem wurde dies auch von dem Angeklagten, der die Tatvorwürfe zunächst als zutreffend beschrieb, auch nicht in Abrede gestellt. Er verwies lediglich auf die ihm zugleich entstandenen „Kosten“ (etwa für den Einkauf der Betäubungsmittel) was aufgrund des insoweit geltenden „Brutto“-Prinzips unbeachtlich ist. Allerdings hat die Kammer die bereits in dem Verfahren gegen E2 und L – Az.: 170 KLs-103 Js 234/13-5/13 – getroffenen Verfallsentscheidungen berücksichtigt. Angesichts der relativ geordneten Vermögensverhältnisse der Angeklagten sowie der tatsächlich weitaus höheren Umsätze liegt insoweit keine unbillige Härte (§ 73c Abs. 1 Satz 1 StGB) vor. Von der Möglichkeit des § 73d Abs. 4 i.V.m. § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB hat die Kammer keinen Gebrauch gemacht; insbesondere ist eine Gefährdung der Resozialisierung nicht verbunden.
1402.) Die in den Niederlanden erlittene Auslieferungshaft war gemäß § 51 Abs. 1 StGB anzurechnen. Der Angeklagte befand sich nach seinen eigenen Angaben in dieser Sache am 17./18. Februar 2014 und vom 20.05.2014 bis zum 26.05.2014 in Amsterdam in Auslieferungshaft, bevor er am 26.05.2014 in die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert und dort vorläufig festgenommen wurde. Eine über 1:1 hinausgehende Anrechnung kam in Anbetracht der Tatsache, dass die Haft in einem EU-Mitgliedstaat verbüßt wurde und der Angeklagte selbst angegeben hat, er sei in der Haft „zurecht gekommen“, nicht in Betracht.
1413.) Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 464, 465 Abs. 1 StPO.
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(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.
(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer
- 1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, - 2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt, - 3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder - 4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Betäubungsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind die in den Anlagen I bis III aufgeführten Stoffe und Zubereitungen.
(2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung von Sachverständigen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlagen I bis III zu ändern oder zu ergänzen, wenn dies
- 1.
nach wissenschaftlicher Erkenntnis wegen der Wirkungsweise eines Stoffes, vor allem im Hinblick auf das Hervorrufen einer Abhängigkeit, - 2.
wegen der Möglichkeit, aus einem Stoff oder unter Verwendung eines Stoffes Betäubungsmittel herstellen zu können, oder - 3.
zur Sicherheit oder zur Kontrolle des Verkehrs mit Betäubungsmitteln oder anderen Stoffen oder Zubereitungen wegen des Ausmaßes der mißbräuchlichen Verwendung und wegen der unmittelbaren oder mittelbaren Gefährdung der Gesundheit
(3) Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt in dringenden Fällen zur Sicherheit oder zur Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Stoffe und Zubereitungen, die nicht Arzneimittel oder Tierarzneimittel sind, in die Anlagen I bis III aufzunehmen, wenn dies wegen des Ausmaßes der mißbräuchlichen Verwendung und wegen der unmittelbaren oder mittelbaren Gefährdung der Gesundheit erforderlich ist. Eine auf der Grundlage dieser Vorschrift erlassene Verordnung tritt nach Ablauf eines Jahres außer Kraft.
(4) Das Bundesministerium für Gesundheit (Bundesministerium) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Anlagen I bis III oder die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen zu ändern, soweit das auf Grund von Änderungen der Anhänge zu dem Einheits-Übereinkommen von 1961 über Suchtstoffe in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. Februar 1977 (BGBl. II S. 111) und dem Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe (BGBl. 1976 II S. 1477) (Internationale Suchtstoffübereinkommen) oder auf Grund von Änderungen des Anhangs des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335 vom 11.11.2004, S. 8), der durch die Richtlinie (EU) 2017/2103 (ABl. L 305 vom 21.11.2017, S. 12) geändert worden ist, erforderlich ist.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer
- 1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, - 2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt, - 3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder - 4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.
(2) Ebenso wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.
(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter
- 1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder - 2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.
(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.
(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.
(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.
(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
(1) Bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten sind die Aufwendungen des Täters, Teilnehmers oder des anderen abzuziehen. Außer Betracht bleibt jedoch das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, soweit es sich nicht um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Verletzten der Tat handelt.
(2) Umfang und Wert des Erlangten einschließlich der abzuziehenden Aufwendungen können geschätzt werden.
Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.
(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.
(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.
(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.
(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.
(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.
(1) Jedes Urteil, jeder Strafbefehl und jede eine Untersuchung einstellende Entscheidung muß darüber Bestimmung treffen, von wem die Kosten des Verfahrens zu tragen sind.
(2) Die Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt, trifft das Gericht in dem Urteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren abschließt.
(3) Gegen die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen ist sofortige Beschwerde zulässig; sie ist unzulässig, wenn eine Anfechtung der in Absatz 1 genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist. Das Beschwerdegericht ist an die tatsächlichen Feststellungen, auf denen die Entscheidung beruht, gebunden. Wird gegen das Urteil, soweit es die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen betrifft, sofortige Beschwerde und im übrigen Berufung oder Revision eingelegt, so ist das Berufungs- oder Revisionsgericht, solange es mit der Berufung oder Revision befaßt ist, auch für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde zuständig.
(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.
(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.
(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.
