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| Der Klägerin zu 1. steht gem. §§ 87 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 HGB ein Provisionsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 372.126,07 EUR brutto zu. Zu verrechnen und im Wege der Aufrechnung zu berücksichtigen sind Gegenforderungen in Höhe von 151.845,50 EUR, so dass noch 220.280,57 EUR offen sind. |
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| Die Klägerin zu 1. ist zur Geltendmachung der Provisionsforderungen der Fa. L. KG berechtigt. |
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| Die Vollbeendigung der Komplementärin der ursprünglichen Klägerin Fa. L. KG, der Fa. L. Ltd., hat dazu geführt, dass die bisherige Kommanditistin I. Gesamtrechtsnachfolgerin der KG geworden ist und das Vermögen der KG auf sie übergegangen ist. Die Weiterübertragung des Unternehmens von I. an S. hat mangels Zustimmung der Beklagten keinen Einfluss auf ihre Parteistellung. Diese Übertragung hat lediglich zur Folge, dass die Klägerin zu 1. nur Zahlung an die tatsächliche nunmehrige Inhaberin der Provisionsforderungen, nämlich die Klägerin zu 2., verlangen kann. |
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| Die Pfändung der Provisionsforderungen zugunsten der Fa. T. gegenüber der Klägerin zu 2. mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 07.09.2012 hat gem. § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO auf den Prozess keinen Einfluss und steht daher der Geltendmachung der Forderung durch die Klägerin zu 1. nicht entgegen. Die Pfändung ist allerdings wirksam und hat zur Folge, dass im Rahmen einer gesetzlichen Prozessstandschaft nur noch Zahlung an die jeweiligen Pfändungsgläubiger verlangt werden kann (BGH, Urteil vom 12.03.1986, VIII ZR 64/85, Rn. 15 - Juris). |
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| Die Forderungspfändung durch die Fa. B. gem. Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 11.03.2010, der Drittschuldnerin zugestellt am 31.03.2010 (Anl. Kl. 1 nach Bl. 638 d. A.), und die weitere Forderungspfändung der Fa. Y. gem. Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 24.03.2010 (Anl. Kl. 2 nach Bl. 638 d. A.) wurden erst nach der am 12.03.2010 erfolgten Abtretung der Forderungen an S. wirksam, da jedenfalls der Zeitpunkt der Zustellung an die Drittschuldnerin nach dem Abtretungszeitpunkt liegt. |
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| Die weitere Pfändung durch die Fa. Z. gegenüber S. mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 18.02.2014 (Anl. Kl. 8 nach Bl. 644 d. A.) ist ebenfalls unwirksam, da die gepfändeten Forderungen darin nicht bestimmt genug bezeichnet werden. |
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| Zwischen der Fa. L. KG und der Beklagten ist stillschweigend ein Handelsvertreterverhältnis über die Vermittlung von Aufträgen bezüglich Artikeln der Marke „X.“ an die Fa. R. GmbH zu Stande gekommen. |
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| Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen (§ 84 Abs. 1 HGB). Die Verpflichtung des Handelsvertreters, sich ständig um die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften für den Unternehmer zu bemühen, muss nicht förmlich und nicht ausdrücklich niedergelegt sein, sie kann sich auch aus einer tatsächlichen Handhabung zu einer Rechtspflicht entwickeln (BGH MDR 1987, 375; BGH NJW-RR 1990, 354). Hiervon kann in der Regel ausgegangen werden, wenn der Vertrag von den Parteien tatsächlich durchgeführt wird (BGH, NJW 1983, 1727, 1728). Maßgebend ist das Gesamtbild der tatsächlichen Handhabung, wobei alle Umstände des Einzelfalls heranzuziehen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind. Das Gesamtbild der tatsächlichen Handhabung ergibt im vorliegenden Fall, dass die Fa. L. KG als Handelsvertreterin damit betraut war, für die Beklagte Artikel der Marke „X.“ an die Fa. R. GmbH zu vermitteln: |
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| Unstreitig haben die Fa. L. KG und die Beklagte vereinbart, dass die Fa. L. KG den Verkauf von Artikeln der Marke „X.“ an die Fa. R. GmbH vermitteln und dafür eine Provision von 50 % des Deckungsbeitrags II erhalten sollte. Damit bestand Einigkeit über den wesentlichen Vertragsinhalt, nämlich einerseits die Provisionshöhe und andererseits die Aufgabe der Beklagten, nämlich die Vermittlung von Aufträgen der Fa. R. GmbH bezüglich Produkten der Marke „X.“. |
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| Die Tatsache, dass es sich nur um einen einzigen Kunden handelte, steht der Annahme eines Handelsvertreterverhältnisses nicht entgegen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob es Aufgabe der Klägerin auch gewesen ist, der Beklagten noch weitere Kunden zu vermitteln. Entscheidend für die Abgrenzung der Handelsvertreter- zur Maklertätigkeit ist, dass diese auf ein bestimmtes Objekt bezogen ist, während der Handelsvertreter den Umsatz mit immer wieder neu produzierten Objekten vermitteln soll (BGH, Urteil vom 01.04.1992, Rn. 14 - Juris). Vorliegend war Letzteres der Fall, denn die Produkte waren größtenteils nicht bei der Beklagten vorrätig, sondern mussten erst noch nach den Vorgaben der Beklagten bei Drittunternehmen produziert werden. |
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| Auch die Vereinbarung der Provisionshöhe nicht als Prozentsatz des Verkaufspreises, sondern als Prozentsatz des Deckungsbeitrags II ist nicht ungebräuchlich für ein Handelsvertreterverhältnis. Gerade wenn, wie im vorliegenden Fall, die Einkaufs- und Verkaufspreise und der Aufwand des Unternehmers am Anfang der Vertragsbeziehung nicht feststehen und damit unklar ist, welcher Erlös am Schluss verteilt werden kann, ist eine derartige Vereinbarung naheliegend. Auch ist - zumindest im vorliegenden Fall - die mit dieser Berechnungsmethode ermittelte Erlösbeteiligung nicht ungewöhnlich hoch. Denn die hier ausgeurteilte Nettoprovision von 312.710,99 EUR bei Nettoumsätzen von 2.153.490,33 EUR (siehe unten unter 4. und Berechnung im Schlussurteil vom 28.06.2013, S. 14, 15) entspricht einem Provisionssatz von etwa 15 %, der bei Handelsvertretern im Bereich des Üblichen liegt. |
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| Es hat sich auch nicht nur um eine Gelegenheitsvermittlung gehandelt, sondern um eine ständige Beauftragung. Das Merkmal „ständig“ in § 84 HGB bedeutet nicht langfristig oder auf unbestimmte Zeit, genügend ist vielmehr die Betrauung auf gewisse Zeit, wobei entscheidend das Bemühen um eine unbestimmte Vielzahl von Abschlüssen ist (BGH Urteil vom 12.03.2015, VII ZR 336/13, Rn. 11, 12 - Juris; OLG Bamberg, BB 1965, 1167; Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 36. Aufl. 2014, § 84 Rn. 12). Dass das Bemühen der Fa. L. KG auf eine unbestimmte Vielzahl von Abschlüssen gerichtet sein sollte, ergibt sich aus folgenden Umständen: |
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| aa) Bei seiner informatorischen Befragung hat der Beklagte eingeräumt, dass es der Beklagten darum gegangen sei, dass von der Fa. L. KG möglichst viele Aufträge akquiriert werden und von der Beklagten durchgeführt werden sollten. |
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| bb) Hätte es sich um eine Gelegenheitsvermittlung gehandelt, so wäre zu erwarten gewesen, dass bei jedem einzelnen Vorabauftrag der R. GmbH wieder neu über die Provisionierung zwischen der Beklagten und der Fa. L. KG verhandelt hat. So haben es die Vertragsparteien aber nicht gehandhabt. Vielmehr sind nach dem ersten Vorabauftrag laufend weitere Vorabaufträge erteilt worden, und anfangs wurden auch alle auf Grund dieser Aufträge erzielten Umsätze nach dem gleichen Schema anstandslos vergütet. |
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| cc) Gegen eine Gelegenheitsvermittlung spricht auch das vermittelte Auftragsvolumen. Der BGH hat beispielsweise zum Fall einer Vermittlung von Geschäften mit einem Auftragsvolumen von mehr als 3 Mio. DM und einer Provision von 150.000,-- DM über einen Zeitraum von vier Jahren ausgeführt, dass sich dies schwer mit einer Einstufung als Gelegenheitsagent vereinbaren ließe (BGH MDR 1987, 375). |
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| Zwar hat es sich im vorliegenden Fall insgesamt nur um vier Aufträge gehandelt, die die Fa. L. KG bis zur Kündigung vermittelt hat. Dies waren jedoch Sammelbestellungen, in denen Einzelaufträge mit einer Vielzahl von Artikeln gebündelt wurden. Der Kläger hat in der Zeit vom 02.01.2007 bis zum 04.09.2007 den Verkauf von 147.772 Artikeln mit einem Auftragswert von 1.332.547,27 EUR durch die Fa. L. KG vermittelt, und in der Zeit vom 02.11.2007 bis 21.11.2007 Bestellungen für weitere 108.750 Artikel mit einem Auftragswert von 855.761 EUR platziert, die zur Auslieferung Anfang 2008 anstanden. Wenn man die Umsätze mit den Firmen W., O. und G. von insgesamt etwa 155.000 EUR außer Betracht lässt, wurde ein Umsatz mit der R. GmbH in Höhe von rund 2 Mio. EUR vermittelt. |
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| Selbst wenn man unterstellt, dass beim ersten kleineren Auftrag im Jahr 2007 noch eine Gelegenheitsvermittlung angestrebt wurde und die Beklagte sich nicht dauerhaft verpflichten wollte, hatte sich die Geschäftsbeziehung in der Folgezeit mit Erteilung von weiteren drei großen Aufträgen so verfestigt, dass eine auf Dauer angelegten beiderseitigen Bindung vorlag, wobei das Ziel verfolgt wurde, weitere Aufträge der Großkundin Fa. R. GmbH zu erhalten. |
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| dd) Für das von der Fa. L. KG geschuldete Bemühen spricht weiter, dass diese eine umfangreiche unterstützende Tätigkeit entfaltet hat. Beispielsweise hat der Inhaber der Klägerin zu 2. als damaliger Mitarbeiter der Fa. L. KG an einer Besprechung zwischen der Beklagten und der Einkaufsorganisation der Kundin R., nämlich der M.B. vom 14.08.2007 (Protokoll Anlage K 38) teilgenommen, bei der verschiedene Punkte, auch die Entwicklung weiterer Produkte, besprochen wurden, sowie an einer Besprechung der Beklagten mit der Fa. D. vom 24.04.2007 (Protokoll Anl. K 41), bei der es um die Lizenzstrategie ging und er damit beauftragt wurde, einen Vorschlag zur Änderung der bisherigen Lizenzstrategie zu machen. Außerdem hat die Fa. L. KG unstreitig auch bei der Abwicklung der Aufträge assistiert, etwa im Auftrag der Beklagten Preise der für einen Auftrag in Betracht kommenden Unterlieferanten abgefragt. |
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| Wäre die Fa. L. KG nur zu punktuellen Tätigkeiten zur Vermittlung einzelner Aufträge verpflichtet gewesen, so wäre zu erwarten gewesen, dass solche vorbereitenden oder nachbereitenden Tätigkeiten von der Fa. L. KG der Beklagten gesondert in Rechnung gestellt worden wären. |
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| Die von der Klägerin entfaltete unterstützende Tätigkeit spricht auch nicht deshalb gegen eine Einstufung als Handelsvertreter, weil sie nicht zum Kernbereich der Auftragsvermittlung im engeren Sinne gehört. Denn die Tätigkeit des Handelsvertreters setzt nicht die Erbringung von Diensten höherer Art voraus. Es kommt lediglich darauf an, ob die Tätigkeit des Handelsvertreters mitursächlich für den Abschluss des vermittelten Geschäfts geworden ist (BGH, Urteil vom 12.03.2015, VII ZR 336/13, Rn. 11, 12 - Juris). Das war hier aber der Fall. |
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| ee) Ein gewisses Indiz gegen das Vorliegen eines Handelsvertretervertrages ist zwar, dass bezüglich der Produkte der Marke „X.“ kein schriftlicher Handelsvertretervertrag“ geschlossen wurde, während dies bei der Marke „W.“ der Fall war. Die Klägerinnen konnten ihre Behauptung, dass der schriftliche Vertrag bezüglich der Marke „W.“ nur deshalb aufgesetzt wurde, weil der an dem Geschäft beteiligte Zeuge R. auf einen schriftlichen Vertrag Wert legte, nicht nachweisen, denn der Zeuge R. hat diese Behauptung nicht bestätigt. |
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| Andererseits ist die fehlende schriftliche Fixierung nur ein schwaches Indiz. Denn der Beklagten ist der Nachweis für ihre Behauptung, dass bei Beginn der Zusammenarbeit der Abschluss eines schriftlichen Handelsvertretervertrags bezüglich der Vermittlung von Produkten der Marke „X.“ ausdrücklich diskutiert und von ihr abgelehnt worden sein soll, nicht gelungen. Die Beweisaufnahme war zu diesem Punkt unergiebig. Weder die Zeugin J. noch der Zeuge M. konnten sich bei ihrer Befragung im Verhandlungstermin vom 10.06.2015 an ein Gespräch erinnern, bei dem es um den Abschluss eines Handelsvertretervertrags ging. |
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| ff) Das Gesamtbild der Geschäftsbeziehung ergibt im vorliegenden Fall, dass die Fa. L. KG als Handelsvertreterin und nicht als Gelegenheitsvermittlerin, Handelsmaklerin oder auf Grund einer Vereinbarung sui generis tätig werden sollte. Vielmehr liegt das klassische Bild eines Handelsvertretervertrages vor, wenn auch mit gewissen Besonderheiten, dass nämlich nur Bestellungen eines Großkunden vermittelt werden sollten, dass die Vergütung vom Deckungsbeitrag II abhängig sein sollte und dass die Fa. L. KG nicht ausschließlich vermittelnd sondern darüber hinaus auch unterstützend tätig wurde. |
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| Das Handelsvertreterverhältnis endete zum 31.03.2008. Die E-Mail der Beklagten vom 26.02.2008 ist als außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche fristgemäße Kündigung des Handelsvertretervertrages auszulegen. Die Kündigungsfrist betrug nach § 89 Abs. 1 HGB einen Monat, so dass die Kündigung vom 26.02.2008 zum 31.03.2008 wirksam wurde. |
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| Die Kündigungsfrist von einem Monat resultiert daraus, dass der Vertrag bei Kündigung noch kein Jahr andauerte. Denn es ist davon auszugehen, dass ein verbindlicher Handelsvertretervertrag frühestens im März 2007 zustande kam, als der Umsatz mit der Fa. R. GmbH eine größere Dimension erreichte und die erste Abrechnung (vom 05.03.2007 gem. Anlagenkonvolut B 5) erteilt wurde. |
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| Der Vertrag hat nicht vorzeitig durch fristlose Kündigung der Beklagten mit der E-Mail vom 26.02.2008 geendet. Die Beklagte hat zwar behauptet, die Fa. L. KG habe hinter ihrem Rücken einen Lizenzvertrag über Konkurrenzprodukte der Marke „X. 4“ oder „X. 5“ geschlossen und solche Produkte produziert oder dies zumindest versucht. |
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| Aus der - mit Einverständnis der Parteien verwerteten - schriftlichen Aussage des von der Beklagten benannten Zeugen S. (Bl. 905 d. A.) ergibt sich jedoch, dass im Januar 2008 zwar Vorgespräche mit der Fa. L. KG über den Erwerb einer Lizenz für Produkte mit dem Zeichen „X. 5“ geführt wurden, der Vertrag aber außerhalb der Laufzeit des Handelsvertretervertrages, nämlich am 23.04.2008 unterzeichnet wurde. Der Auffassung der Beklagten, bereits diese Vorgespräche seien ein so schwerwiegender Verstoß gegen die Vertragspflichten eines Handelsvertreters, dass im vorliegenden Fall eine fristlose Kündigung gerechtfertigt war, kann nicht gefolgt werden. Angesichts der kurzen Kündigungsfrist, die nur einen Monat betrug, war der Beklagten die Fortsetzung des Vertrages bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar. Zu berücksichtigen ist dabei auch das eigene Verhalten der Beklagten. Denn es ist unstreitig, dass die Beklagte schon etwa zwei Monate, bevor sie die E-Mail vom 26.02.2008 versandte, entgegen der bisherigen Praxis die Fa. L. KG aus der Geschäftsbeziehung mit der Fa. R. GmbH heraushielt und auf die E-Mails der Fa. L. KG nicht mehr reagierte. Die Fa. L. KG musste sich daher auf ein eventuelles baldiges Ende der Geschäftsbeziehungen einstellen und notwendige Vorbereitungen für die Zeit nach Vertragsende treffen. |
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| Der Provisionsanspruch der Klägerin zu 1. beläuft sich der Höhe nach auf brutto 372.126,07 EUR. |
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| Provisionspflichtig sind gem. §§ 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2 HGB alle von der Fa. L. KG der Beklagten vermittelten Aufträge, die während der Laufzeit des Handelsvertretervertrages der Beklagten zugegangen sind. Dies war bei den vier Aufträgen 01/2007 - 03/2007 und 01/2008, die jetzt noch streitgegenständlich sind, unstreitig der Fall. |
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| Auf die Ermittlung der Provisionshöhe im Schlussurteil vom 28.06.2013 (S. 13 – 15) wird verwiesen. Die zunächst geltend gemachte Forderung wurde um die Umsätze aus den Vorabaufträgen Nr. 1101 bis 1106, die erst am 03.04.2008 erteilt wurden, bereinigt (Schlussurteil vom 28.06.2013, S. 13 unter 4 a)). Grundlage der Berechnung im Schlussurteil vom 28.06.2013 sind die Zahlen gem. detailliertem Vortrag der Klägerseite mit Schriftsatz vom 28.04.2013. Diese Zahlen sind der Aufstellung gem. Anlage III des Gutachtens des Sachverständigen K. entnommen. Die Aufwandspauschale der Beklagten von 20 % und die Abzüge wegen anteiliger Konditionen und Lizenzgebühren sind dabei berücksichtigt. Gegen die Berechnung hat die Beklagte keine substantiierten Einwände vorgebracht. |
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| Soweit die Beklagte weiterhin moniert, dass Stornobeträge und Gutschriften nicht berücksichtigt seien, ist ihr Vortrag nicht ausreichend substantiiert. Das Gericht hat mit Verfügung vom 13.04.2015 (Bl. 879 f. d. A.) darauf hingewiesen, dass weder zum Umfang noch zu den Gründen der Stornierungen und Gutschriften ausreichend konkret vorgetragen worden sei, da die Angabe der Beträge der jeweiligen Gutschriften und Stornierungen mit einer nachvollziehbaren Darstellung des Grundes für jede Rechnung oder Gutschrift fehle, sowie auch an einer Verknüpfung der pdf-Dokumente mit Belastungsanzeigen zu den Rücklieferscheinen, Stornorechnungen und Gutschriften. Anhand des Vortrags kann nicht nachvollzogen werden, ob den Stornierungen und Gutschriften Vorgänge zu Grunde liegen, die nicht von der Beklagten zu vertreten sind, denn nur dann entfiele der Provisionsanspruch gem. § 87a Abs. 3 S. 2 HGB (Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl. 2014, § 87a Rn. 30). Auch der ergänzende Vortrag der Beklagten mit Schriftsatz vom 17.04.2015 erfüllt diese Anforderung nicht. Der darin gestellte Beweisantrag auf Vernehmung von Zeugen würde der Ausforschung dienen und ist daher unbeachtlich. |
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| Soweit die Beklagte außerdem im Schriftsatz vom 10.07.2015 beanstandet, dass der Ausgangsfehler des Gutachtens des Wirtschaftsprüfers K. darin liege, dass „gleichsam zu beachtende Aufwendung und Kosten“ nicht berücksichtigt wurden, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, an welchem Punkt Aufwendungen oder Kosten unberücksichtigt geblieben sein sollen. Weder leitet die Beklagte ihre im Schriftsatz vom 10.07.2015 genannten Zahlen nachvollziehbar aus einer eigenen Berechnung her, noch nimmt sie konkret Bezug auf die Zahlen der Klägerin oder des Gutachters. |
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| Soweit es sich bei der Aufstellung im Schriftsatz der Beklagten vom 10.07.2015 um neuen Tatsachenvortrag handeln sollte, kann dieser im vorliegenden Urteil nicht verwertet werden. Denn neuer Tatsachenvortrag nach Schluss der mündlichen Verhandlung ist unbeachtlich (§ 296a ZPO). Den Parteien war zwar in der mündlichen Verhandlung vom 08.05.2015 eine Äußerungsfrist bis um 10.07.2015 zum Ergebnis der Beweisaufnahme gewährt worden, jedoch nicht zu neuem Tatsachenvortrag. Auch ist eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung wegen des neuen Schriftsatzes vom 10.07.2015 nicht angezeigt, da weder die Voraussetzungen für eine notwendige Wiedereröffnung gem. § 156 Abs. 2 ZPO vorliegen, noch wesentlichen neuen Umstände vorgetragen wurden, die eine im Ermessen des Gerichts liegende Wiedereröffnung gem. § 156 Abs. 1 ZPO als sinnvoll erscheinen ließen. |
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| Von der Klagforderung sind im Wege der Verrechnung und Aufrechnung Gegenansprüche der Beklagten in Höhe von 151.845,50 EUR abzuziehen. Dieser Betrag entspricht dem Vortrag der Beklagten und wird auch von der Klägerin zu 1. nicht mehr angegriffen. |
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| Hieraus ergibt sich folgende Abrechnung des restlichen Provisionsanspruchs: |
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(entspricht der Berechnung im Schlussurteil vom 28.06.2013, S. 15) |
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Provisionsanspruch der Klägerin zu 1. |
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abzgl. unstreitiger Provisionszahlung |
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abzgl. Provisionszahlungen |
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abzgl. Warenlieferungen zum GH-Preis |
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abzgl. Erstattungsanspruch Lieferung Fa. K. |
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abzgl. Kostenerstattungsanspruch |
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verbleiben zugunsten der Klägerin zu 1. |
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| Die Klägerin zu 1. kann hierauf Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit gem. §§ 291, 288 BGB beanspruchen, also ab 17.03.2009. Für die Zeit vom 01.03.2009 bis 16.03.2009 stehen ihr Fälligkeitszinsen gem. §§ 352 Abs. 2, 353 HGB in Höhe von 5 % zu. |
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| Der Klägerin zu 2. steht ein Anspruch auf Zahlung eines Handelsvertreterausgleichs gem. § 89b HGB in Höhe von 297.700,80 EUR zu. |
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| Die Klägerin zu 2. ist berechtigt, den Ausgleichsanspruch geltend zu machen. Die Pfändung durch die Fa. Z gegenüber S. mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 18.02.2014 ist unwirksam, da die gepfändeten Forderungen darin nicht bestimmt genug bezeichnet werden.3. |
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| Der Ausgleichsanspruch wurde rechtzeitig innerhalb der Ausschlussfrist des § 89b Abs. 4 S. 2 HGB durch Schriftsatz vom 02.12.2008 (Anl. K 10) geltend gemacht. |
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| Der Anspruch ist nicht nach § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB ausgeschlossen. Die Beklagte hat nicht substantiiert vorgetragen, dass die von ihr am 26.02.2008 ausgesprochene Kündigung des Vertragsverhältnisses auf einem wichtigen Grund wegen schuldhaften Verhaltens der Fa. L. KG beruht. |
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| Soweit die Beklagte behauptet, die Kündigung sei auf Druck der Fa. R. GmbH wegen Fehlverhaltens Herrn S. notwendig gewesen, hätte sie im Einzelnen angeben müssen, inwieweit diese Beschwerden auf schuldhaftem Verhalten des Herrn S. beruhen. Eine ohne Verschulden des Unternehmers ausgesprochene Druckkündigung reicht nicht aus (Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl. 2014, § 89b Rn. 67). Die Beklagte hat hier lediglich auf unseriöse Geschäftspraktiken verwiesen, über die sich die Fa. M. und die Fa. R. GmbH beschwert hätten, und hat in diesem Zusammenhang außerdem noch ein Angebot von T-Shirts der Marke T. angeführt, wofür die Beklagte keine Lizenz gehabt habe. Welches konkrete Verhalten Herrn S. zu welchem Zeitpunkt pflichtwidrig gewesen sein soll, wird aber offen gelassen. |
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| Soweit die Beklagte den Grund zur fristlosen Kündigung darin sieht, die Fa. L. KG sei mit eigenen Lizenzen unerlaubt in Wettbewerb zu der Beklagten getreten, wird auf die Ausführungen oben unter I. 3. verwiesen. Der tatsächliche Abschluss des Lizenzvertrages bezüglich eines Konkurrenzprodukts der Marke „X. 5“ erfolgte erst nach Beendigung der Vertragsbeziehung der Fa. L. KG mit der Beklagten. In der bloßen Anbahnung eines Lizenzvertrages, der erst nach Beendigung des Handelsvertretervertrages unterzeichnet wurde, kann keine schwerwiegende Vertragsverletzung gesehen werden, da die Fa. L. KG auf Grund des Verhaltens der Beklagten mit einer Kündigung des Handelsvertretervertrages rechnen und Vorsorge für die Zeit danach treffen musste. |
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| Der Höhe nach ist der Ausgleichsanspruch der Klägerin zu 2. nach § 89b Abs. 2 HGB auf den Betrag einer durchschnittlich während der Tätigkeit der Klägerin erzielten Jahresprovision von 243.555,40 EUR begrenzt. |
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| Dieser Betrag errechnet sich wie folgt: |
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Provisionsanspruch brutto (s. Schlussurteil v. 28.06.2013, S. 15 ) |
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Der vorgenannte Betrag von 372.126,07 EUR |
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wurde in einem Vertragszeitraum von 15 Monaten |
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erwirtschaftet, so dass auf einen Monatszeitraum |
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durchschnittlich entfallen: |
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Die Bruttojahresprovision (der zwölffache Monatsbetrag) |
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beträgt also durchschnittlich: |
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| Der nach § 89b Abs. 1 ermittelte Rohausgleich ist höher als der vorgenannte nach § 89b Abs. 2 ermittelte Höchstbetrag von 297.700,80 EUR (Betrag einer durchschnittlichen Jahresprovision) so dass dieser Höchstbetrag für den Anspruch der Klägerin zu 2. maßgeblich bleibt. |
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| Maßgebend für die Ermittlung des Rohausgleichs ist eine Prognose über die künftige Entwicklung der Geschäftsverbindung, ob der Unternehmer in der Lage sein wird, erhebliche Vorteile aus der Geschäftsverbindung zu ziehen (Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl. 2014 , § 89b Rn. 12, 16). Im vorliegenden Fall erscheint nach richterlicher Schätzung ein Prognosezeitraum von fünf Jahren als angemessen. Denn bei Beendigung des Handelsvertretervertrages bestand die Verbindung erst knapp ein Jahr bei stark steigender Umsatztendenz. Ein Abwandern der Kundin oder Provisionsverluste waren bei dieser positiven Entwicklung nicht mit einer höheren Wahrscheinlichkeit als linear 20 % zu erwarten. Bei dieser Quote betragen die Provisionseinnahmen während des Prognosezeitraums: |
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Ausgangsbasis Jahresprovision |
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Provisionseinnahmen gesamt |
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abgezinst mit dem Faktor 51,7256 (bei 6 % Abzinsung |
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nach Gillardon) ergibt dies einen Rohausgleich von |
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670.933,49 EUR : 60 Monate x 51,7256 = |
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| Zur Begründung des Zinsanspruchs wird auf das Schlussurteil vom 28.06.2013 (S. 20, 21) Bezug genommen . |
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| Der fiktive Gesamtstreitwert in erster Instanz beträgt 1.223.491,70 EUR und setzt sich wie folgt zusammen: Im Provisionsstreit zwischen der Klägerin zu 1. und der Beklagten ging es um 442.210,17 EUR (die bis zum behaupteten Parteiwechsel geltend gemachten Provisionsforderungen von 281.386,83 und Gegenforderungen von 160.823,34 EUR), und bei der Auseinandersetzung über den Ausgleichsanspruch zwischen der Klägerin zu 2. und der Beklagten war ein Betrag von 315.350,-- EUR streitig. Außerdem hat die Klägerin zu 2. Provisionsansprüche von 465.931,62 EUR eingeklagt. |
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| Das Teilunterliegen der Klägerin zu 1. beläuft sich auf 161.213,98 EUR und ermittelt sich aus dem Unterliegen in Höhe von 61.106,26 EUR bei dem Provisionsanspruch und in Höhe von 100.107,72 bei den zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüchen. Das Teilunterliegen der Klägerin zu 2. beläuft sich auf 465.931,62 EUR bezüglich des Provisionsanspruchs und 17.649,31 EUR bezüglich des Ausgleichsanspruchs, insgesamt also 483.580,93 EUR. Die Beklagte schließlich unterliegt mit 280.996,19 EUR gegenüber der Klägerin zu 1. und mit 297.700,80 EUR gegenüber der Klägerin zu 2., insgesamt also mit 578.696,99 EUR. |
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| Hinsichtlich der in der Berufungsinstanz anhängig gewesenen Forderungen unterliegt die Klägerin zu 2. mit 220.280,57 EUR (Provisionsanspruch) und die Beklagte mit 297.700,80 EUR (Ausgleichsanspruch). |
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| Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO. |
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