Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 22. Nov. 2017 - 3 OLG 130 Ss 120/17

bei uns veröffentlicht am22.11.2017

Gericht

Oberlandesgericht Bamberg

Tatbestand

D.as AG verurteilte den Angekl. wegen versuchter Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung sowie wegen Nötigung zu einer Gesamtgeldstrafe. Die Berufungen des Angekl. und der StA hat das LG jeweils als unbegründet verworfen. Auf die gegen das Berufungsurteil gerichtete, mit der Sachrüge begründete Revision des Angekl. hat das OLG das Berufungsurteil aufgehoben, soweit der Angekl. wegen versuchter Körperverletzung verurteilt worden ist und die Sache in diesem Umfang sowie wegen des ebenfalls aufgehobenen Gesamtstrafenausspruchs an eine andere Berufungskammer des LG zurückverwiesen.

Gründe

I. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge führt zu dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen, nämlich soweit sich das Rechtsmittel auch gegen den Schuldspruch wegen Nötigung richtet, ist die Revision unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Nach den für die Teilaufhebung relevanten Feststellungen schlug der Angekl. mit der flachen Hand in Richtung des Gesichts des „Geschädigten“, was dieser mit seinem Arm abwehren konnte, wobei der Angekl. zumindest billigend in Kauf nahm, dass der „Geschädigte“ durch die Ohrfeige wenigstens Schmerzen oder sogar eine Verletzung davon tragen konnte. Sodann stieß der Angekl. mit den flachen Händen an den Brustkorb des „Geschädigten“, um diesen nach hinten wegzustoßen. Schließlich wiederholte der Angekl. das Wegstoßen gegen den Brustkorb, so dass der „Geschädigte“ nach hinten über die Bordsteinkante auf den Fahrbahnrand gestoßen wurde. Der „Geschädigte“, der dabei kurz das Gleichgewicht verlor, sich aber vor einem Sturz nochmals abfangen konnte, wandte sich sodann vom Angekl. ab und verließ kurz darauf - ebenso wie der Angekl. - den Tatort. Das LG hat das Tatgeschehen insoweit als versuchte Körperverletzung gewertet und einen strafbefreiender Rücktritt vom Versuch mit der Begründung verneint, es habe ein beendeter Versuch vorgelegen.

2. Die Verurteilung wegen versuchter Körperverletzung kann keinen Bestand haben.

a) Die Begründung, mit der die Berufungskammer eine Straffreiheit wegen Rücktritts vom Versuch der Körperverletzung verneint hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das LG ist mit nicht tragfähigen Erwägungen und im Ergebnis zu Unrecht von einem beendeten Versuch ausgegangen und hat sich durch diese fehlerhafte Weichenstellung den Blick auf die Prüfung der Freiwilligkeit des für eine Straffreiheit bei einem unbeendeten Versuch genügenden bloßen Aufgebens der weiteren Tatausführung verstellt.

aa) Die Anforderungen, die an die Straffreiheit wegen freiwilligen Rücktritts gestellt werden, hängen davon ab, ob ein Versuch unbeendet oder beendet ist. Im ersten Fall genügt es für die Bejahung des persönlichen Strafausschließungsgrundes, wenn der Täter die weitere Tathandlung freiwillig aufgibt (§ 24 I 1 1. Alt. StGB), während bei einem beendeten Versuch die aktive Verhinderung der Tatvollendung (§§ 24 I 1 2. Alt. StGB) bzw., falls die Tat ohne Zutun des Täters nicht vollendet wird, das freiwillige und ernsthafte Bemühen um deren Verhinderung geboten ist (§ 24 I 2 StGB).

bb) Ein Versuch ist beendet, wenn der Täter nach seiner Vorstellung alles für die Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan hat (st.Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 08.06.2016 – 5 StR 564/15 = NStZ 2017, 276 m.w.N.). Dagegen ist der Versuch unbeendet, wenn aus Sicht des Täters noch weitere Handlungen zur Herbeiführung der Tatvollendung erforderlich sind (st.Rspr., vgl. nur BGH a.a.O.; Beschluss vom 23.08.2017 – 5 StR 303/17 [bei juris], jeweils m.w.N.). Seit einer grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs bereits aus dem Jahr 1982 (BGH, Urt. v. 03.12.1982 – 2 StR 550/82 = BGHSt 31, 170 = NJW 1983, 764 = JZ 1983, 262 = StV 1983, 100 = JuS 1983, 556 = NStZ 1983, 360 = JR 1984, 70) entspricht es ebenfalls ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (aus der neueren Rspr. vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 07.09.2017 - 5 StR 350/17; 29.08.2017 - 4 StR 116/17; 23.08.2017 – 5 StR 303/17 [jeweils bei juris]; 22.03.2017 − 5 StR 6/17 = NStZ 2017, 576 = NJW 2017, 3458; 14.06.2017 – 2 StR 140/17 = NStZ-RR 2017, 303, jeweils m.w.N.), dass bei der für die Beurteilung relevanten Tätervorstellung nicht etwa, wie das LG dies offensichtlich getan hat, auf den ursprünglichen Tatplan abzustellen ist. Vielmehr ist allein entscheidend, welche Vorstellung der Täter im Zeitpunkt nach der letzten Ausführungshandlung hatte (sog. Rücktrittshorizont).

cc) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe besteht kein ernsthafter Zweifel, dass der Versuch der Körperverletzung unbeendet war. Der Angekl., der seinem Opfer mit der Hand ins Gesicht schlagen wollte, hatte erkannt, dass der geführte Schlag den Zeugen nicht getroffen hatte, weil dieser ihn abwehren konnte. Auch nach den anschließenden „Stößen“ gegen den Oberkörper, die nach den tatrichterlichen Feststellungen offensichtlich zu keiner Beeinträchtigung der physischen Unversehrtheit oder des körperlichen Wohlbefindens des Zeugen geführt hatten, weil andernfalls eine Verurteilung nur wegen versuchter Körperverletzung unverständlich wäre, war dem Angekl. klar, dass er sein Ziel, das Opfer körperlich zu misshandeln, noch nicht erreicht hatte und er deshalb weitere Tätigkeiten zu Erfolgsherbeiführung hätte entfalten müssen, zumal keine Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass der Angekl. die tatsächlichen Umstände fehlerhaft eingeschätzt hätte. Damit hätte es zur Erlangung der Straffreiheit genügt, wenn der Angekl. freiwillig, d.h. aus autonomen Gründen von der Tatvollendung Abstand genommen hat und subjektiv noch in der Lage war, das zur Vollendung der Tat Notwendige zu tun (vgl. nur BGH, Urt. v. 28.09.2017 – 4 StR 282/17 [bei juris] m.w.N.), und nicht aus äußerem Zwang (vgl. BGH, Beschluss vom 26.02.2014 – 4 StR 40/14 = NStZ-RR 2014, 171; Urt. v. 22.10.2013 – 5 StR 229/13 = NStZ-RR 2014, 9), wie etwa der Furcht vor Tatentdeckung (vgl. BGH, Urt. v. 28.09.2017 – 4 StR 282/17 [bei juris]; Beschluss vom 19.12.2006 – 4 StR 537/06 = NStZ-RR 2007, 136 = NStZ 2007, 265), vor einem Eingreifen Dritter oder aufgrund der Besorgnis, seinem Gegenüber nicht gewachsen zu sein, sein weiteres Tun aufgegeben hat. Hierzu hat das LG wegen seiner unzutreffenden Weichenstellung konsequent keine Feststellungen getroffen, welche die neue Strafkammer nachzuholen haben wird.

b) Davon, dass der Versuch fehlgeschlagen wäre, was einem freiwilligen Rücktritt entgegenstünde, kann nicht ausgegangen werden. Ein fehlgeschlagener Versuch liegt vor, wenn die Tat nach dem Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält (st.Rspr., vgl. zuletzt u.a. BGH, Beschluss vom 22.08.2017 – 3 StR 299/17 = NStZ-RR 2017, 335). Hierfür ist nach den maßgeblichen Feststellungen der Berufungskammer nichts ersichtlich.

II. Aufgrund des aufgezeigten Sachmangels ist das angefochtene Urteil in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des LG zurückzuverweisen (§§ 353, 354 II StPO). Die Aufhebung erstreckt sich auf die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen tateinheitlich verwirklichter Beleidigung (st.Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 21.06.2017 – 2 StR 57/16 [bei juris] und 13.04.2017 – 4 StR 581/16 = StraFo 2017, 252 m.w.N.). Jedoch können die Feststellungen bestehen bleiben, da die Beweiswürdigung jedenfalls im Ergebnis keinen durchgreifenden Rechtsfehler aufweist (§ 353 II StPO). Sie können durch neue ergänzt werden, sofern diese den bisherigen nicht widersprechen. Mit dem Wegfall der Einzelgeldstrafe ist auch der festgesetzten Gesamtgeldstrafe die Grundlage entzogen. Jedoch schließt der Senat aus, dass die für die Nötigung festgesetzte Einzelgeldstrafe hierdurch beeinflusst worden ist.

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Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 564/15
vom
8. Juni 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:080616U5STR564.15.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Juni 2016, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander als Vorsitzender,
Richterin Dr. Schneider, Richter Dr. Berger, Richter Bellay, Richter Dr. Feilcke als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt G. als Verteidiger,
Rechtsanwalt Br. als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. August 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils, während die ebenfalls auf die Sachrüge gestützte , zu Lasten des Angeklagten eingelegte und auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, erfolglos bleibt.

I.


2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Der nicht vorbestrafte Angeklagte verlor infolge erheblicher geschäftlicher Schulden seine Wohnung und lebte zur Tatzeit in einer Unterkunft für Wohnungslose. Im Nachbarzimmer wohnte der Nebenkläger. Der Angeklagte galt als ruhig und unauffällig. Er lebte sehr ungern in der Unterkunft und wollte mit den anderen Bewohnern möglichst wenig zu tun haben. Am Tatmorgen betrat der erheblich alkoholisierte Nebenkläger mit dem Zeugen T. das gemeinsame Zimmer des Angeklagten und des Zeugen. Der noch schlafende Angeklagte erwachte; es gab möglicherweise eine kurze verbale Auseinandersetzung zwischen dem Nebenkläger und dem Angeklagten. Der Nebenkläger schlug dem noch im Bett liegenden Angeklagten unvermittelt und ohne, dass dieser dazu Anlass gegeben hätte, mit der Hand in das Gesicht. Der Angeklagte sprang auf, flüchtete aus seinem Zimmer und rief mit seinem Handy den polizeilichen Notruf an; er teilte der Einsatzzentrale mit, dass er geschlagen werde und Hilfe benötige. Als der Nebenkläger im Flur erschien, sagte ihm der Angeklagte , dass er die Polizei gerufen habe, und forderte den Nebenkläger auf, ihn in Ruhe zu lassen. Dieser ging unter Beschimpfungen auf den Angeklagten zu und versuchte, ihm eine „Kopfnuss“ zu versetzen; der Angeklagte konnte jedoch ausweichen. Der Nebenkläger ergriff den Kopf des Angeklagten und schlug ihn mit einiger Wucht gegen die Glasscheibe der Außentür des Flures.
Nachdem der Angeklagte zunächst vergeblich versucht hatte, den Nebenkläger abzuwehren, ließ dieser von ihm ab und ging zurück in Richtung seines Zimmers. Der Angeklagte folgte ihm, um in sein eigenes Zimmer zu gelangen. Der Nebenkläger bemerkte dies und wandte sich dem Angeklagten zu; dieser flüchtete in Richtung Außentür und rief abermals die Polizei an. Als der Nebenkläger sich wieder in Richtung seines Zimmers wandte, versuchte auch der Angeklagte erneut, sein eigenes Zimmer zu erreichen. Der Nebenkläger drehte sich abermals um und lief auf den Angeklagten zu, der versuchte, sich in der Küche der Unterkunft in Sicherheit zu bringen. Der Nebenkläger erreichte ihn jedoch, stieß ihn gegen den Türrahmen und verhinderte so, dass der Angeklagte die Tür schließen konnte. Der Angeklagte lief in den hinteren Teil der Küche und rief durch ein offenes Fenster um Hilfe. Als er bemerkte, dass der Nebenkläger weiter auf ihn zukam, schloss er das Fenster aus Angst, er könnte vom Neben- kläger hinausgestoßen werden. „Dieser packte nun den Kopf des Angeklagten und schlug ihn mit der rechten Seite mit Schwung gegen die Fensterscheibe. Anschließend presste er den Kopf mit starkem Druck gegen das Glas, so dass der Angeklagte befürchtete, das Glas könnte brechen. Er schlug panisch um sich, was den Nebenkläger aber nur veranlasste, noch stärker gegen dessen Kopf zu drücken“ (UA S. 8).
4
In dieser Situation ergriff der Angeklagte spontan ein neben ihm auf dem Herd liegendes Küchenschälmesser und stach ungezielt auf den Nebenkläger ein. Gleichzeitig versuchte er, den Nebenkläger von sich wegzudrücken. „Nach den ersten Stichen ließ der Nebenkläger den Kopf des Angeklagten los, schlug ihm aber mehrfach in den Hals- und Schulterbereich. Der Angeklagte stach weiter ungezielt ohne Unterlass auf den Nebenkläger ein. Dieser ging dabei schon rückwärts, bot dem Angeklagten aber noch Widerstand. Ein bis zwei Meter vor der Küchentür hörte der Nebenkläger auf zu schlagen und ließ sich ohne Wi- derstand durch den Angeklagten zurückschieben. Der Angeklagte bemerkte dies und hörte zu diesem Zeitpunkt auf zu stechen“ (UA S. 9). Der Nebenkläger kam rückwärts zu Fall; der Angeklagte stolperte hinterher und fixierte den Nebenkläger am Boden. Er schüttelte den Nebenkläger, so dass dessen Kopf mehrfach gegen die Wand schlug. Dabei schrie der Angeklagte laut und weinte. „Er dachte zunächst, dass er den Nebenkläger getötet habe“ (UA S. 9).
5
Der Nebenkläger wurde durch zehn Stiche oder Schnitte getroffen und erheblich verletzt. Fünf der Messerstiche hatten den Bauchraum eröffnet, die Leber verletzt und den Dünndarm perforiert. Aufgrund zeitnaher medizinischer Versorgung befand er sich zu keinem Zeitpunkt in akuter Lebensgefahr. Die Verletzungen waren jedoch potentiell lebensbedrohlich. Der Angeklagte setzte die Messerstiche in Verteidigungsabsicht. Er nahm dabei billigend in Kauf, dass der Nebenkläger durch die Stiche zu Tode kommen könnte. Die Schuldfähigkeit des Angeklagten war während der Tat nicht erheblich beeinträchtigt.
6
2. Die Schwurgerichtskammer hat hinsichtlich der Messerstiche eine objektive Notwehrlage angenommen. Jedoch fehle es an der Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung. Der Angeklagte habe die Möglichkeit gehabt, den Nebenkläger durch Gesten oder jedenfalls verbal auf das Messer hinzuweisen und mit seinem Einsatz zu drohen oder zunächst in weniger gefährdete Körperbereiche , z. B. in die Extremitäten, zu stechen. Außerdem habe es innerhalb der Stichserie keine Unterbrechung gegeben, die dem Nebenkläger Gelegenheit geboten hätte, durch Beendigung seines Angriffs den Angeklagten von weiterer gefährlicher Gegenwehr abzuhalten.
7
Ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten vom Versuch des Totschlags sei nicht erfolgt. Es habe sich um einen beendeten Versuch gehandelt; seinen eigenen Angaben nach habe der Angeklagte geglaubt, dass er den Nebenkläger getötet habe.
8
Bei der Strafzumessung ist die Schwurgerichtskammer von einem minder schweren Fall des versuchten Totschlags gemäß § 213 2. Alt. StGB ausgegangen und hat dessen Strafrahmen gemäß §§ 22, 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB noch einmal gemildert. Im Rahmen der Prüfung eines minder schweren Falles hat sie insbesondere zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass es sich um eine Spontantat gehandelt und der Angeklagte mehrfach versucht habe , die von dem Nebenkläger ausgehende Gefahr durch normgerechtes Verhalten abzuwenden. Weiter hat sie ihm zugutegehalten, dass er die Tat in einer Notwehrsituation mit Verteidigungswillen begangen habe und sein Handeln deutlich affektiv geprägt gewesen sei. Aufgrund seiner furchtsamen Persönlichkeit habe sich der Angeklagte über das Normale hinaus bedrängt gefühlt und geängstigt. Dies habe seine überschießende Reaktion wesentlich mitveranlasst, auch wenn nicht das nach § 33 StGB erforderliche Maß erreicht worden sei. Bereits ohne Hinzuziehen des Aspekts des Versuchs sei daher eine Einordnung als minder schwerer Fall des Totschlags gerechtfertigt. Der vertypte Strafmilderungsgrund des Versuchs rechtfertige es, den Strafrahmen des § 213 StGB „wegen der vorgenannten näheren Tatumstände erneut zu mildern“. Dabei hätten „nach einer Gesamtwürdigung aller Tatumstände und der Persönlichkeit des Angeklagten insbesondere die der Tat vorangegangene Misshandlung des An- geklagten und die Notwehrlage den Ausschlag“ gegeben (UA S. 33).

II.


9
Die Revision des Angeklagten ist begründet. Der Schuldspruch hat keinen Bestand.
10
1. Die Prüfung der Notwehr geht nicht von zutreffenden rechtlichen Maßstäben aus; die Feststellungen weisen Lücken auf.
11
a) Eine in einer objektiven Notwehrlage verübte Tat ist nach § 32 Abs. 2 StGB gerechtfertigt, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Ab-wehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel han-delt, das dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung stand (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 21. März 1996 – 5 StR 432/95, BGHSt 42, 97, 100; vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 347/13, NStZ 2014, 147, 148, und vom 1. Juli 2014 – 5 StR 134/14, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Erforderlichkeit 22 mwN). Ob dies der Fall ist, muss auf der Grundlage einer objektiven ex-ante-Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung beurteilt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 28. Februar 1989 – 1 StR 741/88, NJW 1989, 3027, und vom 27. September 2012 – 4 StR 197/12, NStZ-RR 2013, 139, 140 mwN; Beschlüsse vom 5. November 1982 – 3 StR 375/82, NStZ 1983, 117; vom 21. November 2012 – 2 StR 311/12, NStZ-RR 2013, 105, 106, und vom 21. August 2013 – 1 StR 449/13, NJW 2014, 1121, 1122). Danach muss der Angegriffene auf weniger gefährliche Verteidigungsmittel nur dann zurückgreifen, wenn deren Abwehrwirkung unzweifelhaft ist und genügend Zeit zur Abschätzung der Lage zur Verfügung steht. Auch der sofortige, das Leben des Angreifers gefährdende Einsatz einer Waffe kann mithin durch Notwehr gerechtfertigt sein. Gegenüber einem unbewaffneten Angreifer ist der Gebrauch eines bis dahin noch nicht in Erscheinung getretenen Messers allerdings in der Regel anzudrohen (BGH, Urteile vom 27. September 2012 – 4 StR 197/12, NStZ-RR 2013, 139, 140 mwN; vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 347/13, NStZ 2014, 147, 148 f., und vom 25. März 2014 – 1 StR 630/13; Beschlüsse vom 11. August 2010 – 1 StR 351/10, NStZ-RR 2011, 238, und vom 21. November 2012 – 2 StR 311/12, NStZ-RR 2013, 105, 106).
12
b) Gemessen hieran waren die Stiche, die der Angeklagte dem Nebenkläger versetzte, während dieser den Kopf des Angeklagten unter starkem Druck gegen das Glas des Küchenfensters presste, durch Notwehr gerechtfertigt.
13
Angesichts der Unkalkulierbarkeit des Risikos einer ungeeigneten Verteidigungshandlung durften an die vom Angeklagten in einer zugespitzten Situation zu treffende Entscheidung über eine vorherige Androhung des Messereinsatzes oder eine weniger gefährliche Stichführung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Das Landgericht hat schon nicht erkennbar berücksichtigt , dass der Angeklagte mit seinem „panischen“ Umsichschlagen zunächst tatsächlich eine den Nebenkläger weniger gefährdende Abwehrhandlung vorgenommen hatte, die aber erfolglos blieb. Sie veranlasste den Nebenkläger vielmehr, noch stärker gegen dessen Kopf zu drücken. Aufgrund dessen befand sich der Angeklagte in einer höchst bedrängten Lage; eine weitere Eskalation des Geschehens war auch unter Berücksichtigung des Vorgeschehens bei einer erneut ungeeigneten Verteidigungshandlung objektiv zu befürchten. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe ausreichend Zeit und Gelegenheit gehabt, mit dem Messer zu drohen oder zunächst in weniger sensible Körperbereiche des Nebenklägers zu stechen, wird dieser Situation nicht gerecht.
14
Das Landgericht hat diese Annahme darauf gestützt, dass der Nebenkläger schon zweimal ohne Gegenwehr des Angeklagten von ihm abgelassen habe; außerdem habe der Nebenkläger gewusst, dass jederzeit mit dem Eintreffen der Polizei zu rechnen gewesen sei, was ihn von einem Entwinden des Messers und dessen Einsatz gegen den Angeklagten abgehalten hätte (UA S. 28). Hierbei lässt das Landgericht außer Acht, dass die Information über die Verständigung der Polizei den Nebenkläger zuvor schon nicht abgeschreckt hatte, den Angeklagten weiter anzugreifen, sondern seine Aggression erkennbar noch gesteigert hatte. Auch das Umsichschlagen des Angeklagten hatte diese Wirkung gehabt. In dieser Lage war es für den Angeklagten höchst zweifelhaft , ob das Androhen des Messereinsatzes oder Stiche in weniger sensible Körperbereiche zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führen würden.
15
c) Trotz Fortbestehens der Notwehrlage war allerdings eine Entspannung der Bedrängnis des Angeklagten eingetreten, nachdem der Nebenkläger nach den ersten Stichen den Kopf des Angeklagten losgelassen hatte und (nur) noch auf den Hals- und Schulterbereich des Angeklagten einschlug. Es wäre deshalb zu prüfen gewesen, ob das weiterhin „ohne Unterlass“ erfolgende, ungezielte Einstechen des Angeklagten auf den Nebenkläger auch in dieser Situation noch durch Notwehr gerechtfertigt war.
16
Den Urteilsgründen lässt sich indes nicht hinreichend entnehmen, wie sich die „Kampflage“ in dieser Phase des Geschehens objektiv darstellte. Diese ist aber bestimmend für die Frage der Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung ; ihre Beurteilung muss – wie dargelegt – auf der Grundlage einer objektiven Betrachtung der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung erfolgen. Aus dem Urteil lässt sich weder ersehen, wie stark und wie gefährlich die von dem Nebenkläger ausgeführten Schläge waren, noch verhält es sich zum Kräfteverhältnis zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger. Es ist auch nicht ersichtlich, ob der Nebenkläger in diesem Zeitpunkt bereits Verletzungen erlitten hatte, die ihn geschwächt hatten. Die bisherigen Feststellungen sind damit lückenhaft und ermöglichen keine zuverlässigen Rückschlüsse , ob dem Angeklagten in dieser Phase des Geschehens mildere Verteidigungsmöglichkeiten zur Verfügung standen.
17
d) Nach den Feststellungen beendete der Angeklagte seine Stiche sofort, nachdem der Nebenkläger aufgehört hatte, ihn zu schlagen (UA S. 9, 30), also mit Beendigung der Notwehrlage.
18
e) Ohne Zweifel nicht mehr durch Notwehr gerechtfertigt ist das Schütteln des am Boden liegenden Nebenklägers, so dass dessen Kopf mehrfach gegen die Wand schlug. Ob darin jedoch eine Körperverletzung, gegebenenfalls sogar mittels einer lebensgefährdenden Behandlung, zu sehen ist, kann den Urteilsgründen nicht hinreichend sicher entnommen werden. Denn es ist nicht festgestellt, dass der Nebenkläger in diesem Zusammenhang Verletzungen oder Schmerzen erlitt.
19
2. Die Verneinung eines vom Landgericht konsequenterweise geprüften strafbefreienden Rücktritts ist ebenfalls nicht frei von Rechtsfehlern.
20
a) Die Schwurgerichtskammer geht von einem beendeten Versuch aus, so dass für einen strafbefreienden Rücktritt durch Ablassen von weiteren Angriffen kein Raum gewesen sei. Ein beendeter Versuch liegt vor, wenn der Täter glaubt, alles zur Verwirklichung des Tatbestands Erforderliche getan zu haben (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 1960 – 4 StR 501/59, BGHSt 14, 75, 79). Unbeendet ist der Versuch, wenn er glaubt, zur Vollendung des Tatbe- stands bedürfe es noch weiteren Handelns. Für die Abgrenzung kommt es dabei auf die Vorstellung des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (BGH, Urteile vom 3. Dezember 1982 – 2 StR 550/82, BGHSt 31, 170, 175, und vom 2. November 1994 – 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 306). Entscheidend ist, ob der Täter zu diesem Zeitpunkt den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für möglich hält (sogenannter Rücktrittshorizont, vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227).
21
b) Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung des Rücktrittshorizonts des Angeklagten ist also der Augenblick, in dem er aufhörte, auf den Nebenkläger einzustechen. Dies geschah, nachdem der Angeklagte bemerkt hatte, dass der Nebenkläger sich ohne weiteren Widerstand zurückschieben ließ. Aus den Feststellungen (UA S. 9) und der Beweiswürdigung (UA S. 22) ist nicht ersichtlich , dass der Angeklagte schon in diesem Zeitpunkt davon ausging, den Nebenkläger getötet zu haben. Vielmehr legen sie nahe, dass der Angeklagte diese Vorstellung erst entwickelte, als der Nebenkläger zu Fall kam. In diesem Zeitpunkt waren seine Messerangriffe jedoch bereits beendet.

III.


22
Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt erfolglos. Der Strafausspruch hält im Ergebnis revisionsgerichtlicher Prüfung stand.
23
1. Die Staatsanwaltschaft wendet sich dagegen, dass die Schwurgerichtskammer den Strafrahmen des § 213 StGB im Hinblick auf den vertypten Milderungsgrund des Versuchs erneut gemildert hat. Die Begründung der Milderung nach §§ 22, 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB lasse nicht erkennen, dass bei der gebotenen Gesamtschau gerade den wesentlich versuchsbezogenen Umständen das ihnen zukommende besondere Gewicht bei der Ermessensaus- übung beigemessen worden sei. Vielmehr habe die Strafkammer bei der Prüfung der Strafrahmenverschiebung ihre zuvor zur Begründung eines sonstigen minder schweren Falls nach § 213 2. Alt. StGB angestellten Erwägungen noch einmal wiederholt.
24
Der Senat versteht die entsprechende – oben (I.2) wiedergegebene – Urteilspassage lediglich als zusätzliche Begründung dafür, weshalb der vertypte Strafmilderungsgrund des Versuchs nicht bereits bei der Begründung des min- der schweren Falls „verbraucht“ war und eine weitere Strafmilderung nach §§ 22, 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB erfolgen konnte. Dass der Strafkammer dabei die Lebensgefährlichkeit des Vorgehens des Angeklagten aus dem Blick geraten sein könnte, erscheint bei einer Gesamtschau der Urteilsgründe ausgeschlossen. Das Landgericht hat die Stichverletzungen des Angeklagten im Einzelnen dargelegt (UA S. 10); nach seinen Feststellungen befand sich der Nebenkläger allerdings aufgrund rascher medizinischer Versorgung zu keinem Zeitpunkt in akuter Lebensgefahr. Mit einer zeitnahen medizinischen Versorgung des Nebenklägers durfte auch der Angeklagte rechnen, da er bereits vor dem eigentlichen Tatgeschehen wiederholt die Polizei verständigt hatte, deren Eintreffen jederzeit zu erwarten war (UA S. 28).
25
b) Die Staatsanwaltschaft weist zwar zu Recht darauf hin, dass sich das Landgericht nicht damit auseinandergesetzt hat, ob der Strafzumessung der gegenüber § 213 StGB strengere Regelstrafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB zugrunde zu legen war. Der Senat vermag jedoch auszuschließen, dass der Strafausspruch hierauf beruht. Selbst wenn die Strafkammer – was unter Berücksichtigung ihrer Strafzumessungserwägungen eher fern liegt – einen minder schweren Fall des § 224 StGB abgelehnt hätte, wäre angesichts der Vielzahl der für den Angeklagten sprechenden gewichtigen Milderungsgründe nicht davon auszugehen, dass sie zur Verhängung einer höheren Strafe gelangt wäre.
Sander Schneider Berger
Bellay Feilcke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 303/17
vom
23. August 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:230817B5STR303.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 23. August 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 20. März 2017 mit den Feststellungen aufgehoben , ausgenommen die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen ; diese bleiben aufrechterhalten. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.
2
Das mit der Sachrüge geführte Rechtsmittel hat Erfolg.
3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verschaffte sich die in finanziellen Nöten befindliche Angeklagte unter der Vorspiegelung, vom ArbeiterSamariter -Bund zu kommen, Zugang zu der Wohnung der 85-jährigen Nebenklägerin. Die Angeklagte hatte den Plan, das Opfer abzulenken und ihm in einem unbeobachteten Moment Geld zu entwenden. Als dies misslang, entschloss sich die Angeklagte, die Nebenklägerin mit einer im Flur ihrer Wohnung aufgefundenen etwa 50 cm langen Textilschnur so lange zu würgen, bis sie bewusstlos werden würde, um dann an das Geld zu gelangen. Die Angeklagte trat an die in ihrem Sessel sitzende arglose Nebenklägerin von hinten heran, warf die Schnur um den Hals, zog beide Enden über Kreuz zusammen und würgte die Nebenklägerin solange, bis sie bewusstlos wurde. Der als Altenpflegerin ausgebildeten Angeklagten war bewusst, dass die Drosselung lebensgefährlich war und die Nebenklägerin wegen des nicht mehr von der Angeklagten beherrschten Geschehensablaufs versterben könnte, was sie jedoch um ihres Ziels willen billigend in Kauf nahm. Nachdem die Angeklagte die Bewusstlosigkeit der Nebenklägerin bemerkt hatte, löste sie die Schnur vom Hals. Dabei sah sie, dass Blut aus dem Mund und einem Ohr trat. Infolge der Strangulation nässte die Nebenklägerin zudem ein. Nunmehr entwendete die Angeklagte ungefähr 140 Euro aus dem Wohnzimmerschrank. Als sie zufällig Streichhölzer entdeckte, kam ihr spontan der Gedanke, Feuer zu legen, um Spuren zu verwischen. „Dabei war ihr bewusst, dass die Geschädigte dabei versterben könnte“ (UA S. 9). Die Angeklagte entzündete einen Stapel Zeitungen. Als diese Feuer gefangen hatten, kamen ihr Bedenken, weil sie nicht wollte, dass der gesamte Wohnblock abbrennt. Auf das Leben der Nebenklägerin kam es ihr allerdings nicht an. Die Angeklagte löschte das Feuer, überprüfte den Pulsschlag der immer noch bewusstlosen Nebenklägerin und verließ die Wohnung. Nach wie vor erkannte die Angeklagte die Lebensgefahr der Nebenklägerin und nahm sie billigend in Kauf. Nach einiger Zeit erwachte diese und wurde in ärztliche Behandlung gebracht.
4
2. Das Landgericht hat die Tat der Angeklagten unter anderem auch als versuchten Mord gemäß §§ 211, 22, 23 StGB bewertet. Von diesem Versuch sei die Angeklagte nicht nach § 24 Abs. 1 StGB zurückgetreten, weil sie, „als sie die Geschädigte strangulierte, bis sie bewusstlos war, bereits alles getan hatte, was aus ihrer Sicht erforderlich war. Der Versuch war damit beendet“ (UA S. 38).
5
3. Diese Würdigung lässt besorgen, dass das Landgericht bei der Prüfung , ob ein beendeter oder unbeendeter Versuch vorliegt, von einem falschen rechtlichen Maßstab ausgegangen ist.
6
Die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch bestimmt sich nach dem Vorstellungsbild des Täters nach dem Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung, dem sogenannten Rücktrittshorizont. Bei einem Tötungsdelikt liegt demgemäß ein unbeendeter Versuch vor, wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt noch nicht alles getan hat, was nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des Todes erforderlich oder zumindest ausreichend ist. Ein beendeter Tötungsversuch ist hingegen anzunehmen, wenn er den Eintritt des Todes bereits für möglich hält oder sich keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns macht (BGH, Urteil vom 12. Juni 2014 – 3 StR 154/14; NStZ 2014, 507; Beschluss vom 23. November 2016 – 4StR 471/16). Eine Korrektur des Rücktrittshorzionts ist in engen Grenzen möglich. Der Versuch eines Tötungsdeliktes ist danach nicht beendet, wenn der Täter zunächst irrtümlich den Eintritt des Todes für möglich hält, aber nach alsbaldigem Erkennen seines Irrtums von weiteren Ausführungshandlungen Abstand nimmt (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227 f.). Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfungen nicht stand (BGH, Urteil vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12 mwN, NStZ-RR 2013, 273).
7
Den sich daraus ergebenden Anforderungen wird das landgerichtliche Urteil nicht gerecht. Die Strafkammer stellt bei der Prüfung, ob ein beendeter Versuch vorliegt, auf die Vorstellungen der Angeklagten während des Strangulierens und damit den Zeitpunkt der Tötungshandlung ab. Ausdrückliche Feststellungen zum Vorstellungsbild der Angeklagten nach deren Abschluss enthält das Urteil nicht. Diese kann der Senat trotz der von der Angeklagten erkannten schweren Folgen des Strangulierens auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen. Denn das Landgericht führt hinsichtlich der kurze Zeit später erfolgten Brandlegung aus, der Angeklagten sei bewusst gewesen, dass die Nebenklägerin durch den Brand („dabei“) versterben könne.Also ist jedenfalls für diesen Zeitpunkt zweifelhaft , ob sie davon ausging, allein mit dem Strangulieren alles für den Todeseintritt Erforderliche getan zu haben.
8
4. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des gesamten Schuldspruchs. Die Feststellungen zum objektiven Tathergang werden von ihm nicht berührt und können deshalb aufrechterhalten bleiben. Ergänzende Feststellungen – etwabetreffend ein Tötungsdelikt durch Unterlassen – sind möglich, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen. Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht wird auch die Voraussetzungen eines versuchten Raubes mit Todesfolge zu prüfen haben.
Mutzbauer Schneider Dölp
König Berger

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 350/17
vom
7. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:070917B5STR350.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 7. September 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 10. März 2017 aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall 3 der Anklageschrift verurteilt worden ist, sowie
b) im Gesamtstrafenausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Freisprechung im Übrigen – wegen Diebstahls mit Waffen (Fall 1 der Anklageschrift) und versuchter (besonders) schwerer räuberischer Erpressung (Fall 3 der Anklageschrift) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revision. Das im Übrigen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründete Rechtsmittel (§ 349 Abs. 2 StPO) hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen zum Fall 3 der Anklageschrift hielt der Angeklagte dem Geschädigten auf einem S-Bahnsteig ein Springmesser vor, um diesen dazu zu bringen, ein Handy und „weitere stehlenswerte Gegenstände“ herauszugeben; diese wollte der Angeklagte für sich verwenden. Der Bedrohte geriet in Todesangst und rannte weg, zunächst bis zum Ende des Bahnsteigs, sodann durch das Gleisbett der S-Bahn und schließlich durch eine seitlich befindliche Kleingartenkolonie, so dass es nicht zur Tatvollendung kam.
3
2. Die insofern erfolgte Verurteilung wegen versuchter (besonders) schwerer räuberischer Erpressung kann keinen Bestand haben. Denn das Landgericht hat einen möglichen strafbefreienden Rücktritt nicht in den Blick genommen. Feststellungen zum sogenannten Rücktrittshorizont (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227 f.) hat es nicht getroffen, obwohl dies geboten war. Infolge dessen kann insbesondere nicht beurteilt werden, ob der Angeklagte eine Verfolgung des Flüchtenden für aussichtslos (und damit den Versuch für fehlgeschlagen) oder aber eine Tatvollendung für möglich hielt, hiervon jedoch aus freien Stücken Abstand nahm (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB).
4
Die Feststellungen können bestehen bleiben, da sie rechtsfehlerfrei zustande gekommen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie können durch neue ergänzt werden, sofern diese den bisherigen nicht widersprechen.
5
3. Da mithin die für diese Tat verhängte dreijährige Einsatzstrafe entfällt, ist auch der Gesamtstrafe die Grundlage entzogen. Hingegen schließt der Senat aus, dass die für den Diebstahl mit Waffen (Fall 1 der Anklageschrift) festgesetzte einjährige Freiheitsstrafe hierdurch beeinflusst worden ist.
6
4. Für die neue Entscheidung weist der Senat darauf hin, dass die Voraussetzungen des § 55 StGB umfassend zu prüfen sein werden, insbesondere unter Berücksichtigung der weiteren Vorverurteilungen, hinsichtlich derer die Daten der zugrundeliegenden Taten nicht mitgeteilt werden.
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 282/17
vom
28. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:280917U4STR282.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. September 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Franke, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 8. November 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) im Gesamtstrafenausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die Revision des Angeklagten wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung, fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Außer- dem hat es ihm die Fahrerlaubnis für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland entzogen und der Verwaltungsbehörde untersagt, dem Angeklagten vor Ablauf einer Frist von sechs Monaten das Recht zu erteilen, von seiner niederländischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen und eine inländische Fahrerlaubnis zu erteilen. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision macht die Staatsanwaltschaft geltend, dass der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe zu Unrecht nur wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und nicht auch wegen versuchten Mordes verurteilt worden ist. Die Nebenklägerin strebt insoweit ebenfalls eine Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes an. Beide Rechtsmittel haben Erfolg. Die unbeschränkt eingelegte und auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet.

I.


2
Das Landgericht hat zu der Tat zum Nachteil der Nebenklägerin (Fall II. 1 der Urteilsgründe) die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Die Nebenklägerin und der Angeklagte heirateten im Mai 2009. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Ende 2014 verschlechterte sich ihr Verhältnis. Am 7. September 2015 verließ die Nebenklägerin mit den gemeinsamen Kindern das eheliche Haus und betrieb die Scheidung. Der Angeklagte vermochte das Scheitern seiner Ehe nicht zu akzeptieren.
4
Am Morgen des 5. Februar 2016 holte der Angeklagte seinen Sohn bei der Nebenklägerin ab, um mit ihm den Tag zu verbringen. Als er bei dieser Gelegenheit mit ihr ein Gespräch über die familiäre Situation führen wollte, weigerte sie sich und fuhr mit dem Fahrrad zu ihrer Arbeitsstelle. Gegen 16.50 Uhr fuhr der Angeklagte der Nebenklägerin mit einem Pkw auf deren Heimweg entgegen. Dabei befanden sich nun beide Kinder auf dem Rücksitz des Fahrzeugs.
5
Um 17.06 Uhr traf er auf die Nebenklägerin, die ihm auf dem Radweg mit ihrem Fahrrad entgegenkam. Sie bemerkte den Angeklagten, hielt die Begegnung aber für zufällig und setzte ihren Weg fort. Der Angeklagte, der davon ausging, bemerkt worden zu sein, fühlte sich missachtet und wollte dies nicht hinnehmen. Er fasste den Entschluss, auf die Nebenklägerin mit einem im Fahrzeug mitgeführten Baseballschläger einzuschlagen, um sie auf diese Weise zu töten. Der Angeklagte stellte sein Fahrzeug auf dem Radweg ab, weil seine Kinder die Tat nicht sehen sollten und er die Nebenklägerin überraschen wollte. Er verließ mit dem Baseballschläger das Fahrzeug und lief der Nebenklägerin hinterher. Ca. 470 Meter vom Abstellort seines Fahrzeugs entfernt holte der Angeklagte die Nebenklägerin ein, ohne dass diese sein Herannahen bemerkte. Der Angeklagte schlug nun der Nebenklägerin mit dem beidhändig geführten Baseballschläger von hinten wuchtig auf den Hinterkopf. Nach dem zweiten Schlag auf den Oberkopf stürzte sie vom Fahrrad und kam auf der Straßenfahrbahn zu liegen. Der Angeklagte versetzte ihr mindestens noch zwei weitere Schläge auf den Oberkopf. Einen der letzten Schläge versuchte die Nebenklägerin , die sich auf dem Boden liegend zu ihm umwandte und ihn erkannte , dadurch abzuwehren, dass sie ihren rechten Unterarm schützend hochhob. Der folgende, ebenfalls gegen den Kopf geführte Schlag traf ihren rechten Unterarm und brach die Elle mittig. Obwohl die gegen ihren Kopf geführten Schläge potentiell lebensgefährlich waren, bestand keine konkrete Lebensgefahr.
6
Noch während der Angeklagte auf die Nebenklägerin einschlug, näherte sich der Zeuge O. mit seinem Fahrzeug. Im Verlauf der Annäherung des Zeugen, der zumindest zwei Schläge des Angeklagten und den zur Abwehr er- hobenen Arm der Nebenklägerin beobachtet hatte, – „möglicherweise“ noch vor seinem ersten Hupen – stellte der Angeklagte – der „möglicherweise“ das Herannahen des Zeugen bemerkt hatte – die Schläge ein, entfernte sich zunächst einige Meter von der Nebenklägerin und kehrte sodann wieder zu ihr zurück. Als der Zeuge O. aus seinem Fahrzeug ausstieg, befand sich der Angeklagte wieder bei der Nebenklägerin. Er hatte sich noch vor dem Anhalten des Zeugen O. entschlossen, obwohl ihm dies noch möglich gewesen wäre, der Nebenklägerin keine weiteren potentiell tödlichen Schläge auf den Kopf zu versetzen, sondern zu versuchen, herannahende Personen, die der Nebenklägerin zu Hilfe kommen könnten, möglichst „abzuwimmeln“. Dabei hoffte er, das Tatgeschehen noch verschleiern und die Nebenklägerin dazu überreden zu können, keine rechtlichen Schritte gegen ihn zu unternehmen. Der Angeklagte erklärte deshalb dem Zeugen O. , die Nebenklägerin habe einen Verkehrsunfall gehabt, und er wolle ihr helfen. Der Zeuge O. hielt dem Angeklagten vor, gesehen zu haben, dass er auf die Nebenklägerin eingeschlagen habe. Als der Zeuge O. sein Mobiltelefon zur Hand nahm, um die Polizei und den Rettungsdienst zu alarmieren, forderte ihn der Angeklagte auf, das Mobiltelefon einzustecken. Aus Angst vor möglichen Schlägen mit dem Baseballschläger folgte der Zeuge O. dieser Aufforderung. Als sich ein weiteres Fahrzeug und zwei Jogger näherten, erkannte der Angeklagte, dass er in Unterzahl zu geraten drohte. Er beschloss deshalb, sein Fahrzeug herbeizuholen und zu versuchen, die Nebenklägerin zum Einsteigen und zum Absehen von einer Anzeige zu bewegen. Nachdem er den Tatort verlassen hatte, verständigten die hinzugekommenen Zeugen Polizei und Rettungsdienst.
7
2. Die Strafkammer hat dies als gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5, § 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 315c Abs. 3 Nr. 1a StGB gewertet. Von dem (unbeendeten) Versuch, die Nebenklägerin heimtückisch zu töten (§§ 211, 22, 23 Abs. 1 StGB), sei der Angeklagte nach § 24 Abs. 1 StGB strafbefreiend zurückgetreten. Ein fehlgeschlagener Versuch liege nicht vor. Von einer Tatvollendung durch weitere Schläge habe der Angeklagte aus autonomen Motiven abgesehen. Dass für diesen Entschluss die Furcht vor Entdeckung ausschlaggebend gewesen sei, lasse sich nicht feststellen.

II.


8
Die Revision der Nebenklägerin und die wirksam auf die Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 1 der Urteilsgründe) sowie den Gesamtstrafenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft haben Erfolg.
9
1. Die Annahme eines freiwilligen Rücktritts vom unbeendeten Versuch eines Tötungsdelikts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
10
a) Die Beurteilung der Frage, ob die Aufgabe weiterer, möglicherweise noch zum Erfolg führender Handlungen freiwillig erfolgte, hängt davon ab, ob der Täter aus autonomen Motiven gehandelt hat und subjektiv noch in der Lage war, das zur Vollendung der Tat Notwendige zu tun (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 – 4 StR 532/92, NStZ 1993, 279 mwN). Dabei stellt die Tatsache, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt, für sich genommen die Autonomie der Entscheidung des Täters nicht in Frage (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 – 2 StR 289/13, StV 2014, 336; Urteil vom 14. April 1955 – 4 StR 16/55, BGHSt 7, 296, 299, st. Rspr.). Erst wenn durch von außen kommende Ereignisse aus Sicht des Täters ein Hindernis geschaffen worden ist, das einer Tatvollendung zwingend entgegensteht, ist er nicht mehr Herr seiner Entschlüsse und eine daraufhin erfolgte Abstandnahme von der weiteren Tatausführung als unfreiwillig anzusehen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2014 – 4 StR 40/14, NStZ-RR 2014, 171, 172; Urteil vom 14. April 1955 – 4 StR 16/55, BGHSt 7, 296, 299, st. Rspr.). Dies kann unter anderem dann der Fall sein, wenn unvorhergesehene äußere Umstände dazu geführt haben, dass bei weiterem Handeln das Risiko angezeigt oder bestraft zu werden, unvertretbar ansteigen würde (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2013 – 5 StR 229/13, NStZ-RR 2014, 9, 10; Beschluss vom 19. Dezember 2006 – 4 StR 537/06, NStZ-RR 2007, 136, 137; Urteil vom 17. Dezember 1992 – 4 StR 532/92, NStZ 1993, 279; Urteil vom 1. September 1992 – 1 StR 484/92, NStZ 1993, 76, 77). Verbleibende Zweifel an der Freiwilligkeit des Rücktritts sind grundsätzlich zu Gunsten des Täters zu lösen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Februar 2003 – 4 StR 59/02, NStZ-RR 2003, 199).
11
b) Von diesen Maßstäben ist das Landgericht zwar im Ansatz zutreffend ausgegangen. Seine hierzu getroffenen Feststellungen und die ihnen zugrunde liegende Beweiswürdigung sind aber lückenhaft und unklar (zum revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstab vgl. BGH, Urteil vom 26. Juli 2017 – 2 StR 132/17, Rn. 16; Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, Rn. 13; Urteil vom 14. Oktober 1952 – 2 StR 306/52, BGHSt 3, 213, 215, st. Rspr.).
12
Soweit das Landgericht eine „Furcht vor Entdeckung“ als nicht ausschlaggebend für die Rücktrittsentscheidung des Angeklagten bewertet hat, weil er bei einem Überleben der Nebenklägerin ohnehin mit seiner Identifizierung habe rechnen müssen, bleibt außer Acht, dass der Angeklagte nach den Feststellungen von möglichen weiteren Schlägen Abstand nahm und stattdes- sen versuchen wollte, herannahende Personen „abzuwimmeln“. Dabei hoffte er, das Tatgeschehen noch verschleiern und die Nebenklägerin dazu überreden zu können, keine rechtlichen Schritte gegen ihn zu unternehmen (UA 19). Dem entspricht es, dass der Angeklagte in der Folge auch tatsächlich versuchte, gegenüber dem Zeugen O. das Geschehen als Verkehrsunfall darzustellen. Dies legt die Annahme nahe, dass er zu diesem Zeitpunkt nach den vom Landgericht hierzu getroffenen Feststellungen die bisher begangene Tat für noch nicht von Dritten entdeckt hielt. Danach hätte sich die Strafkammer mit der sich aufdrängenden Frage auseinandersetzen müssen, ob der Angeklagte das bis zur letzten Ausführungshandlung für ihn entstandene Risiko, für seine bisher ausgeführten Schläge zur Verantwortung gezogen zu werden, noch für kontrollierbar hielt, für den Fall einer Fortsetzung der Tatausführung aber infolge des Herannahens Dritter von einer nicht mehr vertretbaren Gefährdung seiner Interessen ausging und sich allein deshalb von einer Tatvollendung gehindert sah.
13
Hinzu kommt, dass den Urteilsgründen auch nicht mit der für eine revisionsrechtliche Überprüfung erforderlichen Klarheit entnommen werden kann, ob der Angeklagte das Herannahen des Zeugen O. bereits bemerkt hatte, als er von der weiteren Tatausführung Abstand nahm. In den Feststellungen hält es die Strafkammer nur für „möglich“, dass der sich mit seinem Pkw annähernde Zeuge O. noch vor dem ersten Hupen sah, dass der Angeklagte die Schläge einstellte. Auch soll es nur „möglicherweise“ der Fall gewesen sein, dass der Angeklagte das Herannahen des Zeugen (zu diesem Zeitpunkt) bereits bemerkt hatte (UA 18/19). Dem steht die mitgeteilte und für glaubwürdig erachtete Einlassung des Zeugen O. entgegen, wonach der Angeklagte ihn bemerktund (dann) mit seinen Schlägen aufgehört habe (UA 51). Auch hält es die Strafkammer in ihren Erörterungen zur Freiwilligkeit eines Rücktritts „für nicht widerlegbar“ , dass der Angeklagte „durch das Herannahen eines Dritten zu einem Bedenken der bestehenden Situation (…) fand“ (UA 61). DiesenWiderspruch löst die Strafkammer nicht auf.
14
2. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Da zwischen einer möglichen Verurteilung wegen versuchten Mordes und der – an sich rechtsfehlerfreien – Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung Tatidentität bestünde, ist auch diese aufzuheben (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1). Die damit verbundene Aufhebung der hierfür verhängten Einzelstrafe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Eine Aufrechterhaltung von Feststellungen kam mit Rücksicht auf die aufgezeigten Unklarheiten nicht in Betracht. Der Maßregelausspruch wird von der Aufhebung nicht berührt.

III.


15
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO), weil die weitere Überprüfung des Urteils keinen ihn beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat.
Sost-Scheible RiBGH Cierniak ist im Urlaub Franke und daher gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR40/14
vom
26. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 26. Februar 2014 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 4. Oktober 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision, mit der der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen stach der Angeklagte der Geschädigten, die im Wohnzimmer unmittelbar vor der geschlossenen Terrassentür stand, mit zumindest bedingtem Tötungsvorsatz mit einem Messer mit einer ca. 20 cm lan- gen Klinge etwa mittig links in den Rücken. Die Geschädigte, bei der durch den Stich lediglich ihre Daunenjacke in einem Bereich von einem halben Zentimeter bis zur Innenseite beschädigt wurde, bemerkte von dem Auftreffen des Messers zunächst nichts. Nachdem sie sich umgedreht hatte, versuchte der Angeklagte, mit dem Messer den Oberkörper der Geschädigten von vorn zu treffen, wobei er weiterhin zumindest mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte. Die Geschädigte ergriff mit ihrer linken Hand die nach vorn spitz zulaufende und glatt geschliffene Messerklinge und konnte so das Eindringen des Messers in ihren Körper verhindern. Durch die Stoßbewegungen auf den linken Bauchbereich wurde sie jedoch mit Wucht rückwärts sitzend auf die Schreibtischplatte gedrängt, wobei der Angeklagte weiter versuchte, sie mit der Klinge in den Bauch zu stechen, was ihm jedoch ebenfalls nicht gelang. Die Geschädigte hielt mit äußerstem Kraftaufwand die Messerschneide gegen die von ihm durchgeführten kraftvollen , auf ihren Körper gerichteten Bewegungen und stellte dadurch ein Kräftegleichgewicht her. Durch die Hilfeschreie der Geschädigten alarmiert, erschien deren Tochter im Wohnzimmer und erkannte, dass der Angeklagte und ihre Mutter einen von ihr nicht näher identifizierbaren Gegenstand in den Händen hielten. Von der Geschädigten dazu aufgefordert, wählte sie den Notruf und forderte die Polizei auf, zur Wohnung zu kommen, da ihre Mutter von deren Lebensgefährten angegriffen werde. Während dieses Telefonats ließ der Angeklagte das Messer los und trat von der Geschädigten ein Stück zurück. Diese nutzte die Gelegenheit, um vom Schreibtisch aufzustehen, ihren Sohn zu nehmen und durch die Terrassentür und den Garten zu einer Nachbarin zu laufen. Da ihr bewusst wurde, dass ihre Tochter sich noch in der Wohnung aufhielt, kehrte sie zurück und forderte diese auf, mitzukommen, woraufhin die Tochter ihr nach draußen folgte. Während dieser Zeit telefonierte die Tochter der Geschädigten immer noch mit der Polizei.

II.


3
Die Erwägungen, mit denen die Strafkammer einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten vom Totschlagsversuch (§ 24 Abs. 1 StGB) abgelehnt hat, begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
4
1. Das Landgericht hat angenommen, der Versuch sei fehlgeschlagen. Der Angeklagte habe sich zwar dahin eingelassen, das Messer erst wahrgenommen zu haben, als er es zum Rücken der Geschädigten geführt habe. Er habe Angst gehabt, ansonsten aber an nichts gedacht. Nachdem die Geschädigte in das Messer gegriffen habe, habe er es ihr vergeblich aus der Hand ziehen wollen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe aber objektiv fest, dass der Angeklagte, nachdem er die Geschädigte auf die Schreibtischplatte gedrängt hatte, wiederholt versucht habe, mit der Klinge in ihren Bauch zu stechen , was ihm aber auf Grund der erheblichen Gegenwehr der Geschädigten nicht gelungen sei. Seine erfolglosen Bemühungen habe er erst aufgegeben, nachdem die zu Hilfe gerufene Tochter der Geschädigten das Telefon ergriffen und die Notrufnummer gewählt habe. Da die Geschädigte zu diesem Zeitpunkt das Wohnzimmer mit ihrem Sohn über die Terrasse verlassen habe, habe der Angeklagte nach der objektiven Sachlage aus seiner Sicht die Tötung der Geschädigten nicht mehr mit dem bereits eingesetzten Mittel erreichen können, weil die Tochter die Tat durch Erscheinen im Wohnzimmer entdeckt habe und auf Grund des abgesetzten Notrufs mit dem baldigen Erscheinen der Polizei zu rechnen gewesen sei.
5
2. Diese Begründung trägt den Ausschluss eines strafbefreienden Rücktritts nicht.
6
a) Ausgehend von diesen Feststellungen des Landgerichts war der Versuch des Totschlags unbeendet. Der Angeklagte konnte daher Strafbefreiung grundsätzlich durch bloßes Aufgeben der begonnenen Tathandlung erlangen. Ein strafbarer fehlgeschlagener Versuch hätte nur dann vorgelegen, wenn der Angeklagte die versuchte Tat als endgültig gescheitert angesehen hätte, weil er sie, wie er wusste, mit dem bereits eingesetzten oder anderen ihm zur Hand liegenden Mitteln nicht vollenden konnte. Dabei kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (sogenannter Rücktrittshorizont; vgl. nur Senatsurteil vom 25. November 2004 – 4 StR 326/04, NStZ 2005, 263, 264; Senatsbeschlüsse vom 8. Oktober 2008 – 4 StR 233/08, NStZ 2009, 628, und vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240). Dazu, ob der Angeklagte den Tötungsversuch als endgültig gescheitert ansah, als er die Schneide des Messers nach seiner letztmaligen Stichbewegung gegen den Körper der Geschädigten losließ, verhält sich das Urteil nicht. Danach bleibt offen, ob es ihm objektiv oder zumindest aus seiner Sicht möglich gewesen wäre , das Messer wiederzuerlangen und den angestrebten Taterfolg ohne zeitliche Zäsur doch noch herbeizuführen oder ob er die weitere Tatausführung angesichts der kraftvollen Abwehr der Geschädigten als endgültig aussichtslos ansah.
7
b) Ebenso wenig lässt sich den bisher getroffenen Feststellungen entnehmen , dass der Angeklagte unfreiwillig von weiteren Tötungshandlungen abließ. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn er sich auf Grund äußerer Zwänge oder psychischer Hemmungen (zum Maßstab vgl. SSW-StGB/Kudlich/ Schuhr, 2. Aufl., § 24 Rn. 63 ff. m. Nachw. z. Rspr.) nicht mehr in der Lage gesehen hätte, weitere Stiche zu setzen. Die Erwägung des Landgerichts, nach der objektiven Sachlage habe der Angeklagte aus seiner Sicht die Tötung der Geschädigten nicht mehr mit dem bereits eingesetzten Mittel erreichen können, weil deren Tochter die Tat entdeckt hatte und auf Grund des von ihr abgesetzten Notrufs mit dem baldigen Eintreffen der Polizei zu rechnen gewesen sei, trägt die Annahme der Unfreiwilligkeit für sich genommen nicht. Dass der Angeklagte gerade deshalb von weiteren Einwirkungen auf die Geschädigte absah, war im vorliegenden Fall schon deshalb näher zu erörtern, weil sich der Angeklagte nach den Feststellungen in Kenntnis der in Kürze eintreffenden Polizei zunächst weiter in der Wohnung aufhielt und sodann das Haus verließ, um telefonischen Kontakt zu seiner Rechtsanwältin aufzunehmen, die die Polizei von seinem Aufenthaltsort in Kenntnis setzte.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 282/17
vom
28. September 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:280917U4STR282.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. September 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Franke, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 8. November 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) im Gesamtstrafenausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die Revision des Angeklagten wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung, fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Außer- dem hat es ihm die Fahrerlaubnis für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland entzogen und der Verwaltungsbehörde untersagt, dem Angeklagten vor Ablauf einer Frist von sechs Monaten das Recht zu erteilen, von seiner niederländischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen und eine inländische Fahrerlaubnis zu erteilen. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision macht die Staatsanwaltschaft geltend, dass der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe zu Unrecht nur wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und nicht auch wegen versuchten Mordes verurteilt worden ist. Die Nebenklägerin strebt insoweit ebenfalls eine Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes an. Beide Rechtsmittel haben Erfolg. Die unbeschränkt eingelegte und auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet.

I.


2
Das Landgericht hat zu der Tat zum Nachteil der Nebenklägerin (Fall II. 1 der Urteilsgründe) die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Die Nebenklägerin und der Angeklagte heirateten im Mai 2009. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Ende 2014 verschlechterte sich ihr Verhältnis. Am 7. September 2015 verließ die Nebenklägerin mit den gemeinsamen Kindern das eheliche Haus und betrieb die Scheidung. Der Angeklagte vermochte das Scheitern seiner Ehe nicht zu akzeptieren.
4
Am Morgen des 5. Februar 2016 holte der Angeklagte seinen Sohn bei der Nebenklägerin ab, um mit ihm den Tag zu verbringen. Als er bei dieser Gelegenheit mit ihr ein Gespräch über die familiäre Situation führen wollte, weigerte sie sich und fuhr mit dem Fahrrad zu ihrer Arbeitsstelle. Gegen 16.50 Uhr fuhr der Angeklagte der Nebenklägerin mit einem Pkw auf deren Heimweg entgegen. Dabei befanden sich nun beide Kinder auf dem Rücksitz des Fahrzeugs.
5
Um 17.06 Uhr traf er auf die Nebenklägerin, die ihm auf dem Radweg mit ihrem Fahrrad entgegenkam. Sie bemerkte den Angeklagten, hielt die Begegnung aber für zufällig und setzte ihren Weg fort. Der Angeklagte, der davon ausging, bemerkt worden zu sein, fühlte sich missachtet und wollte dies nicht hinnehmen. Er fasste den Entschluss, auf die Nebenklägerin mit einem im Fahrzeug mitgeführten Baseballschläger einzuschlagen, um sie auf diese Weise zu töten. Der Angeklagte stellte sein Fahrzeug auf dem Radweg ab, weil seine Kinder die Tat nicht sehen sollten und er die Nebenklägerin überraschen wollte. Er verließ mit dem Baseballschläger das Fahrzeug und lief der Nebenklägerin hinterher. Ca. 470 Meter vom Abstellort seines Fahrzeugs entfernt holte der Angeklagte die Nebenklägerin ein, ohne dass diese sein Herannahen bemerkte. Der Angeklagte schlug nun der Nebenklägerin mit dem beidhändig geführten Baseballschläger von hinten wuchtig auf den Hinterkopf. Nach dem zweiten Schlag auf den Oberkopf stürzte sie vom Fahrrad und kam auf der Straßenfahrbahn zu liegen. Der Angeklagte versetzte ihr mindestens noch zwei weitere Schläge auf den Oberkopf. Einen der letzten Schläge versuchte die Nebenklägerin , die sich auf dem Boden liegend zu ihm umwandte und ihn erkannte , dadurch abzuwehren, dass sie ihren rechten Unterarm schützend hochhob. Der folgende, ebenfalls gegen den Kopf geführte Schlag traf ihren rechten Unterarm und brach die Elle mittig. Obwohl die gegen ihren Kopf geführten Schläge potentiell lebensgefährlich waren, bestand keine konkrete Lebensgefahr.
6
Noch während der Angeklagte auf die Nebenklägerin einschlug, näherte sich der Zeuge O. mit seinem Fahrzeug. Im Verlauf der Annäherung des Zeugen, der zumindest zwei Schläge des Angeklagten und den zur Abwehr er- hobenen Arm der Nebenklägerin beobachtet hatte, – „möglicherweise“ noch vor seinem ersten Hupen – stellte der Angeklagte – der „möglicherweise“ das Herannahen des Zeugen bemerkt hatte – die Schläge ein, entfernte sich zunächst einige Meter von der Nebenklägerin und kehrte sodann wieder zu ihr zurück. Als der Zeuge O. aus seinem Fahrzeug ausstieg, befand sich der Angeklagte wieder bei der Nebenklägerin. Er hatte sich noch vor dem Anhalten des Zeugen O. entschlossen, obwohl ihm dies noch möglich gewesen wäre, der Nebenklägerin keine weiteren potentiell tödlichen Schläge auf den Kopf zu versetzen, sondern zu versuchen, herannahende Personen, die der Nebenklägerin zu Hilfe kommen könnten, möglichst „abzuwimmeln“. Dabei hoffte er, das Tatgeschehen noch verschleiern und die Nebenklägerin dazu überreden zu können, keine rechtlichen Schritte gegen ihn zu unternehmen. Der Angeklagte erklärte deshalb dem Zeugen O. , die Nebenklägerin habe einen Verkehrsunfall gehabt, und er wolle ihr helfen. Der Zeuge O. hielt dem Angeklagten vor, gesehen zu haben, dass er auf die Nebenklägerin eingeschlagen habe. Als der Zeuge O. sein Mobiltelefon zur Hand nahm, um die Polizei und den Rettungsdienst zu alarmieren, forderte ihn der Angeklagte auf, das Mobiltelefon einzustecken. Aus Angst vor möglichen Schlägen mit dem Baseballschläger folgte der Zeuge O. dieser Aufforderung. Als sich ein weiteres Fahrzeug und zwei Jogger näherten, erkannte der Angeklagte, dass er in Unterzahl zu geraten drohte. Er beschloss deshalb, sein Fahrzeug herbeizuholen und zu versuchen, die Nebenklägerin zum Einsteigen und zum Absehen von einer Anzeige zu bewegen. Nachdem er den Tatort verlassen hatte, verständigten die hinzugekommenen Zeugen Polizei und Rettungsdienst.
7
2. Die Strafkammer hat dies als gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5, § 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 315c Abs. 3 Nr. 1a StGB gewertet. Von dem (unbeendeten) Versuch, die Nebenklägerin heimtückisch zu töten (§§ 211, 22, 23 Abs. 1 StGB), sei der Angeklagte nach § 24 Abs. 1 StGB strafbefreiend zurückgetreten. Ein fehlgeschlagener Versuch liege nicht vor. Von einer Tatvollendung durch weitere Schläge habe der Angeklagte aus autonomen Motiven abgesehen. Dass für diesen Entschluss die Furcht vor Entdeckung ausschlaggebend gewesen sei, lasse sich nicht feststellen.

II.


8
Die Revision der Nebenklägerin und die wirksam auf die Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 1 der Urteilsgründe) sowie den Gesamtstrafenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft haben Erfolg.
9
1. Die Annahme eines freiwilligen Rücktritts vom unbeendeten Versuch eines Tötungsdelikts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
10
a) Die Beurteilung der Frage, ob die Aufgabe weiterer, möglicherweise noch zum Erfolg führender Handlungen freiwillig erfolgte, hängt davon ab, ob der Täter aus autonomen Motiven gehandelt hat und subjektiv noch in der Lage war, das zur Vollendung der Tat Notwendige zu tun (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 – 4 StR 532/92, NStZ 1993, 279 mwN). Dabei stellt die Tatsache, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt, für sich genommen die Autonomie der Entscheidung des Täters nicht in Frage (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 – 2 StR 289/13, StV 2014, 336; Urteil vom 14. April 1955 – 4 StR 16/55, BGHSt 7, 296, 299, st. Rspr.). Erst wenn durch von außen kommende Ereignisse aus Sicht des Täters ein Hindernis geschaffen worden ist, das einer Tatvollendung zwingend entgegensteht, ist er nicht mehr Herr seiner Entschlüsse und eine daraufhin erfolgte Abstandnahme von der weiteren Tatausführung als unfreiwillig anzusehen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2014 – 4 StR 40/14, NStZ-RR 2014, 171, 172; Urteil vom 14. April 1955 – 4 StR 16/55, BGHSt 7, 296, 299, st. Rspr.). Dies kann unter anderem dann der Fall sein, wenn unvorhergesehene äußere Umstände dazu geführt haben, dass bei weiterem Handeln das Risiko angezeigt oder bestraft zu werden, unvertretbar ansteigen würde (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2013 – 5 StR 229/13, NStZ-RR 2014, 9, 10; Beschluss vom 19. Dezember 2006 – 4 StR 537/06, NStZ-RR 2007, 136, 137; Urteil vom 17. Dezember 1992 – 4 StR 532/92, NStZ 1993, 279; Urteil vom 1. September 1992 – 1 StR 484/92, NStZ 1993, 76, 77). Verbleibende Zweifel an der Freiwilligkeit des Rücktritts sind grundsätzlich zu Gunsten des Täters zu lösen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Februar 2003 – 4 StR 59/02, NStZ-RR 2003, 199).
11
b) Von diesen Maßstäben ist das Landgericht zwar im Ansatz zutreffend ausgegangen. Seine hierzu getroffenen Feststellungen und die ihnen zugrunde liegende Beweiswürdigung sind aber lückenhaft und unklar (zum revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstab vgl. BGH, Urteil vom 26. Juli 2017 – 2 StR 132/17, Rn. 16; Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 StR 371/13, Rn. 13; Urteil vom 14. Oktober 1952 – 2 StR 306/52, BGHSt 3, 213, 215, st. Rspr.).
12
Soweit das Landgericht eine „Furcht vor Entdeckung“ als nicht ausschlaggebend für die Rücktrittsentscheidung des Angeklagten bewertet hat, weil er bei einem Überleben der Nebenklägerin ohnehin mit seiner Identifizierung habe rechnen müssen, bleibt außer Acht, dass der Angeklagte nach den Feststellungen von möglichen weiteren Schlägen Abstand nahm und stattdes- sen versuchen wollte, herannahende Personen „abzuwimmeln“. Dabei hoffte er, das Tatgeschehen noch verschleiern und die Nebenklägerin dazu überreden zu können, keine rechtlichen Schritte gegen ihn zu unternehmen (UA 19). Dem entspricht es, dass der Angeklagte in der Folge auch tatsächlich versuchte, gegenüber dem Zeugen O. das Geschehen als Verkehrsunfall darzustellen. Dies legt die Annahme nahe, dass er zu diesem Zeitpunkt nach den vom Landgericht hierzu getroffenen Feststellungen die bisher begangene Tat für noch nicht von Dritten entdeckt hielt. Danach hätte sich die Strafkammer mit der sich aufdrängenden Frage auseinandersetzen müssen, ob der Angeklagte das bis zur letzten Ausführungshandlung für ihn entstandene Risiko, für seine bisher ausgeführten Schläge zur Verantwortung gezogen zu werden, noch für kontrollierbar hielt, für den Fall einer Fortsetzung der Tatausführung aber infolge des Herannahens Dritter von einer nicht mehr vertretbaren Gefährdung seiner Interessen ausging und sich allein deshalb von einer Tatvollendung gehindert sah.
13
Hinzu kommt, dass den Urteilsgründen auch nicht mit der für eine revisionsrechtliche Überprüfung erforderlichen Klarheit entnommen werden kann, ob der Angeklagte das Herannahen des Zeugen O. bereits bemerkt hatte, als er von der weiteren Tatausführung Abstand nahm. In den Feststellungen hält es die Strafkammer nur für „möglich“, dass der sich mit seinem Pkw annähernde Zeuge O. noch vor dem ersten Hupen sah, dass der Angeklagte die Schläge einstellte. Auch soll es nur „möglicherweise“ der Fall gewesen sein, dass der Angeklagte das Herannahen des Zeugen (zu diesem Zeitpunkt) bereits bemerkt hatte (UA 18/19). Dem steht die mitgeteilte und für glaubwürdig erachtete Einlassung des Zeugen O. entgegen, wonach der Angeklagte ihn bemerktund (dann) mit seinen Schlägen aufgehört habe (UA 51). Auch hält es die Strafkammer in ihren Erörterungen zur Freiwilligkeit eines Rücktritts „für nicht widerlegbar“ , dass der Angeklagte „durch das Herannahen eines Dritten zu einem Bedenken der bestehenden Situation (…) fand“ (UA 61). DiesenWiderspruch löst die Strafkammer nicht auf.
14
2. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Da zwischen einer möglichen Verurteilung wegen versuchten Mordes und der – an sich rechtsfehlerfreien – Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung Tatidentität bestünde, ist auch diese aufzuheben (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 StR 642/96, BGHR StPO § 353 Aufhebung 1). Die damit verbundene Aufhebung der hierfür verhängten Einzelstrafe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Eine Aufrechterhaltung von Feststellungen kam mit Rücksicht auf die aufgezeigten Unklarheiten nicht in Betracht. Der Maßregelausspruch wird von der Aufhebung nicht berührt.

III.


15
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO), weil die weitere Überprüfung des Urteils keinen ihn beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat.
Sost-Scheible RiBGH Cierniak ist im Urlaub Franke und daher gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 537/06
vom
19. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. Dezember 2006 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 19. Juli 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht den Angeklagten des unerlaubten Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit der zum Nachteil des Rechtsanwalts und Notars L. begangenen gefährlichen Körperverletzung für schuldig befunden. Dagegen hält die Verurteilung wegen tateinheitlich verwirklichten versuchten Mordes rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar hat der Angeklagte den gezielten Schuss auf den Kopf des Tatopfers nach den auch insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen heimtückisch und mit Tötungsabsicht abgegeben. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet aber die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe die weitere Ausführung der Tat nicht freiwillig aufgegeben, weil er sich hieran durch äußere Umstände gehindert gesehen habe, insbesondere deswegen, weil das Opfer fast sein Haus erreicht habe, aber auch aus Furcht vor einer Entdeckung der Tat angesichts des nach Angaben des Tatopfers zu dieser Zeit noch lebhaften Autoverkehrs.
3
Im Ansatz zutreffend hat das Landgericht die Frage eines strafbefreienden Rücktritts vom unbeendeten Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB geprüft , der die freiwillige Aufgabe der weiteren Ausführungen der Tat voraussetzt. Nach der für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch maßgeblichen Vorstellung des Angeklagten (sog. Rücktrittshorizont; vgl. BGHSt 39, 221, 227 m.N.) war der Mordversuch nicht beendet, weil der Angeklagte nach der Abgabe des Schusses auf Grund der Reaktion des Tatopfers nicht mit dem Eintritt des angestrebten tatbestandsmäßigen Erfolges rechnete. Die Revision beanstandet jedoch zu Recht, dass weder die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei davon ausgegangen, es werde ihm nicht gelingen, noch einmal in Schussnähe an das Tatopfer heranzukommen, noch die Annahme, der Angeklagte habe befürchtet, dass seine Tat von einem der vorbeifahrenden Autoinsassen entdeckt werden könne, hinreichend belegt ist.
4
Soweit das Landgericht darauf abstellt, dass der Angeklagte davon ausging , es werde ihm nicht gelingen, "noch einmal auf Schussnähe" an das Tatopfer heranzukommen, läge ein fehlgeschlagener Versuch vor, bei dem ein Rücktritt gemäß § 24 StGB nach der Rechtsprechung ausgeschlossen ist (vgl. BGHSt 39, 221, 228 m.N.). Worauf das Landgericht die Annahme stützt, dass der Angeklagte davon ausging, die Tat nicht mehr vollenden zu können, lässt sich den Urteilsgründen jedoch nicht entnehmen. Das Landgericht hat weder Feststellungen zu der von dem Tatopfer bis zu dem Eingang zu seinem Haus noch zurückzulegenden Entfernung getroffen, noch dazu, wieweit sich der Angeklagte von dem Tatopfer wegbewegt hatte, als er sah, dass es, nachdem es nach vorne zu Boden gefallen war, "sofort wieder aufstand und auf sein Haus zuging." Dass sich der Angeklagte nicht mehr in "Schussnähe" befunden hat, als das Tatopfer aufstand und auf sein Haus zuging, liegt nach den bisherigen Feststellungen eher fern.
5
Ging der Angeklagte aber davon aus, die Tat mit der von ihm benutzten Pistole noch vollenden zu können, weil diese, wovon mangels gegenteiliger Feststellungen zu Gunsten des Angeklagten auszugehen ist, nach Abgabe des Schusses noch mit weiterer Munition versehen war, wäre ein freiwilliges Aufgeben der Tat, für das der Zweifelsgrundsatz gilt (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 199; BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 26), nicht ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2000 - 4 StR 456/00 - m.N.). Zwar kann die Aufgabe der Tat unfreiwillig sein, wenn sich der Täter nach Tatbeginn mit einer ihm, verglichen mit der Tatplanung, derart ungünstigen Risikoerhöhung konfrontiert sieht, so dass er das mit der Tat verbundene Wagnis nunmehr als unvertretbar hoch einschätzt (vgl. BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 16). Dass dem Angeklagten die Fortsetzung der Tat zu risikoreich erschien, weil er befürchtete, seine Tat könne "von einem der vorbeifahrenden Autoinsassen" entdeckt werden, ist jedoch nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Die Revision beanstandet zu Recht, dass sich die zu den Vorstellungen des Angeklagten getroffenen Feststellungen nicht ohne Weiteres damit vereinbaren lassen, dass der Angeklagte zu Beginn des Angriffs auf das Tatopfer - außer diesem - "der einzige Fußgänger in diesem Bereich der Kaiserstraße, die in diesen Augenblicken auch nicht von Kraftfahrzeugen befahren wurde", gewesen ist (UA 11).
Das Landgericht hätte daher in eingehender Beschreibung der örtlichen Verhältnisse und der Nachtatsituation im Einzelnen feststellen müssen, ob und in welcher Weise sich die Verkehrsverhältnisse auf der Kaiserstraße in Tatortnähe nach Abgabe des Schusses verändert hatten.
6
Die Sache bedarf daher neuer Entscheidung. Im Hinblick auf die vom Landgericht angenommene tateinheitliche Verwirklichung von versuchtem Mord, gefährlicher Körperverletzung und unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe hat der aufgezeigte Rechtsfehler die Aufhebung des Urteils insgesamt zur Folge (vgl. BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 299/17
vom
22. August 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:220817B3STR299.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 22. August 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 21. Dezember 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch, soweit der Angeklagte wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf zwei Verfahrensbeanstandungen sowie die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verfahrensrügen dringen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch.
3
2. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit er wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen verurteilt worden ist. Der Schuldspruch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung begegnet demgegenüber durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
4
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts entschloss sich der Angeklagte dazu, die auf dem Fahrersitz ihres Pkw sitzende Zeugin E. mit einem Messer anzugreifen. Er griff mit einer Hand durch das geöffnete Fenster der Fahrertür in die Haare der Zeugin, versuchte daran zu ziehen und führte mit einem Messer, das er in seiner anderen Hand hielt, eine Stichbewegung in Richtung ihres Halses aus, um sie dort zu treffen. Bevor es zu einer Verletzung kam, packte ihn der Mitangeklagte am Arm und zog ihn von dem Fahrzeug weg. Anschließend entfernten sich beide mit ihrem Pkw vom Tatort.
5
Im Rahmen der rechtlichen Würdigung hat die Strafkammer ausgeführt, dass der Angeklagte nicht gemäß § 24 Abs. 1 StGB mit strafbefreiender Wirkung vom Versuch zurückgetreten sei, weil er "die Tatausführung nicht freiwillig aufgegeben" habe, sondern von dem Mitangeklagten daran "gehindert" worden sei.
6
b) Diese Bewertung wird von den Feststellungen nicht getragen, weil sich daraus nichts über das Vorstellungsbild des Angeklagten nach der von ihm vorgenommenen Tatausführungshandlung ergibt. Insoweit gilt:
7
aa) Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn die Tat nach dem Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Hält er dagegen die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, dann ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (BGH, Beschluss vom 13. November 2012 - 3 StR 411/12, juris Rn. 4).
8
bb) Hier ist nicht ersichtlich, dass der Mitangeklagte den Angeklagten, nachdem er ihn am Arm gepackt und von dem Fahrzeug der Zeugin weggezogen hatte, auch weiterhin physisch daran hinderte, diese abermals mit dem Messer anzugreifen. Da sich beide sodann mit ihrem Fahrzeug entfernten, erscheint es vielmehr möglich, dass der Mitangeklagte den Angeklagten zwischenzeitlich losgelassen hatte, so dass diesem die weitere Tatausführung objektiv nicht unmöglich war. Die Feststellungen belegen auch nicht, dass der Angeklagte sein Vorhaben durch das Einschreiten des Mitangeklagten als gescheitert ansah; gleichermaßen möglich ist, dass ihn dies dazu veranlasste, die weitere Tatausführung freiwillig aufzugeben.
9
c) Die Sache bedarf deshalb insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung führt zum Wegfall der dafür verhängten Freiheitsstrafe von zehn Monaten und bedingt die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe. Becker Gericke Spaniol Tiemann Berg

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 57/16
vom
21. Juni 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringe Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:210617B2STR57.16.1

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 21. Juni 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22. Oktober 2015 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit es den Angeklagten D. betrifft,
b) soweit es den Angeklagten B. betrifft im Fall II. 2. der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten B. wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten D. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen richten sich die auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten. Das Rechtsmittel des Angeklagten D. hat in vollem Umfang Erfolg, das Rechtsmittel des Angeklagten B. hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Den Verfahrensrügen bleibt aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts vom 19. August 2016 der Erfolg versagt.
3
2. Die materiellrechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revision des Angeklagten B. hat zum Schuldspruch im Fall II. 1. der Urteilsgründe und hinsichtlich der insoweit verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten keinen Rechtsfehler zum Nachteil dieses Angeklagten ergeben.
4
3. Hingegen hat das Urteil keinen Bestand, soweit die Angeklagten im Fall II. 2. der Urteilsgründe wegen tateinheitlich begangenem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden sind.
5
a) Nach den insoweit getroffenen Feststellungen des Landgerichts bestellte der Mitangeklagte M. Anfang Dezember 2013 bei seinem Lieferanten in den Niederlanden 5 kg Marihuana und kündigte ihm telefonisch an, die Betäubungsmittel abzuholen. M. „bestellte sodann die Angeklagten B. und D. telefonisch zu sich, um mit diesen gemeinsam die Einkaufsfahrt in die Niederlande anzutreten“.
6
Die drei Angeklagten begaben sich am 9. Dezember 2013 mit dem Mietwagen des Mitangeklagten M. nach N. , wo M. mehr als 5,2 kg Marihuana erwarb. „Das Rauschgift bewahrten sie in einem weiteren Mietfahrzeug […] auf, welches von einem unbekannt gebliebenen Kurier gesteuert wurde“. Die Angeklagten fuhren mit dem Mietwagen des M. vor, der Kurier fuhr mit seinem mit Rauschgift beladenen Fahrzeug in einem „gewissen Abstand“ dahinter. „Dabei steuerte der Angeklagte M. den Kurier während der Fahrt per Mobiltelefon, indem er Anweisungen zu dessen Fahrweise gab und sich mit ihm über mögliche Auffälligkeiten auf der Strecke austauschte , sollte doch verhindert werden, dass dieser in eine Polizei- oder Zoll- kontrolle geriet“. Beide Fahrzeuge erreichten sodann F. , wo das Rauschgift auf einem Parkplatz in das Mietfahrzeug des M. umgeladen wurde. Die Betäubungsmittel, die zum gewinnbringenden Verkauf durch die Angeklagten bestimmt waren, wurden in der weiteren Folge in unterschiedlichen Mengen auf die Angeklagten aufgeteilt.
7
b) Diese Feststellungen tragen die vom Landgericht in Bezug auf die Einfuhr der Betäubungsmittel angenommene Mittäterschaft der Angeklagten (§ 25 Abs. 2 StGB) nicht. Zwar erfordert der Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln keinen eigenhändigen Transport der Betäubungsmittel über die Grenze, so dass Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB grundsätzlich auch ein Beteiligter sein kann, der das Rauschgift nicht selbst in das Inland verbringt.
Voraussetzung dafür ist nach den auch hier geltenden Grundsätzen des allgemeinen Strafrechts aber ein die Tatbegehung objektiv fördernder Beitrag, der sich als ein Teil der Tätigkeit aller darstellt und der die Handlungen der anderen als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheinen lässt. Hierzu ist eine wertende Gesamtbetrachtung erforderlich (BGH, Beschluss vom 14. Februar 2017 - 4 StR 578/16, NStZ-RR 2017, 146 mwN). Von besonderer Bedeutung sind dabei der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Einfluss bei der Vorbereitung der Tat und der Tatplanung, der Umfang der Tatbeteiligung und die Teilhabe an der Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch von dem Willen des Betreffenden abhängen. Entscheidender Bezugspunkt ist der Einfuhrvorgang selbst (vgl. Senat, Beschlüsse vom 3. Mai 2017 - 2 StR 364/16 und vom 15. März 2017 - 2 StR 23/16 jew. mwN). Das bloße Interesse an dessen Gelingen genügt nicht, wenn der Betreffende keine Tatherrschaft oder zumindest Tatherrschaftswillen hat (BGH, Beschlüsse vom 8. September 2016 - 1 StR 232/16, StV 2017, 295 f. und vom 2. Juni 2016 - 1 StR 161/16, StV 2017, 285, 286).
8
Nach diesen Grundsätzen kann die Verurteilung jeweils wegen mittäterschaftlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - wie die Revisionen zu Recht einwenden - keinen Bestand haben. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts beschränken sich darauf, dass die Angeklagten zwar wussten, dass die Betäubungsmittel in dem weiteren Kurierfahrzeug eingebaut waren und mitbekommen haben dürften, dass der Mitangeklagte M. den Kurier während der Fahrt per Mobiltelefon „steuer- te“; weitere Umstände, aus denen sich ein gewisser Einfluss der Angeklagten B. und D. auf den Einfuhrvorgang als solchen ergeben würde - etwa die Festlegung der einzuhaltenden Fahrroute, telefonische Anweisungen an den Kurier oder ähnliches - hat das Landgericht ebenso wenig festgestellt wie sonstige Umstände, die den Täterwillen hinsichtlich der Einfuhr tragfähig begründen. Der vom Landgericht als wesentlich angesehene Tatbeitrag der anschließenden Lagerung der Betäubungsmittel durch die Angeklagten und die gemeinsame Verkaufsabsicht weisen nicht den hier erforderlichen Bezug zum Einfuhrvorgang selbst auf. Auch der - nicht unbedenkliche - Erfahrungssatz, wonach „zu der Abwicklung von Drogengeschäften in der vorliegenden Größenordnung in aller Regel weitere Personen mitgenommen werden, da zunächst eine größere Menge Geld, anschließend größere Mengen Betäubungs- mittel vorhanden sind“, die zu schützen seien, rechtfertigt nach den oben dar- gestellten Grundsätzen keine andere Beurteilung. Ein maßgebliches Abhängen der Durchführung und des Ausgangs der Einfuhr der Betäubungsmittel auch vom Willen der Angeklagten B. und D. lässt sich aus den Feststellungen damit nicht ableiten. Diese rechtfertigen gegebenenfalls eine Verurteilung der Angeklagten wegen (tateinheitlicher) Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (BGH, Beschlüsse vom 24. April 1997 - 4 StR 151/97, StV 1998, 598; vom 22. April 1997 - 4 StR 133/97, StV 1998, 597 und vom 22. März 1991 - 3 StR 34/91, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Einfuhr 21). Es erscheint jedoch nicht ausgeschlossen, dass der neue Tatrichter im Rahmen einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen treffen kann, die eine Verurteilung wegen mittäterschaftlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge rechtfertigen.
9
Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln bedingt auch die Aufhebung des - für sich genommen rechtsfehlerfreien - Schuldspruchs wegen tateinheitlich verwirklichten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie - hinsichtlich des Angeklagten B. - der Gesamtstrafe.
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