Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 24. Aug. 2017 - 3 OLG 7 Ss 70/17

bei uns veröffentlicht am24.08.2017
vorgehend
Landgericht Coburg, 2 Ns 118 Js 10878/15, 14.02.2017

Gericht

Oberlandesgericht Bamberg

Tenor

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Coburg vom 14. Februar 2017 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Coburg zurückverwiesen.

III. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Coburg hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung, versuchter Nötigung und exhibitionistischen Handlungen unter Freispruch im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Coburg den Angeklagten wegen sexueller Nötigung, versuchter sexueller Nötigung und exhibitionistischen Handlungen schuldig gesprochen und die Berufung im Übrigen, ebenso wie die Berufung des Angeklagten, als unbegründet verworfen. Gegen dieses Urteil wendet sich die mit der Rüge der Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts begründete Revision des Angeklagten.

II.

Während die Verfahrensrüge nicht ausgeführt und damit unzulässig ist (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), hat das Rechtsmittel mit der Sachrüge hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen, nämlich zum Schuldspruch, ist es auch unter Berücksichtigung der Gegenerklärung unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Rechtsfolgenausspruch weist eine Vielzahl von gravierenden Rechtsfehlern auf. Bereits die Strafrahmenwahl durch das Landgericht ist rechtsfehlerhaft, soweit das Landgericht das Vorliegen eines minder schwerer Falls i.S.d. § 177 Abs. 5 StGB a.F. verneint hat. Dies hat zudem Auswirkungen auf die Bemessung der Einzelstrafen.

a) Das Landgericht hat gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoßen, soweit es im Fall der vollendeten sexuellen Nötigung zu Lasten des Angeklagten gewertet hat, dass dieser sein Opfer unter massivem Körpereinsatz gegen die Wand gedrückt habe. Es kann jedoch auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnommen werden, dass der Angeklagte mit seinem Verhalten das Maß an Gewalt überschritten hätte, das zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich war.

b) Soweit das Landgericht die Auswirkungen der Taten für die Verletzte K. strafschärfend berücksichtigt hat, hat es ein weiteres Mal gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoßen. Die festgestellten Tatfolgen in Form von psychischen Belastungen gehen nämlich nicht über das Maß hinaus, welches bei Sexualverbrechen üblicherweise zu erwarten ist. Regelmäßige Tatfolgen dürfen dem Angeklagten indes wegen der Bestimmung des § 46 Abs. 3 StGB gerade nicht angelastet werden (BGH, Beschlüsse vom 27.10.2010-2 StR 489/10 = StV 2011, 158 = BGHR StGB § 46 Abs. 3 Totschlag 3; 09.12.1997 - 4 StR 596/97 [bei juris] und 09.01.1987- 2 StR 641/B6 = StV 1987, 146 = BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 5).

c) Die Strafschärfungserwägung, der Angeklagte lasse sich „völlig unreflektiert von seiner Überzeugung leiten, dass die sexuelle Belästigung von Frauen unterhalb einer Vergewaltigung straflos sei“, stellt einen weiteren Rechtsfehler dar. Die Berufungskammer hat damit zulasten des Angeklagten gewertet, dass er bei der Tatbegehung davon ausging, sich rechtens zu verhalten. Dies stellt indes keinen zulässigen Strafschärfungsgrund dar, weil das Bewusstsein, Unrecht zu tun, gerade Voraussetzung der Strafbarkeit ist, wie § 17 StGB belegt (vgl. hierzu nur BGH, Beschluss vom 05.02.2015 - 2 StR 496/14 = BGHR 2015, StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 8 = StV 2015, 637). Andererseits war die Fehleinschätzung des Angeklagten ohne weiteres vermeidbar und es bestand zudem kein Anlass, eine Strafrahmenverschiebung nach § 17 Satz 2 StGB auch nur in Erwägung zu ziehen. Denn die vom Landgericht zu Grunde gelegte „Überzeugung“ des Angeklagten ist letztlich Auswirkung einer ausgeprägten Rechtsblindheit (vgl. hierzu Sternberg-Lieben/Schuster in: Schönke/Schröder StGB 29. Aufl. § 17 Rn. 26; Roxin JR 2017, 83), zumal sich für jedermann, und zwar auch für den juristischen Laien, die Strafbarkeit der festgestellten Verhaltensweisen geradezu aufdrängt.

d) Soweit das Landgericht strafschärfend wertet, dass es sich bei den Tatopfern um Frauen handelt, die gegenüber anderen Kolleginnen, die der Angeklagte nur mit „anzüglichen Bemerkungen“ verbal „belästigt“ hatte, weniger „attraktiv“ waren, liegt ein weiterer ebenso grober wie evidenter Rechtsfehler vor.

Es ist schon mit der Würde des Gerichts in keiner Weise in Einklang zu bringen, wenn in einem Urteil höchstpersönliche Wertungen zur Attraktivität von Prozessbeteiligten bzw. Tatopfern angestellt werden. Eine derartige, gegen das jedem Gericht obliegende Sachlichkeitsgebot verstoßende und anmaßende Vorgehensweise, die einer Verhöhnung der Opfer gleichkommt, würde zwar per se den Angeklagten noch nicht beschweren. Das Tatgericht hat aber, ungeachtet der damit offenbarten Distanzlosigkeit, seine persönliche Einschätzung zur (geringeren) Attraktivität der Tatopfer auch noch zum Anlass genommen, hierin einen Strafschärfungsgrund zu erblicken, was unhaltbar ist. Denn es versteht sich von selbst, dass das äußere Erscheinungsbild der Opfer von Sexualstraftaten in keinem Zusammenhang mit den allein für die Strafzumessung maßgeblichen Kriterien des Unrechts und der Schuld des Angeklagten steht.

e) Auch wenn die verhängten Strafen in Anbetracht des Tatbilds und aller relevanten Umstände des Einzelfalls nicht von vornherein als überzogen erscheinen, kann der Senat nicht ausschließen, dass das Urteil auf den vielfältigen und groben Fehlern, die dem Landgericht unterlaufen sind, beruht i.S.d. § 337 Abs. 1 StPO, was zu seiner Aufhebung führt. Denn die Bestimmung der Strafhöhe ist nicht Aufgabe des Senats, sondern des Tatrichters. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Berufungskammer bei der gebotenen Orientierung seiner Strafzumessungserwägungen an der Schwere des verwirklichten Unrechts und der Schuld des Angeklagten, zu niedrigeren Strafen gelangt wäre.

2. Die Erwägungen des Landgerichts zur Frage der Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung sind ebenfalls mit grundlegenden Rechtsfehlern behaftet.

a) Soweit das Landgericht das Fehlen einer positiven Kriminalprognose (§ 56 Abs. 1 StGB) bei dem bislang nicht einschlägig und nur zweimal zu geringen Geldstrafen verurteilten Angeklagten u.a. aus dem Umstand herleitet, dass er sich „mit seiner beruflichen Integration schwer tue“, lässt es außer Acht, dass es einen Zusammenhang zwischen der Delinquenz des Angeklagten und einer fehlenden beruflichen Eingliederung gerade nicht festgestellt hat; im Gegenteil beging der Angeklagte die ihn vorgeworfenen Taten während eines festen Arbeitsverhältnisses und in innerem Zusammenhang mit diesem.

b) Entgegen der Ansicht der Berufungskammer kann auch aus der Einschätzung des Angeklagten, er halte sexuelle Belästigungen nicht für strafbar, nicht auf eine negative Kriminalprognose geschlossen werden. Das Landgericht stellt keine Umstände fest, aus denen sich nachvollziehbar herleiten ließe, der Angeklagte habe trotz Hauptverhandlung und Verurteilung nicht hinreichend deutlich verstanden, dass er Straftaten von nicht unerheblicher Bedeutung begangen und ein solches Verhalten zukünftig zu unterlassen hat.

c) Die Rechtsfehler im Rahmen der Prüfung des § 56 Abs. 1 StGB entziehen auch der Abwägung des Landgerichts die Grundlage, wonach keine besonderen Umstände i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB für eine Strafaussetzung zur Bewährung vorlägen. Wäre die Strafkammer zu einer günstigen Prognose gelangt, so wäre auch bei der Prüfung des Vorliegens „besonderer Umstände“ (§ 56 Abs. 2 StGB) ein anderes Ergebnis möglich gewesen. Denn die Frage einer günstigen Kriminalprognose kann auch für die Beurteilung bedeutsam sein, ob Umstände von besonderem Gewicht im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB vorliegen (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 13.01.2015 - 4 StR 445/14 [bei juris]).

III.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Coburg zurückzuverweisen (§§ 353, 354 Abs. 2 StPO).

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 24. Aug. 2017 - 3 OLG 7 Ss 70/17

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(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um
Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 24. Aug. 2017 - 3 OLG 7 Ss 70/17 zitiert 10 §§.

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(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freihei

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

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Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

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Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 24. Aug. 2017 - 3 OLG 7 Ss 70/17 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 489/10
vom
27. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin
und des Generalbundesanwalts, zu 3. auf dessen Antrag, am
27. Oktober 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 7. Juni 2010 im Strafausspruch aufgehoben. 2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision der Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich ihre auf die Sachbeschwerde gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Ehemann K. die Angeklagte im Rahmen von Auseinandersetzungen wegen seiner Eifersucht und wegen finanzieller Probleme in der Vergangenheit mehrfach misshandelt und verletzt. Am Tattag, dem 31. Dezember 2009, kam es zu verbalen Auseinandersetzungen und Beleidigungen der Angeklagten durch ihren Ehemann. Daraufhin zog sie sich zunächst zurück, versuchte aber kurz vor Mitternacht , eine Versöhnung herbeizuführen. Sie lehnte jedoch die Aufforderung ihres bereits alkoholisierten Ehemanns ab, gemeinsam Whisky zu trinken, was ihn wiederum erzürnte und zu neuen Kränkungen veranlasste. Der Ehemann führte einen Zierdolch über den Körper der Angeklagten, was sie als Bedrohung auffasste. Es kam zu einem Handgemenge, in dessen Verlauf die Angeklagte den Dolch zu fassen bekam. Auf die Äußerung des Ehemanns: "du stichst doch eh nicht zu, du Hure", versetzte sie ihm einen tödlichen Messerstich, damit "es endlich vorbei ist".
3
Darin hat das Landgericht zutreffend einen Totschlag gemäß § 212 Abs. 1 StGB gesehen und den Strafrahmen aus § 213 (1. Alternative) StGB zu Grunde gelegt. Bei der Strafzumessung im engeren Sinne hat es der Angeklagten angelastet, dass "die Tat in Bezug auf Beleidigungen eine völlig unangemessene Reaktion" dargestellt habe, ferner, dass "die Angeklagte durch die Tat ihren Kindern den Vater genommen" habe. Insbesondere dagegen wendet sich die Revision der Angeklagten. Insoweit ist das Rechtsmittel begründet.
4
Es begegnet bereits im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB rechtlichen Bedenken , dass die Strafkammer den Verlust des Vaters für die gemeinsamen Kinder als bestimmenden Strafschärfungsgrund bewertet hat. Jedenfalls in dieser Allgemeinheit erscheint die Erwägung rechtsfehlerhaft (vgl. BGH Beschluss vom 3. Februar 2004 - 4 StR 403/03), denn es gehört zu den regelmäßigen Tatfolgen eines vollendeten Tötungsverbrechens, dass der Täter den Angehörigen des Opfers Leid zufügt. Ob die Strafkammer zum Ausdruck bringen wollte, dass die (erwachsenen) Kinder, die nach der Todesnachricht "sehr geschockt und tief getroffen" waren sowie unmittelbar nach der Tat vom Kriseninterventionsteam betreut wurden (UA S. 9), in ungewöhnlich schwer wiegender Weise von der Tat betroffen waren, kann offen bleiben.
5
Jedenfalls kann der Strafausspruch wegen der weiteren Erwägung, dass der durch Beleidigungen motivierte Totschlag eine "völlig unangemessene Reaktion" gewesen sei, keinen Bestand haben. Diese Erwägung steht im Widerspruch dazu, dass der Provokationsaffekt im Sinne von § 213 (1. Alternative) StGB als die Tat auslösendes Moment, unbeschadet der Tatsache, dass die Tötung eines Menschen als Reaktion auf Kränkungen stets unangemessen ist, strafmildernd wirkt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass in der Vergangenheit mehrere Auseinandersetzungen vorangegangen waren, bei denen die Angeklagte auch erheblich körperlich verletzt worden war, ferner dass sie die der Tat unmittelbar vorausgehenden Handlungen des Ehemanns mit dem Dolch als Bedrohung empfand. In der Gesamtschau erlangen diese Umstände größeres Gewicht als dasjenige von bloßen Beleidigungen. Zudem ist zu besorgen, dass die Strafkammer mit ihrer Erwägung letztlich die Erfüllung des Straftatbestands zu Lasten der Angeklagten bewertet und dadurch § 46 Abs. 3 StGB verletzt hat.
6
Da der Strafausspruch nur aufgrund eines Wertungsfehlers keinen Bestand hat, können die zugrunde liegenden Feststellungen, die rechtsfehlerfrei getroffen wurden, bestehen bleiben. Das neue Tatgericht ist dadurch nicht gehindert , ergänzende Feststellungen zu treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
Fischer Appl Schmitt Eschelbach Ott

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR496/14
vom
5. Februar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 5. Februar 2015 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Marburg vom 1. September 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hatte den Angeklagten in einem ersten Urteil wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, sichergestellte Betäubungsmittel eingezogen und Wertersatzverfall in Höhe von 291.000,- € angeordnet. Der Senat hat diese Entscheidung mit Beschluss vom 29. April 2014 im Rechtsfolgenausspruch, mit Ausnahme der Einziehungsentscheidung, aufgehoben und die Revision des Angeklagten im Übrigen - unter Ergänzung eines Teilfreispruchs - verworfen. Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und Wertersatzverfall in Höhe von 291.000,- € angeordnet. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in vollem Umfang Erfolg.
2
1. Der Strafausspruch hält erneut rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3
Die Strafzumessungserwägungen der Strafkammer haben durchweg moralisierenden Charakter, begründen damit die Gefahr einer gefühlsmäßigen, auf unklaren Überlegungen beruhenden Strafzumessung und lassen zudem erneut besorgen, dass das Landgericht das bloße Fehlen strafmildernder Umstände strafschärfend berücksichtigt hat.
4
a) Die Strafkammer wirft dem Angeklagten unter anderem eine „nach wie vor anhaltende Verharmlosung des Konsums von Cannabis“ vor, wobei dies „um so befremdlicher erscheine, als er mit den Endverbrauchern … und deren möglichen Nöten mit schwierigen psychischen Zuständen keine Berührung gehabt , sondern als bloßer Zwischenhändler agiert habe, sich aber zur Legitimation seines Handelns gerade auf die heilsamen Wirkungen des Cannabis berufen habe“. Diese Formulierungen lassen nicht nur besorgen, die Strafkammer werfe ihm damit die bloße Begehung der von ihm eingeräumten Veräußerung von Cannabis vor; sie werden auch nicht von der an anderer Stelle mitgeteilten Erklärung des Angeklagten getragen, der u.a. auf eine Petition zur Entkriminalisierung von Cannabis und eine deutlich geringere Gefährlichkeit dieses Rauschmittels gegenüber dem Alkohol und damit in zulässiger Weise auf eine bestehende Diskussion um den Umgang mit der Droge Cannabis hingewiesen hat. Daraus auf eine dem Angeklagten vorzuwerfende „Verharmlosung des Konsums von Cannabis“ zu schließen, liegt fern.
5
b) Das Landgericht erachtet eine Reihe von Umständen nicht für strafschärfend , misst ihnen allerdings auch keine mildernde Wirkung zu. Die Strafkammer hat in diesem Zusammenhang ausgeführt:
6
„Der Angeklagte hat die Taten aus dem einzigen Grund begangen,um sich zu bereichern; das ist zwar Teil des Merkmals des Handeltreibens, hat aber auch nicht die denkbare mildernde Bedeutung, wie es der Fall wäre, wenn der Angeklagte ohne Motivation gehandelt hätte, Geld zu erlangen, etwa wenn er ohne Gewinnerzielungsabsicht nur für seinen Verbrauch - zumal wenn er sich als süchtig erlebt hätte - und den von wenigen Bekannten oder Freunden, oder gar nur mit dem Motiv, anderer Leute Schmerzen oder Unwohlgefühlen abzuhelfen, gehandelt hätte.“
7
Diese Erwägungen lassen - ähnlich wie schon in der ersten vom Senat aufgehobenen Entscheidung - wiederum besorgen, dass die Strafkammer zu Lasten des Angeklagten das bloße Fehlen der genannten strafmildernden Umstände berücksichtigt hat. Soweit das Landgericht darüber hinaus anführt, die Bereicherungsabsicht des Angeklagten habe nicht die „denkbare mildernde Bedeutung“ wie bei einem Handeln ohne Gewinnerzielungsabsicht, handelt es sich um kaum nachvollziehbare und letztlich unzulässige Erwägungen zu Ungunsten des Angeklagten. Die Gewinnerzielungsabsicht ist Teil des Handeltreibens , eine mildernde Bedeutung kann ihr insoweit nicht zukommen. Ein Handeln ohne Gewinnerzielungsabsicht lässt den Tatbestand entfallen; wird dem Täter angelastet, es hätte sich (stärker) zu seinen Gunsten ausgewirkt, wenn er ohne die Absicht der Gewinnerzielung gehandelt hätte, liegt darin die zweifelhafte Erwägung, es sei „nicht mildernd“, dass der Tatbestand erfüllt sei.
8
c) Die Strafkammer hat zu Gunsten des Angeklagten seine Haftempfindlichkeit berücksichtigt, dies aber nur eingeschränkt, weil dem Angeklagten bekannt gewesen sei, dass ihn im Falle der Aufdeckung eine erhebliche Strafe erwarten würde. Die Kenntnis des Angeklagten von der Strafbarkeit seines Handelns wirkt sich in der Sache demnach strafschärfend aus, ohne dass es hierfür einen rechtfertigenden Grund gäbe. Das Bewusstsein, Unrecht zu tun (vgl. § 17 StGB), ist Voraussetzung für die Strafbarkeit die Strafgesetze verletzender Verhaltensweisen; es gibt demnach keinen Anlass, dem Täter die Kenntnis von der Strafbarkeit seines Tuns strafschärfend anzulasten.
9
2. Der Ausspruch über den Wertersatzverfall erweist sich als fehlerhaft, weil die Strafkammer es entgegen der vom Senat bindend seiner vorangegangenen Entscheidung zugrunde gelegten Rechtsansicht versäumt hat, die Verurteilung des Angeklagten als Gesamtschuldner auszusprechen. Dass dies möglich ist, ohne dass der Mitverfügungsgewalt innehabende Mittäter schon verurteilt sein muss oder zumindest gleichzeitig verurteilt wird, ergibt sich ohne Weiteres aus der vom Senat dort in Bezug genommenen Entscheidung (BGH, Beschluss vom 25. September 2013 - 4 StR 351/13).
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3. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Strafausspruches und der Entscheidung über den Wertersatzverfall. Davon erfasst werden auch die von der Strafkammer getroffenen Feststellungen, so dass der neue Tatrichter Gelegenheit erhält, ohne moralisierende Umschreibungen eine § 46 StGB entsprechende Strafe zuzumessen.
Fischer Schmitt Krehl
Eschelbach Zeng

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.

(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.

(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.

(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR445/14
vom
13. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 13. Januar 2015 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 11. Juli 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit dem Angeklagten Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung ist nicht rechtsfehlerfrei begründet.
3
Das Landgericht hat dem Angeklagten eine günstige Kriminalprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB versagt und auch keine „besonderen Umstän- de“ gemäß § 56 Abs. 2 StGB zu erkennen vermocht.
4
a) Die Verneinung einer günstigen Sozialprognose begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht ist von einer Neigung des Angeklagten zu sexuellen Übergriffen auf Mädchen im Kindesalter ausgegangen, „die bisher weder von ihm noch im Familienverbund aufgearbeitet“ worden sei. Es hat dem Angeklagten angelastet, „keine professionelle Hilfe bei der Aufarbeitung des Tatgeschehens“ gesucht zu haben. Der – die Tat in Abrede nehmende – Angeklagte hätte sich indes zu seinem Recht, den Tatvorwurf zu bestreiten , in Widerspruch setzen müssen, wenn er diese Neigung zugegeben und z.B. vorgetragen hätte, er habe bereits an einer fachkundigen Behandlung teilgenommen. Im Hinblick auf die Verteidigungsrechte des Angeklagten durfte ihm der Tatrichter diesen Vorwurf nicht machen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. April 1997 – 2 StR 44/97, NStZ 1997, 434).
5
Die Strafkammer hat sich an dieser Stelle auch nicht – wie erforderlich – mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit insbesondere durch die Erteilung von Therapieweisungen sowie Weisungen nach § 56c Abs. 2 Nr. 3 StGB die Voraussetzungen für eine günstige Kriminalprognose geschaffen werden können (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Oktober 1991 – 4 StR 440/91, BGHRStGB § 56 Abs. 1 Sozialprognose 21, und vom 19. März 2013 – 5 StR 41/13, BGHR StGB § 56 Abs. 2 Sozialprognose 5).
6
b) Auf diesen Rechtsfehlern kann die Ablehnung der Strafaussetzung zur Bewährung beruhen.
7
Es ist nicht auszuschließen, dass der Tatrichter dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose gestellt hätte, da dieser nicht vorbestraft und sozial integriert ist.
8
Hätte die Strafkammer eine günstige Prognose gestellt, so wäre sie auch bei der Prüfung des Vorliegens „besonderer Umstände“ (§ 56 Abs. 2 StGB) möglicherweise zu einem anderen Ergebnis gelangt. Denn nach ständiger Rechtsprechung kann die Frage einer günstigen Sozialprognose auch für die Beurteilung bedeutsam sein, ob Umstände von besonderem Gewicht im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB vorliegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Februar1994 – 2 StR 623/93, StV 1995, 20, vom 28. Juni 1995 – 2 StR 284/95, und vom 9. April 1997, aaO; Urteil vom 20. Januar 2000 – 4 StR 365/99).
9
2. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten als unbegründet zu verwerfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen weiteren Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
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3. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass der Vorwurf, der Angeklagte habe auch S. im Kindesalter missbraucht, bisher nur durch Zeugnis vom Hörensagen in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.