Oberlandesgericht Hamm Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil, 21. Jan. 2016 - 18 U 37/13
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.586,25 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. November 2015 zu zahlen;
im Übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das am 20.2.2013 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer – Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bochum zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2A.
3Der Kläger verfolgt gegen die Beklagte noch Ausgleichsansprüche gem. § 89 b HGB (an.) aus dem sog. Wasch- und Shopgeschäft.
4Der Kläger war seit 1999 Pächter verschiedener Tankstellen der Beklagten. Er betrieb zuletzt aufgrund des „C Tankstellen- und C Store-Konzeptvertrages“ (im Folgenden: Tankstellenvertrag) vom 7.11.2003 die Station D-Straße in E. In dem Formularvertrag heißt es auszugsweise wie folgt:
5C Tankstellen- und C Store-Konzeptvertrag
6(Tankstellenvertrag)
7Präambel
8…
9I. Lizenz und Betriebspacht
10...
112. Nutzungsumfang
122.1 Der Geschäftsbetrieb wird verpachtet
13a) zum Vertrieb von C Produkten und sonstigen Agenturwaren (vgl. Abschnitt II),
14b) zum Betrieb eines Einzelhandels- und Gastronomiegeschäfts unter Nutzung des C Store-Konzeptes (vgl. Abschnitt III),
15c) zum Betrieb einer Waschanlage …
16…
17II. Kraft-, Schmierstoffe und sonstige Agenturwaren
18…
19III. C Store-Konzept
2012. Grundlagen
2112.1 C hat unter der Bezeichnung „C Store“ bundesweit ein qualitativ hochwertiges … Sortiment in den verschiedenen Bereichen (Food und Nonfood) definiert, das in einem einheitlichen, typischen Gesamter- scheinungsbild angeboten wird. Dieses Sortiment ist die Grundlage für den Aufbau, die Struktur, die Qualität und den Erfolg des C Store- Konzeptes …
2212.2 Partner und C sind sich darüber einig, dass die einheitliche Anwendung des
23C Store-Konzeptes von entscheidender Bedeutung für den
24Erfolg des Konzeptes ist. … Die Vertragsparteien stimmen überein, dass dieses voraussetzt, dass auch der Partner die Grundsätze des C Store-Konzeptes beachtet. …
25…
2612.4 … Partner entscheidet aufgrund seiner Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse über das konkrete Angebot. Er wird dabei die Grundsätze des C Store- Konzeptes beachten. Partner legt die Endverkaufspreise selbstverantwortlich fest, mit Ausnahme für die Agentur- und Kommissionswaren.
2712.5 Partner betreibt das Einzelhandelsgeschäft im eigenen Namen und auf eigene Rechnung als „C Store“, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist. C wird dem Partner bestimmte Lieferanten empfehlen oder selbst als Anbieter auftreten. Partner ist jedoch in der Auswahl seiner Lieferanten frei.
2813. Petit Bistro
29…
3015. Verkaufsförderung und Werbemittel
31…
3216. Kommissionsgeschäft
3316.1 Partner beteiligt sich an den von C angebotenen Aktionen mit ausgewählten Aktionswaren, die üblicherweise nicht zu dem empfohlenen Sortiment gehören. Die Aktionswaren werden im Namen des Partners aber für Rechnung des Kommittenten verkauft.
34…
3516.6 Partner erhält von C eine Provision vom Netto-Verkaufspreis der Aktionswaren zuzüglich Umsatzsteuer …
36…
37IV. Waschgeschäft
3817. C SuperWash
3917.1 C hat ein Systemwaschgeschäft unter der Bezeichnung „C SuperWash“ entwickelt. Es zeichnet sich insbesondere durch einheitliche technische und optische Ausstattung der … Anlagen aus. Das System beinhaltet weiterhin ein von C herausgegebenes und mit namhaften Herstellern entwickeltes Wasch- und Reinigungschemie-Programm. Die Vertragsparteien stimmen überein, dass zur Wahrung eines einheitlichen Außenauftritts auch die angebotenen Waschprogramme einheitlich sein sollten.
4017.2 C überlässt Partner eine Waschhalle einschließlich Autowaschanlage und Nebenaggregaten. Partner wird diese im eigenen Namen und auf eigene Rechnung unter der Bezeichnung „C SuperWash“ betreiben.
41…
4218. Grundlagen Waschgeschäft
4318.1 Partner trägt die wasserrechtliche Verantwortung für den ordnungsgemäßen Betrieb der Waschhalle/Portalwaschanlage … Zur Erzielung optimaler Waschergebnisse, zur Sicherung eines einwandfreien Betriebsablaufes und zur
44Erreichung größtmöglichen Gewässerschutzes wird Partner nur geeignete Wasch-, Konservierungs- und Reinigungsmittel verwenden, z.B. die C Waschchemie-Serien. C behält sich das Recht vor, zur Abwendung von Schäden die Nutzung von einzelnen Produkten und/oder Lieferanten auszuschließen.
45…
46V. Entgelte
4720. Provision
48…
4921. Pachten
5021.1 Für die Überlassung des Geschäftsbetriebs zahlt Partner eine Pacht gemäß den nachfolgenden Grundsätzen
51…
52(c) … Standortpacht …
53…
54(f) … Umsatzpacht auf Nettoumsätze …
55…
56- Autowaschanlage:
57sofern die Autowaschanlage von C gestellt wird 45,0 %
58…
59…
60Im Zusammenhang mit der Vereinbarung des neuen Vertrages trafen die Parteien eine modifizierende Vereinbarung über den Handelsvertreterausgleichsanspruch; dieser sollte sich „auf der Grundlage der alten Konditionen und der aktuellen Absätze“ berechnen. Auch mit dem Kläger schloss die Beklagte eine „Vereinbarung E-Loading“ betreffend „die elektronische Aufladung und die Vermittlung von Prepaid-Mobilfunkguthaben und anderen Prepaid-Services …“, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 136ff. d.A.). Mit Schreiben vom 8.2.2010 kündigte die Beklagte den Tankstellenvertrag mit Wirkung zum 31.3.2011.
61Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe auch für das Wasch- sowie das Shopgeschäft ein Ausgleichsanspruch gem. § 89 b Abs. 1 HGB (an.) zu.
62Ausgleichspflichtig seien die Einnahmen aus dem Waschgeschäft, weil es sich dabei wegen der Bindung an die Lieferanten der Waschchemie und die übrigen Vorgaben der Beklagten betreffend das Marketing ebenfalls um ein Agenturgeschäft handele. Hier liege der Stammkundenumsatzanteil ausweislich einer „G-Analyse“ bei 81,44 %. Zusammen mit dem Kraftstoff- und Schmierstoffprovisionen hat der Kläger insoweit einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 225.839,39 € (brutto) ermittelt.
63Das Shopgeschäft sei ausgleichspflichtig, weil es sich um ein „System-Geschäft“ handele, bei dem der Pächter wie ein Handelsvertreter in die Absatzorganisation der Beklagten eingebunden sei. Eine Freiheit bei der Auswahl der Lieferanten stehe allenfalls auf dem Papier. Die Nichteinhaltung einer „Loyalitätsquote“ von 100 % habe nicht nur den Ausschluss vom sog. Accelerator-Programm der Beklagten, sondern auch die Kündigung des Tankstellenvertrags zur Folge gehabt. Die Beklagte setzte lückenlose Marketingstrategien durch, innerhalb derer sie z.B. auch das Sortiment bestimme und dem Pächter bei der gebotenen Gesamtbetrachtung keinerlei nennenswerten Spielraum für unternehmerische Entscheidungen mehr belasse. Angesichts eines Stammkundenanteils von 66,44 % ergebe sich ein Ausgleichsanspruch von 452.578,00 € (brutto).
64Der Kläger hat für den Fall, dass ein Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung des § 89 b Abs. 1 HGB nicht bestehe, Schadensersatzansprüche in Höhe von insgesamt 430.317,00 € geltend gemacht, die er darauf gestützt hat, durch die „Empfehlungen“ der Beklagten davon abgehalten worden zu sein, selbst mit den Lieferanten Skonti (3 %) und Boni (5 %) auszuhandeln. Er hat unter Berücksichtigung eines der Beklagten aus der Schlussabrechnung unstreitig zustehenden Betrages von 59.129,79 € eine Gesamtforderung von 619.287,60 € errechnet.
65Der Kläger hat ferner die Klage um einen Anspruch auf Neuabrechnung des Agenturgeschäfts und Auszahlung des sich daraus ergebenden Guthabens erweitert, der darauf gründet, dass die Beklagte die ihm zustehenden Margen bezüglich derjenigen Tankvorgänge, während derer eine Kraftstoffpreiserhöhung stattgefunden habe, nicht nach den jeweils maßgeblichen Preisen errechnet habe.
66Der Kläger hat - nach teilweiser Rücknahme der Klage um 59.129,79 € - beantragt,
67die Beklagte zu verurteilen,
68an ihn 560.157,81 € sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 2.259,90 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.6.2011, zu zahlen sowie
69die ihm im Zeitraum vom 1.1.2002 bis einschließlich 31.3.2011 erstellten Abrechnungen aus dem Agenturbestand zu korrigieren und die sich hieraus ergebende weitere Provision nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz an ihn auszuzahlen.
70Die Beklagte hat beantragt,
71die Klage abzuweisen.
72Sie ist der Auffassung des Klägers, das Wasch- sowie das Shopgeschäft seien ausgleichspflichtig, mit näheren Ausführungen entgegengetreten. Sie hat insbesondere darauf verwiesen, dass keine zwingenden Vorgaben bezüglich der Preise der Autowäschen und auch keine Verpflichtungen bezüglich der Lieferanten für die Shop-Waren bestünden. Abgesehen davon könne der Kläger nicht die Umsatzerlöse als Provisionen betrachten.
73Die Parteien haben im Wege eines Teilvergleichs vom 9.1.2013 den Ausgleichsanspruch des Klägers aus dem „Kraft- und Schmierstoffgeschäft“ sowie „etwaige Ansprüche aus der Effektivabrechnung“ nebst darauf entfallender Zinsen mit einem Zahlungsanspruch des Klägers in Höhe von 110.000,00 € abgegolten, womit auch die Gegenforderung in unstreitiger Höhe von 59.129,79 € erledigt sein sollte. Daraufhin haben die Parteien ausweislich des Terminsprotokolls vom 9.1.2013 „im Übrigen“ mit den vorgenannten Anträgen verhandelt.
74Mit Urteil vom 20.2.2013 hat das Landgericht die Klage bis auf einen geringen Betrag der verlangten außergerichtlichen Anwaltskosten abgewiesen. Es führt näher aus, weder das Wasch- noch das Shopgeschäft seien gem. § 89 b Abs. 1 HGB (an.) ausgleichspflichtig.
75Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine Ansprüche, soweit seine Klage abgewiesen worden ist, weiter.
76Er bekräftigt seine Auffassung, wonach das Waschgeschäft ausgleichspflichtig sei. Das Landgericht habe verkannt, dass die Beklagte Preisvorgaben direkter und indirekter Art mache. So stehe dem Pächter insbesondere auch nicht die Teilnahme an Sonderaktionen frei. Ein technisches Erfordernis, nur Wasch- und Pflegemittel bestimmter Hersteller einzusetzen, gebe es nicht. Die Annahme des Landgerichts, er habe zur Vorgabe der Waschpreise nicht substantiiert vorgetragen, beruhe jedenfalls auf einem Verstoß gegen § 139 ZPO.
77Auch aus dem Shopgeschäft stehe ihm ein Ausgleichsanspruch zu. Es habe eine Einbindung in das Vertriebssystem der Beklagten stattgefunden, die derjenigen eines Handelsvertreters entspreche. Auch hier seien Ein- und Verkaufspreise vorgegeben worden, doch genügten bereits die übrigen Umstände, um das Shopgeschäft einem Agentur-Geschäft gleichzustellen, z.B. die Vorgaben zur Warenpräsentation und deren regelmäßige Kontrollen sowie das sog. Labour Modell, mit dem in die „Personalhoheit“ der Pächter eingegriffen werde. Entscheidend sei auch, dass die Beklagte selbst als Lieferantin des Pächters fungiere, die sich dabei der Fa. F lediglich als ihres „Logistikdienstleisters“ bediene. Die im Tankstellenvertrag enthaltene Regelung, wonach der Partner das Einzelhandelsgeschäft im eigenen Namen und auf eigene Rechnung betreibe (Ziff. 12.5), stehe ohnehin unter dem Vorbehalt, dass nicht etwas anderes vereinbart sei. Genau dies sei indes z.B. mittels des „C-Store-Konzepts“ geschehen. Z.B. sei der Pächter an dem Verkauf anderer als der vorgegebenen Telefonkarten gehindert, weil keine Kompatibilität mit dem gestellten Terminal bestehe und eine Integration solcher Verkäufe in das Kassensystem nicht möglich sei. Die Beklagte selbst sehe in der Vereinbarung „E-Loading“ für den Verkauf von „elektronischen Prepaid-Produkten“ eine „umsatzabhängige Vermittlungsprovision“ vor. Auch angesichts ihrer verbindlichen Vorgaben zum Shop-Layout und zum Regalspiegel, deren Einhaltung sie regelmäßig kontrolliere, gebe es deshalb keinen „selbstständigen Shop-Kaufmann“, der entscheide, welche Waren er anbiete und wieder aus dem Sortiment nehme, sondern diese Entscheidungen treffe ausschließlich die Beklagte. Bei der Geschäftsplanung für die einzelnen Tankstellen stelle die Beklagte auch die von ihren „Categorie Managern“ geplanten Margen ein. Durch die von der Beklagten für die Pächter vorgenommene Geschäftsplanung über das interne „Tool Performance Monitoring“ lägen schließlich nicht nur die Einkaufs-, sondern auch die Verkaufspreise der Shopwaren fest. Soweit das Landgericht ausführe, der Kläger habe nicht substantiiert vorgetragen, dass die Beklagte auch die Preisgestaltung wahrnehme, habe es wiederum einen Hinweis gem. § 139 ZPO unterlassen. Die Erkenntnisse zum „Tool Performance Monitoring“ habe der Kläger überdies erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz gewonnen.
78Der Kläger hat im Rahmen des Beschlusses vom 28.5.2015 Gelegenheit erhalten, einen etwaigen Handelsvertreterausgleich aus der „Vereinbarung E-Loading“ zu beziffern. Er hat daraufhin unter Bezugnahme auf eine Analyse der Fa. G diesen Anspruch zunächst mit 3.894,99 € ermittelt. Dieser Berechnung ist die Beklagte mit näheren Ausführungen entgegengetreten, wobei sie u.a. gerügt hat, dass nicht der Jahreszeitraum vor Vertragsbeendigung zugrunde gelegt worden sei, und dass das Kraftstoffgeschäft mit dem E-Loading-Geschäft nicht vergleichbar sei, zumal damit ein ganz anderer Kundenkreis als beim Kraftstoffgeschäft angesprochen werde. Auf einen weiteren Hinweisbeschluss des Senats hat der Kläger unter dem 17.11.2015 eine modifizierte Ermittlung seines Ausgleichsanspruchs vorgenommen, aufgrund derer er jetzt noch zu einem Ausgleichsanspruch in Höhe von 2.586,25 € gelangt.
79Diesen Betrag nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.11.2015 erkennt die Beklagte an.
80Der Kläger, der seine Klage mit Schriftsatz vom 11.11.2013 zunächst um 54.335,60 € erweitert hat, beantragt nunmehr,
81I.
82das Urteil des Landgerichts Bochum vom 20.2.2013 teilweise abzuändern und
83II.
84ein Anerkenntnisurteil zu erlassen,
85III.
86die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 504.493,41 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.6.2011 - abzüglich des anerkannten Betrages - sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 2.259,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.6.2011 zu zahlen.
87Die Beklagte beantragt,
88die Berufung zurückzuweisen.
89Sie verteidigt die Ablehnung jeglicher Ausgleichsansprüche in Bezug auf das Wasch- und das Shopgeschäft und verweist zunächst auf die Entscheidung des Senats vom 29.7.2013 (Az. 18 U 169/12), deren Begründung auch für den vorliegenden Fall gelten müsse.
90Was das Waschgeschäft angehe, so habe der Kläger bei der Festlegung der Preise keine verbindlichen Vorgaben einhalten müssen; es habe auch keine Verpflichtung zur Teilnahme an „Aktionen“ gegeben. Auch der Kläger im Parallelverfahren 18 U 169/12 habe bei seiner Anhörung vor dem Senat eingeräumt, dass die Pächter unterschiedliche Preise für die Wäschen verlangen könnten. Im Übrigen bleibe der Stammkundenabsatzanteil bestritten; die Margen im Waschgeschäft könnten auch nicht mit den (hypothetischen) Agenturprovisionen gleichgesetzt werden.
91Auch hinsichtlich des Shopgeschäfts sei den Ausführungen des Landgerichts zu folgen. Entscheidend sei, dass es keine Lieferanten-Bindung des Pächters gebe, unabhängig davon, ob die Beklagte selbst oder sonstige Unternehmen als „Empfehlungslieferanten“ fungierten. Selbst wenn der Kläger für den Fall der Nichteinhaltung von „Empfehlungen“ bezüglich der Lieferantenauswahl mit der Kündigung konfrontiert worden sei, ersetze dies nach den Maßstäben des Bundesgerichtshofs (Urt. vom 22.12.2003, Az. VI ZR 6/03) nicht die erforderliche Eingliederung in die Absatzorganisation. Auch sämtlicher weiterer Vortrag des Klägers ändere nichts daran, dass er einem Handelsvertreter nicht gleichstehe. Auch bezüglich des Shopgeschäfts bleibe im Übrigen der angebliche Stammkundenabsatzanteil bestritten; es sei auch in diesem Segment unzutreffend, die Marge mit (hypothetischen) Provisionen gleichzusetzen.
92Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zu den Akten gereichten Anlagen Bezug genommen.
93B.
94Die Berufung des Klägers bleibt ganz überwiegend ohne Erfolg.
95I.
96Die Berufung des Klägers ist entgegen der Auffassung der Beklagten insgesamt zulässig.
97Der Kläger hat seine Klage auf den Hinweis vom 17.10.2013 in zulässiger Weise um 54.335,60 € auf 504.493,41 € erweitert. Bei dem Betrag von 54.335,60 € handelt es sich um die Differenz zwischen dem nach seiner Auffassung in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht gestellten Zahlungsantrag – 560.157,81 € abzgl. des Vergleichsbetrages von 110.000,00 €, mithin 450.157,81 € - und der Summe aus dem schon in der Klageschrift errechneten Shop-Ausgleich in Höhe von 452.578,00 € und dem nunmehr mit 51.915,41 € bezifferten Waschgeschäft-Ausgleich.
98Insoweit liegt eine Klageänderung in Form der Klageerweiterung vor, die den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 533 ZPO unterliegt. Die Sachdienlichkeit ist jedoch gegeben. Ferner liegen die Voraussetzungen des § 533 Nr. 2 ZPO vor, soweit der Kläger nunmehr erstmals seinen – angeblichen – Anspruch auf Ausgleich für das Waschgeschäft beziffert. Denn erstinstanzlich sind noch keine Hinweise auf die bislang fehlende Darlegung dieses Anspruchs erfolgt; sie sind auch von der Beklagten nicht näher thematisiert worden.
99II.
100Im Umfang ihres Anerkenntnisses ist die Beklagte gem. § 307 S. 1 ZPO zu verurteilen.
101III.
102Weitere Ausgleichsansprüche des Klägers bezüglich des Wasch- und Shopgeschäfts bestehen nicht.
1031.
104Bezüglich des Waschgeschäfts gilt:
105a)
106Der Kläger hat die Waschanlage gem. Ziff. 17.2 des Tankstellenvertrags im eigenen Namen und auf eigene Rechnung betrieben. Er war insoweit nicht Handelsvertreter der Beklagten, mag diese ihr auch die Waschanlage gestellt haben, so dass sich der Kläger nicht auf die Regelung des § 89 b HGB in direkter Anwendung berufen kann.
107Anders läge es nur dann, wenn das sog. Waschgeschäft eine im Hinblick auf das eigentliche Tankstellengeschäft, also den Verkauf von Kraft- und Schmierstoffen („Agenturwaren“), solchermaßen unselbstständige Betätigung darstellte, dass trotz der vom Agenturgeschäft gesonderten rechtlichen Ausgestaltung als „Eigengeschäft“ eine Differenzierung im Hinblick auf einen Ausgleichsanspruch nicht hinnehmbar wäre oder gar als unzulässiger Ausschluss eines Ausgleichsanspruchs gem. § 89 b Abs. 4 S. 1 HGB aufzufassen wäre.
108Für eine solche Betrachtungsweise fehlt es jedoch an tragfähigen Anhaltspunkten. Der Betrieb der Waschanlage mag in das Marketingkonzept der Beklagten gehören, doch ändert dies nichts daran, dass der eigentliche Tankstellenbetrieb davon rechtlich und tatsächlich unabhängig ist. Die Vorhaltung der Waschanlage stellte auch im Rahmen des Tankstellenvertrags mit dem Kläger ein zusätzliches Serviceangebot an Autofahrer dar, das für den Pächter mit spezifischen Chancen und Risiken verbunden ist, die beim eigentlichen „Tankgeschäft“ nicht auftreten. Entscheiden sich die Vertragspartner bei dieser Sachlage dazu, dass der Pächter das Waschgeschäft im eigenen Namen und auf eigene Rechnung betreibt, schließt es diese Regelung aus, den Pächter gleichwohl auch insoweit als Handelsvertreter anzusehen.
109b)
110Indes kann nach herrschender Auffassung auch die Absatztätigkeit eines Vertrags- oder Eigenhändlers zu Ausgleichsansprüchen in entsprechender Anwendung des § 89 b Abs. 1 HGB führen (z.B. BGH, Urt. vom 5.2.2015, Az. VII ZR 315/13, NJW 2015, S. 1300, Rn. 11; Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl., § 84 HGB Rn. 11ff.; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Löwisch, HGB, 3. Aufl., § 89 b, Rn. 213).
111Die Entstehung eines solchen Ausgleichsanspruchs erfordert jedoch zum einen die Eingliederung in die Absatzorganisation des Herstellers/Lieferanten dergestalt, dass der Partner bzw. Vertragshändler/Franchisenehmer „wirtschaftlich in erheblichem Umfang einem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hat“, und setzt zum anderen die Verpflichtung voraus, dem Unternehmer spätestens bei Vertragsende den Kundenstamm zu übertragen, so dass sich dieser die „Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann“ (BGH, Urt. vom 22.10.2003, Az. VIII ZR 6/03, NJW-RR 2004, S. 898; Urt. vom 5.2.2015, Az. VII ZR 315/13, a.a.O.). Diese Voraussetzungen gelten auch im Verhältnis zwischen Franchisenehmer und –geber (BGH, Urt. vom 5.2.2015, Az. VII ZR 109/13), wobei der Bundesgerichtshof die Frage einer analogen Anwendbarkeit des § 89 b HGB auf Vertragshändler- oder Franchiseverhältnisse in dieser Entscheidung sogar als bislang nicht entschieden ansieht.
112Ferner hat der Bundesgerichtshof, der zunächst offengelassen hatte, ob beim Franchising anstelle der rechtlichen Verpflichtung das tatsächliche Verbleiben des Kundenstammes beim Franchisenehmer ausreicht (NJW 1997, 3304 - „Benetton“), im soeben genannten Urteil vom 5.2.2015 (Az. VII ZR 109/13) festgestellt, dass bei Franchiseverträgen, die ein im Wesentlichen anonymes Massengeschäft betreffen, eine bloß faktische Kontinuität des Kundenstammes nach Vertragsbeendigung die entsprechende Anwendung der auf Handelsvertreter zugeschnittenen Bestimmung des § 89 b HGB nicht rechtfertigt. Diese Entscheidung betraf Ausgleichsansprüche aus dem Betrieb zweier Backshops im Rahmen eines Franchisesystems. Sie ist jedoch auch auf den vorliegenden Fall anwendbar:
113Auch bei dem Betrieb der Autowaschanlage auf der Station Am Südring in E handelte es sich um ein anonymes Massengeschäft im Sinne des Bundesgerichtshofs. Da der Kläger zu einer „Übertragung des Kundenstamms“ der Waschanlage nicht verpflichtet war, eine solche nicht vornehmen konnte und auch nicht vorgenommen hat, scheitern Ausgleichsansprüche für das Waschgeschäft bereits aus diesem Grund.
114Soweit der Kläger im Rahmen des Betriebs der Waschanlage „Waschkarten“ (mit dem Versprechen einer Gratiswäsche nach einer bestimmten Anzahl von Wäschen) ausgegeben sowie (Wasch-)Umsätze auch mit sog. Stationskreditkunden erzielt hat, ergibt sich daraus auch nicht teilweise eine andere rechtliche Bewertung: Denn die Ausgabe von Waschkarten selbst führt nur zu einer faktischen Bindung der betreffenden Kunden; diese selbst bleiben anonym. Aus solchen „Kundenbindungsmechanismen“ folgt jedenfalls keine Verpflichtung des Pächters, den Kundenstamm zu übertragen, die für die Existenz eines Ausgleichsanspruchs entscheidend ist (BGH, a.a.O., Az. VII ZR 109/13 Rn. 14). An dieser Verpflichtung fehlt es auch bezüglich der Stationskreditkunden. Die Beziehung zu ihnen wird und darf der Pächter mit Aufgabe der Station beenden. Eine Verpflichtung, diese Geschäftsverbindungen „weiterzugeben“, ist im Tankstellenvertrag nicht enthalten. Im Übrigen scheitert eine entsprechende Anwendung des § 89 b HGB auf den Franchisenehmer bereits dann, wenn der von ihm geworbene Kundenstammim Wesentlichen anonym und als solcher nicht ohne weiteres für den Franchisegeber nutzbar ist (BGH, a.a.O, Rn. 18). Da die Umsätze des Klägers mit Stationskreditkunden deutlich unter 1 % der Gesamtumsätze (sowohl im Wasch- als auch im Shopgeschäft) lagen, handelte es sich bei der gebotenen Gesamtbetrachtung um einen im wesentlichen anonymen Kundenstamm.
115c)
116Auf die weitere von der Beklagten zu Recht thematisierte Frage, ob der Kläger einen etwaigen Ausgleichsanspruch aus dem Waschgeschäft auf der Grundlage der mit Stammkunden getätigten Umsätze ermitteln kann oder ob er gehalten wäre, sog. händlertypische Vergütungsbestandteile herauszurechnen, weil diese nicht mit in den Ausgleichsanspruch einfließen dürfen (BGH, Urt. vom 6.8.1997, Az. VIII ZR 92/96 NJW 1998, S. 71; Urt. vom 6.10.2010, Az. VIII ZR 209/07, NJW 2011, S. 848), kommt es nicht mehr an.
117d)
118Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch die Voraussetzungen für eine handelsvertreterähnliche Eingliederung in die Absatzorganisation der Beklagten, was den Betrieb der Waschanlage betrifft, nicht vorlagen. Der Kläger behauptet zwar, keine Möglichkeit gehabt zu haben, „Art oder Umfang oder Preis und sonstige wesentliche Merkmale der Leistungserbringung“ selbst zu bestimmen. Dem Senat ist hingegen aus anderen Verfahren bekannt, dass die Beklagte keine verbindlichen direkten Preisvorgaben gemacht hat; dass es im Fall des Klägers anders lag, hat er nicht konkret behauptet. Zwar mag es über die Akzeptanz von „Waschpässen“ und sogenannter Payback-Wäschen (zum ermäßigten Preis von nur 3,00 €) sowie durch die möglicherweise dem Kläger aufgedrängte Teilnahme an „Waschaktionen“ zu indirekten Preisvorgaben der Beklagten gekommen sein, denen er sich letztlich auch faktisch gebeugt hat. Doch ändert dies nichts daran, dass er rechtlich und tatsächlich in der Lage war, die Preise für die angebotenen Waschprogramme selbst festzulegen. Entsprechendes galt für die Auswahl der sog. Waschchemie. Auch insoweit bestand keine Verpflichtung, die Produkte von Empfehlungslieferanten einzusetzen. Dass sich der Kläger gleichwohl dazu entschloss, „der Einfachheit halber“ sowie zur Vermeidung etwaiger technischer Probleme darauf zurückzugreifen, bewirkt allenfalls eine faktische, aber keine rechtliche Einordnung in die „Absatzorganisation“ der Beklagten betreffend die Waschchemie.
1192.
120Für das Shopgeschäft gelten die vorgenannten Erwägungen unter lit. a) bis c) entsprechend.
121a)
122Auch hier scheitert ein Ausgleichsanspruch in direkter Anwendung des § 89 b HGB, weil der Kläger die Shopwaren im eigenen Namen verkauft hat.
123b)
124Er kann sich indes auch nicht auf eine entsprechende Anwendung des § 89 b HGB berufen. Das Shopgeschäft stellte, wie der Kläger selbst ausführt, ein sog. Systemgeschäft dar, so dass er insoweit durchaus als Franchisenehmer anzusehen ist. Als solcher kann er nur zu einem Ausgleichsanspruch gelangen, wenn eine Übertragung des Kundenstammes auf die Beklagte sichergestellt war. Auch hier ergab sich allenfalls eine faktische Kontinuität des Kundenstammes, die bei einem anonymen Massengeschäft, wie es der Umsatz im Shopsortiment darstellt, nicht ausreicht (BGH, Urt. vom 5.2.2015, Az. VII ZR 109/13). Die Existenz von Stationskreditkunden führt, wie dargelegt, nicht zu einer anderen Bewertung. Die Gründe, aus denen ein Ausgleich zu versagen ist, gelten auch insoweit, als der Kläger für die Beklagte gelegentlich Kommissionsware (genannt sind insoweit Sonnenbrillen) verkaufte.
125c)
126Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die Ermittlung des Ausgleichsanspruchs durch den Kläger, die er offensichtlich auf der Grundlage der Shop-Umsätze vorgenommen hat, der Notwendigkeit, händlertypische Vergütungsbestandteile zu eliminieren (z.B. BGH, Urt. vom 6.10.2010, Az. VIII ZR 209/07, NJW 2011, S. 848), nicht Rechnung trägt. Die dem Kläger von der Beklagten gewährten Margen waren offensichtlich so bemessen, daraus sowohl einen Teil der Standortpacht als auch Umsatzpacht zahlen zu können. Zumindest solche Vergütungsbestandteile können jedoch händlertypischen Charakter annehmen, weil es dem Händler – anders als dem Handelsvertreter - selbst obliegt, das Verkaufslokal vorzuhalten und etwa damit verbundene Kosten zu tragen.
1273.
128Dem Kläger steht auch aus der „Vereinbarung E-Loading“ kein höherer als der anerkannte Ausgleichsanspruch zu.
129Der Kläger hat über 2.586,25 € hinausgehenden Anspruch, namentlich einen solchen im Umfang von 3.894,99 €, nicht schlüssig dargelegt. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der ersten Berechnung, aufgrund derer der Kläger zu diesem höheren Betrag gelangte, schon nicht ausschließlich die Provisionseinnahmen im letzten Vertragsjahr (1.4.2010 - 31.3.2011) zugrundelagen, sondern - zum Ausgleich fehlender Daten für die Monate Juni 2010 und Januar 2011 – auch der Zeitraum 29.1. - 30.3.2010. Außerdem fehlte der Berechnung bereits deshalb die Schlüssigkeit, weil darin die nach der unwidersprochenen Darstellung der Beklagten nicht provisionspflichtigen Umsätze mit sog. Supercards einbezogen worden sind.
130III.
131Der in erster Instanz noch hilfsweise geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens.
132IV.
133Der Kläger kann auch keine weiteren vorgerichtlichen Anwaltskosten bezahlt verlangen.
134Es ist bei der diesbezüglichen Forderung des Klägers in Höhe von 2.259,90 € schon unberücksichtigt geblieben, dass das Landgericht bereits 384,18 € nebst Zinsen zugesprochen hat.
135Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten hat der Kläger im Übrigen bereits dem Grunde nach nicht hinreichend vorgetragen. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass sich die Beklagte mit dem Ausgleich eines begründeten Anspruchs in Verzug befand, als die Anwaltskosten anfielen (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB). Das lässt sich dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen.
136V.
137Die Kostenentscheidung des Landgerichts, das eine Quote von 83:17 zu Lasten des Klägers errechnet hat, ist nicht zu beanstanden: Die in erster Instanz vergleichsweise vereinbarten 110.000,00 € machen 17,76 % der vom Kläger zunächst verlangten 619.287,60 € aus. Im Hinblick auf den im Laufe des Verfahrens vom Kläger noch geltend gemachten Anspruch auf Abrechnungskorrektur („Effektivabrechnung“) ist eine Abrundung auf 17 % angemessen. Eine Bemessung der Quote unter zusätzlichem Ansatz der (ebenfalls abgewiesenen) Schadensersatzansprüche war wegen der wirtschaftlichen Identität dieser Ansprüche mit dem Ausgleichsanspruch (an.) § 89 b HGB nicht erforderlich.
138VI.
139Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1, 93 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
140Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor: Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung; auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Zulassung nicht.
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Hamm Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil, 21. Jan. 2016 - 18 U 37/13
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Oberlandesgericht Hamm Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil, 21. Jan. 2016 - 18 U 37/13 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.
Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn
- 1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und - 2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.
Erkennt eine Partei den gegen sie geltend gemachten Anspruch ganz oder zum Teil an, so ist sie dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen. Einer mündlichen Verhandlung bedarf es insoweit nicht.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
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- Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Auto G. GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin). Diese war mehr als 30 Jahre lang als V. -Vertragshändlerin für die Beklagte tätig. Das Vertragsverhältnis wurde von der Beklagten ordentlich mit Wirkung zum 31. Januar 2000 gekündigt. Am 1. November 2000 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet.
- 2
- Mit der Klage hat der Kläger einen Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB analog in Höhe von 138.777,67 € nebst Zinsen geltend gemacht. Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 66.826,95 € nebst Zinsen verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 3
- Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 4
- Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 10. Juli 2007 - 5 U 63/06, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
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- Der geltend gemachte Ausgleichsanspruch analog § 89b Abs. 1 HGB scheitere nicht an § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB. Die Regelvermutung, dass der Verlust des Handelsvertreters dem Vorteil des Prinzipals entspreche, sei nicht widerlegt. Es sei nicht fernliegend, dass die Beklagte aus dem von der Klägerin geworbenen Kundenstamm auch dann erhebliche Vorteile ziehe, wenn sie ihn einem anderen Vertragshändler überlasse.
- 6
- Der Ausgleichsanspruch entfalle auch nicht deshalb, weil die Insolvenzschuldnerin nicht in Folge der Beendigung des Vertragsverhältnisses, sondern wegen Insolvenz Ansprüche auf Provision verliere. Hiergegen spreche, dass die Fortsetzung des Handelsvertretervertrages und die gleich bleibende Tätigkeit des Handelsvertreters zu unterstellen seien, sodass es nicht darauf ankomme, ob der Handelsvertreter überhaupt noch weitere provisionspflichtige Geschäfte hätte vermitteln können. Anderenfalls müsste auch einem alten oder kranken Handelsvertreter ein Ausgleichsanspruch vorenthalten werden, wenn er in Folge seines Alters oder seiner geschädigten Gesundheit absehbar nicht mehr in der Lage wäre, seine Arbeit für den Unternehmer fortzusetzen. Das stünde aber nicht damit in Einklang, dass mit dem Ausgleichsanspruch Vorteile abgegolten werden sollten, die dem Unternehmer durch die bisher geleistete Tätigkeit des Handelsvertreters zugekommen seien, nicht aber eine Vergütung für eine Tätigkeit gewährt werde, die der Handelsvertreter zukünftig hätte erbringen können.
- 7
- Für das letzte Vertragsjahr seien 16 Neuwagenverkäufe an Mehrfachkunden berücksichtigungsfähig. Aus diesen Mehrfachkundengeschäften errechne sich für das letzte Verkaufsjahr als Stammprovision (individueller Rohertrag ohne Boni) ein Betrag von 50.543,94 DM (785.049,15 DM [Summe der Verkaufspreise, in denen die Preisnachlässe enthalten sind] abzüglich 734.505,21 DM [Summe der Einkaufspreise]).
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- Der individuelle Rohertrag entspreche im Idealfall der Summe der Rabatte und Boni, die der Hersteller dem Händler auf den empfohlenen Verkaufspreis gewähre, und bleibe im Einzelfall nur insoweit hinter dieser Summe zurück, als der Händler Fahrzeuge unter Gewährung von Preisnachlässen und Skonti unter dem Listenpreis verkauft habe. Es sei nicht maßgebend, ob ein vertraglicher Anspruch auf die Zahlung der Zuschüsse (Boni) bestehe. Einzubeziehen seien alle Zusatzzahlungen ungeachtet des Umstands, ob sie bei Beendigung des Vertragshändlerverhältnisses bereits für den Prognosezeitraum versprochen gewesen seien und ob auf die in der Vergangenheit geleisteten Zusatzzahlungen ein Anspruch bestanden habe, es sei denn, dass sie händlertypisch seien, wie dies etwa für Zuschüsse für Vorführwagen angenommen werden müsse.
- 9
- Zu berücksichtigen seien damit Großabnehmerzuschüsse in Höhe von 12.318 DM. Es handele sich insoweit nicht um Verkaufshilfen, die zum Ausgleich des Absatzrisikos gezahlt würden und deshalb als handelsvertreteruntypische Leistungen unberücksichtigt bleiben müssten. Gegenleistungen für das Absatzrisiko sowie der Gegenwert für die sonstigen Kosten des Absatzes wären zwar als händlertypisch nicht ausgleichspflichtig. Um solche Leistungen handele es sich jedoch nicht. Die Großabnehmerzuschüsse seien zu berücksichtigen, weil der Rabatt, den der Händler dem Kunden gewähre, den Rohertrag des Händlers schmälere und der Ausgleich des Rabatts durch die Beklagte dazu führe, dass der Rohertrag des Händlers wieder steige. Zu berücksichtigen seien ferner Leasingzuschüsse in Höhe von 8.500 DM, weil auch insoweit der vom Händler dem Kunden gewährte Rabatt den Rohertrag des Händlers schmälere und der Ausgleich des Rabatts durch die Beklagte dazu führe, dass der Rohertrag des Händlers wieder steige. Dies sei auch dann der Fall, wenn der Zuschuss von der Beklagten über die Leasinggesellschaft an den Vertragshändler weiter geleitet werde. Auch die "Sondervergütung Gebrauchtfahrzeug" in Höhe von 2.000 DM sei zu berücksichtigen. Hierbei handele es sich um eine Zusatzvergütung , die den mit der Inzahlungnahme des Gebrauchtwagens verbundenen versteckten Rabatt des Händlers ausgleiche. Die Zahlung sei daher ebenso zu behandeln wie ein Großabnehmerzuschuss. Die zu berücksichtigenden Zusatzleistungen für das letzte Verkaufsjahr - einschließlich einer Prämie von 800 DM (Prämienaktion X 40 "Start") - betrügen somit 23.618 DM. Für das letzte Verkaufsjahr ergebe sich damit für Mehrfachkundengeschäfte ein individueller Rohertrag einschließlich Boni von 74.161,94 DM.
- 10
- Aus diesem Betrag seien die Rabattbestandteile herauszurechnen, die der Händler als Gegenleistung für händlertypische Tätigkeiten und Risiken erhalte. Denn für den Anspruch nach § 89b HGB analog sei nur der Anteil an den Neuwagenverkaufserlösen maßgebend, der der Provision eines Handelsvertre- ters für seine handelsvertretertypische, werbende Tätigkeit entspreche. Vorliegend betrage der Grundrabatt laut Händlervertrag 12,5 %. Für Vorführwagen (2 %), Werbung (1 %), Ausstellungsraum (1 %) und Verkaufspersonal (1 %) erhalte der Händler Zusatzrabatte von insgesamt 5 %. Der gebotene Abzug des Zusatzrabatts habe durch eine dem Verhältnis von Gesamtrabatt und Zusatzrabatt (5/17,5 x 100 = 29 %) entsprechende Reduzierung des Roherlöses des Händlers zu erfolgen. Davon sei der gesamte Rohertrag einschließlich Zusatzleistungen betroffen. Dies führe zu einer Reduzierung um 21.506,96 DM (= 29 % von 74.161,94 DM).
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- Weiter sei ein Abschlag für die verwaltende, vermittlungsfremde Tätigkeit des Händlers vorzunehmen. Dieser sei mit 2,5 % der unverbindlichen Preisempfehlung zu den Mehrfachkunden-Geschäften (890.309,35 DM), hier also mit 22.257,73 DM, anzusetzen. Soweit die Beklagte einen höheren Abzug von 3,16 % erstrebe, habe sie einen entsprechenden Verwaltungskostenanteil nicht hinreichend schlüssig vorgetragen. Danach verbleibe nach Abzug der Anteile für händlertypische und verwaltende Tätigkeiten ein Betrag von 30.397,24 DM (= 74.161,94 DM - 21.506,96 DM - 22.257,73 DM).
- 12
- Das Landgericht habe das letzte Vertragsjahr als typisch angesehen und deshalb für einen Prognosezeitraum von fünf Jahren die in dem letzten Vertragsjahr erzielten Roherlöse hochgerechnet. Die Typizität des letzten Vertragsjahres sei keine Tatsache, sondern ein Wertungsergebnis, das vom Berufungsgericht nach §§ 513, 546 ZPO nicht hingenommen werden müsse, wenn die Wertung auf unzutreffender Tatsachengrundlage erfolgt sei. Denn unter Berücksichtigung des vom Berufungsgericht errechneten Stammkundenumsatzes ergebe sich für das letzte Vertragsjahr eine andere Stammkundenquote, als sie das Landgericht in seine Überlegungen einbezogen habe. Im vorliegenden Fall sei es gerechtfertigt, auf den gesamten Fünfjahreszeitraum abzustellen, weil der Umsatz mit Mehrfachkunden in den Jahren 1995 bis 1999 stark geschwankt habe. Unterstelle man die von der Beklagten gegen das Zahlenwerk des Klägers für die Jahre 1995 bis 1998 vorgebrachten Angriffe als berechtigt, errechnete sich für den Fünfjahreszeitraum ein Betrag von 186.279,20 DM (= 281.045,87 DM [individueller Rohertrag] + 120.752,71 DM [Boni] = 401.798,58 DM - 116.521,59 DM [händlertypische Anteile: 29 % von 401.798,58 DM] - 98.997,79 DM [verwaltende Anteile: 2,5 % der unverbindlichen Preisempfehlung zu den Mehrfachkunden-Geschäften von 3.959.911,58 DM]).
- 13
- Der so ermittelte voraussichtliche Provisionsverlust sei im Rahmen der Billigkeitsbetrachtung um den Anteil zu kürzen, um den der Umsatz nicht durch eigene Bemühungen bestimmt sei, sondern an den Verkaufsaktivitäten des Herstellers partizipiere. Der deshalb im Rahmen der Billigkeitsabwägung vorzunehmende Abschlag wegen der "Sogwirkung der Marke" sei mit 25 % zu bemessen. Ein Abschlag für das von der Insolvenzschuldnerin nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der Beklagten übernommene Nachfolgefabrikat S. sei nicht gerechtfertigt, weil es an der Vergleichbarkeit der Marken fehle.
- 14
- Danach ergebe sich unter Berücksichtigung eines Billigkeitsabschlags von 25 % sowie einer Abzinsung nach Gillardon und der Hinzurechnung von 16 % Umsatzsteuer ein Ausgleichsbetrag von insgesamt 143.130,45 DM (= 73.181,44 €). Dieser Betrag sei nicht nach § 89b Abs. 2 HGB herabzusetzen, weil die dort geregelte Kappungsgrenze nicht überschritten sei.
- 15
- Die von der Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung mit Gegenforderungen aus Materiallieferungen in Höhe von insgesamt 5.181,49 € sei erfolgreich. Der Ausgleichsanspruch in Höhe von 73.181,44 € mindere sich daher um 5.181,49 € auf 67.999,95 €. Dieser Betrag übersteige aber den Betrag von 66.826,95 €, den das Landgericht zugesprochen habe, so dass die Berufung in der Hauptsache ohne Erfolg bleibe.
II.
- 16
- Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Das Berufungsgericht hat dem Kläger zwar mit Recht dem Grunde nach einen Ausgleichsanspruch analog § 89b HGB zuerkannt. Die Berechnung der Höhe dieses Anspruchs ist jedoch nicht frei von Rechtsfehlern. Auch die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Gegenforderungen, mit denen die Beklagte hilfsweise aufgerechnet hat, ist von Rechtsfehlern beeinflusst.
- 17
- 1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 89b HGB erfüllt sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die auf Handelsvertreter zugeschnittene Bestimmung des § 89b HGB auf einen Vertragshändler entsprechend anzuwenden, wenn sich das Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Hersteller oder Lieferanten nicht in einer bloßen Käufer-Verkäufer-Beziehung erschöpft, sondern der Vertragshändler so in die Absatzorganisation des Herstellers oder Lieferanten eingegliedert war, dass er wirtschaftlich in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hatte, und der Händler zum anderen verpflichtet ist, dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, so dass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann (vgl. nur Senatsurteile vom 22. Oktober 2003 - VIII ZR 6/03, WM 2004, 991 unter II, und vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, juris Rn. 15, jeweils mwN). Diese Voraussetzungen liegen im Falle der Insolvenzschuldnerin nach den rechtsfehlerfreien , weder in der Berufungsinstanz noch im Revisionsverfahren ange- griffenen Feststellungen des Landgerichts vor. Dass der Ausgleichsanspruch fristgerecht geltend gemacht wurde (§ 89b Abs. 4 HGB), wird ebenfalls von keiner Partei in Zweifel gezogen.
- 18
- 2. Frei von Rechtsfehlern ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagten flössen aus der Geschäftsverbindung mit von der Insolvenzschuldnerin neu geworbenen Kunden auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile zu (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB).
- 19
- a) Die Insolvenzschuldnerin hat unstreitig in den Jahren ihrer Tätigkeit als Vertragshändlerin der Beklagten eine größere Anzahl neuer Stammkunden geworben (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 HGB). An diese Stammkunden sind nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts im letzten Vertragsjahr 16 Neuwagen verkauft worden. Hieraus hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei geschlossen, dass die Beklagte aus dem von der Klägerin geworbenen Kundenstamm auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile im Sinne des § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB gezogen hat. Dem liegt die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 29. März 1990 - I ZR 2/89, WM 1990, 1496 unter 3 c) nach § 287 Abs. 2 ZPO zulässige Schätzung (vom Berufungsgericht missverständlich als "Vermutung" bezeichnet) zugrunde, dass die der Beklagten nach Beendigung des Vertragsverhältnisses verbleibenden Vorteile aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die die Klägerin geworben hat (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB), der Höhe nach identisch sind mit den Provisionsverlusten , die die Klägerin infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses erleidet (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB aF bzw. § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB in der seit 5. August 2009 geltenden Neufassung). Dass die der Beklagten verbleibenden Vorteile höher zu bewerten wären als die Provisionsverluste der Klägerin , macht keine Partei geltend, so dass die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 26. März 2009 (BB 2009, 1607 - Turgay Semen/ Deutsche Tamoil GmbH) und die hierauf erfolgte Neufassung des § 89b Abs. 1 Satz 1 HGB für den Streitfall ohne Auswirkungen bleiben.
- 20
- b) Anders als die Revision meint, lässt sich der Annahme des Berufungsgerichts , die Beklagte habe aus der beendeten Geschäftsverbindung mit der Insolvenzschuldnerin erhebliche Vorteile gezogen, nicht entgegenhalten, ihr seien aus der Werbetätigkeit der Insolvenzschuldnerin schon deswegen keine Vorteile zugeflossen, weil ihr ein Direktvertrieb von Fahrzeugen rechtlich nicht möglich sei und sie im Hinblick auf die Notwendigkeit der Gleichbehandlung aller Vertragshändler verpflichtet sei, dem an die Stelle der Insolvenzschuldnerin getretenen Vertragshändler bei zukünftigen Neuwagenverkäufen an - bereits von dieser geworbene - Stammkunden in gleicher Weise Händlerrabatte zu gewähren.
- 21
- Der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB soll dem ausgeschiedenen Handelsvertreter einen Ausgleich dafür gewähren, dass die bislang von ihm verdienten Provisionen seine erbrachten Leistungen - Schaffung eines Kundenstamms - nicht vollständig abdecken (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 29. April 2009 - VIII ZR 226/07, VersR 2009, 1116 Rn. 24 mwN). Sein Nachfolger kann dagegen Provisionen für die künftig von ihm vermittelten Geschäfte verlangen. Beide Ansprüche bestehen nach den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 87, 87a, 89b HGB nebeneinander (Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, aaO Rn. 19). Dass ein Unternehmer "doppelt belastet" wird, wenn er für die Umsätze mit Stammkunden nicht nur dem Handelsvertreter einen Ausgleich , sondern auch dessen Nachfolgern Provisionen zahlen muss, ist zwangsläufige Folge dieses Anspruchssystems. Dieser Umstand kann daher nicht zum Wegfall eines Ausgleichsanspruchs führen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 1964 - VII ZR 150/62, BGHZ 42, 244, 248; Senatsurteil vom 12. September 2007 - VIII ZR 194/06, BB 2007, 2475 Rn. 48; jeweils zu Ansprüchen ausgeschiedener Tankstellenhalter). Für Ausgleichsansprüche eines Vertragshändlers in entsprechender Anwendung des § 89b HGB gilt nichts anderes, denn bei diesem nehmen die Rabatte, die er vom Hersteller auf dessen Listenpreis erhält , die Stelle der Provisionen eines Handelsvertreters ein (Senatsbeschluss vom 29. April 2009 - VIII ZR 226/07, aaO mwN; Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, aaO Rn. 20).
- 22
- 3. Die Revision meint, die Anwendbarkeit des § 89b HGB scheitere im vorliegenden Fall daran, dass die Insolvenzschuldnerin nicht infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses, sondern wegen der am 1. November 2000 erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens Ansprüche auf Provision verloren habe. Das trifft nicht zu.
- 23
- Nach der Regelung in § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB aF, die inzwischen mit dem Ziel der Umsetzung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 26. März 2009 (aaO) aufgehoben wurde (Art. 6a des Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung vom 31. Juli 2009, BGBl. I S. 2512; vgl. dazu BTDrucks. 16/13672, S. 22), kann der Handelsvertreter einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit er infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses Ansprüche auf Provision verliert, die er bei Fortsetzung desselben aus bereits abgeschlossenen oder künftig zustande kommenden Geschäften mit den von ihm geworbenen Kunden hätte. Bei der Auslegung dieser Vorschrift hat der Bundesgerichtshof aus der Zweckbestimmung des Ausgleichsanspruchs den Grundsatz abgeleitet, dass bei der Feststellung der dem Handelsvertreter entstehenden Nachteile die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zu fingieren ist und es auf die Gründe für dessen Beendigung ebenso wenig an- kommt wie darauf, ob der Handelsvertreter bei der gedachten Fortsetzung des Handelsvertreterverhältnisses überhaupt noch zur Vermittlung weiterer provisionspflichtiger Geschäfte imstande gewesen wäre. Ein Ausgleichsanspruch wurde daher unter anderem bei einer Auflösung des Handelsvertreterverhältnisses durch Tod (auch bei Selbsttötung) des Handelsvertreters und bei einer auf Initiative des Handelsvertreters erfolgten einverständlichen Vertragsaufhebung gewährt (vgl. nur Senatsurteil vom 10. Dezember 1997 - VIII ZR 329/96, NJW 1998, 1070 unter II 1 mwN).
- 24
- Der Ausgleichsanspruch ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn der Handelsvertreter nach der Beendigung des Vertrages seinen Geschäftsbetrieb eingestellt hat (Senatsurteil vom 10. Dezember 1997 - VIII ZR 329/96, aaO; BGH, Urteil vom 2. Juli 1987 - I ZR 188/85, NJW-RR 1988, 42 unter II A 4). Das gilt gleichermaßen, wenn die Betriebseinstellung - wie im vorliegenden Fall - auf die Insolvenz des Handelsvertreters (hier: Vertragshändlers) zurückzuführen ist (aA Stumpf/Ströbl, MDR 2004, 1209, 1211 f.; Wendel/Ströbl, WRP 2005, 999 ff.; dagegen Wolff, ZVI 2008, 1, 8). Denn der Regelungszweck des § 89b HGB besteht darin, dem Handelsvertreter für einen auf seiner Tätigkeit beruhenden, ihm aber infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht mehr vergüteten Vorteil des Unternehmers, wie er in der Schaffung des Kundenstamms liegt, eine Gegenleistung zu gewähren (vgl. BT-Drucks. 1/3856, S. 35; BGH, Urteil vom 13. Mai 1957 - II ZR 318/56, BGHZ 24, 214, 222). Unter Berücksichtigung dieses Regelungszwecks, der auf die Vergütung in der Vergangenheit erbrachter Leistungen gerichtet ist, kommt es nicht darauf an, ob der Handelsvertreter bei gedachter Fortsetzung des Vertrages auch in Zukunft tatsächlich noch Provisionen hätte erzielen können.
- 25
- 4. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht den Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB nicht durch Multiplikation der Mehrfachkundenumsätze im letzten Vertragsjahr, sondern anhand der in den letzten fünf Vertragsjahren erzielten Mehrfachkundenumsätze errechnet hat.
- 26
- Allerdings sind nach der Rechtsprechung des Senats der Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Vertragshändlers grundsätzlich die innerhalb des letzten Jahres auf den Listenpreis gewährten Rabatte zu Grunde zu legen; davon ist nur der Teil zu berücksichtigen, den der Vertragshändler für Umsätze mit von ihm neu geworbenen Stammkunden erhalten hat, weil nur mit diesen Kunden eine Geschäftsverbindung im Sinne von § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB besteht (Senatsurteil vom 12. Januar 2000 - VIII ZR 19/99, NJW 2000, 1413 unter II 2). Der für den Ausgleichsanspruch maßgebliche Stammkundenumsatz ist durch Multiplikation des Mehrfachkundenumsatzes des letzten Vertragsjahres mit dem Prognosezeitraum zu ermitteln. Hat das letzte Vertragsjahr einen atypischen Verlauf genommen, kann ein Durchschnittswert unter Heranziehung eines längeren Zeitraums gebildet werden (Senatsurteil vom 26. Februar 1997 - VIII ZR 272/95, BGHZ 135, 14, 23; vgl. auch BGH, Urteil vom 2. Juli 1987 - I ZR 188/85, aaO unter II B 1 b).
- 27
- Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht beachtet. Anders als die Revision meint, war das Gericht nicht an die übereinstimmende Berechnungsweise der Parteien, die nur die Mehrfachkundenumsätze des letzten Vertragsjahres zugrunde gelegt hat, gebunden. Das Berufungsgericht hat die in den Jahren 1995 bis 1999 erzielten Mehrfachkundenumsätze ermittelt; dagegen wendet die Revision sich nicht. Angesichts der auf dieser Grundlage für den gesamten Zeitraum festgestellten Schwankungen hat das Berufungsgericht sodann in tatrichterlicher Würdigung einen atypischen Verlauf des letzten Vertragsjahres angenommen und die Mehrfachkundenumsätze der letzten fünf Vertragsjahre seiner Berechnung zugrunde gelegt. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
- 28
- 5. Frei von Rechtsfehlern sind auch die grundsätzlichen Erwägungen des Berufungsgerichts zu den bei der analogen Anwendung des § 89b HGB berücksichtigungsfähigen Vergütungsbestandteilen.
- 29
- a) Wenn ein Vertragshändler für seine Verkaufsbemühungen Rabatte auf den Listenpreis des Herstellers erhält, nehmen die Rabattzahlungen wirtschaftlich betrachtet die Stelle der Provisionen eines Handelsvertreters ein. Um eine Vergleichbarkeit zwischen Händlerrabatt und Vertreterprovision zu erzielen, ist es allerdings notwendig, diejenigen Teile des Rabatts bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs herauszurechnen, die der Vertragshändler aufgrund seiner vom Handelsvertreter abweichenden Stellung für Leistungen erhält, die der Handelsvertreter üblicherweise nicht zu erbringen hat. Der Ausgleich nach § 89b HGB stellt eine Vergütung für die Überlassung des vom Handelsvertreter geschaffenen Kundenstamms an den Unternehmer dar, so dass bei der Ermittlung der Provisionsverluste (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB aF) andere Provisionen oder Provisionsanteile als solche für vertretertypische Tätigkeiten grundsätzlich außer Betracht zu bleiben haben. Diese Grundsätze sind auch bei einer entsprechenden Anwendung des § 89b HGB zu beachten mit der Folge, dass Vergütungen für händlertypische Tätigkeiten nicht berücksichtigungsfähig sind (vgl. nur Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, aaO Rn. 28 mwN).
- 30
- b) Für die Herstellung einer Vergleichsbasis zwischen Händlerrabatt und Vertreterprovision stehen dem Tatrichter verschiedene Wege offen. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht der Berechnung des Ausgleichsanspruchs den individuellen Rohertrag des Vertragshändlers zugrunde gelegt. Der individuelle Rohertrag stellt dabei die Differenz zwischen dem Verkaufspreis (vom Hersteller unverbindlich empfohlener Listenpreis abzüglich vom Händler gewährter Preisnachlässe an die Kunden) und dem Einkaufspreis des Händlers dar. Im Idealfall entspricht der individuelle Rohertrag des Händlers daher der Summe der Rabatte und Boni, die ihm der Hersteller auf den empfohlenen Verkaufspreis gewährt; er bleibt im Einzelfall nur insoweit hinter dieser Summe zurück, als der Händler selbst Fahrzeuge unter Gewährung von Preisnachlässen und Skonti unter dem Listenpreis verkauft hat. Aus dem individuellen Rohertrag sind dann diejenigen Vergütungsbestandteile herauszurechnen, die nicht handelsvertretertypisch , sondern händlertypisch sind. Außerdem ist der Händlerrabatt in einem weiteren Schritt um diejenigen Anteile zu reduzieren, die der Vertragshändler für solche Leistungen erhält, die ihm - wäre er Handelsvertreter - nicht als Entgelt für seine werbende (vermittelnde) Tätigkeit, sondern für "verwaltende" (vermittlungsfremde) Tätigkeiten gezahlt würden (vgl. nur Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, aaO Rn. 29 mwN).
- 31
- aa) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht beachtet. Der Kläger hat die konkreten Neuwagenverkaufsgeschäfte und die hierbei fallbezogen gewährten Zusatzleistungen für den Zeitraum von 1995 bis 1999 gesondert aufgeführt. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht den individuellen Rohertrag ermittelt und diesen dann um die von der Beklagten fallbezogen gewährten Zusatzleistungen erhöht.
- 32
- bb) Wie das Berufungsgericht weiter mit Recht angenommen hat, kommt es - auch unter Berücksichtigung des Wortlauts von § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB aF - für die Einbeziehung von zusätzlichen Vergünstigungen in die Ausgleichsberechnung nicht darauf an, ob dem Vertragshändler ein vertraglicher Anspruch auf die gewährten Zusatzleistungen zusteht. Denn für den Bestand und die Nachhaltigkeit der dem Unternehmer/Hersteller nach Beendigung der Geschäftsbeziehung verbleibenden Vorteile (gewonnene Stammkunden) ist es ohne Belang, ob diese aufgrund freiwilliger oder vertraglich geschuldeter Zusatzleistungen des Unternehmers/Herstellers geschaffen wurden. Umgekehrt macht es auch für den Handelsvertreter/Händler, der nach der Beendigung der Geschäftsbeziehung nicht mehr mit Zusatzvergütungen für handelsvertretertypische Tätigkeiten rechnen kann, wirtschaftlich betrachtet keinen Unterschied, ob diese vom Unternehmer/Hersteller aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung oder nur auf freiwilliger Basis gewährt wurden, der Handelsvertreter /Händler aber - beispielsweise aufgrund jahrelanger Übung - berechtigterweise erwarten konnte, auch in Zukunft vergleichbare Leistungen zu erhalten. Denn in beiden Fällen sind diese Zusatzleistungen in die Preiskalkulation des Handelsvertreters/Händlers eingeflossen und damit zum festen Bestandteil seines individuellen Rohertrags geworden (vgl. nur Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, aaO Rn. 32 mwN). So liegen die Dinge hier. Die Insolvenzschuldnerin konnte nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts , die das Berufungsgericht zugrunde gelegt hat, erwarten, in Zukunft vergleichbare Zusatzleistungen zu erhalten.
- 33
- 6. Aufgrund dieser grundsätzlichen Erwägungen hat das Berufungsgericht für den gesamten Fünfjahreszeitraum vor Vertragsbeendigung Prämien in Höhe von insgesamt 15.160,87 DM, Großabnehmerzuschüsse in Höhe von insgesamt 53.631 DM und Leasingzuschüsse in Höhe von insgesamt 51.960,84 DM berücksichtigt; für die Jahre 1995 bis 1998 sind dabei insgesamt 13 vom Kläger vorgetragene Geschäfte nicht einbezogen worden, bei denen die Beklagte die Stammkundeneigenschaft in Abrede genommen hatte.
- 34
- a) Auf das letzte Vertragsjahr entfallen von diesen Beträgen bei den Großabnehmerzuschüssen 12.318 DM, bei den Leasingzuschüssen 8.500 DM und bei den Prämien 2.800 DM (eine im Rahmen der "Prämienaktion X 40 Start" gezahlte Prämie von 800 DM sowie eine "Sondervergütung Gebrauchtfahrzeug" von 2.000 DM). Dies hält hinsichtlich der "Sondervergütung Gebrauchtfahrzeug" in Höhe von 2.000 DM den Angriffen der Revision nicht stand.
- 35
- aa) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings die Großabnehmerzuschüsse in die Ausgleichsberechnung einbezogen. Entgegen der Auffassung der Revision sind solche zum Ausgleich für vom Händler gewährte Großabnehmernachlässe gezahlte Zuschüsse nicht als Entgelte für händlertypische Aufgaben einzuordnen. Sie stellen sich vielmehr bei lebensnaher Betrachtung als verkaufsfördernde Preisnachlässe des Herstellers an den Kunden dar. Mit ihnen wird der Vertragshändler darin bestärkt, die vom Hersteller bereits eingeleiteten , an bestimmte Konditionen gebundenen Absatzbemühungen zu Ende zu führen. In Höhe des vom Hersteller übernommenen Großabnehmerzuschusses wird letztlich das Absatzrisiko auf diesen verlagert. Der vom Hersteller getragene Teil des dem Kunden eingeräumten Preisnachlasses stellt damit kein Entgelt für eine händlertypische Leistung dar, sondern eine finanzielle Verkaufshilfe , die im Hinblick auf die Aufteilung des Absatzrisikos dazu führt, dass der Rohertrag des Händlers nicht in Höhe des vollen Preisnachlasses geschmälert wird (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, aaO Rn. 35-37 mwN).
- 36
- bb) Auch die Berücksichtigung der Leasingzuschüsse ist unbedenklich. Dadurch, dass die Leasinggesellschaft die Zuschüsse an die Insolvenzschuldnerin weitergeleitet hat, wurde in dieser Höhe nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts der von der Insolvenzschuldnerin gewährte Rabatt und die hiermit verbundene Schmälerung des Händlerrohertrags teilweise ausgeglichen. Damit wurde auch in diesem Fall das Absatzrisiko auf verschiedene Unternehmen verteilt, so dass auch hier die weitergeleiteten und von der Insolvenzschuldnerin einkalkulierten Zuschüsse nicht als Entgelt für händlertypische Aufgaben anzusehen sind (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, aaO Rn. 38).
- 37
- cc) Auch die Berücksichtigung der im Rahmen der "Prämienaktion X 40 Start" gezahlten Prämie lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Auch insofern handelt es sich um eine finanzielle Verkaufshilfe, die im Hinblick auf die Aufteilung des Absatzrisikos dazu führt, dass der Rohertrag des Händlers nicht in Höhe des vollen, von ihm gegenüber dem Kunden gewährten Preisnachlasses geschmälert wird. Die Revision macht in diesem Zusammenhang lediglich geltend , dass es an einer vertraglichen Grundlage für die Zahlung der Prämie gefehlt habe. Es kommt jedoch - wie bereits oben unter 5 b bb dargelegt - nicht darauf an, ob die Zusatzleistungen aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung oder auf freiwilliger Basis gewährt wurden, wenn der Vertragshändler berechtigterweise erwarten konnte, auch in Zukunft vergleichbare Leistungen zu erhalten. Das ist hier der Fall (vgl. oben unter 5 b bb).
- 38
- dd) Mit Recht beanstandet die Revision jedoch die Berücksichtigung der "Sondervergütung Gebrauchtfahrzeug" in Höhe von 2.000 DM. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, es handele sich um eine Zusatzvergütung, die den mit der Inzahlungnahme des Gebrauchtwagens verbundenen "versteckten" Rabatt des Händlers ausgleiche.
- 39
- Die Revision wendet dagegen zutreffend ein, dass das Berufungsgericht bei einer Einbeziehung der Sondervergütung in die Ausgleichsberechnung folgerichtig den von der Insolvenzschuldnerin dem Kunden gewährten Preisnachlass ("versteckten Rabatt") hätte in Abzug bringen müssen. Denn Rabatte, die ein Händler seinen Kunden gewährt, schmälern in voller Höhe den individuellen Rohertrag (vgl. etwa Senatsurteil vom 5. Juni 1996 - VIII ZR 7/95, WM 1996, 1558 unter B I 1 b cc mwN). Sofern der Hersteller aber - wie hier - einen Teil des Absatzrisikos übernimmt, indem er dem Händler verkaufsfördernde Zuschüsse gewährt und dadurch erreicht, dass dessen Rohertrag nicht in Höhe des vollen Preisnachlasses geschmälert wird, sind diese Zuschüsse im Gegen- zug dem Rohertrag hinzuzurechnen. Diesen Mechanismus hat das Berufungsgericht nicht beachtet. Es hat zwar die Zuschusszahlung der Beklagten in die Berechnung des Ausgleichsanspruchs einfließen lassen, jedoch versäumt, den von der Insolvenzschuldnerin den Kunden eingeräumten Preisnachlass ("versteckten Rabatt") abzuziehen. Ermittelte man aber nicht - gegebenenfalls im Wege der Schätzung (§ 287 Abs. 2 ZPO) - die Höhe dieses Rabatts und brächte diesen nicht in Abzug, führte dies zu einem verfälschten Ergebnis. Denn dann würden zwar die zum Ausgleich des Rabatts gewährte Zusatzleistung, nicht aber der - zu Lasten des Händlers gehende - Rabatt selbst bei der Berechnung des Anspruchs nach § 89b HGB analog berücksichtigt (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, aaO Rn. 41). Zur Höhe des mit der Inzahlungnahme verbundenen "versteckten" Rabatts hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Diese Feststellungen wird das Berufungsgericht nachzuholen haben.
- 40
- b) Soweit das Berufungsgericht Prämien, Großabnehmerzuschüsse und Leasingzuschüsse auch für Mehrfachkundengeschäfte im Zeitraum vom 1. Februar 1995 bis 31. Januar 1999 - also im fünft- bis zweitletzten Vertragsjahr - in seine Gesamtberechnung eingestellt hat, fehlt es an ausreichenden Feststellungen dazu, ob und in welchem Umfang diese berücksichtigungsfähig sind.
- 41
- Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der in diesem Zeitraum angefallenen Zusatzleistungen nicht näher begründet, warum diese berücksichtigungsfähig sind. Auch hat das Berufungsgericht bisher nicht festgestellt, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe weitere "Sondervergütungen Gebrauchtfahrzeug" oder vergleichbare Leistungen der Beklagten in dem Betrag von 12.360,87 DM enthalten sind, den das Berufungsgericht für den Zeitraum vom 1. Februar 1995 bis 31. Januar 1999 als "Prämien" berücksichtigt hat.
- 42
- 7. Die Annahme des Berufungsgerichts, der gesamte Rohertrag einschließlich der berücksichtigungsfähigen Zuschüsse sei um händlertypische Bestandteile in Höhe von 29 % zu kürzen, lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten erkennen.
- 43
- Das Berufungsgericht hat die Quote von 29 % - entgegen der Auffassung der Revision - zutreffend bemessen. Es hat die in Abzug gebrachte Quote von 29 % dadurch errechnet, dass es die von der Klägerin nach dem Händlervertrag zu beanspruchenden Zusatzrabatte von 5 % [Vorführwagenbestand 2 %; Werbung 1 %; Ausstellungsraum 1 %; Beschäftigung geschulter Käufer 1 %]) mit dem Gesamtrabatt von 17,5 % (12,5 % Grundrabatt zuzüglich 5 % Zusatzrabatte ) ins Verhältnis gesetzt hat (5/17,5 x 100 = aufgerundet 29 %). Diese Vorgehensweise steht entgegen der Auffassung der Revision nicht im Widerspruch zum Senatsurteil vom 5. Juni 1996 (VIII ZR 141/95, WM 1996, 1962 unter B I 2 a aa). Danach kann bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs nur der Grundrabatt in Höhe von 12,5 % der Händler-Netto-Preise zugrunde gelegt werden. Hieraus ergibt sich aber, anders als die Revision meint, keine Festlegung , auf welchem rechnerischen Weg die Bereinigung um händlertypische Zusatzrabatte zu erfolgen hat. Vom Tatrichter ist nur zu verlangen, dass er eine Berechnung wählt, die sicherstellt, dass die händlertypischen Zusatzrabatte von 5 % herausgerechnet werden. Dem wird die Berechnung des Berufungsgerichts gerecht.
- 44
- Allerdings hat das Berufungsgericht die rechtsfehlerfrei ermittelte Quote von 29 % zu Unrecht von dem Rohertrag der Klägerin einschließlich der Großabnehmer - und Leasingzuschüsse sowie der von ihm für das letzte Vertragsjahr berücksichtigten Prämien in Abzug gebracht (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, aaO Rn. 49). Dies wirkt sich jedoch nicht zum Nachteil der Beklagten aus und kann daher auf deren Revision nicht berücksichtigt werden.
- 45
- 8. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ist der nach Herausrechnung der händlertypischen Vergütungsbestandteile verbleibende Händlerrabatt in einem weiteren Schritt um den Anteil zu reduzieren, den der Händler für solche Leistungen erhält, die ihm, wäre er Handelsvertreter, nicht als Entgelt für seine werbende (vermittelnde) Tätigkeit, sondern für "verwaltende" (vermittlungsfremde ) Tätigkeiten gezahlt würden. Diesen Anteil hat das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision, die mindestens 3,16 % in Abzug bringen will, in rechtlich nicht zu beanstandender Weise nach § 287 Abs. 2 ZPO auf 2,5 % der unverbindlichen Preisempfehlung zu den MehrfachkundenGeschäften geschätzt (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, aaO Rn. 50 mwN).
- 46
- 9. Auch die Herabsetzung des Ausgleichsanspruchs um 25 % aus Billigkeitsgründen lässt keine Rechtsfehler erkennen.
- 47
- Die Würdigung der im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB aF (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB nF) zu berücksichtigenden Umstände obliegt dem Tatrichter, wobei er einen entsprechenden Abzug im Wege der Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO vornehmen kann. Dass das Berufungsgericht einen Billigkeitsabschlag für die Sogwirkung der Marke V. in Höhe von nicht mehr als 25 % für angemessen erachtet hat, hält sich innerhalb des ihm eingeräumten weiten tatrichterlichen Ermessensspielraums (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, aaO Rn. 53). Das gilt auch, soweit das Berufungsgericht einen über 25 % hinausgehenden Abzug im Hinblick auf die später übernommene Vertretung der Marke S. mangels Vergleichbarkeit der Marken abgelehnt hat (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, aaO Rn. 54).
- 48
- Ohne Erfolg beanstandet die Revision, dass das Berufungsgericht den Ausgleichsanspruch nicht (auch) wegen der Insolvenz gemäß § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB aF herabgesetzt habe. Das Berufungsgericht hat im Hinblick auf die Insolvenz unter Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. März 1990 (I ZR 2/89, aaO unter II 3 b) zutreffend ausgeführt, dass ein Rückgang des Gesamtumsatzes gegebenenfalls im Rahmen der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigen sein kann. Eine entsprechende Reduzierung hat es jedoch in rechtsfehlerfreier Ausübung seines tatrichterlichen Schätzungsermessens nicht vorgenommen.
- 49
- 10. Mit Recht wendet sich die Revision gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Gegenforderungen aus Materiallieferungen in Höhe von insgesamt 5.181,49 €, mit denen die Beklagte hilfsweise aufgerechnet hat. Das Berufungsgericht hat diese Forderungen als begründet angesehen und ausgeführt, der errechnete Ausgleichsanspruch in Höhe von 73.181,44 € mindere sich somit um 5.181,49 € auf 67.999,95 €. Dieser Betrag übersteige aber noch die Summe von 66.826,95 €, die das Landgericht zugesprochen habe, so dass die Berufung in der Hauptsache ohne Erfolg bleibe.
- 50
- a) Darin liegt, wie die Revision zutreffend geltend macht, ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot gemäß § 528 Satz 2 ZPO. Hat das erstinstanzliche Gericht den Beklagten unter Verneinung der Gegenforderung teilweise verurteilt, im Übrigen die Klage abgewiesen und hält auf die Berufung des Beklagten das Berufungsgericht die Gegenforderung für begründet, aber auch die Klageforderung (mindestens) um den Betrag der Gegenforderung für höher gegeben als das Erstgericht, dann muss die Berufung in Höhe der Gegenforderung Erfolg haben. Denn den in erster Instanz aberkannten Teil der Klageforderung darf das Rechtsmittelgericht nicht mehr als bestehend betrachten (RGZ 161, 167, 171; MünchKommZPO/Rimmelspacher, 3. Aufl., § 528 Rn. 39; Zöller/ Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 528 Rn. 26). So verhält es sich hier.
- 51
- Das Landgericht, das den Vortrag der Beklagten zu den Gegenforderungen als nicht hinreichend substantiiert angesehen hat, hat den vom Kläger geltend gemachten Ausgleichsanspruch lediglich in Höhe von 66.826,95 € für begründet gehalten und die darüber hinaus gehende Klage abgewiesen. Dagegen hat sich nur die Beklagte mit der Berufung gewandt. Deshalb war das Berufungsgericht gehindert, von einer höheren Ausgleichsforderung auszugehen und mit dieser Begründung eine Reduzierung der Verurteilung wegen der - vom Berufungsgericht abweichend vom Landgericht als begründet erachteten - Hilfsaufrechnung mit den Gegenforderungen abzulehnen.
- 52
- b) Die Revisionserwiderung macht in diesem Zusammenhang allerdings geltend, die Aufrechnung sei gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO unzulässig gewesen. Dies lässt sich mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht ohne weiteres verneinen.
- 53
- Nach § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat. Nach Verfahrenseröffnung erworben ist auch eine Gegenforderung, die vor Verfahrenseröffnung in aufrechenbarer Weise bestand, noch vor Verfahrenseröffnung an einen Dritten abgetreten und nach Verfahrenseröffnung zurückerworben wurde. Das gilt auch, wenn der Abtretung ein - echtes oder unechtes - Factoring-Geschäft zugrunde liegt (MünchKommInsO/Brandes, 2. Aufl., § 96 Rn. 21; Jaeger/Windel, InsO, § 96 Rn. 38, 41; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl., § 96 Rn. 38, 43; Wienberg in Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl., § 96 Rn. 56; FK-InsO/Bernsau, 5. Aufl., § 96 Rn. 14; HK-InsO/Kayser, 5. Aufl., § 96 Rn. 28; ders., WM 2008, 1525, 1533; vgl. auch Ganter in Festschrift für Kirchhof, 2003, S. 105, 119).
- 54
- Im Streitfall waren die von der Beklagten geltend gemachten Gegenforderungen jedenfalls vor Verfahrenseröffnung an einen Dritten abgetreten worden , denn ausweislich der Rechnungen vom 11. Dezember 1999 und 20. Januar 2000 - diese Daten liegen jeweils vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. November 2000 - waren die Forderungen an die V. GmbH verkauft.
- 55
- Zum Rückerwerb der Forderungen hat die Beklagte vorgetragen, die Forderungen seien im Rahmen eines unechten Factoring an die genannte Schwestergesellschaft verkauft worden. Könnten die Forderungen - zum Beispiel infolge Zahlungsunfähigkeit des Schuldners - nicht eingezogen werden, fielen sie aufgrund der Factoringabrede automatisch an die Beklagte zurück, die diese dann selbst auf eigenes Risiko geltend zu machen habe. Dieses Vorbringen hat das Berufungsgericht ersichtlich seiner Beurteilung zugrunde gelegt und ausgeführt, dass § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO der Aufrechnung nicht entgegen stehe, auch wenn der Rückerwerb der abgetretenen Forderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten sein sollte.
- 56
- Diese Beurteilung ist nicht frei von Rechtsfehlern. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es darauf an, ob der Rückerwerb der Forderungen vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt ist, denn nur im ersten Fall bestand bei Verfahrenseröffnung eine Aufrechnungslage, die gemäß § 94 InsO erhalten bleibt. Hingegen ist im zweiten Fall, also beim Rückerwerb von aufgrund eines unechten Factoring-Geschäfts abgetretenen Forderungen nach Verfahrenseröffnung, die Aufrechnung - wie vorstehend dargelegt - gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO unzulässig. Zum Zeitpunkt des Rücker- werbs der Forderungen, insbesondere zum Inhalt der von der Beklagten vorgetragenen Factoring-Abrede, hat das Berufungsgericht indessen keine Feststellungen getroffen. Dies wird nachzuholen sein.
III.
- 57
- Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen weiteren Feststellungen getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Ball Hermanns Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 01.03.2006 - 3/9 O 110/02 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 10.07.2007 - 5 U 63/06 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Auto G. GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin). Diese war mehr als 30 Jahre lang als V. -Vertragshändlerin für die Beklagte tätig. Das Vertragsverhältnis wurde von der Beklagten ordentlich mit Wirkung zum 31. Januar 2000 gekündigt. Am 1. November 2000 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet.
- 2
- Mit der Klage hat der Kläger einen Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB analog in Höhe von 138.777,67 € nebst Zinsen geltend gemacht. Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 66.826,95 € nebst Zinsen verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 3
- Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 4
- Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 10. Juli 2007 - 5 U 63/06, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 5
- Der geltend gemachte Ausgleichsanspruch analog § 89b Abs. 1 HGB scheitere nicht an § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB. Die Regelvermutung, dass der Verlust des Handelsvertreters dem Vorteil des Prinzipals entspreche, sei nicht widerlegt. Es sei nicht fernliegend, dass die Beklagte aus dem von der Klägerin geworbenen Kundenstamm auch dann erhebliche Vorteile ziehe, wenn sie ihn einem anderen Vertragshändler überlasse.
- 6
- Der Ausgleichsanspruch entfalle auch nicht deshalb, weil die Insolvenzschuldnerin nicht in Folge der Beendigung des Vertragsverhältnisses, sondern wegen Insolvenz Ansprüche auf Provision verliere. Hiergegen spreche, dass die Fortsetzung des Handelsvertretervertrages und die gleich bleibende Tätigkeit des Handelsvertreters zu unterstellen seien, sodass es nicht darauf ankomme, ob der Handelsvertreter überhaupt noch weitere provisionspflichtige Geschäfte hätte vermitteln können. Anderenfalls müsste auch einem alten oder kranken Handelsvertreter ein Ausgleichsanspruch vorenthalten werden, wenn er in Folge seines Alters oder seiner geschädigten Gesundheit absehbar nicht mehr in der Lage wäre, seine Arbeit für den Unternehmer fortzusetzen. Das stünde aber nicht damit in Einklang, dass mit dem Ausgleichsanspruch Vorteile abgegolten werden sollten, die dem Unternehmer durch die bisher geleistete Tätigkeit des Handelsvertreters zugekommen seien, nicht aber eine Vergütung für eine Tätigkeit gewährt werde, die der Handelsvertreter zukünftig hätte erbringen können.
- 7
- Für das letzte Vertragsjahr seien 16 Neuwagenverkäufe an Mehrfachkunden berücksichtigungsfähig. Aus diesen Mehrfachkundengeschäften errechne sich für das letzte Verkaufsjahr als Stammprovision (individueller Rohertrag ohne Boni) ein Betrag von 50.543,94 DM (785.049,15 DM [Summe der Verkaufspreise, in denen die Preisnachlässe enthalten sind] abzüglich 734.505,21 DM [Summe der Einkaufspreise]).
- 8
- Der individuelle Rohertrag entspreche im Idealfall der Summe der Rabatte und Boni, die der Hersteller dem Händler auf den empfohlenen Verkaufspreis gewähre, und bleibe im Einzelfall nur insoweit hinter dieser Summe zurück, als der Händler Fahrzeuge unter Gewährung von Preisnachlässen und Skonti unter dem Listenpreis verkauft habe. Es sei nicht maßgebend, ob ein vertraglicher Anspruch auf die Zahlung der Zuschüsse (Boni) bestehe. Einzubeziehen seien alle Zusatzzahlungen ungeachtet des Umstands, ob sie bei Beendigung des Vertragshändlerverhältnisses bereits für den Prognosezeitraum versprochen gewesen seien und ob auf die in der Vergangenheit geleisteten Zusatzzahlungen ein Anspruch bestanden habe, es sei denn, dass sie händlertypisch seien, wie dies etwa für Zuschüsse für Vorführwagen angenommen werden müsse.
- 9
- Zu berücksichtigen seien damit Großabnehmerzuschüsse in Höhe von 12.318 DM. Es handele sich insoweit nicht um Verkaufshilfen, die zum Ausgleich des Absatzrisikos gezahlt würden und deshalb als handelsvertreteruntypische Leistungen unberücksichtigt bleiben müssten. Gegenleistungen für das Absatzrisiko sowie der Gegenwert für die sonstigen Kosten des Absatzes wären zwar als händlertypisch nicht ausgleichspflichtig. Um solche Leistungen handele es sich jedoch nicht. Die Großabnehmerzuschüsse seien zu berücksichtigen, weil der Rabatt, den der Händler dem Kunden gewähre, den Rohertrag des Händlers schmälere und der Ausgleich des Rabatts durch die Beklagte dazu führe, dass der Rohertrag des Händlers wieder steige. Zu berücksichtigen seien ferner Leasingzuschüsse in Höhe von 8.500 DM, weil auch insoweit der vom Händler dem Kunden gewährte Rabatt den Rohertrag des Händlers schmälere und der Ausgleich des Rabatts durch die Beklagte dazu führe, dass der Rohertrag des Händlers wieder steige. Dies sei auch dann der Fall, wenn der Zuschuss von der Beklagten über die Leasinggesellschaft an den Vertragshändler weiter geleitet werde. Auch die "Sondervergütung Gebrauchtfahrzeug" in Höhe von 2.000 DM sei zu berücksichtigen. Hierbei handele es sich um eine Zusatzvergütung , die den mit der Inzahlungnahme des Gebrauchtwagens verbundenen versteckten Rabatt des Händlers ausgleiche. Die Zahlung sei daher ebenso zu behandeln wie ein Großabnehmerzuschuss. Die zu berücksichtigenden Zusatzleistungen für das letzte Verkaufsjahr - einschließlich einer Prämie von 800 DM (Prämienaktion X 40 "Start") - betrügen somit 23.618 DM. Für das letzte Verkaufsjahr ergebe sich damit für Mehrfachkundengeschäfte ein individueller Rohertrag einschließlich Boni von 74.161,94 DM.
- 10
- Aus diesem Betrag seien die Rabattbestandteile herauszurechnen, die der Händler als Gegenleistung für händlertypische Tätigkeiten und Risiken erhalte. Denn für den Anspruch nach § 89b HGB analog sei nur der Anteil an den Neuwagenverkaufserlösen maßgebend, der der Provision eines Handelsvertre- ters für seine handelsvertretertypische, werbende Tätigkeit entspreche. Vorliegend betrage der Grundrabatt laut Händlervertrag 12,5 %. Für Vorführwagen (2 %), Werbung (1 %), Ausstellungsraum (1 %) und Verkaufspersonal (1 %) erhalte der Händler Zusatzrabatte von insgesamt 5 %. Der gebotene Abzug des Zusatzrabatts habe durch eine dem Verhältnis von Gesamtrabatt und Zusatzrabatt (5/17,5 x 100 = 29 %) entsprechende Reduzierung des Roherlöses des Händlers zu erfolgen. Davon sei der gesamte Rohertrag einschließlich Zusatzleistungen betroffen. Dies führe zu einer Reduzierung um 21.506,96 DM (= 29 % von 74.161,94 DM).
- 11
- Weiter sei ein Abschlag für die verwaltende, vermittlungsfremde Tätigkeit des Händlers vorzunehmen. Dieser sei mit 2,5 % der unverbindlichen Preisempfehlung zu den Mehrfachkunden-Geschäften (890.309,35 DM), hier also mit 22.257,73 DM, anzusetzen. Soweit die Beklagte einen höheren Abzug von 3,16 % erstrebe, habe sie einen entsprechenden Verwaltungskostenanteil nicht hinreichend schlüssig vorgetragen. Danach verbleibe nach Abzug der Anteile für händlertypische und verwaltende Tätigkeiten ein Betrag von 30.397,24 DM (= 74.161,94 DM - 21.506,96 DM - 22.257,73 DM).
- 12
- Das Landgericht habe das letzte Vertragsjahr als typisch angesehen und deshalb für einen Prognosezeitraum von fünf Jahren die in dem letzten Vertragsjahr erzielten Roherlöse hochgerechnet. Die Typizität des letzten Vertragsjahres sei keine Tatsache, sondern ein Wertungsergebnis, das vom Berufungsgericht nach §§ 513, 546 ZPO nicht hingenommen werden müsse, wenn die Wertung auf unzutreffender Tatsachengrundlage erfolgt sei. Denn unter Berücksichtigung des vom Berufungsgericht errechneten Stammkundenumsatzes ergebe sich für das letzte Vertragsjahr eine andere Stammkundenquote, als sie das Landgericht in seine Überlegungen einbezogen habe. Im vorliegenden Fall sei es gerechtfertigt, auf den gesamten Fünfjahreszeitraum abzustellen, weil der Umsatz mit Mehrfachkunden in den Jahren 1995 bis 1999 stark geschwankt habe. Unterstelle man die von der Beklagten gegen das Zahlenwerk des Klägers für die Jahre 1995 bis 1998 vorgebrachten Angriffe als berechtigt, errechnete sich für den Fünfjahreszeitraum ein Betrag von 186.279,20 DM (= 281.045,87 DM [individueller Rohertrag] + 120.752,71 DM [Boni] = 401.798,58 DM - 116.521,59 DM [händlertypische Anteile: 29 % von 401.798,58 DM] - 98.997,79 DM [verwaltende Anteile: 2,5 % der unverbindlichen Preisempfehlung zu den Mehrfachkunden-Geschäften von 3.959.911,58 DM]).
- 13
- Der so ermittelte voraussichtliche Provisionsverlust sei im Rahmen der Billigkeitsbetrachtung um den Anteil zu kürzen, um den der Umsatz nicht durch eigene Bemühungen bestimmt sei, sondern an den Verkaufsaktivitäten des Herstellers partizipiere. Der deshalb im Rahmen der Billigkeitsabwägung vorzunehmende Abschlag wegen der "Sogwirkung der Marke" sei mit 25 % zu bemessen. Ein Abschlag für das von der Insolvenzschuldnerin nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der Beklagten übernommene Nachfolgefabrikat S. sei nicht gerechtfertigt, weil es an der Vergleichbarkeit der Marken fehle.
- 14
- Danach ergebe sich unter Berücksichtigung eines Billigkeitsabschlags von 25 % sowie einer Abzinsung nach Gillardon und der Hinzurechnung von 16 % Umsatzsteuer ein Ausgleichsbetrag von insgesamt 143.130,45 DM (= 73.181,44 €). Dieser Betrag sei nicht nach § 89b Abs. 2 HGB herabzusetzen, weil die dort geregelte Kappungsgrenze nicht überschritten sei.
- 15
- Die von der Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung mit Gegenforderungen aus Materiallieferungen in Höhe von insgesamt 5.181,49 € sei erfolgreich. Der Ausgleichsanspruch in Höhe von 73.181,44 € mindere sich daher um 5.181,49 € auf 67.999,95 €. Dieser Betrag übersteige aber den Betrag von 66.826,95 €, den das Landgericht zugesprochen habe, so dass die Berufung in der Hauptsache ohne Erfolg bleibe.
II.
- 16
- Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Das Berufungsgericht hat dem Kläger zwar mit Recht dem Grunde nach einen Ausgleichsanspruch analog § 89b HGB zuerkannt. Die Berechnung der Höhe dieses Anspruchs ist jedoch nicht frei von Rechtsfehlern. Auch die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Gegenforderungen, mit denen die Beklagte hilfsweise aufgerechnet hat, ist von Rechtsfehlern beeinflusst.
- 17
- 1. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 89b HGB erfüllt sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die auf Handelsvertreter zugeschnittene Bestimmung des § 89b HGB auf einen Vertragshändler entsprechend anzuwenden, wenn sich das Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Hersteller oder Lieferanten nicht in einer bloßen Käufer-Verkäufer-Beziehung erschöpft, sondern der Vertragshändler so in die Absatzorganisation des Herstellers oder Lieferanten eingegliedert war, dass er wirtschaftlich in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hatte, und der Händler zum anderen verpflichtet ist, dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, so dass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann (vgl. nur Senatsurteile vom 22. Oktober 2003 - VIII ZR 6/03, WM 2004, 991 unter II, und vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, juris Rn. 15, jeweils mwN). Diese Voraussetzungen liegen im Falle der Insolvenzschuldnerin nach den rechtsfehlerfreien , weder in der Berufungsinstanz noch im Revisionsverfahren ange- griffenen Feststellungen des Landgerichts vor. Dass der Ausgleichsanspruch fristgerecht geltend gemacht wurde (§ 89b Abs. 4 HGB), wird ebenfalls von keiner Partei in Zweifel gezogen.
- 18
- 2. Frei von Rechtsfehlern ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagten flössen aus der Geschäftsverbindung mit von der Insolvenzschuldnerin neu geworbenen Kunden auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile zu (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB).
- 19
- a) Die Insolvenzschuldnerin hat unstreitig in den Jahren ihrer Tätigkeit als Vertragshändlerin der Beklagten eine größere Anzahl neuer Stammkunden geworben (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 HGB). An diese Stammkunden sind nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts im letzten Vertragsjahr 16 Neuwagen verkauft worden. Hieraus hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei geschlossen, dass die Beklagte aus dem von der Klägerin geworbenen Kundenstamm auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile im Sinne des § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB gezogen hat. Dem liegt die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 29. März 1990 - I ZR 2/89, WM 1990, 1496 unter 3 c) nach § 287 Abs. 2 ZPO zulässige Schätzung (vom Berufungsgericht missverständlich als "Vermutung" bezeichnet) zugrunde, dass die der Beklagten nach Beendigung des Vertragsverhältnisses verbleibenden Vorteile aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die die Klägerin geworben hat (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB), der Höhe nach identisch sind mit den Provisionsverlusten , die die Klägerin infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses erleidet (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB aF bzw. § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB in der seit 5. August 2009 geltenden Neufassung). Dass die der Beklagten verbleibenden Vorteile höher zu bewerten wären als die Provisionsverluste der Klägerin , macht keine Partei geltend, so dass die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 26. März 2009 (BB 2009, 1607 - Turgay Semen/ Deutsche Tamoil GmbH) und die hierauf erfolgte Neufassung des § 89b Abs. 1 Satz 1 HGB für den Streitfall ohne Auswirkungen bleiben.
- 20
- b) Anders als die Revision meint, lässt sich der Annahme des Berufungsgerichts , die Beklagte habe aus der beendeten Geschäftsverbindung mit der Insolvenzschuldnerin erhebliche Vorteile gezogen, nicht entgegenhalten, ihr seien aus der Werbetätigkeit der Insolvenzschuldnerin schon deswegen keine Vorteile zugeflossen, weil ihr ein Direktvertrieb von Fahrzeugen rechtlich nicht möglich sei und sie im Hinblick auf die Notwendigkeit der Gleichbehandlung aller Vertragshändler verpflichtet sei, dem an die Stelle der Insolvenzschuldnerin getretenen Vertragshändler bei zukünftigen Neuwagenverkäufen an - bereits von dieser geworbene - Stammkunden in gleicher Weise Händlerrabatte zu gewähren.
- 21
- Der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB soll dem ausgeschiedenen Handelsvertreter einen Ausgleich dafür gewähren, dass die bislang von ihm verdienten Provisionen seine erbrachten Leistungen - Schaffung eines Kundenstamms - nicht vollständig abdecken (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 29. April 2009 - VIII ZR 226/07, VersR 2009, 1116 Rn. 24 mwN). Sein Nachfolger kann dagegen Provisionen für die künftig von ihm vermittelten Geschäfte verlangen. Beide Ansprüche bestehen nach den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 87, 87a, 89b HGB nebeneinander (Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, aaO Rn. 19). Dass ein Unternehmer "doppelt belastet" wird, wenn er für die Umsätze mit Stammkunden nicht nur dem Handelsvertreter einen Ausgleich , sondern auch dessen Nachfolgern Provisionen zahlen muss, ist zwangsläufige Folge dieses Anspruchssystems. Dieser Umstand kann daher nicht zum Wegfall eines Ausgleichsanspruchs führen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 1964 - VII ZR 150/62, BGHZ 42, 244, 248; Senatsurteil vom 12. September 2007 - VIII ZR 194/06, BB 2007, 2475 Rn. 48; jeweils zu Ansprüchen ausgeschiedener Tankstellenhalter). Für Ausgleichsansprüche eines Vertragshändlers in entsprechender Anwendung des § 89b HGB gilt nichts anderes, denn bei diesem nehmen die Rabatte, die er vom Hersteller auf dessen Listenpreis erhält , die Stelle der Provisionen eines Handelsvertreters ein (Senatsbeschluss vom 29. April 2009 - VIII ZR 226/07, aaO mwN; Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, aaO Rn. 20).
- 22
- 3. Die Revision meint, die Anwendbarkeit des § 89b HGB scheitere im vorliegenden Fall daran, dass die Insolvenzschuldnerin nicht infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses, sondern wegen der am 1. November 2000 erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens Ansprüche auf Provision verloren habe. Das trifft nicht zu.
- 23
- Nach der Regelung in § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB aF, die inzwischen mit dem Ziel der Umsetzung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 26. März 2009 (aaO) aufgehoben wurde (Art. 6a des Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung vom 31. Juli 2009, BGBl. I S. 2512; vgl. dazu BTDrucks. 16/13672, S. 22), kann der Handelsvertreter einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit er infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses Ansprüche auf Provision verliert, die er bei Fortsetzung desselben aus bereits abgeschlossenen oder künftig zustande kommenden Geschäften mit den von ihm geworbenen Kunden hätte. Bei der Auslegung dieser Vorschrift hat der Bundesgerichtshof aus der Zweckbestimmung des Ausgleichsanspruchs den Grundsatz abgeleitet, dass bei der Feststellung der dem Handelsvertreter entstehenden Nachteile die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zu fingieren ist und es auf die Gründe für dessen Beendigung ebenso wenig an- kommt wie darauf, ob der Handelsvertreter bei der gedachten Fortsetzung des Handelsvertreterverhältnisses überhaupt noch zur Vermittlung weiterer provisionspflichtiger Geschäfte imstande gewesen wäre. Ein Ausgleichsanspruch wurde daher unter anderem bei einer Auflösung des Handelsvertreterverhältnisses durch Tod (auch bei Selbsttötung) des Handelsvertreters und bei einer auf Initiative des Handelsvertreters erfolgten einverständlichen Vertragsaufhebung gewährt (vgl. nur Senatsurteil vom 10. Dezember 1997 - VIII ZR 329/96, NJW 1998, 1070 unter II 1 mwN).
- 24
- Der Ausgleichsanspruch ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn der Handelsvertreter nach der Beendigung des Vertrages seinen Geschäftsbetrieb eingestellt hat (Senatsurteil vom 10. Dezember 1997 - VIII ZR 329/96, aaO; BGH, Urteil vom 2. Juli 1987 - I ZR 188/85, NJW-RR 1988, 42 unter II A 4). Das gilt gleichermaßen, wenn die Betriebseinstellung - wie im vorliegenden Fall - auf die Insolvenz des Handelsvertreters (hier: Vertragshändlers) zurückzuführen ist (aA Stumpf/Ströbl, MDR 2004, 1209, 1211 f.; Wendel/Ströbl, WRP 2005, 999 ff.; dagegen Wolff, ZVI 2008, 1, 8). Denn der Regelungszweck des § 89b HGB besteht darin, dem Handelsvertreter für einen auf seiner Tätigkeit beruhenden, ihm aber infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht mehr vergüteten Vorteil des Unternehmers, wie er in der Schaffung des Kundenstamms liegt, eine Gegenleistung zu gewähren (vgl. BT-Drucks. 1/3856, S. 35; BGH, Urteil vom 13. Mai 1957 - II ZR 318/56, BGHZ 24, 214, 222). Unter Berücksichtigung dieses Regelungszwecks, der auf die Vergütung in der Vergangenheit erbrachter Leistungen gerichtet ist, kommt es nicht darauf an, ob der Handelsvertreter bei gedachter Fortsetzung des Vertrages auch in Zukunft tatsächlich noch Provisionen hätte erzielen können.
- 25
- 4. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht den Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB nicht durch Multiplikation der Mehrfachkundenumsätze im letzten Vertragsjahr, sondern anhand der in den letzten fünf Vertragsjahren erzielten Mehrfachkundenumsätze errechnet hat.
- 26
- Allerdings sind nach der Rechtsprechung des Senats der Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Vertragshändlers grundsätzlich die innerhalb des letzten Jahres auf den Listenpreis gewährten Rabatte zu Grunde zu legen; davon ist nur der Teil zu berücksichtigen, den der Vertragshändler für Umsätze mit von ihm neu geworbenen Stammkunden erhalten hat, weil nur mit diesen Kunden eine Geschäftsverbindung im Sinne von § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB besteht (Senatsurteil vom 12. Januar 2000 - VIII ZR 19/99, NJW 2000, 1413 unter II 2). Der für den Ausgleichsanspruch maßgebliche Stammkundenumsatz ist durch Multiplikation des Mehrfachkundenumsatzes des letzten Vertragsjahres mit dem Prognosezeitraum zu ermitteln. Hat das letzte Vertragsjahr einen atypischen Verlauf genommen, kann ein Durchschnittswert unter Heranziehung eines längeren Zeitraums gebildet werden (Senatsurteil vom 26. Februar 1997 - VIII ZR 272/95, BGHZ 135, 14, 23; vgl. auch BGH, Urteil vom 2. Juli 1987 - I ZR 188/85, aaO unter II B 1 b).
- 27
- Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht beachtet. Anders als die Revision meint, war das Gericht nicht an die übereinstimmende Berechnungsweise der Parteien, die nur die Mehrfachkundenumsätze des letzten Vertragsjahres zugrunde gelegt hat, gebunden. Das Berufungsgericht hat die in den Jahren 1995 bis 1999 erzielten Mehrfachkundenumsätze ermittelt; dagegen wendet die Revision sich nicht. Angesichts der auf dieser Grundlage für den gesamten Zeitraum festgestellten Schwankungen hat das Berufungsgericht sodann in tatrichterlicher Würdigung einen atypischen Verlauf des letzten Vertragsjahres angenommen und die Mehrfachkundenumsätze der letzten fünf Vertragsjahre seiner Berechnung zugrunde gelegt. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
- 28
- 5. Frei von Rechtsfehlern sind auch die grundsätzlichen Erwägungen des Berufungsgerichts zu den bei der analogen Anwendung des § 89b HGB berücksichtigungsfähigen Vergütungsbestandteilen.
- 29
- a) Wenn ein Vertragshändler für seine Verkaufsbemühungen Rabatte auf den Listenpreis des Herstellers erhält, nehmen die Rabattzahlungen wirtschaftlich betrachtet die Stelle der Provisionen eines Handelsvertreters ein. Um eine Vergleichbarkeit zwischen Händlerrabatt und Vertreterprovision zu erzielen, ist es allerdings notwendig, diejenigen Teile des Rabatts bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs herauszurechnen, die der Vertragshändler aufgrund seiner vom Handelsvertreter abweichenden Stellung für Leistungen erhält, die der Handelsvertreter üblicherweise nicht zu erbringen hat. Der Ausgleich nach § 89b HGB stellt eine Vergütung für die Überlassung des vom Handelsvertreter geschaffenen Kundenstamms an den Unternehmer dar, so dass bei der Ermittlung der Provisionsverluste (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB aF) andere Provisionen oder Provisionsanteile als solche für vertretertypische Tätigkeiten grundsätzlich außer Betracht zu bleiben haben. Diese Grundsätze sind auch bei einer entsprechenden Anwendung des § 89b HGB zu beachten mit der Folge, dass Vergütungen für händlertypische Tätigkeiten nicht berücksichtigungsfähig sind (vgl. nur Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, aaO Rn. 28 mwN).
- 30
- b) Für die Herstellung einer Vergleichsbasis zwischen Händlerrabatt und Vertreterprovision stehen dem Tatrichter verschiedene Wege offen. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht der Berechnung des Ausgleichsanspruchs den individuellen Rohertrag des Vertragshändlers zugrunde gelegt. Der individuelle Rohertrag stellt dabei die Differenz zwischen dem Verkaufspreis (vom Hersteller unverbindlich empfohlener Listenpreis abzüglich vom Händler gewährter Preisnachlässe an die Kunden) und dem Einkaufspreis des Händlers dar. Im Idealfall entspricht der individuelle Rohertrag des Händlers daher der Summe der Rabatte und Boni, die ihm der Hersteller auf den empfohlenen Verkaufspreis gewährt; er bleibt im Einzelfall nur insoweit hinter dieser Summe zurück, als der Händler selbst Fahrzeuge unter Gewährung von Preisnachlässen und Skonti unter dem Listenpreis verkauft hat. Aus dem individuellen Rohertrag sind dann diejenigen Vergütungsbestandteile herauszurechnen, die nicht handelsvertretertypisch , sondern händlertypisch sind. Außerdem ist der Händlerrabatt in einem weiteren Schritt um diejenigen Anteile zu reduzieren, die der Vertragshändler für solche Leistungen erhält, die ihm - wäre er Handelsvertreter - nicht als Entgelt für seine werbende (vermittelnde) Tätigkeit, sondern für "verwaltende" (vermittlungsfremde) Tätigkeiten gezahlt würden (vgl. nur Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, aaO Rn. 29 mwN).
- 31
- aa) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht beachtet. Der Kläger hat die konkreten Neuwagenverkaufsgeschäfte und die hierbei fallbezogen gewährten Zusatzleistungen für den Zeitraum von 1995 bis 1999 gesondert aufgeführt. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht den individuellen Rohertrag ermittelt und diesen dann um die von der Beklagten fallbezogen gewährten Zusatzleistungen erhöht.
- 32
- bb) Wie das Berufungsgericht weiter mit Recht angenommen hat, kommt es - auch unter Berücksichtigung des Wortlauts von § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB aF - für die Einbeziehung von zusätzlichen Vergünstigungen in die Ausgleichsberechnung nicht darauf an, ob dem Vertragshändler ein vertraglicher Anspruch auf die gewährten Zusatzleistungen zusteht. Denn für den Bestand und die Nachhaltigkeit der dem Unternehmer/Hersteller nach Beendigung der Geschäftsbeziehung verbleibenden Vorteile (gewonnene Stammkunden) ist es ohne Belang, ob diese aufgrund freiwilliger oder vertraglich geschuldeter Zusatzleistungen des Unternehmers/Herstellers geschaffen wurden. Umgekehrt macht es auch für den Handelsvertreter/Händler, der nach der Beendigung der Geschäftsbeziehung nicht mehr mit Zusatzvergütungen für handelsvertretertypische Tätigkeiten rechnen kann, wirtschaftlich betrachtet keinen Unterschied, ob diese vom Unternehmer/Hersteller aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung oder nur auf freiwilliger Basis gewährt wurden, der Handelsvertreter /Händler aber - beispielsweise aufgrund jahrelanger Übung - berechtigterweise erwarten konnte, auch in Zukunft vergleichbare Leistungen zu erhalten. Denn in beiden Fällen sind diese Zusatzleistungen in die Preiskalkulation des Handelsvertreters/Händlers eingeflossen und damit zum festen Bestandteil seines individuellen Rohertrags geworden (vgl. nur Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, aaO Rn. 32 mwN). So liegen die Dinge hier. Die Insolvenzschuldnerin konnte nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts , die das Berufungsgericht zugrunde gelegt hat, erwarten, in Zukunft vergleichbare Zusatzleistungen zu erhalten.
- 33
- 6. Aufgrund dieser grundsätzlichen Erwägungen hat das Berufungsgericht für den gesamten Fünfjahreszeitraum vor Vertragsbeendigung Prämien in Höhe von insgesamt 15.160,87 DM, Großabnehmerzuschüsse in Höhe von insgesamt 53.631 DM und Leasingzuschüsse in Höhe von insgesamt 51.960,84 DM berücksichtigt; für die Jahre 1995 bis 1998 sind dabei insgesamt 13 vom Kläger vorgetragene Geschäfte nicht einbezogen worden, bei denen die Beklagte die Stammkundeneigenschaft in Abrede genommen hatte.
- 34
- a) Auf das letzte Vertragsjahr entfallen von diesen Beträgen bei den Großabnehmerzuschüssen 12.318 DM, bei den Leasingzuschüssen 8.500 DM und bei den Prämien 2.800 DM (eine im Rahmen der "Prämienaktion X 40 Start" gezahlte Prämie von 800 DM sowie eine "Sondervergütung Gebrauchtfahrzeug" von 2.000 DM). Dies hält hinsichtlich der "Sondervergütung Gebrauchtfahrzeug" in Höhe von 2.000 DM den Angriffen der Revision nicht stand.
- 35
- aa) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings die Großabnehmerzuschüsse in die Ausgleichsberechnung einbezogen. Entgegen der Auffassung der Revision sind solche zum Ausgleich für vom Händler gewährte Großabnehmernachlässe gezahlte Zuschüsse nicht als Entgelte für händlertypische Aufgaben einzuordnen. Sie stellen sich vielmehr bei lebensnaher Betrachtung als verkaufsfördernde Preisnachlässe des Herstellers an den Kunden dar. Mit ihnen wird der Vertragshändler darin bestärkt, die vom Hersteller bereits eingeleiteten , an bestimmte Konditionen gebundenen Absatzbemühungen zu Ende zu führen. In Höhe des vom Hersteller übernommenen Großabnehmerzuschusses wird letztlich das Absatzrisiko auf diesen verlagert. Der vom Hersteller getragene Teil des dem Kunden eingeräumten Preisnachlasses stellt damit kein Entgelt für eine händlertypische Leistung dar, sondern eine finanzielle Verkaufshilfe , die im Hinblick auf die Aufteilung des Absatzrisikos dazu führt, dass der Rohertrag des Händlers nicht in Höhe des vollen Preisnachlasses geschmälert wird (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, aaO Rn. 35-37 mwN).
- 36
- bb) Auch die Berücksichtigung der Leasingzuschüsse ist unbedenklich. Dadurch, dass die Leasinggesellschaft die Zuschüsse an die Insolvenzschuldnerin weitergeleitet hat, wurde in dieser Höhe nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts der von der Insolvenzschuldnerin gewährte Rabatt und die hiermit verbundene Schmälerung des Händlerrohertrags teilweise ausgeglichen. Damit wurde auch in diesem Fall das Absatzrisiko auf verschiedene Unternehmen verteilt, so dass auch hier die weitergeleiteten und von der Insolvenzschuldnerin einkalkulierten Zuschüsse nicht als Entgelt für händlertypische Aufgaben anzusehen sind (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, aaO Rn. 38).
- 37
- cc) Auch die Berücksichtigung der im Rahmen der "Prämienaktion X 40 Start" gezahlten Prämie lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Auch insofern handelt es sich um eine finanzielle Verkaufshilfe, die im Hinblick auf die Aufteilung des Absatzrisikos dazu führt, dass der Rohertrag des Händlers nicht in Höhe des vollen, von ihm gegenüber dem Kunden gewährten Preisnachlasses geschmälert wird. Die Revision macht in diesem Zusammenhang lediglich geltend , dass es an einer vertraglichen Grundlage für die Zahlung der Prämie gefehlt habe. Es kommt jedoch - wie bereits oben unter 5 b bb dargelegt - nicht darauf an, ob die Zusatzleistungen aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung oder auf freiwilliger Basis gewährt wurden, wenn der Vertragshändler berechtigterweise erwarten konnte, auch in Zukunft vergleichbare Leistungen zu erhalten. Das ist hier der Fall (vgl. oben unter 5 b bb).
- 38
- dd) Mit Recht beanstandet die Revision jedoch die Berücksichtigung der "Sondervergütung Gebrauchtfahrzeug" in Höhe von 2.000 DM. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, es handele sich um eine Zusatzvergütung, die den mit der Inzahlungnahme des Gebrauchtwagens verbundenen "versteckten" Rabatt des Händlers ausgleiche.
- 39
- Die Revision wendet dagegen zutreffend ein, dass das Berufungsgericht bei einer Einbeziehung der Sondervergütung in die Ausgleichsberechnung folgerichtig den von der Insolvenzschuldnerin dem Kunden gewährten Preisnachlass ("versteckten Rabatt") hätte in Abzug bringen müssen. Denn Rabatte, die ein Händler seinen Kunden gewährt, schmälern in voller Höhe den individuellen Rohertrag (vgl. etwa Senatsurteil vom 5. Juni 1996 - VIII ZR 7/95, WM 1996, 1558 unter B I 1 b cc mwN). Sofern der Hersteller aber - wie hier - einen Teil des Absatzrisikos übernimmt, indem er dem Händler verkaufsfördernde Zuschüsse gewährt und dadurch erreicht, dass dessen Rohertrag nicht in Höhe des vollen Preisnachlasses geschmälert wird, sind diese Zuschüsse im Gegen- zug dem Rohertrag hinzuzurechnen. Diesen Mechanismus hat das Berufungsgericht nicht beachtet. Es hat zwar die Zuschusszahlung der Beklagten in die Berechnung des Ausgleichsanspruchs einfließen lassen, jedoch versäumt, den von der Insolvenzschuldnerin den Kunden eingeräumten Preisnachlass ("versteckten Rabatt") abzuziehen. Ermittelte man aber nicht - gegebenenfalls im Wege der Schätzung (§ 287 Abs. 2 ZPO) - die Höhe dieses Rabatts und brächte diesen nicht in Abzug, führte dies zu einem verfälschten Ergebnis. Denn dann würden zwar die zum Ausgleich des Rabatts gewährte Zusatzleistung, nicht aber der - zu Lasten des Händlers gehende - Rabatt selbst bei der Berechnung des Anspruchs nach § 89b HGB analog berücksichtigt (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, aaO Rn. 41). Zur Höhe des mit der Inzahlungnahme verbundenen "versteckten" Rabatts hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Diese Feststellungen wird das Berufungsgericht nachzuholen haben.
- 40
- b) Soweit das Berufungsgericht Prämien, Großabnehmerzuschüsse und Leasingzuschüsse auch für Mehrfachkundengeschäfte im Zeitraum vom 1. Februar 1995 bis 31. Januar 1999 - also im fünft- bis zweitletzten Vertragsjahr - in seine Gesamtberechnung eingestellt hat, fehlt es an ausreichenden Feststellungen dazu, ob und in welchem Umfang diese berücksichtigungsfähig sind.
- 41
- Das Berufungsgericht hat hinsichtlich der in diesem Zeitraum angefallenen Zusatzleistungen nicht näher begründet, warum diese berücksichtigungsfähig sind. Auch hat das Berufungsgericht bisher nicht festgestellt, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe weitere "Sondervergütungen Gebrauchtfahrzeug" oder vergleichbare Leistungen der Beklagten in dem Betrag von 12.360,87 DM enthalten sind, den das Berufungsgericht für den Zeitraum vom 1. Februar 1995 bis 31. Januar 1999 als "Prämien" berücksichtigt hat.
- 42
- 7. Die Annahme des Berufungsgerichts, der gesamte Rohertrag einschließlich der berücksichtigungsfähigen Zuschüsse sei um händlertypische Bestandteile in Höhe von 29 % zu kürzen, lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten erkennen.
- 43
- Das Berufungsgericht hat die Quote von 29 % - entgegen der Auffassung der Revision - zutreffend bemessen. Es hat die in Abzug gebrachte Quote von 29 % dadurch errechnet, dass es die von der Klägerin nach dem Händlervertrag zu beanspruchenden Zusatzrabatte von 5 % [Vorführwagenbestand 2 %; Werbung 1 %; Ausstellungsraum 1 %; Beschäftigung geschulter Käufer 1 %]) mit dem Gesamtrabatt von 17,5 % (12,5 % Grundrabatt zuzüglich 5 % Zusatzrabatte ) ins Verhältnis gesetzt hat (5/17,5 x 100 = aufgerundet 29 %). Diese Vorgehensweise steht entgegen der Auffassung der Revision nicht im Widerspruch zum Senatsurteil vom 5. Juni 1996 (VIII ZR 141/95, WM 1996, 1962 unter B I 2 a aa). Danach kann bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs nur der Grundrabatt in Höhe von 12,5 % der Händler-Netto-Preise zugrunde gelegt werden. Hieraus ergibt sich aber, anders als die Revision meint, keine Festlegung , auf welchem rechnerischen Weg die Bereinigung um händlertypische Zusatzrabatte zu erfolgen hat. Vom Tatrichter ist nur zu verlangen, dass er eine Berechnung wählt, die sicherstellt, dass die händlertypischen Zusatzrabatte von 5 % herausgerechnet werden. Dem wird die Berechnung des Berufungsgerichts gerecht.
- 44
- Allerdings hat das Berufungsgericht die rechtsfehlerfrei ermittelte Quote von 29 % zu Unrecht von dem Rohertrag der Klägerin einschließlich der Großabnehmer - und Leasingzuschüsse sowie der von ihm für das letzte Vertragsjahr berücksichtigten Prämien in Abzug gebracht (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, aaO Rn. 49). Dies wirkt sich jedoch nicht zum Nachteil der Beklagten aus und kann daher auf deren Revision nicht berücksichtigt werden.
- 45
- 8. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ist der nach Herausrechnung der händlertypischen Vergütungsbestandteile verbleibende Händlerrabatt in einem weiteren Schritt um den Anteil zu reduzieren, den der Händler für solche Leistungen erhält, die ihm, wäre er Handelsvertreter, nicht als Entgelt für seine werbende (vermittelnde) Tätigkeit, sondern für "verwaltende" (vermittlungsfremde ) Tätigkeiten gezahlt würden. Diesen Anteil hat das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision, die mindestens 3,16 % in Abzug bringen will, in rechtlich nicht zu beanstandender Weise nach § 287 Abs. 2 ZPO auf 2,5 % der unverbindlichen Preisempfehlung zu den MehrfachkundenGeschäften geschätzt (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, aaO Rn. 50 mwN).
- 46
- 9. Auch die Herabsetzung des Ausgleichsanspruchs um 25 % aus Billigkeitsgründen lässt keine Rechtsfehler erkennen.
- 47
- Die Würdigung der im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB aF (§ 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB nF) zu berücksichtigenden Umstände obliegt dem Tatrichter, wobei er einen entsprechenden Abzug im Wege der Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO vornehmen kann. Dass das Berufungsgericht einen Billigkeitsabschlag für die Sogwirkung der Marke V. in Höhe von nicht mehr als 25 % für angemessen erachtet hat, hält sich innerhalb des ihm eingeräumten weiten tatrichterlichen Ermessensspielraums (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, aaO Rn. 53). Das gilt auch, soweit das Berufungsgericht einen über 25 % hinausgehenden Abzug im Hinblick auf die später übernommene Vertretung der Marke S. mangels Vergleichbarkeit der Marken abgelehnt hat (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - VIII ZR 25/08, aaO Rn. 54).
- 48
- Ohne Erfolg beanstandet die Revision, dass das Berufungsgericht den Ausgleichsanspruch nicht (auch) wegen der Insolvenz gemäß § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB aF herabgesetzt habe. Das Berufungsgericht hat im Hinblick auf die Insolvenz unter Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. März 1990 (I ZR 2/89, aaO unter II 3 b) zutreffend ausgeführt, dass ein Rückgang des Gesamtumsatzes gegebenenfalls im Rahmen der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigen sein kann. Eine entsprechende Reduzierung hat es jedoch in rechtsfehlerfreier Ausübung seines tatrichterlichen Schätzungsermessens nicht vorgenommen.
- 49
- 10. Mit Recht wendet sich die Revision gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Gegenforderungen aus Materiallieferungen in Höhe von insgesamt 5.181,49 €, mit denen die Beklagte hilfsweise aufgerechnet hat. Das Berufungsgericht hat diese Forderungen als begründet angesehen und ausgeführt, der errechnete Ausgleichsanspruch in Höhe von 73.181,44 € mindere sich somit um 5.181,49 € auf 67.999,95 €. Dieser Betrag übersteige aber noch die Summe von 66.826,95 €, die das Landgericht zugesprochen habe, so dass die Berufung in der Hauptsache ohne Erfolg bleibe.
- 50
- a) Darin liegt, wie die Revision zutreffend geltend macht, ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot gemäß § 528 Satz 2 ZPO. Hat das erstinstanzliche Gericht den Beklagten unter Verneinung der Gegenforderung teilweise verurteilt, im Übrigen die Klage abgewiesen und hält auf die Berufung des Beklagten das Berufungsgericht die Gegenforderung für begründet, aber auch die Klageforderung (mindestens) um den Betrag der Gegenforderung für höher gegeben als das Erstgericht, dann muss die Berufung in Höhe der Gegenforderung Erfolg haben. Denn den in erster Instanz aberkannten Teil der Klageforderung darf das Rechtsmittelgericht nicht mehr als bestehend betrachten (RGZ 161, 167, 171; MünchKommZPO/Rimmelspacher, 3. Aufl., § 528 Rn. 39; Zöller/ Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 528 Rn. 26). So verhält es sich hier.
- 51
- Das Landgericht, das den Vortrag der Beklagten zu den Gegenforderungen als nicht hinreichend substantiiert angesehen hat, hat den vom Kläger geltend gemachten Ausgleichsanspruch lediglich in Höhe von 66.826,95 € für begründet gehalten und die darüber hinaus gehende Klage abgewiesen. Dagegen hat sich nur die Beklagte mit der Berufung gewandt. Deshalb war das Berufungsgericht gehindert, von einer höheren Ausgleichsforderung auszugehen und mit dieser Begründung eine Reduzierung der Verurteilung wegen der - vom Berufungsgericht abweichend vom Landgericht als begründet erachteten - Hilfsaufrechnung mit den Gegenforderungen abzulehnen.
- 52
- b) Die Revisionserwiderung macht in diesem Zusammenhang allerdings geltend, die Aufrechnung sei gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO unzulässig gewesen. Dies lässt sich mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht ohne weiteres verneinen.
- 53
- Nach § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat. Nach Verfahrenseröffnung erworben ist auch eine Gegenforderung, die vor Verfahrenseröffnung in aufrechenbarer Weise bestand, noch vor Verfahrenseröffnung an einen Dritten abgetreten und nach Verfahrenseröffnung zurückerworben wurde. Das gilt auch, wenn der Abtretung ein - echtes oder unechtes - Factoring-Geschäft zugrunde liegt (MünchKommInsO/Brandes, 2. Aufl., § 96 Rn. 21; Jaeger/Windel, InsO, § 96 Rn. 38, 41; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 13. Aufl., § 96 Rn. 38, 43; Wienberg in Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl., § 96 Rn. 56; FK-InsO/Bernsau, 5. Aufl., § 96 Rn. 14; HK-InsO/Kayser, 5. Aufl., § 96 Rn. 28; ders., WM 2008, 1525, 1533; vgl. auch Ganter in Festschrift für Kirchhof, 2003, S. 105, 119).
- 54
- Im Streitfall waren die von der Beklagten geltend gemachten Gegenforderungen jedenfalls vor Verfahrenseröffnung an einen Dritten abgetreten worden , denn ausweislich der Rechnungen vom 11. Dezember 1999 und 20. Januar 2000 - diese Daten liegen jeweils vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. November 2000 - waren die Forderungen an die V. GmbH verkauft.
- 55
- Zum Rückerwerb der Forderungen hat die Beklagte vorgetragen, die Forderungen seien im Rahmen eines unechten Factoring an die genannte Schwestergesellschaft verkauft worden. Könnten die Forderungen - zum Beispiel infolge Zahlungsunfähigkeit des Schuldners - nicht eingezogen werden, fielen sie aufgrund der Factoringabrede automatisch an die Beklagte zurück, die diese dann selbst auf eigenes Risiko geltend zu machen habe. Dieses Vorbringen hat das Berufungsgericht ersichtlich seiner Beurteilung zugrunde gelegt und ausgeführt, dass § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO der Aufrechnung nicht entgegen stehe, auch wenn der Rückerwerb der abgetretenen Forderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten sein sollte.
- 56
- Diese Beurteilung ist nicht frei von Rechtsfehlern. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es darauf an, ob der Rückerwerb der Forderungen vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt ist, denn nur im ersten Fall bestand bei Verfahrenseröffnung eine Aufrechnungslage, die gemäß § 94 InsO erhalten bleibt. Hingegen ist im zweiten Fall, also beim Rückerwerb von aufgrund eines unechten Factoring-Geschäfts abgetretenen Forderungen nach Verfahrenseröffnung, die Aufrechnung - wie vorstehend dargelegt - gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 2 InsO unzulässig. Zum Zeitpunkt des Rücker- werbs der Forderungen, insbesondere zum Inhalt der von der Beklagten vorgetragenen Factoring-Abrede, hat das Berufungsgericht indessen keine Feststellungen getroffen. Dies wird nachzuholen sein.
III.
- 57
- Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist, da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen weiteren Feststellungen getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Ball Hermanns Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 01.03.2006 - 3/9 O 110/02 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 10.07.2007 - 5 U 63/06 -
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.