Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 08. Nov. 2016 - 3 RVs 85/16
Tenor
1. Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben
a) im Einzelstrafenausspruch bezüglich der Tat zu Ziffer 2.,
b) im Gesamtstrafenausspruch,
c) im Maßregelausspruch, auch soweit von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist,
d) im Nebenstrafenausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
1
Gründe:
2I.
3Das Amtsgericht Bielefeld hat den vielfach vorbestraften Angeklagten am 21. September 2015 wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, eine isolierte Sperrfist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis von zwei Jahren angeordnet und ein Fahrverbot für die Dauer von drei Monaten verhängt.
4Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 22. September 2016, beim Amtsgericht Bielefeld eingegangen am selben Tag, hat der Angeklagte gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und die Berufung auf das Strafmaß beschränkt.
5Durch das angefochtene Urteil vom 29. Juni 2016 hat das Landgericht Bielefeld die Berufung kostenpflichtig verworfen.
6Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.
7Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
8II.
91.
10Das Amtsgericht hat zu den Taten des Angeklagten die folgenden Feststellungen getroffen:
11„1) Der Angeklagte, der sich nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis befindet, was er weiß, befuhr am 15.02.2015 gegen 16:00 Uhr mit dem führerscheinpflichtigen Kleinkraftrad der Marke Honda, Kennzeichen ### u.a. die G-Straße in T. Er befand sich unter dem Einfluss von Alkohol und war deshalb fahruntüchtig, was er hätte bemerken können. Die um 19:40 Uhr entnommene Blutprobe ergab noch einen Wert von 0,59 ‰. Hieraus errechnet sich ein Blutalkoholwert von 0,75 ‰ zum Zeitpunkt der Fahrt. An der Einmündung zur P-Straße bemerkte er in Folge seiner Alkoholisierung den dort wartenden Pkw des Zeugen P zu spät und fuhr auf diesen auf. Es entstand Sachschaden. Zudem wurde seine Beifahrerin, die Zeugin C2 verletzt, die von seiner Alkoholisierung nichts wusste. Die Zeugin erlitt u.a. Prellungen an den Füßen.
122) Obwohl sich der Angeklagte weiterhin nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis befand, was er wusste, befuhr er am 18.03.2015 um 18:15 Uhr mit dem führerscheinpflichtigen Kleinkraftrad Honda, ### u.a. die Q-Straße in W. Dabei war er trunkenheitsbedingt nicht in der Lage, das Fahrzeug sicher zu führen, was er wusste. Die um 18:40 Uhr entnommene Blutprobe ergab einen Wert von 2,28 ‰.“
132.
14Das Landgericht hat die Beschränkung der Berufung als wirksam angesehen und ergänzende Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten und zu seinen Vorbelastungen getroffen.
15a) Zu dem Alkoholkonsum des Angeklagten hat das Landgericht u.a. die folgenden Feststellungen getroffen:
16„Der Angeklagte konsumierte erstmals mit 16 Jahren Alkohol, und zwar beim Fußballtraining ein bis zwei Flaschen Bier, gelegentlich auch am Wochenende bis zu zehn Flaschen Bier auf Feiern. Einen Konsumanstieg merkte er erstmals mit 19 Jahren nach der Ausbildung, er trank dann täglich drei bis vier Flaschen Bier mit jeweils 0,33 l. Nach seinen Inhaftierungen trank er jeweils mehr harte Sachen, ist aber derzeit wieder auf Bier umgestiegen. Im Jahr 2015 trennte sich der Angeklagte von seiner Freundin, welche ebenfalls alkoholkrank war. Gemeinsam hatten sie acht bis zehn Flaschen Bier mit jeweils 0,5 l pro Tag konsumiert, zusätzlich noch ein bis zwei Gläser Wein. (…)
17Der Angeklagte begab sich vom 12.02. bis 22.02.2016 in die stationäre Entgiftung im H in E. Dort nahm der Angeklagte regelmäßig am therapeutischen Angebot der Station, bestehend aus ärztlichen und psychologischen Einzel- und Gruppengesprächen teil. Auch besuchte er die psycho-edukative Suchtgruppe sowie Arbeit- und Ergotherapie, Entspannungstraining, Bewegungstherapie und weitere sozialtherapeutische Maßnahmen.
18Vom 03.03.2016 bis zum 18.03.2016 befand er sich in teilstationärer Behandlung in der Tagesklinik M und wurde am 18.03.2016 regulär entlassen.“ (S. 4/5 UG)
19„Zusätzlich hat der Angeklagte nach wie vor ein unbewältigtes Alkoholproblem. In der Hauptverhandlung ist der Eindruck entstanden, dass der Angeklagte nur halbherzig dieses Problem angeht. Es ist ihm nicht gelungen, seit der erstinstanzlichen Hauptverhandlung vom 21.09.2015 eine stationäre Alkoholentwöhnungstherapie in die Wege zu leiten, obwohl er dies behauptet hat.“ (S. 14 UG)
20b) Ausweislich der Urteilsgründe ist der Angeklagte vielfach vorbestraft; sein Bundeszentralregisterauszug weist 14 Eintragungen auf. U.a. wurde er in den Jahren 1998, 2000, 2003 und 2011 jeweils wegen Verkehrsdelikten im Zusammenhang mit Alkohol verurteilt, zuletzt am 12. Dezember 2011 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und wegen anderer Delikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung. Aufgrund einer Verlängerung der Bewährungszeit stand der Angeklagte zu beiden Tatzeitpunkten unter Bewährungsaufsicht. Ferner ist er mehrfach mit Körperverletzungsdelikten in Erscheinung getreten, durch Urteil vom 14. Juli 2008 wurde er wegen einer unter Alkoholeinfluss begangenen gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Die zunächst gewährte Strafaussetzung zur Bewährung wurde widerrufen, so dass der Angeklagte die Strafe in der Zeit vom 29. April 2009 bis zum 18. Februar 2010 verbüßte.
213.
22Für die Tat zu Ziffer 1 vom 15. Februar 2015 hat das Landgericht eine Einzelstrafe von sechs Monaten und für die Tat zu Ziffer 2 vom 18. März 2015 eine Einzelstrafe von vier Monaten verhängt und hieraus eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten gebildet, deren Vollstreckung es insbesondere mit Blick auf die einschlägigen Vorbelastungen des Angeklagten und sein unbewältigtes Alkoholproblem nicht zur Bewährung ausgesetzt hat.
234.
24a) Zu der Verhängung der Sperrfrist und zu dem Fahrverbot enthalten die Urteilsgründe die folgenden Ausführungen:
25„Durch die Tat hat sich der Angeklagte als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Aufgrund des Umstandes, dass der Angeklagte immer wieder gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften verstößt, hielt die Kammer hier eine Sperrfrist von weiteren 24 Monaten für angemessen zur Einwirkung auf den Angeklagten. Darüber hinaus hat die Kammer ein Fahrverbot von 3 Monaten gemäß § 44 StGB angeordnet, um den Angeklagten von jeglicher Form der Fortbewegung von Kraftfahrzeugen abzuhalten.“ (S. 14 UG)
26b) Von der Anordnung der Unterbringung des Anklagten in einer Entziehungsanstalt hat das Landgericht mit der folgenden Begründung abgesehen:
27„Die Kammer hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB zwar in Erwägung gezogen, im Ergebnis jedoch abgelehnt. Nach Auffassung der Kammer handelt es sich, auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhanges, insbesondere seiner zuvor begangenen Straftaten um Bagatelldelikte, bei welchen die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unverhältnismäßig erscheint.“ (S. 15 UG)
28III.
29Die zulässige Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen (vorläufigen) Erfolg, im Übrigen erweist sie sich als unbegründet.
301.
31Die auf die Sachrüge von Amts wegen vorzunehmende Überprüfung, ob die Strafkammer zu Recht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen ist, ergibt, dass die Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils zu den Taten eine hinreichende Grundlage für die Nachprüfung der Rechtsfolgenentscheidung bieten. Zwar fehlen in den Urteilsfeststellungen bei beiden Taten nähere Angaben zu den Umständen der Alkoholaufnahme, beispielsweise dem Beginn und dem Trinkende, jedoch hindert dies eine wirksame Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch nicht. (Senat, Beschluss vom 3. April 2006 – 3 Ss 71/06, juris). Gleiches gilt, soweit die Urteilsgründe des amtsgerichtlichen Urteils keine Angaben zur inneren Tatseite bezüglich der fahrlässigen Körperverletzung (Tat zu Ziffer 1.) enthalten, denn die übrigen Ausführungen lassen den sicheren Rückschluss zu, dass der Angeklagte in Bezug auf die Herbeiführung einer Gesundheitsschädigung seiner Beifahrerin fahrlässig handelte.
322.
33Der Rechtsfolgenausspruch hält der revisionsrechtlichen Überprüfung durch den Senat nicht in allen Punkten stand.
34a) Die Strafzumessungserwägungen weisen einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf, der zur teilweisen Aufhebung des Strafausspruchs führt.
35aa) Die Strafzumessung ist zwar grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Strafzumessung ist allerdings dann möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (BGH, Urteil vom 20. Dezember 1994 - 1 StR 688/94, NJW 1995, 1038 und Beschluss vom 12. August 2014 – 4 StR 329/14, BeckRS 2014, 17110; OLG Hamm, Beschluss vom 17. Juni 2008 – 4 Ss 224/08, juris, Rdnr. 8). Auch begründen die Strafzumessungserwägungen dann die Revision, wenn von einem falschen Strafrahmen ausgegangen wird oder die für das Strafmaß materiell-rechtlich maßgeblichen Leitgesichtspunkte (§ 46 StGB) nicht richtig gesehen oder nicht zugrunde gelegt worden sind.
36bb) So liegt der Fall hier bezüglich der Tat zu Ziffer 2 vom 18. März 2015, denn die Kammer hat sich mit der sich aufdrängenden Möglichkeit einer Strafrahmenmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB im Hinblick auf eine verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt nicht auseinandergesetzt. Nach den Urteilsfeststellungen ergab eine dem Angeklagten um 18:15 Uhr entnommene Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration von 2,28 ‰. Die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit ergibt sich hingegen aus den Urteilsgründen nicht. Unter Zugrundelegung der nach der Rechtsprechung anerkannten Rückrechnungsregeln ist zur Prüfung der Schuldfähigkeit des Täters von einem maximalen Abbauwert auszugehen, der sich aus einem stündlichen Abbauwert von 0,2 ‰ und einem einmaligen Sicherheitszuschlag von 0,2 ‰ ergibt (Fischer, StGB, 63. Aufl., § 20, Rdnr. 13). Zugunsten des Angeklagten ist angesichts eines Zeitraums von ca. einer halben Stunde zwischen der Tatzeit und der Blutentnahme von einer Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit in Höhe von nahezu 2,5 ‰ auszugehen. BAK-Werte ab 2,0 ‰ deuten, ohne dass insoweit ein medizinisch-statistischer Erfahrungssatz besteht, auf eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit hin, bei einem Wert von 2,5 ‰ erscheint sie sogar nahe liegend (Senat, Beschluss vom 3. April 2006 – 3 Ss 71/06, juris, Rdnr. 7; Beschluss vom 29. Januar 2013 – III-3 RVs 6/13, Beschluss vom 28. November 2013 – III-3 RVs 84/13; OLG Hamm, Beschluss vom 24. August 2000 – 4 Ss 869/00, juris und Beschluss vom 8. November 2007 – 4 Ss 473/07, juris; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 20, Rdnr. 17a m.w.N). Zwar ist zu berücksichtigen, dass die mildernde Wirkung einer verminderten Schuldfähigkeit durch die – ebenfalls alkoholbedingte – erhöhte objektive Gefährlichkeit der Trunkenheitsfahrt kompensiert werden mag, jedoch lässt sich zugunsten des Angeklagten letztlich nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei erschöpfender und fehlerfreier Abwägung der Voraussetzungen und Anwendung der §§ 21, 49 Abs. 1 StGB zu einer milderen Strafe gefunden hätte.
37cc) Die Bemessung der Strafe für die Tat zu Ziffer 1 lässt dagegen keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.
38dd) Der o.g. Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Strafausspruchs betreffend die Tat zu Ziffer 2, die auch die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich zieht.
39b) Die Erwägungen, mit denen die Kammer die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB abgelehnt hat, sind ebenfalls nicht frei von Rechtsfehlern. Die Nichtanordnung der Unterbringung war vom Senat auf die Sachrüge zu überprüfen, da diese nicht vom Rechtsmittelangriff des Angeklagten ausgenommen worden ist (BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 – 4 StR 636/11, juris; Senat, Beschluss vom 10. Februar 2015 – III-3 RVs 5/15 und Beschluss vom 15. September 2016 – 3 RVs 70/16, juris, Rdnr. 19; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 64, Rdnr. 28). Daran ändert auch nichts, dass zuvor nur der Angeklagte Berufung eingelegt und diese auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs beschränkt hatte (BayObLG, Beschluss vom 12. Dezember 1994 – 5St RR 154/94, juris; Senat, Beschluss vom 10. Februar 2015 – III-3 RVs 5/15). Der etwaigen Anordnung einer Unterbringung nach § 64 StGB stünde das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 S. 1 StPO nicht entgegen, § 358 Abs. 2 S. 3 StPO (KK-Kuckein, StPO, § 358, Rdnr. 23; OLG Rostock, Beschluss vom 22. März 2001 - 1 Ss 244/00 I 5/01, juris, Rdnr. 19).
40aa) Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass die Urteilsfeststellungen eine Prüfung der Voraussetzungen des § 64 StGB nahe legen: Der Angeklagte ist seit dem Jahr 1998 wiederholt mit alkoholbedingten Straftaten aufgefallen und hat auch nach dem Inhalt seiner eigenen Einlassung ein über Jahre verfestigtes Alkoholproblem, das bislang nicht ausreichend behandelt wurde. Aufgrund dieser Feststellungen liegt es nahe, dass ein Hang i.S.v. § 64 StGB gegeben ist. Denn für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung ausreichend, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss (BGH, Urteil vom 11. März 2014 – 1 StR 655/13, juris, Rdnr. 11).
41bb) Es liegt nach den festgestellten Umständen – insbesondere im Hinblick auf die häufigen einschlägigen Vorverurteilungen – auch die Gefahr nahe, dass der Angeklagte infolge seines Hangs auch in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten, nämlich weitere alkoholbedingte Verkehrsstraftaten und/oder Gewaltdelikte, begehen wird. Anders als das Landgericht meint, handelt es sich bei den Taten des Angeklagten nicht um Bagatelldelikte. Bei beiden verfahrensgegenständlichen Taten steuerte der Angeklagte in alkoholisiertem Zustand ein Kleinkraftrad, ohne im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis zu sein, und zwar jeweils zu Zeitpunkten, zu denen die Straßen vorhersehbar nicht menschenleer sind. Ein solches Verhalten kann für andere Verkehrsteilnehmer mit erheblichen Gefahren verbunden sein, die sich im Fall der Tat zu Ziffer 1 auch realisierten, denn der Angeklagte verursachte infolge seiner Alkoholisierung einen Verkehrsunfall, bei dem seine Beifahrerin verletzt wurde (Senat, Beschluss vom 22. April 2014 – III-3 RVs 30/14; Beschluss vom 10. Februar 2015 – III-3 RVs 5/15; Beschluss vom 15. September 2016 – 3 RVs 70/16, juris, Rdnr. 20; OLG Hamm, Beschluss vom 11. Oktober 2005 – 4 Ss 361/05, juris, Rdnr. 21; OLG Celle, Beschluss vom 23. Juni 2014 – 32 Ss 83/14, juris, Rdnr. 16; OLG Rostock, Beschluss vom 22. März 2001 – 1 Ss 244/00 I 5/01, juris, Rdnr. 19). Soweit das Landgericht auf die zuvor begangenen Straftaten des Angeklagten abhebt, ist die Einordnung der Tat vom 27. Januar 2008 (gefährliche Körperverletzung zum Nachteil der Geschädigten F, S. 9 UG) als Bagatelldelikt nicht nachvollziehbar.
42cc) Aus den bisherigen Feststellungen ergibt sich auch nicht, dass eine Therapie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Vielmehr spricht für eine entsprechende Erfolgsaussicht, dass der Angeklagte in der Zeit vom 12. Februar bis zum 22. Februar 2016 eine stationäre Entgiftung und in der Zeit vom 3. März bis zum 18. März 2016 eine teilstationäre Behandlung in einer Tagesklinik absolvierte. Zudem will sich der Angeklagte seinen eigenen Angaben zufolge um eine stationäre Alkoholentwöhnungstherapie bemüht haben.
43dd) Über die Notwendigkeit einer Unterbringungsanordnung ist daher unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) neu zu verhandeln.
44c) Die Entscheidung über die isolierte Sperrfrist gemäß § 69a StGB unterliegt aufgrund des engen inhaltlichen Zusammenhangs mit der Maßregel nach § 64 StGB ebenfalls der Aufhebung. Die Bemessung der Sperrfrist im Einzelfall hat sich an den Kriterien zu orientieren, die für die Anordnung der Maßregel bestimmend sind; es kommt mithin (allein) darauf an, wie lange die Ungeeignetheit i.S.v. § 69 Abs. 1 StGB, die hier ausschließlich auf charakterlichen Mängeln beruht, voraussichtlich bestehen wird (Fischer, StGB, 63. Aufl., § 69a, Rdnr. 15). Angesichts des unbehandelten Alkoholproblems des Angeklagten hängt die Prognose über die Dauer der Sperrfrist maßgeblich davon ab, ob und wenn ja in welchem zeitlichen Rahmen eine erfolgreiche Behandlung, ggf. im Rahmen einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, möglich ist. Da der Entscheidung über beide Maßregeln im Wesentlichen inhaltsgleiche Erwägungen zugrunde liegen, bestünde die Gefahr einer in sich widersprüchlichen Gesamtentscheidung, wenn das Landgericht nur über die Maßregel nach § 64 StGB neu zu verhandeln und zu entscheiden hätte (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2001 – 4 StR 306/00, NJW 2001, 3134).
45d) Auch das verhängte Fahrverbot (§ 44 StGB) kann keinen Bestand haben. Die Kammer hat sich mit der Wechselwirkung zwischen der Höhe der Hauptstrafe und der Nebenstrafe nicht auseinandergesetzt (OLG Hamm, Beschluss vom 3. Juni 2004 – 2 Ss 112/04, juris, Rdnr. 14; OLG Stuttgart, Beschluss vom 10. März 2016 – 4 Ss 700/15, juris, Rdnr. 16; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 44, Rdnr. 17). Im Übrigen wird der neue Tatrichter bei seiner Entscheidung über die Verhängung eines Fahrverbots zu berücksichtigen haben, dass das Fahrverbot seine Warnungs- und Besinnungsfunktion – auch im Hinblick auf seinen Strafcharakter – nur dann erfüllen kann, wenn es sich in einem angemessenen zeitlichen Abstand zur Tat auf den Täter auswirkt. Nach einem längeren Zeitablauf verliert der spezialpräventive Zweck eines Fahrverbots seine eigentliche Bedeutung, so dass nur noch der Pönalisierungscharakter als Sanktionsinhalt übrig bleibt (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2001 – 5 StR 439/01, juris, Rdnr. 5; OLG Hamm, Beschluss vom 3. Juni 2004 – 2 Ss 112/04, juris, Rdnr. 14). Der Angeklagte beging die Taten am 15. Februar 2015 und 18. März 2015. Da die neue Hautverhandlung voraussichtlich erst im Frühjahr des Jahres 2017 stattfindet, wird dem Zeitablauf von dann zwei Jahren seit der Tat entscheidende Bedeutung zukommen, was voraussichtlich dazu führt, dass das verhängte Fahrverbot seinen spezialpräventiven Zweck verliert. Es bedarf dann besonderer Umstände für die Annahme, dass zu einer nach wie vor erforderlichen erzieherischen Einwirkung auf den Täter die Verhängung eines Fahrverbots neben der Hauptstrafe unbedingt erforderlich ist (OLG Hamm, Beschluss vom 3. Juni 2004 – 2 Ss 112/04, juris, Rdnr. 16 und Beschluss vom 24. Juli 2012 – III-2 RVs 37/12, juris, Rdnr. 6).
463.
47Der Strafausspruch bezüglich der Tat zu Ziffer 1 vom 15. Februar 2015 kann trotz der Notwendigkeit erneuter Verhandlung und Entscheidung über die Maßregeln und die Nebenstrafe bestehen bleiben.
48a) Wegen der „Zweispurigkeit“ von Strafe und Maßregel besteht keine Wechselwirkung zwischen beiden Rechtsfolgen. Sie sollen unabhängig voneinander verhängt werden (BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 – 4 StR 636/11, juris; Beschluss vom 9. Oktober 2012 – 1 StR 456/12, juris; Urteil vom 31. Juli 2013 – 2 StR 620/12, BeckRS 2013, 15324). Etwas anderes kann gelten, wenn sich aus den Urteilsgründen Anhaltspunkte für eine mögliche Wechselwirkung ergeben (BGH, Urteil vom 20. September 2011 – 1 StR 120/11, BeckRS 2011, 25933) oder wenn die Einzelstrafen an der oberen Grenze der jeweiligen Strafrahmen angesiedelt sind (Senat, Beschluss vom 22. April 2014 – III-3 RVs 30/14). Vorliegend kann der Senat bezüglich der Tat zu Ziffer 1 ausschließen, dass die Kammer eine noch mildere Strafe verhängt hätte, wenn sie zugleich die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet hätte.
49b) Die Aufhebung des verhängten Fahrverbotes nötigt ebenfalls nicht zur Aufhebung der Einzelstrafe für die Tat zu Ziffer 1. Selbst wenn das neue Tatgericht erneut ein Fahrverbot verhängen sollte, kann dies nicht dazu führen, dass die Einzelstrafe für die Tat zu Ziffer 1 noch niedriger zu bemessen wäre. Dies gilt erst recht für den Fall, dass von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen wird.
504.
51Wegen der aufgezeigten Mängel ist das angefochtene Urteil nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache nach § 354 Abs. 2 S. 1 StPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückzuverweisen.
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 08. Nov. 2016 - 3 RVs 85/16
Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 08. Nov. 2016 - 3 RVs 85/16
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Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 08. Nov. 2016 - 3 RVs 85/16 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).
(1) Wird jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe verurteilt, so kann ihm das Gericht für die Dauer von einem Monat bis zu sechs Monaten verbieten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen. Auch wenn die Straftat nicht bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen wurde, kommt die Anordnung eines Fahrverbots namentlich in Betracht, wenn sie zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung erforderlich erscheint oder hierdurch die Verhängung einer Freiheitsstrafe oder deren Vollstreckung vermieden werden kann. Ein Fahrverbot ist in der Regel anzuordnen, wenn in den Fällen einer Verurteilung nach § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a, Abs. 3 oder § 316 die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 unterbleibt.
(2) Das Fahrverbot wird wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von einem Monat seit Eintritt der Rechtskraft. Für seine Dauer werden von einer deutschen Behörde ausgestellte nationale und internationale Führerscheine amtlich verwahrt. Dies gilt auch, wenn der Führerschein von einer Behörde eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellt worden ist, sofern der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat. In anderen ausländischen Führerscheinen wird das Fahrverbot vermerkt.
(3) Ist ein Führerschein amtlich zu verwahren oder das Fahrverbot in einem ausländischen Führerschein zu vermerken, so wird die Verbotsfrist erst von dem Tage an gerechnet, an dem dies geschieht. In die Verbotsfrist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist.
(4) Werden gegen den Täter mehrere Fahrverbote rechtskräftig verhängt, so sind die Verbotsfristen nacheinander zu berechnen. Die Verbotsfrist auf Grund des früher wirksam gewordenen Fahrverbots läuft zuerst. Werden Fahrverbote gleichzeitig wirksam, so läuft die Verbotsfrist auf Grund des früher angeordneten Fahrverbots zuerst, bei gleichzeitiger Anordnung ist die frühere Tat maßgebend.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
BUNDESGERICHTSHOF
a) die Strafverfolgung im Fall II.2.a der Urteilsgründe auf den Tatbestand des versuchten Diebstahls beschränkt,
b) der Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung und mit Hausfriedensbruch, des Diebstahls in Tateinheit mit Hausfriedensbruch, des versuchten Diebstahls und des Hausfriedensbruchs schuldig ist. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung und mit Hausfriedensbruch, wegen Dieb- stahls in Tateinheit mit Hausfriedensbruch, wegen versuchten Diebstahls in Tateinheit mit Hausfriedensbruch und wegen Hausfriedensbruchs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf die Sachrüge gestützte Revision. Diese führt zu einer Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO. Im verbleibenden Umfang hat sie keinen Erfolg.
- 2
- 1. Der Senat nimmt mit Zustimmung des Generalbundesanwalts den Vorwurf des Hausfriedensbruchs im Fall II.2.a der Urteilsgründe aus den in dessen Antragsschrift vom 22. Juli 2014 dargelegten Gründen gemäß § 154a Abs. 2 StPO von der Strafverfolgung aus. Dies führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs. Der Senat schließt - ebenfalls aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen - aus, dass der Strafausspruch sowohl hinsichtlich der für die Tat II.2.a verhängten Einzelstrafe als auch hinsichtlich der Gesamtstrafe auf der Verurteilung auch wegen Hausfriedensbruchs in diesem Fall beruht.
- 3
- 2. Im verbleibenden Umfang hat das Rechtsmittel des Angeklagten aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Weder die Beweiswürdigung noch die rechtliche Bewertung der Taten oder die Strafaussprüche weisen einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in die Strafzumessung ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt. Insbesondere Letzteres ist hier nicht der Fall. Die Begründung der Gesamtstrafe genügt auch den von der Rechtsprechung in Fällen eines relativ knappen Überschreitens der Grenze zu einer bewährungsfähigen Gesamtstrafe gestellten Anforderungen (vgl. dazu etwa BGH, Beschluss vom 19. November 2002 - 1 StR 374/02).
Mutzbauer Quentin
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.
- 2
- Das Rechtsmittel ist im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet, soweit es sich gegen den Schuld- und Strafausspruch wendet. Es führt aber zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt hat.
- 3
- Der Generalbundesanwalt hat zur Entscheidung der Strafkammer über die Maßregel nach § 64 StGB in seinem Zuleitungsantrag ausgeführt: „OhneRechtsfehler ist die Kammer von einem Hang des Angeklagten zum übermäßigen Alkoholgenuss ausgegangen (UA S. 17). Nach den Feststellungen beging der Angeklagte die Taten unter Alkoholeinfluss (UA S. 4 f., 6). Zudem verübte er die Taten zumindest auch, um sich Alkohol bzw. Geld für dessen Erwerb zu beschaffen.
Soweit das Landgericht auf die Vorverurteilungen abstellt, lässt die Begründung schon eine Auseinandersetzung mit dem Gewicht der Anlasstaten und der Bedeutung der von dem Angeklagten infolge seines Hanges zu erwartenden Taten vermissen. Abgesehen davon ist zu besorgen, dass die Kammer für die anzustellende Gefährlichkeitsprognose auf einen Zeitpunkt im Laufe oder nach Abschluss der in Aussicht genommenen freiwilligen Therapie abgestellt hat. Maßgebend ist jedoch , ob die Gefahr, dass der Angeklagte infolge seines Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, im Zeitpunkt der tatgerichtlichen Hauptverhandlung besteht (BGH, Beschluss vom 22.01.1997 – 2 StR 656/96, StV 1998, 73 m.w.N.). Möglichkeiten, Chancen und Maßnahmen einer therapeutischen Behandlung haben dabei außer Betracht zu bleiben. Die Gefahr künftiger suchtbedingter Straftaten darf daher nicht deshalb verneint werden, weil der Angeklagte die Be-
handlungsbedürftigkeit seiner Sucht selbst einsieht und sich therapiewillig zeigt. Die Bereitschaft des Angeklagten, sich freiwillig einer stationären Therapie zu unterziehen, ist für sich genommen kein Grund, von der Anordnung einer zwangsweisen Unterbringung abzusehen (BGH, Beschluss vom 05.12.1997 – 2 StR 504/97; Beschluss vom 05.03.2003 – 2 StR 5/03 m.w.N.).
Angesichts der Therapiebereitschaft des Angeklagten und des Umstandes, dass eine Therapie bislang noch nicht durchgeführt worden ist (vgl. UA S. 3), sprechen die bisherigen Urteilsfeststellungen auch für eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB.
Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 – 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362). Wegen der grundsätzlich nicht bestehenden Wechselwirkung zwischen Strafe und Maßregel nach § 64 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 20.09.2011 – 1 StR 120/11 m.w.N.) ist auszuschließen, dass die Strafe niedriger ausgefallen wäre, wenn das Landgericht zugleich die Unter- bringung des Angeklagten angeordnet hätte.“
- 4
- Dem schließt sich der Senat an.
Mutzbauer Bender
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
1
Gründe:
2I.
3Das Amtsgericht Blomberg sprach den Angeklagten am 17. November 2015 von dem Vorwurf der fahrlässigen Trunkenheit im Straßenverkehr frei.
4Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Detmold mit dem angefochtenen Urteil vom 23. Mai 2016 das Urteil des Amtsgerichts Blomberg vom 17. November 2015 aufgehoben und den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es dem Angeklagten für die Dauer von drei Monaten verboten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
5Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.
6Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Revision des Angeklagten als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
7II.
81.
9Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
102.
11Das Urteil ist jedoch im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben.
12a) Die Ausführungen, mit denen das Landgericht eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB versagt hat, sind nicht frei von Rechtsfehlern.
13aa) Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang Folgendes ausgeführt:
14„Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte infolge seiner massiven Alkoholisierung in seiner Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen, erheblich vermindert war, § 21 StGB. Gleichwohl hat die Kammer von der fakultativen Milderungsmöglichkeit der §§ 21, 49 Abs. 1 StGB keinen Gebrauch gemacht. Der Angeklagte trank, obwohl er damit rechnete, noch als Fahrer am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen. Vor diesem Hintergrund ist die Tat auch nicht allein deshalb als milder als der Normalfall zu werten, weil die alkoholische Beeinflussung recht hoch ist.“
15bb) Die Annahme verminderter Schuldfähigkeit begegnet im Hinblick auf die zutreffend berechnete Blutalkoholkonzentration von 2,99 ‰ zum Tatzeitpunkt aus revisionsrechtlicher Sicht keinen Bedenken, wobei sich aus den Urteilsgründen nicht ergibt, ob der Sachverständige O auch zu diesem Punkt angehört wurde.
16cc) Bedenken begegnet jedoch die Begründung, mit der das Landgericht die Strafrahmenverschiebung versagt hat.
17(1) Zwar kann eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB abgelehnt werden, wenn die alkoholbedingt erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Täters auf selbst verschuldeter Trunkenheit beruht (BGH, Urteil vom 27. März 2003 – 3 StR 435/02, NStZ 2003, 480; Beschluss vom 7. Januar 2003 – 4 StR 490/03, NStZ-RR 2003, 136; Beschluss vom 20. April 2005 – 5 StR 147/05, juris; Urteil vom 17. August 2004 – 5 StR 93/04, juris). Über die fakultative Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB entscheidet der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen aufgrund einer Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände; wenn die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit auf zu verantwortender Trunkenheit beruht, stellt dies einen Umstand unter vielen dar, der in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung sprechen kann. Die Entscheidung des Tatrichters unterliegt dabei nur eingeschränkter revisionsrechtlicher Überprüfung.
18(2) Die Frage, ob der Tatrichter, der die Strafrahmenverschiebung verweigern will, zusätzlich zu einem schuldhaften Sich-Berauschen feststellen muss, dass sich aufgrund der persönlichen und situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten infolge der Alkoholisierung vorhersehbar signifikant erhöht hat (so BGH, Urteil vom 17. August 2004 – 5 StR 93/04, juris), ist derzeit Gegenstand eines Anfragebeschlusses des 3. Strafsenats vom 15. Oktober 2015 (3 StR 63/15, juris) an die übrigen Strafsenate, auf die der 5. Strafsenat mit Beschluss vom 1. März 2016 (5 ARs 50/15), der 4. Strafsenat mit Beschluss vom 28. April 2016 (4 ARs 16/15) und der 1. Strafsenat mit Beschluss vom 10. Mai 2016 (1 ARs 21/15) geantwortet haben. Einigkeit besteht dabei, dass Voraussetzung für eine Versagung der Strafrahmenverschiebung stets ist, dass dem Angeklagten die Alkoholaufnahme zum Vorwurf gemacht werden kann. Dies kommt in der Regel dann nicht in Betracht, wenn der Täter alkoholkrank ist oder ihn der Alkohol zumindest weitgehend beherrscht, wenn also in der aktuellen Alkoholaufnahme kein schulderhöhender Umstand gesehen werden kann (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2003 – 4 StR 490/03, NStZ-RR 2003, 136; OLG Hamm, Beschluss vom 11. Oktober 2005 – 4 Ss 361/05, juris, Rdnr. 13).
19(3) Dass diese Voraussetzungen hier vorliegen, hat das Landgericht nicht ausreichend festgestellt.
20(a) Es bestehen bereits Bedenken, ob die Annahme der Vorwerfbarkeit in tatsächlicher Hinsicht von den Feststellungen getragen wird, denn Feststellungen zum Anlass der Fahrt mit dem Roller, zum Zeitpunkt des Tatentschlusses und zum Grad der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Alkoholisierung hat das Landgericht nicht getroffen.
21(b) Nach den getroffenen Feststellungen liegt es zudem nahe, dass dem Angeklagten der Alkoholkonsum – wenn überhaupt – nur eingeschränkt zum Vorwurf gemacht werden kann, weil er zur Tatzeit alkoholkrank war. Aus den Urteilsgründen ergibt sich in diesem Zusammenhang, dass der Angeklagte bereits seit vielen Jahren Alkohol trinkt. Seine Einlassung, der Alkoholgenuss erfolge nicht regelmäßig, sondern er trinke nur, wenn er mit seinen Freunden zusammen sitze, was ein- bis zweimal im Monat vorkomme, steht im Widerspruch zu den übrigen Feststellungen, die nicht nur auf eine Alkoholgewöhnung, sondern auf eine massive Alkoholproblematik schließen lassen. Die Blutalkoholkonzentration betrug aufgrund der Rückrechnung zum Tatzeitpunkt 2,99 ‰ wobei der der Angeklagte noch mit dem Roller fahren und mit den eingesetzten Polizeibeamten kommunizieren konnte, besondere Auffälligkeiten wurden dabei nicht festgestellt. Auch die Ergebnisse der ärztlichen Untersuchung, bei der die Blutalkoholkonzentration noch bei nahezu 2 ‰ lag, waren unauffällig. Das Verhalten vor der Tat spricht ebenfalls für eine Alkoholproblematik, denn der Angeklagte hat nach den Feststellungen im Verlauf des Nachmittags erhebliche Mengen harten Alkohols in Gestalt einer 0,7 l Flasche Weinbrand mit einem Alkoholgehalt von 36 bis 38 % und sechs bis acht Portionsfläschen eines Kräuterschnapses „Kümmerling“ konsumiert. Hinzu tritt, dass der Angeklagte bereits fünfmal wegen Verkehrsdelikten im Zusammenhang mit Alkohol verurteilt wurde, zuletzt durch Urteil des Amtsgerichts Brakel vom 13. März 2013. Da der Angeklagte bereits am 18. April 1997 erstmals wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr verurteilt wurde, lässt dies auf einen langjährigen Alkoholmissbrauch schließen.
22(c) Das Landgericht wird unter erneuter Hinzuziehung eines Sachverständigen zu klären haben, ob der Angeklagte alkoholkrank ist und ob angesichts einer etwaigen Alkoholabhängigkeit in der Alkoholaufnahme überhaupt ein Umstand gesehen werden kann, der es rechtfertigt, von der Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB abzusehen. In diesem Zusammenhang werden sich das Landgericht und der Sachverständige auch mit den den Vorverurteilungen zugrundeliegenden Straftaten näher auseinanderzusetzen haben.
23b) Aus den oben dargelegten Gründen stellt es auch einen Rechtsfehler dar, dass das Landgericht die Frage einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB nicht geprüft hat.
24aa) Zwar beschwert die Nichtanordnung der Maßnahme nach § 64 StGB den Angeklagten grundsätzlich nicht. Das Revisionsgericht ist allerdings bei einer zulässig erhobenen Revision nicht gehindert, das angefochtene Urteil aufzuheben, wenn eine Prüfung der Maßregel unterblieben ist, obwohl die tatrichterlichen Feststellungen zu einer solchen Prüfung gedrängt hätten (BGH, Beschluss vom 17. März 2009 – 3 StR 84/09, NStZ-RR 2009, 252; OLG Celle, Beschluss vom 23. Juni 2014 – 32 Ss 83/14, juris); das Verbot der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 StPO) steht dem nicht entgegen, § 358 Abs. 2 S. 3 StPO. Da der Angeklagte hier die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen hat, ist sie aufgrund der allgemeinen Sachrüge vom Senat zu überprüfen.
25bb) Die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB setzt die Gefahr voraus, dass der Angeklagte infolge seines Handelns erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Bei der Trunkenheitsfahrt des Angeklagten mit einem Roller handelt es sich um eine erhebliche Straftat im Sinne dieser Vorschrift (s. auch OLG Celle, Beschluss vom 23. Juni 2014 – 32 Ss 83/14, juris, Rdnr. 16). Der Angeklagte ist zu einem Zeitpunkt, zu dem die Straßen vorhersehbar nicht menschenleer sind, mit seinem Roller gefahren und war dabei ganz erheblich alkoholisiert. Ein solches Verhalten kann für andere Verkehrsteilnehmer mit erheblichen Gefahren verbunden sein.
26cc) Die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt wird daher in der neuen Verhandlung unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) zu prüfen sein.
273.
28Aufgrund der aufgezeigten Mängel war daher das Urteil im Rechtsfolgenausspruch nach § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben. Die Sache war an eine andere kleinen Strafkammer des Landgerichts Detmold zur erneuten Verhandlung und Entscheidung nach § 354 Abs. 2 StPO zurückzuverweisen.
294.
30Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
31a) Die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte sei Bewährungsversager, lässt sich anhand der zu den Vorstrafen getroffenen Feststellungen nicht überprüfen, sondern lediglich aus den mitgeteilten Daten schlussfolgern. In Bezug auf die maßgebliche Vorbelastung zu Ziffer 17 wird weder das Datum der Rechtskraft, noch die festgesetzte Bewährungszeit mitgeteilt. Der Bestand des Urteils wurde durch diesen Mangel jedoch nicht gefährdet. Da die Bewährungszeit nach § 56a Abs. 1 StGB zwei Jahre nicht unterschreiten darf, fällt die Tat vom 31. Juli 2015 bei einem Ende der Bewährungszeit am 12. März 2016 auf jeden Fall in die Bewährungszeit.
32b) Mit Blick auf die Verhängung eines Fahrverbots und die Anordnung einer isolierten Sperrfrist gemäß § 69a Abs. 1 S. 3 StGB weist der Senat darauf hin, dass nicht festgestellt ist, dass der Verurteilte zum Tatzeitpunkt nicht über eine Fahrerlaubnis verfügte. Auch dieses Tatbestandsmerkmal lässt sich lediglich aus den mitgeteilten Tatsachen schlussfolgern, denn durch das Urteil des Amtsgerichts Brakel vom 13. März 2013 wurde eine Sperre für die Fahrerlaubnis bis zum 12. März 2015 festgesetzt. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte in der Zwischenzeit eine Fahrerlaubnis erworben haben könnte, bestehen nicht. Gleichwohl ist eine ausdrückliche Feststellung aus Gründen der Klarheit wünschenswert.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten P. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit bewaffnetem unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass 27 Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollstrecken sind.
- 2
- Den Angeklagten D. , dem vorgeworfen worden war, die zur Verurteilung des Angeklagten P. führenden Taten mit diesem gemeinschaftlich begangen zu haben, hat es freigesprochen.
- 3
- Gegen dieses Urteil wenden sich sowohl der Angeklagte P. als auch die Staatsanwaltschaft mit ihren Rechtsmitteln. Die Staatsanwaltschaft hat Revisionen zu Lasten beider Angeklagter eingelegt. Hinsichtlich des Angeklagten D. erhebt sie außer der Sachrüge auch Verfahrensrügen, mit denen sie die Verletzung von § 250 StPO sowie diejenige der Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) durch das Tatgericht geltend macht.
I.
- 4
- Nach den Feststellungen des Landgerichts bestellte der selbst regelmäßig Marihuana und Amphetamin konsumierende Angeklagte P. im September und Oktober 2012 von unbekannt gebliebenen Lieferanten Amphetamin. Die Lieferungen, die mindestens 1 kg bzw. 1,7 kg Amphetamin mit unterdurchschnittlicher Wirkstoffkonzentration umfassten, erfolgten jeweils per Postpaket an die Wohnanschrift des Angeklagten. Er verwahrte das Rauschgift an unterschiedlichen Orten in der Küche seiner Wohnung bis zum gewinnbringenden Weiterverkauf. Die größten Teilmengen der zweiten Lieferung hatte er in der Dunstabzugshaube und der Mikrowelle versteckt. In unmittelbarer Nähe dieser Verstecke bewahrte der Angeklagte in einer nicht verschließbaren Küchenschublade einen Teleskopschlagstock und ein Kampfmesser mit einer feststehenden, 18 cm langen Klinge auf. Dieser Umstand war ihm bewusst.
- 5
- Dem Angeklagten D. war mit der Anklage vorgeworfen worden, mit dem Angeklagten P. vereinbart zu haben, dass Letzterer seine Wohnung für gemeinsame Betäubungsmittelgeschäfte zur Verfügung stelle. D. sollte die Drogen (Amphetamin) bestellen, die anschließend in die Wohnung von P. geliefert werden sollten. Von der Wohnung aus sollte das Amphetamin gewinnbringend weiterverkauft werden. Nach dem Anklage- vorwurf war für D. die „Regie“ über die Verkäufe vorgesehen; P. sei die Rolle der Ausführung der Verkäufe „vor Ort“ zugedacht gewesen.
- 6
- Das Tatgericht hat den Angeklagten D. aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Vorwürfe gegen D. gründeten sich allein auf Angaben des Zeugen M. , der eine Zeit lang Unterschlupf in der Wohnung des Angeklagten P. gefunden hatte. Das Landgericht hat den Zeugen , der selbst wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge – bei Strafmilderung gemäß § 31 BtMG – zu einer Freiheitstrafe verurteilt worden war, als weitgehend unglaubwürdig erachtet. Diese Bewertung stützt es u.a. auf ein näher dargelegtes starkes Motiv für eine Belastung weiterer Personen außer dem Angeklagten P. sowie auf das häufig wechselnde, den jeweiligen Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden angepasste Aussageverhalten.
II. Revision des Angeklagten P.
- 7
- Die auf die nicht ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten P. bleibt ohne Erfolg. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insbesondere hat das Landgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zu der Tat C.2. der Urteilsgründe rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG angenommen.
- 8
- Die Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben sowohl im Hinblick auf den Angeklagten P. (nachfolgend 1.) als auch bezüglich des Angeklagten D. (nachfolgend 2.) erfolglos.
- 9
- 1. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit der Sachrüge in erster Linie gegen die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten P. gemäß § 64 StGB in einer Entziehungsanstalt. Weder ihre Beanstandungen der der Annahme der Anordnungsvoraussetzungen zugrunde liegenden Beweiswürdigung noch die gegen die Anordnung selbst gerichteten greifen durch. Der Senat hat das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft so ausgelegt, dass diese die Unterbringung auf jeden Fall anfechten will (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2011 – 1 StR 120/11, NStZ-RR 2012, 72); die Nachprüfung hat aber weder zu Lasten noch zu Gunsten der Angeklagten Rechtsfehler ergeben.
- 10
- a) Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler in der Beweiswürdigung den Angaben des Angeklagten über seinen Rauschmittelkonsum geglaubt und zur Grundlage der Beurteilung der Voraussetzungen des § 64 StGB gemacht. Soweit die Revision meint, das Tatgericht hätte angesichts der Ergebnisse des in die Hauptverhandlung durch Verlesung eingeführten „Haargutachtens“ der Ein- lassung des Angeklagten über den vorhandenen Konsum auch von Marihuana nicht folgen dürfen, zeigt sie damit keine Lücken in der Beweiswürdigung auf. Vielmehr versucht sie – im Revisionsverfahren unbeachtlich – ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen. Das Tatgericht hat sich mit dem den Nachweis des Konsums von Betäubungsmitteln durch den Angeklagten führenden Gutachten auseinandergesetzt und rechtsfehlerfrei dargelegt, warum sie unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Gut- achtens der Einlassung des Angeklagten insgesamt, auch hinsichtlich des von ihm angegebenen Konsums von Marihuana, folgt (UA S. 32 und 33).
- 11
- b) Das Landgericht hat auch den Begriff des „Hangs“ i.S.v. § 64 StGB nicht verkannt. Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren , ausreichend, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 21. August 2012 – 4 StR 311/12 mwN, insoweit in NStZ-RR 2013, 74 nicht abgedruckt; vom 30. Juli 2013 – 2 StR 174/13, insoweit in NStZ-RR 2013, 340 nicht abgedruckt). Nicht erforderlich ist, dass beim Täter bereits eine Persönlichkeitsdepravation eingetreten ist (BGH, Beschluss vom 6. September 2007 – 4 StR 318/07, NStZ-RR 2008, 7). Dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum die Gesundheit sowie die Arbeits - und Leistungsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt sind, kommt nur eine indizielle Bedeutung zu. Das Fehlen solcher Beeinträchtigungen schließt nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hangs aus (BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198, 199; vom 20. Dezember 2011 – 3StR 421/11, NStZ-RR 2012, 204, 205; vom 30. Juli 2013 – 2 StR 174/13, NStZ-RR 2013, 340).
- 12
- c) Anhand des vorgenannten Maßstabs hat das Tatgericht auf der Grundlage des festgestellten Drogenkonsumverhaltens des Angeklagten das Vorliegen eines Hangs ohne Rechtsfehler angenommen. Dass es dabei dem einen Hang verneinenden Sachverständigen nicht gefolgt ist, stellt den Bestand der Maßregelanordnung nicht in Frage. Es ist gerade Aufgabe des Tatrichters, sich gegenüber dem Sachverständigen die Eigenständigkeit der Beurteilung zu bewahren (vgl. Senat, Urteil vom 22. Januar 2002 – 1 StR 512/01; van Gemmeren in MünchKommStGB, Band 2, 2. Aufl., § 64 Rn. 109). Beantwortet er allerdings eine für die Entscheidung über die Anordnung der Maßregel relevante Frage abweichend von der Bewertung des Sachverständigen, muss der Tatrichter seine vom Sachverständigen verschiedene Beurteilung in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise begründen (Senat aaO).
- 13
- Dem genügt das angefochtene Urteil.
- 14
- d) Die Annahme eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen dem festgestellten Hang des Angeklagten und der Begehung der verfahrensgegenständlichen Taten ist ebenfalls ohne Rechtsfehler. Für einen solchen Zusammenhang genügt, dass die Verübung der Anlasstat wenigstens mitursächlich auf den Hang zurückzuführen ist (BGH, Beschluss vom 28. August 2013 – 4 StR277/13, NStZ-RR 2014, 75). Ein solcher ursächlicher Zusammenhang ist typischerweise dann gegeben, wenn die Straftaten begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen (BGH aaO).
- 15
- Gerade eine solche Motivation hat das Landgericht ohne Rechtsfehler bei der Beweiswürdigung bei dem Angeklagten P. festgestellt (UA S. 33).
- 16
- 2. In Bezug auf den Freispruch des Angeklagten D. zeigt die Revision keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
- 17
- a) Die beiden erhobenen Rügen der Verletzung von Verfahrensrecht bleiben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 15. Januar 2014 genannten Gründen ohne Erfolg.
- 18
- Soweit die Revision die Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes i.S.v. § 250 Abs. 1 Satz 1 StPO mit der Begründung rügt, das Tatgericht hätte Äußerungen der zuständigen Ermittlungsrichterin aus Anlass der Eröffnung des Haftbefehls gegenüber dem Zeugen M. nicht durch die zeugenschaftliche Vernehmung des Zeugen KOK N. , sondern durch Vernehmung der Ermittlungsrichterin selbst einführen müssen (RB S. 2), weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin: § 250 Abs. 1 Satz 1 StPO regelt lediglich den Vorrang des Personalbeweises vor dem Sachbeweis. Dagegen gebietet die Vorschrift gera- de nicht, den „sachnächsten“ Zeugen, meist also denjenigen, der die zu bewei- sende Tatsache selbst wahrgenommen hat, zu hören (siehe nur Sander/ Cirener in Löwe/Rosenberg, StPO, Band 6/1, § 250 Rn. 1 und 23). Zwar wird die Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) regelmäßig die Vernehmung des sachnächsten Zeugen gebieten. Vorliegend war jedoch die Ermittlungsrichterin im Vergleich zu dem Zeugen KOK N. nicht die sachnächste Zeugin. Dieser hat wie sie an der Haftbefehlseröffnung teilgenommen und konnte den Inhalt des dort Geäußerten in gleicher Weise wie die Ermittlungsrichterin aufgrund eigener Wahrnehmung bekunden.
- 19
- b) Die dem Freispruch des Angeklagten D. zugrundeliegende Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Prüfung stand.
- 20
- Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatrichters. Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die Prüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung durch das Revisionsgericht ist auf das Vorliegen von Rechtsfehlern beschränkt. Solche Rechtsfehler liegen in sachlich -rechtlicher Hinsicht bei der Beweiswürdigung lediglich dann vor, wenn diese widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze verstößt oder wenn der Tatrichter zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat. Rechtsfehlerhaft ist es zudem, wenn das Tatgericht es versäumt, sich im Urteil mit anderen naheliegenden Möglichkeiten auseinanderzusetzen, und dadurch über schwerwiegende Verdachtsmomente ohne ausreichende Erörterung hinweggeht (BGH, Urteil vom 23. Januar 2014 – 3 StR 373/13 mwN).
- 21
- Solche Rechtsfehler enthält das angefochtene Urteil nicht. Die Revision der Staatsanwaltschaft zielt lediglich darauf ab, ihre eigene Beweiswürdigung in Bezug auf den Zeugen M. an die Stelle derjenigen des Tatgerichts zu setzen.
IV.
- 22
- Soweit das Landgericht über den mit der unverändert zum Hauptverfahren zugelassenen Anklage vom 29. April 2013 gegenüber dem Angeklagten P. erhobenen Vorwurf, Strafvereitelung dadurch begangen zu haben , dass er den anderweitig Verfolgten M. von August 2012 bis zu dessen Festnahme am 28. November 2012 in seiner (P. s) Wohnung versteckt hat, um M. vor der Strafvollstreckung zu bewahren (Ziffer II. der Anklage), seine Kognitionspflicht nicht ausgeübt hat, kann der Senat keine Entscheidung treffen. Da das Landgericht seine Kognitionspflicht nicht auf diese verfahrensgegenständliche Tat (§§ 155, 264 StPO) erstreckt hat, ist die Sache insoweit noch dort und nicht beim Bundesgerichtshof anhängig (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 1993 – 3 StR 304/93, NStZ 1993, 551, 552). Raum Wahl Graf Cirener Radtke
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
1
Gründe:
2I.
3Das Amtsgericht Blomberg sprach den Angeklagten am 17. November 2015 von dem Vorwurf der fahrlässigen Trunkenheit im Straßenverkehr frei.
4Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Detmold mit dem angefochtenen Urteil vom 23. Mai 2016 das Urteil des Amtsgerichts Blomberg vom 17. November 2015 aufgehoben und den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es dem Angeklagten für die Dauer von drei Monaten verboten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
5Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.
6Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Revision des Angeklagten als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
7II.
81.
9Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
102.
11Das Urteil ist jedoch im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben.
12a) Die Ausführungen, mit denen das Landgericht eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB versagt hat, sind nicht frei von Rechtsfehlern.
13aa) Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang Folgendes ausgeführt:
14„Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte infolge seiner massiven Alkoholisierung in seiner Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen, erheblich vermindert war, § 21 StGB. Gleichwohl hat die Kammer von der fakultativen Milderungsmöglichkeit der §§ 21, 49 Abs. 1 StGB keinen Gebrauch gemacht. Der Angeklagte trank, obwohl er damit rechnete, noch als Fahrer am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen. Vor diesem Hintergrund ist die Tat auch nicht allein deshalb als milder als der Normalfall zu werten, weil die alkoholische Beeinflussung recht hoch ist.“
15bb) Die Annahme verminderter Schuldfähigkeit begegnet im Hinblick auf die zutreffend berechnete Blutalkoholkonzentration von 2,99 ‰ zum Tatzeitpunkt aus revisionsrechtlicher Sicht keinen Bedenken, wobei sich aus den Urteilsgründen nicht ergibt, ob der Sachverständige O auch zu diesem Punkt angehört wurde.
16cc) Bedenken begegnet jedoch die Begründung, mit der das Landgericht die Strafrahmenverschiebung versagt hat.
17(1) Zwar kann eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB abgelehnt werden, wenn die alkoholbedingt erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Täters auf selbst verschuldeter Trunkenheit beruht (BGH, Urteil vom 27. März 2003 – 3 StR 435/02, NStZ 2003, 480; Beschluss vom 7. Januar 2003 – 4 StR 490/03, NStZ-RR 2003, 136; Beschluss vom 20. April 2005 – 5 StR 147/05, juris; Urteil vom 17. August 2004 – 5 StR 93/04, juris). Über die fakultative Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB entscheidet der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen aufgrund einer Gesamtabwägung aller schuldrelevanten Umstände; wenn die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit auf zu verantwortender Trunkenheit beruht, stellt dies einen Umstand unter vielen dar, der in der Regel gegen eine Strafrahmenverschiebung sprechen kann. Die Entscheidung des Tatrichters unterliegt dabei nur eingeschränkter revisionsrechtlicher Überprüfung.
18(2) Die Frage, ob der Tatrichter, der die Strafrahmenverschiebung verweigern will, zusätzlich zu einem schuldhaften Sich-Berauschen feststellen muss, dass sich aufgrund der persönlichen und situativen Verhältnisse des Einzelfalls das Risiko der Begehung von Straftaten infolge der Alkoholisierung vorhersehbar signifikant erhöht hat (so BGH, Urteil vom 17. August 2004 – 5 StR 93/04, juris), ist derzeit Gegenstand eines Anfragebeschlusses des 3. Strafsenats vom 15. Oktober 2015 (3 StR 63/15, juris) an die übrigen Strafsenate, auf die der 5. Strafsenat mit Beschluss vom 1. März 2016 (5 ARs 50/15), der 4. Strafsenat mit Beschluss vom 28. April 2016 (4 ARs 16/15) und der 1. Strafsenat mit Beschluss vom 10. Mai 2016 (1 ARs 21/15) geantwortet haben. Einigkeit besteht dabei, dass Voraussetzung für eine Versagung der Strafrahmenverschiebung stets ist, dass dem Angeklagten die Alkoholaufnahme zum Vorwurf gemacht werden kann. Dies kommt in der Regel dann nicht in Betracht, wenn der Täter alkoholkrank ist oder ihn der Alkohol zumindest weitgehend beherrscht, wenn also in der aktuellen Alkoholaufnahme kein schulderhöhender Umstand gesehen werden kann (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2003 – 4 StR 490/03, NStZ-RR 2003, 136; OLG Hamm, Beschluss vom 11. Oktober 2005 – 4 Ss 361/05, juris, Rdnr. 13).
19(3) Dass diese Voraussetzungen hier vorliegen, hat das Landgericht nicht ausreichend festgestellt.
20(a) Es bestehen bereits Bedenken, ob die Annahme der Vorwerfbarkeit in tatsächlicher Hinsicht von den Feststellungen getragen wird, denn Feststellungen zum Anlass der Fahrt mit dem Roller, zum Zeitpunkt des Tatentschlusses und zum Grad der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Alkoholisierung hat das Landgericht nicht getroffen.
21(b) Nach den getroffenen Feststellungen liegt es zudem nahe, dass dem Angeklagten der Alkoholkonsum – wenn überhaupt – nur eingeschränkt zum Vorwurf gemacht werden kann, weil er zur Tatzeit alkoholkrank war. Aus den Urteilsgründen ergibt sich in diesem Zusammenhang, dass der Angeklagte bereits seit vielen Jahren Alkohol trinkt. Seine Einlassung, der Alkoholgenuss erfolge nicht regelmäßig, sondern er trinke nur, wenn er mit seinen Freunden zusammen sitze, was ein- bis zweimal im Monat vorkomme, steht im Widerspruch zu den übrigen Feststellungen, die nicht nur auf eine Alkoholgewöhnung, sondern auf eine massive Alkoholproblematik schließen lassen. Die Blutalkoholkonzentration betrug aufgrund der Rückrechnung zum Tatzeitpunkt 2,99 ‰ wobei der der Angeklagte noch mit dem Roller fahren und mit den eingesetzten Polizeibeamten kommunizieren konnte, besondere Auffälligkeiten wurden dabei nicht festgestellt. Auch die Ergebnisse der ärztlichen Untersuchung, bei der die Blutalkoholkonzentration noch bei nahezu 2 ‰ lag, waren unauffällig. Das Verhalten vor der Tat spricht ebenfalls für eine Alkoholproblematik, denn der Angeklagte hat nach den Feststellungen im Verlauf des Nachmittags erhebliche Mengen harten Alkohols in Gestalt einer 0,7 l Flasche Weinbrand mit einem Alkoholgehalt von 36 bis 38 % und sechs bis acht Portionsfläschen eines Kräuterschnapses „Kümmerling“ konsumiert. Hinzu tritt, dass der Angeklagte bereits fünfmal wegen Verkehrsdelikten im Zusammenhang mit Alkohol verurteilt wurde, zuletzt durch Urteil des Amtsgerichts Brakel vom 13. März 2013. Da der Angeklagte bereits am 18. April 1997 erstmals wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr verurteilt wurde, lässt dies auf einen langjährigen Alkoholmissbrauch schließen.
22(c) Das Landgericht wird unter erneuter Hinzuziehung eines Sachverständigen zu klären haben, ob der Angeklagte alkoholkrank ist und ob angesichts einer etwaigen Alkoholabhängigkeit in der Alkoholaufnahme überhaupt ein Umstand gesehen werden kann, der es rechtfertigt, von der Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB abzusehen. In diesem Zusammenhang werden sich das Landgericht und der Sachverständige auch mit den den Vorverurteilungen zugrundeliegenden Straftaten näher auseinanderzusetzen haben.
23b) Aus den oben dargelegten Gründen stellt es auch einen Rechtsfehler dar, dass das Landgericht die Frage einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB nicht geprüft hat.
24aa) Zwar beschwert die Nichtanordnung der Maßnahme nach § 64 StGB den Angeklagten grundsätzlich nicht. Das Revisionsgericht ist allerdings bei einer zulässig erhobenen Revision nicht gehindert, das angefochtene Urteil aufzuheben, wenn eine Prüfung der Maßregel unterblieben ist, obwohl die tatrichterlichen Feststellungen zu einer solchen Prüfung gedrängt hätten (BGH, Beschluss vom 17. März 2009 – 3 StR 84/09, NStZ-RR 2009, 252; OLG Celle, Beschluss vom 23. Juni 2014 – 32 Ss 83/14, juris); das Verbot der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 StPO) steht dem nicht entgegen, § 358 Abs. 2 S. 3 StPO. Da der Angeklagte hier die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen hat, ist sie aufgrund der allgemeinen Sachrüge vom Senat zu überprüfen.
25bb) Die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB setzt die Gefahr voraus, dass der Angeklagte infolge seines Handelns erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Bei der Trunkenheitsfahrt des Angeklagten mit einem Roller handelt es sich um eine erhebliche Straftat im Sinne dieser Vorschrift (s. auch OLG Celle, Beschluss vom 23. Juni 2014 – 32 Ss 83/14, juris, Rdnr. 16). Der Angeklagte ist zu einem Zeitpunkt, zu dem die Straßen vorhersehbar nicht menschenleer sind, mit seinem Roller gefahren und war dabei ganz erheblich alkoholisiert. Ein solches Verhalten kann für andere Verkehrsteilnehmer mit erheblichen Gefahren verbunden sein.
26cc) Die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt wird daher in der neuen Verhandlung unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) zu prüfen sein.
273.
28Aufgrund der aufgezeigten Mängel war daher das Urteil im Rechtsfolgenausspruch nach § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben. Die Sache war an eine andere kleinen Strafkammer des Landgerichts Detmold zur erneuten Verhandlung und Entscheidung nach § 354 Abs. 2 StPO zurückzuverweisen.
294.
30Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
31a) Die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte sei Bewährungsversager, lässt sich anhand der zu den Vorstrafen getroffenen Feststellungen nicht überprüfen, sondern lediglich aus den mitgeteilten Daten schlussfolgern. In Bezug auf die maßgebliche Vorbelastung zu Ziffer 17 wird weder das Datum der Rechtskraft, noch die festgesetzte Bewährungszeit mitgeteilt. Der Bestand des Urteils wurde durch diesen Mangel jedoch nicht gefährdet. Da die Bewährungszeit nach § 56a Abs. 1 StGB zwei Jahre nicht unterschreiten darf, fällt die Tat vom 31. Juli 2015 bei einem Ende der Bewährungszeit am 12. März 2016 auf jeden Fall in die Bewährungszeit.
32b) Mit Blick auf die Verhängung eines Fahrverbots und die Anordnung einer isolierten Sperrfrist gemäß § 69a Abs. 1 S. 3 StGB weist der Senat darauf hin, dass nicht festgestellt ist, dass der Verurteilte zum Tatzeitpunkt nicht über eine Fahrerlaubnis verfügte. Auch dieses Tatbestandsmerkmal lässt sich lediglich aus den mitgeteilten Tatsachen schlussfolgern, denn durch das Urteil des Amtsgerichts Brakel vom 13. März 2013 wurde eine Sperre für die Fahrerlaubnis bis zum 12. März 2015 festgesetzt. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte in der Zwischenzeit eine Fahrerlaubnis erworben haben könnte, bestehen nicht. Gleichwohl ist eine ausdrückliche Feststellung aus Gründen der Klarheit wünschenswert.
(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.
(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.
(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.
(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet.
(2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird.
(3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist.
(4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.
(5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.
(7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.
(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen
- 1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c), - 1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d), - 2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316), - 3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder - 4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Wird jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe verurteilt, so kann ihm das Gericht für die Dauer von einem Monat bis zu sechs Monaten verbieten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen. Auch wenn die Straftat nicht bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen wurde, kommt die Anordnung eines Fahrverbots namentlich in Betracht, wenn sie zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung erforderlich erscheint oder hierdurch die Verhängung einer Freiheitsstrafe oder deren Vollstreckung vermieden werden kann. Ein Fahrverbot ist in der Regel anzuordnen, wenn in den Fällen einer Verurteilung nach § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a, Abs. 3 oder § 316 die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 unterbleibt.
(2) Das Fahrverbot wird wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von einem Monat seit Eintritt der Rechtskraft. Für seine Dauer werden von einer deutschen Behörde ausgestellte nationale und internationale Führerscheine amtlich verwahrt. Dies gilt auch, wenn der Führerschein von einer Behörde eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellt worden ist, sofern der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat. In anderen ausländischen Führerscheinen wird das Fahrverbot vermerkt.
(3) Ist ein Führerschein amtlich zu verwahren oder das Fahrverbot in einem ausländischen Führerschein zu vermerken, so wird die Verbotsfrist erst von dem Tage an gerechnet, an dem dies geschieht. In die Verbotsfrist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist.
(4) Werden gegen den Täter mehrere Fahrverbote rechtskräftig verhängt, so sind die Verbotsfristen nacheinander zu berechnen. Die Verbotsfrist auf Grund des früher wirksam gewordenen Fahrverbots läuft zuerst. Werden Fahrverbote gleichzeitig wirksam, so läuft die Verbotsfrist auf Grund des früher angeordneten Fahrverbots zuerst, bei gleichzeitiger Anordnung ist die frühere Tat maßgebend.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
a) im Schuldspruch dahingehend geändert , daß der Angeklagte wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in 19 Fällen und wegen Hehlerei verurteilt ist,
b) im gesamten Strafausspruch und im Ausspruch über die Einziehung mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
c) hinsichtlich der Anordnung des Verfalls und des Fahrverbots aufgehoben.
1. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung zum Strafausspruch und über die Einziehung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäûiger Bandenhehlerei in 19 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten und wegen Hehlerei unter Einbeziehung einer anderweitig erkannten Geldstrafe zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Auûerdem hat es den Verfall von 3000 DM, die Einziehung von 2500 DM als Wertersatz und ein Fahrverbot von drei Monaten angeordnet. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den im Beschluûtenor ersichtlichen Teilerfolg.
1. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat hinsichtlich der Verurteilung wegen gewerbsmäûiger Hehlerei in 19 Fällen und wegen Hehlerei im Fall 20 keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
2. Die Verurteilungen aufgrund der Qualifikationsnorm des § 260a StGB wegen gewerbsmäûiger Bandenhehlerei haben keinen Bestand. Die Feststellungen belegen allenfalls eine auf eine gewisse Dauer angelegte Verbindung zwischen dem Angeklagten als Hehler und dem Einbrecher F zu gemeinsamer Deliktsbegehung, keinesfalls aber zu einem erforderlichen dritten Bandenmitglied (vgl. BGH – GS – NJW 2001, 2266, 2267, zur Veröffentlichung vorgesehen in BGHSt 46, 321). Entgegen der Wertung des Landgerichts erwies sich der Angeklagte nicht als zur Absatzförderung bereiter Hehler des Einbrechers M . Dieser hatte zwar gemeinsam mit F 700 Einbrüche begangen, den auf ihn entfallenden Beuteanteil an elektronischen Geräten aber ausschlieûlich über zwei eigene Hehler abgesetzt , mit denen der Angeklagte nicht in Verbindung stand. In nur 19 Fällen erhielt der Angeklagte von F aus dessen Beuteanteil Geräte zum An- kauf oder zur Überwindung der Zugangssicherungen, wobei M nie zugegen war. Nur F gewährte dem Angeklagten Vorteile für seine Bemühungen , die Geräte funktionstüchtig zu machen. Nach umfassender Vernehmung der Zeugen M und F durch das Landgericht schlieût der Senat aus, daû ein neuer Tatrichter im Falle einer Zurückverweisung weitere Feststellungen für das Vorliegen einer Bande aus drei Mitgliedern wird treffen können. Er hat daher den Schuldspruch selbst abgeändert.
3. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der Strafaussprüche und der Gesamtstrafen. Da die Strafkammer überwiegend nur wenig über einem Jahr Freiheitsstrafe liegende Einzelstrafen verhängt hatte, kann nicht ausgeschlossen werden, daû sie sich bei der Strafbemessung an der höheren Mindeststrafe des § 260a StGB orientiert hatte. Auch die im Fall 20 verhängte Freiheitsstrafe hat keinen Bestand, weil der Senat nicht ausschlieûen kann, daû sie im Zusammenhang der Bewertung der 19 übrigen Taten aufgrund der geänderten Schuldsprüche nicht günstiger zugemessen worden wäre. Dies gilt auch für die Anordnung der Einziehung des Wertersatzes hinsichtlich des Erlöses für den vom Angeklagten verkauften Personenkraftwagen (vgl. BGHR StGB § 73d ± Strafzumessung 1), zumal das Landgericht auch von einer Erörterung der Voraussetzungen von § 74b Abs. 1 StGB abgesehen hat.
Die Anordnung des Verfalls hat keinen Bestand. Nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB hindert allein die rechtliche Existenz von Ersatzansprüchen und nicht, ob sie voraussichtlich geltend gemacht werden, eine solche Maûnahme (vgl. BGHR StGB § 73 ± Tatbeute 1; BGH NStZ 1996, 332). Auch die Anordnung eines Fahrverbots begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken , weil sie als Warnungs- und Besinnungsstrafe für den über ein Jahr und neun Monate zurückliegenden Pflichtverstoû (Fall 4) nicht mehr geeignet ist (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 44 Rdn. 2).
4. Der neue Tatrichter wird bei der Gesamtstrafenbildung nicht dem erstinstanzlichen Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 1. Juli 1998, sondern erst dem Berufungsurteil vom 23. Juni 1999 Zäsurwirkung beimessen dürfen , da im Berufungsverfahren die tatsächlichen Feststellungen geprüft wurden (§ 55 Abs. 1 Satz 2 StGB).
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BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.
- 2
- Das Rechtsmittel ist im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet, soweit es sich gegen den Schuld- und Strafausspruch wendet. Es führt aber zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt hat.
- 3
- Der Generalbundesanwalt hat zur Entscheidung der Strafkammer über die Maßregel nach § 64 StGB in seinem Zuleitungsantrag ausgeführt: „OhneRechtsfehler ist die Kammer von einem Hang des Angeklagten zum übermäßigen Alkoholgenuss ausgegangen (UA S. 17). Nach den Feststellungen beging der Angeklagte die Taten unter Alkoholeinfluss (UA S. 4 f., 6). Zudem verübte er die Taten zumindest auch, um sich Alkohol bzw. Geld für dessen Erwerb zu beschaffen.
Soweit das Landgericht auf die Vorverurteilungen abstellt, lässt die Begründung schon eine Auseinandersetzung mit dem Gewicht der Anlasstaten und der Bedeutung der von dem Angeklagten infolge seines Hanges zu erwartenden Taten vermissen. Abgesehen davon ist zu besorgen, dass die Kammer für die anzustellende Gefährlichkeitsprognose auf einen Zeitpunkt im Laufe oder nach Abschluss der in Aussicht genommenen freiwilligen Therapie abgestellt hat. Maßgebend ist jedoch , ob die Gefahr, dass der Angeklagte infolge seines Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, im Zeitpunkt der tatgerichtlichen Hauptverhandlung besteht (BGH, Beschluss vom 22.01.1997 – 2 StR 656/96, StV 1998, 73 m.w.N.). Möglichkeiten, Chancen und Maßnahmen einer therapeutischen Behandlung haben dabei außer Betracht zu bleiben. Die Gefahr künftiger suchtbedingter Straftaten darf daher nicht deshalb verneint werden, weil der Angeklagte die Be-
handlungsbedürftigkeit seiner Sucht selbst einsieht und sich therapiewillig zeigt. Die Bereitschaft des Angeklagten, sich freiwillig einer stationären Therapie zu unterziehen, ist für sich genommen kein Grund, von der Anordnung einer zwangsweisen Unterbringung abzusehen (BGH, Beschluss vom 05.12.1997 – 2 StR 504/97; Beschluss vom 05.03.2003 – 2 StR 5/03 m.w.N.).
Angesichts der Therapiebereitschaft des Angeklagten und des Umstandes, dass eine Therapie bislang noch nicht durchgeführt worden ist (vgl. UA S. 3), sprechen die bisherigen Urteilsfeststellungen auch für eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB.
Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. April 1990 – 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5, 9). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362). Wegen der grundsätzlich nicht bestehenden Wechselwirkung zwischen Strafe und Maßregel nach § 64 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 20.09.2011 – 1 StR 120/11 m.w.N.) ist auszuschließen, dass die Strafe niedriger ausgefallen wäre, wenn das Landgericht zugleich die Unter- bringung des Angeklagten angeordnet hätte.“
- 4
- Dem schließt sich der Senat an.
Mutzbauer Bender
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Der Angeklagte ist wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer anderweitig rechtskräftig gewordenen Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Zudem ist seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden.
- 2
- Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten führt zum Wegfall der Unterbringung, bleibt im Übrigen aber gemäß § 349 Abs. 2 StPO erfolglos.
- 3
- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verbrachte der Angeklagte mit seiner Freundin, deren Vater sowie dessen Lebensgefährtin, der später Geschädigten , den Abend des 10. September 2007 in der Wohnung des Vaters. Nachdem der Angeklagte von der Geschädigten wegen des Altersunterschieds zu seiner Freundin als Kinderschänder beschimpft worden war, verließ er in den frühen Morgenstunden mit seiner Freundin die Wohnung und begab sich durch das Treppenhaus auf den Heimweg. Jedoch setzte ihm die Geschädigte mit dem Bemerken „dem Bürscherl werde ich es zeigen“ nach. Hierzu hatte sie Pfefferspray mitgenommen, das sie im Treppenhaus versprühte, wodurch aber der Angeklagte und seine Freundin nicht beeinträchtigt wurden, da sie sich schon weiter unten im Treppenhaus befanden. Der Angeklagte versuchte, eine von ihm mitgeführte Bierflasche zu zerschlagen, was ihm zunächst nicht gelang. Seine Freundin legte ihr Baby in den im Flur abgestellten Kinderwagen und verließ das Haus. Der Angeklagte blieb im Hausflur, wo es ihm nunmehr gelang, die Bierflasche abzuschlagen. Als die Geschädigte das Treppenhaus erreichte und sie dem Angeklagten gegenüberstand, rammte er ihr unvermittelt das Ende der Flasche gegen die Brust, wodurch diese mehrere Stich- und Schnittwunden erlitt. Dabei war der Angeklagte zwar alkoholbedingt enthemmt, jedoch nicht erheblich in seiner Schuldfähigkeit beeinträchtigt.
- 4
- 2. Schuld- und Strafausspruch sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen dem Revisionsvortrag bestand nach dem rechtsfehlerfrei festgestellten Sachverhalt kein Anlass, eine Putativnotwehr, einen Notwehrexzess oder gar einen Verbotsirrtum zu erörtern, auf deren Voraussetzungen sich auch der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt berufen hat.
- 5
- 3. Jedoch wendet sich die Revision zu Recht gegen die Anordnung der Maßregel. Diese kann nicht bestehen bleiben.
- 6
- Angesichts der landgerichtlichen Wertung, der Angeklagte sei nur leicht alkoholisiert gewesen und es habe sich um eine von der Provokation durch das spätere Opfer initiierte Spontantat gehandelt, versteht sich schon der symptomatische Zusammenhang zwischen der Tat und dem festgestellten Hang nicht von selbst (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. September 2011 - 1 StR 120/11).
- 7
- Ungeachtet dessen ist aber jedenfalls die Gefahr weiterer erheblicher rechtswidriger, auf den Hang zurückgehender Taten durch den Angeklagten nicht belegt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die anzustellende Gefahrprognose ist derjenige der Hauptverhandlung (BGH, Urteil vom 17. November 2010 - 2 StR 356/10, NStZ-RR 2011, 77 mwN). Das Urteil enthält hierzu nur die formelhafte Ausführung, es bestehe aufgrund eines Hangs die „große Gefahr vergleichba- rer und erheblicher Taten aus dem Bereich der Körperverletzung/gefährlichen Körperverletzung“. Diese Überzeugung entbehrt einer Begründung, die indes erforderlich ist (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Gefährlichkeit 1). Insbesondere angesichts des erheblichen Zeitraums von über viereinhalb Jahren zwischen der Anlasstat und der Hauptverhandlung versteht sich dies nicht von selbst. Vielmehr bestehen wegen des über Jahre währenden straflosen Verhaltens für den vor allem zwischen 2003 und 2007 straffällig gewordenen Angeklagten hieran durchgreifende Zweifel.
- 8
- So ergibt sich aus den Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen , dass der Angeklagte zuletzt am 2. April 2009 straffällig wurde, indem er eine Beleidigung beging. Die vorsätzliche Körperverletzung, wegen der er zu der hier einbezogenen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, hatte der Angeklagte wenige Tage vor dem verfahrensgegenständlichen Geschehen begangen. Die Vollstreckung der deswegen gegen ihn erkannten Freiheitsstrafe war bis zur Einbeziehung in das hiesige Urteil zur Bewährung ausgesetzt. Außer der Beleidigung am 2. April 2009 ist der Angeklagte nach seinem Schlaganfall im Jahr 2008 nicht mehr straffällig geworden, obwohl er sich seit dem 27. November 2008 bis zur Inhaftierung in dieser Sache am 19. Januar 2012 auf freiem Fuß befand.
- 9
- 4. Der Senat kann ausschließen, dass eine neue Verhandlung Feststellungen ergeben könnte, die eine vom Angeklagten ausgehende Gefahr im Sinne des § 64 StGB belegen und mithin die Anordnung der Unterbringung rechtfertigen. Denn die insoweit relevanten persönlichen Verhältnisse des Angeklagten teilt das Urteil vollständig mit. Der Senat erkennt daher entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf den Wegfall der Maßregel (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2008 - 1 StR 167/08 mwN).
- 10
- 5. Der Wegfall der Unterbringung in der Entziehungsanstalt gefährdet den für sich genommen rechtsfehlerfreien Strafausspruch nicht. Grundsätzlich besteht zwischen den Rechtsfolgen von Strafe und Maßregel keine Wechselwirkung (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 363, 365 mwN). Auch die Urteilsgründe ergeben keinerlei Anhaltspunkte für einen Einfluss der Anordnung der Unterbringung auf die Entscheidung über die Höhe der Strafe.
- 11
- 6. Da die Revision hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs erfolglos bleibt, war für die Anwendung des § 473 Abs. 4 StPO kein Raum.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Von weiteren Tatvorwürfen (schwere räuberische Erpressung und räuberische Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die umfassend eingelegte, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils, soweit das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt hat; im Übrigen ist sie unbegründet.
- 2
- 1. Das Landgericht hat sich den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen angeschlossen, wonach "durchaus Anhaltspunkte dafür vorlägen , dass der Angeklagte den Hang im Sinne des § 64 Satz 1 StGB habe, alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen. Auch gebe es Hinweise dafür, dass ein symptomatischer Zusammenhang zwischen der hier in Rede stehenden Tat und dem Hang des Angeklagten gegeben sei. Allerdings bestehe keine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg. Denn der Angeklagte habe bereits die ihm als Bewährungsauflage erteilte Weisung, eine Alkoholentwöhnungstherapie durchzuführen, nicht erfüllt, wie sich aus den Berichten der Bewährungshelferin ergebe. Aus diesen Berichten gehe hervor, dass bei dem Angeklagten die Einsicht, überhaupt ein Alkoholproblem zu haben , nicht vorhanden sei, so dass eine Therapiemotivation fehle (UA S. 18)."
- 3
- 2. Diesen Ausführungen begegnen durchgreifende sachlich-rechtliche Bedenken.
- 4
- a) Das Landgericht hat nicht erkennbar bedacht, dass das Fehlen von Therapiewilligkeit einer Anordnung nach § 64 StGB grundsätzlich nicht entgegensteht. Es kann zwar ein gegen die Erfolgsaussicht sprechendes Indiz sein. In einem solchen Fall hat der Tatrichter aber zu prüfen, ob die konkrete Aussicht besteht, dass die Therapiebereitschaft für eine Erfolg versprechende Behandlung geweckt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2011 – 4 StR178/11, StraFo 2011, 323, 324; Senat, Beschluss vom 24. Juni 2009 – 2 StR 170/09 Rn. 5 juris; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 64 Rn. 20 mwN). An einer solchen Prüfung hat es das Landgericht fehlen lassen.
- 5
- Der Umstand, dass der Angeklagte bereits einen erfolglosen Therapieversuch unternommen hat, steht der Annahme einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht grundsätzlich nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 1996 – 4 StR 473/96, NStZ-RR 1997, 131, 132; Fischer aaO Rn. 21). Der pauschale Hinweis des Landgerichts darauf, dass der Angeklagte eine entsprechende Bewährungsweisung nicht erfüllt hat, belegt ohne nähere Darlegung der Umstände dieser Therapie und ihres Scheiterns das Fehlen einer Erfolgsaussicht der freiheitsentziehenden Maßregel des § 64 StGB nicht.
- 6
- b) Diese Rechtsfehler entziehen der negativen Prognose des Landgerichts zur Erfolgsaussicht der Unterbringung die Grundlage. Da die bisherigen Feststellungen einen Hang des Angeklagten, alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen und einen symptomatischen Zusammenhang zwischen der Tat und dem Hang nahelegen, bedarf die Frage der Maßregelanordnung gemäß § 64 StGB der nochmaligen Prüfung und Entscheidung durch einen neuen Tatrichter. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2011 – 4 StR 178/11, StraFo 2011, 323, 324 mwN).
- 7
- 3. Der Strafausspruch kann bestehen bleiben.
- 8
- Grundsätzlich besteht wegen der "Zweispurigkeit" von Strafe und Maßregel zwischen beiden Rechtsfolgen keine Wechselwirkung, sie sollen unabhängig voneinander bemessen bzw. verhängt werden. Ungeachtet dessen kann aber im Einzelfall eine Wechselwirkung zwischen den beiden Rechtsfolgen zu bejahen sein, weil die für die deren Anordnung jeweils wesentlichen Gesichtspunkte nicht stets streng voneinander zu trennen sind (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2011 – 1 StR 120/11, NStZ-RR 2012, 72, 74 mwN).
- 9
- Im vorliegenden Fall ist das Landgericht zu Gunsten des Angeklagten von einem rechtsfehlerhaft zu niedrig berechneten Höchstmaß des nach §§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB verschobenen Strafrahmens – drei Jahre neun Monate statt sieben Jahre sechs Monate Freiheitsstrafe – ausgegangen und hat eine angesichts der einschlägigen Vorstrafe, auf Grund derer der Angeklagte zudem zum Tatzeitpunkt unter offener Bewährung stand, sehr milde Freiheitsstrafe von acht Monaten verhängt. Vor diesem Hintergrund schließt der Senat aus, dass das Landgericht – auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass im vorliegenden Fall die Unterbringung die Dauer der Strafe überschreiten kann (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 16. Februar 2012 – 2 StR 29/12, NStZ-RR 2012, 202, 203) – eine noch mildere Strafe verhängt hätte, wenn es zugleich die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet hätte.
- 10
- 4. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten ergeben.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Der Angeklagte wurde wegen Totschlags zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und bei Anordnung eines Vorwegvollzugs von zehn Jahren Strafe in einer Entziehungsanstalt untergebracht.
- 2
- Die mit der ausgeführten Sachrüge begründeten Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten führen zum Wegfall der Unterbringung, bleiben aber im Übrigen erfolglos.
- 3
- 1. Dem Schuldspruch liegen folgende Feststellungen zu Grunde:
- 4
- Der Angeklagte lebte mit der Freundin des inhaftierten L. zusammen und hatte deshalb mit dessen Freund K. Streit. Am späten Abend des 28. März 2009 stritten sie zunächst vor dem Wohnhaus des Angeklagten und entfernten sich dann zu Fuß. Ihnen folgten die Zeugen C. , Cu. - sie hatten zuvor mit dem Angeklagten gezecht - und F. , die den Angeklagten auf dessen Wunsch erforderlichenfalls bei einer tätlichen Auseinandersetzung unterstützen wollten. Obwohl höchstens 50 m entfernt, sahen sie den Angeklagten und K. nicht mehr, als diese in eine dunkle Hofeinfahrt gingen. Dort kam es auch zu Tätlichkeiten. Der Angeklagte bedrohte K. mit einem eigens wegen der bevorstehenden Auseinandersetzung mitgenommenen kleineren Messer. Auch K. hatte ein Messer und spottete über die geringe Größe des Messers des Angeklagten. Darauf versetzte ihm dieser spontan einen wuchtigen Stich „Richtung Herz“- an anderer Stelle des Urteils heißt es „zielgerichtet gegen den Oberkörper“; auch von einem Stich „in die Brust“ und „den Brustbereich“ ist die Rede - und traf ihn mitten ins Herz. K. brach zusammen, der Angeklagte sagte den hinzugekommenen C. , Cu. und F. , er habe K. in die Brust gestochen, sie sollten sich um ihn kümmern und ging fort. Er reinigte und versteckte das Tatmesser. Er wurde zu anderweitiger Strafvollstreckung noch in der Nacht in seiner Wohnung in einem Schrank versteckt festgenommen. Als Verantwortlicher für den nach einigen Tagen eingetretenen Tod K. s wurde er erst später ermittelt.
- 5
- 2. Hinsichtlich des Schuldspruchs wendet sich die Revision des Angeklagten im Wesentlichen gegen den (bedingten) Tötungsvorsatz.
- 6
- a) Entgegen ihrer Auffassung ergeben sich insoweit keine Bedenken im Blick auf das nicht immer mit denselben Worten bezeichnete Ziel des Stiches.
- 7
- b) Auch sonst ist die nicht zuletzt auch auf den äußeren Geschehensablauf gestützte Annahme eines Tötungsvorsatzes rechtsfehlerfrei (vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Dezember 2001 - 1 StR 408/01, NStZ 2002, 541 f.; hierzu Schneider in MüKomm-StGB, § 212 Rn. 9 jew. mwN). Die Annahme, dass die Aufforderungen des Angeklagten gegenüber C. , Cu. und F. , ihn zu begleiten bzw. (später), sich um den Verletzten zu kümmern, zwar gegen eine von langer Hand geplante Tat, aber nicht gegen einen spontanen Tatent- schluss sprächen, ist nicht zu beanstanden. Auch die festgestellte „affektive Erregung“ des Angeklagten bei der Tat spricht nichtgegen einen Tötungsvorsatz , da eine gewisse affektive Erregung bei einem tödlichen Angriff normal ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 2006 - 2 StR 284/06). Außerdem ist rechtsfehlerfrei - auch die Revision macht insoweit nichts anderes geltend - die uneingeschränkte Schuldfähigkeit des Angeklagten festgestellt. Dies spricht regelmäßig für eine realistische Wahrnehmung des Bedeutungsgehalts der Tat (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2009 - 1 StR 520/09 Rn. 18 mwN), zumal hier die Bewertung eines wuchtigen Stichs in den Brustbereich keine komplizierten Überlegungen erfordert. Auch die planmäßige Spurenbeseitigung alsbald nach der Tat spricht gegen eine ungewöhnliche psychische Ausnahmesituation bei der Tat, die unter irgendeinem Gesichtspunkt eine breitere Erörterung des Vorsatzes gebieten könnte.
- 8
- 3. Ebenso wenig wie der Schuldspruch enthält der Strafausspruch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
- 9
- 4. Die Staatsanwaltschaft erstrebt eine Verurteilung wegen heimtückisch begangenen Mordes. Ein Rechtsfehler liegt jedoch nicht vor.
- 10
- a) Heimtücke ist verneint, weil der Angeklagte im Rahmen der vorangegangenen Auseinandersetzung K. das Messer gezeigt und ihn vonvorne ins Herz gestochen habe. Dies folgt den Angaben des Angeklagten, die insoweit von den maximal 50 m entfernten Begleitern bestätigt werden, als sie angeben , die tätliche Auseinandersetzung nicht gesehen, aber entsprechende Geräusche gehört zu haben. Auch hatte der Angeklagte bei seiner Festnahme kleinere Verletzungen, die auf die Auseinandersetzung zurückgehen können.
- 11
- b) Die Staatsanwaltschaft hält insbesondere die tätliche Auseinandersetzung nicht für bewiesen.
- 12
- (1) Mangels näherer Ausführungen dazu, was die Zeugen gehört haben, sei nicht überprüfbar, was mit „Geräuschen“ gemeint sei. Ein gängiger Begriff verdeutlicht aber auch ohne weitere Umschreibung, was gemeint ist. Es ist nicht ersichtlich, dass der Strafkammer unbekannt sei, welche Geräusche bei einer tätlichen Auseinandersetzung entstehen.
- 13
- (2) Im Übrigen seien nur Schlussfolgerungen rechtsfehlerfrei, die „zwin- gend“ aus den Feststellungen folgten. Dem entsprechend ist eine Reihe- teil- weise untereinander unvereinbarer, teilweise nur abstrakter - Möglichkeiten aufgezählt, die im Ergebnis deshalb erörterungsbedürftig seien, weil sie denkgesetzlich nicht ausschließbar sind, z.B.
- selbst wenn sie aus dem Hof stammten, könnten sie (irgend)eine andere Ursache gehabt haben;
- es spräche gegen eine Auseinandersetzung, wenn K. keine hierauf hindeutenden Verletzungen gehabt hätte;
- die Verletzungen des Angeklagten könnten auch durch ihn selbst oder durch die Polizei bei seiner Verhaftung im Schrank verursacht worden sein.
- 14
- Bei alledem ist verkannt, dass richterliche Überzeugung keine absolute, das Gegenteil zwingend ausschließende, letztlich mathematische Gewissheit erfordert (st. Rspr.; vgl. z.B. BGH, Urteile vom 4. Dezember 2008 - 1 StR 327/08 und 7. November 2006 - 1 StR 307/06 mwN). Allein die Denkbarkeit eines Geschehensablaufs, für den die Urteilsgründe keine Anhaltspunkte bieten , führt daher nicht dazu, dass er zu Gunsten (BGH aaO) oder gar zu Lasten des Angeklagten zu unterstellen oder auch nur erörterungsbedürftig wäre (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 23. August 2011 - 1 StR 153/11 mwN). Aufklärungsrügen zum Beleg der genannten Vermutungen sind nicht erhoben.
- 15
- c) Im Übrigen ist kaum erkennbar, was hier - Streit; der tödliche Stich mit dem zuvor gezeigten Messer erfolgte von vorne; auch K. hatte ein Messer - noch tragfähig (innerpsychische) Arg- und darauf beruhend Wehrlosigkeit des Verstorbenen belegen könnte (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2003 - 1 StR 507/02, NStZ-RR 2003, 186, 188; BGH, Urteil vom 13. November 1985 - 3 StR 273/85, BGHSt 33, 363, 365).
- 16
- d) Auch sonst sind weder zum Schuldspruch noch zum Strafausspruch den Angeklagten begünstigende Rechtsfehler ersichtlich.
- 17
- 5. Die Staatsanwaltschaft hält die Unterbringungsanordnung mangels Erfolgsaussichten für rechtsfehlerhaft, der Angeklagte wendet sich gegen die Dauer des vorweg zu vollziehenden Teils der Strafe.
- 18
- Im Ergebnis wird von beiden Revisionen übereinstimmend die Unterbringungsanordnung insgesamt angefochten, da sie sich beide gegen den Schuldspruch richten. Führten die behaupteten Mängel des Schuldspruchs zu Aufhebung und Zurückverweisung, entfiele auch eine Unterbringung. Sie könnte nicht allein auf der Grundlage einer Prognose des Senats Bestand haben, auch nach erneuter Verhandlung über den Schuldspruch werde diese Maßregel wieder geboten sein (BGH, Urteil vom 13. Juni 1995 - 1 StR 268/95 zu § 63 StGB).
- 19
- Hier haben sich allerdings weder zu Gunsten noch zu Lasten des Angeklagten Rechtsfehler im Schuld- oder Strafausspruch ergeben.
- 20
- a) Daraus folgt hinsichtlich der Revision der Staatsanwaltschaft: Eine Unterbringung gemäß § 64 StGB beschwert den Angeklagten (BGH, Urteil vom 21. März 1979 - 2 StR 743/78, BGHSt 28, 327, 331; v. Gemmeren in MüKommStGB , § 64 Rn. 101; vgl. auch § 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Der Senat hatte daher - unbeschadet § 301 StPO - zu prüfen, ob die Staatsanwaltschaft den Wegfall der Unterbringung nur als notwendige Folge der von ihr wegen (behaupteter ) Fehlerhaftigkeit des Schuldspruchs zum Nachteil des Angeklagten angestrebten Urteilsaufhebung ansieht oder ob sie den Wegfall unabhängig vom Bestand des Schuldspruchs auf jeden Fall anstrebt. Insoweit läge eine gemäß § 296 Abs. 2 StPO zulässige Revision der Staatsanwaltschaft zu Gunsten des Angeklagten vor. Eine Revision der Staatsanwaltschaft kann hinsichtlich des Schuldspruchs einerseits und einer Maßregel andererseits von unterschiedlicher Zielrichtung sein, auch wenn hier die den Angeklagten begünstigende Anfechtung der Unterbringung nur bei Erfolglosigkeit der zu seinem Nachteil zum Schuldspruch eingelegten Revision eigenständige Bedeutung hat. Die Staatsanwaltschaft hat sich zu alledem entgegen Nr. 147 Abs. 1 Satz 3 RiStBV nicht geäußert (vgl. auch Hanack in LR-StPO, 25. Aufl., § 296 Rn. 10). Die Aufgabe des Senats, das Ziel des Rechtsmittels durch Auslegung der Rechtsmittelerklärungen zu ermitteln, ist davon jedoch unberührt (vgl. Hanack aaO; MeyerGoßner , StPO, 54. Aufl., § 296 Rn. 14 jew. mwN). Diese ergibt hier angesichts der eingehenden Darlegung, warum die Unterbringung aus vom Schuldspruch unabhängigen Gründen fehlerhaft sei, dass die Staatsanwaltschaft die Unterbringung auch unabhängig vom Ergebnis ihrer Revision hinsichtlich des Schuldspruchs auf jeden Fall anfechten will.
- 21
- b) Aus den dargelegten Gründen kann auch eine gegen den Schuldspruch gerichtete Revision des Angeklagten eine zugleich angeordnete Unterbringung nicht vom Rechtsmittelangriff ausnehmen. Daher kann offen bleiben, ob hier die Revision, die im Ergebnis geltend macht, dieUnterbringung müsse früher beginnen, hinsichtlich der Maßregel auf die Dauer des Vorwegvollzugs beschränkt sein soll; dies wäre wegen der gleichzeitigen Anfechtung des Schuldspruchs unwirksam.
- 22
- 6. Die Unterbringungsanordnung kann nicht bestehen bleiben.
- 23
- a) Schon die Feststellungen zu einem Hang sind nicht klar. Der Angeklagte konsumiert seit Jahren Heroin und Haschisch. Wie seine näher geschil- derten zahlreichen Vorstrafen belegen, geriet er immer mehr „in den Teufelskreis von Drogen und Beschaffungskriminalität“, während etlicheTherapiever- suche erfolglos blieben. Die Strafkammer geht jedoch nicht davon aus, dass die Tat auf einem Hang zu Drogenmissbrauch beruht, sondern auf einem Hang zu übermäßigem Alkoholkonsum. Hierzu ergeben die Feststellungen zu Vorleben und Vorstrafen jedoch nichts. Mitgeteilt ist lediglich, dass der Sachverständige den Angeklagten für „trinkgewohnt“ hält, ohne dass die tatsächlichen Grundlagen dieser Bewertung erkennbar wären. Freilich treten Alkoholmissbrauch und Drogenmissbrauch nicht selten gleichzeitig auf (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 2007 - 3 StR 194/07; Schöch in LK-StGB, 12. Aufl., § 64 Rn. 80; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 64 Rn. 7a mwN). Es ist jedoch fraglich, ob allein die unausgeführte Annahme, ein Drogenkonsument sei trinkgewohnt, einen Hang zu Alkoholmissbrauch tragfähig belegt.
- 24
- b) Selbst wenn man aber von einem solchen Hang ausginge, fehlte es an den weiteren Voraussetzungen des § 64 StGB. Erforderlich wäre, dass die rechtswidrige Tat entweder im Rausch begangen ist oder auf den Hang zurückgeht , wobei die erste dieser Alternativen ein Unterfall der zweiten Alternative ist (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 - 1 StR 693/96 mwN).
- 25
- (1) „Im Rausch“ bedeutet, dass die Tat während des für das jeweilige Rauschmittel typischen, die geistig-psychischen Fähigkeiten beeinträchtigenden Intoxikationszustands begangen sein muss (Schöch in SSW-StGB, § 64 Rn. 26). Wie viel Alkohol der Angeklagte getrunken hatte, bevor K. kam, war nicht feststellbar, Spuren einer „deutlichen Intoxikation“ gibt es nicht. We- der ein Zeuge, noch der Angeklagte selbst hat von „erheblicher Alkoholisierung“ berichtet, bei seiner Festnahme wirkte er „in keiner Weise alkoholisiert oder drogenbeeinflusst“, eine nachfolgende Untersuchung ergab keine Hinweise auf Restalkohol. Auch die Feststellungen zur Tat einschließlich Vor- und Nachtat- geschehen zeigen, so die Strafkammer, „schlüssige und sinnvolle Handlungsabläufe“. Nach alledem spricht nichts dafür, dass die Tat i.S.d. §64 StGB im Rausch begangen wurde, der Zweifelssatz gilt insoweit nicht (v. Gemmeren aaO Rn. 36 mwN).
- 26
- (2) Auch Anhaltspunkte dafür, dass die Tat, obwohl nicht im Rausch begangen , doch auf einen (etwaigen) Hang zum Alkohol- oder auch Drogenmissbrauch zurückginge, bestehen nicht. Dies setzte voraus, dass sie Symptomwert für den Hang hat, indem sich in ihr die hangbedingte Gefährlichkeit des Täters äußert. Typisch sind hierfür Delikte, die begangen werden, um Rauschmittel selbst oder Geld für ihre Beschaffung zu erlangen (BGH, Urteil vom 18. Februar 1997 - 1 StR 693/96 mwN). Darum geht es hier nicht. Andere Delikte kommen als Hangtaten dann in Betracht, wenn hierfür besondere Anhaltspunkte bestehen (BGH aaO). Bei Konflikttaten und (oder) Taten, denen eine Provokation des Täters durch das Opfer vorausging, liegt die Annahme eines Zusammenhangs mit einem Hang zum Missbrauch berauschender Mittel wenig nahe (v. Gemmeren aaO Rn. 37; vgl. auch Schöch in SSW-StGB, § 64 Rn. 27). Anhaltspunkte , dass hier bei einer spontanen Gewalttat aus Ärger über Vorhalte eines Außenstehenden wegen der Beziehung zu einer Frau, nahe liegend in Verbindung mit dem Gefühl (wegen des nur kleinen Messers) verspottet und nicht ernst genommen zu werden, ausnahmsweise ein solcher Zusammenhang möglich sein könnte, sind nicht ersichtlich. Der wenig klare Hinweis der Strafkammer , trotz nicht erkennbarer besonderer Alkoholisierung beruhe die Tat wegen der Enthemmung des Angeklagten auf seinem Hang zu Alkoholmissbrauch , ändert daran nichts.
- 27
- c) Selbst wenn noch Feststellungen hinsichtlich eines generellen Hanges (auch) zu Alkoholmissbrauch möglich sein sollten, hält es der Senat für sicher ausgeschlossen, dass noch Feststellungen zu einem Rausch bei der Tat oder einem symptomatischen Zusammenhang zwischen der Tat und einem Hang zu Alkohol- oder auch Rauschgiftmissbrauch möglich sind. Daher erkennt er entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf Wegfall der Unterbringungsanordnung (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2008 - 1 StR 167/08 mwN). Auf die für sich genommen zutreffenden Hinweise der Revisionen und des Generalbundesanwalts auf rechtliche Bedenken gegen die Annahme der Strafkammer, die gegenwärtigen Zweifel am Erfolg einer Unterbringung könnten nach Ablauf des (mit § 67 Abs. 2 StGB nicht zu vereinbarenden) Vorwegvollzuges von zehn Jahren Freiheitsstrafe ausgeräumt sein, kommt es daher nicht mehr an.
- 28
- 7. Der Senat hat geprüft, ob der Wegfall der Unterbringung den Bestand des für sich genommen rechtsfehlerfreien Strafausspruchs (vgl. oben 3, 4d) gefährdet. Dies wäre der Fall, wenn ein Einfluss der Maßregel auf die Strafhöhe möglich erschiene. Grundsätzlich besteht entsprechend der „Zweispurigkeit“ von Strafe und Maßregel zwischen beiden Rechtsfolgen keine Wechselwirkung, sie sollen unabhängig voneinander bemessen bzw. verhängt werden (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 365 mwN). Freilich sind die für Strafe und Unterbringungsanordnung wesentlichen Gesichtspunkte nicht stets streng voneinander zu trennen, z.B. kann ein Rausch auf die Bestimmung des Maßes der Schuld Einfluss haben und, sofern er hangbedingt ist, zugleich Grundlage einer Unterbringung sein. Derartige Zusammenhänge können nicht nur je nach den Umständen des Einzelfalles für die (vorliegend wegen umfassender Anfechtung des Urteils auch im Schuldspruch nicht einschlägige ) Frage der weiteren Beschränkbarkeit eines nicht gegen den Schuldspruch gerichteten Rechtsmittels im Zusammenhang mit der Unterbringungsanordnung bedeutsam sein (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 15. Juni 2011 - 2 StR 140/11; BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362; BGH, Beschluss vom 14. Juli 1993 - 2 StR 352/93, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 6), sondern auch im Blick auf eine die Unterbringung betreffende Entscheidung auf den Bestand des Strafausspruches Einfluss haben (vgl. BGH aaO; BGH, Urteil vom 24. Juni 2003 - 1 StR 25/03, NStZ 2004, 111). Voraussetzung hierfür ist aber stets, dass die Urteilsgründe - auf diese kommt es an - konkrete Anhaltspunkte für eine mögliche Wechselwirkung zwischen der Entscheidung über die Höhe der Strafe und der Maßregel enthalten.
- 29
- Dies ist hier in keiner Richtung der Fall.
- 30
- 8. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen waren der Staatskasse aufzuerlegen, auch soweit sie im Ergebnis zu Gunsten des Angeklagten erfolgreich war (vgl. zu den Kosten Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 473 Rn. 16 mwN); hinsichtlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten ergibt sich dies aus § 473 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Kosten seiner Revision und die ihm dadurch entstandenen notwendigen Auslagen hat der Senat insgesamt dem Angeklagten auferlegt, § 473 Abs. 4 StPO. Nichts spricht dafür, dass er keine Revision eingelegt hätte, wenn seine Unterbringung gemäß § 64 StGB nicht angeordnet worden wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2003 - 1 StR 451/03 mwN).
Hebenstreit Sander
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.