Oberlandesgericht Köln Urteil, 13. Okt. 2016 - 15 U 13/15
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 17.12.2014 (28 O 220/14) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens sowie diejenigen des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Der Kläger, ein deutschlandweit bekannter Fußballprofi, nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Bereithaltung von fünf Beiträgen in Anspruch, die in deren Online-Archiv unter www.S.de abgerufen werden können. Die Beiträge berichten über ein Ermittlungsverfahren, das im Jahre 2012 gegen den Kläger wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen eingeleitet und wenige Monate später nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden war. Weiter verlangt der Kläger Erstattung seiner außergerichtlichen Anwaltskosten. Hinsichtlich der Einzelheiten sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird Bezug auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 70 ff. d.A.) genommen.
4Auslöser der streitgegenständlichen Berichterstattungen, die die Beklagte in ihrem Online-Archiv zum Abruf bereit hält, war eine Meldung des „L F“ vom 22.1.2012, die unter der Überschrift „Vergewaltigung bei T-Party?“ über die Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen einen der Partygäste berichtete. Der Umstand der Anzeigenerstattung durch eine 21 Jahre alte Frau war ausweislich dieser Berichterstattung von Seiten der Staatsanwaltschaft Dortmund bestätigt worden. Zum genauen Inhalt des Tatvorwurfs gegen den Beschuldigten hatte die Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt nur vage Angaben gemacht. Der Kläger wurde in dem Bericht des „L F“ namentlich genannt, jedoch wurde ausdrücklich klargestellt, dass sich der Strafvorwurf nicht gegen ihn richte.
5Die Staatsanwaltschaft Dortmund wandte sich am nächsten Tag (23.1.2012) mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit, in welcher es hieß:
6„In dem Ermittlungsverfahren zum Nachteil einer 21 Jahre alten Zeugin, die in Bochum einen sexuellen Übergriff während einer privaten Feier im Hause eines C Profifußballers zur Anzeige gebracht hat, hat die Staatsanwaltschaft am heutigen Tage Ermittlungen gegen drei weitere Beschuldigte aufgenommen. Nach Auswertung der bisherigen Ermittlungsergebnisse besteht nun gegen sämtliche Teilnehmer an der Feier mit Ausnahme der Anzeigenden ein Anfangsverdacht wegen sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger bzw. wegen Beihilfe zu diesem Vergehen. Es handelt sich um insgesamt vier junge Männer im Alter von 22 bis 28 Jahren, darunter auch den C-Profi. Die Staatsanwaltschaft wird sich mit Rücksicht auf die Persönlichkeitsrechte der Beschuldigten und zum Schutz der Intimsphäre der Zeugin zu Einzelheiten der Tatvorwürfe nicht äußern. Eine Bewertung der Verdachtslage wird erst möglich sein, wenn die am 19.1.2012 gesicherten Spuren untersucht und die Ergebnisse dieser Untersuchung ausgewertet sind. Dies wird erfahrungsgemäß einige Wochen dauern. Bis dahin appelliert die Staatsanwaltschaft an die Medien, von Vorverurteilungen, in die eine wie in die andere Richtung, abzusehen“ (vgl. Bl. 255 d.A.).
7Ebenfalls an diesem Tag berichtete die Presseagentur E unter Bezugnahme auf diese Pressemeldung der Staatsanwaltschaft, dass gegen den namentlich genannten Kläger wegen eines Anfangsverdachts wegen sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger bzw. Beihilfe zu dieser Tat ermittelt werde. Der genaue Inhalt eines ebenfalls an diesem Tage geführten Telefongesprächs zwischen einem Redakteur der Beklagten und der Staatsanwaltschaft Dortmund ist zwischen den Parteien streitig.
8Mit Urteil vom 17.12.2014 hat das Landgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass die weitere Bereithaltung der Berichterstattung über das Ermittlungsverfahren mit Namensnennung des Klägers diesen in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtige und die Interessen des Klägers schon aufgrund der Einstellung des Ermittlungsverfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts das öffentliche Informationsinteresse überwiegen würden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird Bezug auf die angefochtene Entscheidung (Bl. 70 ff. d.A.) genommen.
9Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter und macht geltend, das Landgericht habe dem Persönlichkeitsrecht des Klägers zu Unrecht den Vorrang gegenüber dem Grundrecht der Pressefreiheit eingeräumt und zudem die höchstrichterliche Rechtsprechung zum elektronischen Archiv nicht hinreichend berücksichtigt. Da die Berichte über den Kläger – so die Ansicht der Beklagten – zunächst eine zulässige Verdachtsberichterstattung dargestellt hätten, sei sie nur verpflichtet, den Berichten einen entsprechenden Nachtrag anzufügen, was unstreitig geschehen ist. Eine Löschung des Beitrags komme dagegen nicht in Betracht. Da die Beiträge nur bei gezielter Suche zu finden seien, müsse bei der Abwägung auch berücksichtigt werden, dass der betreffende Sucher bereits wisse, dass der Kläger in ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren verwickelt gewesen sei. Auch zum aktuellen Zeitpunkt weise die Ergebnisliste der Suchmaschine „H“ nach der Eingabe „O T Ermittlungen“ knapp 10.000 Treffer auf und auch andere Medien und Blogger würden über den Fall berichten.
10Die Beklagte behauptet, ihr Redakteur Herr C habe am 23.1.2012 in einem Telefonat mit der Staatsanwaltschaft Dortmund erfahren, dass inzwischen eine Hausdurchsuchung beim Kläger stattgefunden habe und dass nach der Spurensicherung das Ermittlungsverfahren auf den Kläger erweitert worden sei. Die Beklagte behauptet weiter, bei diesem Telefonat sei beiden Gesprächsteilnehmern klar gewesen, dass mit der Ausweitung des Ermittlungsverfahrens auf sämtliche Partygäste nunmehr auch der Kläger zum Kreis der Beschuldigten gehörte. Insofern ist die Beklagte der Ansicht, dass es unschädlich sei, wenn der Name des Klägers in diesem Telefonat von Seiten der Staatsanwaltschaft nicht ausdrücklich genannt worden sei. Aufgrund des Umstandes, dass nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens das Verfahren auf den Kläger ausgedehnt worden sei, hätten – so die Ansicht der Beklagten – hinreichende Beweistatsachen vorgelegen, um über diesen Verdacht berichten zu dürfen.
11Die Beklagte beantragt,
12das Urteil des Landgerichts Köln vom 17.12.2014 (28 O 220/14) aufzuheben und die Klage abzuweisen.
13Der Kläger beantragt,
14die Berufung zurückzuweisen.
15Er behauptet, es reiche aus, in der Suchmaske auf der Seite der Beklagten (www.S.de) seinen Namen einzugeben, um die streitgegenständlichen Beiträge abzurufen. Gebe man auf der Suchmaschine „H“ neben seinem Namen auch das Schlagwort „Ermittlungen“ ein, würden neben den Ermittlungen der Sportgerichtsbarkeit des DFB-Kontrollausschusses auch die Beiträge der Beklagten angezeigt, so dass auch der sportlich Interessierte per Zufall auf diese stoßen könne. Auch wenn der Leser durch den Nachtrag über den Ausgang des Ermittlungsverfahrens informiert werde, bestehe die Gefahr, dass „etwas hängen“ bleibe. Soweit andere Medien oder Blogger weiter über die früheren Vorwürfe berichten würden, gehe er gegen jede dieser Veröffentlichungen vor.
16Der Kläger ist der Ansicht, dass im Zeitpunkt der Berichterstattung kein Mindestbestand an Beweistatsachen vorlag, um über das gegen ihn gerichtete Ermittlungsverfahren identifizierend zu berichten. Die Staatsanwaltschaft habe – insofern unstreitig – weder in ihrer Pressemeldung noch bei anderen Gelegenheiten seinen Namen genannt. Der Kläger ist der Ansicht, eine amtliche Verlautbarung könne nicht darin gesehen werden, dass die Staatsanwaltschaft bei Anfragen der vorinformierten Presse bestimmte Vorhalte nicht abstreite, zumal sie zu einer wahrheitsgemäßen Auskunft verpflichtet sei. Die Beklagte habe neben dem Anruf bei der Staatsanwaltschaft keine weiteren Recherchen durchgeführt, was in Anbetracht des berichteten Strafverdachts den Anforderungen an ihre journalistische Sorgfalt nicht genüge.
17Der Senat hat auf die Berufung der Beklagten zunächst mit seinem am 12.5.2015 verkündeten Urteil unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung die Klage abgewiesen, weil die weitere Bereithaltung der identifizierenden Berichte im Online-Archiv nicht rechtswidrig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingreife und ihm daher kein Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zustehe. Zwar stelle das Bereithalten der Berichte im Internet einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Die notwendige Abwägung führe im Streitfall jedoch zu dem Ergebnis, dass der Kläger die weitere Vorhaltung der Berichterstattung im Online-Archiv der Beklagten zu dulden habe. Bei der beanstandeten Berichterstattung der Beklagten handele es sich um wahre Tatsachenbehauptungen in Form der Verdachtsberichterstattung, die ursprünglich angesichts der Schwere des in Rede stehenden Delikts und der Prominenz des Klägers zulässig gewesen seien, da die Beklagte in allen fünf angegriffenen Beiträgen in ausgewogener Art und Weise über den Tatvorwurf und den Gang des Verfahrens berichtet habe. Bei der Abwägung der gegenseitigen Interessen könne nicht festgestellt werden, dass dem Kläger trotz der Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die fortwährende Bereithaltung der Berichterstattung eine besondere Stigmatisierung oder Ausgrenzung drohe. Alle fünf Beiträge entsprächen auch heute noch der Wahrheit und seien angesichts des Nachtrags über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens weder unvollständig noch spiegelten sie den Anschein einer nicht bestehenden Aktualität vor. Zwar habe der Kläger ein Interesse daran, mit dem Vorwurf einer Sexualstraftat, dem in der Öffentlichkeit ein besonders hohes Unwerturteil beigemessen werde, nicht mehr konfrontiert zu werden. Allerdings berichte die Beklagte in den angegriffenen Beiträgen nicht in einer Art und Weise, durch die der durchschnittliche Rezipient von einer Schuld oder Strafbarkeit des Klägers ausgehe, sondern stelle lediglich einen früher gegen diesen bestehenden Verdacht dar. Außerdem bestehe aufgrund der Art des Delikts, der Beteiligten sowie der Tatumstände ein hohes öffentliches Informationsinteresse. Zudem gehe von den Beiträgen der Beklagten auch keine erhebliche Breitenwirkung aus, da diese nur bei einer gezielten Suche zu finden seien. Um die durch eine Verdachtsberichterstattung hervorgerufene Störung abzustellen, sei ein Nachtrag geeignet, erforderlich, aber im Hinblick auf den Schutz der Pressefreiheit auch ausreichend.
18Das vorstehende Berufungsurteil hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 16.2.2016 (VI ZR 367/15) aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an den Senat zurückverwiesen.
19Im Berufungsverfahren haben die Parteien ergänzend dazu vorgetragen, welche Anhaltspunkte im Zeitpunkt der Berichterstattung als Grundlage dafür vorhanden waren, dass der über den Kläger geäußerte Verdacht zutreffen könnte. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
20II.
21Das nach Zurückverweisung der Sache in der Berufungsinstanz wiedereröffnete Verfahren führt zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten, da dem Kläger unter Berücksichtigung der rechtlichen Beurteilung des Revisionsgerichts sowie der nach Zurückverweisung getroffenen weiteren Feststellungen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gegen die Wort- und Bildberichterstattung im Archiv der Beklagten zustehen.
22Im Einzelnen:
231. Der Kläger hat im Hinblick auf die von der Beklagten zum Abruf bereit gehaltene Wortberichterstattung einen Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Denn das weitere Bereithalten dieser Berichterstattung zum (kostenfreien) Abruf im Internet stellt einen rechtswidrigen Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar. Es handelt sich bei den streitgegenständlichen Berichten um ursprünglich unzulässige Verdachtsberichterstattungen und es besteht kein hinreichendes öffentliches Berichterstattungsinteresse, das es rechtfertigen könnte, diese Berichte trotz der ursprünglichen Unzulässigkeit sowie der später erfolgten Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger nach § 170 Abs. 2 StPO weiter zum Abruf vorzuhalten.
24a. Die von der Beklagten zum Abruf bereit gehaltene Berichterstattung über eine vermeintliche Straftat des Klägers unter Nennung seines Namens greift in dessen Recht auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens ein, weil sie sein angebliches Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten negativ qualifiziert. Dieser Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ist rechtswidrig, weil die Beklagte die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung nicht gewahrt hat und damit die vorzunehmende Abwägung (vgl. BGH, Urt. v. 16.2.2016 – VI ZR 367/15, juris Rn. 18; BGH, Urt. v. 17.12.2013 - VI ZR 211/12, juris Rn. 22) zu dem Ergebnis führt, dass das Schutzinteresse des Klägers die schutzwürdigen Belange der Beklagten überwiegt.
25Für eine zulässige Verdachtsberichterstattung über den Kläger als möglichen Täter oder Gehilfen eines sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen fehlte es im Zeitpunkt der Berichterstattung an dem erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen. Denn die Beklagte verfügte zu diesem Zeitpunkt neben der Tatsache, dass gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war, über keine weiteren Anhaltspunkte, die seine Täterschaft oder Beteiligung an der betreffenden Tat im erforderlichen Mindestmaß wahrscheinlich erscheinen ließen.
26aa. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Revisionsentscheidung vom 16.2.2016 (VI ZR 367/15) ausgeführt, dass die bloße Tatsache der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens für die Annahme eines Mindestbestands an Beweistatsachen nicht genügt, weil die Staatsanwaltschaft schon bei Vorliegen eines Anfangsverdachts Ermittlungen aufzunehmen hat und ein solcher Anfangsverdacht schon bei entfernteren Verdachtsgründe angenommen werden kann.
27bb. Die nach Zurückverweisung des Verfahrens weiter getroffenen Feststellungen des Senats rechtfertigen nicht die Annahme von Umständen, aus denen sich ein Mindestbestand an Beweistatsachen für den von der Beklagten in der Berichterstattung erhobenen Verdacht herleiten ließe.
28(1) Unstreitig hat die Staatsanwaltschaft Dortmund weder in ihrer Pressemitteilung vom 23.1.2012 noch in anderen (amtlichen) Stellungnahmen den Namen des Klägers als eines Beschuldigten im laufenden Ermittlungsverfahren genannt. Vielmehr hat sie in der Pressemitteilung vom 23.1.2012 ausdrücklich betont, sich mit Rücksicht u.a. auf die Persönlichkeitsrechte der Beschuldigten zu den Einzelheiten der Tatvorwürfe nicht äußern zu wollen und hat darauf hingewiesen, dass eine Bewertung der Verdachtslage erst nach Untersuchung bzw. Auswertung der gesicherten Spuren möglich sei, was einige Wochen dauern könne.
29(2) Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt dem Umstand, dass die Staatsanwaltschaft Dortmund die Beteiligung des Klägers am Ermittlungsverfahren bei der initiativen Nachfrage durch die Presse nicht (wahrheitswidrig) in Abrede gestellt hat und dass die amtliche Pressemitteilung aufgrund der vorhandenen Vorkenntnisse der Presse bestimmte Rückschlüsse erlaubte, keine einer amtlichen Verlautbarung vergleichbare gesteigerte Vertrauenswirkung zu.
30In diesem Zusammenhang behauptet selbst die Beklagte nicht, dass die Staatsanwaltschaft ihrem Redakteur gegenüber den Namen des Klägers als den eines der Beschuldigten im Ermittlungsverfahren genannt hat. Sie beruft sich vielmehr lediglich darauf, dass ihr Redakteur mit der zuständigen Staatsanwältin über das Verfahren gesprochen habe und es „den Gesprächspartners bewusst war, dass es … auch um den Kläger ging“. Dadurch, dass in der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft vom 23.1.2012 ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass nunmehr gegen alle Teilnehmer der Party mit Ausnahme der Anzeigenerstatterin ermittelt werde, sei klargestellt worden, dass der Kläger nunmehr als Beschuldigter in das Ermittlungsverfahren verwickelt sei.
31Der Umstand jedoch, dass die Presse und damit später auch die Öffentlichkeit aufgrund von Vorinformationen einen solchen Rückschluss ziehen kann, reicht für die Annahme einer amtlichen Verlautbarung oder einer vergleichbaren amtlichen Stellungnahme mit den damit verbundenen gesteigerten Vertrauenswirkungen nicht aus. Denn letztlich kann die Staatsanwaltschaft sich nicht dagegen wehren, dass die Presse bereits von dritter (hier unbekannter) Seite Informationen über die Identität der vom Ermittlungsverfahren Betroffenen hat und damit weitergehende Schlüsse aus amtlichen Mitteilungen ziehen kann, als dies ohne eine Vorinformationen der Fall gewesen wäre. Die Staatsanwaltschaft hat darüber hinaus auch keine Möglichkeit, bei aktiven Nachfragen nach der Beteiligung von bestimmten Personen an staatlichen Verfahren wahrheitswidrig zu antworten und ist damit bei solchen Nachfragen gleichsam in die Defensive gedrängt. Auch aus diesem Grund ist es nicht statthaft, den behördlichen Antworten auf solche Nachfragen bzw. den daraus gezogenen eigenen Schlussfolgerungen die Qualität einer amtlichen Verlautbarung zuzusprechen. Es bleibt vorliegend vielmehr dabei, dass die Staatsanwaltschaft Dortmund sich nicht erkennbar dafür entschieden hat, angesichts der konkreten Ermittlungsergebnisses mit dem Namen des Klägers bzw. der Änderung seines Status im Ermittlungsverfahren von sich aus an die Öffentlichkeit zu gehen.
32Aus diesem Grunde kann letztlich auch dahinstehen, dass bzw. aufgrund welcher Umstände die Staatsanwaltschaft sich (intern) dazu entschlossen hat, den Kläger nicht mehr als Zeugen, sondern als Beschuldigten im Ermittlungsverfahren zu führen. Ob dies nämlich, wie es die Beklagte vorträgt (Bl. 231 d.A.), aufgrund neuer Erkenntnis aus der Hausdurchsuchung und der Spurensicherung oder vielmehr, wie es der Kläger vorträgt (Bl. 259 d.A.), „aus reiner Routine heraus“ und „der guten Ordnung halber“ erfolgt ist, ist für die hier streitige Frage des Vorliegens eines Mindestbestands an Beweistatsachen unerheblich. Denn jedenfalls hat die Staatsanwaltschaft auch diese Änderung des Status des Klägers vom Zeugen zum Beschuldigten nicht zum Anlass genommen, selbiges in einer amtlichen Verlautbarung unter Nennung seines Namens mitzuteilen.
33(3) Weitere mögliche Anhaltspunkte für die Beurteilung der Frage, ob der gegen den Kläger erhobene Verdacht im Zeitpunkt der damaligen Berichterstattung zutreffend sein könnte, hat die Beklagte im Verfahren nicht geltend gemacht. Sie hat weder behauptet, dass ihrem Redakteur im Telefonat mit der Staatsanwaltschaft am 23.1.2012 weitere Einzelheiten zu den Ermittlungsergebnissen mitgeteilt worden sind, die dazu hätten führen können, den Tatvorwurf gegen den Kläger als erhärtet anzusehen, noch kann sie sich auf die Berichterstattung in anderen Medien, wie z.B. im L F vom 22.1.2012 oder von Seiten der Presseagentur E vom 23.1.2012 berufen. Denn dabei handelt es sich nicht um Quellen, die verlässliche Beweistatsachen liefern könnten, sondern nur um Meldungen anderer Medien, die letztlich mit dem unbekannten Informanten sowie der Staatsanwaltschaft auf dieselben Informationsquellen zurückgreifen konnten, die auch der Beklagten zur Verfügung standen. Schließlich hat auch der Verteidiger des Klägers in der von ihm eingeholten Stellungnahme keinerlei Angaben gemacht, die die Schlussfolgerung zulassen, dass sich ein eventueller Tatverdacht gegen den Kläger erhärtet hätte.
34b. Da die Wortberichterstattungen mangels Vorliegens eines Mindestbestands an Beweistatsachen ursprünglich unzulässig waren, ist auch ihr weiteres Bereithalten in dem Online-Archiv der Beklagten unzulässig, soweit sie – wie es mit der Klage angegriffen ist – den Kläger weiterhin identifizieren.
35Unter Berücksichtigung der für den Senat nach § 563 Abs. 2 ZPO bindenden rechtlichen Beurteilung des Revisionsgerichts, wonach bei einer ursprünglich unzulässigen Wortberichterstattung grundsätzlich davon auszugehen ist, dass ihr weiteres Bereithalten in einem Archiv bei Identifizierung des Klägers unzulässig ist und auch die Ergänzung der Beiträge vom 23.1.2012, 26.1.2012 und 11.2.2012 um den Zusatz in der Fußzeile keine davon abweichende Wertung erlaubt, sind vorliegend keine Umstände ersichtlich, die es rechtfertigen, die Berichterstattungen weiter zum Abruf bereit zu halten. Da nach den Ausführungen des Revisionsgerichts ein anerkennenswertes Öffentlichkeitsinteresse wegen der Unzulässigkeit der ursprünglichen Berichterstattung schon von Anfang an als sehr gering eingeschätzt werden muss und zudem das Verfahren gegen den Kläger später gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels ausreichender Beweisgrundlage eingestellt wurde, hätte die Beklagte gewichtige Gründe dafür anführen müssen, die entsprechende Berichterstattung dennoch weiter zum Abruf bereit zu halten. Dies hat sie nicht getan. Die von ihr in diesem Zusammenhang geltend gemachte Gefahr einer Beeinträchtigung der Pressefreiheit, die daraus resultieren soll, dass Medienunternehmen verpflichtet würden, ihre archivierte Berichterstattung auf Änderungsbedarf zu untersuchen, hält der Senat vorliegend nicht für durchgreifend. Denn zum einen hat der Kläger die Beklagte zunächst außergerichtlich unter Angabe der entsprechenden Seiten aufgefordert, die identifizierende Berichterstattung zu unterlassen und hat keine proaktive Prüfpflicht der Beklagten geltend gemacht. Zum anderen wäre ein eventueller Arbeitsaufwand, den die Beklagte für die Kontrolle der archivierten Berichte bei entsprechenden Beanstandungen durchzuführen hätte, im Hinblick darauf, dass diese Berichte einen Strafverdacht gegen den Kläger mit erheblicher öffentlicher Missbilligung referieren, der Beklagten auch zumutbar, um die Beeinträchtigung des Klägers zu beseitigen.
362. Der Kläger hat weiter einen Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG im Hinblick auf die als Teil der Berichte vom 23.1.2012, 26.1.2012, 22.1.2012 und 27.4.2012 vorgehaltenen und ihn zeigenden Bildnisse, weil er in deren Veröffentlichung weder eingewilligt hat (§ 22 S. 1 KUG) noch es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG), die ohne Verletzung der berechtigten Interessen des Abgebildeten verbreitet werden dürfen (§ 23 Abs. 2 KUG).
37a. Die Beurteilung, ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zuzuordnen ist, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits. Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen, wobei dieser Begriff alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse umfasst. Allerdings besteht das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Bei der Gewichtung der kollidierenden Interessen kommt dem Anlass und dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu, wobei der Informationsgehalt der Bildberichterstattung unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung zu ermitteln ist. Entscheidend ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - lediglich die Neugier der Leser befriedigen (vgl. BGH, Urt. v. 8.3.2012 - VI ZR 125/12, AfP 2013, 399 m.w.N.).
38Geht es um eine identifizierende Bildberichterstattung über den Verdacht einer Straftat, so ist darüber hinaus zu beachten, dass eine solche Berichterstattung in das Recht des Abgebildeten auf Schutz seiner Persönlichkeit eingreift, weil sie sein angebliches Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten von vornherein negativ qualifiziert (vgl. BGH, Urt. v. 9.2.2010 - VI ZR 243/08, juris Rn. 34). Insbesondere ist auch in diesem Zusammenhang im Hinblick auf die Unschuldsvermutung die Gefahr in den Blick zu nehmen, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und dass der Eindruck, der Abgebildete sei ein Straftäter, selbst bei einer späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens nicht beseitigt wird. Ob im Einzelfall dem Recht auf Schutz der Persönlichkeit oder dem Informationsinteresse Vorrang gebührt, hängt unter anderem von dem Verdachtsgrad ab, dem der Beschuldigte ausgesetzt war und gegebenenfalls noch ist.
39b. Unter Beachtung dieser Grundsätze ist das Bereithalten der Bildnisse des Klägers zum Abruf im Internet unzulässig, weil es unter Abwägung der jeweils betroffenen Rechtspositionen schon an einem Ereignis der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG fehlt.
40Zwar bestand im Zeitpunkt der Berichterstattung im Hinblick auf das gegen den Kläger anhängige Ermittlungsverfahren zum einen wegen der Art des Strafvorwurfs und zum anderen wegen seiner Prominenz ein erhebliches öffentliches Berichterstattungsinteresse. Auch hatten die veröffentlichten Fotos nach der Art ihrer Gewinnung und Darstellung keinen eigenständigen Verletzungsgehalt, denn es handelt sich um kontextneutrale Aufnahmen des Klägers bei Ausübung seines Berufs als Fußballspieler. Die Veröffentlichung solcher kontextneutraler Aufnahmen ist nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urt. v. 18.9.2012 – VI ZR 291/10, juris Rn. 28 m.w.N.) und des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG NJW 2001, 1921; BVerfG NJW 2006, 2835) unbedenklich. Jedoch ist bei der Abwägung, ob der vorliegende Berichtsgegenstand ein Ereignis der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG darstellt, entscheidend zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass er durch Anlass und Gegenstand der Berichterstattung mit Bildnissen, die ihn in seinem Beruf als Fußballspieler zeigen, unmittelbar mit dem Verdacht in Verbindung gebracht wird, eine schwere Sexualstraftat begangen zu haben. Da jedoch die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung nicht vorlagen, durfte der Kläger auch nicht mittels der veröffentlichen Bildnisse für die Rezipienten identifizierbar abgebildet werden. In der Veröffentlichung der Bildnisse liegt eine über die namentliche Nennung in der Wortberichterstattung hinausgehende Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts, weil er durch die Veröffentlichung der Bildnisse auch für denjenigen Rezipientenkreis als möglicher Täter eines Sexualdeliktes dargestellt wird, der ihn namentlich nicht kennt. Für die Erhebung eines solchen Verdachts in Verbindung mit einer bildlichen Identifizierung des Klägers bestand in dem Zeitpunkt, zu dem die Meldung erstmals online gestellt wurde, keine Rechtfertigung. Denn mangels einer hinreichenden Tatsachengrundlage, die dazu dienen konnte, den gegen den Kläger erhobenen Tatvorwurf zu stützen, waren die Bildnisse Teil der unzulässigen Verdachtsberichterstattung. Wie bereits dargelegt, hat weder die Staatsanwaltschaft Dortmund unter Angabe des Namens des Klägers über einen gegen diesen gerichtetes Ermittlungsverfahren berichtet, noch gab es aus Sicht der Beklagten andere Anhaltspunkte, die den Tatvorwurf gegen den Kläger hätten stützen können.
41c. Jedenfalls aber verletzt die Bereithaltung der streitgegenständlichen Bildnisse im Online-Archiv der Beklagten die berechtigten Interessen des Klägers im Sinne von § 23 Abs. 2 KUG, weil es angesichts der zwischenzeitlich erfolgten Einstellung des gegen ihn gerichteten Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO kein überwiegendes öffentliches Berichterstattungsinteresse mehr gibt, welches im Hinblick auf die schon ursprünglich unzulässige Bildberichterstattung, den nunmehr vollständig entfallenen Verdachtsgrad sowie das Rehabilitationsinteresse des Klägers eine weitere Bereithaltung dieser Bildnisse rechtfertigt.
423. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich hinsichtlich der Kosten aus § 91 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht gegeben sind.
43Streitwert des Berufungsverfahrens: 20.000 Euro
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 13. Okt. 2016 - 15 U 13/15
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Oberlandesgericht Köln Urteil, 13. Okt. 2016 - 15 U 13/15 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
Tenor
I. Der Beklagten wird es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an dem Vorstand,
v e r b o t e n,
die folgenden Beiträge online zum Abruf bereitzuhalten, soweit in identifizierbarer Weise durch namentliche Nennung und/oder Bildnisveröffentlichungen über den Kläger berichtet wird:
a) 23.01.2012 (16:32 Uhr) [unter der Rubrik „E“] „Staatsanwaltschaft ermittelt auch gegen T“,
veröffentlicht unter www.ruhrachrichten.de
b) 26.1.2012 (19:54 Uhr) [unter der Rubrik „E“] „Y Star T: Handy beschlagnahmt“,
veröffentlicht auf www.anonym.de
c) 11.2.2001 (15:58 Uhr) [unter der Rubrik „E“] „Erstes Gutachten im Fall T“,
veröffentlicht auf www.anonym.de
d) 27.4.2012 (12:13 Uhr) [unter der Rubrik „E“] „Ermittlungsverfahren gegen T eingestellt“,
veröffentlicht unter www.anonym.de
e) 27.4.2012 (15:42 Uhr) [unter der Rubrik „die Region/NRW in Kürze“] „Ermittlungen gegen T wegen Missbrauchsvorwurf eingestellt“,
veröffentlicht unter www.anonym.de
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 523,48 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.05.2014 zu zahlen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte
IV. Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheitsleistung beträgt für die Vollstreckung aus dem Unterlassungstenor 5.000,00 EUR und im Übrigen 110% des zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit der weiteren Bereithaltung einer Berichterstattung über ein gegen den Beklagten eingeleitetes und inzwischen eingestelltes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft im Online Nachrichtenportal der Beklagten.
3Der ist Kläger ist ein deutschlandweit bekannter Fußballspieler der ersten Bundesliga.
4Die Beklagte betreibt unter der Internetadresse www.anonym.de das Internetportal der entsprechenden Tageszeitung „X“.
5Gegen den Kläger wurde Anfang des Jahres 2012 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 StGB eingeleitet. Hintergrund war die Strafanzeige einer jungen Frau, die behauptete, nach einer Feier im Haus des Klägers von einem oder mehreren anwesenden Männern mit sogenannten K.O.-Tropfen betäubt und anschließend missbraucht worden zu sein.
6Im April 2012 stellte die Staatsanwaltschaft E das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger mangels hinreichenden Tatverdachts gem. § 170 Abs. 2 StPO ein.
7Die Beklagte berichtete auf o.g. Onlineportal wahrheitsgemäß und aktuell sowohl über die Einleitung als auch über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens. Im Zeitraum von Januar bis April 2012 veröffentlichte sie die im Antrag näher benannten sechs Artikel. Wegen des konkreten Inhalts der Berichte wird Bezug genommen auf die Anlagen K9 und K3 bis K7 (Bl. 3 ff d.A.)
8Neben der Beklagten berichteten auch weitere bekannte Nachrichtenportale über diesen Sachverhalt.
9Die streitgegenständlichen Artikel sind derzeit noch im Online-Archiv der Beklagten abrufbar und durch eine gezielte Suche zum Ermittlungsverfahren über Suchmaschinen auffindbar.
10Die Artikel sind jeweils mit Datumsangaben gekennzeichnet.
11Nach Einstellung des Verfahrens ergänzte die Beklagte die Artikel vom 23. Januar 2012, vom 26. Januar 2012 und vom 11. Februar 2012 um eine Fußzeile, mit folgendem Inhalt: „Anmerkung der Redaktion: Bei dem Artikel handelt es sich um eine Archivberichterstattung vom […]. Das Ermittlungsverfahren gegen T wurde im April 2012 eingestellt.“
12Mit Schreiben vom 11.05.2012 wandte sich der Kläger zunächst außergerichtlich an die Beklagte und forderte sie auf, alle das Ermittlungsverfahren betreffenden Artikel aus dem Onlineportal zu löschen.
13Hierauf teilte die Beklagte mit Schreiben vom 16.05.2012 mit, die geforderte Löschung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht vorzunehmen.
14Eine Löschung erfolgte jedoch nur hinsichtlich des von dem Kläger beispielhaft genannten Artikels vom 21.01.2012, in dem erstmalig über den Sachverhalt berichtet wurde.
15Auf die erneute Aufforderung des Klägers unter Nennung aller konkreten Artikel verweigerte die Beklagte die Löschung mit Schreiben vom 16.10.2012.
16Hierauf forderte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 18.10.2012 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.
17Die Beklagte reagierte hierauf nicht.
18Dem Kläger sind durch die vorgerichtliche Inanspruchnahme Rechtsanwaltskosten i.H.v. 523,50 € entstanden.
19Der Kläger ist der Auffassung, die weitere Bereithaltung der oben genannten Artikel durch die Beklagte sei nach der Einstellung des Ermittlungsverfahrens rechtswidrig.
20Er meint, es bestehe kein überwiegendes öffentliches Interesse an der weiteren Bereithaltung der Artikel, da sich die Vorwürfe als falsch herausgestellt hätten und somit kein zeitgeschichtlich relevantes Geschehen vorliege. Er sei durch die Inhalte der Artikel öffentlich stigmatisiert und werde auf unabsehbar lange Zeit mit dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs bemakelt.
21Der Kläger beantragt,
221. es der Beklagten bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an ihrer Geschäftsführung, zu untersagen, die folgenden Beiträge online zum Abruf bereitzuhalten, soweit in identifizierbarer Weise durch namentliche Nennung und/oder Bildnisveröffentlichungen über den Kläger berichtet wird:
2323.01.2012 (16:32 Uhr) [unter der Rubrik „E“] „Staatsanwaltschaft ermittelt auch gegen T“,
24veröffentlicht unter www.anonym.de
2526.1.2012 (19:54 Uhr) [unter der Rubrik „E“] „Y Star T: Handy beschlagnahmt“,
26veröffentlicht auf www.anonym.de
2711.2.2001 (15:58 Uhr) [unter der Rubrik „E“] „Erstes Gutachten im Fall T“,
28veröffentlicht auf www.anonym.de
2927.4.2012 (12:13 Uhr) [unter der Rubrik „E“] „Ermittlungsverfahren gegen T eingestellt“,
30veröffentlicht unter www.anonym.de
3127.4.2012 (15:42 Uhr) [unter der Rubrik „die Region/NRW in Kürze“] „Ermittlungen gegen T wegen Missbrauchsvorwurf eingestellt“,
32veröffentlicht unter www.anonym.de
332. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 523,48 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
34Die Beklagte beantragt,
35die Klage abzuweisen.
36Sie ist der Auffassung die weitere Bereitstellung der streitgegenständlichen Artikel sei rechtmäßig, da die Beklagte ausschließlich wahrheitsgemäß und vollständig berichtet habe und zudem für Leser ohne Weiteres erkennbar sei, dass es sich um „Altberichte“ handele.
37Aufgrund der Tatsache, dass auch andere Portale Artikel mit ähnlichem Inhalt bereitstellen, bestehe kein überwiegendes Interesse des Klägers an der Löschung der Artikel auf der Internetpräsenz der Beklagten.
38Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
39Entscheidungsgründe
40Die zulässige Klage ist begründet.
41Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch gemäß § 823, 1004 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zu, da die weitere Bereithaltung der angegriffenen Berichterstattung den Kläger bei fortbestehender Wiederholungsgefahr rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.
42Das Bereithalten der angegriffenen Artikel zum Abruf im Internet stellt einen Eingriff in das Persönlichkeitsrechts Klägers dar. Die Berichterstattungen über das Ermittlungsverfahren unter Namensnennung des Beschuldigten beeinträchtigt dessen Recht auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens, da sie den Verdacht einer besonders schweren Verfehlung des Beschuldigten öffentlich macht.
43Auch wenn aus den Äußerungen in der Gesamtbetrachtung erkennbar wird, dass es sich lediglich um einen Verdacht handelte und das Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt wurde, haftet dem Betroffenen gleichwohl der Makel an, dass an der Sache etwas „dran“ sein könnte. Insbesondere wenn der Verdacht einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung im Raum steht, droht auch bei Einstellung des Verfahrens eine besondere Stigmatisierung des Beschuldigten.
44Die jederzeitige Abrufbarkeit der Artikel für jeden interessierten Internetnutzer begründet einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers von hohem Gewicht.
45Bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich um einen sogenannten offenen Tatbestand, d.h. die Rechtswidrigkeit ist nicht durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert, sondern im Rahmen einer Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles und Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit positiv festzustellen (Palandt, BGB, § 823 Rn. 95 m.w.N.). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird nicht vorbehaltlos gewährleistet sondern durch die verfassungsmäßige Ordnung und Rechte anderer beschränkt. Insoweit stehen sich hier das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1, 2 GG) und das Recht auf Presse- und Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) gegenüber. Für die gebotene Abwägung haben sich dabei Leitlinien entwickelt, nach denen es für die Zulässigkeit einer Äußerung im Regelfall maßgeblich darauf ankommt, ob es sich um Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen handelt. Während Meinungsäußerungen in der Regel bis zur Grenze der Schmähkritik oder Formalbeleidigung zulässig sind, müssen jedenfalls unwahre Tatsachenbehauptungen in der Regel nicht hingenommen werden. Handelt es sich hingegen um wahre Tatsachen, sind diese grundsätzlich zulässig, auch wenn sie nachteilig sind.
46Allerdings kann auch eine wahre Darstellung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussagen geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen (vgl. BVerfGE 97, 391, 404 f.; BVerfG AfP 2009, 365 Rn. 17, BGH, Urteil vom 15. Dezember 2009 – VI ZR 227/08 –, BGHZ 183, 353-366)
47Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze überwiegt das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit und der Achtung seines Privatlebens vorliegend gegenüber dem von der Beklagten verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung.
48Im vorliegenden Fall handelt es sich zwar unstreitig um eine wahre Tatsachenberichterstattung.
49Dem Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit kommt jedoch erhöhtes Gewicht zu, da das Ermittlungsverfahren inzwischen mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt wurde und hierdurch belegt ist, dass der Kläger keine Verfehlung begangen hat. Damit sinkt gleichzeitig auch das berechtigte öffentliche Interesse an der Berichterstattung.
50Andererseits tritt letzteres nicht vollständig zurück, da es sich bei dem Kläger um eine in der Öffentlichkeit sehr bekannte Person handelt und die Berichterstattung über den Gang des Ermittlungsverfahrens der Wahrheit entspricht. Die Medien nehmen ihre Aufgabe, in Ausübung der Meinungsfreiheit die Öffentlichkeit zu informieren und an der demokratischen Willensbildung mitzuwirken auch dadurch wahr, dass sie nicht mehr aktuelle Veröffentlichungen für interessierte Mediennutzer bereithalten und damit über abgeschlossene Sachverhalte informieren (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2009 – VI ZR 227/08 –, BGHZ 183, 353-366).
51Nach Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen, ist das weitere Bereithalten der Artikel als unzulässig zu erachten.
52Dabei war zu Gunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass die Berichterstattung ursprünglich nach den Grundsätzen der Verdachtsberichtserstattung zulässig war, die Artikel erkennen lassen, dass es sich um sog. „Altmeldungen“ handelt und dass das Ermittlungsverfahren inzwischen eingestellt wurde und diese nur noch durch eine gezielte Suche auffindbar sind.
53Die Berichterstattung über das Ermittlungsverfahren war ursprünglich nach Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung zulässig. Die Artikel gaben wahrheitsgemäß und vollständig den jeweils aktuellen Stand der Ermittlungen wieder und wahrten die gebotene Neutralität. Sie lassen erkennen, dass es sich nicht um einen eigenen, sondern einen fremden Verdacht handelt. Es findet keine Vorverurteilung oder negative „Stimmungsmache“ gegen den Kläger statt, so dass die Unschuldsvermutung beachtet wird.
54So wird z.B. in dem Artikel vom 23.01.2012 der Rechtsanwalt des Klägers wie folgt wiedergegeben: „Es bestehe lediglich ein Anfangsverdacht, aber kein konkreter Tatverdacht.“.
55Des Weiteren wird auf den Hinweis der Staatsanwaltschaft verwiesen, nach dem „eine Bewertung der Verdachtslage erst möglich sei, wenn die am 19. Januar gesicherten Spuren untersucht und die Ergebnisse dieser Untersuchung ausgewertet sind“. Schließlich zitiert der Autor sogar den Apell der Staatsanwaltschaft an die Medien, von Vorverurteilungen in die eine wie in die andere Richtung abzusehen. In dem Artikel vom 26.01.2012, in dem über die Beschlagnahme des Handys des Klägers berichtet wird, heißt es: „Möglicherweise war sie während der Party wehrlos geworden – ob durch Alkoholgenuß oder K.O.-Tropfen, ist unklar. Wie so viel anderes.“. Auch in diesem Artikel wird der Anwalt der Klägers mit den Worten zitiert: „Was meinen Mandanten betrifft, bin ich sehr optimistisch“.
56Hieraus wird deutlich, dass sich der Anfangsverdacht bisher nicht erhärtet hat, sondern dass es sich nach wie vor um Mutmaßungen handelt.
57Darüber hinaus hat die Beklagte auch aktuell über entlastende Umstände für den Kläger berichtet. So behandelt der Artikel vom 11.02.2012 ein von der Staatsanwaltschaft eingeholtes medizinisches Gutachten, das keinen Zusammenhang zu dem Kläger erkennen lässt. Dort heißt es: „Erst gravierende Vorwürfe, nun eine erste Entlastung: Ein medizinisches Gutachten spricht offenbar nicht dafür, dass im Haus von Y-Profi T eine junge Frau mit K.O.-Tropfen betäubt wurde“.
58Schließlich hat die Beklagte am 24.04.2012 zwei Artikel über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens veröffentlicht. Dort ist erkennbar, dass das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts und nicht etwa aus anderen Gründen eingestellt wurde.
59Dort heißt es:
60„Der Verdacht […] hat sich nach Informationen unserer Redaktion nicht bestätigt. Daher wurde das Verfahren eingestellt.“
61und
62„Vor diesem Hintergrund lägen ausreichende Beweise für einen Missbrauch Widerstandsunfähiger nicht vor“.
63Insgesamt wird durch die Berichterstattung stets klargestellt, dass es sich lediglich um einen Verdacht handelt und der Kläger der ihm vorgeworfenen Handlung nicht überführt ist. Es wurde der jeweilige Stand des Ermittlungsverfahrens berücksichtig, wobei über die Einstellung nicht wesentlich unauffälliger als über die Einleitung des Ermittlungsverfahrens berichtet wurde.
64Die Berichterstattung war ursprünglich auch unter Namensnennung des Klägers zulässig. Ein öffentliches Interesse an der Identifizierbarkeit des Beschuldigten kann sich bereits aus der allgemeinen Stellung der Person selbst ergeben. Dies ist hier der Fall, da es sich bei dem Kläger, als öffentlich bekanntem Profi-Fußballspieler, um eine Person der Zeitgeschichte handelt.
65Zudem kommt eine Namensnennung auch dann in Betracht, wenn es sich um eine Straftat handelt, die die Öffentlichkeit besonders berührt (BGH, Urteil vom 17. März 1994 – III ZR 15/93 NJW 1994, 1950, Urteil vom 07. Dezember 1999 – VI ZR 51/99, NJW 2000, 1036, 1038). Bei einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung dürfte dies stets zu bejahen sein.
66Durch die spätere Einstellung des Ermittlungsverfahrens ist die frühere Berichterstattung nicht nachträglich unzulässig geworden (OLG Düsseldorf, Urt. v. 27. Oktober 2010 – I-15 U 79/10, NJW 2011, 788)).
67Die Beklagte hat im weiteren Verlauf erkennbar gemacht, dass es sich bei den Artikeln um sog. „Altmeldungen“ handelt. Es befindet sich jeweils eine „Anmerkung der Redaktion“ unter dem Artikel, in der es heißt: „Bei dem Artikel handelt es sich um eine Archivberichterstattung vom […]. Das Ermittlungsverfahren gegen T wurde eingestellt“. Damit ist für jeden Leser klar, dass die Berichterstattung keinen aktuellen Bezug mehr aufweist und dass es sich um einen abgeschlossenen Sachverhalt handelt. Die Beklagte hat damit die erforderliche Nachsorge betrieben. Die Gefahr, dass beim Leser der Eindruck entsteht, die Berichterstattung weise noch einen aktuellen Bezug auf, besteht nicht.
68Hinzu tritt der Umstand, dass die streitgegenständlichen Artikel nur durch eine gezielte Suche nach dem Ermittlungsverfahren auffindbar sind. Diese sind nicht auf der aktuellen Startseite www.anonym.de zu finden, sondern lediglich im Archiv. Derartige Berichterstattung auf sogenannten „passiven Darstellungsplattformen“ werden typischerweise nur von solchen Nutzern zur Kenntnis genommen, die sich selbst aktiv informieren (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. August 2003 – 1 BvR 1003/02, NJW 2003, 2818, 2819). Nutzer, die die Seite aufrufen, um sich über aktuelle Geschehnisse zu informieren, werden mit den Artikeln in der Regel nicht zufällig konfrontiert.
69Bei der Eingabe des bloßen Namens des Beklagten in eine Suchmaschine tauchen die Artikel auf den ersten Seiten der Suchergebnisse nicht auf. Es muss gezielt nach dem Zusatz „Ermittlungsverfahren“ gesucht werden, um zu der betreffenden Berichterstattung zu gelangen. Dementsprechend besteht hier eine nur geringe Breitenwirkung. Im Regelfall werden nur Nutzer, die ohnehin schon Kenntnis von dem Ermittlungsverfahren erlangt haben, die Artikel lesen. Die Gefahr einer unkontrollierten Ausbreitung besteht damit nicht in erhöhtem Maße.
70Obwohl die Beklagte damit im Rahmen der Berichterstattung ihren Sorgfaltspflichten in erforderlichem Umfang nachgekommen ist, ist dem Schutz des Persönlichkeitsrechts der Klägers vor der weiteren Konfrontation mit den sich als nicht haltbar herausgestellten Vorwürfen im konkreten Einzelfall der Vorrang einzuräumen.
71Auch bei geringer Breitenwirkung ist der einmal bestehende Verdacht der Begehung einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung in besonders hohem Maß geeignet, in der Öffentlichkeit eine Prangerwirkung zu erzeugen.
72Solange die Artikel online abrufbar sind, besteht auch weiterhin die Gefahr, dass der Kläger jederzeit mit den damaligen Verdächtigungen konfrontiert wird. Da aber aufgrund der Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachts davon auszugehen ist, dass der Kläger hierfür in keiner Weise eigenverantwortlich durch sein Handeln die Ursache gesetzt hat, ist sein Recht mit diesem Sachverhalt „in Ruhe gelassen“ zu werden als besonders schutzwürdig zu bewerten. Der vorliegende Fall in damit nicht mit der Situation der Berichterstattung über einen verurteilten Straftäter zu vergleichen, in dem maßgeblich war, ob die weitere Berichterstattung eine Resozialisierung verhindern könnte. Hier geht es im Ausgangspunkt um die Gefahr eine soziale Ausgrenzung erst herbeizuführen, in dem die Beiträge über einen nicht mehr bestehenden Verdacht weiterhin verbreitet werden.
73Auch wenn den Lesern gleichzeitig mitgeteilt wird, dass die Ermittlungen eingestellt wurden, besteht stets das Risiko, dass in der öffentlichen Meinung ein gewisser Verdacht bestehen bleibt, der bei der hier im Raum stehenden Tat besonders schwerwiegend ist. Dies wird auch nicht dadurch verhindert, dass die Artikel grundsätzlich nur durch gezielte auffindbar sind. Die Möglichkeit, dass die Beiträge zufällig entdeckt oder weiterversendet werden, kann durch die Beklagte nicht ausgeschlossen werden. Zudem entzieht es sich der Kontrolle der Parteien, inwiefern und an welcher Stelle die Artikel in Suchmaschinen wie "Google" aufgelistet werden. Dies hat der Kläger unter Berücksichtigung der sich entgegenstehenden Interessen nicht hinzunehmen.
74Der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten folgt ebenfalls aus § 823 Abs. 1 BGB.
75Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB.
76Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
77Streitwert: 20.000,00 Euro
(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.
(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.
(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger nimmt die Beklagten auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens wegen ihn betreffender Äußerungen in einem Beitrag in Anspruch, der von dem Beklagten zu 1 verfasst wurde, sich maßgeblich auf die Aussagen der Beklagten zu 3 stützt und in der Zeit vom 22. Juni 2007 bis jedenfalls 5. Juli 2007 auf dem von der Beklagten zu 2 betriebenen Internetportal www.stern.de abrufbar war.
- 2
- Der Kläger war in der Zeit von Juni 1994 bis 31. Oktober 2009 Leiter der Rechtsabteilung der L. W. Am 17. Oktober 1994 wurde auf ihn ein Attentat verübt , wodurch er lebensgefährlich verletzt wurde. Die Attentäter hatten im Auftrag von Hintermännern gehandelt, die mit Immobiliengeschäften im Zusammenhang standen. Das Attentat und seine Hintergründe waren in den neunziger Jahren Gegenstand umfangreicher Berichterstattungen in der Presse. Ab Mai 2007 wurde aufgrund öffentlich gewordener Beobachtungen des Sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz unter dem Titel "Sächsische Korruptionsaffäre" deutschlandweit über den Verdacht berichtet, dass namhafte Personen aus Sachsen mit dem Rotlichtmilieu verquickt seien, ein Kinderbordell besucht und auf Immobilientransaktionen, Justiz und Verwaltung unzulässig Einfluss genommen hätten. Am 11. Juni 2007 strahlte der Mitteldeutsche Rundfunk die Sendung "FAKT" aus, in der sich die Beklagte zu 3, die ehemalige Sekretärin des Klägers zu diesem wie folgt äußerte: "Im Dezember des Jahres 2004 kam ein ca. 14-jähriges Mädchen in mein Büro und wollte Herrn X (Anmerkung des Senats: Kläger) sprechen. Sie nannte ihn dann sofort beim Vornamen und vermittelte mir, sie sei sehr verliebt. Er sei ihr Freund und sie hätte ihn über eine Woche nicht erreicht und mache sich Sorgen, weil er ihr sagte, er würde gern mit ihr auswandern. Meine Gedanken waren sofort: Und das mit einem 14jährigen Mädchen". Weiter heißt es in diesem Fernsehbericht: "Y (Anmerkung des Senats: Beklagte zu 3) wurde aus dem Unternehmen herausgemobbt und danach noch verschiedentlich per Telefon und SMS terrorisiert und wollte sich gegenüber der Polizei offenbaren. O-Ton Y: "Ich bin Anfang diesen Jahres zur Polizei zur Zeugenvernehmung in Sachen X geladen worden, habe aber in der Nacht vor der Zeugenvernehmung meine Katze auf dem Grundstück misshandelt vorgefunden, indem sie gefesselt worden ist, und war über diese Tatsache dermaßen erschüttert und ängstlich, so dass ich die Aussage bei der Polizei nicht gemacht habe.""Am 13. Juni 2007 erschienen sowohl in der Lokalausgabe der Bildzeitung unter der Überschrift "Wie halten Sie das aus Herr X? Kindersexvorwurf gegen L. W. Manager" als auch in der Leipziger Volkszeitung unter der Überschrift "Ehemalige Sekretärin erhebt schwere Vorwürfe gegen L. W. - Abteilungsleiter, der weist alle Anschuldigungen zurück" Artikel, die sich u.a. mit den von der Beklagten zu 3 gegen den Kläger erhobenen Vorwürfen befassten. In einem Beitrag der Tagesschau vom 15. Juni 2007 wurde berichtet, dass die Beklagte zu 3 den Kläger öffentlich der Pädophilie verdächtige.
- 3
- Mit E-Mail vom 3. Juni 2007 an den Pressesprecher der L. W. und vom 10. Juni 2007 an den Kläger persönlich bat der Beklagte zu 1 um ein Interview mit dem Kläger, um ihm die Gelegenheit zu geben, "sich zu alten und neuen Vorwürfen im Zusammenhang mit dem sog. "Sächsischen und Leipziger Sumpf" zu äußern", die laut Veröffentlichungen in der Presse ihn beträfen. Mit E-Mail vom 11. Juni 2007 teilte der Kläger dem Beklagten zu 1 mit, kein Gespräch mit ihm führen zu wollen. Die Tatsache, dass er Opfer eines Überfalls gewesen sei, befähige ihn nicht, sich qualifiziert zu einer angeblichen Affärein Justiz- oder Politikerkreisen zu äußern. In der Presse hätten so gut wie keine Tatsachen benannt werden können, die strafbar seien. Er kenne keine Tatsachen , die den Beklagten zu 1 bei seinen Recherchen weiterbringen könnten und er wolle sich auch nicht an dem Verbreiten von Gerüchten beteiligen. Der Beklagte zu 1 teilte daraufhin mit, dass er seine Aufgabe nicht in erster Linie darin sehe, strafbare Tatsachen zu benennen. Die Rolle des Klägers habe aber immer wieder Anlass zu Spekulationen und Beschuldigungen gegeben, weshalb er gern in einem persönlichen Gespräch noch einige Punkte klären wolle. Er wolle dem Kläger außerdem Gelegenheit geben, sich zu Vorwürfen seiner ehemaligen Sekretärin zu äußern, die nicht nur arbeitsrechtlicher Natur seien.
- 4
- Am 22. Juni 2007 veröffentlichte die Beklagte zu 2 in ihrem Internetportal einen vom Beklagten zu 1 verfassten und sich maßgeblich auf die Angaben der Beklagten zu 3 stützenden Beitrag mit dem Titel "Sächsische Korruptionsaffäre Ein Krimi aus dem Leipziger Sumpf". Darin heißt es unter voller Namensnennung der Betroffenen u.a.: "Y (Anmerkung des Senats: Beklagte zu 3) ahnte lange nicht, warum sie 2005 aus ihrem Job gemobbt und bedroht wurde. Erst als Einzelheiten der Sächsischen Korruptionsaffäre ans Licht kamen, wurde der Sekretärin klar: Sie wusste zu viel - ohne es zu wissen. ... Y wollte nie Kronzeugin sein, Interviews geben oder den Dreck zurückwerfen, mit dem man sie selbst beinahe zur Verzweiflung trieb. Aus lauter Loyalität hat sie sich nicht einmal vor Gericht gegen ihre abgekartete Kündigung gewehrt. ... Y hielt die Rechtsabteilung zusammen. Ihr Chef konnte all die Jahre gar nicht oft genug sagen, was er ohne sie machen sollte; sie war engste Vertraute, Ratgeberin in allen Lebenslagen und verteidigte ihn "wie eine Löwenmutter" gegen alle Anfeindungen aus dem Unternehmen. "Egal was die Kollegen hinter seinem Rücken sagten, ob sie X (Anmerkung des Senats: Kläger) als Faulpelz verleumdeten oder als einen, der sowieso die Hand aufhält" - sie hat ihm immer alles gesteckt , auch als ihn seine eigenen Juristenkollegen "als pädophilen Arsch" bezeichnen. Damals fand sie das unglaublich. ... Es ist ihr unangenehm, als er sie bittet, kindische Vergleichslisten zwischen seiner Ehefrau und einer Geliebten zu beurteilen,… Und als sei dies selbstverständlich, bewahrt sie sogar Diskreti- on, als einmal ein Mädchen, "vielleicht 14 Jahre alt", im Büro auftaucht und "nach X" fragt, der ihr angeblich versprochen hätte, mit ihr nach Sardinien abzuhauen. "Das Mädchen nannte sich Lissy, hat geweint und gebettelt, ich möge X nichts von dem Besuch sagen, denn das hätte er ihr verboten." Und tatsächlich sagt Y ihrem Chef diesmal nichts. Ein paar Wochen später schlägt die Stimmung plötzlich um. "Er redete kein Wort mehr mit mir, ließ meine Urlaubsscheine verschwinden, und an einem Tag im März bekam ich auf einmal zwei völlig konstruierte Abmahnungen". ... Nach der Kündigung zum 30.9.2005 geht sie zu Hause durch die Hölle: "Ich konnte mir einfach keinen Reim darauf machen und zermarterte mir mein Hirn, was ich falsch gemacht habe." … Wie zum Hohn treffen regelmäßig schmähende SMS bei ihr ein. "Bin ich froh, dass ich Sie los bin." Sie weiß nicht, warum das jetzt auch noch sein muss, hebt alles auf, frisst es in sich hinein, bis sie plötzlich von drei Motorradfahrern im Straßenverkehr brutal abgedrängt wird. Sie erinnert sich zwar, dass X mal von solchen Spielchen mit Motorradkumpels geschwärmt hat, ihre Anzeige aber stellt sie gegen Unbekannt. … Bei Weihnachtseinkäufen im Dezember trifft sie zufäl- lig Lissy wieder. Das Mädchen teilte freudig mit, es sei alles wieder gut: Sie hätte X den Bürobesuch gebeichtet, er sei nicht weiter sauer gewesen. Plötzlich wird Y alles klar - das war es also: "Weil ich ihm nichts davon erzählt hatte", schließt sie, "muss er angenommen haben, ich würde ihn hintergehen und wusste womöglich noch mehr". ... Vier Monate später kommt die Korruptionsaffäre ins Rollen. In geheimen Akten des Verfassungsschutzes füllt der Name ihres Chefs mehrere Seiten: Als Opfer eines Anschlages, dessen wahre Hintergründe offenbar nie richtig aufgeklärt werden sollten; als Verdächtiger im Zusammenhang mit Kinderprostitution; als eine zentrale Figur im Leipziger Sumpf. Erst jetzt fügen sich für Y immer mehr Puzzleteile zusammen. Das Mädchen, die Andeutungen der Kollegen, "seine Empörung im Büro, nachdem ihm sein Schwager angeblich mit einer Anzeige droht, weil X dessen Tochter im Urlaub zu nahe gekommen sei." Y überwindet ihre Scham, auch diese Dinge zu benennen und geht an die Öffentlichkeit. Ihre Anwälte haben ihr das auch als Schutz empfohlen. Niemand weiß besser als sie, wozu die Leipziger Immobilienmafia fähig ist. ... "Alles, was seine Neigungen betrifft, ist mir dagegen erst im Nachhinein klar geworden". Das ist ihr wichtig: "Denn wer denkt denn an so was?!"
- 5
- Die Behauptung der Beklagten zu 3, ein 14-jähriges Mädchen namens "Lissy" habe nach dem Kläger im Büro gefragt und angegeben, mit diesem befreundet zu sein, führte zur Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger wegen des Vorwurfs sexuellen Missbrauchs einer nicht bekannten weiblichen Jugendlichen. Die Staatsanwaltschaft Dresden stellte dieses Verfahren mit Verfügung vom 7. April 2008 gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Ein weiteres, im Zusammenhang mit der sog. "Sächsischen Korruptionsaffäre" gegen den Kläger geführtes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern wurde mit Verfügung vom 28. April 2008 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Der Kläger erwirkte gegen die Beklagten einstweilige Verfügungen des Landgerichts Hamburg vom 4. September 2007 und 1. August 2007, mit welchen den Beklagten die Verbreitung der im angegriffenen Beitrag mitgeteilten Äußerungen verboten wurde. Die Beklagten akzeptierten diese Unterlassungsverfügungen als endgültige Regelungen und verzichteten auf die Rechtsbehelfe der §§ 924, 926, 927 ZPO.
- 6
- Mit der Behauptung, durch die im angegriffenen Beitrag enthaltenen unwahren Tatsachenbehauptungen sei er sowohl sozial als auch wirtschaftlich vernichtet worden, begehrt der Kläger die Zahlung einer Geldentschädigung wegen schwerwiegender Persönlichkeitsrechtsverletzung sowie den Ersatz von Anwaltskosten. Darüber hinaus begehrt er die Feststellung der Ersatzverpflichtung der Beklagten in Bezug auf alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden.
- 7
- Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 25.000 € und die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner zur Zahlung einer weiteren Geldentschädigung in Höhe von 50.000 € verurteilt. Darüber hinaus hat es dem Feststellungsbegehren gegen die Beklagten zu 1 und 2 entsprochen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Auf die Berufungen der Beklagten zu 1 und 2 hat das Oberlandesgericht die von ihnen zu zahlende Geldentschädigung auf insgesamt 50.000 € reduziert. Die weitergehenden Berufungen der Beklagten zu 1 und 2 hat das Oberlandesgericht ebenso wie die Berufung der Beklagten zu 3 und die auf Erhöhung der Geldentschädigung gerichtete Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen. Auf die Anschlussberufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte zu 3 verurteilt, den Kläger von einer Gebührenforderung der Rechtsanwälte H & M in Höhe von 1.195,95 € freizustellen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger von den Beklagten zu 1 und 2 eine weitere Geldentschädigung in Höhe von 50.000 €. Die Beklagten verfolgen mit ihren Revisionen ihre Klageabweisungsanträge weiter. Mit der gegen die Beklagte zu 3 gerichteten Anschlussrevision begehrt der Kläger die Freistellung von der Gebührenforderung seiner Anwälte in Höhe von weiteren 3.712,90 €.
Entscheidungsgründe:
A.
- 8
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil in juris veröffentlicht ist, hat ausgeführt , dass der Kläger von den Beklagten gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG die Zahlung einer Geldentschädigung verlangen könne. Die Beklagten hätten das Persönlichkeitsrecht des Klägers in schwerwiegender Weise dadurch verletzt, dass sie - teils offen, teils verdeckt - die Behauptungen aufgestellt hätten, der Kläger sei pädophil veranlagt, er habe ein sexuelles Verhältnis mit einem minderjährigen Mädchen namens Lissy gehabt, er sei korrupt, Teil eines kriminellen Leipziger Netzwerkes (sog. Sächsische Korruptionsaffäre), habe seine Dienstpflichten nicht erfüllt und die Beklagte zu 3 bedroht, in dem er ihr SMS geschrieben habe, ihre Katze habe strangulieren lassen und sie von drei ihm bekannten Motorradfahrern im Straßenverkehr habe abdrängen lassen. Die Wiedergabe von angeblichen Kollegenäußerungen, wonach der Kläger als "pädophiler Arsch" bezeichnet worden sei, lasse in Verbindung mit seiner Benennung als "Verdächtiger im Zusammenhang mit Kinderprostitution" und dem Bericht der Beklagten zu 3 über den Besuch des Mädchens Lissy für den verständigen Durchschnittsleser nur die Schlussfolgerung zu, der Kläger habe auch zu diesem eine pädophile Beziehung unterhalten. Diese unabweisliche Schlussfolgerung werde dem Leser insbesondere durch die Passage nahegelegt, in der es heißt: "Erst jetzt fügen sich für Y immer mehr Puzzleteile zusammen. Das Mädchen, die Andeutungen der Kollegen, "seine Empörung im Büro, nachdem ihm sein Schwager angeblich mit einer Anzeige droht, weil X dessen Tochter im Urlaub zu nahe gekommen sei.""Diese Schlussfolgerung werde durch die Aussage bestärkt: "Alles, was seine Neigungen betrifft, ist mir dagegen erst im Nachhinein klar geworden" …"Denn wer denkt denn an so was?!". Auch wenn der streitgegenständliche Beitrag überwiegend Bezug auf Äußerungen der Beklagten zu 3 nehme, hätten die Beklagten zu 1 und 2 sich diese Äußerungen zu Eigen gemacht. Durch deren nahtlose Einbindung in den Text, die nahezu bruchlose Verschmelzung von Interviewabschnitten mit Passagen in indirekter Rede, die hergestellte Verbindung zur sog. Sächsischen Korruptionsaffäre bereits im Einleitungstext sowie durch zustimmende und bewertende Kommentierungen bringe der Beklagte zu 1 deutlich zum Ausdruck, dass er die Auffassung der Beklagten zu 3 teile. Die Beklagten hätten nicht den Beweis erbracht, dass die erhobenen Vorwürfe wahr seien. Die Beklagten könnten sich auch nicht auf die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung stützen. Die übernommenen Behauptungen beschränkten sich an keiner Stelle auf die Äußerung eines bloßen Verdachts, sondern würden als unumstößliche Tatsachen dargestellt. In dem Beitrag würden auch keine den Kläger entlastenden Umstände wiedergegeben. Darüber hinaus fehle es an dem erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der berichteten Informationen sprächen. Die Beklagten zu 1 und 2 hätten dem Kläger auch nicht in ausreichendem Maße Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die bloße Kontaktaufnahme per E-Mail ohne eine konkrete Darlegung des Gegenstandes, zu dem eine Stellungnahme erbeten werde, reiche hierfür nicht aus.
- 9
- Die durch die Berichterstattung hervorgerufene schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers könne auch nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden. Die vom Kläger gegen die Beklagten erwirkten Unterlassungsverfügungen bewirkten keinen anderweitigen Ausgleich der Rechtsverletzung. Denn gegenüber Veröffentlichungen im Internet sei die Gel- tendmachung eines Unterlassungsanspruchs im Ergebnis faktisch wirkungslos, weil die Primärmitteilung durch Dritte im Rahmen von Kopien, Blogs oder Verlinkungen weiter verbreitet werde. Der Kläger könne auch nicht auf die Geltendmachung eines Widerrufsanspruchs verwiesen werden, da ihn die Beweislast für die Unwahrheit der behaupteten Tatsachen treffe. Eine Gegendarstellung bewirke keine Genugtuung. Bei der Bemessung der Höhe des Geldentschädigungsanspruchs sei zu berücksichtigen, dass die verdeckte Behauptung, der Kläger habe eine sexuelle Beziehung zu einer Minderjährigen unterhalten und sei pädophil veranlagt, nicht allein in dem streitgegenständlichen Artikel enthalten, sondern bereits am 13. Juni 2007 in der Bildzeitung veröffentlicht worden sei. In gleicher Weise habe sich die Beklagte zu 3 zuvor im MDRMagazin FAKT am 11. Juni 2007 geäußert. Es könne nicht außer Betracht bleiben , dass eine Tatsache bereits einer größeren Öffentlichkeit bekannt sei und deren Sicht auf die betroffene Person schon wesentlich mitpräge. Auf der anderen Seite sei die erhebliche Rufschädigung zu berücksichtigen, die der Vorwurf der Pädophilie nach sich ziehe. Es sei auch davon auszugehen, dass die streitgegenständliche Berichterstattung zumindest mitursächlich für die durch Vorlage diverser Befundberichte belegte depressive Störung des Klägers sei. Sowohl der streitgegenständliche Beitrag als auch die parallel erfolgten Pädophilievorwürfe in anderen Medien seien für sich genommen geeignet, schwerwiegende psychische Folgeschäden, zumindest aber eine längerfristige depressive Verstimmung hervorzurufen. Es liege damit eine Doppelkausalität vor, die für eine Haftungsbegründung ausreiche. Der Entschädigungsanspruch sei auch nicht im Hinblick auf sämtliche, im Zeitraum ab Mai 2007 erschienenen Veröffentlichungen über den Kläger zu mindern. Denn nur die Beiträge im MDR-Magazin FAKT und in der Bildzeitung befassten sich mit der Behauptung, der Kläger unterhalte eine sexuelle Beziehung zu einer Minderjährigen. Es sei auch kein Grundsatz anzuerkennen, wonach die Geldentschädigung bei einer Internetveröffentli- chung stets höher anzusetzen sei als bei einer persönlichkeitsrechtsverletzenden Veröffentlichung in den Printmedien. Eine solche Betrachtung lasse außer Acht, dass die Verlinkung auf den angegriffenen Beitrag im Internet und die sonstige Weiterverbreitung in anderen Portalen nicht vom Willen des Verletzers abhängig sei und diesem nicht zugerechnet werden könne. Auch bei einer gedruckten Zeitung sei für die Höhe der Geldentschädigung nicht maßgeblich, ob die belastende Darstellung von anderen Zeitungen, etwa im Rahmen eines Pressespiegels, übernommen werde. Auf der anderen Seite sei die Geldentschädigung bei einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch eine Internetveröffentlichung auch nicht generell niedriger anzusetzen als bei einer solchen durch eine Printveröffentlichung. In Fällen, in denen der Schädiger - wie im Streitfall - die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen als Mittel zur Reichweitensteigerung eingesetzt habe, sei die Erzielung von Gewinnen als Bemessungsfaktor in die Entscheidung über die Höhe der Geldentschädigung mit einzubeziehen. Nach einer Pressemitteilung der Beklagten zu 2 habe das von ihr betriebene Portal im August 2007 durchschnittlich 2,58 Millionen Nutzer gehabt, was in der Gesamtabwägung die Verurteilung der Beklagten zu 1 und 2 in Höhe von 50.000 € rechtfertige. Der gegen die Beklagten zu 1 und 2 gerichtete Feststellungsantrag sei zulässig und begründet. Die Beklagten zu 1 und 2 stellten ihre Schadensersatzpflicht in Abrede, die Höhe des Schadens stehe derzeit noch nicht fest und es drohe eine Verjährung des Anspruchs.
- 10
- Die Beklagte zu 3 sei zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 25.000 € verpflichtet. Sie müsse sich den streitgegenständlichen Beitrag als Informantin zurechnen lassen. Sie habe gewusst, welche Schlussfolgerungen der Beklagte zu 1 aus ihren Informationen ziehen würde. Ihre Behauptungen ließen im Gesamtzusammenhang die alleinige Schlussfolgerung zu, der Kläger sei pädophil und habe ein sexuelles Verhältnis mit einem minderjährigen Mädchen. Die Beklagte zu 3 habe die Wirkungen ihrer Behauptungen aus Rache gegenüber dem Kläger, dem sie den Verlust ihres Arbeitsplatzes zugeschrieben habe, in Kauf genommen.
- 11
- Die Anschlussberufung des Klägers sei unbegründet, soweit er die Verurteilung der Beklagten zu 1 und 2 zu einer höheren Geldentschädigung begehre. Er könne indes von der Beklagten zu 3 aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 186, 187 StGB die Freistellung von der Gebührenforderung seiner Anwälte in Höhe von 1.195,95 € verlangen, die durch seine Verteidigung in dem auf Initiative der Beklagten zu 3 eingeleiteten Ermittlungsverfahren entstanden sei.
B.
I. Revisionen der Beklagten zu 1 und 2- 12
- Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revisionen der Beklagten zu 1 und 2 nicht in jeder Hinsicht stand.
- 13
- 1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass dem Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB gegen die Beklagten zu 1 und 2 zusteht.
- 14
- a) Die Revisionen wenden sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die angegriffenen Äußerungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzen.
- 15
- aa) Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht dem beanstandeten Beitrag die - teils offenen, teils verdeckten - Aussagen entnommen, der Kläger sei pädophil veranlagt, er habe ein sexuelles Verhältnis mit einem minderjährigen Mädchen namens Lissy gehabt, er sei kor- rupt, Teil eines kriminellen Leipziger Netzwerkes (sog. Sächsische Korruptionsaffäre ), habe seine Dienstpflichten nicht erfüllt und die Beklagte zu 3 bedroht, indem er ihr SMS geschrieben habe, ihre Katze habe strangulieren lassen und sie von drei ihm bekannten Motorradfahrern im Straßenverkehr habe abdrängen lassen (vgl. zur Ermittlung verdeckter Aussagen: Senatsurteil vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02, AfP 2004, 56, 57 f.). Das Berufungsgericht hat die Äußerungen auch zu Recht als Tatsachenbehauptungen eingestuft. Gegen diese Würdigung wendet sich die Revision nicht.
- 16
- bb) Die vorbezeichneten Aussagen greifen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers ein. Sie beeinträchtigen ihn in erheblichem Maße in seiner Ehre und sozialen Anerkennung. Die Äußerungen sind geeignet, sich abträglich auf sein Ansehen, insbesondere sein Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wird der Kläger in dem Beitrag als gewissen- und skrupelloser pädophiler Täter dargestellt, der weder vor der Zerstörung der beruflichen Existenz einer langjährigen loyalen Mitarbeiterin noch vor der Ankündigung von Straftaten zurückschreckt.
- 17
- Anders als das Berufungsgericht beiläufig meint, ist die absolut geschützte Intimsphäre des Klägers dagegen nicht betroffen (vgl. zur Intimsphäre: Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, AfP 2012, 47 Rn. 11; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25 f.). Denn sexuelle Verhältnisse mit Kindern oder Jugendlichen sind in § 182 StGB unter Strafe gestellt. Die Begehung von Sexualstraftaten fällt aber nicht in den unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung. Mit ihnen geht ein Übergriff in die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers einher, so dass ihre Begehung nicht als Ausdruck der von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit des Täters ange- sehen werden kann (vgl. Senatsurteil vom 19. März 2013 - VI ZR 93/12, AfP 2013, 250 Rn. 24; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 26).
- 18
- cc) Die Beklagten zu 1 und 2 sind für die beanstandeten Aussagen uneingeschränkt verantwortlich. Entgegen der Auffassung der Revisionen haben die Beklagten zu 1 und 2 insoweit nicht lediglich fremde Äußerungen - solche der Beklagten zu 3 - verbreitet (vgl. zur Verbreiterhaftung: Senatsurteil vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rn. 13; BVerfG AfP 2009, 480 Rn. 69, jeweils mwN). Sie sind nicht als bloße Vermittler der Äußerungen der Beklagten zu 3 aufgetreten, sondern haben sich diese zu Eigen gemacht und damit eigene Behauptungen aufgestellt.
- 19
- (1) Der Verbreiter macht sich eine fremde Äußerung regelmäßig dann zu eigen, wenn er sich mit ihr identifiziert und sie so in den eigenen Gedankengang einfügt, dass sie als seine eigene erscheint. Ob dies der Fall ist, ist mit der im Interesse der Meinungsfreiheit und zum Schutz der Presse gebotenen Zurückhaltung zu prüfen (Senatsurteile vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, AfP 2009, 494 Rn. 19; vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rn. 11; vom 27. März 2012 - VI ZR 144/11, AfP 2012, 264 Rn. 11). So genügt es für die Annahme eines Zu-Eigen-Machens nicht, dass ein Presseorgan die ehrenrührige Äußerung eines Dritten in einem Interview verbreitet, ohne sich ausdrücklich von ihr zu distanzieren (Senatsurteil vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rn. 11 mwN; BVerfGK 10, 485, 492; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 69; EGMR, Urteile vom 29. März 2001 - 38432/97 Rn. 64 - Thoma/Luxemburg; vom 30. März 2004 - 53984/00 Rn. 37 ff. - Radio France/Frankreich; vom 14. Dezember 2006 - 76918/01 Rn. 33 ff. - Verlagsgruppe News GmbH/Österreich). Auch kann sich schon aus der äußeren Form der Veröffentlichung ergeben, dass lediglich eine fremde Äußerung ohne eigene Wertung oder Stellungnahme mitgeteilt wird. Dies ist beispielsweise bei dem Abdruck einer Presseschau der Fall (vgl. BVerfG NJW 2004, 590, 591; AfP 2009, 480 Rn. 67; Senatsurteil vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 11 mwN).
- 20
- (2) Nach diesen Grundsätzen haben sich die Beklagten zu 1 und 2 die Aussagen der Beklagten zu 3 zu Eigen gemacht. Zwar wird in dem angegriffenen Beitrag ausdrücklich Bezug auf Äußerungen der Beklagten zu 3 in einem zwischen ihr und dem Beklagten zu 1 geführten Gespräch genommen. Auch werden verschiedene ihrer Aussagen als wörtliche Zitate wiedergegeben und als solche kenntlich gemacht. Entgegen der Auffassung der Revisionen wird in dem Beitrag aber nicht lediglich ein Sachverhalt referiert, ohne dessen Richtigkeit zu unterstellen; es werden nicht nur die Äußerungen eines Dritten berichtet. Vielmehr nimmt der Beklagte zu 1 in dem Beitrag eine eigene Bewertung der Vorgänge vor und identifiziert sich mit der Darstellung der Beklagten zu 3. Er unterstreicht die von ihr erhobenen Vorwürfe, stellt sie als Opfer dar und ergreift zu ihren Gunsten Partei. Dies kommt beispielsweise durch die Bewertung des Verhaltens des Klägers als "Mobbing", der von ihm ausgehenden Anzüglichkeiten als "armselig" und der Kündigung der Beklagten zu 3 als "abgekartet" zum Ausdruck ebenso wie durch die wertende Zusammenfassung "Y wurde ihre eigene Diskretion zum Verhängnis" und die Aussage, sie "wollte nie … den Dreck zurückwerfen, mit dem man sie selbst beinahe zur Verzweiflung trieb".
- 21
- dd) Die Revisionen wenden sich auch ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers sei rechtswidrig.
- 22
- (1) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rn. 10; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 11, jeweils mwN).
- 23
- Im Streitfall sind das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten zu 1 und 2 auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen. Bei Tatsachenbehauptungen wie im vorliegenden Fall hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 12; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62 mwN; NJW 2012, 1500 Rn. 39). Außerhalb des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG liegen aber nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung feststeht. Alle übrigen Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen den Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen (vgl. Senatsurteile vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 34; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 12; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62, jeweils mwN).
- 24
- (2) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die angegriffenen Behauptungen nicht (erweislich) wahr. Gemäß der über § 823 Abs. 2 BGB in das Zivilrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB wäre es Sache der auf Zahlung einer Geldentschädigung in Anspruch genommenen Beklagten als Äußernden gewesen, die Wahrheit der Behauptung nachzuweisen (vgl. Senatsurteil vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 23; Katzenmeier in Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl., § 823 Abs. 2 Rn. 9 mwN). Diesen Beweis haben sie nicht geführt.
- 25
- (3) Entgegen der Auffassung der Revisionen sind die angegriffenen Äußerungen auch nicht nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung zulässig.
- 26
- (a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats und des Bundesverfassungsgerichts darf eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (Art. 5 GG, § 193 StGB). Eine Berufung hierauf setzt voraus, dass der auf Unterlassung in Anspruch Genommene vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt hat. Die Pflichten zur sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt richten sich dabei nach den Aufklärungsmöglichkeiten. Sie sind für die Medien grundsätzlich strenger als für Privatleute. An die Wahrheitspflicht dürfen im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen und so den freien Kommunikationsprozess einschnüren. Andererseits ist aber auch zu berücksichtigen , dass die Wahrheitspflicht Ausdruck der Schutzpflicht ist, die aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt. Je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, umso höhere Anforderungen sind deshalb an die Erfüllung der Sorgfaltspflichten zu stellen. Allerdings ist auch das Interesse der Öffentlichkeit an derartigen Äußerungen zu berücksichtigen (vgl.
- 27
- (b) Nach diesen Grundsätzen war die angegriffene Berichterstattung unzulässig. Die Beklagten zu 1 und 2 sind ihren publizistischen Sorgfaltspflichten nicht im gebotenen Umfang nachgekommen.
- 28
- (aa) Es fehlt bereits an dem erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt es einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die persönliche Ehre des Klägers dar, wenn er als gewissen- und skrupelloser pädophiler Täter dargestellt wird, der ein sexuelles Verhältnis mit einem "vielleicht 14 Jahre" alten Mädchen hatte und weder vor der Zerstörung der beruflichen Existenz einer langjährigen loyalen Mitarbeiterin noch vor der Ankündigung von Straftaten zurückschreckt. Dieser Vorwurf trifft den Kläger im Kern seiner Persönlichkeit. Angesichts der Schwere dieses Vorwurfs waren die Beklagten zu 1 und 2 in besonderem Maße zu sorgfältigem Vorgehen verpflichtet (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 24).
- 29
- Vor diesem Hintergrund hat das Berufungsgericht unter zutreffender Würdigung aller Indizien zu Recht angenommen, dass weder die Angaben der Beklagten zu 3 noch die den Beklagten zu 1 und 2 vorliegenden Unterlagen eine ausreichende Tatsachengrundlage für die Verbreitung der den Kläger schwer belastenden Vorwürfe abzugeben vermochten. Wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, gab es für die (verdeckte) Aussage, der Kläger habe ein sexuelles Verhältnis mit einem "vielleicht 14 Jahre" alten Mädchen namens "Lissy" gehabt, nur einen Anhaltspunkt, nämlich die Angaben der Beklagten zu 3. Diese verfügte insoweit aber weder über eigene Erkenntnisse noch über in tatsächlicher Hinsicht konkrete anderweitige Hinweise. Vielmehr konnte sie lediglich aus ihrer Sicht auffällige Begebenheiten schildern, aus denen sie auf entsprechende sexuelle Kontakte schloss. Eine derartige bloße Schlussfolgerung ohne hinreichende Tatsachengrundlage rechtfertigt es aber nicht, den Betroffenen mit einem derart schweren, ihn im Kern seiner Persönlichkeit treffenden Vorwurf zu überziehen. Unabhängig von der unzureichenden Tatsachengrundlage hätten sich die Beklagten zu 1 und 2 die Schlussfolgerungen der Beklagten zu 3 aber auch deshalb nicht ohne weiteres zu eigen machen dürfen, weil sich die Beklagte zu 3 ausweislich des von den Beklagten zu 1 und 2 vorgelegten Aktenvermerks der Polizeidirektion Leipzig vom 12. Dezember 2006 in psychologischer Behandlung befand, sich vom Kläger gemobbt fühlte und bei ihren Schilderungen "kein gutes Haar an diesem ließ". Bei dieser Sachlage hätten die Beklagten zu 1 und 2 in Rechnung stellen müssen, dass die Angaben der Beklagten zu 3 von einem übermäßigen Belastungseifer getragen sein könnten.
- 30
- Dem als "geheim" gekennzeichneten Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 14. Juli 2006 ist hinsichtlich eines Verhältnisses des Klägers zu einem "vielleicht 14 Jahre" alten Mädchen namens "Lissy" nichts zu entnehmen. Er beschränkt sich auch im Übrigen auf vage, nicht konkretisierte Mutmaßungen und beruht überwiegend auf anonymen Quellen. Entgegen der Auffassung der Revisionen stellt dieser Bericht auch keine privilegierte Quelle dar, auf deren Richtigkeit der Beklagte zu 1 hätte vertrauen dürfen. Zwar ist es in der Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannt, dass den Verlautbarungen amtlicher Stellen ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden darf (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 29 ff.; BVerfG, NJW-RR 2010, 1195 Rn. 35 jeweils mwN; Hoene in Soehring /Hoene, Presserrecht, 5. Aufl., § 2 Rn. 21c). Dies beruht auf der Erwägung, dass Behörden in ihrer Informationspolitik unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind und Amtsträger, wenn sie vor der Frage stehen, ob die Presse über amtliche Vorgänge informiert werden soll, die erforderliche Abwägung zwischen dem Informationsrecht der Presse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vorzunehmen haben (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 30; BGH, Urteil vom 17. März 1994 - III ZR 15/93, NJW 1994, 1950, 1951; BVerfG, NJW-RR 2010, 1195 Rn. 35; BeckOK GG/Huster/Rux, Art. 20 GG Rn. 169 ff. [Stand: 1. November 2013]). Verletzen sie ihre Amtspflichten, kann ein Schadensersatzanspruch des Betroffenen wegen einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen die zuständige Gebietskörperschaft als Träger der Behörde gegeben sein (vgl. BGH, Urteile vom 17. März 1994 - III ZR 15/93, aaO S. 1951 f.; vom 23. Oktober 2003 - III ZR 9/03, NJW 2003, 3693, 3697; OLG Hamburg, Ufita 70 (1974), 305, 309 ff.; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 6 Rn. 136; Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 19 Rn. 38). Um eine derartige für die Öffentlichkeit bestimmte Verlautbarung han- delt es sich bei dem Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz aber gerade nicht. Er war ausdrücklich als "geheim" gekennzeichnet.
- 31
- Gleiches gilt für die Protokolle über die polizeiliche Vernehmung verschiedener Zeugen aus den Jahren 1999 und 2000. Auch sie sind in tatsächlicher Hinsicht unergiebig. Ausweislich des Protokolls über die Vernehmung der Zeugin I. vom 7. Juni 2000 hat diese eine nicht näher identifizierte Person auf einem ihr vorgelegten Lichtbild als Freier des Kinderbordells Jasmin erkannt. Die übrigen Protokolle enthalten bloße Gerüchte oder Vermutungen ohne belastbare tatsächliche Grundlage. Derartige Gerüchte können aber nicht die Basis für eine den Betroffenen im Kern seiner Persönlichkeit treffenden Berichterstattung in der Presse abgeben (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405). Abgesehen davon lagen die Zeugenaussagen im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels bereits sechseinhalb Jahre zurück , ohne dass die Strafverfolgungsbehörden zu Lasten des Klägers hieraus Konsequenzen gezogen hatten.
- 32
- Auch das an die Geschäftsführung der L.W. gerichtete anonyme Schreiben des angeblichen L.W.-Kollegiums vom 14. Mai 2007 vermag die angegriffene Berichterstattung nicht zu rechtfertigen. Abgesehen davon, dass es allein als Beleg für die Behauptung dienen könnte, der Kläger sei korrupt, kommt ihm aufgrund seines vage gehaltenen Inhalts und seiner Diktion nur ein sehr geringer Beweiswert zu. Hinzu kommt, dass sich der Beklagte zu 1 ausweislich der tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, vor der Veröffentlichung des Beitrags nicht in der erforderlichen Weise vergewissert hat, ob das Schreiben der Geschäftsführung überhaupt zugegangen ist.
- 33
- Beruht eine mit einer so erheblichen Ehrenkränkung verbundene Behauptung auf einer derart dürftigen Tatsachen- und Recherchegrundlage, wie dies vorliegend der Fall ist, gebietet eine an den verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern beider Seiten ausgerichtete Abwägung der Interessen, die betroffene Person, hier den Kläger, nicht unter voller Namensnennung "an den Pranger zu stellen".
- 34
- (bb) Das Berufungsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass der angegriffene Beitrag unausgewogen und ihm nicht hinreichend zu entnehmen ist, dass lediglich über einen nicht bewiesenen Verdacht gegen den Kläger berichtet werden sollte. Wie bereits ausgeführt identifiziert sich der Beklagte zu 1 in dem Beitrag mit der Darstellung der Beklagten zu 3. Er unterstreicht die von ihr erhobenen Vorwürfe, stellt sie als Opfer dar und ergreift zu ihren Gunsten Partei. Die Berichterstattung ist nicht nur bewusst einseitig, sondern erweckt in unzulässiger Weise den Eindruck, die aufgestellten Behauptungen seien inhaltlich zutreffend und der Kläger sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt.
- 35
- (cc) Die Revisionen wenden sich auch ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte zu 1 habe dem Kläger vor der Veröffentlichung nicht in ausreichendem Maße Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Entgegen der Auffassung der Revisionen durfte sich der Beklagte zu 1 unter den Umständen des Streitfalles nicht darauf beschränken, den Kläger um ein Interview zu bitten und in den "zunächst nur einleitenden Bitten um ein Gespräch" lediglich den groben Kontext und die Zielrichtung seiner Recherchen zu bezeichnen. Angesichts der besonderen Tragweite, die die Verbreitung der angegriffenen Äußerungen für den Kläger erkennbar haben konnte, war der Beklagte zu 1 vielmehr gehalten, dem Kläger die Vorwürfe, die Gegenstand des Beitrags werden sollten, konkret zur Kenntnis zu bringen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme auf ihm beliebige Weise zu geben, ohne ihn auf die Möglichkeit der Erörterung der Vorwürfe in einem persönlichen Gespräch zu beschränken (vgl. zur Anhörung des Betroffenen vor der Berichterstattung: Senatsurteile vom 25. Mai 1965 - VI ZR 19/64, VersR 1965, 879, 881; vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 25 f.). Das Interesse der Medien, den Betroffenen erstmals in einem Interview mit den konkreten Vorwürfen zu konfrontieren, um eine spontane Reaktion des Betroffenen zu erfahren, ist in diesem Zusammenhang nicht schutzwürdig. Es muss vielmehr grundsätzlich dem Betroffenen überlassen bleiben, wie er sich äußern will. Aus diesem Grund ist es auch unerheblich , dass der Kläger ein persönliches Gespräch mit dem Beklagten zu 1 abgelehnt hat. Hierin liegt insbesondere kein Verzicht auf die Möglichkeit der Stellungnahme. Wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, kommt die Annahme eines Verzichts nur dann in Betracht, wenn der Betroffene weiß, was ihm konkret vorgeworfen wird.
- 36
- Die Revisionen rügen in diesem Zusammenhang ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe übersehen, dass der E-Mail des Beklagten zu 1 vom 10. Juni 2007 ein Telefonat mit der Schwester des Klägers vorangegangen sei, das offensichtlich die streitgegenständlichen Äußerungen zum Gegenstand gehabt habe. Dies ergibt sich aus der E-Mail gerade nicht. Danach hat es der Beklagte zu 1 vielmehr abgelehnt, der Schwester des Klägers Fragen zukommen zu lassen , da sie "erklärtermaßen" nicht mandatierte Vertreterin des Klägers sei und er nicht wisse, ob sie tatsächlich seine Schwester sei.
- 37
- b) Das Berufungsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass der Kläger wegen der Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die beanstandete Berichterstattung von den Beklagten zu 1 und 2 die Zahlung einer Geldentschädigung verlangen kann.
- 38
- aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats begründet die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212 214 f.; vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 20. März 2012 - VI ZR 123/11, AfP 2012, 260 Rn. 15, jeweils mwN; vgl. auch BVerfG NJW 2004, 591, 592). Die Zubilligung einer Geldentschädigung kommt auch in Betracht, wenn das Persönlichkeitsrecht, wie im Streitfall, durch eine nicht erweislich wahre rufschädigende Tatsachenbehauptung verletzt wird. In diesem Fall ist aber bei der Gewichtung der Schwere des Eingriffs die offen bleibende Möglichkeit mit zu berücksichtigen, dass die inkriminierte Behauptung wahr sein kann (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 27). Außerdem ist der besonderen Funktion der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen Rechnung zu tragen, die sowohl in einer Genugtuung des Verletzten für den erlittenen Eingriff besteht als auch ihre sachliche Berechtigung in dem Gedanken findet, dass das Persönlichkeitsrecht gegenüber erheblichen Beeinträchtigungen anderenfalls ohne ausreichenden Schutz bliebe (vgl. Senatsurteile vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, AfP 1985, 110, 113; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215). Zudem soll die Geldentschädigung der Prävention dienen (vgl. Senatsurteil vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302 mwN). In jedem Fall ist zu berücksichtigen, dass die Geldentschädigung nicht eine Höhe erreichen darf, die die Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 16; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137, 138; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 307; BVerfGE 34, 269, 285).
- 39
- bb) Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht einen hinreichend schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers zu Recht bejaht. Der angegriffene Beitrag, in dem der Kläger als gewissen- und skrupelloser pädophiler Täter dargestellt wird, der ein sexuelles Verhältnis mit einem "vielleicht 14 Jahre" alten Mädchen hatte und weder vor der Zerstörung der beruflichen Existenz einer langjährigen loyalen Mitarbeiterin noch vor der Ankündigung von Straftaten zurückschreckt, ist in einem außerordentlich erheblichen Maße herabsetzend und mindert das Ansehen des Klägers besonders nachhaltig. Die darin enthaltenen Vorwürfe treffen den Kläger in den Grundlagen seiner Persönlichkeit und sind geeignet, ihn gesellschaftlich zu vernichten. Die Beklagten zu 1 und 2 handelten auch in erheblichem Maße schuldhaft. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Beklagten zu 1 und 2 ihre publizistischen Sorgfaltspflichten in hohem Maße verletzt haben. Wie unter Ziffer a) dd) (3) (b) ausgeführt, haben sie die den Kläger schwer belastenden Aussagen der Beklagten zu 3, die sich ausweislich des von den Beklagten vorgelegten Aktenvermerks der Polizeidirektion Leipzig vom 12. Dezember 2006 in psychologischer Behandlung befand und einen arbeitsrechtlichen Konflikt mit dem Kläger austrug, kritiklos übernommen und den Kläger in einem äußerst einseitigen und präjudizierenden Beitrag unter voller Namensnennung "an den Pranger" gestellt, ohne diesem zuvor in dem gebotenen Maß Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
- 40
- Die gegen diese Beurteilung vorgebrachten Einwendungen der Revisionen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Die Zubilligung einer Geldentschädigung setzt insbesondere nicht voraus, dass der Kläger - wie von ihm behauptet - aufgrund der streitgegenständlichen Berichterstattung eine schwere Depression erlitten hat. Denn bei der Entschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich nicht um ein Schmerzensgeld gemäß § 253 Abs. 2 BGB, sondern um einen Rechtsbehelf, der auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG zurückgeht. Er findet seine sachliche Berechtigung in dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 15 f.; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302; vom 6. Dezember 2005 - VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 204 f.; BVerfGE 34, 269, 282, 292; BVerfG NJW 2000, 2187 f.; Müller, VersR 2008, 1141, 1150).
- 41
- Entgegen der Auffassung der Revisionen wirkt sich auch nicht der Umstand mindernd auf das Gewicht der durch die angegriffenen Äußerungen bewirkten Persönlichkeitsrechtsverletzung aus, dass bereits vor dem angegriffenen Beitrag in verschiedenen Veröffentlichungen über den Kläger berichtet wurde. Denn weder werden unbewiesene Tatsachenbehauptungen herabsetzenden Charakters deswegen zulässig, weil sie auch von anderen aufgestellt worden sind (vgl. BVerfGE 85, 1, 22; BVerfG, NJW-RR 2000, 1209, 1211; AfP 2009, 480 Rn. 64), noch verliert der Betroffene durch die erste belastende Berichterstattung seine Ehre und soziale Anerkennung in dem Sinne, dass diese Schutzgüter nicht erneut oder nur mit geringerer Intensität verletzt werden könnten. Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, stellen die Veröffentlichungen durch andere Verlage jeweils eigenständige Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar, die einer selbständigen Beurteilung unterliegen. Eine andere Betrachtung würde weder dem Wesen der genannten Schutzgüter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts noch der Funktion der Entschädigung als Rechtsbehelf zu ihrem Schutz gerecht (vgl. Senatsurteile vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, AfP 1985, 110, 113; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 307 f.; aA OLG Stuttgart, AfP 1981, 362). Die Vorveröffentlichungen könnten sich allenfalls mindernd auf die Höhe der zuzubilligenden Geldentschädigung auswirken, wenn und soweit das Interesse der von dem streitgegenständlichen Beitrag angesprochenen Personen durch sie bereits verringert war (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 536; vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, AfP 1985, 110, 113; Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 32 Rn. 37).
- 42
- Aus den von den Revisionen herangezogenen Entscheidungen des Senats vom 29. Juni 1999 (VI ZR 264/98, AfP 1999, 350) und vom 5. November 2013 (VI ZR 304/12, juris), des Bundesverfassungsgerichts (NJW-RR 2010, 1195 Rn. 33) sowie des EGMR (NJW 1999, 1315) folgt nichts anderes. Sie betrafen andere Fallkonstellationen, weshalb die dort maßgebenden Erwägungen vorliegend nicht herangezogen werden können. In den genannten Entscheidungen ging es jeweils um die dem Willen des Betroffenen widersprechende Offenbarung wahrer Tatsachen, die vor der jeweils angegriffenen Veröffentlichung bereits von anderen Medien mitgeteilt worden und damit schon einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden waren mit der Folge, dass der Betroffene bereits zuvor seine Anonymität verloren hatte bzw. seine persönlichen Daten nicht mehr geheim waren. So wandte sich die Klägerin im Verfahren VI ZR 304/12 gegen die unter Beeinträchtigung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung erfolgte Preisgabe des Abstammungsverhältnisses zu ihrem Vater. Der Kläger im Verfahren VI ZR 264/98 beanstandete als Eingriff in seine Privatsphäre, dass der Grund für die Scheidung von seiner Ehefrau - Ehe- bruch - bekanntgeben worden war. Der Streitfall dagegen ist anders gelagert. Hier steht der Schutz vor unbewiesenen Tatsachenbehauptungen herabsetzenden Charakters in Rede. Es kann dahingestellt bleiben, ob Vorveröffentlichungen angesichts des Umstands, dass es sich bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht um eine statische, für alle Zeiten feststehende Größe handelt, sondern sein Bestand in gewissem Umfang auch von der tatsächlichen Anerkennung durch die Öffentlichkeit abhängt (vgl. BVerfG, NJW-RR 2010, 1195 Rn. 33), nach Ablauf einer gewissen Zeit zu einem "Negativ-Image" des Betroffenen führen können (so OLG Stuttgart, AfP 1981, 362). Dies kommt jedenfalls nicht in Betracht, wenn die angegriffene Berichterstattung und die Vorveröffentlichungen - wie im Streitfall - in einem engen zeitlichen Zusammenhang stehen.
- 43
- cc) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beeinträchtigung des Klägers nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Die gegen die Beklagten erwirkten Unterlassungstitel schließen den Geldentschädigungsanspruch unter den Umständen des Streitfalls nicht aus. Auch unter Berücksichtigung der mit ihnen zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen können sie die weitere Abrufbarkeit des angegriffenen Beitrags oder Teilen desselben nicht zuverlässig verhindern. Es ist allgemein bekannt, dass eine in das Internet gestellte Meldung, auch wenn sie von ihrem Urheber gelöscht wurde, jedenfalls für gewisse Zeit weiter zugänglich bleiben kann, weil sie in der Zwischenzeit von Dritten kopiert und auf einer neuen Webseite eingestellt oder von Bloggern zum Gegenstand eines eigenen Beitrags gemacht wurde. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass zahlreiche Nutzer im Internet die Löschung von Inhalten infolge von Unterlassungsansprüchen als Zensur interpretieren und für die Verbreitung "AusweichRouten" finden. Abgesehen davon vermag ein Unterlassungstitel in Fällen derart schwerer Angriffe, die sich gegen die Grundlagen der Persönlichkeit richten, die Beeinträchtigung des Betroffenen nicht hinreichend auszugleichen (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 13 f.).
- 44
- Die Zubilligung einer Geldentschädigung ist im Streitfall auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger keinen Widerrufsanspruch geltend gemacht hat. Zum einen sind die Voraussetzungen dieses Anspruchs nicht erfüllt, weil der Kläger nicht beweisen kann, kein Verhältnis mit einem 14 Jahre alten Mädchen (gehabt) zu haben. Zum anderen ist auch ein Widerruf nicht geeignet, die erlittene Beeinträchtigung hinreichend auszugleichen (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 13 f.).
- 45
- 2. Die Revisionen wenden sich aber mit Erfolg gegen die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Höhe der dem Kläger zustehenden Geldentschädigung.
- 46
- a) Allerdings ist die Bemessung der Höhe der Geldentschädigung in erster Linie Sache des Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar , ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Bemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 16; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 29; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 307).
- 47
- b) Vor diesem Hintergrund ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht unter dem Gesichtspunkt der Verringerung des Interesses der angesprochenen Leser an der streitgegenständlichen Berichterstattung nur die Vorveröffentlichungen im MDR-Magazin "FAKT", in der Bildzeitung und in der Online-Ausgabe der Leipziger Volkszeitung mindernd berücksichtigt, den anderen Beiträgen hingegen keine Bedeutung beigemessen hat (vgl. zur Minderung des Informationsinteresses durch Vorveröffentlichungen: Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 536; vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, AfP 1985, 110, 113; Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht , 5. Aufl., § 32 Rn. 37). Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts befassten sich die übrigen Vorveröffentlichungen weder mit der Behauptung, der Kläger unterhalte eine sexuelle Beziehung zu einer Minderjährigen , noch mit den weiteren von der Beklagten zu 3 erhobenen Vorwürfen im Zusammenhang mit der Arbeitseinstellung des Klägers, seinem Verhalten am Arbeitsplatz, den Umständen ihrer Kündigung und der angeblichen Bedrohung.
- 48
- c) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet demgegenüber die Annahme des Berufungsgerichts, wonach der Anzahl der Aufrufe des angegriffenen Beitrags für die Bemessung der Höhe der Entschädigung keine Bedeutung zukomme. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung auch das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung als Bemessungsfaktor zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 55/62, BGHZ 39, 124, 133 f.; vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 535 f.; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137; Müller in Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, 2008, § 51 Rn. 23, 30). Aus diesem Grund kann die Anzahl der Personen, die die beanstandeten Äußerungen zur Kenntnis genommen haben, nicht unbeachtet bleiben.
- 49
- d) Wie die Revisionen zu Recht rügen, tragen die Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht die Annahme, die Beklagten zu 1 und 2 hätten die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers als Mittel zur Reichweitensteigerung und zur Verfolgung eigener kommerzieller Interessen eingesetzt, weshalb von der Höhe der Geldentschädigung ein echter Hemmungseffekt ausgehen müsse. Die vom Berufungsgericht für einschlägig gehaltene Fallgruppe der rücksichtslosen Zwangskommerzialisierung einer Persönlichkeit, in der die Präventionsfunktion der Geldentschädigung im Vordergrund steht, ist dadurch gekennzeichnet, dass der Einbruch in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vorsätzlich zum Zwecke der Gewinnerzielung erfolgt (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 15 f.; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137, 138; vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94, AfP 1996, 138, 139; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 306 f.; BVerfG, VersR 2000, 897 898; Müller, aaO, § 51 Rn. 10, jeweils mwN). Feststellungen zu einem entsprechenden Vorsatz des Beklagten hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
- 50
- e) Die Revisionen beanstanden auch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht die angegriffenen Äußerungen als (mit)ursächlich für die beim Kläger aufgetretene depressive Störung angesehen hat, ohne über die umstrittene Frage Beweis zu erheben, ob diese Störung nicht bereits durch die Berichterstattung in der BILD-Zeitung vom 13. Juni 2007 und im MDR-Magazin "FAKT" vom 11. Juni 2007 ausgelöst worden ist. Der Ursachenzusammenhang lässt sich insbesondere nicht mit Hilfe der vom Berufungsgericht herangezogenen Grundsätze der Doppelkausalität bejahen. Doppelkausalität liegt vor, wenn ein bestimmter Schaden durch verschiedene gleichzeitig oder nebeneinander wirkende Umstände verursacht worden ist, aber jede dieser Ursachen allein ausgereicht hätte, um den ganzen Schaden herbeizuführen. In einem solchen Fall sind sämtliche Umstände als rechtlich ursächlich für den Schadenseintritt zu behandeln, obwohl keiner der Umstände als "conditio sine qua non" für den Schadenseintritt beurteilt werden kann (vgl. BGH, Urteile vom 13. März 2012 - II ZR 50/09, NJW-RR 2012, 728 Rn. 25; vom 20. Februar 2013 - VIII ZR 339/11, NJW 2013, 2018 Rn. 27). Eine derartige Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor. Es steht gerade nicht fest, dass die Veröffentlichungen in der BILDZeitung und im MDR-Magazin "FAKT" einerseits und die streitgegenständliche Berichterstattung andererseits gleichzeitig oder nebeneinander gewirkt und die depressive Störung des Klägers verursacht haben.
- 51
- Für eine Anwendung des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB ist ebenfalls kein Raum. Die Vorschrift setzt voraus, dass eine Ungewissheit hinsichtlich des Verursachers besteht, d.h. nicht feststellbar ist, welcher der Beteiligten den Schaden verursacht hat (vgl. Senatsurteil vom 23. März 1999 - VI ZR 53/98, VersR 1999, 1375). Nach dem mangels gegenteiliger Feststellungen revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag der Beklagten wurde die depressive Störung des Klägers aber bereits durch die Vorveröffentlichungen bewirkt.
- 52
- Die gegen die Beklagten zu 1 und 2 gerichtete Revision des Klägersist zulässig und begründet. Sie beanstandet zu Recht die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Höhe der dem Kläger zuzubilligenden Geldentschädigung.
- 53
- 1. Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, eine Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine Internetveröffentlichung sei wegen der Besonderheiten des Internets generell höher zu bemessen als eine Entschädigung wegen eines Artikels in den PrintMedien. Sowohl die Frage, ob die Verletzung des Persönlichkeitsrechts so schwerwiegend ist, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, als auch deren Höhe können nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. Senatsurteile vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 20. März 2012 - VI ZR 123/11, AfP 2012, 260 Rn. 15; Müller, aaO, § 51 Rn. 23, 30). Ein rufschädigender Artikel - beispielsweise auf der Titelseite - einer weit verbreiteten Tageszeitung mit hoher Auflage kann das Ansehen des Betroffenen wesentlich nachhaltiger schädigen als eine Internetmeldung in einem wenig bekannten Portal, das nur begrenzte Nutzerkreise anspricht. Auch der Umstand, dass die üblicherweise erfolgende Verlinkung der in Rede stehenden Meldung in Suchmaschinen die Einholung von Informationen über den Betroffenen ermöglicht, rechtfertigt keine generelle Anhebung der Geldentschädigung. Denn eine solche Informationsbeschaffung setzt die aktive Suche des bereits an dem Betroffenen interessierten Nutzers voraus. Demgegenüber werden durch einen Artikel einer weit verbreiteten Tageszeitung oder durch die Bekanntgabe der Nachricht zu einer beliebten Tageszeit im Fernsehen u.U. Millionen von Personen von dem (angeblichen) Fehlverhalten des Betroffenen in Kenntnis gesetzt.
- 54
- 2. Die Revision rügt aber zu Recht, dass das Berufungsgericht den - durch Vorlage des Berichts der auf "Online Reputation Management" spezialisierten R. GmbH konkretisierten - Vortrag des Klägers nicht für erheblich gehalten hat, wonach der angegriffene Bericht im Internet zahlreich verlinkt, kopiert und - auch noch nach der Löschung des Ursprungsbeitrags - umfangreich abgerufen worden sei. Wie bereits ausgeführt, ist das Ausmaß der Verbreitung der angegriffenen Veröffentlichung als Bemessungsfaktor bei der Festsetzung der Höhe der Geldentschädigung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 55/62, BGHZ 39, 124, 133 f.; vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 535 f.; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137; Müller, aaO, § 51 Rn. 23, 30). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist den Beklagten zu 1 und 2 die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers auch insoweit zuzurechnen, als sie erst durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags durch Dritte im Internet entstanden ist. Da Meldungen im Internet typischerweise von Dritten verlinkt und kopiert werden, ist die durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags verursachte Rechtsverletzung sowohl äquivalent als auch adäquat kausal auf die Erstveröffentlichung zurückzuführen. Der Zurechnungszusammenhang ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Persönlichkeitsrechtsverletzung insoweit erst durch das selbstständige Dazwischentreten Dritter verursacht worden ist.
- 55
- a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird die haftungsrechtliche Zurechnung nicht schlechthin dadurch ausgeschlossen, dass außer der in Rede stehenden Verletzungshandlung noch weitere Ursachen zur Rechtsgutsverletzung beigetragen haben. Dies gilt auch dann, wenn die Rechtsgutsverletzung erst durch das (rechtmäßige oder rechtswidrige) Dazwischentreten eines Dritten verursacht wird. Der Zurechnungszusammenhang fehlt in derartigen Fällen allerdings, wenn die zweite Ursache - das Eingreifen des Dritten - den Geschehensablauf so verändert hat, dass die Rechtsgutsverletzung bei wertender Betrachtung nur noch in einem "äußerlichen", gleichsam "zufälligen" Zusammenhang zu der durch die erste Ursache geschaffenen Gefahrenlage steht. Wirken in der Rechtsgutsverletzung dagegen die besonderen Gefahren fort, die durch die erste Ursache gesetzt wurden, kann der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang nicht verneint werden (vgl. Senatsurteile vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 286/09, VersR 2010, 1662 Rn. 20; vom 26. Februar 2013 - VI ZR 116/12, VersR 2013, 599 Rn. 10; BGH, Urteile vom 28. April 1955 - III ZR 161/53, BGHZ 17, 153, 159; vom 15. November 2007 - IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205 Rn. 11 ff.; vgl. auch MünchKomm/BGB/Oetker, 6. Aufl., § 249 Rn. 141 ff., 157 ff.; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearbeitung 2005, § 249 Rn. 35, 58 ff.; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Auflage, Vorb. v. § 249 Rn. 33 ff.).
- 56
b) So verhält es sich im Streitfall. Durch die Veröffentlichung des Ursprungsbeitrags auf dem von der Beklagten zu 2 betriebenen Internet-Portal ist die internettypische besondere Gefahr geschaffen worden, dass an einer umfassenden Kommunikation und Diskussion im Internet interessierte Nutzer den Beitrag verlinken oder kopieren und auf anderen Webseiten zum Abruf bereit halten. Die auf die "Vervielfältigung" der Abrufbarkeit des Beitrags durch Dritte zurückzuführende Ehrkränkung des Klägers steht in einem inneren Zusammenhang zu der durch die Veröffentlichung des Ursprungsbeitrags geschaffenen Gefahrenlage. Erst hierdurch hat sich die spezifische Gelegenheit zum Tätigwerden der Dritten ergeben. Ihr Einschreiten ist nicht als bloß "zufällig" zu qualifizieren.
- 57
- c) Die von der Revision darüber hinaus als übergangen gerügten, angeblich noch im Jahr 2012 gegebenen "Hinweise auf die Veröffentlichung im Internet" sind nur dann erhöhend bei der Bemessung der Entschädigung zu berücksichtigen , wenn auch sie die im angegriffenen Beitrag aufgestellten (verdeckten ) Sachaussagen enthalten.
- 58
- 1. Die Revision der Beklagten zu 3 ist zulässig, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung einer Geldentschädigung richtet. Im Übrigen ist sie nicht statthaft und damit unzulässig. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision wirksam auf die Frage beschränkt, ob dem Kläger wegen der streitgegenständlichen Berichterstattung Ansprüche auf Zahlung einer Geldentschädigung zustehen. Die Beschränkung der Revisionszulassung hat zur Folge, dass der Streitstoff, soweit er von der Zulassung nicht erfasst wird, nicht der Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts unterliegt (vgl. Senatsbeschluss vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, AfP 2012, 371 Rn. 2).
- 59
- a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selbständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 237/09, NJW 2011, 155 Rn. 7; Senatsbeschluss vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, AfP 2012, 371 Rn. 3; BGH, Urteil vom 30. März 2007 - V ZR 179/06, VersR 2007, 1230 Rn. 6, jeweils mwN).
- 60
- b) Von einer derartigen beschränkten Revisionszulassung ist vorliegend auszugehen. Zwar enthält die Entscheidungsformel des Berufungsurteils keinen Zusatz, der die dort ausgesprochene Zulassung der Revision einschränkt. Die Beschränkung der Rechtsmittelzulassung kann sich aber auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Tenor im Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen der Beschränkung klar ergibt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt (vgl. etwa Senatsurteil vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 237/09, NJW 2011, 155 Rn. 8; Senatsbeschluss vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, AfP 2012, 371 Rn. 4; BGH, Urteile vom 30. März 2007 - V ZR 179/06, VersR 2007, 1230 Rn. 7; vom 21. Januar 2010 - I ZR 215/07, NJW-RR 2010, 909 Rn. 13 f., jeweils mwN).
- 61
- Dies ist hier der Fall. Aus den Gründen des Berufungsurteils ergibt sich zweifelsfrei, dass das Berufungsgericht eine die Anrufung des Revisionsgerichts rechtfertigende Rechtsfrage nur darin gesehen hat, ob und wie sich eine ausschließlich auf einer Internetseite erfolgte Veröffentlichung auf Grund und Höhe eines Geldentschädigungsanspruchs auswirkt. Diese Rechtsfrage ist aber nur für die vom Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche von Bedeutung. Sie berührt hingegen nicht den davon zu trennenden - und einen selbständigen Streitgegenstand begründenden - Anspruch des Klägers auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren, die ihm durch Beauftragung eines Anwalts zu seiner Verteidigung in dem gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen entstanden sind.
- 62
- 2. Soweit die Revision der Beklagten zu 3 zulässig ist, hat sie in der Sache Erfolg.
- 63
- a) Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass dem Kläger auch gegen die Beklagte zu 3 dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB zusteht. Denn sie hat die in schwerwiegendem Maße persönlichkeitsrechtsverletzende Berichterstattung der Beklagten zu 1 und 2 durch ihre nicht erweislich wahren Informationen veranlasst (vgl. zur Haftung des Informanten: BGH, Urteile vom 11. Mai 1973 - I ZR 123/71, VersR 1973, 764 - Kollo-Schlager; vom 18. Februar 1993 - I ZR 14/91, AfP 1993, 566, 567 - Produktinformation I; vom 19. September 1996 - I ZR 130/94, AfP 1997, 524, 525 - Orangenhaut mwN; Löffler/Steffen, Presserecht , 5. Aufl., § 6 LPG Rn. 229; Soehring in Soehring/Hoene, aaO, § 7 Rn. 32 ff.; Wenzel/von Strobl-Albeg, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 381 ff.)
- 64
- aa) Die Revision beanstandet in diesem Zusammenhang ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe nicht festgestellt, welche Informationen die Beklagte zu 3 dem Beklagten zu 1 genau erteilt habe. Ausweislich der Feststellungen im Berufungsurteil stützt sich der streitgegenständliche Beitrag maßgeblich auf die Aussagen der Beklagten zu 3 und gibt ihren Bericht über den Besuch des Mädchens "Lissy" sowie ihre Aussagen in Interviewabschnitten und Zitaten wieder. In seinem Beschluss vom 5. April 2012, auf den es in seinem Urteil ausdrücklich Bezug genommen hat, hat das Berufungsgericht darüber hinaus festgestellt , dass die angebliche Verleumdung des Klägers durch seine Arbeitskollegen von der Beklagten zu 3 "kolportiert" worden sei und insbesondere die Passagen, wonach sich für die Beklagte zu 3 immer mehr "Puzzleteile" zusammenfügten , sie ihre "Scham" überwinde und ihr die "Neigungen" des Klägers erst im Nachhinein klar geworden seien, unmittelbar auf ihren Erklärungen beruhten. Die Beklagte zu 3 habe auch gewusst, welche Schlussfolgerungen der Beklagte zu 1 aus ihren Informationen ziehen würde. Gegen diese Feststellungen wendet sich die Revision nicht. Sie macht insbesondere nicht geltend, die Beklagte zu 3 sei in dem angegriffenen Beitrag - beispielsweise bei der Beschreibung von "Lissy" mit den Worten "vielleicht 14 Jahre alt" - falsch zitiert worden. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass bereits die Äußerungen der Beklagten zu 3 gegenüber dem Beklagten zu 1 die - teils offenen, teils verdeckten - Sachaussagen enthalten, welche der angegriffenen Berichterstattung zu entnehmen sind. Auf die Frage, welche Angaben die Beklagte zu 3 gegenüber den Strafverfolgungsbehörden gemacht hat, kommt es bei dieser Sachlage entgegen der Auffassung der Revision nicht an.
- 65
- bb) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht auch eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers bejaht, die nicht in anderer Weise als durch Zahlung einer Geldentschädigung befriedigend aufgefangen werden kann.
- 66
- (1) Zwar kann insoweit nicht darauf abgestellt werden, dass durch den angegriffenen Beitrag die absolut geschützte Intimsphäre des Klägers verletzt wurde. Denn wie unter I. 1. a) bb) ausgeführt, fällt die Begehung von Sexualstraftaten nicht in den unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung. Auch durch die Bekanntgabe der wahren Tatsachen, dass der Kläger eine Geliebte hatte und eine Vergleichsliste über seine Ehefrau und seine Geliebte erstellt hat, haben die Beklagten nicht in diesen Kernbereich eingegriffen. Die bloße Mitteilung ehebrecherischer Beziehungen ohne die Bekanntgabe diesbezüglicher Einzelheiten tangiert die Intimsphäre nicht (vgl. Senatsurteile vom 5. Mai 1964 - VI ZR 64/63, NJW 1964, 1471, 1472; vom 29. Juni 1999 - VI ZR 264/98, AfP 1999, 350, 351; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 49). Ob eine andere Beurteilung geboten wäre, wenn der Inhalt der Vergleichsliste zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht worden wäre, kann offen bleiben, da eine derartige Fallkonstellation nicht vorliegt.
- 67
- (2) Die durch die Äußerungen der Beklagten zu 3 bewirkte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers wiegt aber besonders schwer. Die Berichterstattung ist in einem außerordentlich erheblichen Maße herabsetzend und mindert das Ansehen des Klägers besonders nachhaltig. Die darin enthaltenen Vorwürfe treffen den Kläger im Kern seiner Persönlichkeit und sind geeignet, ihn gesellschaftlich zu vernichten. Hinzu kommt, dass die Beklagte zu 3 vorsätzlich handelte. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen war der Beklagten zu 3 bei der Informationserteilung in vollem Umfang bewusst, wie ihre Äußerungen im Gesamtkontext des von dem Beklagten zu 1 beabsichtigten Beitrags wirken würden; sie nahm dies aus Rache ge- genüber dem Kläger, dem sie den Verlust ihres Arbeitsplatzes zuschrieb, billigend in Kauf.
- 68
- b) Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Bemessung der Höhe der dem Kläger zustehenden Geldentschädigung.
- 69
- aa) Das Berufungsgericht hat in seine Erwägungen zur Höhe der Entschädigung allerdings zu Recht mit einfließen lassen, dass die Beklagte zu 3 - wie oben ausgeführt - vorsätzlich handelte.
- 70
- bb) Ohne Erfolg macht die Revision auch geltend, die gegen die Beklagte zu 3 festgesetzte Geldentschädigung müsse bereits deshalb reduziert werden , weil Veröffentlichungen in elektronischen Medien wegen ihrer "Flüchtigkeit" generell mit geringeren Beeinträchtigungen verbunden seien als solche in den Printmedien. Soweit die Revision darauf abhebt, dass ein Beitrag im Internet nach seiner Löschung - anders als ein Zeitungsartikel - nicht mehr "stofflich" existent und reproduzierbar sei, übersieht sie, dass der Beitrag vor der Löschung von Nutzern kopiert und auf anderen Webseiten abgelegt oder ausgedruckt worden sein kann. Wie bereits unter Ziffer II. 1. ausgeführt, kann die Frage , wie hoch die Geldentschädigung sein muss, um ihrer spezifischen Zweckbestimmung gerecht zu werden, vielmehr nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. Senatsurteile vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 20. März 2012 - VI ZR 123/11, AfP 2012, 260 Rn. 15; Müller, aaO, § 51 Rn. 23, 30).
- 71
- cc) Die Revision rügt aber zu Recht, dass das Berufungsgericht der Anzahl der Aufrufe des angegriffenen Beitrags für die Bemessung der Höhe der Entschädigung keine Bedeutung beigemessen hat. Wie bereits unter Ziffer I. 2.
c) ausgeführt, ist im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung auch das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung als Bemessungsfaktor zu berück- sichtigen (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 55/62, BGHZ 39, 124, 133 f.; vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 535 f.; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137; Müller, aaO, § 51 Rn. 23, 30). Aus diesem Grund kann die Anzahl der Personen, die die beanstandeten Äußerungen zur Kenntnis genommen haben, nicht unbeachtet bleiben.
- 72
- dd) Da der angegriffene Beitrag nicht in die Intimsphäre des Klägers eingreift , kann sich dieser Gesichtspunkt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht erhöhend bei der Bemessung der Geldentschädigung auswirken.
- 73
- Die Anschlussrevision des Klägers ist unzulässig. Gemäß § 554 Abs. 1 ZPO kann sich der Revisionsbeklagte zwar grundsätzlich der Revision anschließen. Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an den Voraussetzungen für eine wirksame Anschließung.
- 74
- 1. Zwar setzt die Statthaftigkeit der Anschließung gemäß § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) abweichend von dem bis dahin geltenden Recht nicht mehr voraus, dass auch für den Anschlussrevisionskläger die Revision zugelassen worden ist. Daher kann eine Anschlussrevision bei beschränkter Zulassung der Revision auch dann wirksam eingelegt werden, wenn die Anschlussrevision nicht den Streitstoff betrifft, auf den sich die Zulassung bezieht (vgl. BGH, Urteile vom 24. Juni 2003 - KZR 32/02, NJW 2003, 2525; vom 26. Juli 2004 - VIII ZR 281/03, NJW 2004, 3174, 3176; vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 39).
- 75
- 2. Auch nach neuem Recht erfordert die Statthaftigkeit der Anschließung allerdings, dass zwischen dem Streitgegenstand der Anschlussrevision und dem der - statthaften - Revision ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Denn die Neuregelung der Anschlussrevision in § 554 ZPO ändert nichts daran, dass sie als unselbständiges Rechtsmittel akzessorischer Natur ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, aaO Rn. 40). Hinzu kommt, dass eine unbeschränkte Statthaftigkeit der Anschlussrevision in Fällen, in denen die Hauptrevision - wie im Streitfall - zu Gunsten einer Partei nur teilweise zugelassen wurde, zu einer Benachteiligung des Revisionsklägers führte und somit über den Gesetzeszweck der Schaffung einer Art Waffengleichheit zwischen den Parteien hinausginge. Der Revisionskläger müsste die Entscheidung des Berufungsgerichts im Umfang der Nichtzulassung hinnehmen , während der Revisionsbeklagte das Urteil in vollem Umfang seines Unterliegens anfechten könnte (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 41; Saenger/Kayser/Koch, ZPO, 5. Aufl. 2013, § 554 Rn. 5; MünchKomm/ZPO/Krüger, 4. Aufl., § 554 Rn. 6; Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 554 Rn. 7 a; Prütting/Gehrlein/Ackermann, ZPO, 5. Aufl., § 554 Rn. 4; Gehrlein, NJW 2008, 896 ff.; aA Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 554 Rn. 4).
- 76
- 3. Im Streitfall fehlt es an dem erforderlichen rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Streitgegenstand der Anschlussrevision und dem der statthaften Revision. Während sich die Revision, soweit sie zugelassen wurde, gegen die Verurteilung der Beklagten zu 3 zur Zahlung einer Geldentschädigung richtet, betrifft die Anschlussrevision einen Anspruch des Klägers auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren, die ihm durch Beauftra- gung eines Anwalts zu seiner Verteidigung in dem gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren entstanden sind.
- 77
- V. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben, soweit die Beklagten zur Zahlung einer Geldentschädigung verurteilt worden sind und die Klage gegen die Beklagten zu 1 und 2 auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von weiteren 50.000 € abgewiesen worden ist. Insoweit war die Sache zur neu- en Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird dabei Gelegenheit haben, sich auch mit den weiteren Einwänden der Parteien in den Rechtsmittelschriften zu befassen. Bei der Bemessung der Geldentschädigung wird es zu berücksichtigen haben, dass die Entschädigung nicht eine Höhe er- reichen darf, die die Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 16; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137, 138; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 307; BVerfGE 34, 269, 285). Galke Wellner Stöhr von Pentz Offenloch
LG Leipzig, Entscheidung vom 11.11.2011 - 8 O 4330/08 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 03.05.2012 - 4 U 1883/11 -
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.
(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin, eine Tochter von Caroline Prinzessin von Hannover, nimmt die Beklagte auf Unterlassung der erneuten Veröffentlichung von drei Fotos nebst Bilduntertext in Anspruch. Die Beklagte ist Verlegerin der Zeitschrift FREIZEIT REVUE. In deren Ausgabe vom 16. Februar 2011 erschien unter der Überschrift "[Prinzessin Caroline] Ihr Neuer ist für Tochter Alexandra schon wie ein Papa" ein Beitrag, der sich u.a. mit der Teilnahme der Klägerin an einem Eiskunstlauf-Wettbewerb befasst. Der Bericht ist mit mehreren Fotos, darunter auch mit drei Bildern der Klägerin illustriert, die sie als Eiskunstläuferin zeigen und mit folgendem Bild-Untertext versehen sind: "Mit ihrer tollen Leistung beeindruckte Eisprinzessin Alexandra das Publikum - aber hat sie auch die Jury überzeugt?"
- 2
- Der darunter befindliche Textbeitrag lautet: "Beim Eiskunstlauf-Turnier um den "III. Pokal von La Garde" verzauberte die 11-jährige Tochter von Caroline und Ernst August nicht nur das Publikum, sondern auch einen Italiener, der kaum von Mamas Seite wich.
Hingabe. Aufgeregt griff sie nach ihrer Kamera und hielt die artisti- schen Einlagen ihrer Tochter für das Familienalbum fest. Rührend. Als das Mädchen vorbeifuhr, warf die stolze Mama einen Blumenstrauß auf die Eisbahn. Einziger Wermutstropfen für Alexandra: Vater Ernst August (56) war nicht im Stadion, um sich den Auftritt seiner Tochter anzuschauen. Doch ein anderer Mann erfüllte seine Rolle als Ersatz mit Bravour : Gerard Faggionato (50). Einsatz. Der attraktive Italiener wich kaum von der Seite der strah- lenden Caroline und sah sich auch die zauberhafte Kür von Alexandra
mit Begeisterung an. Wie ein stolzer Papa stand er auf der Tribüne und bewunderte das große Talent der kleinen Eisprinzessin. Aber wie würde das Urteil der Punktrichter ausfallen? Skandal. Leider wurde Alexandra die offizielle Anerkennung verweigert. Am Ende sprang mit 9,37 Punkten nur Platz 11 heraus - von 13 Teilnehmerinnen. Gewonnen hat A. S. mit 16,43 Punkten. Nachvollziehen konnte Alexandras schlechte Platzierung niemand. Wollte die strenge Jury mit ihrem fragwürdigen Urteil demonstrieren, dass sie keine Promi-Punkte verteilt? Wurde Alexandra womöglich ihre Berühmtheit zum Verhängnis?
Alexandra war die Siegerin der Herzen Zum Glück zählte am Schluss der olympische Gedanke: "Dabei sein ist alles." Und für Mama Caroline und Ersatz-Papa Gerard war sie ja die Siegerin der Herzen …"
- 3
- Der Beitrag ist mit weiteren Bildern illustriert, die u.a. Caroline Prinzessin von Hannover, Gerard Faggionato und Ernst August von Hannover zeigen.
- 4
- Auf Betreiben der Klägerin gab die Beklagte eine strafbewehrte Erklärung ab, mit der sie sich verpflichtete, es künftig zu unterlassen, unter Bezugnahme auf die Klägerin zu verbreiten: "[Prinzessin Caroline] Ihr Neuer ist für Tochter Alexandra schon wie ein Papa."
- 5
- Die Klägerin hat die Unterlassung der erneuten Veröffentlichung der von ihr beanstandeten drei Fotos mit der Bildunterschrift "Mit ihrer tollen Leistung beeindruckte Eisprinzessin Alexandra das Publikum - aber hat sie auch die Jury überzeugt?" sowie Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten begehrt, und zwar sowohl hinsichtlich der Abmahnung wegen der Textveröffentlichung (1.034,11 €) als auch hinsichtlich der Abmahnung wegen der Veröffentlichung der Bilder (700,32 €) sowie für ein Abschlussschreiben (384,61 €).
- 6
- Das Landgericht hat der Klage unter Abweisung im Übrigen hinsichtlich des Unterlassungsantrags in vollem Umfang und hinsichtlich des Zahlungsan- trags in Höhe von 1.559,38 € nebst Zinsen stattgegeben, wobei es die Kosten zugrunde gelegt hat, die angefallen wären, wenn die Klägerin die Unterlassungsansprüche wegen der Text- und der Bildberichterstattung in einem einzigen Abmahnschreiben geltend gemacht hätte. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 7
- Das Berufungsgericht hält den Anspruch der Klägerin auf Unterlassung der beanstandeten Fotoveröffentlichung für begründet. Es geht zu Gunsten der Beklagten davon aus, dass es sich bei dem am 5. und 6. Februar 2011 in Toulon ausgerichteten Eislaufturnier um ein Ereignis der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG gehandelt habe. Im Rahmen der danach vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht der Klägerin sei aber davon auszugehen, dass Letzteres überwiege. Zu berücksichtigen sei, dass die zum Zeitpunkt der Aufnahmen 11 Jahre alte Klägerin ein Recht auf ungestörte kindgerechte Entwicklung habe. Dieses Recht umfasse neben der Privatsphäre auch die kindgemäße Entwicklung außerhalb der Privatsphäre in öffentlichen Räumen. Zur Entwicklung der Persönlichkeit eines Kindes gehöre es auch, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen. Das Schutzbedürfnis entfalle auch nicht bei einem kindgemäßen Verhalten, das üblicherweise in der Öffentlichkeit geschehe, wie zum Bei- spiel beim Baden, beim Sport oder in der Schule. Auch wenn es sich bei dem Eislaufturnier um einen Wettbewerb gehandelt habe, bei dem interessiertes Publikum zugegen gewesen sei, sei angesichts der Umstände (regionaler Charakter , begrenzte Teilnehmerzahl und geringfügige Dauer des Wettbewerbs) davon auszugehen, dass es sich um einen für eine sportliche Betätigung in dieser Altersgruppe nicht ungewöhnlichen Leistungsvergleich gehandelt habe, der zwar in der Öffentlichkeit geschehen sei, die Schutzbedürftigkeit der Klägerin aber nicht entfallen lasse.
II.
- 8
- Die Revision hat Erfolg.
- 9
- 1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der erneuten Veröffentlichung der beanstandeten Bildnisse.
- 10
- a) Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen (vgl. grundlegend Senatsurteile vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 9 ff. und zuletzt vom 18. Oktober 2011 - VI ZR 5/10, VersR 2012, 116 Rn. 8 f.; vom 22. November 2011 - VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 23 f. und vom 18. September 2012 - VI ZR 291/10, VersR 2012, 1403 Rn. 25 f. jeweils mwN), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfGE 120, 180, 201 ff.) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang steht (vgl. EGMR NJW 2004, 2647; 2006, 591 sowie NJW 2012, 1053 und 1058). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
- 11
- b) Nach diesen Grundsätzen war die von der Klägerin angegriffene Bildberichterstattung als solche über ein zeitgeschichtliches Ereignis zulässig.
- 12
- aa) Bei den beanstandeten Fotos der Klägerin handelt es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Schon die Beurteilung, ob Abbildungen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG sind, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits (Senatsurteil vom 13. April 2010 - VI ZR 125/08, NJW 2010, 3025 Rn. 12). Der für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, maßgebende Begriff des Zeitgeschehens umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Dazu können neben politischen und gesellschaftlichen Ereignissen wie die Amtseinführung von Prinz Albert, der Rosenball in Monaco, das Gala-Diner der Stiftung Claude Pompidou anlässlich der Ausstellung eines bekannten Künstlers im Pariser Centre Pompidou auch Sportveranstaltungen gehören, und zwar auch dann, wenn sie - wie hier - nur regionale Bedeutung haben. Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos , vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt (vgl. Senatsurteile vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08, VersR 2008, 1411, 1412 und - VI ZR 243/06, VersR 2008, 1506 f., jeweils mwN).
- 13
- Allerdings bedarf es gerade bei unterhaltenden Inhalten in besonderem Maß einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen (vgl. Senatsurteile vom 1. Juli 2008 - VI ZR 243/06, aaO, Rn. 20 und vom 13. April 2010 - VI ZR 125/08, aaO Rn. 14; BVerfGE 120, 180, 205). Die Belange der Medien sind dabei in einen möglichst schonenden Ausgleich zum Persönlichkeitsschutz des von einer Berichterstattung Betroffenen zu bringen, insbesondere zum Schutz des Kernbereichs der Privatsphäre (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 1995 - VI ZR 15/95, BGHZ 131, 332, 337 f. und vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02, VersR 2004, 522, 523), der in Form der Gewährleistung des Rechts am eigenen Bild sowie der Garantie der Privatsphäre teilweise auch verfassungsrechtlich fundiert ist (vgl. BVerfGE 101, 361, 381 ff.; 120, 180, 214). Für die Abwägung ist von maßgeblicher Bedeutung, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - lediglich die Neugier der Leser oder Zuschauer nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigen (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 2008 - VI ZR 243/06, aaO, Rn. 21; BVerfGE 34, 269, 283; 101, 361, 391; 120, 180, 205, 214; BVerfG, NJW 2006, 3406, 3407). Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist im Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, zu ermitteln, insbesondere unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung.
- 14
- bb) Der Artikel der Zeitschrift FREIZEIT REVUE befasst sich mit der Teilnahme der Klägerin an dem Eislaufturnier um den "III. Pokal von La Garde", welches am 5. und 6. Februar 2011 in Toulon stattfand. Dieser Wettbewerb ist, wovon das Berufungsgericht zugunsten der Klägerin zutreffend ausgegangen ist, ein zeitgeschichtliches Ereignis, über das berichtet werden darf. Der Text informiert über Einzelheiten des Eiskunstlauf-Wettbewerbs und nennt außer der Klägerin auch die Siegerin des Turniers und die von beiden jeweils erreichten Punktwerte. Eine solche Berichterstattung über ein Sportereignis ist grundsätzlich erlaubt. Das Recht, über Sportveranstaltungen zu berichten, ist auch nicht auf bestimmte Medien, wie etwa auf solche, die üblicherweise über das Sportgeschehen informieren, beschränkt, sondern besteht - wie auch sonst bei der Berichterstattung über Ereignisse des Zeitgeschehens (vgl. BVerfG NJW 2000, 1021, 1024; NJW 2008, 1793, 1794, jeweils mwN) - für alle Medien und somit auch für die von der Beklagten verlegte Illustrierte.
- 15
- Die Wortberichterstattung wird durch die veröffentlichten Fotos illustriert. Diese sind kontextbezogen und zeigen die Klägerin während ihres Eiskunstlaufs bei dem betreffenden Turnier. cc) Der Zulässigkeit der Berichterstattung steht vorliegend nicht entgegen , dass der Artikel auch Informationen enthält, die nicht das Turnier als solches betreffen. Der Artikel verliert nicht allein deshalb seinen Charakter als Bericht über ein Sportereignis, weil auch über die Anwesenheit eines Begleiters berichtet wird, der angeblich der "Neue" der Mutter der Klägerin sei. Auch wenn diese Information den Aufmacher darstellt, auf dem Titelblatt wiedergegeben und Gegenstand der Titelzeile ist, führt dies nicht zur Unzulässigkeit der Berichterstattung über den Wettbewerb. Die Art und Weise der Berichterstattung und ihre Aufmachung sind Sache der Medien. Sie haben das Recht, Art und Ausrichtung, Inhalt und Form eines Publikationsorgans frei zu bestimmen (vgl. BVerfG, aaO). Das erforderliche Informationsinteresse ist hier zu bejahen. Es könnte nur verneint werden, wenn der beanstandete Artikel als solcher nicht als Berichterstattung über das Eiskunstlaufturnier als zeitgeschichtliches Ereignis einzustufen wäre, sondern dieser lediglich als äußerer Anlass für die Berichterstattung über die Klägerin und die Veröffentlichung der sie zeigenden Fotos zu bewerten wäre (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 2010 - VI ZR 190/08, VersR 2011, 127, Rn. 22 mwN).
- 16
- Dies ist indes nicht der Fall. Zwar konzentriert sich die Berichterstattung auf die Person der Klägerin, die schon auf der Titelseite und in der Artikelüberschrift herausgestellt wird. Es ist indes unzulässig, Medienprodukte, die das Zeitgeschehen darstellen, ausschließlich an derartigen weitgehend subjektiven Wertungen zu messen. Entscheidend ist, dass der Artikel sowohl hinsichtlich der Wortberichterstattung als auch hinsichtlich der veröffentlichten Fotos einen noch ausreichenden Bezug zu dem Turnier als zeitgeschichtliches Ereignis hat (vgl. Senatsurteil vom 26.Oktober 2010 - VI ZR 190/08, aaO Rn. 23). Davon ist hier auszugehen.
- 17
- dd) Im Rahmen einer zulässigen Berichterstattung steht es den Medien grundsätzlich frei, Textberichte durch Bilder zu illustrieren. Zu der gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundrechtlich geschützten Pressefreiheit zählt auch die Entscheidung , ob und wie ein Presseerzeugnis bebildert wird. Bildaussagen nehmen an dem verfassungsrechtlichen Schutz des Berichts teil, dessen Bebilderung sie dienen (vgl. BVerfG NJW 2005, 3271, 3272). Der Schutz der Pressefreiheit umfasst dabei auch die Abbildung von Personen (vgl. BVerfG, NJW 2000, 1021, 1024; NJW 2001, 1921, 1923). Von der Eigenart oder dem Niveau des Presseerzeugnisses oder der Berichterstattung hängt der Schutz nicht ab. Die Presse darf nach eigenen publizistischen Kriterien entscheiden, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält und was nicht (BVerfGE 120, 180, 196 f.). Von einer - an welchen Maßstäben auch immer ausgerichteten - Bewertung des Druckerzeugnisses darf der Schutz der Pressefreiheit nicht abhängig gemacht werden.
- 18
- ee) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht der Zulässigkeit der Veröffentlichung der Fotos auch nicht entgegen, dass die auf ihnen abgebildete Klägerin zum Zeitpunkt der Aufnahme der Bilder erst 11 Jahre alt war.
- 19
- (1) Allerdings ist anerkannt, dass Kinder eines besonderen Schutzes bedürfen , weil sie sich zu eigenverantwortlichen Personen erst entwickeln müssen und dass dieses Schutzbedürfnis auch hinsichtlich der Gefahren besteht, die von dem Interesse der Medien und ihrer Nutzer an Abbildungen von Kindern ausgehen, deren Persönlichkeitsentfaltung dadurch empfindlicher gestört werden kann als diejenige von Erwachsenen. Der Bereich, in dem Kinder sich frei von öffentlicher Beobachtung fühlen und entfalten dürfen, muss deswegen umfassender geschützt sein als derjenige erwachsener Personen (BVerfGE 101, 361, 385; 119, 1, 24; 120, 180, 199). Grundsätzlich fällt auch die spezifisch elterliche Hinwendung zu den Kindern in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Der Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfährt dann eine Verstärkung durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, der den Staat verpflichtet, die Lebensbedingungen des Kindes zu sichern, die für sein gesundes Aufwachsen erforderlich sind und zu denen insbesondere die elterliche Fürsorge gehört. Das Recht jedes Kindes auf Entwicklung zur Persönlichkeit umfasst sowohl die Privatsphäre als auch die kindgemäße Entfaltung in öffentlichen Räumen. Zur Entwicklung der Persönlichkeit gehört es, sich in der Öffentlichkeit angemessen bewegen zu lernen, ohne dadurch das Risiko einer Medienberichterstattung über das eigene Verhalten auszulösen. Dies gilt auch für Kinder, deren Eltern prominente Personen sind (vgl. BVerfGE 101, 361, 386; BVerfG, NJW 2000, 2191, 2192; 2005, 1857, 1858; Senatsurteil vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 304 f.).
- 20
- Wie sich die Verstärkung des Persönlichkeitsschutzes durch Art. 6 GG im Einzelnen auswirkt, lässt sich aber nicht generell und abstrakt bestimmen.
- 21
- (2) Nach diesen Grundsätzen ist die vorliegende Bildberichterstattung nicht zu beanstanden. Die hier veröffentlichten Fotos, auf denen die Klägerin als Eiskunstläuferin während des betreffenden Turniers abgebildet ist, hatten nach der Art ihrer Gewinnung und Darstellung keinen eigenständigen Verletzungsgehalt. Die Fotos sind während des Turniers aufgenommen worden, bei dem nach den getroffenen Feststellungen interessiertes Publikum zugegen war. Bei sportlichen Wettkämpfen sind Foto- und Videoaufnahmen heute weitgehend üblich, und zwar auch dann, wenn es sich um Veranstaltungen handelt, die nur in einer begrenzten Öffentlichkeit stattfinden. Dies gilt unabhängig davon, ob an dem Wettbewerb Erwachsene, Kinder oder Jugendliche teilnehmen. Auf Fotound Videoaufnahmen müssen sich Teilnehmer einer Sportveranstaltung grundsätzlich auch dann einstellen, wenn keine Pressefotografen zugegen sind. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es dabei weder auf die Anzahl der Teilnehmer noch auf die Dauer der gesamten Veranstaltung oder derjenigen der konkreten sportlichen Darbietung des einzelnen Teilnehmers an. Die Veröffentlichung der während eines Turniers gefertigten Fotos wäre nur dann unzulässig, wenn durch ihre Verbreitung die berechtigten Interessen der abgebildeten Person verletzt würden (vgl. Senatsurteil vom 28. September 2004 - VI ZR 305/03, VersR 2005, 83 Rn. 18). Das ist vorliegend nicht der Fall, denn die Fotos weisen einen ausreichenden Bezug auf das konkrete Ereignis auf und illustrieren einen Begleittext, der zumindest auch eine Berichterstattung über dieses Ereignis selbst liefert. Durch diese Art der Verwendung der Bildnisse werden die berechtigten Interessen der Klägerin nicht nennenswert beeinträchtigt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die beanstandeten Fotos die kindgerechte Entwicklung der Klägerin stören könnten. Bei dieser Sachlage verdient das Veröffentlichungsinteresse der Beklagten Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz der Klägerin.
- 22
- 2. Da die Klägerin keinen Anspruch auf Unterlassung der Bildberichterstattung hat, kann sie insoweit auch nicht Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten verlangen. Die Verurteilung der Beklagten wegen des hinsichtlich der beanstandeten Textveröffentlichung geltend gemachten Betrages von 1.034,11 € nebst Zinsen wird mit der Revision nicht angegriffen.
- 23
- 3. Da es keiner weiteren Feststellungen mehr bedarf, kann der erkennende Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden.
- 24
- 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.
Stöhr von Pentz
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 08.12.2011 - 27 O 407/11 -
KG Berlin, Entscheidung vom 08.03.2012 - 10 U 178/11 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der individualisierenden Berichterstattung über eine Straftat in Anspruch.
- 2
- Der Kläger wurde im Jahr 1993 zusammen mit seinem Bruder wegen Mordes an dem bekannten Schauspieler Walter Sedlmayr zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Tat hatte erhebliches Aufsehen erregt. Im Jahr 2004 stellte der Kläger einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, vor dessen Zurückweisung er sich an die Presse wandte. Im Sommer 2007 wurde der Kläger auf Bewährung aus der Strafhaft entlassen. Die Beklagte betreibt das Internetportal www.spiegel.de. Dort hielt sie in der Rubrik "Dossiers" unter dem Titel "Walter Sedlmayr Mord mit dem Hammer" eine Zusammenstellung von fünf älteren - jeweils durch Angabe der Überschrift und des Datums näher bezeichneten - Veröffentlichungen aus der Druckausgabe des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" bzw. ihrem Internetauftritt zum kostenpflichtigen Abruf bereit. In mehreren dieser Meldungen war der Kläger als wegen Mordes an Walter Sedlmayr Angeklagter bzw. Verurteilter namentlich bezeichnet. Die Veröffentlichungen vom 21. September und 30. November 1992, in denen über die Anklageerhebung bzw. den Beginn der Hauptverhandlung berichtet wurde, enthielten jeweils ein Foto des Klägers.
- 3
- Der Kläger sieht in dem Bereithalten der seinen Namen und sein Bild enthaltenden Veröffentlichungen zum Abruf im Internet eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Nachdem das Landgericht Frankfurt am Main seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine entsprechende Unterlassungsklage wegen fehlender Erfolgsaussicht zurückgewiesen hatte, hat der Kläger sein Begehren vor dem Landgericht Hamburg weiterverfolgt. Mit der dort nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhobenen Klage verlangt er von der Beklagten, es zu unterlassen, über ihn im Zusammenhang mit der Tat unter voller Namensnennung zu berichten, solche Berichte zu verbreiten oder öffentlich zugänglich zu machen sowie die in den Artikeln vom 21. September und 30. November 1992 enthaltenen Bilder im Zusammenhang mit Berichten über den Mord zu veröffentlichen oder zugänglich zu machen. Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
A.
- 4
- Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der Klage bejaht. Der Partei, der mehrere Gerichtsstände zur Auswahl ständen, sei es nicht versagt, in ihre Entscheidung über die Auswahl des Gerichts auch die Frage einzubeziehen, vor welchem Gericht sie mit ihrem Klagebegehren am ehesten Erfolg haben werde. Die Klage sei auch begründet. Dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu, weil die Verbreitung der den Kläger identifizierenden Meldung diesen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletze. Ende des Jahres 2006, als das Dossier noch verbreitet worden sei, habe sich der Kläger kurz vor der Entlassung aus der Strafhaft unter Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung befunden, weshalb eine Konstellation gegeben gewesen sei, wie sie der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Juni 1973 (BVerfGE 35, 202 ff. - Lebach I) zugrunde gelegen habe. Das im Hinblick auf seine bevorstehende Wiedereingliederung in die Gesellschaft besonders schutzwürdige Interesse des Klägers, nicht weiterhin öffentlich mit der Tat konfrontiert zu werden, überwiege das Interesse der Beklagten an der weiteren Verbreitung der Meldung umso mehr, als die Einschränkungen, die dem Verbreiter solcher Meldungen auferlegt würden, denkbar gering seien. Diesem werde nämlich nicht die Berichterstattung über die Tat, sondern nur die Nennung der Namen der Täter untersagt.
- 5
- Der Umstand, dass - wie auch im Streitfall - Meldungen im Internet häufig dauerhaft abrufbar gehalten würden und als ältere Meldungen erkennbar seien, rechtfertige keine andere Beurteilung. Es mache keinen Unterschied, ob die Identität des Betroffenen in einer neuen oder in einer älteren Meldung preisge- geben werde. Es komme auch nicht darauf an, ob die beanstandete Meldung mittels Suchmaschinen oder Querverweisen über ein auf die Tat bezogenes Schlagwort oder über den Namen des Täters auffindbar sei. Auch der Umstand, dass über das Internet verbreiteten Meldungen in der Regel noch ein geringerer Verbreitungsgrad zukomme als Meldungen, die über die Tagespresse, Rundfunk oder Fernsehen verbreitet würden, lasse nicht die Anlegung anderer als der vom Bundesverfassungsgericht für die Massenmedien entwickelten Maßstäbe zu.
- 6
- Die Beklagte sei hinsichtlich der Rechtsbeeinträchtigung auch Störer. Ihre Störereigenschaft könne insbesondere nicht im Hinblick darauf verneint werden , dass es sich bei dem Teil des Internetauftritts, in dem die beanstandete Meldung zum Abruf bereitgehalten worden sei, um ein privilegiertes Internetarchiv handle. Denn eine über das Internet allgemein zugängliche, in die Rubrik "Archiv" eingestellte Äußerung werde ebenso verbreitet wie jede andere Äußerung auch. Der Rubrik, in der die beanstandete Meldung zum Abruf bereitgehalten werde, komme auch unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit einer Kontrolle über den eigenen Internetauftritt keine Bedeutung zu. Ferner sei unerheblich , ob bereits die erstmalige Veröffentlichung der beanstandeten Inhalte rechtswidrig oder ob die Verbreitung der Meldung ursprünglich rechtmäßig gewesen sei.
B.
- 7
- Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gemäß §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, §§ 22, 23 KUG nicht zu.
I.
- 8
- Die Klage ist zulässig.
- 9
- 1. Der Klageantrag ist dahingehend auszulegen, dass der Beklagten untersagt werden soll, das angegriffene Dossier mit Altmeldungen auf ihrer Internetseite zum Abruf bereit zu halten, in denen im Zusammenhang mit dem Mord an Walter Sedlmayr der Name des Klägers genannt wird und die im Tenor des landgerichtlichen Urteils näher bezeichneten Fotos wiedergegeben werden. Der Klageantrag ist dagegen nicht auf Unterlassung jedweder künftiger Berichterstattung gerichtet. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus der Klagebegründung, die zur Ermittlung des Klagebegehrens heranzuziehen ist (vgl. Senatsurteil vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08 - VersR 2009, 1269, 1271 m.w.N.; BGHZ 173, 188, 192 jeweils m.w.N.). Der Kläger hat schriftsätzlich deutlich gemacht, dass er sich lediglich gegen das weitere Vorhalten des streitgegenständlichen Dossiers mit den ihn identifizierenden früheren Veröffentlichungen zum Abruf im Internet wendet. In diesem Sinne haben auch die Vorinstanzen das Begehren des Klägers verstanden. Dieses Verständnis hat der Kläger auch in der Revisionserwiderung bestätigt.
- 10
- 2. Der Klage fehlt auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Klageerhebung nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil der Kläger sein Unterlassungsbegehren unter Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe verfolgt und sein erster Prozesskostenhilfeantrag vom Landgericht Frankfurt am Main mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen worden ist. Der zuletzt genannte Umstand hätte allein im Prozesskostenhilfeverfahren Berücksichtigung finden und unter Umständen zur Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses für den beim Landgericht Hamburg eingereichten zweiten Prozesskostenhilfeantrag führen können (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - VIII ZB 78/06 - NJW 2009, 857). Die Zulässigkeit der im Anschluss an die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhobenen Klage wird hiervon jedoch nicht berührt.
II.
- 11
- Die Klage ist aber nicht begründet.
- 12
- 1. Dem Kläger steht kein Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu, es zu unterlassen, auf ihrer Internetseite ein Dossier mit Altmeldungen zum Abruf bereit zu halten, in denen im Zusammenhang mit dem Mord an Walter Sedlmayr der Name des Klägers genannt wird.
- 13
- a) Das Berufungsgericht hat allerdings mit Recht angenommen, dass das Bereithalten der den Kläger namentlich als wegen Mordes Angeklagten bzw. Verurteilten bezeichnenden Meldungen zum Abruf im Internet einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers darstellt. Denn die Berichterstattung über eine Straftat unter Nennung des Namens des Straftäters beeinträchtigt zwangsläufig dessen Recht auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens, weil sie sein Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten von vornherein negativ qualifiziert (vgl. Senatsurteile BGHZ 143, 199, 202 f.; 178, 231 Rn. 33; vom 15. November 2005 - VI ZR 286/04 - VersR 2006, 274; BVerfGE 35, 202, 226; BVerfG NJW 2006, 2835; AfP 2009, 365 Rn. 15). Dies gilt nicht nur bei aktiver Informationsübermittlung durch die Medien, wie es im Rahmen der herkömmlichen Berichterstattung in Tagespresse, Rundfunk oder Fernsehen geschieht, sondern auch dann, wenn - wie im Streitfall - den Täter identifizierende Inhalte lediglich auf einer passiven Darstellungsplattform im Internet zum Abruf bereitgehalten werden (vgl. BVerfG AfP 2009, 365 Rn. 17). Diese Inhalte sind nämlich grundsätzlich jedem interessierten Internetnutzer zugänglich (vgl. Verweyen /Schulz, AfP 2008, 133, 137).
- 14
- b) Im Ausgangspunkt zutreffend hat es das Berufungsgericht auch für geboten erachtet, über den Unterlassungsantrag aufgrund einer Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden. Denn wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind (vgl. Senatsurteile vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02 - VersR 2004, 522, 523; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06 - VersR 2008, 695 Rn. 13; vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07 - VersR 2008, 793 Rn. 12; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07 - VersR 2009, 555 Rn. 17; vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08 - VersR 2009, 1545 Rn. 16; BVerfGE 114, 339, 348 m.w.N.; 120, 180, 200 f.; AfP 2009, 365 Rn. 17; AfP 2009, 480 Rn. 61). Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 21. Juni 2005 - VI ZR 122/04 - VersR 2005, 1403, 1404; vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08 - z.V.b. m.w.N.).
- 15
- c) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers durch das Bereithalten der beanstandeten Inhalte zum Abruf im Internet in rechtswidriger Weise verletzt worden sei. Das Berufungsgericht hat die besonderen Umstände des Streitfalles nicht ausreichend berücksichtigt und das von der Beklagten verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf freie Meinungsäußerung mit einem zu geringen Gewicht in die Abwägung eingestellt.
- 16
- aa) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 17; AfP 2009, 480 Rn. 61 f., jeweils m.w.N.). Danach müssen wahre Tatsachenbehauptungen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht. Allerdings kann auch eine wahre Darstellung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussagen geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen (vgl. BVerfGE 97, 391, 404 f.; BVerfG AfP 2009, 365 Rn. 17).
- 17
- Geht es um eine Berichterstattung über eine Straftat, so ist zu berücksichtigen , dass eine solche Tat zum Zeitgeschehen gehört, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen (vgl. BVerfGE 35, 202, 231; BVerfG AfP 2009, 365 Rn. 18; vgl. auch BGHZ 143, 199, 204).
- 18
- Bei der Abwägung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung mit der damit zwangsläufig verbundenen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Täters verdient für die aktuelle Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse im Allgemeinen den Vorrang. Denn wer den Rechtsfrieden bricht und durch diese Tat und ihre Folgen Mitmenschen angreift oder verletzt, muss sich nicht nur den hierfür verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen, sondern er muss auch dulden, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird (vgl. BVerfGE 35, 202, 231 f.; BVerfG AfP 2009, 365 Rn. 19; vgl. auch Senatsurteile BGHZ 143, 199, 204; 178, 213 Rn. 22 f.; vom 15. November 2005 - VI ZR 286/04 - VersR 2006, 274 Rn. 14).
- 19
- Mit zeitlicher Distanz zur Straftat gewinnt dagegen das Interesse des Täters , vor einer Reaktualisierung seiner Verfehlung verschont zu bleiben, zunehmende Bedeutung. Das Persönlichkeitsrecht bietet Schutz vor einer zeitlich uneingeschränkten Befassung der Medien mit der Person des Straftäters und seiner Privatsphäre (vgl. BVerfGE 35, 202, 233; BVerfG AfP 2009, 365 Rn. 21). Hat die das öffentliche Interesse veranlassende Tat mit der Verfolgung und Verurteilung die gebotene rechtliche Sanktion erfahren und ist die Öffentlichkeit hierüber hinreichend informiert worden, lassen sich wiederholte Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Täters im Hinblick auf sein Interesse an der Wiedereingliederung in die Gemeinschaft nicht ohne weiteres rechtfertigen. Hiermit ist allerdings keine vollständige Immunisierung vor der ungewollten Darstellung persönlichkeitsrelevanter Geschehnisse gemeint. Das allgemeine Persönlich- keitsrecht vermittelt Straftätern keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr mit ihrer Tat konfrontiert zu werden. Selbst die Verbüßung der Straftat führt nicht dazu, dass ein Täter den uneingeschränkten Anspruch erwirbt, mit der Tat "allein gelassen zu werden". Maßgeblich ist vielmehr stets, in welchem Ausmaß das Persönlichkeitsrecht einschließlich des Resozialisierungsinteresses des Straftäters von der Berichterstattung unter den konkreten Umständen des Einzelfalls beeinträchtigt wird (vgl. BVerfG NJW 2000, 1859, 1860; AfP 2009, 365 Rn. 21; EGMR, Urteil vom 7. Dezember 2006 - Beschwerde Nr. 35841/02 -, Österreichischer Rundfunk gegen Österreich, Nr. 68, ÖJZ 2007, 472, 473, jeweils m.w.N.). Für die Intensität der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts kommt es auch auf die Art und Weise der Darstellung , insbesondere auf den Grad der Verbreitung des Mediums an. So stellt eine Fernsehberichterstattung in der Regel einen weitaus stärkeren Eingriff in die Privatsphäre des Betroffenen dar als eine Wortberichterstattung (vgl. BVerfG NJW 2000, 1859, 1860 und AfP 2009, 365 Rn. 21, jeweils m.w.N.).
- 20
- bb) Nach diesen Grundsätzen hat das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit und an der Achtung seines Privatlebens vorliegend hinter dem von der Beklagten verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zurückzutreten. Zwar kommt dem Interesse des Klägers, vor einer Reaktualisierung seiner Verfehlung verschont zu bleiben, vorliegend erhöhtes Gewicht zu. Die von ihm begangene Straftat und die Verurteilung liegen lange zurück; der Kläger ist im Sommer 2007 aus der Strafhaft entlassen worden. Andererseits beeinträchtigen die in dem beanstandeten Dossier zusammengefassten Meldungen sein Persönlichkeitsrecht einschließlich seines Resozialisierungsinteresses unter den besonderen Umständen des Streitfalls nicht in erheblicher Weise. Sie sind insbesondere nicht geeignet , ihn "ewig an den Pranger" zu stellen oder in einer Weise "an das Licht der Öffentlichkeit zu zerren", die ihn als Straftäter (wieder) neu stigmatisieren könnte.
- 21
- Die in dem Dossier zusammengefassten Meldungen enthalten wahrheitsgemäße Aussagen über ein Kapitalverbrechen an einem bekannten Schauspieler, das erhebliches öffentliches Aufsehen erregt hatte. In ihnen werden die Umstände der Tat, das Straf- und das Wiederaufnahmeverfahren sachbezogen und objektiv dargestellt. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung wird der Kläger nicht in reißerischer Weise als Mörder qualifiziert. Vielmehr wird mitgeteilt, dass er wegen Mordes angeklagt bzw. verurteilt worden sei. Zugleich wird seine Haltung zu dem Tatvorwurf geschildert und auf ungeklärte Umstände hingewiesen, was für den Leser die Möglichkeit offen lässt, dass er zu Unrecht angeklagt bzw. verurteilt worden sei. Die den Kläger identifizierenden Angaben in den Meldungen waren angesichts der Schwere des Verbrechens, der Bekanntheit des Opfers, des erheblichen Aufsehens, das die Tat in der Öffentlichkeit erregt hatte und des Umstands, dass sich die Verurteilten noch im Jahr 2004 unter Inanspruchnahme aller denkbaren Rechtsbehelfe um die Aufhebung ihrer Verurteilung bemühten, zum Zeitpunkt der erstmaligen Veröffentlichung unzweifelhaft zulässig.
- 22
- In der Art und Weise, wie das beanstandete Dossier zum Abruf bereitgehalten wurde, kam ihm eine nur geringe Breitenwirkung zu. Der Verbreitungsgrad des konkret gewählten Mediums war gering; eine Fallgestaltung, wie sie der Lebach-I-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 35, 202) zugrunde lag, ist nicht gegeben. Gegenstand dieser Entscheidung war eine Fernsehdokumentation zur besten Sendezeit, die zu einem intensiven Nacherleben der Straftat unter Betonung der emotionalen Komponente führte (vgl. BVerfGE 35, 202, 228 f.). Unter den damaligen Fernsehbedingungen war gerade für eine solche Sendung mit einer besonders hohen Einschaltquote zu rechnen (BVerfG aaO). Hingegen setzte eine Kenntnisnahme vom Inhalt der in dem beanstandeten Dossier zusammengefassten und den Kläger identifizierenden Meldungen im Streitfall zum einen eine gezielte Suche und zum anderen die Zahlung eines Entgelts für den Abruf des Dossiers voraus. Das Dossier wurde nur auf einer als passive Darstellungsplattform geschalteten Website angeboten, die typischerweise nur von solchen Nutzern zur Kenntnis genommen wird, die sich selbst aktiv informieren (vgl. BVerfG NJW 2003, 2818, 2819; NJW 2008, 1298, 1299; Feldmann, JurisPR-ITR 15/2009 Anm. 5). Es war auch nicht auf den aktuellen Seiten des Internetauftritts der Beklagten zugänglich, wo es dem Nutzer unmittelbar nach Aufruf der Homepage der Beklagten ins Auge hätte fallen können. Vielmehr wurde das Dossier ausweislich der Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, nur als Zusammenstellung von Altmeldungen angeboten und enthielt eindeutig - und für den Nutzer ohne weiteres ersichtlich - nur ältere Veröffentlichungen. Es war auch nicht in sonstiger Weise in einen Kontext eingebettet, der ihm den Anschein der Aktualität oder den Charakter einer erneuten Berichterstattung verlieh und die Annahme rechtfertigen würde, die Beklagte habe sich erneut bzw. zeitlich uneingeschränkt mit der Person des Straftäters befasst (vgl. dazu Hoecht, AfP 2009, 342, 346 f.; von Petersdorff-Campen, ZUM 2008, 102, 107; Feldmann, aaO; LG Düsseldorf, ZUM 2008, 156). Darüber hinaus war eine Kenntnisnahme von den den Kläger identifizierenden Inhalten nicht ohne weiteres möglich, sondern setzte den kostenpflichtigen Abruf des Dossiers voraus, wodurch der Zugang zu den beanstandeten Inhalten zusätzlich erschwert wurde.
- 23
- Zugunsten der Beklagten fällt darüber hinaus ins Gewicht, dass ein anerkennenswertes Interesse der Öffentlichkeit nicht nur an der Information über das aktuelle Zeitgeschehen, sondern auch an der Möglichkeit besteht, vergangene zeitgeschichtliche Ereignisse zu recherchieren (vgl. OLG Köln, AfP 2007, 126, 127; KG, AfP 2006, 561, 563; OLG Frankfurt, ZUM 2007, 915, 917; AfP 2006, 568, 569; Hoecht, aaO, 345 ff.; Libertus, MMR 2007, 143, 148). Dementsprechend nehmen die Medien ihre Aufgabe, in Ausübung der Meinungsfreiheit die Öffentlichkeit zu informieren und an der demokratischen Willensbildung mitzuwirken , auch dadurch wahr, dass sie nicht mehr aktuelle Veröffentlichungen für interessierte Mediennutzer verfügbar halten. Ein generelles Verbot der Einsehbarkeit und Recherchierbarkeit bzw. ein Gebot der Löschung aller früheren den Straftäter identifizierenden Darstellungen in "Onlinearchiven" würde dazu führen, dass Geschichte getilgt und der Straftäter vollständig immunisiert würde (vgl. Hoecht, aaO, S. 345 f.; Dreier, FS Loewenheim, 2009, S. 67, 68, 76 m.w.N.). Hierauf hat der Täter aber keinen Anspruch (vgl. BVerfG, NJW 2000, 1859, 1860; AfP 2009, 365 Rn. 21). Dies gilt insbesondere bei einem schweren Kapitalverbrechen wie im vorliegenden Fall, das in der Öffentlichkeit besondere Aufmerksamkeit erregt hat.
- 24
- Weiterhin ist zu beachten, dass das vom Kläger begehrte Verbot einen abschreckenden Effekt auf den Gebrauch der Meinungs- und Pressefreiheit hätte, der den freien Informations- und Kommunikationsprozess einschnüren würde (vgl. BVerfGE 93, 266, 292; 99, 185, 197; AfP 2009, 480 Rn. 62; vgl. ferner BGH, BGHZ 158, 343, 353). Die Beklagte könnte ihren verfassungsrechtlichen Auftrag, in Wahrnehmung der Meinungsfreiheit die Öffentlichkeit zu informieren , nicht vollumfänglich wahrnehmen, wenn es ihr generell verwehrt wäre, dem interessierten Nutzer den Zugriff auf frühere Veröffentlichungen zu ermöglichen. Würde auch das weitere Bereithalten als solcher erkennbarer und im Zeitpunkt der erstmaligen Veröffentlichung zulässiger Altmeldungen auf für Altmeldungen vorgesehenen Seiten zum Abruf im Internet nach Ablauf einer gewissen Zeit oder nach Veränderung der zugrunde liegenden Umstände ohne weiteres unzulässig und wäre die Beklagte verpflichtet, sämtliche archivierten Beiträge von sich aus immer wieder auf ihre Rechtmäßigkeit zu kontrollieren, würde die Meinungs- und Medienfreiheit in unzulässiger Weise eingeschränkt. Angesichts des mit einer derartigen Kontrolle verbundenen personellen und zeitlichen Aufwands bestünde die erhebliche Gefahr, dass die Beklagte entweder ganz von einer der Öffentlichkeit zugänglichen Archivierung absehen oder bereits bei der erstmaligen Veröffentlichung die Umstände ausklammern würde, die - wie vorliegend der Name des Straftäters - das weitere Vorhalten des Beitrags später rechtswidrig werden lassen könnten, an deren Mitteilung die Öffentlichkeit aber im Zeitpunkt der erstmaligen Berichterstattung ein schützenswertes Interesse hat.
- 25
- d) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist eine andere rechtliche Beurteilung auch nicht nach den Grundsätzen des Datenschutzrechts geboten. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der persönliche und sachliche Anwendungsbereich der Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes überhaupt eröffnet ist, insbesondere ob es sich bei dem beanstandeten Bereithalten der den Namen des Klägers enthaltenden und in dem beanstandeten Dossier zusammengefassten Meldungen zum Abruf im Internet um ein "Verarbeiten" personenbezogener Daten im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 1 BDSG handelt. Denn das Bereithalten dieser Meldung unterfällt jedenfalls dem sogenannten Medienprivileg des § 57 Abs. 1 Satz 1 des Staatsvertrags für Rundfunk und Telemedien (RStV) mit der Folge, dass seine Zulässigkeit weder von einer Einwilligung des Betroffenen noch von einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung im Sinne des § 4 BDSG abhängig ist.
- 26
- aa) Gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 RStV gelten, soweit Unternehmen oder Hilfsunternehmen der Presse als Anbieter von Telemedien personenbezogene Daten ausschließlich zu eigenen journalistisch-redaktionellen oder literarischen Zwecken erheben, verarbeiten oder nutzen, nur die §§ 5, 7, 9 und 38 a BDSG mit der Maßgabe, dass nur für Schäden gehaftet wird, die durch die Verletzung des Datengeheimnisses nach § 5 BDSG oder durch unzureichende technische oder organisatorische Maßnahmen im Sinne des § 9 BDSG eintreten. § 4 BDSG, wonach die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig sind, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat, kommt dagegen nicht zur Anwendung (vgl. Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 2. Aufl., § 57 RStV Rn. 6 f., 15 f.; Keber in Schwartmann, Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht, 2. Teil, 16. Abschnitt, Rn. 25, 27; Bergmann/Möhrle/Herb, Datenschutzrecht , § 41 BDSG Rn. 6, 10a; vgl. zu § 41 BDSG: Gola/Schomerus, BDSG, 9. Aufl., § 41 Rn. 2). Das in § 57 Abs. 1 Satz 1 RStV angeordnete Medienprivileg ist Ausfluss der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Medienfreiheit. Ohne die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten auch ohne Einwilligung der jeweils Betroffenen wäre journalistische Arbeit nicht möglich; die Presse könnte ihre in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK, Art. 11 Abs. 1 Satz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zuerkannten und garantierten Aufgaben nicht wahrnehmen (vgl. Senatsurteil vom 23. Juni 2009 - VI ZR 196/08 - VersR 2009, 1131 Rn. 20; Waldenberger in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, Presserecht Rn. 118 ff., 140; Keber in Schwartmann, aaO; Bergmann/Möhrle/Herb, aaO, Rn. 6 ff.; Dörr, ZUM 2004, 536, 540 f.; vgl. auch Art. 9 sowie Erwägungsgründe 17 und 37 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr; EuGH, Urteile vom 6. November 2003 - Rs. C-101/01 - Lindqvist gegen Schweden - ZUM-RD 2004, 107 Rn. 90; vom 16. Dezember 2008 - Rs. C-73/07 - Tietosuojavaltuutettu gegen Satakunnan Markkinapörssi Oy - EuGRZ 2009, 23 ff.; Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 8. Mai 2008 in der Rechtssache C-73/07 - zitiert nach Juris, Rn. 37, 39, 66 ff., 81 f.).
- 27
- bb) Die Voraussetzungen einer datenschutzrechtlichen Privilegierung gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 RStV sind vorliegend erfüllt. Die Beklagte als Anbieterin von Telemedien hat die den Namen des Klägers enthaltenden Meldungen ausschließlich zu eigenen journalistisch-redaktionellen Zwecken in ihren Internetauftritt eingestellt, zu einem Dossier zusammengefasst und zum Abruf im Internet bereitgehalten.
- 28
- (1) Daten werden dann zu journalistisch-redaktionellen Zwecken verarbeitet , wenn die Zielrichtung in einer Veröffentlichung für einen unbestimmten Personenkreis besteht (vgl. Hahn/Vesting, aaO, Rn. 13; Bergmann /Möhrle/Herb, aaO, Rn. 23). Es muss die Absicht einer Berichterstattung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG - worunter auch die Meinungsäußerung fällt (vgl. BVerfGE 60, 53, 63 f.; Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 5 Abs. 1 Rn. 201 f.) - gegeben sein (vgl. Bergmann/Möhrle/Herb, aaO, Rn. 26; Schmittmann in Schwartmann, aaO, 1. Teil, 6. Abschnitt Rn. 26 ff.). Denn nur die Tätigkeiten , die der Erfüllung der Aufgaben einer funktional verstandenen Presse bzw. des Rundfunks dienen, werden vom Medienprivileg erfasst (Waldenberger in Spindler/Schuster, aaO, Rn. 137). Dementsprechend gilt die datenschutzrechtliche Privilegierung beispielsweise nicht für im Rahmen der Personaldatenverarbeitung anfallende oder im Zusammenhang mit dem Gebühreneinzug, zur Akquisition von Abonnenten oder zur (kommerziellen) Weitergabe an Dritte gespeicherte Daten (vgl. BT-Drucks. 11/4306, S. 55 zu Art. 1 § 37 Abs. 1 des Entwurfs eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes; Bergmann/Möhrle/Herb, aaO, Rn. 29; Waldenberger in Spindler /Schuster, aaO, Rn. 137; Schaffland/Wiltfang, BDSG Stand 7/2009, § 41 Rn. 4). Demgegenüber sind die Recherche, Redaktion, Veröffentlichung, Dokumentation und Archivierung personenbezogener Daten zu publizistischen Zwecken umfassend geschützt (vgl. Waldenberger in Spindler/Schuster, aaO, Rn. 138). Das durch die Presse- und Rundfunkfreiheit verfassungsrechtlich vor- gegebene Medienprivileg schützt insbesondere auch die publizistische Verwertung personenbezogener Daten im Rahmen einer in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK fallenden Veröffentlichung (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 - Rs. C-73/07 - Tietosuojavaltuutettu gegen Satakunnan Markkinapörssi Oy - EuGRZ 2009, 23 Rn. 61 f.; Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 8. Mai 2008 in der Rechtssache C-73/07 - zitiert nach Juris, Rn. 65 ff., 81 f. zur Richtlinie 95/46/EG).
- 29
- Von einer Verarbeitung ausschließlich zu eigenen Zwecken ist dann auszugehen , wenn die Daten eigenen Veröffentlichungen des betroffenen Presseunternehmens dienen (vgl. Bergmann/Möhrle/Herb, aaO, Rn. 30).
- 30
- (2) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die Beklagte hat die den Namen des Klägers enthaltenden Meldungen ausschließlich zu dem Zweck in ihren Internetauftritt eingestellt, zu einem Dossier zusammengefasst und zum Abruf bereitgehalten, damit sie von der interessierten Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen werden. Sie hat damit unmittelbar ihre verfassungsrechtliche Aufgabe wahrgenommen, in Ausübung der Meinungsfreiheit die Öffentlichkeit zu informieren und an der demokratischen Willensbildung mitzuwirken. Sowohl das Einstellen der beanstandeten Inhalte ins Internet als auch ihr (dauerhaftes) Bereithalten zum Abruf ist Teil des in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK fallenden Publikationsvorgangs. Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass seit der Einstellung der Meldungen ins Internet mittlerweile mehrere Jahre vergangen sind.
- 31
- 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Unterlassung erneuter Verbreitung der in den Artikeln vom 21. September und 30. November 1992 enthaltenen Bilder entsprechend §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu. Bei den beanstandeten Abbildungen handelt es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, die auch ohne Einwilligung des Klägers als Teil des beanstandeten Dossiers zum Abruf im Internet bereitgehalten werden durften. Ihrer Verbreitung stand kein berechtigtes Interesse des Klägers im Sinne von § 23 Abs. 2 KUG entgegen.
- 32
- a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats ist die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen (vgl. Senatsurteile BGHZ 171, 275; 178, 213; 180, 114; vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06 - VersR 2007, 1135; vom 3. Juli 2007 - VI ZR 164/06 - VersR 2007, 1283; vom 24. Juni 2008 - VI ZR 156/06 - VersR 2008, 1268; vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08 - VersR 2008, 1411 und - VI ZR 243/06 - VersR 2008, 1506; vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 256/06 - VersR 2009, 76 und - VI ZR 272/06 - VersR 2009, 78 sowie - VI ZR 271/06 - VersR 2009, 513 und - VI ZR 260/06 - VersR 2009, 511; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. März 2009 - I ZR 8/07 - NJW 2009, 3032), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfG, NJW 2008, 1793, 1798 f.) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (nachfolgend : EGMR) im Einklang steht (vgl. EGMR, NJW 2004, 2647 und NJW 2006, 591). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung , durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
- 33
- aa) Die Beurteilung, ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zuzuordnen ist, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits (vgl. Senatsurteile BGHZ 180, 114 Rn. 10; vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06 - VersR 2007, 957, 958 m.w.N.; vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08 - aaO, S. 1413 und - VI ZR 243/06 - aaO, S. 1507; BVerfG NJW 2008, 1793 Rn. 55, 85). Denn die Vorschrift des § 23 Abs. 1 KUG soll nach ihrem Sinn und Zweck und nach der Intention des Gesetzgebers in Ausnahme von dem Einwilligungserfordernis des § 22 KUG dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den Rechten der Presse Rechnung tragen. Dabei ist der Beurteilung ein normativer Maßstab zu Grunde zu legen, welcher die Pressefreiheit und zugleich den Schutz der Persönlichkeit und ihrer Privatsphäre ausreichend berücksichtigt (Senatsurteile BGHZ 178, 213 Rn. 10; vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06 - VersR 2007, 957, 958 m.w.N.; vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06 - VersR 2007, 1135, 1136 und vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08 - aaO, S. 1412 f.; BVerfG NJW 2000, 1021 Rn. 87 f.). Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Der Begriff des Zeitgeschehens ist zugunsten der Pressefreiheit in einem weiten Sinn zu verstehen ; er umfasst nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt (auch hierzu Senatsurteile BGHZ 178, 213 Rn. 14; 180, 114 Rn. 10; vom 1. Juli 2008 - VI ZR 67/08 - aaO, S. 1412 und - VI ZR 243/06 - aaO, S. 1506 f., jeweils m.w.N.).
- 34
- bb) Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu. Entscheidend ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - lediglich die Neugier der Leser befriedigen (vgl. Senatsurteile BGHZ 180, 114 Rn. 12; vom 1. Juli 2008 - VI ZR 243/06 - aaO, S. 1508; BVerfGE 34, 269, 283; 101, 361, 391; BVerfG, NJW 2006, 3406, 3407; NJW 2008, 1793, 1796). Geht es um eine identifizierende Bildberichterstattung über eine Straftat, so sind darüber hinaus die oben unter 1. c) aa) dargestellten Grundsätze zu beachten. Denn auch eine solche Berichterstattung greift in das Recht des abgebildeten Straftäters auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens ein, weil sie sein Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten von vornherein negativ qualifiziert (vgl. BGHZ 178, 213 Rn. 22, 33 m.w.N.). Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass mit zeitlicher Distanz zur Straftat das Interesse des Täters , vor einer Reaktualisierung seiner Verfehlung verschont zu bleiben, zunehmende Bedeutung gewinnt.
- 35
- Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist dabei im Gesamtkontext , in den das Personenbildnis gestellt ist, und unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung zu ermitteln. Daneben sind für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes der Anlass der Bildberichterstattung und die Umstände in die Beurteilung mit einzubeziehen, unter denen die Aufnahme entstanden ist. Auch ist bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird (vgl. BGHZ 178, 213 Rn. 24; BVerfG NJW 2008, 1793, 1796 Rn. 65).
- 36
- b) Nach diesen Grundsätzen ist das Bereithalten der die Fotos des Klägers enthaltenden Meldungen vom 21. September und 30. November 1992 als Teil des angegriffenen Dossiers zum Abruf im Internet rechtlich nicht zu beanstanden. Das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit und seiner Privatsphäre hat vorliegend hinter dem von der Beklagten verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit zurückzutreten.
- 37
- Auf dem Foto in der Meldung vom 21. September 1992 ist der Kläger in Begleitung des späteren Mordopfers auf der Straße vor dem von ihm betriebenen Lokal "Beim Sedlmayr" zu sehen. Die angegriffene Aufnahme in der Meldung vom 30. November 1992 zeigt den Kläger als Angeklagten im Gerichtssaal. Beide Fotos illustrieren die Meldungen vom 21. September bzw. 30. November 1992, in denen wahrheitsgemäß, sachbezogen und objektiv über die Anklageerhebung gegen den Kläger wegen Mordes an einem bekannten Schauspieler - seinem "Geschäftspartner im gastronomischen Gewerbe" - bzw. den Beginn der Hauptverhandlung berichtet wird und die damit an ein zeitgeschichtliches Ereignis anknüpfen. Wie unter 1. c) bb) im Einzelnen ausgeführt, durfte die Beklagte über dieses Ereignis wie geschehen unter Namensnennung des Klägers berichten und die als frühere Veröffentlichungen erkennbaren Meldungen in Form des beanstandeten Dossiers auch noch im Jahr 2006 zum kostenpflichtigen Abruf im Internet bereithalten.
- 38
- Die beanstandeten Aufnahmen sind kontextbezogen. Die Veröffentlichung kontextbezogener Fotos ist als Visualisierung des berichteten Ereignisses aber regelmäßig zulässig (vgl. Senatsurteil BGHZ 178, 213 Rn. 39; BVerfG, NJW 2001, 1921, 1925). Die verwendeten Aufnahmen beeinträchtigen den Kläger nicht stärker als kontextneutrale Portraitaufnahmen. Sie stellen den Kläger nicht ungünstig dar und berühren nicht seine Intimsphäre. Als kontextbezogene Aufnahmen unterstreichen sie mehr als ein kontextneutrales Bild die Authentizität des Berichts (vgl. BVerfG, NJW 2008, 1793, 1797).
- 39
- Die Verbreitung der angegriffenen Fotos ist auch im Übrigen nicht geeignet , den Kläger "ewig an den Pranger" zu stellen oder in einer Weise "an das Licht der Öffentlichkeit zu zerren", die ihn als Straftäter (wieder) neu stigmatisieren könnte. Die Aufnahmen sind Bestandteil einer ausdrücklich als solcher gekennzeichneten Altmeldung, der in der Art und Weise, wie sie zum Abruf bereitgehalten wurde, eine nur geringe Breitenwirkung zukam. Sie stammen aus dem Jahr 1992 und illustrieren allein das damalige Aussehen des Klägers. Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen unter 1. c) bb) Bezug genommen, die auch im vorliegenden Zusammenhang Geltung beanspruchen.
- 40
- Bei der gebotenen Würdigung der Veröffentlichung in ihrer Gesamtheit sind keine überwiegenden berechtigten Interessen des Klägers (§ 23 Abs. 2 KUG) erkennbar, die der Verbreitung der ihn zeigenden Fotos im Rahmen des angegriffenen Dossiers entgegengestanden hätten (vgl. Senatsurteil vom 6. März 2007 - VI ZR 13/06 - VersR 2007, 697, 700).
- 41
- c) Eine andere rechtliche Beurteilung ist auch nicht nach den Grundsätzen des Datenschutzrechts geboten. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der persönliche und sachliche Anwendungsbereich der Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes überhaupt eröffnet ist, insbesondere ob es sich bei Fotografien um personenbezogene Daten im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes handelt (bejahend: Gola/Schomerus, aaO, Rn. 6a; VG Hamburg, DuD 1981, 57) und ob das Bereithalten der die Fotos des Klägers enthaltenden und in dem beanstandeten Dossier zusammengefassten Meldungen zum Abruf im Internet ein "Verarbeiten" personenbezogener Daten im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 1 BDSG darstellt. Denn wie unter 1. d) ausgeführt unterfällt das Bereithalten dieser Meldungen jedenfalls dem sogenannten Medienprivileg des § 57 Abs. 1 Satz 1 RStV mit der Folge, dass seine Zulässigkeit weder von einer Einwilligung des Betroffenen noch von einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung im Sinne des § 4 BDSG abhängig ist.
III.
- 42
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Stöhr von Pentz
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 18.01.2008 - 324 O 509/07 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 29.07.2008 - 7 U 20/08 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin, eine bekannte Entertainerin, Comedy-Darstellerin und Kabarettistin , verlangt die Unterlassung einer Wort- und Bildberichterstattung in der von der Beklagten verlegten Zeitschrift "F. ". In der Ausgabe Nr. 5 vom 21. Januar 2009 wurde im Zusammenhang mit einem Bericht über die Erkrankung einer bekannten Sportmoderatorin darüber berichtet, dass die Klägerin ihrerseits ein Jahr zuvor durch eine schwere Erkrankung aus ihrer laufenden Tournee herausgerissen worden, seither nicht mehr vor die Kamera zurückgekehrt sei und man bis dato über ihren Gesundheitszustand nichts wisse.
- 2
- Im Einzelnen beanstandet die Klägerin eine Fotomontage auf der Titelseite der Ausgabe, auf der ein Portraitfoto von ihr zusammen mit einem solchen der Sportmoderatorin zu sehen ist, sowie ein weiteres Portraitfoto von ihr auf Seite 3 der Ausgabe mit der Bildbeischrift "G. K. erkrankte im Januar 2008" sowie folgende Berichterstattung über sich im Rahmen eines Artikels über eine aktuelle Erkrankung der Sportmoderatorin:
(1)
"Koma nach Routine-OP erleidet sie das gleiche Schicksal wie G. K.?",(2)
"Droht ihr das gleiche Schicksal wie G. K.?",(3)
- 3
- "Unwillkürlich denkt man an einen Parallelfall - an G. K. (47). (...) Die prominente Kölner Schauspielerin wurde vor genau einem Jahr von heute auf morgen aus ihrer Tournee "Wer Sahne will, muss Kühe schütteln" herausgerissen. Die Erklärung über ihre Erkrankung war ebenso dürftig (...). Schweigen. Schwer erkrankt, mehr war nicht zu erfahren. Zunächst hieß es, K.`s Tournee werde im Herbst 2008 fortgesetzt, doch dann wurden alle Termine abgesagt. Und fortan war von der Schauspielerin nichts mehr zu hören.
- 4
- So etwas ist immer höchst beunruhigend. Bis heute weiß man nichts über ihren Gesundheitszustand. G. K. trat vor keine Kamera mehr - sie ist wie vom Erdboden verschluckt (...). Werden wir auf sie warten müssen wie auf G. K.?"
- 5
- Das Landgericht hat der Klage auf Unterlassung der entsprechenden Wort- und Bildberichterstattung sowie auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.196,43 € nebst Zinsen stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die erneute Veröffentlichung des auf Seite 3 der Zeitschrift veröffentlichten Fotos der Klägerin mit Bildbeischrift im Zusammenhang mit der beanstandeten Wortberichterstattung untersagt wird.
- 6
- Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
- 7
- Nachdem die Klägerin ab 6. September 2011 - unstreitig - selbst mit umfangreichen Erklärungen und Interviews über ihre Erkrankung in die Öffentlichkeit getreten ist, hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Klage ab dem 6. September 2011 für erledigt erklärt. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen; er begehrt weiterhin Klageabweisung.
Entscheidungsgründe:
I.
- 8
- Das Berufungsgericht bejaht mit dem Landgericht einen Unterlassungsanspruch der Klägerin gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG hinsichtlich der Text- und Bildberichterstattung sowie einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Die Klägerin müsse nicht hinnehmen, dass in der von ihr beanstandeten Berichterstattung ihr Gesundheitszustand thematisiert werde, der zumindest zum Kernbereich der Privatsphäre eines Menschen gehöre. Ausgangspunkt der bean- standeten Berichterstattung sei zwar die ernsthafte Erkrankung einer Sportmoderatorin und nicht die Erkrankung der Klägerin. Die gesamten Umstände der Fragestellung, ob dieser Sportmoderatorin das gleiche Schicksal wie der Klägerin drohe, fielen jedoch in den Kernbereich ihrer Privatsphäre. Soweit die Beklagte meine, bei der Berichterstattung gehe es allein um den Umstand, dass die Klägerin aufgrund einer Erkrankung ihrem Beruf ebenfalls nicht mehr nachgehe und diese Information zur Sozial- oder Öffentlichkeitssphäre zähle, sei dies schon angesichts der beanstandeten Äußerungen nicht nachvollziehbar. Ein Zusammenhang der Berichterstattung mit der im Herbst 2008 abgesagten Tournee der Klägerin sei schon nach dem Inhalt des Artikels - der die schwere Erkrankung einer dritten Person betreffe - nicht erkennbar. Dass die Tournee der Klägerin aufgrund einer Erkrankung habe unterbrochen werden müssen und auch - entgegen anders lautenden Ankündigungen - im Herbst 2008 nicht fortgesetzt worden sei, diene im vorliegenden Zusammenhang lediglich der Erläuterung der Schwere der Krankheit der Klägerin, nicht jedoch der Information des an dem Tourneeprogramm und dessen Fortsetzung interessierten Publikums. Eine Berichterstattung über die Sportmoderatorin L. begründe kein neues Berichterstattungsinteresse bezüglich der Person der Klägerin, deren Interesse am Schutz ihres Persönlichkeitsrechts die Äußerungs- und Pressefreiheit der Beklagten überwiege. Der Klägerin stehe auch ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB iVm §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG hinsichtlich der Bildveröffentlichungen zu. Bei der Fotomontage auf der Titelseite, welche die Klägerin gemeinsam mit L. zeige, sei schon kein zeitgeschichtliches Ereignis vorhanden. Im Übrigen beschränke sich der Informationsgehalt der Bildberichterstattung auf die Illustrierung der unzulässigen Wortberichterstattung. Danach verbleibe im Hinblick auf die veröffentlichten Fotos der Klägerin kein "bereinigter Text", der sich zulässigerweise mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis beschäftige.
II.
- 9
- Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Erledigung der Klage kann schon deshalb nicht festgestellt werden, weil die Klage von Anfang an unbegründet war.
- 10
- 1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hatte die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog iVm Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der Wortberichterstattung über die Tatsache der Erkrankung der Klägerin.
- 11
- a) Allerdings wird das durch Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin durch die Veröffentlichung der angegriffenen Textpassagen in dem Artikel der Beklagten beeinträchtigt.
- 12
- aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des erkennenden Senats umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht das Recht auf Achtung der Privatsphäre, das jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zugesteht, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Dazu gehört in diesem Bereich auch das Recht, für sich zu sein, sich selber zu gehören und den Einblick durch andere auszuschließen (vgl. BVerfGE 34, 238, 245; 35, 202, 220; BVerfG, AfP 2010, 562 Rn. 55 f.; Senatsurteile vom 19. Dezember 1995 - VI ZR 15/95, BGHZ 131, 332, 337; vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02, VersR 2004, 522; vom 26. Oktober 2010 - VI ZR 230/08, BGHZ 187, 200 Rn. 10, 13 und vom 22. November 2011 - VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 10, jeweils mwN). Dabei ist der Schutz der Privatsphäre sowohl thematisch als auch räumlich bestimmt. Er umfasst insbesondere Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als "privat" eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst, wie es etwa bei Auseinandersetzungen mit sich selbst in Tagebüchern (BVerfGE 80, 367), bei vertraulicher Kommunikation unter Eheleuten (BVerfGE 27, 344), im Bereich der Sexualität (BVerfGE 47, 46; 49, 286), bei sozial abweichendem Verhalten (BVerfGE 44, 353) oder bei Krankheiten (BVerfGE 32, 373) der Fall ist. Fehlte es hier an einem Schutz vor der Kenntniserlangung durch andere, wären die Auseinandersetzung mit sich selbst, die unbefangene Kommunikation unter Nahestehenden, die sexuelle Entfaltung oder die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe beeinträchtigt oder unmöglich, obwohl es sich um grundrechtlich geschützte Verhaltensweisen handelt (vgl. Senatsurteile vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 15 und vom 22. November 2011 - VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 10; vgl. auch BVerfGE 101, 361, 382).
- 13
- bb) Nach diesen Grundsätzen beeinträchtigt die beanstandete Wortberichterstattung die Klägerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, denn in dem von der Beklagten veröffentlichten Artikel werden Informationen über ihre privaten Angelegenheiten, nämlich über ihre Erkrankung wiedergegeben, deren Verbreitung in den Medien sie nicht wünschte.
- 14
- b) Diese Beeinträchtigung hatte die Klägerin aber hinzunehmen.
- 15
- aa) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind (vgl. Senatsurteile vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02, aaO S. 523; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06, VersR 2008, 695 Rn. 13 und - VI ZR 7/07, VersR 2008, 793 Rn. 12; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07, VersR 2009, 555 Rn. 17; vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08, VersR 2009, 1545 Rn. 16; vom 20. April 2010 - VI ZR 245/08, NJW 2010, 2728 Rn. 12; vom 22. November 2011 - VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 13; BVerfGE 114, 339, 348 mwN; 120, 180, 200 f.; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 17; AfP 2009, 480 Rn. 61). Eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 21. Juni 2005 - VI ZR 122/04, VersR 2005, 1403, 1404; vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 20 ff. mwN; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 11 - Onlinearchiv I; vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, VersR 2010, 673 Rn. 14 - Onlinearchiv II und vom 20. April 2010 - VI ZR 245/08, aaO; vom 22. November 2011 - VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 13).
- 16
- bb) Im Streitfall sind das Interesse der Klägerin am durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK gewährleisteten Schutz ihrer Persönlichkeit einerseits und die durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK geschützten Äußerungsinteressen der Beklagten andererseits abzuwägen (vgl. EGMR, NJW 2012, 1053 und 1058). Diese Abwägung fällt unter den Umständen des Streitfalles zugunsten der Beklagten aus.
- 17
- cc) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 17; AfP 2009, 480 Rn. 61 f., jeweils mwN). Danach müssen wahre Tatsachenbehauptungen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht. Allerdings kann auch eine wahre Darstellung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, insbesondere wenn die Privatsphäre betroffen ist. Zur Privatsphäre - auch einer Person des öffentlichen Interesses - gehört grundsätzlich die eigene Erkrankung, wobei Ausnahmen allenfalls bei einem besonderen Personenkreis wie beispielsweise wichtigen Politikern, Wirtschaftsführern oder Staatsoberhäuptern bestehen können (vgl. Senatsurteile vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, VersR 1996, 339, 340; vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 272/06, VersR 2009, 78 Rn. 20; - VI ZR 256/06, VersR 2009, 76 Rn. 20 und - VI ZR 260/06, VersR 2009, 511 Rn. 19).
- 18
- dd) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR NJW 2012, 1053 Rn. 108 ff. und 1058 Rn. 186 ff., jeweils zur Wort- und Bildberichterstattung) sind bei der Abwägung insbesondere der Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse, die Bekanntheit der betroffenen Person und der Gegenstand der Berichterstattung, das frühere Verhalten der betroffenen Person, die Art der Erlangung von Informationen und ihr Wahrheitsgehalt sowie der Inhalt, die Form und die Auswirkungen der Veröffentlichung zu berücksichtigen.
- 19
- ee) Nach diesen Grundsätzen hat im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung das Interesse der Klägerin am Schutz ihrer Persönlichkeit hinter dem von der Beklagten verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zurückzutreten.
- 20
- (1) Die Klägerin ist eine in der Öffentlichkeit insbesondere durch viele Fernsehauftritte bekannte Kabarettistin, Comedy-Darstellerin und Entertainerin und damit eine Person des öffentlichen Interesses.
- 21
- (2) Im Streitfall beschränkte sich die Berichterstattung der Beklagten im Verhältnis zur Klägerin auf die Wiedergabe der damals in der Öffentlichkeit längst bekannten wahren Tatsache, dass die Klägerin im Januar 2008 ihre Tournee krankheitsbedingt abbrechen musste ("Schwer erkrankt, mehr war nicht zu erfahren"), sie entgegen einer Ankündigung im Herbst 2008 nicht wieder aufgenommen hat und seither - ohne weitere Informationen an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen - "von der Bildfläche verschwunden ist". Es wurden keinerlei konkrete Aussagen zu Art und Ursache der Erkrankung der Klägerin gemacht, vielmehr wurde sogar ausdrücklich mitgeteilt, dass man nichts über ihren Gesundheitszustand wisse. Aus den Umständen wurde lediglich die - naheliegende - Schlussfolgerung gezogen, dass die Erkrankung vermutlich schwer sein muss ("So etwas ist immer höchst beunruhigend").
- 22
- (3) Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall maßgeblich von den vom Berufungsgericht zur Begründung seiner Auffassung herangezogenen Senatsurteilen (Senatsurteile vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, VersR 1996, 339 und vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 272/06, VersR 2009, 78; - VI ZR 256/06, VersR 2009, 76 und - VI ZR 260/06, VersR 2009, 511), denen Berichte über (medizinische) Einzelheiten über (angebliche) Erkrankungen der dortigen Kläger zugrunde lagen.
- 23
- (4) Die Grenze zu einer unzulässigen Presseberichterstattung wurde im Streitfall - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - auch nicht dadurch überschritten, dass die Berichterstattung über die Erkrankung der Klägerin im Zusammenhang mit einem Bericht über einen aktuellen Fall einer schweren Erkrankung einer bekannten Sportmoderatorin erfolgte und - wie das Berufungsgericht meint - sich daraus kein neues Berichterstattungsinteresse herleiten lasse. Für die Wortberichterstattung als solche gilt der durch Art. 5 GG gewährleistete Grundsatz der freien Berichterstattung, wobei dem Persönlichkeitsschutz im Rahmen der auch dort erforderlichen Abwägung nicht schon deshalb regelmäßig der Vorrang gebührt, weil eine weder unwahre noch ehrenrührige Berichterstattung bloße Belanglosigkeiten über eine prominente Person zum Gegenstand hat, ohne einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten (vgl. Senatsurteile vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 27; vom 26. Oktober 2010 - VI ZR 230/08, VersR 2011, 130 Rn. 19 und vom 1. Juli 2008 - VI ZR 243/06, VersR 2008, 1506 Rn. 23; BVerfG AfP 2010, 562; Müller, VersR 2008, 1141, 1148 f.). Abgesehen davon hatte die von der Klägerin beanstandete Berichterstattung über ihre Person nicht bloße Belanglosigkeiten zum Gegenstand, sondern diente auch der Unterrichtung der interessierten Öffentlichkeit und ihrer "Fangemeinde" darüber, dass es ein Jahr nach ihrer Erkrankung und Tourneeabsage immer noch keinerlei Informationen über ihren Gesundheitszustand und eine mögliche Rückkehr in ihren Beruf gab. Dadurch konnte die Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung über die Informationspolitik beliebter Künstler leisten , die sich nach einer plötzlichen Erkrankung völlig aus der Öffentlichkeit zurückziehen und ihr besorgtes Publikum über ihr weiteres Schicksal im Ungewissen lassen.
- 24
- (5) Nach alledem ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den aktuellen Fall der Sportmoderatorin L. zum Anlass genommen hat, sich erneut mit dem - ihrer Ansicht nach Parallelen aufweisenden - Fall der Klägerin zu beschäftigen , zumal sich dieser Fall zum damaligen Zeitpunkt gerade jährte. Die betreffenden Äußerungen weisen keinen eigenständigen Verletzungsgehalt auf und die Intensität der Beeinträchtigung ist gering. Sie sind in keiner Weise herabsetzend oder gar ehrverletzend.
- 25
- 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hatte die Klägerin gegen die Beklagte auch keinen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB iVm §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der erneuten Veröffentlichung der beanstandeten Bildnisse.
- 26
- a) Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen (vgl. grundlegend Senatsurteile vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 9 ff. und zuletzt vom 18. Oktober 2011 - VI ZR 5/10, VersR 2012, 116 Rn. 8 f. und vom 22. November2011 - VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 23 f., jeweils mwN), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfGE 120, 180, 201 ff.) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang steht (vgl. EGMR NJW 2004, 2647; 2006, 591 sowie NJW 2012, 1053 und 1058). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
- 27
- b) Nach diesen Grundsätzen war die von der Klägerin angegriffene Bildberichterstattung als solche über ein zeitgeschichtliches Ereignis zulässig.
- 28
- aa) Das erforderliche Informationsinteresse ist hier zu bejahen. Der Artikel behandelte, soweit für diesen Rechtsstreit von Interesse, das Verschwinden einer bekannten Entertainerin, Schauspielerin und Kabarettistin aus der Öffentlichkeit nach einer schweren Erkrankung, die geheim gehalten wurde. Die Berichterstattung war, wie oben dargelegt, vom öffentlichen Informationsinteresse gedeckt, ohne dass es in diesem Zusammenhang darauf ankommt, ob sie auch Darstellungen enthielt, die man je nach der Einstellung zu weitgehend unterhaltenden Medienprodukten als belanglos oder spekulativ bewerten kann. Es ist nicht zulässig, Medienprodukte, die das Zeitgeschehen darstellen, ausschließlich an derartigen weitgehend subjektiven Wertungen zu messen. Entscheidend ist, dass der Artikel sowohl hinsichtlich der Wortberichterstattung als auch hinsichtlich des veröffentlichten Fotos einen noch ausreichenden Bezug zu der Wortberichterstattung hatte und dieses Thema unter den Umständen des Falles von öffentlichem Interesse und demgemäß als zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zu beurteilen war. Davon ist hier auszugehen, denn der Begriff der Zeitgeschichte wird nicht gegenstandsbezogen, etwa allein auf Vorgänge von historischer oder politischer Bedeutung, verstanden, sondern vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her bestimmt (BVerfGE 101, 361, 392; BVerfG, NJW 2001, 1921, 1922 f.).
- 29
- bb) Die veröffentlichten Fotos hatten nach der Art ihrer Gewinnung und Darstellung auch keinen eigenständigen Verletzungsgehalt. Es handelt sich um kontextneutrale Porträtfotos, deren Veröffentlichung nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2002 - VI ZR 220/01, BGHZ 151, 26, 32 f.) und des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG NJW 2001, 1921, 1924 f.; NJW 2006, 2835 Rn. 13) unbedenklich ist und die berechtigte Interessen der Klägerin (§ 23 Abs. 2 KUG) nicht verletzt. Der Umstand, dass eines der Fotos auf der Titelseite im Wege einer - als solche ohne Weiteres erkennbaren - Fotomontage mit einem Foto der Sportmoderatorin L. verbunden worden ist, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern, zumal sich die Klägerin gegen die Fotos als solche auch gar nicht wendet, sondern lediglich gegen ihre Veröffentlichung im Zusammenhang mit der - allerdings erlaubten - Wortberichterstattung.
- 30
- 3. Nach alledem unterliegt die Klage insgesamt der Abweisung und zwar auch nachdem die Klägerin die Klage ab dem 6. September 2011 für erledigt erklärt hat. Da sich der Prozessbevollmächtigte der Beklagten der Erledigungserklärung nicht angeschlossen und weiterhin Klageabweisung beantragt hat, ist nunmehr in der "Hauptsache" darüber zu entscheiden, ob die ursprüngliche Klage (tatsächlich) erledigt ist (vgl. etwa Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 91a Rn. 34 mwN). Dies ist nicht der Fall, weil die Klage von Anfang an unbegründet war. Da es keiner weiteren Feststellungen mehr bedarf, konnte der erkennende Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Galke Zoll Wellner Diederichsen Stöhr
LG Berlin, Entscheidung vom 14.07.2009 - 27 O 232/09 -
KG Berlin, Entscheidung vom 09.09.2010 - 10 U 114/09 -
(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.
(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.