Oberlandesgericht Köln Urteil, 12. Juli 2016 - 15 U 176/15
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30.9.2015 verkündete Urteil des Landgerichts Köln (28 O 7/14) in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 4.11.2015 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Geldentschädigung in Höhe von 215.000,00 Euro sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.514,20 Euro jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.8.2010 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger Recherchekosten in Höhe von 1.237,66 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.1.2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten sowie die Berufung des Klägers werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger zu 86 % und die Beklagte zu 14 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 57 % und die Beklagte zu 43 %.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e
2I.
3Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen Presseberichterstattungen in Anspruch, die die Beklagte in der Zeit von März 2010 bis November 2012 im Zusammenhang mit einem gegen den Kläger gerichteten Ermittlungs- bzw. Strafverfahren veröffentlicht hat.
4Der Kläger ist ehemaliger Fernsehmoderator, betrieb bis zu seinem Ausscheiden im Herbst 2013 das von ihm gegründete Unternehmen N2 und moderierte u.a. die von ihm produzierte Sendung „E2“. Er bewarb Produkte wie „B“ und Unternehmen wie N2, X und C4. Ferner wurde der Kläger regelmäßig für Vortragsveranstaltungen von Unternehmen und Verbänden gebucht.
5Die Beklagte verlegt die bundesweiten Tageszeitungen „C“, „X2“ und das „B2“ sowie die auflagenstärkste Sonntagszeitung Deutschlands, die „C2“. Sie betreibt zudem die Internetseite www.X2.de, die monatlich 8,56 Millionen Nutzer und 38.917.873 „visits“ aufweist, sowie die Internetseite www.B2.de. Ihr Gesamtumsatz im Jahr 2013 lag bei 2.801,4 Mio. Euro.
6Ab Frühjahr 2010 wurde gegen den Kläger aufgrund einer entsprechenden Strafanzeige wegen des Verdachts der Vergewaltigung in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Ihm wurde vorgeworfen, am 9.2.2010 seine damalige Freundin E zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Kurz nach der Verhaftung des Klägers am 20.3.2010 begann eine intensive Medienberichterstattung über das gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren sowie über sein Privatleben. Im Zuge dieser Berichterstattung stellte sich heraus, dass der Kläger intime Beziehungen zu mehreren Frauen gleichzeitig unterhalten hatte, ohne dass diese voneinander gewusst hatten. Bis zum Beginn dieser Berichterstattung war das Privatleben des Klägers nicht in der Öffentlichkeit bekannt gewesen.
7Vom 20.3.2010 bis zum 29.7.2010 befand sich der Kläger in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt N. Nach Anklageerhebung am 17.5.2010 begann die Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim am 6.9.2010. Am 31.5.2011 wurde der Kläger vom Anklagevorwurf der schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung freigesprochen. Das Urteil ist seit dem 7.10.2011 rechtskräftig.
8Mit Schreiben vom 19.7.2010 hatte der Kläger die Beklagte erfolglos aufgefordert, ihm im Hinblick auf ihre bis dahin erschienene Berichterstattung über das Strafverfahren eine Geldentschädigung in Höhe von 1,5 Mio. Euro und die ihm entstandenen außergerichtlichen Anwaltskosten zu zahlen (Anlage K 152). Am 29.7.2010 hat der Kläger bei dem Amtsgericht Wedding gegen die Beklagte einen Mahnbescheid über 1,5 Mio. Euro nebst Anwaltskosten beantragt, der am 2.8.2010 erlassen und der Beklagten am 5.8.2010 zugestellt worden ist. Nach Widerspruch der Beklagten zahlte der Kläger am 18.12.2013 weitere Gerichtskosten ein und beantragte die Abgabe des Verfahrens an das Landgericht Köln. Daraufhin wurde das Verfahren am 23.12.2013 an das Landgericht Köln abgegeben. Die am 15.1.2014 angeforderten weiteren Gerichtskosten hat der Kläger am 20.1.2014 gezahlt und seine Ansprüche auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 1,5 Mio. Euro, außergerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 7.794,80 Euro sowie Recherchekosten in Höhe von 1.237,66 Euro im streitigen Verfahren weiter verfolgt. Seine Ansprüche bezieht der Kläger auf die Berichterstattung der Beklagten im Zeitraum von März 2010 bis November 2012 und sowohl im Hinblick auf gerichtlich angefochtene als auch auf unangefochten gebliebene Berichterstattung der Beklagten.
9Mit Urteil vom 30.9.2015 hat das Landgericht dem Kläger eine Geldentschädigung in Höhe von 335.000 Euro, außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 3.127,80 Euro sowie Recherchekosten in Höhe von 1.237,66 Euro – jeweils nebst Zinsen – zugesprochen und die weitergehende Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die vom Kläger zur Grundlage seiner Entschädigungsforderung gemachten Berichterstattungen in vom Kläger angegriffene (Teil A des Urteils, Nr. 1 bis 21) und nicht angegriffene Berichterstattungen (Teil B des Urteils, Nr. 22 bis 45) unterteilt. Gegenstand des Urteils sowie des Entschädigungsbegehrens des Klägers sind hiernach die folgenden Berichterstattungen:
10Fall |
Veröffentlichung |
||
1a |
„L ab und zu wirklich nicht zurechnungsfähig“ |
31.07.10 |
K 16 |
1b |
„L droht angeblich weiteres Verfahren“ |
31.07.10 |
K 17 |
1c |
„Neuer Ärger in der Freiheit“ |
01.08.10 |
K 18 |
2 |
„Plötzlich macht Ls Handy neue Aussage“ |
05.12.10 |
K 23 |
3 |
„L und die gefährliche Zeugin“ |
06.03.11 |
K 26 |
4 |
„ Ls Anwalt wettert gegen unliebsame Zeuginnen“ |
25.03.11 |
K 28 |
5 |
„Es geht um Schläge, Peitschen, Fessel-Sex - Das bizarre Liebesleben von L und seiner Ex“ |
19.07.10 |
K 30 |
6 |
„Der Fall L – Mit Zuckerbrot und Reitpeitsche“ |
02.08.10 |
K 34 |
7 |
„Der nette Wettermoderater und die SM-Spiele mit Peitsche“ |
13.09.10 |
K 37 |
8 |
„Vergewaltigungsprozess immer absurder – Hier reist das ganze Gericht zu Ls Geliebter Nr. 10 in die T6“ |
16.02.11 |
K 40 |
9 |
„Popstar J und L – Er schickte ihr 50 heiße Flirt-SMS“ |
07.04.10 |
K 42 |
10 |
„Hatte L 6 Frauen gleichzeitig?“ |
29.04.10 |
K 44 |
11 |
„Du wirst allein und unglücklich sein…“ |
30.05.10 |
K 49 |
12 |
„Wer verliert wer profitiert im L-Chaos – Es geht um Geld, Macht, Liebe, Lüge. Alle Zutaten eines Dramas“ |
11.07.10 |
K 51 |
13 |
„L ist sein eigenes Opfer“ „L und die Mitleidsmasche“ |
22.12.10 29.10.10 |
K 55 K 56 |
14 |
„L in A vernommen“ |
16.02.11 |
K 60 |
15 |
„Neue Geliebte aufgetaucht – Hat L ihr die Ehe versprochen?“ |
11.04.10 |
K 62 |
16 |
„Hier sonnt sich L im Knast“ |
21.07.10 |
K 66 |
17 |
„Geheimnisvolle Frau fährt ihn morgens zur Anwältin – Wer ist die Neue an Ls Steuer?“ |
07.02.11 |
K 70 |
18 |
„Muss Ls Ex nochmal vor Gericht?“ |
04.03.11 |
K 72 |
19 |
„Der Ring der Gerüchte“ |
27.03.11 |
K 76 |
20 |
„Die Ls auf Prozess-Urlaub in L2“ |
18.04.11 |
K 79 |
21 |
„Heimliche Hochzeit auf Schloss T2“ |
12.03.12 |
K 83 |
22 |
„Krimi um L – In der Knast-Bibliothek darf er TV gucken“ |
26.03.10 |
K 92 |
23 |
„So lebt L im Knast“ |
18.07.10 |
K 93 |
24 |
„Rätsel um goldenen Ring von L“ |
24.03.11 |
123 GA |
25 |
„Ls Heirat, ist es Liebe oder nur ein Schachzug?“ |
31.03.11 |
124 GA |
26 |
„Heimliche Hochzeit im Schloss!“ |
31.05.11 |
K 94 |
27 |
„L in L2 aufgetaucht“ „Intrigen-Gewitter über Ls Wetterfirma“ |
19.08.10 22.08.10 |
K 85 K 95 |
28 |
„L hatte bis zu 14 Geliebte“ |
27.05.10 |
K 84 |
29 |
„Darum ist es wichtig, dass Ex-Freundinnen vor Gericht aussagen“ |
24.09.10 |
127 GA |
30 |
„L schreibt Mail an T3“ |
03.08.10 |
K 96 |
31 |
„Ls Vorlieben als Süßbärchen“ |
04.07.10 |
K 89 |
32 |
„Das sagten die 7 Geliebten aus“ |
20.09.10 |
K 97 |
33 |
„Aussage gegen Aussage! Wem glaubt der Richter?“ |
31.07.10 |
K 98 |
34 |
„L flog nach L2“ |
15.11.10 |
134 GA |
35 |
„L: Neue Hinweise?“ |
13.06.10 |
135 GA |
36 |
„Knast-Kumpel packt aus – so war mein Zellennachbar L“ |
31.08.10 |
135 GA |
37 |
vermeintlich ihn vorverurteilenden Bezeichnungen der Anzeigenerstatterin als „Opfer“ |
K 99, K 102, K 103, K 104, K 105, 148 GA, K 109, 152 GA, K 110 |
|
38 |
vermeintlichen Unterstellungen, er habe eine Vergewaltigung begangen |
K 96, 154 GA, 170 GA, 171 GA, 174 GA |
|
39 |
vermeintlichen Entwertung seines Freispruchs |
K 111 |
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40 |
vermeintlichen Unterstellung von Nervosität bei der Vernehmung von Zeugen |
158 GA |
|
41 |
vermeintlichen Darstellung der Aussage der Anzeigenerstatterin als glaubhaft |
K 112, 160 GA |
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42 |
vermeintlichen Entwertung der Unschuldsbekundungen seines Verteidigers |
K 113, 162 GA, 166 GA |
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43 |
vermeintlichen Hervorrufens eines unzutreffenden Bildes eines grinsenden, den Prozess nicht ernst nehmenden, andere Prozessbeteiligte nicht respektierenden und das Gericht täuschenden Angeklagten |
K 119, 162 GA, 164 GA, 171 GA |
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44 |
vermeintlichen Schmähungen seiner Person |
172 GA, K 116, K 117, K 118, K 93, K 124, K87, 197 GA, K 110, K 117, 199 GA, 193 GA, K 93 |
|
45 |
vermeintlich nachverurteilenden Berichterstattung |
180 GA, K 121 K 122 |
Wegen der Wortberichterstattungen unter Nr. 2 – 5 sowie Nr. 9 – 13, teilweise wegen der Wortberichterstattungen unter Nr. 1, 6, 7 und 8 sowie wegen der Bildberichterstattungen unter Nr. 15 – 20 jeweils in Teil A des Urteils hat das Landgericht eine Geldentschädigung zuerkannt und eine Entschädigung für die in Teil B des Urteils aufgeführten Berichterstattungen insgesamt verneint.
12Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, hinsichtlich der vom Kläger weder gerichtlich noch außergerichtlich angegriffenen Berichterstattungen (Nr. 22 – 45 in Teil B des Urteils) scheide ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung schon dem Grunde nach aus. Da die Gewährung einer Geldentschädigung die Aufgabe habe, eine sonst verbleibende Lücke des Persönlichkeitsschutzes zu schließen, habe der Anspruch subsidiären Charakter und scheitere dann, wenn der Betroffene – wie vorliegend der Kläger – nicht zumindest zur Unterlassung aufgefordert habe, um einen anderweitigen Ausgleich zu erreichen.
13Mit dem überwiegenden Teil der gerichtlich angegriffenen Berichterstattungen, nämlich mit den Wortberichterstattungen unter Nr. 2 – 5 sowie 9 – 13, teilweise mit den Wortberichterstattungen unter Nr. 1, 6, 7 und 8 sowie mit den Bildberichterstattungen unter Nr. 15 – 20 jeweils in Teil A des Urteils, habe die Beklagte hingegen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls schuldhaft schwerwiegende Verletzungen der Persönlichkeitsrechte des Klägers verursacht, für die es jeweils keine anderweitige Ausgleichsmöglichkeit gebe. Insoweit liege auch ein unabweisbares Bedürfnis für die Zuerkennung einer Geldentschädigung vor. Im Rahmen einer Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalls sei für die einzelnen schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen insgesamt eine Geldentschädigung in Höhe von 335.000 Euro als angemessen und ausreichend anzusehen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Kläger durch die Beklagte insgesamt 20 Mal, nämlich durch dreizehn Wortberichterstattungen und sieben Bildberichterstattungen schwerwiegend in seiner Privat-, Geheim- bzw. Intimsphäre verletzt worden sei. Die unzulässige Mitteilung von Details aus seinem Privat- und Sexualleben sei geeignet gewesen, eine erheblich stigmatisierende Wirkung in der Öffentlichkeit zu entfalten. Der Kläger sei durch die Berichterstattung der Beklagten als gewaltaffiner und frauenverachtender Serientäter charakterisiert worden, der aus eigensüchtigen Motiven nicht nur mehrere Partnerinnen gleichzeitig gehabt, sondern diese auch systematisch zur Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse belogen habe. Eine solche Berichterstattung habe nicht nur eine erhebliche Prangerwirkung, sondern führe auch zu einer sozialen Isolation, da der Kläger trotz seines Freispruchs mit einem Makel belegt sei, den er ein Leben lang mit sich führen werde. Daneben sei der enorme Verbreitungsgrad der Berichterstattungen zu berücksichtigen, der der Beklagten auch insoweit zuzurechnen sei, als er erst durch die Weiterverbreitung der Ursprungsbeiträge durch Dritte im Internet entstanden sei.
14Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass die vermeintlichen Sexualpraktiken des Klägers auch in anderen Medien thematisiert wurden. Denn unbewiesene Tatsachenbehauptungen herabsetzenden Charakters würden nicht deswegen zulässig, weil sie auch von anderen aufgestellt worden seien. Die Verbreitung der beanstandeten Äußerungen sei weder im Hinblick auf die Prominenz des Klägers noch unter dem Gesichtspunkt einer vermeintlichen Selbstöffnung des Klägers zu intimen Details seines Sexuallebens zulässig. Auf der anderen Seite sei im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen, dass der Kläger bzw. seine Rechtsanwälte Teile der Ermittlungsakte verschiedenen Presseunternehmen überlassen hätten und das Berichterstattungsinteresse hinsichtlich des Strafverfahrens aufgrund der Prominenz des Klägers und der Schwere des erhobenen Vorwurfs immens gewesen sei. Auch sei der Einschüchterungseffekt zu beachten, den eine hohe Geldentschädigung mit sich bringe. Da der Beklagten nur der Vorwurf gemacht werden könne, auf einem außerordentlich schwierigen Gebiet der Abwägung widerstreitender Grundrechtspositionen die rechtliche Grenzziehung fahrlässig verfehlt zu haben, müsse sich dies auch bei der Höhe der Entschädigungszahlung auswirken. Insbesondere die durch die Beklagte zunächst rechtswidrig veröffentlichten Details aus der Ermittlungsakte seien durch Einführung in die Hauptverhandlung zumindest der „Saalöffentlichkeit“ offenbar geworden und das Landgericht Mannheim habe auch die diversen Beziehungen des Klägers und deren Erörterung in der Hauptverhandlung als relevant für die Beweiswürdigung erachtet. Schließlich sei der Beklagten auch keine Pressekampagne mit anderen Verlagen vorzuwerfen und zu berücksichtigen, dass der Kläger sich während des Strafverfahrens und in dessen Nachgang in Interviews zu seinen diversen Beziehungen geäußert und ein Buch über seine Sicht der Dinge herausgebracht habe.
15Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen, der in erster Instanz gestellten Anträge sowie der weiteren Begründung der Entscheidung wird ergänzend auf das Urteil des Landgerichts vom 30.9.2015 (Bl. 885 ff. d.A.) sowie den Berichtigungsbeschluss des Landgerichts vom 4.11.2015 (Bl. 1045 d.A.) Bezug genommen.
16Gegen das Urteil haben beide Parteien form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
17Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung den erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter. Sie macht geltend, das Landgericht habe fehlerhaft einen Großteil der von ihr veröffentlichten Verdachtsberichterstattungen mit der Begründung als entschädigungswürdig angesehen, dass die Berichte über vermeintliche weitere sexuelle Übergriffe des Klägers nur auf die Aussage des vermeintlichen Opfers gestützt worden seien. Jedoch kenne – so die Ansicht der Beklagten – die Rechtsprechung keinen Grundsatz, wonach über den Verdacht einer Sexualstraftat nur dann berichtet werden dürfe, wenn die Aussage des Opfers durch weitere Beweistatsachen gestützt werde. Da das Sexualleben des Klägers sowie die Frage seiner Glaubwürdigkeit und seines Umgangs mit Frauen für den gegen ihn erhobenen Tatvorwurf von Bedeutung gewesen seien und auch das Landgericht Mannheim die sexuellen Beziehungen des Klägers durch Vernehmung seiner Freundinnen zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht habe, habe die Beklagte auch solche Umstände veröffentlichen dürfen, die üblicherweise der öffentlichen Erörterung entzogen seien. Ferner habe das Landgericht die Indizwirkung der Saalöffentlichkeit verkannt, nach der jedenfalls dann, wenn Aussagen in der Hauptverhandlung öffentlich verlesen worden seien, ein Schutzinteresse des Betroffenen dem Interesse der Medien an einer aktuellen Berichterstattung nicht mehr entgegengehalten werden könne. Allein der Umstand, dass der Kläger rechtswidrig in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei, rechtfertige die Zuerkennung einer Geldentschädigung nicht, da zusätzlich zum einen ein schwerwiegender Eingriff und zum anderen ein schweres Verschulden des Presseunternehmens vorliegen müssten, woran es bei der Berichterstattung der Beklagten aber jeweils fehle. Die im angefochtenen Urteil als entschädigungswürdig eingestuften Bildberichterstattungen stellten eine anlassbezogene Berichterstattung über prozessrelevante Umstände dar. Der Kläger sei den Fotografen weder ausgeliefert gewesen, noch könne er sich angesichts des Umstandes, dass der Prozess nahezu täglich eine neue Wendung oder neue Ereignisse geboten habe, über die die Beklagte habe berichten dürfen, auf den Gesichtspunkt einer Hartnäckigkeit dieser Berichterstattung berufen. Ein unabweisbares Bedürfnis für die Zubilligung einer Geldentschädigung fehle auch deshalb, weil der Kläger auf die Geltendmachung von Gegendarstellungs- und Richtigstellungsansprüchen verzichtet sowie eine intensive eigene Medienarbeit betrieben und dabei Presseunternehmen mit Interna aus dem Verfahren sowie aus seinem Privat- und Intimleben versorgt habe. Die Beklagte rügt die Art und Weise der Zuerkennung der Geldentschädigung als fehlerhaft.
18Die Beklagten beantragen,
19das Urteil des Landgerichts Köln vom 30.9.2015 (28 O 7/14) abzuändern und die Klage abzuweisen sowie
20die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
21Der Kläger beantragt,
22die Berufung der Beklagten zurückzuweisen sowie
231. unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 30.9.2015 (28 O 7/14) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine weitere Geldentschädigung in Höhe von 165.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.8.2010, insgesamt also eine Geldentschädigung in Höhe von 500.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.8.2010 zu zahlen,
242. unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 30.9.2015 (28 O 7/14) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 4.667 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.8.2010, insgesamt also außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 7.794,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.8.2010 zu zahlen.
25Er verteidigt das angegriffene Urteil, soweit der Klage stattgegeben wurde und verfolgt im Übrigen mit seiner eigenen Berufung die erstinstanzlich zurückgewiesenen Zahlungsanträge teilweise weiter. Er macht geltend, das Landgericht habe für insgesamt neun rechtswidrige Äußerungen der Beklagten fehlerhaft keine Entschädigung zugesprochen bzw. diese Äußerungen nicht in die Bemessung der Entschädigungsgesamtsumme mit einbezogen. Dabei handele es sich um zwei Äußerungen aus den Berichterstattungen vom 31.7.2010 und 1.8.2010 (unter Nr. 1 in Teil A des Urteils), die das Landgericht rechtsfehlerhaft nicht in die Betrachtung mit einbezogen habe, da die Ansprüche angeblich nicht Streitgegenstand des Verfahrens geworden seien. Weiter seien zwei Persönlichkeitsrechtsverletzungen („spielt mit seinem iPad“ und „L in A vernommen“, unter Nr. 4 bzw. Nr. 14 in Teil A des Urteils) als nicht schwerwiegend qualifiziert worden, obwohl sie seine Persönlichkeit in den Grundfesten tangierten. Fünf weitere Äußerungen der Beklagten (unter Nr. 6 bzw. Nr. 7 in Teil A des Urteils), die seine Intimsphäre verletzten, seien vom Landgericht als rechtmäßige Berichterstattung im Zuge eines Verfahrens über ein Sexualdelikt angesehen worden. Der vom Landgericht insoweit in Bezug genommene Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10.6.2009 (NJW 2009, 3357) betreffe jedoch allein die Frage, ob und inwieweit über eine erwiesenermaßen begangene Sexualstraftat berichtet werden dürfe. Dagegen treffe er zur streitgegenständlichen Frage der Zulässigkeit einer Verdachtsberichterstattung keine Aussage. Mangels Tatbezuges seien die angeblichen sexuellen Vorlieben des Klägers auch nicht für den Vorwurf im Strafverfahren von Bedeutung gewesen. Zwei Äußerungen in der Berichterstattung vom 16.2.2011 („Geliebte Nr. 10“, unter Nr. 8 in Teil A des Urteils) habe das Landgericht zu Unrecht als rechtmäßig qualifiziert, obwohl es sich dabei um unwahre Tatsachenbehauptungen handele.
26Soweit das Landgericht zu seinen Lasten berücksichtigt habe, dass er bzw. seine Prozessbevollmächtigten angeblich Teile der Ermittlungsakte an Presseunternehmen weitergegeben hätten, habe es die Darlegungs- und Beweislast verkannt. Zwar habe er die entsprechende Behauptung der Beklagten nur als unsubstantiiert zurückgewiesen. Dies rechtfertige es jedoch nicht, diese als zugestanden anzusehen, weil er angesichts des nicht einlassungsfähigen Vortrags der Gegenseite zu einem solchen Vorgehen berechtigt gewesen sei.
27Im Rahmen der Gesamtabwägung sei im angefochtenen Urteil ein vermeintlich immenses Berichterstattungsinteresse berücksichtigt worden, obwohl die Kammer im Widerspruch hierzu bei Prüfung der einzelnen Äußerungen jeweils zu dem Ergebnis gekommen sei, dass an den mitgeteilten Tatsachen gerade kein Informationsinteresse der Allgemeinheit bestanden habe. Auch die im Rahmen der Gesamtabwägung vorgenommene Würdigung der subjektiven Tatseite widerspreche den Ausführungen, die anlässlich der Prüfung der einzelnen Äußerungen vorgenommen worden sei. Denn während das Landgericht mit Blick auf die einzelnen Berichterstattungen regelmäßig ausgeführt habe, dass der Beklagten bestimmte Umstände „hätten bekannt sein müssen“, ihr Verhalten eine „rücksichtslose Verfügung über die Person des Klägers“ darstelle oder eine „bewusst unwahre Behauptung“ aufgestellt worden sei, werde dann im Rahmen der Gesamtabwägung zur Höhe der Geldentschädigung betont, dass die Beklagte auf „einem außerordentlich schwierigen Gebiet der Abwägung widerstreitender Grundrechtspositionen die rechtliche Grenzziehung fahrlässig verfehlt“ habe. Die Beklagte habe ihn im Rahmen einer bewusst initiierten Pressekampagne schädigen wollen und ein Skandalisierungskonzept verfolgt, welches allein dem Zweck der Auflagensteigerung gedient habe.
28Auch dass er mit der Geltendmachung seines Entschädigungsanspruchs drei bzw. zwei Jahre zugewartet habe, könne sich nicht mindernd auf die Höhe seiner Forderung auswirken, weil er schlicht die finanziellen Mittel nicht früher gehabt habe und es zudem prozessökonomisch sinnvoller gewesen sei, den endgültigen Ausgang möglichst vieler Einzelverfahren abzuwarten.
29Soweit er Berichterstattungen der Beklagten zum Gegenstand der Geldentschädigungsklage gemacht habe, die er zuvor weder gerichtlich noch außergerichtlich angegriffen habe, stehe dieser Verzicht einem Entschädigungsanspruch nicht entgegen. Ein solches Verbot des „dulde-und-liquidiere“ sei der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch unter Berücksichtigung des ultima-ratio-Gedankens der Geldentschädigung nicht zu entnehmen. Schließlich sei die vom Landgericht ausgeurteilte Geldentschädigung zu gering, als dass von ihr angesichts der wirtschaftlichen und finanziellen Situation der Beklagten eine Präventionswirkung ausgehen könne und sie werde – auch im Vergleich mit anderen Entschädigungsfällen – dem vom Kläger erlittenen Unrecht nicht gerecht.
30Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
31II.
32Die Berufung der Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg, die Berufung des Klägers ist dagegen unbegründet.
331.
34Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von insgesamt 215.000 Euro aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG.
35a) Eine schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründet einen auf den grundgesetzlichen Gewährleistungen der Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG fußenden (vgl. BVerfGE 34, 269; BVerfG, Beschl. v. 26.8.2003 - 1 BvR 1338/00, NJW 2004, 591) Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und deswegen eine Geldentschädigung erforderlich ist. Ob ein derart schwerer Eingriff anzunehmen und die dadurch verursachte nicht vermögensmäßige Einbuße auf andere Weise nicht hinreichend ausgleichbar ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen. Außerdem ist der besonderen Funktion der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen Rechnung zu tragen, die sowohl in einer Genugtuung des Verletzten für den erlittenen Eingriff besteht als auch ihre sachliche Berechtigung in dem Gedanken findet, dass das Persönlichkeitsrecht gegenüber erheblichen Beeinträchtigungen anderenfalls ohne ausreichenden Schutz bliebe. Zudem soll die Geldentschädigung der Prävention dienen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Geldentschädigung nicht eine Höhe erreichen darf, die die Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt (vgl. zu allem BGHZ 160, 298; BGHZ 199, 237; BGH, Urt. v. 21.4.2015 - VI ZR 245/14, NJW 2015, 2500; BVerfGE 34, 269).
36b) Einen Anspruch auf Entschädigung unter diesen Voraussetzungen hat der Kläger nur, soweit die von ihm zum Gegenstand dieses Verfahrens gemachten Berichterstattungen einen solchen nach Maßgabe der vorgenannten Voraussetzungen gebieten.
37aa) Mit dem Landgericht ist der Senat der Auffassung, dass dem Kläger kein Anspruch auf eine einzelfallunabhängige Entschädigung wegen einer von ihm so bezeichneten zielgerichteten Presskampagne der Beklagten aus § 826 BGB (vgl. Soehring in: Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Auflage 2013, § 12 Rn. 69) zusteht. Denn eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des Klägers durch die Beklagte – in kollusivem Zusammenwirken mit anderen Medien – ist nicht festzustellen.
38(1) (a) Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass in Anbetracht der prominenten Stellung des Klägers (vgl. auch BGH, Urt. v. 19.3.2013 - VI ZR 93/12, NJW 2013, 1681) und des (damals) gegen ihn erhobenen Verdachts einer schweren Straftat ein erhebliches Berichterstattungsinteresse bestand, welches zu einer bemerkenswerten Vielzahl von Veröffentlichungen in den Medien führte, die dem Gang von Ermittlungs- und Strafverfahren gegen den Kläger folgten, welches wiederum - auch durch Verlautbarungen staatlicher Stellen - zahlreiche Berichtsanlässe bot. Zusätzlich gespeist wurde das Berichterstattungsinteresse durch in Anbetracht des Strafvorwurfes zu Tage getretene Umstände aus dem Privat- und Beziehungsleben des Klägers. Schließlich wurde mit Blick auf das Strafverfahren gegen den Kläger, welches wegen einer angeblichen Beziehungstat geführt wurde, die sich hinter verschlossenen Türen im Bereich des Privatlebens abgespielt haben sollte, eine allgemeine Diskussion über einen möglicherweise unzureichenden Schutz und mit einer Anzeige verbundene Belastungen von Vergewaltigungsopfern auf der einen Seite sowie auf der anderen Seite über Folgen möglicher Falschbeschuldigungen für einen - prominenten - Verdächtigen in Gang gesetzt.
39(b) Diese Berichtsgegenstände waren nicht von vorneherein einer öffentlichen Diskussion entzogen.
40(aa) Insbesondere durfte - wie in anderen Medien ebenso wie in zahlreichen Berichten der Beklagten vom Kläger unbeanstandet geschehen - grundsätzlich über den damals gegen den Kläger bestehenden Verdacht der Begehung einer schweren Sexualstraftat und nicht - wie der Kläger auch geltend macht - erst über das Ergebnis des insoweit gegen ihn geführten Ermittlungs- und Strafverfahrens berichtet werden.
41(aaa) Straftaten gehören zum Zeitgeschehen, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen, begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen (vgl. BGH, Urt. v. 19.3.2013 - VI ZR 93/12, NJW 2013, 1681; BGH, Urt. v. 16.2. 2016 - VI ZR 367/15, MDR 2016, 520 m.w.N.).
42(bbb) Dass bei einer Berichterstattung über ein laufendes Strafverfahren die zugunsten des Betroffenen sprechende, aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende und in Art. 6 Abs. 2 EMRK anerkannte Unschuldsvermutung sowie eine mögliche Prangerwirkung zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Urt. v. 19.3.2013 - VI ZR 93/12, NJW 2013, 1681; BGH, Urt. v. 16.2. 2016 - VI ZR 367/15, MDR 2016, 520 m.w.N.), führt nicht zu einem grundsätzlichen Berichterstattungsverbot bis zum Abschluss des Strafverfahrens. Vielmehr ist hinsichtlich der jeweiligen Berichterstattung unter Berücksichtigung dessen wie auch in Ansehung der von der Rechtsprechung im Übrigen für die Zulässigkeit einer Verdachtsberichterstattung entwickelten Kriterien zwischen dem Recht auf Schutz der Persönlichkeit und Achtung des Privatlebens sowie der Meinungs- und Pressefreiheit im Einzelfall abzuwägen.
43(ccc) Dass dem Kläger eine Sexualstraftat vorgeworfen wurde, machte nicht jede Berichterstattung über das diesbezügliche Ermittlungs- und Strafverfahren sowie Einzelheiten der Umstände des gegen ihn erhobenen Vorwurfes generell unzulässig. Denn die ihm vorgeworfene Sexualstraftat und deren Umstände gehörten nicht zur absolut geschützten Intimsphäre des Klägers.
44Zwar gewährt das Grundgesetz jedem einen unantastbaren Bereich zur Entfaltung der Persönlichkeit im Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung, der der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen ist. Wegen seiner besonderen Nähe zur Menschenwürde ist dieser Kernbereich absolut geschützt, ohne dass dieser Schutz einer Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zugänglich ist. Ihm gehören insbesondere Ausdrucksformen der Sexualität an (vgl. BVerfGE 119, 1; BVerfG, Beschl. v. 10.6.2009 - 1 BvR 1107/09, NJW 2009, 3357).
45Der Bereich der Sexualität gehört aber nicht zwangsläufig und in jedem Fall zu diesem Kernbereich. Geschützt ist die Freiheit, die eigenen Ausdrucksformen der Sexualität für sich zu behalten und sie in einem dem staatlichen Zugriff entzogenen Freiraum zu erleben. Eine Sexualstraftat mag intime Züge tragen, weil sie sich auf dem Gebiet der Sexualität abspielt. Mit ihr geht aber ein gewalttätiger Übergriff in die sexuelle Selbstbestimmung und die körperliche Unversehrtheit des Opfers einher, so dass ihre Begehung keinesfalls als Ausdruck der von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit des Täters angesehen werden kann. Die Tat ist deshalb auch nicht von höchstpersönlicher, die Menschenwürde des Täters berührender Natur, so dass ihm hierfür ein fremden Einblicken entzogener Freiraum zuzubilligen wäre. Auch die weiteren Umstände der Tat, insbesondere die Beziehung des Täters zu seinem Opfer, zählen nicht zu seiner absolut zu schützenden Intimsphäre (BVerfG, Beschl. v. 10.6.2009 - 1 BvR 1107/09, NJW 2009, 3357). Dies gilt insbesondere, aber nicht nur bei erwiesenen Straftaten, sondern auch bei Berichterstattungen über den Verdacht von Sexualstraftaten (vgl. BGH, Urt. v. 19.3.2013 - VI ZR 93/12, NJW 2013, 1681; BGH Urt. v. 16.2. 2016 - VI ZR 367/15, MDR 2016, 520), denen andernfalls in einer die Meinungs- und Pressefreiheit unzumutbar einschränkenden Weise von vorneherein jeder Boden entzogen wäre.
46(bb) Nichts anderes gilt für die im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zu Tage getretenen (sonstigen) Umstände aus dem Privat- und Beziehungsleben des Klägers, insbesondere desjenigen, dass dieser Beziehungen mit mehreren Frauen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen führte. Denn prominente Personen können der Allgemeinheit Möglichkeiten der Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen bieten sowie Leitbild- oder Kontrastfunktionen erfüllen. Auch ihr Privatleben kann daher der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen (vgl. BGH, Urt. v. 1.7.2008 - VI ZR 243/06, NJW 2008, 3138; BVerfGE 101, 361). Der Kläger, der in der Öffentlichkeit ein positives Image hatte, zeigte im Privatleben, nämlich hinsichtlich seiner Beziehungen zu Frauen, ein fragwürdiges Verhalten. Zudem ist auch zu berücksichtigen, dass es nicht die Beklagte, sondern das Landgericht Mannheim war, welches durch die Vernehmung der zahlreichen Beziehungszeuginnen (vor Vernehmung der Nebenklägerin) zu erkennen gegeben hat, dass es ihm für die Beweisaufnahme gemäß § 244 StPO auf die privaten Verhältnisse des Klägers ankam, weil es diese als für die Entscheidung von Bedeutung (§ 244 Abs. 2 StPO) erachtete. Ebenso hat sich bereits die Staatsanwaltschaft in der Anklage vom 17.5.2010 mit der Frage befasst, inwiefern sadistische Neigungen des Klägers Indiz für eine grundsätzliche Neigung zur sexuellen Gewalt und damit auch für die Begehung des ihm zur Last gelegten Sexualverbrechens hätten sein können. Insoweit bestand aus Sicht der Beklagten bzw. der Öffentlichkeit ein grundsätzliches Berichterstattungsinteresse (auch) an diesen Geschehnissen. Jedenfalls war aber nicht der diesbezüglichen Berichterstattung von vorneherein der Boden entzogen, sondern ebenfalls jeweils im Einzelfall nach Abwägung der grundrechtlich geschützten Belange über die Zulässigkeit einer Berichterstattung zu entscheiden.
47(2) (a) In Anbetracht des erheblichen Berichterstattungsinteresses, der sich im Laufe des Ermittlungs- und Strafverfahrens bietenden zahlreichen Berichterstattungsanlässe, der Vielzahl der zulässigen und vom Kläger unbeanstandet gelassenen Berichterstattungen in anderen Medien wie auch der Beklagten selbst, kann weder aus der Häufigkeit der Berichterstattungen der Beklagten noch angesichts dessen, dass eine gewisse Anzahl der Berichterstattungen der Beklagten nach Abwägung im Einzelfall letztlich gerichtlich für rechtswidrig erachtet wurde, auf eine zielgerichtete Kampagne der Beklagten gegen den Kläger geschlossen werden. Denn das Verhalten der Beklagten lässt sich ohne weiteres damit erklären, dass diese dem erheblichen Berichterstattungsinteresse folgte und - bei einem Mehrfachen an rechtmäßigen Berichterstattungen - nur teilweise die Grenzen des rechtlich Zulässigen überschritten hat. Mehr als ein Ausnutzen des erheblichen Berichterstattungsinteresses zu ihren Zwecken kann der Beklagten jedenfalls nicht unterstellt werden.
48(b) Insoweit ist auch unerheblich, ob die Beklagte als „Leitmedium“ als erste über den Vorwurf gegen den Kläger berichtet hat, weil sie eben dies grundsätzlich durfte. Zugleich trägt auch der Vorwurf des Klägers nicht, die Beklagte hätte auf Berichterstattungen anderer Medien verwiesen und (deshalb) mit diesen kollusiv zu seinen Lasten zusammengewirkt. Zum einen kann gerade eine Bezugnahme auf Berichterstattungen anderer Medien schlicht dem erheblichen Informationsinteresse der Öffentlichkeit und der Vielzahl von Berichterstattungen geschuldet gewesen sein. Zum anderen besteht darüber hinaus nicht der geringste Anhaltspunkt für ein kollusives Zusammenwirken.
49Dass die Beklagte ferner dem Kläger gewogene Berichterstattungen u.a. im T4 kritisiert und auch im Übrigen überwiegend in zulässiger Weise kritisch Position bezogen hat, kann ihr schon deswegen nicht zum Nachteil gereichen und taugliches Indiz für eine Kampagne sein, weil eben dies ihre Aufgabe als Medium in Ansehung der Meinungs- und Pressefreiheit ist. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger sich nach seinem Freispruch nicht mit (erheblicher) Kritik an der Beklagten zurück gehalten hat.
50(c) Schließlich ist eine vorsätzliche und zielgerichtete Kampagne der Beklagten nicht deshalb anzunehmen, weil einige ihrer Berichterstattungen aus den Ermittlungsakten stammende Informationen wiedergeben. Zum einen ist dies auch nur ein bei der Abwägung im Einzelfall zu berücksichtigender Gesichtspunkt, der bei einer rechtswidrigen Informationsgewinnung nicht einmal generell dazu führt, dass die jeweilige Berichterstattung rechtswidrig ist (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 30.9.2014 - VI ZR 490/12, NJW 2015, 782). Zum anderen hat der Kläger - wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat - das substantiierte Vorbringen der Beklagten dazu, dass er selbst Details aus den Ermittlungsakten (beispielsweise aus dem Gutachten Prof. H) bzw. die Akten selbst an die Presse gegeben hat (an den T4 / A2), nicht hinreichend bestritten, und schließlich selbst offensiv Medienarbeit betrieben, die er sogar zum Gegenstand des mit seiner Ehefrau veröffentlichen Buches gemacht hat (S. 155, 207 d. Buches, Anlage B6).
51bb) In Ansehung der vorstehenden Erwägungen sieht der Senat sich zugleich gehalten, jede einzelne der vom Kläger zur Begründung seiner Entschädigungsforderungen herangezogene Berichterstattung darauf zu überprüfen, ob unter den oben genannten Voraussetzungen die Zuerkennung einer Entschädigung jeweils geboten ist und erst im Anschluss hieran zu prüfen, ob eine Gesamtbetrachtung eine Ermäßigung oder Erhöhung der kumulierten Entschädigungen gebietet, um den höchstrichterlich entwickelten Grundsätzen zur Bemessung von Geldentschädigungen Genüge zu tun. Anders als in dem vom Oberlandesgericht Hamburg entschiedenen Fall einer (Gesamt-)Entschädigung wegen einer Vielzahl erfundener und mit Fotomontagen bebilderter Berichterstattungen über ein Mitglied des schwedischen Königshauses (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 30.7.2009 - 7 U 4/08, AfP 2009, 509) erfolgten die Berichterstattungen der Beklagten gerade nicht anlasslos, sondern bedienten ein erhebliches Berichterstattungsinteresse aufgrund eines tatsächlich stattfindenden Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens. Dementsprechend ist auch die Frage, ob die Beklagte Persönlichkeitsrechte des Klägers „hartnäckig“ - wie dieser auch im Hinblick auf die Wortberichterstattungen geltend macht - verletzt und dies Einfluss auf die Entschädigungswürdigkeit hat, nicht generell, sondern nur mit Rücksicht auf die einzelnen Berichterstattungen zu beantworten.
52c) aa) Das grundsätzlich bestehende erhebliche Berichterstattungsinteresse und die zahlreichen Berichtsanlässe, die sich - auch aufgrund von Verlautbarungen der Ermittlungsbehörden und der Gerichte - während des Ermittlungs- und Strafverfahrens ergaben, sowie die grundrechtlich geschützte Berechtigung und Aufgabe der Beklagten, über den gegen den Kläger bestehenden Verdacht, das Strafverfahren und die diesbezüglichen Umstände zu berichten, sind schließlich auch und gerade bei der Prüfung der Voraussetzungen der Zuerkennung einer Geldentschädigung wegen der streitgegenständlichen Berichterstattungen zu berücksichtigen. Daher kann nur eine Veröffentlichung, die sich nicht im Rahmen der nach den obigen Ausführungen zulässigen Berichterstattung hält, überhaupt die Grundlage für eine Geldentschädigung des Klägers bieten. Zugleich ist nicht wegen jeder rechtswidrigen Berichterstattung, sondern nur unter den eingangs dargestellten Voraussetzungen die Zuerkennung einer Geldentschädigung geboten. Hinsichtlich der Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung ist daher insbesondere der eine zulässige Berichterstattung „überschießende“ rechtswidrige Teil der jeweiligen Veröffentlichung zu berücksichtigen. Für den Grad des Verschuldens ist vor allem maßgebend, ob die Rechtswidrigkeit für die Beklagte „auf der Hand lag“ oder aber erst nach einer schwierigen Abwägung im Einzelfall festgestellt werden konnte.
53Dies gilt insbesondere dann, wenn die Beklagte in der Folge amtlicher Verlautbarungen von Staatsanwaltschaft und Gerichten berichtete. Denn Verlautbarungen amtlicher Stellen darf ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden. Dies beruht auf der Erwägung, dass Behörden in ihrer Informationspolitik unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind und Amtsträger, wenn sie vor der Frage stehen, ob die Presse über amtliche Vorgänge informiert werden soll, die erforderliche Abwägung zwischen dem Informationsrecht der Presse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vorzunehmen haben. Verletzen sie ihre Amtspflichten, kann ein Schadensersatzanspruch des Betroffenen wegen einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen die zuständige Gebietskörperschaft als Träger der Behörde gegeben sein. Daher ist regelmäßig die Annahme gerechtfertigt, dass eine unmittelbar an die Grundrechte gebundene, auf Objektivität verpflichtete Behörde wie die Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit erst dann unter Namensnennung über ein Ermittlungsverfahren unterrichten wird, wenn sich der zugrunde liegende Tatverdacht bereits einigermaßen erhärtet hat (vgl. BGHZ 199, 237; BGH, Urt. v. 11.12.2012 - VI ZR 314/10, NJW 2013, 790; BVerfG, Beschl. v. 9.3.2010 - 1 BvR 1891/05, AfP 2010, 365).
54Auf der anderen Seite ist ein vorsätzliches Verhalten des Verletzers nicht erforderlich und die Zuerkennung einer Geldentschädigung zwar regelmäßig, nicht aber zwingend ausgeschlossen, wenn den Verletzer kein schweres Verschulden trifft (vgl. Soehring in: Soehring/Hoene, Pressrecht, 5. Auflage 2013, § 32 Rn. 28, 28b; Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, § 14 Rn. 115).
55bb) Ferner ist zu beachten, dass – wie der Senat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat – zwischen den Folgen für den Kläger, die durch den gegen ihn erhobenen Vorwurf sowie das damit verbundene Ermittlungs- und Strafverfahren verursacht worden sind, und denjenigen Rechtsverletzungen, die die Beklagte durch ihre Berichterstattung zu verantworten hat, unterschieden werden muss. Das Ansehen des Klägers in der Öffentlichkeit – und damit beispielsweise auch sein Werbewert – hat zunächst unter dem gegen ihn erhobenen Strafvorwurf und den damit verbundenen Folgen gelitten, für die die Beklagte nicht verantwortlich ist. Staatsanwaltschaft und Gerichte arbeiteten zwar unter öffentlicher Beobachtung, aber nicht - jedenfalls nicht feststellbar - aufgrund vorhergehender Presseberichterstattung der Beklagten. Die Berichterstattung folgte vielmehr dem Gang des Ermittlungs- und Strafverfahrens. Der Kläger wirft in dem gemeinsam mit seiner Ehefrau verfassten Buch auch allein dem C3-Konzern vor, die Staatsanwaltschaft und den Prozess - konkret durch „gekaufte Zeuginnen“ - gelenkt zu haben (u.a. S. 121, 210, 212 d. Buches, Anlage B6). Schließlich darf nicht aus den Augen verloren werden, dass der Kläger in seinem Privatleben ein fragwürdiges Verhalten gezeigt hat, welches durch die Thematisierung im Strafverfahren sein vorher positives „Image“ in der Öffentlichkeit nachhaltig beschädigt hat, was - über die rechtswidrigen Berichterstattungen hinaus - ebenfalls nicht der Beklagten angelastet werden kann.
56cc) Schließlich ist den höchstrichterlichen Vorgaben entsprechend bei der Bemessung der Entschädigung der unstreitige erhebliche Verbreitungsgrad der Veröffentlichungen der Beklagten, ihre damit verbundene Funktion als in der Presselandschaft wahrgenommenes (Leit-)Medium sowie – soweit unter dem Gesichtspunkt der Prävention maßgebend – der von ihr aufgrund ihrer (regelmäßigen) Umsätze erzielte Gewinn zu berücksichtigen (vgl. BGHZ 128, 1). Diesbezüglich ist allerdings weder hinreichend dargetan noch anderweitig mit der erforderlichen Belastbarkeit ersichtlich, dass sie aufgrund der streitgegenständlichen Berichterstattungen über den Kläger höhere Umsätze als mit ihrer übrigen Berichterstattung erzielt hat.
57d) Nach diesen Maßstäben steht dem Kläger wegen insgesamt 14 Verletzungshandlungen der nach der Bezifferung des Landgerichts in den Nr. 1 bis 21 in Teil A des Urteils zur Begründung seiner Entschädigungsforderung herangezogenen Veröffentlichungen ein Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 215.000 Euro zu. Dabei unterteilt der Senat die angegriffenen Berichterstattungen – anders als das Landgericht im Urteil – im Folgenden entsprechend ihres Inhalts in vom Kläger angegriffene Bildnisveröffentlichungen (aa), angebliche Falschberichterstattungen (bb), Verletzungen der Geheimsphäre (cc), Verletzungen der Intimsphäre (dd) sowie Vorverurteilungen (ee).
58aa) Wegen der von ihm angegriffenen Bildnisveröffentlichungen hat der Kläger einen Anspruch auf Entschädigung in Höhe von insgesamt 130.000 Euro.
59(1) Im Hinblick auf die Veröffentlichung der den Kläger beim Hofgang in der Justizvollzugsanstalt N zeigenden Bildnisse in dem Bericht „Neue Geliebte aufgetaucht – Hat L ihr die Ehe versprochen“ vom 11.4.2010 (Anlage K 62)
60(Datei/Grafik nur in Originalentscheidung ersichtlich)
61hat der Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 20.000 Euro.
62Ob eine Persönlichkeitsrechtsverletzung so schwer wiegt, dass die Zubilligung einer Geldentschädigung geboten ist, hängt – wie bereits unter 1.a) ausgeführt – unter Berücksichtigung der Gesamtumstände von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des Verletzers sowie dem Grad des Verschuldens ab. Eben diese Kriterien sind auch für die Höhe der zuzuerkennenden Geldentschädigung von Bedeutung (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2013 – VI ZR 211/12, NJW 2014, 2029 m.w.N.).
63(a) Weshalb die Bildberichterstattungen den Kläger rechtswidrig in seinem Persönlichkeitsrecht verletzen, hat der Senat in seiner rechtskräftigen Entscheidung vom 15.11.2011 (15 U 62/11) bereits ausgeführt. Hieran hält der Senat auch nach erneuter Überprüfung fest.
64(b) Die Bildberichterstattung der Beklagten stellt nach den Gesamtumständen auch einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar.
65Insoweit kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen werden. Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen: Die Bildberichterstattung der Beklagten verletzt den Kläger in einem außerordentlich schweren Maß, indem er als Insasse einer Justizvollzugsanstalt, also in einem Moment, in dem er außerstande war, seinen Aufenthaltsort frei zu wählen und im Moment der Entspannung – nämlich während der Pause bei einem Hofgang – der breiten Öffentlichkeit als Gefangener präsentiert und damit quasi an den Pranger gestellt wurde. In der Justizvollzugsanstalt N befand er sich zudem in einem Bereich der die Öffentlichkeit ausschließenden Abgeschiedenheit, der zum regelmäßig geschützten Kernbereich der Privatsphäre gehört. Der Kläger wurde auf den betreffenden Bildern in einer Situation der Muße, nämlich beim Hofgang in Kommunikation mit Mithäftlingen bzw. beim Hofgang joggend dargestellt. Er konnte erwarten, in diesem der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Bereich nicht von der Presse behelligt zu werden. Dies geschah dennoch durch die Beklagte, weil ihr Fotograf heimlich und unter Ausnutzung technischer Mittel tätig wurde, indem er sich ohne Zustimmung des berechtigten Sachwalters Zugang zu einem öffentlichen Gebäude in der Nachbarschaft verschaffte, so Einblick in den Gefängnishof gewann und dann mittels einer Vielzahl von foto- und videotechnischen Gerätschaften sowie unter Verwendung eines Teleobjektivs mit großer Brennweite den Kläger identifizieren und ablichten konnte.
66Dabei wurde das Gesicht des Klägers mit technischen Hilfsmitteln so weit herangezoomt, dass es trotz der nicht unerheblichen Entfernung klar zu erkennen war. Durch die Veröffentlichung hat die Beklagte den Kläger in einer Lebenssituation, die allgemein als extrem belastend empfunden wird, der Öffentlichkeit als Gefangenen präsentiert und so sein Ansehen besonders nachhaltig gemindert. Soweit der Kläger in dem von ihm verfassten Buch „S“ angegeben hat (vgl. dort Seite 67), dass ihm die Einsehbarkeit bestimmter Stellen des Gefängnishofes durch Fotografen durch den Leiter der Justizvollzugsanstalt mitgeteilt worden war, schließt dies das Vorliegen einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht aus. Dem Kläger konnte es angesichts der ohnehin schon begrenzten Bewegungsmöglichkeiten in der Untersuchungshaft nicht zugemutet werden, sich beim Hofgang auf diejenigen Stellen des Hofes zu beschränken, die auch für einen Fotografen mit Teleobjektiv nicht einsehbar waren.
67(c) Die Beklagte handelte auch schuldhaft, nämlich nach Auffassung des Senats mit bedingtem Vorsatz. Die Rechtswidrigkeit der Bildberichterstattung war für die Beklagte nicht nur vorhersehbar, sondern lag derart nahe, dass sie billigend in Kauf genommen hat, die Rechte des Klägers mit der Veröffentlichung der zwei Bildnisse zu verletzen. Dass eine Veröffentlichung heimlicher Aufnahmen aus der Privatsphäre – wie hier – ohne Berichterstattungsanlass regelmäßig unzulässig ist, war der Beklagten bzw. ihren verantwortlichen Redakteuren aufgrund ihrer Erfahrungen in Pressesachen bewusst. Der Erkenntnis, dass der wehrlose Kläger sich ersichtlich in einer eben solchen Situation befand und die streitgegenständliche Veröffentlichung rechtswidrig waren, muss sich die Beklagte daher bewusst verschlossen haben.
68(d) Die einmal bewirkte Verletzung der Privatsphäre durch die Veröffentlichung der Bildnisse kann nicht rückgängig gemacht werden, auch nicht durch den gegen die Beklagte erwirkten Unterlassungstitel, der die Rechtsverletzung nicht vollständig beseitigen kann (vgl. BGHZ 160, 298). Die durch die Veröffentlichung verursachte Persönlichkeitsrechtsverletzung konnte daher nicht anderweitig ausgeglichen werden (vgl. BGHZ 128, 1; BGH, Urt. v. 21.4.2015 - VI ZR 245/14, NJW 2015, 2500).
69(e) Mit Rücksicht darauf und nach einer nochmaligen Abwägung sämtlicher maßgebender Umstände sieht der Senat wegen der Veröffentlichung der zwei Bildnisse ein unabweisbares Bedürfnis für eine angemessene, im Hinblick auf das Genugtuungsbedürfnis des Klägers aber auch ausreichende Geldentschädigung in Höhe von 20.000 Euro. Der Beklagten ist mit Rücksicht auf die wegen des vorsätzlichen Handelns der Beklagten zu berücksichtigende Präventivfunktion des Entschädigungsanspruchs damit deutlich gemacht, dass sie von derartigen die Privatsphäre erkennbar verletzenden Bildberichterstattungen zukünftig abzusehen hat, während die Entschädigung zugleich - in Ansehung der wirtschaftlichen Fähigkeiten der Beklagten - nicht eine Höhe erreicht, die die Beklagte in ihrer Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt.
70(2) Wegen der Veröffentlichung des Bildnisses des Klägers in dem Bericht „Hier sonnt sich L im Knast“ vom 21.7.2010 (Anlage K 66, Bl. 332 AH III)
71(Datei/Grafik nur in Originalentscheidung ersichtlich)
72steht dem Kläger eine Geldentschädigung in Höhe von 30.000 Euro zu.
73(a) Weshalb die Bildberichterstattung den Kläger rechtswidrig in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt, hat der Senat in seiner rechtskräftigen Entscheidung vom 14.2.2012 (15 U 117/11) bereits ausgeführt. Eine Verfassungsbeschwerde der Beklagten hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen.
74(b) Mit der Bildberichterstattung der Beklagten ist ein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers verbunden. Der Senat kann insoweit zunächst auf die vorangegangenen Ausführungen zu den Bildern in der Berichterstattung vom 11.4.2010 (vgl. oben unter 1) verweisen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Kläger mit nacktem Oberkörper abgebildet ist, hierdurch zum Objekt degradiert und unter Missachtung seiner Würde zur bloßen Belustigung bzw. Befriedigung der Neugier des Publikums in einer Weise vorgeführt wird, in der er sich ansonsten nicht ohne hierüber selbst zu entscheiden in der Öffentlichkeit zeigen würde. Schließlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass er durch die ihn im Gespräch mit anderen – ebenfalls halb unbekleideten – Insassen der Justizvollzugsanstalt zeigende Abbildung in den Dunstkreis eines kriminellen Milieus gerückt und damit in der öffentlichen Wahrnehmung zusätzlich erheblich herabgewürdigt wird.
75(c) Die Beklagte handelte vorsätzlich, weil das Landgericht Köln bereits mit Beschlüssen vom 16.4.2010 und 27.4.2010 (28 O 216/10 sowie 250/10) die Veröffentlichung der - im Hinblick auf die Verletzung der Privatsphäre gleichartigen - Bildnisse mit den unter (1) genannten Berichterstattungen im Wege einstweiliger Verfügungen verboten hatte, so dass der Beklagten kurz zuvor die Rechtswidrigkeit noch einmal vor Augen gehalten worden war, der sie sich damit erst Recht nicht verschließen konnte.
76(d) Die einmal bewirkte Verletzung der Privatsphäre durch die Veröffentlichung des Bildnisses kann nicht rückgängig gemacht werden, auch nicht durch den gegen die Beklagten erwirkten Unterlassungstitel, der die Rechtsverletzung nicht vollständig beseitigen kann (vgl. BGHZ 160, 298). Die durch die Veröffentlichung verursachte Persönlichkeitsrechtsverletzung konnte daher nicht anderweit ausgeglichen werden (vgl. BGHZ 128, 1; BGH, Urt. v. 21.4.2015 - VI ZR 245/14, NJW 2015, 2500).
77(e) In Ansehung dessen und nach einer nochmaligen Abwägung sämtlicher maßgebender Umstände sieht der Senat ein unabweisbares Bedürfnis für eine angemessene, im Hinblick auf das Genugtuungsbedürfnis des Klägers aber auch ausreichende Geldentschädigung in Höhe von 30.000 Euro. Zwar hat die Beklagte nur ein Bildnis veröffentlicht, dieses hat aufgrund der Darstellung des Klägers aber einen erheblichen Verletzungsgehalt. Zudem ist der Beklagten eine hartnäckige Verletzung vorzuwerfen, nachdem mit Beschlüssen des Landgerichts Köln vom 16.4.2010 und 27.4.2010 (28 O 216/10 sowie 250/10) die Veröffentlichung der - hinsichtlich der Verletzung der Privatsphäre gleichartigen - Bildnisse mit den unter (1) genannten Berichterstattungen im Wege einstweiliger Verfügungen verboten war, was bei der Höhe der zuzuerkennenden Geldentschädigung bei Bildberichterstattungen auch unter Präventionsgesichtspunkten berücksichtigt werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.1995 - VI ZR 223/94, AfP 1996, 138; BGHZ 160, 298).
78Der Beklagten ist mit Rücksicht auf die Präventivfunktion des Entschädigungsanspruchs damit deutlich gemacht, dass sie von derartigen, die Privatsphäre erkennbar verletzenden und Personen zu bloßen Objekten degradierenden Bildberichterstattungen zukünftig abzusehen und bei hartnäckigen Verletzungen mit höheren Geldentschädigungen zu rechnen hat, während die Entschädigung zugleich - in Ansehung der wirtschaftlichen Fähigkeiten der Beklagten - nicht eine Höhe erreicht, die die Beklagte in ihrer Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt.
79(3) Wegen der Veröffentlichung der zwei Bildnisse des Klägers in dem Bericht „Geheimnisvolle Frau fährt ihn morgens zur Anwältin – Wer ist die Neue an Ls Steuer?“ vom 7.2.2011 (Anlage K 70, Bl. 365 AH III)
80(Datei/Grafik nur in Originalentscheidung ersichtlich)
81steht dem Kläger ein Anspruch auf eine Geldentschädigung in Höhe von 10.000 Euro zu.
82(a) Weshalb die Bildberichterstattung den Kläger rechtswidrig in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt, hat der Senat in seiner den Parteien bekannten und mangels Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde seitens der Beklagten rechtskräftigen Entscheidung zum Aktenzeichen 15 U 117/15 bereits ausgeführt.
83(b) Mit der Bildberichterstattung ist ein schwerwiegender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Klägers verbunden, da die Veröffentlichung der Bilder einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre des Klägers darstellt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass eine Geldentschädigung auch bei Verletzung der persönlichen Eigensphäre in Betracht kommt und dass die Zubilligung derselben in Fällen der Verletzung des Rechts am eigenen Bild angesichts der fehlenden Abwehrmöglichkeit des Betroffenen bereits bei weniger schwerwiegenden Eingriffen geboten sein kann (vgl. Burkhard in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, Kap. 14, Rn. 103 m.w.N.).
84Zwar zeigen die Bilder den Kläger scheinbar in einer alltäglichen Situation und in neutraler Optik. Auch kann eine Gerichtsberichterstattung durch die Presse durchaus die Anfertigung von Bildern eines Angeklagten umfassen, der sich auf seinem Weg zur Verhandlung befindet. Eine solche Bildberichterstattung hat sich jedoch im Sinne einer hinreichenden Wahrung der Privatsphäre des Betroffenen regelmäßig räumlich auf den unmittelbaren Bereich vor dem Gericht bzw. vor dem Sitzungssaal zu beschränken. Vorliegend jedoch ist dem Kläger für die Rezipienten ersichtlich bei der Vorbereitung auf einen Hauptverhandlungstag und dem Aufsuchen seiner Verteidigerin nachgestellt worden und er ist dabei unter nachhaltiger Verletzung seiner Privatsphäre zum Objekt der Neugier und des Unterhaltungsinteresses gemacht worden. Bei dem Parkplatz im Innenhof handelte es sich um einen Privatparkplatz, der überwiegend von Gebäuden umschlossen und nur durch eine etwas mehr als fahrzeugbreite Tordurchfahrt unter einem Haus hindurch straßenseitig zu erreichen ist. Unter Berücksichtigung dieser Örtlichkeiten und weil er sich in der betreffenden Situation vor Aufsuchen seiner Verteidigerin in einer Phase der Vorbereitung und Sammlung im Hinblick auf das gegen ihn geführte Strafverfahren befand, durfte der Kläger die berechtigte Erwartung haben, den Blicken der Öffentlichkeit noch nicht ausgesetzt zu sein und von Nachstellungen der Beklagten verschont zu werden. Der Kläger hatte gerade den Bereich dieses privaten Hinterhofes gewählt, um auf seinem Weg zur Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim unbeobachtet die Fahrzeuge wechseln zu können. Durch die Beklagte wurde er aber nunmehr in dieser Situation der Vorbereitung auf die anstehende Verhandlung vor der Strafkammer und damit in einer Situation der hohen psychischen Belastung in einer aus seiner Sicht privaten und geschützten Umgebung wiederum mit technischen Hilfsmitteln den Augen einer breiten Öffentlichkeit ausgesetzt.
85Daneben war die Privatsphäre des Klägers auch dadurch thematisch betroffen, dass die Bildnisse zudem seine spätere Ehefrau zeigen und die Wortberichterstattung über eine mögliche Beziehung des Klägers zu ihr spekulierte. Der diesbezügliche Eingriff wird zugleich nicht entscheidend dadurch gemindert, dass die Beziehung des Klägers zu seiner Ehefrau später durch deren Heirat öffentlich geworden ist. Zum einen ist die Wiederholungsgefahr deswegen nicht entfallen, weil die unter Verletzung der Privatsphäre entstandenen Bildnisse weiterhin nicht verwendet werden dürfen (vgl. BGH, Urt. v. 19.10.2004 - VI ZR 292/03, NJW 2005, 594). Zum anderen besteht die Verletzung gerade in dem erstmaligen Eindringen der Beklagten in die Privatsphäre des Klägers.
86(c) Die Beklagte handelte auch schuldhaft, wobei der Senat insoweit in Übereinstimmung mit dem Landgericht von lediglich fahrlässigem Handeln ausgeht. Zwar war die Rechtswidrigkeit für die Beklagte vorhersehbar, wenn sie die erforderliche Abwägungen wie im gerichtlichen Verfahren geschehen selbst zutreffend vorgenommen hätte. Die Rechtswidrigkeit lag andererseits aber noch nicht derart auf der Hand, dass der Beklagten Vorsatz unterstellt werden kann. Vielmehr war eine auch unter dem Gesichtspunkt des Umfangs der räumlichen Privatsphäre schwierige Abwägung erforderlich.
87(d) Die einmal bewirkte Verletzung der Privatsphäre durch die Veröffentlichung der Bildnisse kann nicht rückgängig gemacht werden, auch nicht durch den gegen die Beklagten erwirkten Unterlassungstitel, der die Rechtsverletzung nicht vollständig beseitigen kann (vgl. BGHZ 160, 298). Die durch die Veröffentlichung verursachte Persönlichkeitsrechtsverletzung konnte daher nicht anderweitig ausgeglichen werden (vgl. BGHZ 128, 1; BGH, Urt. v. 21.4.2015 - VI ZR 245/14, NJW 2015, 2500).
88(e) In Ansehung dessen und nach einer nochmaligen Abwägung sämtlicher maßgebender Umstände sieht der Senat ein unabweisbares Bedürfnis für eine angemessene, in Ansehung des Genugtuungsbedürfnisses des Klägers aber auch ausreichende Geldentschädigung in Höhe von 10.000 Euro.
89Zwar ist insbesondere die Präventivfunktion der Geldentschädigung nicht wie bei einem Handeln mit schwerem Verschulden betroffen (vgl. Soehring in: Soehring/Hoene, Pressrecht, 5. Auflage 2013, § 32 Rn. 28b; Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, § 14 Rn. 127). In Anbetracht der Schwere der Verletzung, mit der der Kläger der Öffentlichkeit präsentiert wurde und der Nachhaltigkeit der Nachstellung durch die Beklagte hält der Senat gleichwohl und ausnahmsweise eine Geldentschädigung für unabweisbar erforderlich, während die Entschädigung zugleich - in Ansehung der wirtschaftlichen Fähigkeiten der Beklagten - nicht eine Höhe erreicht, die die Beklagte in ihrer Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt.
90(4) Im Hinblick auf die Veröffentlichung des Bildnisses des Klägers in dem Bericht „Muss Ls Ex nochmal vor Gericht?“ vom 4.3.2011 (Anlage K 72)
91(Datei/Grafik nur in Originalentscheidung ersichtlich)
92kann der Kläger eine Geldentschädigung in Höhe von 15.000 Euro verlangen.
93(a) Weshalb die Bildberichterstattung den Kläger rechtswidrig in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt, hat der Senat in seiner den Parteien bekannten, nach Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten rechtskräftigen Entscheidung zum Aktenzeichen 15 U 73/13 dargestellt.
94(b) Die damit bewirkte – nunmehr wiederholte - Verletzung ist schwerwiegend. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die Ausführungen zur vergleichbaren Bildberichterstattung vom 7.2.2011 - siehe zuvor unter (3) - verwiesen werden. Hiernach überwiegen nicht nur die schutzwürdigen Interessen des Klägers gegenüber den Interessen der Beklagten an einer solcherart bebilderten Berichterstattung, weil die Bebilderung weder den Aussagegehalt der Wortberichterstattung noch die Authentizität des Geschilderten unterstreicht, während auf Seiten des Klägers zu berücksichtigen ist, dass das Foto den Kläger in erheblicher Weise in seiner Privatsphäre verletzt, die er in räumlicher Dimension auch auf dem Innenhof der Kanzlei seiner Verteidiger für sich beanspruchen kann. In Ansehung dessen und weil er sich in der betreffenden Situation in einer Phase der Vorbereitung und Sammlung im Hinblick auf das gegen ihn geführte Strafverfahren befand, durfte der Kläger auch hier die berechtigte Erwartung haben, den Blicken der Öffentlichkeit nicht ausgesetzt zu sein und von ihn erheblich belastenden Nachstellungen der Beklagten verschont zu werden. Ein weiteres Mal wurde er aber in einer Situation der hohen psychischen Belastung in einer aus seiner Sicht privaten und geschützten Umgebung heimlich und mit technischen Hilfsmitteln den Augen einer breiten Öffentlichkeit ausgesetzt, die ihn ersichtlich in seiner Würde herabsetzte und ihn zum Objekt degradierte, dies gegen den durch die erwirkte einstweilige Verfügung deutlich gemachten entgegenstehenden Willen des Klägers
95(c) Hinsichtlich dieser schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung ist der Beklagten nicht nur – wie bei der ersten Berichterstattung mit Bildern aus dem Innenhof der Verteidiger des Klägers – ein fahrlässiges, sondern vielmehr ein vorsätzliches Verhalten vorzuwerfen. Denn bereits mit Beschluss vom 17.2.2011 hatte das Landgericht Köln (28 O 127/11) die Veröffentlichung von Fotos verboten, die den Kläger auf dem Parkplatz der Kanzlei seiner Verteidigerin zeigten. Wenn auch die Frage, ob eine Bildberichterstattung zulässig ist, stets nach Umständen des Einzelfalls und insbesondere unter Berücksichtigung der begleitenden Wortberichterstattung zu beantworten ist, war der Beklagten jedoch angesichts dieser einstweiligen Verfügung des Landgerichts Köln bewusst, dass einer Veröffentlichung von inhaltlich und nach den Umständen ihrer Entstehung vergleichbarer Bildnisse aufgrund der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers gewichtige Gründe entgegenstanden. Aus diesem Grunde hat die Beklagte mit der erneuten Berichterstattung und der darin enthaltenen erneuten Veröffentlichung eines solchen Fotos bewusst wiederum gegen das Persönlichkeitsrecht des Klägers verstoßen.
96(d) Die einmal bewirkte Verletzung der Privatsphäre durch die Veröffentlichung des Bildnisses kann nicht rückgängig gemacht werden, auch nicht durch den gegen die Beklagten erwirkten Unterlassungstitel, der die Rechtsverletzung nicht vollständig beseitigen kann (vgl. BGHZ 160, 298). Die durch die Veröffentlichung verursachte Persönlichkeitsrechtsverletzung konnte daher nicht anderweit ausgeglichen werden (vgl. BGHZ 128, 1; BGH, Urt. v. 21.4.2015 - VI ZR 245/14, NJW 2015, 2500).
97(e) In Ansehung dessen und nach einer nochmaligen Abwägung sämtlicher maßgebender Umstände sieht der Senat ein unabweisbares Bedürfnis für eine angemessene, in Ansehung des Genugtuungsbedürfnisses des Klägers aber auch ausreichende Geldentschädigung in Höhe von 15.000 Euro, mit der insbesondere auch der Präventivfunktion Rechnung zu tragen ist.
98Zwar hat die Beklagte nur ein Bildnis veröffentlicht. Ihr ist aber eine hartnäckige Verletzung vorzuwerfen, nachdem mit Beschluss des Landgerichts Köln vom 17.2.2011 (28 O 127/11) die Veröffentlichung der - hinsichtlich der Verletzung der Privatsphäre gleichartigen - Bildnisse mit den unter (3) genannten Berichterstattungen im Wege einer einstweiligen Verfügung verboten worden war, was bei der Höhe der zuzuerkennenden Geldentschädigung bei Bildberichterstattungen auch unter Präventionsgesichtspunkten berücksichtigt werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.1995 - VI ZR 223/94, AfP 1996, 138; BGHZ 160, 298). Der Beklagten ist mit Rücksicht hierauf deutlich gemacht, dass insbesondere durch Nachstellungen wiederholt bewirkte Verletzungen der Privatsphäre prominenter Personen zu vermeiden sind, während die Entschädigung zugleich - in Ansehung der wirtschaftlichen Fähigkeiten der Beklagten - nicht eine Höhe erreicht, die die Beklagte in ihrer Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt.
99(5) Wegen der Veröffentlichung des Bildnisses des Klägers in dem Bericht „Der Ring der Gerüchte“ vom 27.3.2011 (Anlage K 76),
100(Datei/Grafik nur in Originalentscheidung ersichtlich)
101welches ebenfalls im Innenhof zum Büro seiner Verteidigerin vor der Hauptverhandlung entstanden ist, steht dem Kläger ebenfalls eine Geldentschädigung in Höhe von 15.000 Euro.
102(a) Weshalb die Bildberichterstattung den Kläger rechtswidrig in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt, hat der Senat in seiner den Parteien bekannten, nach Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten rechtskräftigen Entscheidung vom 18.2.2014 (15 U 126/13) dargestellt.
103(b) Die wiederum unter den vorbeschriebenen Umständen im Innenhof zur Kanzlei seiner Verteidigerin entstandene Bildberichterstattung der Beklagten stellt einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Zwar befasst sich die begleitende Wortberichterstattung mit der Frage, ob eine Eheschließung des Klägers mit einer ehemaligen Zeugin erfolgt ist, was durchaus für die öffentliche Diskussion um den Verlauf des gegen den Kläger gerichteten Strafverfahrens von Bedeutung sein kann. Allerdings wird eine solche angebliche Eheschließung durch das Lichtbild gerade nicht bebildert, da darauf weder Umstände zu erkennen sind, die auf eine (private) Beziehung des Klägers zu einer Frau hindeuten, noch Umstände, die einen Rückschluss auf eine erfolgte Hochzeit zulassen. Vielmehr hält der Kläger auf diesem Foto seine linke Hand, an der er angeblich den neuen Ehering trägt, gerade in der Jackentasche verborgen. Insofern wird mit dem Berichte durch die Beklagte lediglich ein beliebiger Anlass geschaffen, um zum wiederholten Male ein Bild des Klägers zu veröffentlichen, welches in einer als privat einzustufenden Situation auf dem Innenhof seiner Verteidiger auf der Fahrt zur Hauptverhandlung aufgenommen wurde und ihn so erneut „vorzuführen“. Die Schwere der Verletzung wird auch durch den auch mit dieser Berichterstattung bewirkten Eingriff in die Privatsphäre des Klägers in einer Situation hoher psychischer Belastung und das nur durch den Kläger belastende Nachstellungen und unter Verwendung technischer Hilfsmitteln mögliche Zerren die breite Öffentlichkeit bewirkt.
104(c) Die Beklagte handelte vorsätzlich. Denn nachdem mit einstweiliger Verfügung des Landgerichts vom 17.2.2011 (28 O 127/11) die Veröffentlichung der - hinsichtlich der Verletzung der Privatsphäre gleichartigen - Bildnisse mit den unter (3) und (4) genannten Berichterstattungen verboten worden waren und der Beklagten die Rechtswidrigkeit noch einmal vor Augen gehalten worden war, konnte sie sich dieser nicht mehr verschließen.
105(d) Die einmal bewirkte Verletzung der Privatsphäre durch die Veröffentlichung des Bildnisses kann nicht rückgängig gemacht werden, auch nicht durch den gegen die Beklagte erwirkten Unterlassungstitel, der die Rechtsverletzung nicht vollständig beseitigen kann (vgl. BGHZ 160, 298). Die durch die Veröffentlichung verursachte Persönlichkeitsrechtsverletzung konnte daher nicht anderweitig ausgeglichen werden (vgl. BGHZ 128, 1; BGH, Urt. v. 21.4.2015 - VI ZR 245/14, NJW 2015, 2500).
106(e) In Ansehung dessen und nach einer nochmaligen Abwägung sämtlicher maßgebender Umstände sieht der Senat ein unabweisbares Bedürfnis für eine angemessene, in Ansehung des Genugtuungsbedürfnisses des Klägers aber auch ausreichende Geldentschädigung in Höhe von 15.000 Euro, mit der insbesondere der Präventivfunktion Rechnung zu tragen ist.
107Zu berücksichtigen ist bei der Bemessung der Geldentschädigung, dass die Beklagte hinsichtlich der im Innenhof der Kanzlei gefertigten Fotos wiederum eine uneinsichtige Hartnäckigkeit an den Tag legt, die es – auch im Hinblick auf die Präventionsfunktion der Geldentschädigung – erforderlich macht, für weitere Veröffentlichungen trotz der bereits ergangenen Unterlassungsverfügung einen erhöhten Betrag anzusetzen (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.1995 – VI ZR 223/94, AfP 1996, 138; BGHZ 160, 298). Die Beklagte veröffentlichte erneut ein den Kläger im Umfeld der Kanzlei seiner Verteidigerin zeigendes Bildnis, das ihn im Vorfeld eines Hauptverhandlungstages im privaten Bereich wiedergibt und das erkennbar nicht geeignet sein konnte, das Thema des Beitrags zu illustrieren. Wiederum konnte es lediglich Ziel der Beklagten sein, einen Vorwand für das Abbilden des Klägers in einer privaten Situation zu schaffen.
108Der Beklagten ist mit Rücksicht hierauf deutlich gemacht, dass insbesondere durch Nachstellungen wiederholt bewirkte Verletzungen der Privatsphäre prominenter Personen zu vermeiden sind, während die Entschädigung zugleich - in Ansehung der wirtschaftlichen Fähigkeiten der Beklagten - nicht eine Höhe erreicht, die die Beklagte in ihrer Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt.
109(6) Für die Veröffentlichung der Bildnisse des Klägers in dem Bericht „Die Ls auf Prozess-Urlaub in L2“ vom 18.4.2011 (Anlage K 79)
110(Datei/Grafik nur in Originalentscheidung ersichtlich)
111steht dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 20.000 Euro zu.
112(a) Durch die Veröffentlichung dieser Bildnisse hat die Beklagte das Persönlichkeitsrecht des Klägers rechtswidrig verletzt. Wie der Senat mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 10.12.2013 (15 U 77/13), auf das verwiesen wird, ausgeführt hat, überwiegen die schutzwürdigen Belange des Klägers das Informationsinteresse der Öffentlichkeit.
113(b) Die Bildberichterstattung der Beklagten stellt aufgrund der Thematik und der Umstände ihres Entstehens einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Bei einer Bildberichterstattung sind für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes auch der Anlass und die Umstände zu berücksichtigen, unter denen die Aufnahme entstanden ist, etwa die Ausnutzung von Heimlichkeit oder beharrlicher Nachstellung. Auch ist bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird. Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts wiegt schwerer, wenn die visuelle Darstellung durch Ausbreitung von üblicherweise öffentlicher Erörterung entzogenen Einzelheiten des privaten Lebens thematisch die Privatsphäre berührt oder wenn der Betroffene nach den Umständen typischerweise die berechtigte Erwartung haben durfte, nicht in den Medien abgebildet zu werden. Das kann nicht nur bei einer durch räumliche Privatheit geprägten Situation, sondern außerhalb örtlicher Abgeschiedenheit auch in Momenten der Entspannung oder des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs und des Alltags der Fall sein (BGH, Urt. v. 1.7.2008 - VI ZR 243/06, NJW 2008, 3138).
114Zwar ist die Darstellung des Klägers auf den betreffenden Fotos nicht nachteilig, da er dabei fotografiert wird, wie er eine Reisetasche über die Schulter nimmt bzw. diese trägt und auch im Übrigen keine optisch unvorteilhafte Darstellung gegeben ist. Als schwerwiegend ist die Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die Beklagte aber deshalb einzustufen, weil der Kläger sich in der betreffenden Situation im bzw. auf dem Weg in seinen Urlaub befand und die Bildnisse nur entstehen konnten, weil er sich ständiger Nachstellung durch Fotografen der Beklagten bis in sein Privatleben hinein ausgesetzt sah. Ein Urlaub soll der Erholung und Entspannung dienen, was im Falle des Klägers, der sich im Zeitpunkt der Aufnahme als Angeklagter in einem laufenden Strafverfahren befand und dabei nicht unerheblichen psychischen und physischen Beeinträchtigungen ausgesetzt war, in besonderem Maße galt. Einem erhöhten Schutzbedürfnis des Klägers steht auch nicht entgegen, dass sich der abgebildete Vorgang im öffentlichen Bereich des Flughafens abspielte, in dem der Kläger generell mit einer Beobachtung durch die Öffentlichkeit rechnen musste. Denn trotz dieses Umfeldes handelte es sich um einen erkennbar privaten Lebensvorgang, der Teil der geschützten Privatsphäre war. Hinzu kommt, dass die Verbreitung der streitgegenständlichen Fotos in den Medien der Beklagten weit über diejenige Beeinträchtigung hinausgeht, die der Kläger durch die zufällige Beobachtung von Mitreisenden auf dem Flughafen zu gegenwärtigen hatte.
115Weiter ist erschwerend zu berücksichtigen, dass es keinerlei öffentliches Berichterstattungsinteresse an der Tatsache gab, dass sich der Kläger auf dem betreffenden Flughafen aufhielt. Auf die begleitende Wortberichterstattung kann sich die Beklagte in diesem Zusammenhang nicht berufen. Denn diese befasst sich – anders als die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung dies nahelegen – überhaupt nicht mit dem die Öffentlichkeit grundsätzlich interessierenden Thema, ob und inwieweit durch die Auslandsreise des Klägers möglicherweise Fluchtgefahr begründet werden könnte – was nicht nahe lag, da das Oberlandesgerichts Karlsruhe bereits den Haftbefehl aufgehoben hatte – oder sonstige Auswirkung auf das gegen ihn zu diesem Zeitpunkt noch anhängige Strafverfahren zu erwarten sind. Die Frage einer Sonderbehandlung des Klägers als damals Angeklagtem war dagegen nicht Gegenstand der Erörterungen. Ein der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vergleichbarer Fall, in dem dieser der Presse die berechtigte Funktion eines "öffentlichen Wachhundes" bei dem Haftausgang eines Schauspielers und Moderators schon zwei Wochen nach Haftantritt einer mehrjährigen Freiheitsstrafe zugesprochen hat (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.2008 - VI ZR 207/07, GRUR 2009, 150), liegt ersichtlich nicht vor. Konnte der Kläger damit sowohl aufgrund des Anlasses als auch des Ortes seines Aufenthaltes in Anspruch nehmen, in Ruhe gelassen zu werden, hat die Beklagte ihn wiederum im Hinblick auf die Neugier ihrer Leser zum Objekt der Öffentlichkeit gemacht. Zu diesem Zweck hat sie ihm in aufwendiger und durchaus aggressiver Weise nachgestellt, indem ihr Fotoreporter dem Kläger entweder bis nach L2 hinterher reiste oder aber ihn dort „aufspürte“.
116(c) Bei dieser Berichterstattung hat die Beklagte auch schuldhaft, nämlich bedingt vorsätzlich gehandelt, weil sie trotz des klar erkennbaren Umstandes, dass eine Bildberichterstattung über den Urlaub des Klägers sein Persönlichkeitsrecht verletzt, diesen bis an seinen Urlaubsort verfolgt hat. Da das Landgericht bereits zuvor die Veröffentlichung von Fotos untersagt hatte, die der Kläger im Innenhof der Kanzlei seiner Verteidiger in Vorbereitung auf die Hauptverhandlung zeigten, lag für die Beklagte klar auf der Hand, dass – auch unter Berücksichtigung des vorliegenden Gesamtkontextes der Berichterstattung – eine Veröffentlichung von Fotos des Klägers auf dem Flughafen während seines Urlaubs nicht zulässig war.
117(d) Die damit hervorgerufene Beeinträchtigung des Klägers kann nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden. Der gegen die Beklagte erwirkte Unterlassungstitel schließt den Geldentschädigungsanspruch unter den Umständen des vorliegenden Falles – wie bereits oben dargelegt – nicht aus. Eine Genugtuung des Klägers kann nur durch eine Geldzahlung eintreten, weil die Folgen, die die Veröffentlichung des betreffenden Fotos in der Öffentlichkeit mit sich bringt, nicht mehr revidiert werden können.
118(e) In Ansehung dessen und nach nochmaliger Abwägung sämtlicher maßgebender Umstände sieht der Senat ein unabweisbares Bedürfnis für eine angemessene, im Hinblick auf das Genugtuungsbedürfnis des Klägers aber auch ausreichende Geldentschädigung in Höhe von 20.000 Euro. Diese rechtfertigt sich aufgrund der dargestellten Umstände, unter denen die Bildberichterstattung entstanden ist, nämlich durch eine Nachstellung bis in den Urlaub des Klägers hinein, wobei die Bebilderung der begleitenden Wortberichterstattung nicht dazu diente, ein Thema von allgemeinem Interesse sachbezogen zu erörtern. Gegenstand der Berichterstattung war ausschließlich die – erkennbar private – Urlaubssituation des Klägers, die einen äußeren Anlass für die Abbildung des Klägers bildete. Dem Kläger wurde es durch das Verhalten der Beklagten nicht nur verwehrt, seinen Urlaub zur Erholung zu nutzen. Ihm wurde es darüber hinaus durch die Nachstellungen der Beklagten unmöglich gemacht, trotz Unterbrechung des Strafverfahrens und einer mehrere tausend Kilometer umfassenden Reise von Deutschland aus der ständigen medialen Beobachtung zu entgehen, der ihn die Beklagte und andere Presseunternehmen seit mehreren Monaten unterwarfen. Ohne jeden Anlass wurde der Kläger – wie bereits mehrfach in der Vergangenheit – von der Beklagten zum bloßen Objekt degradiert, um die Neugier der Leser zu befriedigen, die sich nicht über den Verlauf des die Öffentlichkeit interessierenden Strafverfahrens, sondern vielmehr nur über die privaten Aktivitäten des Klägers informieren wollten, was von der Beklagten mit dem streitgegenständlichen Bildnis auch ermöglicht wurde. Der Beklagten ist damit insgesamt – auch unter Berücksichtigung des Präventionsgedankens – deutlich gemacht, dass insbesondere durch Nachstellungen bewirkte Verletzungen der Privatsphäre prominenter Personen zu vermeiden sind, während die Entschädigung zugleich - in Ansehung der wirtschaftlichen Fähigkeiten der Beklagten - nicht eine Höhe erreicht, die die Beklagte in ihrer Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt.
119(7) Für die Veröffentlichung des Bildnisses des Klägers in dem Bericht „Heimliche Hochzeit auf Schloss T2“ vom 12.3.2012 (Anlage K 94),
120(Datei/Grafik nur in Originalentscheidung ersichtlich)
121hinsichtlich derer die Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat, steht dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 20.000 Euro zu.
122(a) Durch die Veröffentlichung dieses Bildnisses ohne Einwilligung des Klägers hat die Beklagte das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers rechtswidrig verletzt.
123(aa) Bei dem beanstandeten Foto handelt es sich um ein Bildnis i.S.d. § 22 KUG. Ein Bildnis i.S.v. § 22 S. 1 KUG ist die Darstellung einer Person, die deren äußere Erscheinung in einer für Dritte erkennbaren Weise wiedergibt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die äußere Erscheinung einer Person vollständig oder teilweise wiedergegeben wird. Entscheidend ist, dass Dritte erkennen können, welche Person gezeigt wird (vgl. BGH, Urt. v. 18.11.2010 – I ZR 119/08, juris Rn. 13). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, auch wenn der Kläger bei isolierter Betrachtung des ihn abbildenden Fotos nur von schräg hinten gezeigt und daher als Person nicht unproblematisch zu erkennen ist. Denn jedenfalls wird er im Kontext der begleitenden Wortberichterstattung eindeutig identifiziert.
124(bb) Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG (vgl. BGH NJW 2009, 3032) unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfG NJW 2008, 1793) und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Schutzgehalt des Art. 8 Abs. 1 EMRK zu messen (EGMR NJW 2004, 2647). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 S. 1 KUG). Ohne eine solche Einwilligung, die hier unstreitig nicht gegeben ist, dürfen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) veröffentlicht werden, es sei denn, durch die Bildveröffentlichung werden berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt (§ 23 Abs. 2 KUG). Dabei erfordert bereits die Frage, ob Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorliegen, eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK anderseits (vgl. BGH NJW 2010, 3025). Bei dieser Abwägung ist ein normativer Maßstab zugrunde zu legen, welcher die Pressefreiheit und zugleich den Schutz der Persönlichkeit und der Privatsphäre ausreichend berücksichtigt (vgl. BGH NJW 2009, 757; BGH VersR 2010, 673). Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Der Begriff des Zeitgeschehens ist zugunsten der Pressefreiheit in einem weiten Sinn zu verstehen. Er umfasst nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse.
125Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt (BGH NJW 2009, 757; BGH NJW 2010, 2432). Bei der Gewichtung des Informationsinteresses im Verhältnis zum kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu. Entscheidend ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - lediglich die Neugier der Leser befriedigen (BGH NJW 2009, 1499; BVerfGE 101, 361; BVerfG NJW 2008, 1793). Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist dabei in dem Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, und unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung zu ermitteln. Daneben sind für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes der Anlass der Bildberichterstattung und die Umstände in die Beurteilung mit einzubeziehen, unter denen die Aufnahme entstanden ist. Auch ist bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird (BGH NJW 2009, 757; BGH NJW 2010, 2432; BVerfG NJW 2008, 1793). Zu berücksichtigen ist ferner, ob bei der Presseberichterstattung die Abbildung eines anlässlich eines zeitgeschichtlichen Ereignisses gefertigten Fotos nur zum Anlass für Ausführungen über eine Person genommen wird oder die Berichterstattung nur dazu dient, einen Anlass für die Abbildung prominenter Personen zu schaffen, ohne dass die Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung erkennen lässt. In solchen Fällen ist es nicht angezeigt, dem Veröffentlichungsinteresse den Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz einzuräumen (BVerfG NJW 2008, 1793).
126(cc) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze handelt es sich vorliegend bei Abwägung der gegenseitigen Belange schon nicht um ein Bildnis der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, welches ohne Einwilligung des Klägers hätte veröffentlicht werden dürfen.
127Zunächst ist die Bildberichterstattung nicht allein schon im Hinblick darauf gerechtfertigt, dass es sich bei dem Kläger um eine prominente Person handelt. Denn auch bei Prominenten, bei denen der Schutzbereich der Pressefreiheit auch unterhaltende Beiträge über deren Privat- oder Alltagsleben sowie ihr soziales Umfeld umfasst, hat eine Abwägung der kollidierenden Rechtspositionen stattzufinden. Die damit erforderliche Güterabwägung führt zu dem Ergebnis, dass die schutzwürdigen Interessen des Klägers überwiegen.
128(aaa) Die beanstandete Abbildung zeigt den Kläger am Tage nach seiner kirchlichen Hochzeit in der Empfangshalle des Schlosshotels T2. Sie bebildert damit seine Privatsphäre, weil sie ihn in einer Situation zeigt, die grundsätzlich den Augen der Öffentlichkeit entzogen ist und zum geschützten Kernbereich der Privatsphäre gehört (vgl. BGH AfP 2007, 208). Auch der Kläger als prominente Person kann sich hinsichtlich des ungestörten Ablaufs seiner Hochzeitsfeierlichkeiten sowie der sie begleitenden Geschehnisse wie Ankunft und Abreise der Gäste auf den Schutz seiner Privatsphäre berufen, die durch den grundrechtlichen Schutz von Ehe und Familie in Art. 6 Abs. 1 GG noch eine Verstärkung erfährt (vgl. KG, Urt. v. 20.9.2012 – 10 U 2/12, juris Rn. 20). Dies gilt insbesondere in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Kläger Zeit, Ort und die weiteren näheren Umstände seiner kirchlichen Trauung vor der Öffentlichkeit gerade geheim gehalten hat. Dieses besondere Schutzinteresse, die Hochzeitsfeier und die sie begleitenden Geschehnisse von einer Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit fern zu halten, ist gegenüber einem im Wesentlichen allein der Zerstreuung oder der Befriedigung von Neugier dienenden Informationsanliegen regelmäßig vorrangig.
129Soweit der erhöhte Schutzbedarf nicht schon aus der Hochzeitsfeier bzw. ihrem Begleitgeschehen an sich resultiert, sondern der konkretisierenden Herleitung aus den Umständen der dargestellten Situation bedarf, ist vorliegend auch eine solch schutzwürdige Situation gegeben. Denn da sich der Kläger bei Verabschiedung seiner Gäste am Tag nach seiner kirchlichen Trauung und der anschließenden Feier in besonderem Maße typischen Entspannungsbedürfnissen widmete, ist er in dieser Situation gegenüber medialer Aufmerksamkeit und Darstellung in erhöhtem Umfang schutzbedürftig. Gerade bei dem Aufenthalt in einem Hotel und in besonderem Maße am Tage nach einer sehr persönlichen Feier ergibt sich die Schutzbedürftigkeit aus dem Umstand, dass der Alltag weitgehend ausgeklammert wird und – wie auch vorliegend – auf die optische Außenwirkung im Hinblick auf die typischerweise lange Dauer einer Hochzeitfeier weniger Wert gelegt wird.
130Einem erhöhten Schutzbedürfnis des Klägers steht auch nicht entgegen, dass sich der auf dem Bildnis abgebildete Vorgang in der Empfangshalle des Schlosshotels und damit in einem grundsätzlich öffentlich zugänglichen Bereich abgespielt hat. Denn erkennbar private Lebensvorgänge können auch in der Öffentlichkeit Teil der geschützten Privatsphäre sein, da es eine erhebliche Einschränkung des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit darstellen würde, wenn jeder, der einer breiteren Öffentlichkeit bekannt ist, sich in der Öffentlichkeit nicht unbefangen bewegen könnte, weil er auch bei privaten Gelegenheiten jederzeit widerspruchslos fotografiert und mit solchen Fotos zum Gegenstand einer Berichterstattung gemacht werden dürfte (vgl. BGH GRUR 2009, 665).
131(bbb) Im Verhältnis zu diesen Interessen des Klägers stellt die Verabschiedung seiner Gäste nach seiner Hochzeitsfeier in der Empfangshalle des Hotels auch unter Berücksichtigung der begleitenden Wortberichterstattung (vgl. BGH GRUR 2009, 585) keinen Vorgang von allgemeinem Interesse dar, der eine Veröffentlichung der Fotos ohne Einwilligung des Klägers gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG rechtfertigen könnte.
132Das streitgegenständliche Foto selbst hat keinerlei Informationswert. Denn es bildet gerade nicht die Hochzeit des Klägers als mögliches Ereignis von öffentlichem Interesse ab. Bei der Verabschiedung der Gäste handelt es sich um eine rein private Situation, der keinerlei Informationswert für die Öffentlichkeit beiwohnt. Das gegen den Kläger geführte Strafverfahren, welches Gegenstand des allgemeinen öffentlichen Interesses gewesen war, war im Zeitpunkt der Berichterstattung bereits seit sechs Monaten rechtskräftig abgeschlossen. Auch enthält weder das Bildnis selbst noch die dieses begleitende Wortberichterstattung Details über das Strafverfahren oder einen sonstigen Beitrag zu einer Diskussion von öffentlichem Interesse. Vielmehr wird nur am Rande erwähnt, dass die Ehefrau des Klägers in dem gegen ihn früher geführten Strafverfahren als Zeugin ausgesagt hat. Im Übrigen befasst sich der Artikel ausschließlich mit dem von der Beklagten vermuteten Ablauf der Hochzeit, dem Brautkleid sowie den Räumlichkeiten in Schloss T2.
133Aber auch dann, wenn die kirchliche Hochzeit des Klägers mit einer Zeugin des bereits rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens grundsätzlich als Anlass für eine öffentliche Diskussion als ausreichend erachtet würde, ist die Bedeutung des streitgegenständlichen Bildnisses für die öffentliche Meinungsbildung so gering, dass sie den vorliegenden Eingriff in die Privatsphäre des Klägers nicht rechtfertigen kann. Denn die Anerkennung (irgend-)einer Bedeutung der Presseberichterstattung für die öffentliche und individuelle Meinungsbildung bewirkt nicht automatisch, dass der besondere persönlichkeitsrechtliche Bildnisschutz des Abgebildeten stets zurückzutreten hat (vgl. BVerfG NJW 2008, 1973). Da hier der Kernbereich der Privatsphäre des Klägers verletzt wird, ist vielmehr von einem überwiegenden Interesse des Klägers auszugehen.
134(ccc) Soweit damit aufgrund der Stellung des Klägers als Prominenten oder aufgrund des früher gegen ihn geführten Strafverfahrens, in dem seine jetzige Ehefrau einst als Zeugin vernommen wurde, Anknüpfungspunkte für ein öffentliches Interesse an der Berichtserstattung bestehen, überwiegen ebenfalls die Interessen des Klägers. Zwar gehört zu den vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG umfassten Rechten der Presse, dass diese nach ihren publizistischen Kriterien selbst entscheiden kann, was sie der Berichterstattung für wert hält. Allerdings erfasst dieses Selbstbestimmungsrecht nicht auch die Entscheidung, wie das Informationsinteresse im Zuge der Abwägung mit kollidierenden Rechtsgütern zu gewichten und der Ausgleich zwischen den betroffenen Rechtsgütern herzustellen ist. Dies obliegt vielmehr im Streitfall den Gerichten (BVerfG NJW 2008, 1793) und ist hier zugunsten des Klägers zu bewerten.
135(b) Die Bildberichterstattung der Beklagten stellt auch einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger auf dem betreffenden Bildnis kaum zu erkennen ist, sondern eine (sichere) Identifizierung erst durch die begleitende Wortberichterstattung ermöglicht wird. Denn die Schwere des Eingriffs folgt im vorliegenden Fall nicht aus der Art der Darstellung des Klägers, sondern vielmehr aus dem Aspekt der nachhaltigen Verfolgung seiner Person und der nachdrücklichen Missachtung seiner persönlichkeitsrechtlichen Belange. Der Kläger wird in einer für ihn sehr privaten Situation, nämlich bei der Verabschiedung seiner Gäste am Tag nach der Hochzeit fotografiert und musste angesichts des - im Bericht der Beklagten sogar ausdrücklich erwähnten - Umstandes, dass er für diese Feier zum Zwecke der Geheimhaltung einen unbekannten und abgeschiedenen Ort ausgewählt hatte, nicht mit einer Beobachtung durch die breite Öffentlichkeit rechnen. Hinzu kommt erschwerend, dass das von der Beklagten veröffentlichte Bildnis dieses Ereignis überhaupt nicht abbildet, sondern lediglich das begleitende Randgeschehen der Verabschiedung der Gäste am Morgen nach der Trauung, dem kein Informationswert für eine die Öffentlichkeit interessierende Diskussion innewohnt. Damit handelt es sich um eine Aufnahme, welche die Neugier der Leser am Privatleben des Klägers befriedigen soll. Die Aufnahme des streitgegenständlichen Bildnisses erfolgte des Weiteren im Wege einer beharrlichen Nachstellung durch einen lokalen Redakteur der Beklagten, gegenüber dem zuvor ein Hausverbot ausgesprochen worden war, was er aber zum Zwecke der Anfertigung eines Fotos des Klägers missachtet hatte.
136(c) Hinsichtlich dieser schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung ist der Beklagten ein vorsätzliches Verhalten vorzuwerfen, weil sie schon nach ihren eigenen Angaben in dem entsprechenden Beitrag wusste, dass es sich um eine „heimliche“ Hochzeit handelte, bei der die Anwesenheit der Öffentlichkeit und erst recht die Anwesenheit von Fotografen der Beklagten nicht geduldet war. Gleichwohl hat sie sich über diesen ihr bekannten Willen des Klägers mit Mitteln der beharrlichen Nachstellung und unter Übertretung eines ausdrücklich ausgesprochenen Hausverbotes hinweggesetzt.
137(d) Die damit hervorgerufene Beeinträchtigung des Klägers kann auch nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden. Die von der Beklagten abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung schließt den Geldentschädigungsanspruch unter den Umständen des vorliegenden Falles – wie bereits oben dargelegt – nicht aus. Eine Genugtuung des Klägers kann nur durch eine Geldzahlung eintreten, weil die Folgen, die die Veröffentlichung des betreffenden Fotos in der Öffentlichkeit mit sich bringt, nicht mehr revidiert werden können.
138(e) In Ansehung dessen und nach nochmaliger Abwägung sämtlicher maßgebender Umstände sieht der Senat ein unabweisbares Bedürfnis für eine angemessene, im Hinblick auf das Genugtuungsbedürfnis des Klägers aber auch ausreichende Geldentschädigung in Höhe von 20.000 Euro. Angesichts der auch über das Ende des Strafprozesses andauernden Verfolgung des Klägers durch Bildjournalisten in seinen privaten Bereich ist von einem Gefühl des Ausgeliefertseins auszugehen. Abweichend von der Fallkonstellation, die der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 16.6.2016 (Az.: 68273/10 und 34194/11) zugrunde lag, fand die Hochzeit des Klägers nicht unter Beteiligung zahlreicher Prominenter und Politiker in einer als hochrangiger Touristenattraktion einzustufender Örtlichkeit statt und ist auch die Stellung des Klägers und seiner Ehefrau in der öffentlichen Wahrnehmung nicht als derart herausgehoben anzusehen, dass die Veröffentlichung bildlicher Darstellungen über ein Randgeschehen der Hochzeitsfeierlichkeit entschädigungslos hingenommen werden müsste.
139Der Beklagten ist mit dieser Entschädigungsverpflichtung mit Rücksicht auf die Präventivfunktion deutlich gemacht, dass sie von derartigen, die Privatsphäre verletzenden Bildberichterstattungen künftig abzusehen hat, während die Entschädigung zugleich – in Ansehung der wirtschaftlichen Fähigkeiten der Beklagten – nicht eine Höhe erreicht, die die Beklagte in ihrer Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt.
140bb) Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Entschädigung wegen vermeintlicher Falschberichterstattungen.
141(1) Das gilt zunächst für die Berichterstattung mit dem Titel „Wer verliert wer profitiert im -L-Chaos – Es geht um Geld, Macht, Liebe, Lüge. Alle Zutaten eines Dramas“ vom 11.7.2010 (Anlage K 51).
142Die vom Kläger beanstandete Äußerung „Er soll im Knast getobt und geschrien haben, als er vom Interview erfuhr“, bewirkt jedenfalls keine schwerwiegende, geldentschädigungswüdrige Persönlichkeitsrechtsverletzung, selbst wenn es sich bei dieser Beschreibung des Gemütszustandes des Klägers um eine unwahre Tatsachenbehauptung handeln sollte. Dass der Kläger angesichts der äußeren Umstände – er befand sich als Angeklagter in einem Strafverfahren in Untersuchungshaft und erfuhr dort von der für ihn negativen öffentlichen Stellungnahme einer ehemaligen Geliebten – die Fassung verliert, stellt eine eher naheliegende, jedenfalls aber nachvollziehbare Reaktion dar und wertet ihn daher aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten in der öffentlichen Wahrnehmung nicht herab. Weder Form noch Inhalt der Äußerung sind daher geeignet, das Ansehen des Klägers in der Öffentlichkeit zu mindern, ihn in erheblichem Maße herabzusetzen oder ihn in den Grundlagen seiner Persönlichkeit zu treffen. Mit Rücksicht hierauf ist die Zuerkennung einer Geldentschädigung zugleich nicht unabweisbar geboten.
143(2) Auch die Berichterstattungen mit den Titeln „L ist sein eigenes Opfer“ vom 22.12.2010 (Anlage K 55) sowie „L und die Mitleidsmasche“ vom 29.10.2010 (Anlage K 56) lösen keinen Geldentschädigungsanspruch aus.
144(a) Zwar ist mit den beanstandeten Äußerungen:
145„Dieses Leben mit mindestens sechs Frauen gleichzeitig, denen er allen die Ehe versprochen hat.“
146Er hatte zur angeblichen Tatzeit schließlich 5 Frauen gleichzeitig Ehe und Kinder versprochen und soll von jeder erwartet haben, dass sie „treu“ ist.“
147jeweils ein rechtswidriger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers verbunden, was der Senat mit seinem Urteil vom 3.7.2012 (15 U 200/11) ausgeführt hat. Die Tatsachenbehauptung, dass der Kläger gegenüber fünf bzw. sechs Frauen ein Eheversprechen abgegeben hat, ohne dass die jeweils parallel laufenden Beziehungen und die in diesen gegebenen Eheversprechen beendet bzw. zurückgenommen waren, ist unwahr und hat auch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers zur Folge.
148(b) Diese Persönlichkeitsrechtsverletzung ist jedoch nicht so schwerwiegend, dass sie die Zubilligung einer Entschädigung gebietet. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger – ausweislich seiner eigenen Ausführungen in dem von ihm und seiner Ehefrau verfassten Buch „S“ (Anlage B 6, S. 9) sowie in Zeitungsinterviews – unstreitig intime Beziehungen zu mehreren Frauen gleichzeitig unterhielt, jedenfalls drei von ihnen gefragt hat, ob sie zur Eheschließung bereit seien und sämtliche seiner Freundinnen durch Lügen und Täuschungsmanöver insoweit unwissend gehalten hat, dass sie sich für seine einzige Partnerin hielten.
149Zwar unterscheidet sich das Bild von der Person und dem Verhalten des Klägers, welches durch diese unstreitigen Tatsachen in der Öffentlichkeit entsteht, von demjenigen Bild, welches sich der durchschnittliche Rezipient anhand der von der Beklagten veröffentlichten Äußerungen macht; der Unterschied ist auch nicht nur „graduell“ im Sinne einer „Vergröberung“ (vgl. OLG Brandenburg, Urt. v. 2.9.1998 - 1 U 4/98, NJW 1999, 3339). Jedoch ist die Herabwürdigung der Person des Klägers in der Öffentlichkeit und der Schaden, den sein Ruf erlitten hat, vor allem dadurch verursacht worden, dass sein Beziehungsleben öffentlich wurde, welches sich durch eine Vielzahl von parallel verlaufenden (intimen) Beziehungen auszeichnete, die der Kläger nur durch Lügen und Täuschungen zeitgleich aufrecht erhalten konnte. Dabei ist zwar die Zahl der Eheversprechen, die er gegenüber seinen Freundinnen ausgesprochen haben soll, nicht gleichgültig, da sich auch in der konkreten Zahl die Missachtung der Partnerinnen durch den Kläger zeigt. Jedoch werden die nachhaltige Minderung seines Ansehens in der Öffentlichkeit und die daraus resultierende berufliche und gesellschaftliche Ächtung nicht maßgeblich durch die konkrete Anzahl der Eheversprechen, sondern vielmehr dadurch bestimmt, dass der Kläger in seinem Privatleben ein fragwürdiges Verhalten gezeigt hat.
150(c) Schließlich besteht vor dem Hintergrund, dass der Kläger selbst die vorgenannten Umstände seines Beziehungslebens öffentlich gemacht hat, jedenfalls kein unabweisbares Bedürfnis für die Zubilligung einer Geldentschädigung.
151cc) Wegen Verletzung seiner Geheimsphäre durch die nachfolgend aufgeführte Berichterstattung steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Entschädigung in Höhe von insgesamt 35.000 Euro zu.
152(1) Wegen der Berichterstattung mit dem Titel „Popstar J und L – Er schickte ihr 50 heiße Flirt-SMS“ vom 7.4.2010 (Anlage K 42) steht dem Kläger ein Anspruch auf eine Geldentschädigung in Höhe von 15.000 Euro zu.
153(a) Wie der Senat in seinem rechtskräftigen Urteil vom 3.2.2015 (15 U 133/14) festgestellt hat, stellen die in diesem Beitrag enthaltenen Äußerungen:
154„Wie erreicht man als Alm-Öhi, dass Du Heidi wirst?“
155„Wie schnell sollte man sein, damit einem andere nicht zuvorkommen?“
156„Ich hatte gehofft, besonders zu sein.“
157„Es war auch wunderschön zu spüren, dass Du kein Blödchen bist, wie blöde alte Männer bei Castingmädchen denken könnten.“
158„Grmpf, greift ins voll Eifersüchtigguck.“
159„Ohoho, Stalking grenzwert erreicht?“
160„Ich ahnte es so. Nach Alpöhi-X2bild würde das arme Vreni nur noch zu Hause wild sein dürfen.“
161„Sympathisch, Lausemädchen.“
162einen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Die Beklagte hat die ohne Einwilligung des Klägers zur Verfügung gestellten SMS-Nachrichten in ihrem Wortlaut veröffentlicht und damit die Vertraulichkeitssphäre des Klägers sowie sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verletzt. Dabei konnte das von ihr vermeintlich verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit nicht überwiegen. Denn weder im Rahmen des gegen den Kläger zum damaligen Zeitpunkt andauernden Ermittlungsverfahrens noch unter Berücksichtigung seiner prominenten Stellung enthalten diese Nachrichten einen Informationswert, der über die reine Befriedigung der bloßen Neugier hinausgeht.
163(b) Die Berichterstattung der Beklagten stellt auch einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Der Kläger wird durch den Geheimnisverrat der Beklagten in einer privaten Angelegenheit, nämlich bei dem Versuch der Anbahnung einer intimen Beziehung der Öffentlichkeit vorgeführt. Darüber hinaus hat die Beklagte, indem sie nicht nur den Inhalt der betreffenden Textnachrichten veröffentlichte, sondern auch den konkreten Wortlaut mitteilte, den Kläger in besonderer Weise bloßgestellt. Ähnlich wie bei einer mündlichen Unterhaltung wird bei der Kommunikation per SMS-Nachrichten eine eher umgangssprachlich geprägte sowie durch Abkürzungen und/oder Verkürzungen gekennzeichnete Sprache verwendet. Vergleichbar mit der Tonbandaufzeichnung des gesprochenen Wortes wird bei einer solchen Nachricht die Äußerung des Adressaten nicht nur ihrem Inhalt nach, sondern auch in den Einzelheiten des Ausdrucks fixiert und aus der Sphäre einer von der Flüchtigkeit des Worts geprägten Unterhaltung herausgehoben und konserviert. Gerade in diesen sensiblen Bereich der Vertraulichkeitssphäre des Klägers hat die Beklagte eingegriffen. Sie hat sich nämlich gerade nicht darauf beschränkt, das aus den Kommunikationsdaten erlangte Wissen, dass die Empfängerin ca. 50 Flirtnachrichten vom Kläger erhalten hatte, deren Texte ausweislich der weiteren Berichterstattung „mal frech flirtend, mal schüchtern charmant“ gewesen seien, weiterzugeben, sondern hat vielmehr den exakten Wortlaut der SMS-Nachrichten veröffentlicht, womit die Äußerungen des Klägers gerade in ihrer textlichen Fixierung aller Einzelheiten des Ausdrucks reproduziert wurden. Dies stellt eine komplexe Preisgabe der Person des Klägers dar, der gegenüber der Öffentlichkeit aus Gründen des reinen Voyeurismus und zur Befriedigung der Neugier der Leser lächerlich gemacht und bloßgestellt wird. Die ihr als Presse obliegende Verantwortung, auch die schützenswerten Belange des Betroffenen zu achten (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1978 – VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120; KG, Urt. v. 18.4.2011 – 10 U 149/10, juris), hat die Beklagte missachtet und sich über die Belange des Klägers rücksichtslos hinweggesetzt, indem sie die ihr (offenbar) von der Empfängerin überlassene SMS-Kommunikation ohne Einwilligung des Klägers und ohne öffentliches Informationsinteresse verbreitete.
164(c) Hinsichtlich dieser schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung ist der Beklagten ein bedingt vorsätzliches Verhalten vorzuwerfen. Der Beklagten war zum einen schon aufgrund der äußeren Umstände – der Kläger befand sich in Untersuchungshaft, das Ermittlungsverfahren dauerte an – bewusst, dass dieser keine Einwilligung zur wörtlichen Veröffentlichung der betreffenden SMS-Nachrichten erteilen würde. Zum anderen lag für die Beklagte auf der Hand, dass ihre Berichterstattung über die bloße Befriedigung der Neugier und Sensationslust der Leser hinaus keinen Informationswert hatte. Ein auch nur irgendwie gearteter Tatbezug war fernliegend. In Ansehung dessen hat sich die Beklagte der Erkenntnis der Rechtswidrigkeit der Berichterstattung bewusst verschlossen.
165(d) Die damit hervorgerufene Beeinträchtigung des Klägers kann auch nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden. Der gegen die Beklagte erwirkte Unterlassungstitel schließt den Geldentschädigungsanspruch unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht aus. Eine Genugtuung des Klägers kann vielmehr nur durch eine Geldzahlung eintreten, weil die Folgen, die die Veröffentlichung der privaten SMS mit sich bringt (Veröffentlichung privater Nachrichten, Geheimnisverrat, Bloßstellung durch Wiedergabe des genauen Wortlauts), nicht mehr revidiert werden können.
166(e) In Ansehung dessen und nach einer Abwägung sämtlicher maßgebender Umstände sieht der Senat ein unabweisbares Bedürfnis für eine angemessene, im Hinblick auf das Genugtuungsbedürfnis des Klägers aber auch ausreichende Geldentschädigung in Höhe von 15.000 Euro. Der Beklagten ist damit unter dem Gesichtspunkt der Prävention zum einen deutlich gemacht, dass Informationen aus der Vertraulichkeitssphäre nur unter besonderen Umständen und nach einer sorgfältigen Abwägung öffentlich gemacht werden dürfen; zum anderen ist der Beklagten aufzuzeigen, dass solche Veröffentlichungen verboten sind, mit denen - wie hier - ein regelrechtes „Ausziehen“ des Betroffenen in der Öffentlichkeit verbunden ist. Die vom Senat zuerkannte Entschädigung erreicht damit allerdings - in Ansehung der wirtschaftlichen Fähigkeiten der Beklagten - auch nicht eine Höhe, die die Beklagte in ihrer Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt.
167(2) Wegen der Berichterstattung mit dem Titel „Hatte L 6 Frauen gleichzeitig?“ vom 29.4.2010 (Anlage K 44) kann der Kläger eine Geldentschädigung in Höhe von 10.000 Euro verlangen.
168a. Wie der Senat mit seinem aufgrund Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten rechtskräftigen Urteil vom 15.11.2011 (15 U 60/11) festgestellt hat, stellen die in diesem Bericht enthaltenen Äußerungen
169„Meine gesundheitliche Lage ist ziemlich unangenehm. (…) Es ist einfach von den Geräten so, dass es jederzeit einen Infarkt oder Schlaganfall geben kann. (…) Ich will kein toter Vater für deine hübschen Kinder sein.“
170rechtswidrige Verletzungen des Persönlichkeitsrechts des Klägers dar. Denn in ihrer konkreten Einbettung ist der angegriffenen Textpassage eine die Person des Klägers charakterlich negativ abqualifizierende Aussage zu entnehmen, deren Verbreitung dieser weder unter dem Gesichtspunkt einer Verdachtsberichterstattung noch wegen seiner unabhängig von dem gegen ihn vorgebrachten Verdacht einer Straftat bestehenden Prominenz und einem insoweit bestehenden Interesse an der Berichterstattung über seine Lebensweise akzeptieren muss.
171(b) Die Berichterstattung der Beklagten stellt auch einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Vertraulichkeitssphäre des Klägers verletzt hat. Denn dass der Kläger bei Abfassung seiner Nachricht davon ausging, dass diese nicht der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden würde, liegt schon nach dem inhaltlichen Charakter der E-Mail sowie der Beziehung des Klägers zur Adressatin auf der Hand. Darüber hinaus wird der Kläger durch die Preisgabe der in der E-Mail enthaltenen Informationen in den Augen der Öffentlichkeit erheblich abqualifiziert. Er wird in der Berichterstattung der Beklagten nicht nur als ein Mann dargestellt, der gleichzeitig Beziehungen zu mehreren Frauen unterhält, sondern vor allem als eine Person, die sich einer unangenehmen Situation – dem Beenden einer der Beziehungen – nicht nur überhaupt durch eine Lüge zu entziehen sucht, sondern zu diesem Zweck sogar eine schwere Erkrankung vortäuscht. Einem Mann, dem die beschriebene Verhaltensweise attestiert wird, wird nicht nur die Rolle eines Lügners, sondern überdies die eines sich der Verantwortung für sein Verhalten mit Ausreden entziehenden und dabei sogar noch um Mitleid nachsuchenden, perfide agierenden Feiglings zugeschrieben.
172(c) Hinsichtlich dieser schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung ist der Beklagten auch ein schuldhaftes, nämlich grob fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen. Zwar musste ihr wegen des Inhalts der veröffentlichten Mitteilung klar sein, dass der Kläger mit der Veröffentlichung der ihn gesellschaftlich abqualifizierenden Umstände nicht einverstanden war. Auch war die Rechtswidrigkeit für die Beklagte vorhersehbar, wenn sie die erforderliche Abwägung wie im gerichtlichen Verfahren geschehen selbst zutreffend vorgenommen und sich dieser Erkenntnis nicht entzogen hätte. Die Rechtswidrigkeit lag andererseits aber nicht derart klar auf der Hand, dass der Beklagten in Ansehung dessen, dass sie grundsätzlich über den Verdacht gegen den Kläger und die Umstände der Tat berichten durfte, der Vorwurf einer mindestens billigenden Inkaufnahme der Rechtswidrigkeit gemacht werden könnte. Denn in Anbetracht dessen, dass es sich um eine E-Mail an eine der auch im Strafverfahren vernommenen Ex-Freundinnen handelte, erscheint jedenfalls die Auffassung, dass die mitgeteilten Umstände einen Bezug zur angeklagten Tat aufweisen könnten und damit Umstände der Tat seien, was erheblichen Einfluss auf die Abwägung und deren Ergebnis hätte, nicht von vorneherein völlig unvertretbar.
173(d) Die damit hervorgerufene Beeinträchtigung des Klägers kann auch nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden. Der gegen die Beklagte erwirkte Unterlassungstitel schließt den Geldentschädigungsanspruch unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht aus. Eine Genugtuung des Klägers kann nur durch eine Geldzahlung eintreten, weil die Folgen, die die Veröffentlichung der privaten Email mit sich bringt (Geheimnisverrat, Bloßstellung seines manipulativen Charakters), nicht mehr revidiert werden können.
174(e) In Ansehung dessen und nach einer Abwägung sämtlicher maßgebender Umstände sieht der Senat ein unabweisbares Bedürfnis für eine angemessene, im Hinblick auf das Genugtuungsbedürfnis des Klägers aber auch ausreichende Geldentschädigung in Höhe von 10.000 Euro.
175Zwar ist zu berücksichtigen, dass der Kläger - ausweislich seiner eigenen Ausführungen in dem von ihm und seiner Ehefrau verfassten Buch „S“ (S. 9 d. Buches, Anlage B6) sowie in Zeitungsinterviews - unstreitig intime Beziehungen zu mehreren Frauen gleichzeitig unterhielt und sämtliche seiner Freundinnen durch Lügen und Täuschungsmanöver insoweit unwissend gehalten hat, dass sie sich für seine einzige Partnerin hielten. Die Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung und das Bedürfnis für eine Entschädigung folgen deswegen vor allem aus der - wie zuvor dargestellt - über diese in der Öffentlichkeit bekannten Umstände hinausgehenden Verächtlichmachung. Auch ist insbesondere die Präventivfunktion der Geldentschädigung nicht in gleichem Maße wie bei einem vorsätzlichen Handeln betroffen (vgl. Soehring in: Soehring/Hoene, Pressrecht, 5. Auflage 2013, § 32 Rn. 28b; Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, § 14 Rn. 127).
176Die bewirkte Verletzung wiegt aber schwer und der Beklagten muss deutlich gemacht werden, dass Informationen aus der Vertraulichkeitssphäre nur unter besonderen Umständen und nach einer sorgfältigen Abwägung öffentlich gemacht werden dürfen, so dass der Senat gleichwohl und ausnahmsweise eine Geldentschädigung für unabweisbar erforderlich hält.
177Schließlich erreicht die vom Senat zuerkannte Entschädigung - in Ansehung der wirtschaftlichen Fähigkeiten der Beklagten - keine Höhe, die die Beklagte in ihrer Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt.
178(3) Für die Berichterstattung mit dem Titel „Du wirst allein und unglücklich sein ...“ vom 30.5.2010 (Anlage K 49) kann der Kläger eine Entschädigung in Höhe von 10.000 Euro verlangen.
179(a) Wie der Senat mit seinem inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 3.2.2015 (15 U 132/14) festgestellt hat, liegt in der in diesem Bericht enthaltenen Äußerung
180„Die Homepage fand sie mit einer Internet-Suchmaschine, weil L einen der Beiträge seiner neuen Freundin kommentiert hatte. Zwar unter Pseudonym (,Darling‘) - aber er benutzte in seinem Kommentar eine ungewöhnliche Redewendung: ,von vorauseilendem Priapismus gebeutelt‘.“
181eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers.
182Dass und insbesondere mit welchem Wortlaut der Kläger in einem Blog einer Freundin einen Eintrag dieser unter einem Pseudonym kommentiert, betrifft seine Vertraulichkeitssphäre sowie sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. BGH, Urt. v. 30.9.2014 - VI ZR 490/12, AfP 2014, 534), nämlich unabhängig von Aussagewert der diesbezüglichen Berichterstattung schon unter dem Aspekt der Preisgabe von nicht für die breite Öffentlichkeit bestimmter Kommunikation. Dies gilt auch unter der Prämisse, dass der Blog öffentlich einsehbar war. Denn da der Kläger seinen Kommentar auf einem privat betriebenen, nicht in der breiten Öffentlichkeit bekannten Blog unter einem Pseudonym abgegeben hat und deswegen grundsätzlich davon ausgehen durfte, von anderen Personen als der Blogbetreiberin nicht ohne weiteres erkannt zu werden, handelte es sich letztlich um eine private Kommunikation zwischen ihm und der Blogbetreiberin.
183(b) Die Verletzung wiegt auch schwer. Die Beklagte hat durch ihren Geheimnisverrat, den Kläger in der Öffentlichkeit mit einer Bemerkung bloßgestellt, die im Hinblick auf die Andeutung einer sexuellen Erregung den Kernbereich seines Privatlebens betrifft. In der Sache geht es zugleich um mehr als eine Indiskretion der Adressatin des vom Kläger verfassten Kommentars, weil eben nicht nur die Privatheit und Vertraulichkeit der Kommunikation des Klägers mit der Blogbetreiberin betroffen ist (vgl. BGH, Urt. v. 10.3.1987 - VI ZR 244/85, NJW 1987, 2667), sondern angesichts dessen, dass der wiedergegebene Kommentar sich auf den Kläger bezieht und die Andeutung seiner sexuellen Erregung enthält, über den Kernbereich des Privatlebens des Klägers berichtet wird. Dabei hält der Senat ein Verständnis dahin, dass der maßgebende Kommentar des Klägers („vorauseilender Priapismus“) sich auf eine andere Person beziehen könnte, für fernliegend, weil der Kläger - nach der Berichterstattung - einen Beitrag „seiner neuen Freundin“ mit der beanstandeten Redewendung kommentiert. Es kommt hinzu, dass im weiteren Artikel noch über das den Kommentar auslösende Foto der neuen Freundin berichtet wird, woraus ein verständiger Leser wiederum nur schließen kann, dass sich der Kommentar auf eben dieses Foto bezieht und damit erkennbar die Reaktion des Klägers auf das Foto betrifft.
184Die Beklagte hat - mangels eines öffentlichen Berichterstattungsinteresses - die Äußerung allein zur Befriedigung der Neugier der Öffentlichkeit publik gemacht. Die Beklagte hat den Kläger damit in den Augen ihrer Leser als einen Mann mit einem starken und rücksichtslosen Sexualtrieb dargestellt. Insbesondere vor dem Hintergrund des gegen den Kläger zu diesem Zeitpunkt geführten Strafverfahrens wegen Verdachts der Vergewaltigung in einem besonders schweren Fall wurde damit in der Öffentlichkeit - ohne dass ein Aussagewert der veröffentlichten Meldung im Hinblick auf den Tatvorwurf bestand - der Kläger massiv herabgewürdigt und sein Ansehen beschädigt.
185(c) Hinsichtlich dieser schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung ist der Beklagten ein bedingt vorsätzliches Verhalten vorzuwerfen. Zum einen war der Beklagten schon aufgrund der Umstände - der Kläger befand sich in Untersuchungshaft, das Ermittlungsverfahren dauerte an - bewusst, dass dieser keine Einwilligung zur wörtlichen Veröffentlichung des vertraulichen Blogeintrags erteilen würde. Zum anderen lag für die Beklagte auf der Hand, dass ihre Berichterstattung über die bloße Befriedigung der Neugier und Sensationslust der Leser hinaus keinen Informationswert hatte. Ein auch nur irgendwie gearteter Tatbezug war fernliegend. In Ansehung dessen hat sich die Beklagte der Erkenntnis der Rechtswidrigkeit der Berichterstattung bewusst verschlossen.
186(d) Die damit hervorgerufene Beeinträchtigung des Klägers kann auch nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden. Der gegen die Beklagte erwirkte Unterlassungstitel schließt den Geldentschädigungsanspruch unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht aus. Eine Genugtuung des Klägers kann nur durch eine Geldzahlung eintreten, weil die Folgen, die die Veröffentlichung seines Blog-Eintrags mit sich gebracht hat (Geheimnisverrat, Bloßstellung des gesteigerten Sexualtriebs), nicht mehr revidiert werden können.
187(e) In Ansehung dessen und nach einer Abwägung sämtlicher maßgebender Umstände sieht der Senat ein unabweisbares Bedürfnis für eine angemessene, im Hinblick auf das Genugtuungsbedürfnis des Klägers aber auch ausreichende Geldentschädigung in Höhe von 10.000 Euro. Der Beklagten ist damit unter dem Gesichtspunkt der Prävention zum einen deutlich gemacht, dass Informationen aus der Vertraulichkeitssphäre nur unter besonderen Umständen und nach einer sorgfältigen Abwägung öffentlich gemacht werden dürfen. Die vom Senat zuerkannte Entschädigung erreicht zum anderen - in Ansehung der wirtschaftlichen Fähigkeiten der Beklagten - nicht eine Höhe, die die Beklagte in ihrer Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt.
188dd) Wegen Verletzung seiner Intimsphäre durch die nachfolgend aufgeführte Berichterstattung hat der Kläger einen Anspruch auf Entschädigung gegen die Beklagte in Höhe von insgesamt 25.000 Euro.
189(1) Im Hinblick auf die Berichterstattung mit dem Titel „Es geht um Schläge, Peitschen, Fessel-Sex – Das bizarre Liebesleben von L und seiner Ex“ vom 19.7.2010 (Anlage K 30) hat der Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 15.000 Euro.
190a. Bei den vom Kläger beanstandeten Äußerungen der Beklagten
191“ES GEHT UM SCHLÄGE, PEITSCHEN, FESSEL-SEX”
192“Denn aus Ermittlungsakten, die C vorliegen, geht hervor, dass beide eine Vorliebe für sadomasochistische Sexualpraktiken gehabt haben sollen.”
193“Es geht um bizarre Spiele mit Schlägen, es geht um Fessel-Sex, Handschellen und Peitschen. Alles soll einvernehmlich gewesen sein. Das wird auch in einer E-Mail deutlich, in der die Ex-Freundin gegenüber L ausdrücklich versicherte, dass sie sich von ihm nicht prügeln ließe, wenn sie etwas dagegen hätte.”
194“L versichert seiner Ex-Freundin in einer E-Mail vom 28. Januar 2010 – also nur zwei Wochen vor der vermeintlichen Tat – dass er ihr ein “Mitspracherecht” bei Dingen gewähre, wenn er sie züchtige.”
195„In einer weiteren E-Mail fragt L seine Freundin, ob sie dauerhaft in seine Hände und unter seine “Peitsche” will. Sie beteuerte ihm gegenüber, es gehöre zu ihrem Leben, seine “Dienerin” zu sein.”
196“Bei einer Befragung im Zuge der Ermittlungen gibt X2. später an, L habe beim Sex mit ihr gerne zur Peitsche gegriffen. Es sei für ihn ein “Lustgewinn” gewesen, sie zu schlagen.”
197handelt es sich, wie der Senat in seinem Urteil vom 14.2.2012 (15 U 126/11) ausgeführt hat, um rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzungen.
198(b) Diese wiegen auch schwer, vor allem weil mit den Äußerungen über eine Vielzahl sexueller Praktiken aus der früheren Beziehung zwischen dem Kläger und der Anzeigenerstatterin berichtet und damit in erheblicher Weise in Persönlichkeitsrechte des Klägers - dessen Intimsphäre - eingegriffen wird. Zudem werden in zwei der beanstandeten Äußerungen private Emails des Klägers an die Anzeigenerstatterin inhaltlich sinngemäß, einige Ausdrücke wörtlich wiedergegeben, so dass auch die Vertraulichkeitssphäre des Klägers tangiert ist.
199Zwar kann der Bereich der Sexualität von dem absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung ausgenommen sein, wenn eine Sexualstraftat als Ausdrucksform der Sexualität eines Menschen im Raume steht. Die aktuelle Berichterstattung über eine solche Straftat rechtfertigt unter Umständen auch Berichte über das persönliche Leben des Täters. Dies setzt aber voraus, dass deren Inhalt in einer hinreichend engen Beziehung zur Tat steht, Aufschlüsse über Motive oder andere Tatvoraussetzungen gibt und für die Bewertung der Schuld wesentlich erscheint, was stets im Einzelfall zu bestimmen ist. Einen solchen Bezug zu den Tatvorwürfen lässt die Berichterstattung aber gerade vermissen. Im Kern des Strafverfahrens ging es um die Klärung der Frage, ob der Kläger der schweren Vergewaltigung schuldig ist. Ansonsten in der Vergangenheit einvernehmlich zwischen ihm und der Anzeigenerstatterin ausgelebte Sexualpraktiken sind insofern bedeutungslos. Der Artikel berichtet insbesondere nicht über die Relevanz der Erkenntnisse hinsichtlich der einvernehmlich ausgelebten Sexualität zwischen dem Kläger und der Anzeigenerstatterin für das Strafverfahren. Anknüpfungspunkt ist vielmehr einzig die Frage, ob der Kläger vielleicht in jener Nacht die „angeblichen Spielregeln“ überschritten habe. Damit dienen die beanstandeten Äußerungen in ihrem Kontext vorrangig der Darstellung angeblicher sexueller Vorlieben des Klägers. Gerade wegen des Detailreichtums der Berichterstattung trägt auch der Verweis der Beklagten auf die in der Hauptverhandlung verlesene, deutlich weniger Details wiedergebende Einlassung des Klägers vor dem Haftrichter vom 24.3.2010 nicht. Nichts anderes gilt für die Pressemitteilungen der Staatsanwaltschaft, insbesondere auch diejenige zur Anklageerhebung vom 19.5.2010, und die hierauf fußenden Presseberichte. Soweit die Beklagte sich schließlich darauf bezieht, dass entsprechende Details mit - im Strafverfahren - eingeholten Gutachten verlesen worden seien, fehlt es an jeglichem Vorbringen dazu, was konkret wann die (Saal-)Öffentlichkeit erreicht haben soll.
200Damit hat die Beklagte der Öffentlichkeit im Wesentlichen unbekannte Details öffentlich gemacht, die trotz des späteren Freispruchs einem Großteil der Rezipienten in Erinnerung bleiben. Durch die mitgeteilten Tatsachen wird der Kläger als eine Person mit Neigung zu sadomasochistischen Praktiken beschrieben und überdies werden konkrete Details benannt, wie er diese Vorlieben mit der Nebenklägerin ausgelebt und sich in privaten Emails hierzu geäußert hat. Für die Frage, ob es sich um eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung handelt, ist dabei ohne wesentlichen Belang, ob und inwieweit entsprechende sexuelle Verhaltensweisen gesellschaftlich anerkannt sind. Denn durch die mitgeteilten Tatsachen wird dem Kläger seine über das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützte Freiheit genommen, selbst die Entscheidung darüber zu treffen, ob und in welchem Umfang er die eigenen Formen der Sexualität für sich behalten will. Indem er des weiteren in der Berichterstattung der Beklagten als eine Person mit Gewaltbereitschaft charakterisiert wird, birgt dies die naheliegende Gefahr sozialer Ausgrenzung und Isolation und begründet eine entsprechende Prangerwirkung, die durch den Freispruch neben der allgemeinen Erkenntnis, dass ein solcher Freispruch einmal entstandene negative Folgen kaum revidieren kann, auch deshalb nicht beseitigt wird, da sich das Strafurteil nicht auf die Frage erstreckt, wie der Kläger und die Nebenklägerin üblicherweise einvernehmlich sexuell miteinander verkehrten. Selbst wenn also der durchschnittliche Rezipient aufgrund des zugunsten des Klägers ergangenen Freispruchs davon ausgehen wird, dass der Anklagevorwurf einer schweren Vergewaltigung zu Lasten der Nebenklägerin nicht zutraf, so bleibt im Bewusstsein der Öffentlichkeit dauerhaft ein Bild des Klägers verankert, welches diesen als gewaltaffinen und sadomasochistisch veranlagten Menschen zeichnet.
201(c) Die Beklagte handelte auch schuldhaft, nämlich fahrlässig. Zwar war die Rechtswidrigkeit für die Beklagte vorhersehbar, wenn sie die erforderliche Abwägung wie im gerichtlichen Verfahren geschehen selbst zutreffend vorgenommen hätte. Die Rechtswidrigkeit lag andererseits aber noch nicht derart auf der Hand, dass der Beklagten in Ansehung dessen, dass sie grundsätzlich über den Verdacht gegen den Kläger und die Umstände der Tat berichten durfte, der Vorwurf einer mindestens billigenden Inkaufnahme der Rechtswidrigkeit gemacht werden könnte. Denn jedenfalls die Auffassung, dass die mitgeteilten Umstände einen Bezug zur angeklagten Tat aufwiesen und damit Umstände der Tat seien, was schon deswegen erheblichen Einfluss auf die Abwägung und deren Ergebnis hätte, weil dann nicht die Intimsphäre betroffen wäre, erscheint nicht von vornherein unvertretbar.
202(d) Die damit hervorgerufene Beeinträchtigung des Klägers kann auch nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden. Der gegen die Beklagte erwirkte Unterlassungstitel schließt den Geldentschädigungsanspruch unter den Umständen des vorliegenden Falles - wie bereits oben dargelegt - nicht aus. Eine Genugtuung des Klägers kann nur durch eine Geldzahlung eintreten, weil die Folgen, die die Veröffentlichung des betreffenden Details aus dem Sexualleben des Klägers mit sich bringt, nicht mehr revidiert werden können.
203(e) In Ansehung dessen und nach einer Abwägung sämtlicher maßgebender Umstände sieht der Senat ein unabweisbares Bedürfnis für eine angemessene, im Hinblick auf das Genugtuungsbedürfnis des Klägers aber auch ausreichende Geldentschädigung in Höhe von 15.000 Euro.
204Das unabweisbare Bedürfnis nach einer Geldentschädigung scheitert vorliegend auch nicht daran, dass am 13.9.2010 in öffentlicher Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim die Einlassung des Klägers vor dem Ermittlungsrichter verlesen wurde, die ebenfalls Angaben über die zwischen ihm und der Nebenklägerin üblichen sexuellen Praktiken enthielt. Denn die dort enthaltenen Angaben bleiben in ihrer Detailtiefe hinter den streitgegenständlichen Äußerungen der Beklagten – insbesondere im Hinblick auf die Wiedergabe der E-Mails zwischen dem Kläger und der Nebenklägerin sowie der Wiedergabe der Aussage der Nebenklägerin im Ermittlungsverfahren – deutlich zurück, so dass die maßgebliche Prangerwirkung und Stigmatisierung des Klägers in der Öffentlichkeit erst durch die Berichterstattung der Beklagten erfolgte.
205Zwar ist auch hier insbesondere die Präventivfunktion der Geldentschädigung nicht wie bei einem vorsätzlichen Handeln betroffen (vgl. Soehring in: Soehring/Hoene, Pressrecht, 5. Auflage 2013, § 32 Rn. 28b; Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, § 14 Rn. 127). Aus den bereits genannten Gründen wiegt die Verletzung aber schwer und der Beklagten muss deutlich gemacht werden, dass Informationen insbesondere aus der Intimsphäre nur unter besonderen Umständen und nach einer sorgfältigen Abwägung öffentlich gemacht werden dürfen, so dass der Senat gleichwohl und ausnahmsweise eine Geldentschädigung für unabweisbar erforderlich hält. Schließlich erreicht die vom Senat zuerkannte Entschädigung - in Ansehung der wirtschaftlichen Fähigkeiten der Beklagten - keine Höhe, die die Beklagte in ihrer Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt.
206(2) Für die Berichterstattung mit dem Titel „Der Fall L – Mit Zuckerbrot und Reitpeitsche“ vom 2.8.2010 (Anlage K 34) kann der Kläger von der Beklagten eine Geldentschädigung in Höhe von 10.000 Euro verlangen.
207(a) Von den in diesen Berichterstattungen enthaltenen Äußerungen
208a) „Mit Zuckerbrot und Reitpeitsche“
209b) „Nun kommt heraus (…), dass L seine Gespielin (…) bei Peitschen- und Folterspielen wund geschlagen hat und sich, zwecks sexueller Erregung, diese Bilder von Striemen und Verletzungen in ihrem Computer mit Zeichen wohlwollender Erregung angeschaut hat: ein sadistischer Voyeur sozusagen.“
210c) „andere Opfer seines aggressiven Wohlgefallens“
211d) „So wie er (…) die Zuneigung geduldiger Dienerinnen, die er mit Zuckerbrot und Reitpeitsche psychisch über elf Jahre ruiniert hat, (…).“
212handelt es sich, wie der Senat mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 21.10.2014 (15 U 55/14) festgestellt hat, bei den Äußerungen zu b) und d) um rechtswidrige Verletzungen des Persönlichkeitsrechts des Klägers. Dagegen fehlt es bei den Äußerungen zu a) und c) an einer Persönlichkeitsrechtsverletzung, weil es sich – wie der Senat in dem vorzitierten Urteil vom 21.10.2014 ebenfalls ausgeführt hat – um zulässige Werturteile handelt.
213(b) Die Berichterstattung der Beklagten stellt hinsichtlich der obigen Äußerungen zu b) und d) auch eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung dar. Selbst wenn der Kläger im dargestellten Umfang sadomasochistische Praktiken ausgelebt hätte, obliegt ihm selbst die Entscheidung, ob und in welchem Umfang diese Aspekte seiner Privatsphäre der Öffentlichkeit preisgegeben werden. Auch der Umstand, dass der Kläger in der Zeit vor Einleitung des Strafverfahrens ein Engagement für soziale Zwecke (Aktion „Gewalt hinterlässt Spuren“) gezeigt hat und von ihm Auftritte im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu erwarten waren, berechtigte die Beklagte nicht, solche Umstände seines Sexuallebens mit den damit für den Kläger verbundenen Folgen öffentlich zu machen. Der Kläger wird durch die Berichterstattung der Beklagten öffentlich als eine Person mit Neigung zu sadomasochistischen Praktiken beschrieben und überdies werden konkrete Details benannt, wie er diese Vorlieben ausgelebt haben soll. Durch die des Weiteren in der Berichterstattung der Beklagten enthaltene Charakterisierung als eine Person mit Gewaltbereitschaft wird der Kläger in die naheliegende Gefahr sozialer Ausgrenzung und Isolation gebracht und mit seinem Verhalten gegenüber Frauen in der Öffentlichkeit an den Pranger gestellt.
214(c) Bei dieser Berichterstattung hat die Beklagte auch schuldhaft gehandelt, weil sie ihre publizistischen Sorgfaltspflichten fahrlässig verletzt hat und im Rahmen der von ihr vorzunehmenden Abwägung nicht erkannt hat, dass dem persönlichkeitsrechtlichen Schutz des Klägers nach den Gesamtumständen der Vorrang einzuräumen gewesen wäre. Im Hinblick auf das grundsätzliche Berichterstattungsinteresse der Öffentlichkeit an dem gegen den Kläger gerichteten Strafverfahren kann der Beklagten insoweit kein Vorsatz vorgeworfen werden, da bei der Frage, welche Facetten der Persönlichkeit des Klägers als Angeklagten in einem Strafverfahren um eine Sexualstraftat noch zur Berichterstattung über dieses Verfahren zählen und an welcher Stelle ein unzulässiger Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht vorliegt, eine schwierige rechtliche Abwägung vorzunehmen ist. Anderseits ergibt sich bereits aus der Fassung des Artikels, dass einige Angaben reine Schlussfolgerungen des Autors darstellen, für die es an einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage fehlt und die den Kläger stigmatisieren, wie beispielsweise die Äußerung, er habe Frauen psychisch ruiniert.
215(d) Die damit hervorgerufene Beeinträchtigung des Klägers kann auch nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden. Der gegen die Beklagte erwirkte Unterlassungstitel schließt den Geldentschädigungsanspruch unter den Umständen des vorliegenden Falles – wie bereits oben dargelegt – nicht aus. Eine Genugtuung des Klägers kann nur durch eine Geldzahlung eintreten, weil die Folgen, die die Veröffentlichung des betreffenden Details aus seinem Sexualleben mit sich bringen, nicht mehr revidiert werden können.
216(e) In Ansehung dessen und nach einer Abwägung sämtlicher maßgebender Umstände sieht der Senat ein unabweisbares Bedürfnis für eine angemessene, im Hinblick auf das Genugtuungsbedürfnis des Klägers aber auch ausreichende Geldentschädigung in Höhe von 10.000 Euro. Das unabweisbare Bedürfnis nach einer Geldentschädigung scheitert vorliegend auch nicht daran, dass am 13.9.2010 in öffentlicher Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim die Einlassung des Klägers vor dem Ermittlungsrichter verlesen wurde. Denn diese Einlassung enthielt lediglich Angaben über übliche sexuelle Praktiken zwischen dem Kläger und der Nebenklägerin. Über sexuelle Praktiken, die der Kläger mit anderen Frauen ausgelebt hat, hat er sich dagegen in seiner Anhörung vor dem Ermittlungsrichter nicht geäußert.
217Zwar ist auch hier insbesondere die Präventivfunktion der Geldentschädigung nicht in gleichem Maße wie im Fällen eines schweren Verschuldens betroffen (vgl. Soehring in: Soehring/Hoene, Pressrecht, 5. Auflage 2013, § 32 Rn. 28b; Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, § 14 Rn. 127). Aus den bereits genannten Gründen wiegt die Verletzung aber schwer und der Beklagten muss deutlich gemacht werden, dass bei Mitteilung von Details aus dem Sexualleben prominenter Personen – mögen sie auch mit einem Tatvorwurf hinsichtlich eines Sexualdeliktes konfrontiert worden sein – eine gründliche und gewissenhafte Abwägung der widerstreitenden Interessen zu erfolgen hat, so dass der Senat gleichwohl und ausnahmsweise eine Geldentschädigung für unabweisbar erforderlich hält. Die Entschädigung erreicht schließlich – in Ansehung der wirtschaftlichen Fähigkeiten der Beklagten – nicht eine Höhe, die die Beklagte in ihrer Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt.
218(3) Im Hinblick auf die Berichterstattung mit dem Titel „Der nette Wettermoderator und die SM-Spiele mit Peitsche“ vom 13.9.2010 (Anlage K 37) steht dem Kläger dagegen kein Anspruch auf eine Geldentschädigung zu.
219(a) Hinsichtlich der vom Kläger zur Grundlage seiner Entschädigungsforderung gemachten Äußerungen
220a) „Der nette Wettermann und seine SM-Spiele mit Peitsche“
221b) „bis er nach einem ärztlichen Test belehrt wurde, dass er nicht zeugungsfähig sei.“
222c) „(…) gern auch mal mit Handschelle oder bereit gelegter Reitpeitsche.“
223d) „Das Kuschelbärchen aus den T6er Bergen soll dunkle Triebe mit SM-Spielchen und multiplen Liebschaften ausgelebt haben.“
224fehlt es, wie der Senat in seinem Urteil vom 21.10.2014 (15 U 56/14) ausgeführt hat, hinsichtlich der Äußerungen zu a), c) und d) schon an einer Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers. Hinsichtlich der Angaben über die Zeugungsunfähigkeit des Klägers (Äußerung zu b) liegt zwar eine rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts vor, weil die Frage einer Zeugungsunfähigkeit des Klägers seiner Intimsphäre zuzurechnen und eine Berichterstattung damit schlechthin unzulässig ist.
225(b) Die mit der öffentlichen Preisgabe der Zeugungsunfähigkeit verbundene Persönlichkeitsrechtsverletzung ist grundsätzlich auch schwerwiegend. Die Frage einer Zeugungsfähigkeit des Klägers ist - wie der Senat in der vorbezeichneten Entscheidung festgestellt hat - aufgrund des Umstandes, dass sie weder in unmittelbarer Beziehung zur Tat steht, noch Aufschlüsse über vermeintliche Motive oder Tatvoraussetzungen des Anklagevorwurfes gibt, noch für die Bewertung der Schuld wesentlich ist, seiner Intimsphäre zuzurechnen, so dass eine Berichterstattung schlechthin unzulässig ist. Die Beklagte hat zugleich einen schweren Geheimnisverrat zu Lasten des Klägers begangen, indem sie die breite Öffentlichkeit über dessen Zeugungsunfähigkeit informiert hat. Die Schwere des Eingriffs wird auch nicht maßgebend davon beeinflusst, dass es sich nicht um eine Erkrankung handelt, die den Kläger in den Augen der Öffentlichkeit abqualifiziert, an den Pranger stellt oder stigmatisiert, sondern eher Mitleid oder Betroffenheit auslösen wird. Es mag eine Zeugungsunfähigkeit bei Männern in der heutigen Zeit häufiger in den Medien diskutiert werden als früher und es mag auch durchaus eine wachsende Bereitschaft bestehen, einen solchen Zustand anzusprechen und sich - im Rahmen eines bestehenden Kinderwunsches - einer ärztlichen Behandlung zu unterziehen. In einer Gesamtbetrachtung bleibt es jedoch dabei, dass die Diagnose der Zeugungsunfähigkeit weiterhin als Makel angesehen wird, der typischerweise nicht in der Öffentlichkeit thematisiert wird. Speziell beim Kläger, der aufgrund des gegen ihn erhobenen Strafvorwurfs einer in Teilen durchaus kritischen oder auch feindlichen Leserschaft gegenüberstand, bestand zudem die Gefahr, dass der von der Beklagten offen gelegte körperliche Makel gegen ihn verwendet werden würde.
226(c) Gleichwohl sieht der Senat aber kein unabweisbares Bedürfnis für eine Entschädigung, auch wenn der Eingriff nicht mehr rückgängig zu machen ist. Zum einen wird die Schwere des Eingriffs dadurch vermindert, dass die Zeugungsunfähigkeit des Klägers Gegenstand seiner Einlassung vor dem Haftrichter vom 24.3.2010 war, die am 13.9.2010 in der Hauptverhandlung im Strafverfahren verlesen und damit immerhin in der (Saal-)Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Zum anderen und vor allem aber hat die Beklagte ihre publizistischen Sorgfaltspflichten nur leicht fahrlässig verletzt, nämlich nicht erkannt, dass dem persönlichkeitsrechtlichen Schutz des Klägers nach den Gesamtumständen der Vorrang einzuräumen gewesen wäre. Die Zeugungsunfähigkeit des Klägers war Gegenstand seiner Einlassung vor dem Haftrichter vom 24.3.2010, die am 13.9.2010 in der Hauptverhandlung im Strafverfahren verlesen wurde. Ab diesem Zeitpunkt stellte eine tagesaktuelle Berichterstattung über in eben dieser Einlassung offenbarte tatbezogene Umstände keine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers mehr dar (vgl. BGH, Urt. v. 19.3.2013 - VI ZR 93/12, AfP 2013, 250). Die Frage, ob die Zeugungsunfähigkeit ein solcher tatbezogener Umstand ist, war rechtlich schwierig zu beantworten, zumal der Kläger selbst - anders als im vorherigen Fall - Veranlassung gesehen hat, sie zum Gegenstand seiner Einlassung zu machen, und hatte erheblichen Einfluss auf die Beurteilung der Rechtswidrigkeit, weil sie Auswirkung auf die dann erforderliche Abwägung hatte; gehörte die Zeugungsunfähigkeit zu den Umständen der Tat, wäre sie nämlich nicht mehr der Intimsphäre des Klägers zuzurechnen gewesen.
227(4) Wegen der Berichterstattung mit dem Titel „Vergewaltigungsprozess immer absurder – Hier reist das ganze Gericht zu Ls Geliebter Nr. 10 in die T6“ vom 16.2.2011 (Anlage K 40) steht dem Kläger ebenfalls kein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung zu.
228Die vom Kläger beanstandeten Äußerungen
229a) „Hier reist das ganze Gericht zu Ls Geliebter Nr. 10 in die T6“
230b) „HIER REIST DAS GERICHT ZUR GELIEBTEN NR. 10!“
231c) „Er sei beim Sex am 17. Januar 2010 zu weit gegangen“
232d) „Der Vorfall soll zwei Wochen vor der mutmaßlichen Vergewaltigung von Ls Ex-Freundin X2.* (37) passiert sein.“
233stellen, wie der Senat mit seinem den Parteien bekannten Urteil vom 11.2.2016 (15 U 115/15) festgestellt hat, keinen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Daran hält der Senat nach nochmaliger Prüfung fest.
234ee) Wegen unzulässiger Vorverurteilungen in den nachfolgend dargestellten Berichterstattungen hat der Kläger einen Anspruch auf eine Geldentschädigung gegen die Beklagte in Höhe von insgesamt 25.000 Euro.
235(1) Für die Berichterstattungen der Beklagten vom 31.7.2010 unter dem Titel „L ab und zu wirklich nicht zurechnungsfähig“ (Anlage K 16) und „L droht angeblich weiteres Verfahren“ (Anlage K 17) sowie vom 2.8.2010 unter dem Titel „Neuer Ärger in der Freiheit“ (Anlage K 18) steht dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 10.000 Euro zu.
236(a) Wie der Senat mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 14.2.2012 (15 U 130/11) entschieden hat, liegt in den Äußerungen der Beklagten
237a) „L „ab und zu wirklich nicht zurechnungsfähig““
238b) „Er habe eine Frau gefesselt und dann mit einem Rohrstock geschlagen.“
239c) „Der 52-jährige soll im Jahr 2001 eine Frau nackt an Badezimmerarmaturen gefesselt und ihr dann mit einem Rohrstock auf den Po gehauen haben. Die Frau habe drei Tage nach Ls Festnahme an das Amtsgericht Mannheim geschrieben, dass sie eine Affäre mit L durchlebt habe und bestätigen könne, dass er „ab und zu wirklich nicht zurechnungsfähig“ sei.“
240e) „Drei Tage nach der Festnahme von L am 20. März soll eine ehemalige Geliebte dem Mannheimer Amtsgericht per Mail mitgeteilt haben, der Moderator solle ab und zu wirklich nicht zurechnungsfähig gewesen sein. L, der vorher nie gewalttätig gewesen sei, habe sie 2001 einmal wegen einer fehlgeleiteten SMS in ihrer Wohnung nackt an die Duscharmatur gefesselt und mit einem selbst mitgebrachten Rohrstock auf das Hinterteil geschlagen.“
241f) „Der unter Vergewaltigungsverdacht stehende 52-jährige T6er soll die Frau demnach im Jahr 2001 in ihrer Wohnung nackt an der Armatur der Dusche festgebunden und sie mit einem etwa 50 Zentimeter langen Rohrstock auf den Po geschlagen haben. Die Frau habe drei Tage nach Ls Festnahme an das Amtsgericht Mannheim geschrieben, dass sie eine Affäre mit L durchlebt habe und bestätigen könne, dass er „ab und zu wirklich nicht zurechnungsfähig“ sei.“
242eine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers.
243(b) Nach Auffassung des Senats ist diese Persönlichkeitsrechtsverletzung auch schwerwiegend. Der Senat bleibt auch in Ansehung der weiteren Ausführungen der Beklagten bei seiner Auffassung, dass die streitgegenständliche Verdachtsberichterstattung nicht von einem hinreichenden Mindestbestand an Tatsachen gedeckt war. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann erneut auf die vorzitierte Entscheidung des Senats verwiesen werden.
244Vorrangig maßgebend ist, dass sich der Verdacht allein auf die Aussage der dortigen Anzeigenerstatterin bei ihrer Vernehmung durch die Polizeidirektion I - Außenstelle T5 - vom 18.5.2010 gründete und weitere Umstände, die den von der Anzeigenerstatterin erhobenen Vorwurf erhärten könnten, von der Beklagten nicht angeführt werden können. Die Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung resultiert daneben aus der - vom Senat ebenfalls bereits im Verfahren auf Unterlassung hervorgehobenen - gesteigerten Gefahr einer Vorverurteilung des Klägers als letztlich frauenverachtender, gewaltbereiter Mensch. Geschildert wird ein im Kern vergleichbarer Vorwurf einer Gewaltausübung gegenüber Frauen, aufgrund dessen sich in der öffentlichen Meinung die Einschätzung verfestigen kann, dass der Vergewaltigungsvorwurf zutreffen könne. Zusätzlich belastet wird der Kläger durch den Detailreichtum der Wiedergabe und die mit dem Zitat „ab und zu wirklich nicht zurechnungsfähig“ verbundene Stigmatisierung.
245(c) Die Beklagte handelte auch schuldhaft, wobei der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht von fahrlässigem Handeln ausgeht. Zwar war die Rechtswidrigkeit für die Beklagte vorhersehbar, wenn sie die erforderliche Abwägungen wie im gerichtlichen Verfahren geschehen selbst zutreffend vorgenommen hätte. Die Rechtswidrigkeit lag andererseits aber nicht derart auf der Hand, dass der Beklagten in Ansehung dessen, dass sie grundsätzlich über den Verdacht gegen den Kläger und die Umstände der Tat berichten durfte, der Vorwurf einer mindestens billigenden Inkaufnahme der Rechtswidrigkeit gemacht werden könnte. Die von der Beklagten vertretene Auffassung, mit der Aussage der Belastungszeugin sei der Mindestbestand an Beweistatsachen gewahrt und es handele sich um Umstände mit hinreichendem Bezug zu dem gegen den Kläger anhängigen Strafverfahren, sind nicht von vornherein unvertretbar.
246(d) Die mit der Berichterstattung verbundene Vorverurteilung konnte die Beklagte nicht mehr rückgängig machen. Eine „Berichtigung“ im Sinne dessen, dass die Beklagte erklärt, der Verdacht bestehe nicht mehr, ist nicht möglich. Der Unterlassungstitel konnte die Rechtsverletzung auch nicht vollständig beseitigen, so dass die durch die Veröffentlichung verursachte Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht anderweit ausgeglichen werden konnte (vgl. BGHZ 128, 1; BGH, Urt. v. 21.4.2015 - VI ZR 245/14, NJW 2015, 2500).
247(e) In Ansehung dessen und nach einer nochmaligen Abwägung sämtlicher maßgebender Umstände sieht der Senat ein unabweisbares Bedürfnis für eine angemessene, in Ansehung des Genugtuungsbedürfnisses des Klägers aber auch ausreichende Geldentschädigung in Höhe von 10.000 Euro.
248Zwar ist auch hier insbesondere die Präventivfunktion der Geldentschädigung nicht wie bei einem vorsätzlichen Handeln betroffen (vgl. Soehring in: Soehring/Hoene, Pressrecht, 5. Auflage 2013, § 32 Rn. 28b; Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, § 14 Rn. 127). Aus den bereits genannten Gründen wiegt die Verletzung aber schwer und der Beklagten muss deutlich gemacht werden, dass sie bei ähnlich vorverurteilender und stigmatisierender Berichterstattung zukünftig sorgfältiger auf einen hinreichenden Mindestbestand an Beweistatsachen zu achten hat, so dass der Senat gleichwohl und ausnahmsweise eine Geldentschädigung für unabweisbar erforderlich hält. Schließlich erreicht die Entschädigung - in Ansehung der wirtschaftlichen Fähigkeiten der Beklagten – auch nicht eine Höhe, die die Beklagte in ihrer Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt.
249(2) Für die Berichterstattung mit dem Titel „Plötzlich macht Ls Handy neue Aussage“ vom 5.12.2010 (Anlage K 23) kann der Kläger dagegen keine Entschädigung von der Beklagten verlangen.
250Zwar hat der Senat mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 18.2.2014 (15 U 110/13) festgestellt, dass der Kläger durch die in der Berichterstattung enthaltenen Äußerungen
251a) „In monatelanger Kleinarbeit rekonstruierten Ermittler die gelöschten Daten und fanden Hinweise auf ein möglicherweise neues Opfer.“
252b) „Laut „G“ kamen die Ermittler so auch einer neuen Zeugin auf die Spur, deren Aussage ihn schwer belastet. Die Frau soll behaupten, dass L sie beim Liebesspiel am 17. Januar plötzlich brutal behandelt habe. Er sei für kurze Zeit ein anderer Mensch geworden.“
253rechtswidrig in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt wird, weil es sich mangels Vorliegen eines Mindestbestands an Beweistatsachen sowie mangels einer ausgewogenen Darstellung um eine unzulässige Verdachtsberichterstattung handelt. Jedoch hält der Senat diese Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht für derart schwerwiegend, dass die Zubilligung einer Geldentschädigung geboten ist. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass die Schilderung der Zeugin über den angeblichen Vorfall mit dem Kläger am 17. Januar keine Details über sexuelle oder andere übergriffige Verhaltensweisen des Klägers enthält, sondern sich auf die pauschale Behauptung einer „brutalen“ Behandlung beschränkt. Zum anderen war seit Verlesung der Einlassung des Klägers in der öffentlichen Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim am 13.9.2010 bekannt, dass der Kläger eine Neigung zu sadomasochistischen Praktiken gehabt hat, über die in den oben dargestellten Grenzen im Rahmen einer aktuellen Berichterstattung auch berichtet werden durfte.
254(3) Für die Berichterstattung mit dem Titel „ Ls Anwalt wettert gegen unliebsame Zeuginnen“ vom 25.3.2011 (Anlage K 28) kann der Kläger ebenfalls keine Entschädigung verlangen.
255Denn die in dem betreffenden Beitrag enthaltenen Äußerungen
256a) „All diese Frauen, denen L meist von Liebe und einer gemeinsamen Zukunft vorgeschwärmt haben soll, ist eines gemein: Sie werfen ihm vor, er sei in ihrer Beziehung gewalttätig gewesen.“
257b) „Nämlich darum, dass mehrere Ex-Freundinnen über einen Zeitraum von zehn Jahren alle das Gleiche sagen: Dass L in der Beziehung gewalttätig geworden sein soll. Denn stimmen die Aussagen der anderen Ex-Freundinnen, hätte L sich in dieser Nacht nicht zum ersten Mal gewalttätig verhalten.“
258c) „Ach ja, und neuerdings spielt er auch mit seinem iPad. Während der Verhandlung.“
259stellen, wie der Senat mit Urteil vom 11.2.2016 (15 U 114/15) festgestellt hat, hinsichtlich der Äußerungen zu a) und b) schon keine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers dar. Zu einer abweichenden Bewertung sieht der Senat auch unter Berücksichtigung dessen keinen Anlass, dass der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof erhoben hat und die Entscheidung daher nicht rechtskräftig ist. Im Hinblick auf die Äußerung zu c) handelt es sich nicht um eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung, die eine Geldentschädigung rechtfertigt. Dem Kläger mag von einem Teil der Rezipienten ein unangemessenes Verhalten vor Gericht vorgeworfen werden, welches Gleichgültigkeit gegenüber den Verfahrensbeteiligten und dem Anklagevorwurf demonstriert hat. Jedoch liegt darin – entgegen der im Berufungsverfahrens geäußerte Ansicht des Klägers (vgl. Bl. 1138 d.A.) – keine massive Abqualifizierung seiner Person und es ist mit einer solchen Äußerung über das Verhalten des Klägers auch kein erheblicher Ansehensverlust seinerseits in der Gesellschaft verbunden.
260(4) Für die Berichterstattung mit dem Titel „L und die gefährliche Zeugin“ vom 6.3.2011 (Anlage K 26) steht dem Kläger dagegen ein Anspruch auf eine Geldentschädigung in Höhe von 15.000 Euro gegen die Beklagte zu.
261(a) Wie der Senat bereits mit seinem Urteil vom 11.2.2016 (15 U 113/15) festgestellt hat, stellen die in diesem Bericht enthaltenen Äußerungen
262a) „Wenige Sekunden später soll L U. an die Wand gedrückt, ihr das Oberteil ausgezogen haben. L habe sie am Hals gepackt und mehrmals geschlagen. Er soll sie dann über die Lehne der Couch gebeugt und eine sexuelle Handlung an ihr verübt haben, bei der er in ihren Körper eindrang, und die U. als sadomasochistisch beschreibt. Er soll sie auch an den Haaren gezogen und am Arm gezerrt haben.“
263b) „U. soll außerdem ausgesagt haben, sich an diesem Nachmittag nicht gegen L gewehrt zu haben. Gegenüber einem Vertrauten soll sie später gesagt haben, dass sie ruhig geblieben sei, um L nicht zu provozieren.“
264c) „Er soll sie geschlagen haben.“
265eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers dar. Hieran hält der Senat auch nach erneuter Überprüfung fest.
266(b) Diese Persönlichkeitsrechtsverletzung ist auch schwerwiegend. Der Senat bleibt auch in Ansehung der weiteren Ausführungen der Beklagten bei seiner Auffassung, dass die streitgegenständliche Verdachtsberichterstattung nicht von einem hinreichenden Mindestbestand an Tatsachen gedeckt war. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann erneut auf die vorzitierte Entscheidung des Senats verwiesen werden. Vorrangig maßgebend ist, dass die Berichterstattung auf einer Vernehmung der Zeugin in nichtöffentlicher Verhandlung beruhte und der Beklagten die angeblichen Inhalte der Zeugenaussage nur vom Hörensagen bekannt sein konnten.
267Die Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung resultiert daneben und vor allem daraus, dass Details aus der Intimsphäre des Klägers wiedergegeben werden, obwohl für eben diese Wiedergabe mangels hinreichenden Tatbezugs weder Anlass noch Rechtfertigung bestand. Bis auf die Möglichkeit einer indiziellen Aussage hinsichtlich einer vermeintlichen Gewalttätigkeit des Klägers in Beziehungen mit anderen Frauen waren keine inhaltlichen Anknüpfungspunkte vorhanden, die es im Rahmen einer Abwägung der gesamten Umstände rechtfertigen würden, die betreffenden Details der Zeugenaussage einem breiten Publikum öffentlich zu machen. Zugleich bewirkt die Wiedergabe der Aussage der Zeugin eine erhebliche Stigmatisierung des Klägers. Er wird in der Öffentlichkeit als eine Person mit sadomasochistischen bzw. gewalttätigen Neigungen dargestellt.
268(c) Die Beklagte handelte auch schuldhaft, wobei der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht von fahrlässigem Handeln ausgeht. Zwar war die Rechtswidrigkeit für die Beklagte vorhersehbar, wenn sie die erforderliche Abwägungen wie im gerichtlichen Verfahren geschehen selbst zutreffend vorgenommen hätte. Die Rechtswidrigkeit lag andererseits aber noch nicht derart auf der Hand, dass der Beklagten in Ansehung dessen, dass sie grundsätzlich über den Verdacht gegen den Kläger und die Umstände der Tat berichten durfte, der Vorwurf einer mindestens billigenden Inkaufnahme der Rechtswidrigkeit gemacht werden könnte. Vor allem erscheint es jedenfalls nicht von vornherein unvertretbar, einen noch hinreichenden Tatbezug zu bejahen, also die Angaben der Zeugin zu den maßgebenden Umständen der angeklagten Tat zu zählen, zumal die Strafkammer selbst Anlass zu einer Vernehmung der Zeugin gesehen hat. Gerade die für die Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung maßgebende Frage des zulässigen Umfangs der Wiedergabe von Details beruht auf einer von der Beklagten indes fehlerhaft durchgeführten Abwägung.
269(d) Die damit hervorgerufene Beeinträchtigung des Klägers kann auch nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden. Weder die mit der Berichterstattung verbundene Vorverurteilung noch die Verletzung der Intimsphäre konnte die Beklagte rückgängig machen. Der Unterlassungstitel konnte die Rechtsverletzung zugleich nicht vollständig beseitigen, so dass die durch die Veröffentlichung verursachte Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht anderweit ausgeglichen werden konnte (vgl. BGH, Urt. v. 21.4.2015 - VI ZR 245/14, NJW 2015, 2500).
270(e) In Ansehung dessen und nach einer nochmaligen Abwägung sämtlicher maßgebender Umstände sieht der Senat ein unabweisbares Bedürfnis für eine angemessene, in Ansehung des Genugtuungsbedürfnisses des Klägers aber auch ausreichende Geldentschädigung in Höhe von 15.000 Euro.
271Zwar ist auch hier insbesondere die Präventivfunktion der Geldentschädigung nicht wie bei einem vorsätzlichen Handeln betroffen (vgl. Soehring in: Soehring/Hoene, Pressrecht, 5. Auflage 2013, § 32 Rn. 28b; Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, § 14 Rn. 127). Aus den bereits genannten Gründen wiegt die Verletzung aber schwer und der Beklagten muss deutlich gemacht werden, dass sie bei einer ähnlich viele intime Details in die Öffentlichkeit tragenden und stigmatisierenden Berichterstattung zukünftig sorgfältiger abzuwägen hat, so dass der Senat gleichwohl und ausnahmsweise eine Geldentschädigung für unabweisbar erforderlich hält. Schließlich erreicht die Entschädigung - in Ansehung der wirtschaftlichen Fähigkeiten der Beklagten – auch nicht eine Höhe, die die Beklagte in ihrer Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt.
272e) Der Kläger hat schließlich keinen Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen der außergerichtlich und gerichtlich nicht angegriffenen Berichterstattungen der Beklagten (Nr. 22 bis 45 in Teil B des Urteils des Landgerichts).
273aa) Dabei kann dahin stehen, ob der Kläger schon deswegen keinen Anspruch auf eine Entschädigung hat, weil er die vorgenannten Veröffentlichungen bislang weder außergerichtlich abgemahnt noch gerichtlich Unterlassung verlangt hat. Allerdings hat der Senat Zweifel daran, ob der vom Landgericht bejahte Grundsatz tragfähig ist, dass eine Entschädigung per se nicht gewährt werden kann, wenn die Unterlassung einer Berichterstattung nicht gefordert worden ist. Zwar ist eine Geldentschädigung nur dann zu gewähren, wenn die durch eine Veröffentlichung verursachte Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht anderweit ausgeglichen werden kann (vgl. BGHZ 128, 1; BGH, Urt. v. 21.4.2015 - VI ZR 245/14, NJW 2015, 2500), denn die Geldentschädigung ist stets subsidiär. Dies bedeutet jedoch nicht zwingend, dass ein von einer Berichterstattung Betroffener, nur weil er davon absieht, die Unterlassung einer Berichterstattung zu fordern, von vorneherein keinen Anspruch auf eine Geldentschädigung haben kann, vor allem wenn eine (zukünftige) Unterlassung die bewirkte Verletzung nicht vollständig ausgleichen kann. Nur in diesem Fall schließt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein erwirkter Unterlassungstitel - ebenso wie eine Richtigstellung oder ein Widerruf - eine Geldentschädigung aber aus (vgl. BGHZ 128, 1; BGH, Urt. v. 30.1.1979 - VI ZR 163/77, NJW 1979, 1041; BGH, Urt. v. 21.4.2015 - VI ZR 245/14, NJW 2015, 2500).
274Allerdings lässt der Umstand, dass der Betroffene auf eigene Schritte gegen eine Presseveröffentlichung zunächst verzichtet hat, Rückschlüsse auf das Gewicht seines Genugtuungsbedürfnisses zu (vgl. BGH, Urt. v. 30.1.1979 - VI ZR 163/77, NJW 1979, 1041). Mithin ist im Zweifelsfall davon auszugehen, dass der Kläger selbst eine nicht angegriffene Persönlichkeitsrechtsverletzung für nicht schwerwiegend hielt und seinerseits kein unabweisbares Bedürfnis für eine Geldentschädigung bestand, weil er andernfalls Anlass jedenfalls für eine Abmahnung wenn nicht gar gerichtliche Geltendmachung gehabt hätte. Soweit der Kläger ausführt, weshalb er auf die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen verzichtet hat oder habe verzichten müssen, überzeugt dies den Senat aus den vom Landgericht zutreffend benannten Gründen nicht. Ergänzend ist auf das vom Kläger mit seiner Ehefrau verfasste Buch zu verweisen. In diesem führt der Kläger selbst aus, dass ihm durch seinen Anwalt geraten worden sei, alle Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu verfolgen, auch wenn dies einen erheblichen finanziellen Aufwand bedeute, und er sich im Übrigen von einem Medienmanager habe beraten lassen (S. 155 d. Buches, Anlage B6). Wenn zugleich - wie der Kläger ausführt - fünf Anwälte den ganzen Tag mit den ihn betreffenden Presseberichterstattungen beschäftigt waren, kann er kaum die nachfolgend wiedergegebene Berichterstattung der Beklagten verpasst haben, zumal er die „Springer-Presse“ besonders argwöhnisch betrachtet hat. Im Übrigen hat er bis zur mündlichen Verhandlung keine Veranlassung für diesbezügliche Unterlassungsaufforderungen gesehen.
275bb) Die außergerichtlich und gerichtlich nicht mit Unterlassungsforderungen angegriffenen Berichterstattungen der Beklagten sind ohnehin aus sachlichen Gründen sämtlich nicht entschädigungswürdig.
276(1) Wegen der Berichterstattungen der Nummern 22 und 23 („Krimi um L – In der Knast-Bibliothek darf er TV gucken“ vom 26.3.2010, Anlage K 92; „So lebt L im Knast“ vom 18.7.2010, Anlage K 93) hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Geldentschädigung. Dabei kann dahinstehen, dass der Kläger schon nicht ausführt, welcher Inhalt der Berichterstattungen eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts bewirkt haben soll. Soweit es sich um Beschreibungen des Alltags sowie der allgemeinen Umstände und Verhältnisse von Untersuchungshäftlingen und Strafgefangenen in einer bzw. der betreffenden Justizvollzugsanstalt handelt, fehlt es bereits an einem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers. Soweit über seinen Alltag, die Umstände seiner Unterbringung und sein „Leben als Häftling“ berichtet wird, ist zwar die Privatsphäre des Klägers betroffen. Der Eingriff ist aber nicht derart schwerwiegend, dass die Zuerkennung einer Geldentschädigung geboten wäre, zumal es ein öffentliches Berichterstattungsinteresse hinsichtlich der Frage gibt, wie ein Angeklagter – insbesondere ein Prominenter – in (Untersuchungs-)Haft behandelt wird und wie sein Alltag dort abläuft. Schließlich hat der Kläger selbst in dem mit seiner Ehefrau verfassten Buch über die ihn betreffenden vorgenannten Umstände während seiner Zeit in der Justizvollzugsanstalt berichtet (s. 54 ff. d. Buches, Anlage B 6).
277(2) Ebenso wenig ist mit der Berichterstattung Nummer 24 mit dem Titel „Rätsel um goldenen Ring von L“ vom 24.3.2011 (Bl. 123 d.A.) ein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers verbunden, der die Zuerkennung einer Geldentschädigung gebieten würde. Der Bericht enthält die Schilderung der (wahren) Vorkommnisse in der öffentlichen Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim, in welcher der Kläger mit einem Ring an der linken Hand auftrat und vom Vorsitzenden auf diesen angesprochen wurde sowie die daraus resultierende Mutmaßung der Beklagten, dass er geheiratet haben könnte. Eine solche Berichterstattung betrifft die Sozialsphäre des Klägers, da weder Details der Hochzeit noch aus dem Beziehungsleben des Klägers mitgeteilt werden. Als unstreitig wahre Tatsachenbehauptung würde diese nur dann unzulässig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingreifen, wenn eine Stigmatisierung oder Prangerwirkung zu besorgen wäre, was jedoch ersichtlich nicht der Fall ist. Selbst wenn aber die Frage, ob der Kläger geheiratet hat, seiner Privatsphäre zugerechnet würde, wäre angesichts dessen, dass der Kläger seinen Ring in öffentlicher Verhandlung getragen hat und der Tatsache, dass der Angeklagte eines Strafverfahrens eine der Zeuginnen geheiratet hat, von erheblichem öffentlichen Interesse ist, ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers jedenfalls nicht schwerwiegend. Im Übrigen macht der Kläger auch hinsichtlich dieser Berichterstattung nicht geltend, worin die schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung konkret liegen soll, sondern rügt nur allgemein eine Verletzung seiner Privatsphäre.
278(3) Auch mit der Berichterstattung Nummer 25 mit dem Titel „Ls Heirat, ist es Liebe oder nur ein Schachzug?“ vom 31.3.2011 (Bl. 124 d.A.) ist kein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers verbunden, der die Zuerkennung einer Geldentschädigung gebieten würde. Die Berichterstattung der Beklagten besteht überwiegend aus einer Meinungsäußerung von T3 zur Hochzeit des Klägers, die im Hinblick auf den Prozessverlauf sowie auf die Auswirkung auf seine weiteren Freundinnen bewertet wird. Eine Beeinträchtigung der Privatsphäre des Klägers kommt überhaupt nur insoweit in Betracht, als der Bericht den Vornamen seiner Ehefrau enthält. An der Mitteilung dieses Namens bestand jedoch schon deshalb ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse, weil die neue Ehefrau des Klägers als Zeugin in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren ausgesagt hat. Es stellt schließlich auch keine Herabwürdigung der Person des Klägers dar, dass ihm von der Autorin des Beitrags unterstellt wird, er habe nur aus taktischen Gründen geheiratet (vgl. Bl. 533 d.A.). Denn angesichts des früheren Beziehungslebens des Klägers, seiner aktuellen Situation als Angeklagter in einem Strafverfahren sowie der Rolle seiner Frau in diesem Verfahren erscheint es im Sinne einer kritischen Berichterstattung gerechtfertigt, den Zeitpunkt der Eheschließung hinsichtlich seiner Motivation zu hinterfragen.
279(4) Die Berichterstattung mit dem Titel „Heimliche Hochzeit im Schloss!“ vom 12.3.2012 (Anlage K 94) stellt jedenfalls keinen entschädigungswürdigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Zwar betreffen die Angaben über Zeit und Ort der Hochzeit die Privatsphäre des Klägers, weil es nicht nur um die Tatsache der Eheschließung als solche, sondern um (mutmaßliche) Details der Feierlichkeiten geht. Auch bestand kein überwiegendes öffentliches Berichterstattungsinteresse, zumal das Strafverfahren bereits seit Oktober 2011 rechtskräftig abgeschlossen war, so dass weder im Hinblick auf ein laufendes Strafverfahren noch auf die Prominenz des Klägers – der sich im Zeitpunkt der Berichterstattung weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte – eine ins Detail gehende Berichterstattung gerechtfertigt war. Nach Ansicht des Senats ist dieser Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers allerdings nicht so schwerwiegend, dass eine Entschädigung angezeigt ist. Dabei ist vor allem maßgebend, dass es sich „bloß“ um eine der Hochzeit nachfolgende Wortberichterstattung handelt, so dass zum einen die Preisgabe von Ort und Zeit keine Belästigung des Klägers in dem Sinne bewirkt haben kann, dass er aufgrund der Berichterstattung der Beklagten auf seiner Hochzeit von unerwünschten Personen behelligt wird. Auch steht der Annahme eines unabweisbaren Bedürfnisses entgegen, dass der Kläger bereits für die entsprechende Bildberichterstattung über die Verabschiedung seiner Gäste am Tage nach der Hochzeit eine Geldentschädigung erhalten hat.
280(5) Für die Berichterstattungen mit den Titeln „L in L2 aufgetaucht“ vom 19.8.2010 (Anlage K 85) und „Intrigen-Gewitter über Ls Wetterfirma“ vom 22.8.2010 (Anlage K 95) gilt nichts anderes. Zwar wird der Urlaubsort des Klägers („C4“) verraten. Dies mag als rechtswidriger Eingriff in seine Privatsphäre einzuordnen sein, weil ein öffentliches Berichterstattungsinteresse an dieser Mitteilung trotz des im Zeitpunkt der Berichterstattung noch andauernden Strafverfahrens gegen den Kläger nicht bejaht werden kann. Der Urlaubsort – auch der eines Angeklagten in einem Strafverfahren – ist jedenfalls dann der zu schützenden Privatsphäre zuzuordnen, wenn – wie hier – ein inhaltlicher Bezug zum Strafverfahren nicht besteht und auch im betreffenden Beitrag nicht thematisiert wird. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ist jedoch nicht als derart schwerwiegend einzustufen, dass er eine Entschädigung auslösen könnte. Der Kläger wird durch die Mitteilung, an welchem Ort in L2 er seinen Urlaub verbringt, weder in den Augen der Öffentlichkeit herabgesetzt noch in den Grundlagen seiner Persönlichkeit getroffen. Auch der in der Mitteilung der Beklagten liegende Geheimnisverrat ist nicht als so schwerwiegend anzusehen, dass eine Genugtuung nur durch eine Geldzahlung herbeigeführt werden könnte. Die Angabe des Ortes ermöglicht keine Identifizierung des konkreten Aufenthaltsortes des Klägers, so dass er – zumal er sich in Übersee und damit in erheblicher Entfernung aufhielt – durch die Berichterstattung der Beklagten nicht mit Belästigungen oder sonstigen Beeinträchtigungen durch neugierige Leser hätte rechnen müssen.
281(6) Einen Anspruch auf Geldentschädigung hat der Kläger ferner nicht wegen der Berichterstattung mit dem Titel „L hatte bis zu 14 Geliebte“ vom 27.5.2010 (Anlage K 84). Soweit in dieser behauptet wird, dass der Kläger „Tipps zur Lebenshilfe gebe“, ist dies ausweislich seiner eigenen Angaben im Buch (S. 75, Anlage B 6) zutreffend. Im Übrigen hat er die Wahrheit der weiteren Tatsachenbehauptungen („Selbstmitleid“) nicht hinreichend bestritten. Selbst wenn man aber hierin eine ehrabträgliche unwahre Tatsachenbehauptung erkennen wollte, ist die damit verbundene Persönlichkeitsrechtsverletzung jedenfalls nicht schwerwiegend. Eben dies gilt auch für die Zahl von „bis zu 14 Geliebten“. Unter Berücksichtigung des „ungeordneten“ Beziehungslebens des Klägers ist die diesbezügliche Äußerung allenfalls als graduelle Falschbehauptung einzuordnen, jedenfalls aber nicht als schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung.
282(7) Die Berichterstattung mit dem Titel „Darum ist es wichtig, dass Ex-Freundinnen vor Gericht aussagen“ vom 24.9.2010 (Bl. 128 d.A.) löst ebenfalls keine Geldentschädigung aus. Der Kläger bestreitet weder, die im Beitrag in Bezug genommene E-Mail geschrieben zu haben noch den (teilweise) wiedergegebenen Inhalt des Telefongesprächs. Den Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht erblickt er vielmehr – zu Recht – in einer Verletzung der Vertraulichkeitssphäre und der damit verbundenen Charakterisierung in der Öffentlichkeit als eine Person, die im Beziehungsgeflecht mit seinen diversen Freundinnen auch vor dem Vortäuschen erheblicher Erkrankungen nicht zurückschreckt.
283Zum einen wird aber anders als in den oben genannten Fällen in diesem Beitrag über eine Vernehmung eines den Inhalt der E-Mail und des Telefongesprächs wiedergebenden Kriminalbeamten in der Hauptverhandlung berichtet. In Anbetracht dessen hatten die vertraulichen Informationen bereits die Saalöffentlichkeit erreicht (vgl. BGH, Urt. v. 19.3.2013 – VI ZR 93/12, NJW 2013, 1681). Da die Strafkammer den Kriminalbeamten hierzu befragt hatte, war es zudem jedenfalls vertretbar, von einem noch hinreichenden Tatbezug auszugehen.
284Zum anderen war und ist in der Öffentlichkeit, auch aufgrund der Beschreibungen des Klägers in dem gemeinsam mit seiner Ehefrau verfassten Buch bekannt, dass er mehrere intime Beziehungen gleichzeitig geführt und im Zuge dessen auch gelogen hat, um die jeweiligen Frauen in dem Glauben zu lassen, sie seien die einzige Freundin. Deswegen ist schon fraglich, ob die Beklagte Persönlichkeitsrechte des Klägers überhaupt rechtswidrig verletzt ist. Jedenfalls ist aber die Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht schwerwiegend und die Beklagte hat allenfalls fahrlässig gehandelt, so dass eine Entschädigung nicht geboten ist.
285(8) Mit der Berichterstattung mit dem Titel „L schreibt Mail an T3“ vom 3.8.2010 (Anlage K 96) wird das Persönlichkeitsrecht des Klägers schon nicht rechtswidrig verletzt. Denn die vom Kläger insoweit beanstandeten Äußerung „Sie [=T3] wetterte gegen den TV-Moderator, nannte ihn „einen ziemlich gestörten Menschen, der dringend in Therapie gehört““ ist unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten als zulässige Meinungsäußerung einzustufen. Dadurch dass Frau T3, die auch aus Sicht der Leserschaft als medizinischer Laie einzustufen ist, eine „Diagnose“ über den psychischen Zustand des Klägers aufstellt bzw. die dafür vermeintlich erforderliche Behandlung empfiehlt, wird deutlich, dass die Äußerung wesentlich von Elementen des Meinens und Dafürhaltens geprägt wird, ohne dass ein überprüfbarer Tatsachenkern vorhanden ist, den dieser als unwahr angreifen könnte und im Übrigen auch nicht angegriffen hat.
286Die von der Beklagten wiedergegebene Meinungsäußerung ist weder als Schmähkritik noch als Formalbeleidigung oder gar als Angriff gegen die Menschenwürde anzusehen. Sie ist auch nicht vorwiegend im Rahmen einer privaten Auseinandersetzung zwischen Frau T3 und dem Kläger, sondern jedenfalls auch im Zusammenhang mit der die Öffentlichkeit berührenden Frage diskutiert worden, dass der Kläger im Privatleben ein gesellschaftlich überwiegend nicht akzeptiertes und fragwürdiges Verhalten zeigte. Schließlich würde es jedenfalls an einem unabweisbaren Bedürfnis für die Zubilligung einer Geldentschädigung fehlen, weil der Kläger selbst eingeräumt hat, mehrere (intime) Beziehungen parallel geführt und innerhalb dieser Beziehungen gelogen zu haben.
287(9) Die Berichterstattung mit dem Titel „Ls Vorlieben als Süßbärchen“ vom 4.7.2010 (Anlage K 89) stellt keine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers dar. In diesem Bericht finden sich – aus einer Berichterstattung des G zitierte – Angaben aus dem aussagepsychologischen Gutachten von Frau Prof. H, das im Rahmen des Strafverfahrens eingeholt wurde, um die Frage der Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin zu überprüfen. Soweit der Kläger rügt, die Beklagte habe ausnahmslos falsche Behauptungen veröffentlicht, trägt dieser Vorwurf nicht, weil es sich um die Wiedergabe von Angaben der Nebenklägerin oder der Gutachterin handelt. Dass beide sich in dem von der Beklagten geschilderten Sinne geäußert haben, bestreitet der Kläger nicht. Er hält vielmehr die Schlussfolgerungen der Gutachterin für falsch, die jedoch als Bewertung und damit zulässige Meinungsäußerung zu qualifizieren sind. In der Sache geht es dem Kläger ohnehin darum, dass die Beklagte aus dem gerichtlich eingeholten Gutachten zitiert und hierdurch einen Geheimnisverrat begangen haben soll.
288Ob der Beklagten insoweit eine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung vorzuwerfen ist, kann jedoch offen bleiben. Denn in Ansehung dessen, dass der Kläger selbst das Gutachten bzw. Teile davon – durch seine damaligen Verteidigung – an die Öffentlichkeit gebracht hat, fehlt es wenn nicht bereits an der Schwere der Rechtsverletzung, so doch jedenfalls an einem unabweisbaren Bedürfnis für eine Geldentschädigung. Dabei geht der Senat – wie bereits ausgeführt – in Übereinstimmung mit dem Landgericht davon aus, dass die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe Teile der Ermittlungsakte, insbesondere das Gutachten von Frau Prof. H an die Presse gegeben, als zugestanden anzusehen ist, weil der Kläger dies nicht hinreichend substantiiert bestritten hat.
289Anders als der Kläger meint, hat das Landgericht bei dieser Frage nicht die Darlegungslast verkannt. Es reicht nicht aus, dass der Kläger die Ausführungen der Beklagten zur angeblichen Weitergabe vertraulicher Dokumente als unsubstantiiert zurückgewiesen hat, weil diese nicht dargelegt habe, „wer was wann wem wie überlassen haben soll“ (vgl. Bl. 1175 d.A.). Denn der Kläger hätte in Ansehung des substantiierten Vorbringens der Beklagten zunächst bestreiten müssen, dass er oder seine Anwälte die Ermittlungsakte – und sei es auch nur in Teilen – an verschiedene Presseunternehmen herausgegeben haben. Hierzu bestand nicht nur deswegen Anlass, weil er selbst eingeräumt hat, „vertrauliche Hintergrundgespräche“ mit Pressevertretern geführt zu haben. Vor allem hätte er sich dazu erklären müssen, wie es zu der seitens der Beklagten zu Recht hervorgehobenen – der Veröffentlichung der Beklagten vorhergehenden – Berichterstattung des „T4“ („Er schläft mit ihr!“, Heft Nr. 23/2010, vgl. Bl. 598 d.A.) gekommen ist, aufgrund derer ohne Weiteres auf die Herausgabe von Prozessinterna geschlossen werden kann. Wenn dann die Beklagte auf eine Berichterstattung des G Bezug nimmt, die sich gerade (auch) damit auseinandersetzt und meint, dass u.a. der „T4“ aus dem Gutachten von Prof. H unvollständig zitiert habe, so dass Anlass für die Wiedergabe weiterer Details bestehe, kann schon die Rechtswidrigkeit des Geheimnisverrats, vor allem aber die für eine Entschädigung erforderliche Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung in Frage gestellt werden. Zugleich handelte die Beklagte deswegen und wegen des vertretbaren Tatbezuges allenfalls fahrlässig. Schließlich und jedenfalls fehlt es aber an einem unabweisbaren Bedürfnis für eine Entschädigung, wenn der Kläger sich selbst durch eine – und sei es auch vertrauliche – Weitergabe von geheimen Informationen dem Risiko aussetzt, dass diese an die Öffentlichkeit geraten.
290(10) Eine Geldentschädigung ist ferner nicht im Hinblick auf die Berichterstattung mit dem Titel „Das sagten die 7 Geliebten aus“ vom 20.9.2010 (Anlage K 97) geboten. Die Beklagte gibt in diesem Bericht Einzelheiten aus den Vernehmungsprotokollen der ehemaligen Geliebten des Klägers wieder, deren Inhalt der Kläger nicht bestreitet, hinsichtlich derer er jedoch geltend macht, dass es sich um private bzw. intime Details handelt (vgl. Bl. 131 d.A.). Hierin mag zwar ein Geheimnisverrat der Beklagten liegen, der jedoch mangels einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung keine Geldentschädigung auslöst. Soweit es sich überhaupt um einen rechtswidrigen Eingriff der Beklagten in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers handelt, weil die Angaben der Freundinnen gegenüber den Ermittlungsbehörden – auch und gerade zu intimen Details – nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren, ist dieser Eingriff unter Würdigung der Gesamtumstände nicht als schwerwiegend einzustufen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger selbst die Vielzahl seiner parallel geführten Beziehungen öffentlich gemacht hat, so dass die Angabe weiterer Details aus diesen Beziehungen (Zeitpunkt des Kennenlernens, Dauer der Beziehung, Grund für Trennung, finanzielle Leistungen des Klägers an die jeweilige Frau etc.) keine darüber hinausgehende Eingriffsintensität aufweist, die ihn in den Augen der Öffentlichkeit maßgeblich herabwürdigt oder ihn in den Grundlagen seiner Persönlichkeit trifft.
291Im Übrigen werden zwar in diesem Zusammenhang neben den einzelnen Tatsachenbehauptungen auch verbale Angriffe gegen den Kläger wiedergegeben („Ich freue mich über jede einzelne Minute, die er einsitzt“, „Ich bin inzwischen nur noch wütend und von ihm angeekelt“, „Ab und zu pervers und manchmal außer Kontrolle“, „Ich spüre Ekel und Verachtung“, „Sie schließt nicht aus, dass er eine Frau vergewaltigen kann“, „Das geschieht ihm recht“, „Sie freut sich über jeden Tag, den er im Knast verbringen muss“). Insoweit handelt es sich um Meinungsäußerungen der jeweiligen Frauen. Die von der Beklagten insoweit wiedergegebenen Bewertungen der Person oder des Verhaltens des Klägers sind vor dem Hintergrund des Umstands, dass die vernommenen Frauen nach dem Ende der jeweiligen Beziehung nunmehr von der Vielzahl der „Konkurrentinnen“ erfahren hatten, weder als Schmähkritik noch als Formalbeleidigungen oder gar als Angriff gegen die Menschenwürde anzusehen. Sie werden von der Beklagten auch nicht im Rahmen einer privaten Auseinandersetzung wiedergegeben, sondern im Hinblick auf die möglicherweise anstehende Vernehmung dieser Zeuginnen im gegen den Kläger geführten Strafverfahren und die diesbezüglichen Befürchtungen einer Verteidigerin des Klägers, so dass eine die Öffentlichkeit interessierende Frage betroffen ist. Schließlich war es in Ansehung dessen, dass das Landgericht Mannheim angekündigt hatte, die ehemaligen Freundinnen des Klägers vernehmen zu wollen, jedenfalls vertretbar, einen Bezug der von diesen stammenden Informationen zu der Tat zu bejahen, womit die Beklagte allenfalls leicht fahrlässig handelte.
292(11) Der Kläger hat ferner keinen Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen der Berichterstattung mit dem Titel „Aussage gegen Aussage! Wem glaubt der Richter?“ vom 31.7.2010 (Anlage K 98). Soweit in diesem Bericht die Äußerung enthalten ist „Die Tür ist nur angelehnt – offenbar ein erotisches Spiel. Es kommt sofort zum Sex“, belastet dies den Kläger nur in geringem Umfang, weil ihm damit gerade keine strafbare Handlung vorgeworfen wird, so dass schon deswegen an der ausreichenden Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung gezweifelt werden kann. Zudem betrifft die Schilderung das Vorgeschehen der angeklagten Straftat und stammt aus der Einlassung des Klägers vor dem Ermittlungsrichter, die am 13.9.2010 in öffentlicher Verhandlung vor dem Landgericht Mannheim verlesen wurde.
293Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt war die Wiederholungsgefahr entfallen, weil die Einlassung des Angeklagten für die Berichterstattung über ein Strafverfahren von zentraler Bedeutung ist und an ihrer Wiedergabe ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht, so dass die Beklagte oder andere Presseorgane ab diesem Zeitpunkt über die Einlassung und das in hinreichendem Bezug zur Tat stehende Vorgeschehen berichten durften (vgl. BGH, Urt. v. 19.3.2013 – VI ZR 93/12, AfP 2013, 250). Damit lag eine Beeinträchtigung des Klägers allenfalls für einen begrenzten Zeitraum vor, womit insgesamt eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung zu verneinen ist. Jedenfalls aber fehlt ein unabweisbares Bedürfnis für die Zuerkennung einer Geldentschädigung.
294(12) Die Berichterstattung mit dem Titel „L flog nach L2“ vom 15.11.2010 (Bl. 134 d.A.) stellt keine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers dar. Soweit die Beklagte in dieser Berichterstattung öffentlich gemacht hat, dass der Kläger nicht der leibliche Vater der zwei Kinder aus einer früheren Ehe ist, handelt es sich zwar um einen Eingriff in seiner Privatsphäre. Dieser ist jedoch nicht rechtswidrig, da der Kläger diesen Umstand selbst in einem Interview mit der „A“ (Anlage B 52) und in seinem Buch („S“) mitgeteilt hat. Auch ist diese Tatsache bereits in der öffentlichen Hauptverhandlung vom 13.9.2010 anlässlich der Verlesung der Einlassung des Klägers vor dem Ermittlungsrichter bekannt gemacht worden. Der vorliegend vom Kläger beanstandete Beitrag der Beklagten vom 15.11.2010 enthält keine Aussage darüber, aus welchem Grund der Kläger nicht der leibliche Vater der beiden Kinder ist, so dass ggf. unzulässige Äußerungen über seinen Gesundheitszustand in diesem Bericht nicht enthalten sind.
295(13) Die Berichterstattung mit dem Titel „L: Neue Hinweise?“ vom 13.6.2010 (Bl. 135 d.A.) stellt ebenfalls keine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung dar. Denn soweit die Beklagte – gestützt auf eine Berichterstattung im G – das vermeintliche Auffinden neuer Spuren im Strafverfahren gegen den Kläger vermeldet, durfte sie schon aufgrund des erheblichen Berichterstattungsinteresses an dem gegen den Kläger geführten Strafverfahren über einzelne Umstände der vermeintlichen Tat bzw. deren möglicher Aufklärung berichten. Im Übrigen legt der Kläger, der ausweislich seines Buches „S“ (vgl. dort S. 160 und 252) behauptet, der zuständige Staatsanwalt habe bei der Mitteilung dieser neuen Ermittlungsergebnisse „in die Kamera die Unwahrheit gesagt“, schon nicht dar, aus welchen Umständen die Beklagte im Berichtszeitpunkt hätte wissen oder auch nur erkennen können, dass die erteilte Information nicht zutreffen können. Im Hinblick darauf ist auch kein schuldhaftes Verhalten der Beklagten erkennbar.
296(14) Ferner hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer behaupteten Falschberichterstattung mit dem Titel „Knast-Kumpel packt aus – so war mein Zellennachbar L“ vom 31.8.2010 (Bl. 135 d.A.).
297Soweit der Kläger gegen die Wiedergabe der Erzählungen seines vermeintlichen Zellennachbarn geltend macht, dieser habe nicht in der Zelle „direkt unter mir“ eingesessen, sondern sei in der Justizvollzugsanstalt N „weit entfernt“ untergebracht gewesen (vgl. Bl. 137 d.A.), stellt dies keine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung dar. Vielmehr handelt es sich insoweit um eine wertneutrale Falschbehauptung, weil aus Sicht eines durchschnittlichen Rezipienten nicht entscheidend ist, in welcher konkreten Zelle der Informant der Beklagten untergebracht war, sondern ob er in der Lage war, persönliche Eindrücke über T4 wiederzugeben, die er gemeinsam mit dem Kläger in der Justizvollzugsanstalt N verbracht hat. Den Vorwurf eines frei erfundenen Interviews mit einer Person, zu der er keinen Kontakt gehabt habe, hat der Kläger hingegen nicht substantiiert. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, fehlt es aber jedenfalls an einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung. Denn der Kläger wird – wie bereits oben ausgeführt – durch die Schilderung von alltäglichen Begebenheiten im Gefängnisalltag bzw. Erörterungen des Wetters weder in den Augen der Öffentlichkeit erheblich herabgewürdigt noch greifen diese Äußerungen die Grundlagen seiner Persönlichkeit an.
298(15) Soweit der Kläger schließlich weitere außergerichtlich und gerichtlich nicht angegriffene Berichterstattungen der Beklagten in der vom Landgericht in Teil B des Urteils unter den Nummern 37 bis 45 wiedergegebenen Weise, nämlich
299- 300
hinsichtlich der vermeintlich ihn vorverurteilenden Bezeichnung der Anzeigenerstatterin als „Opfer“
- 301
hinsichtlich der vermeintlichen Unterstellung, er habe eine Vergewaltigung begangen
- 302
hinsichtlich der vermeintlichen Entwertung seines Freispruchs
- 303
hinsichtlich der vermeintlichen Unterstellung von Nervosität bei der Vernehmung von Zeugen
- 304
hinsichtlich der vermeintlichen Darstellung der Aussage der Anzeigenerstatterin als glaubhaft
- 305
hinsichtlich der vermeintlichen Entwertung der Unschuldsbekundungen seines Verteidigers
- 306
hinsichtlich der vermeintlichen Hervorrufen eines unzutreffenden Bildes eines grinsenden, den Prozess nicht ernst nehmenden, andere Prozessbeteiligte nicht respektierenden und das Gericht täuschenden Angeklagten
- 307
hinsichtlich der vermeintlichen Nachverurteilungen
- 308
hinsichtlich der vermeintlichen Schmähungen seiner Person
zum Gegenstand seiner Entschädigungsforderung macht, steht ihm kein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung zu.
310(a) Zwar nimmt der Kläger insoweit auf Berichterstattungen der Beklagten Bezug und gibt diese vollständig oder mit einzelnen Äußerungen wieder. Indes greift er die Berichterstattungen nicht unter dem Gesichtspunkt an, dass einzelne Äußerungen im konkreten Kontext unzulässig seien, was sich im Übrigen auch nur schwerlich damit vereinbaren ließe, dass er nicht wenige Berichterstattungen mehrfach in Bezug nimmt und teilweise Äußerungen aus den Berichterstattungen unter verschiedenen Gesichtspunkten beanstandet. Vielmehr sieht der Kläger die Berichterstattung nach seinen eigenen Ausführungen als Teil der von ihm so empfundenen „Pressekampagne“ der Beklagten und hält sie (nur) unter diesem Gesichtspunkt für entschädigungswürdig, was wiederum dazu passt, dass er diese weder außergerichtlich noch gerichtlich angegriffen hat. Da eine zielgerichtete Pressekampagne der Beklagten aus den oben angeführten Gründen gerade nicht festzustellen ist, was aus den bereits genannten Gründen auch unter Berücksichtigung der zuvor aufgeführten sowie nachfolgend behandelten Berichterstattungen gilt, kann der Kläger aber keine von der Beanstandung konkreter Äußerungen in ihrem Kontext unabhängige Entschädigung wegen der seiner Auffassung nach letztlich einen Gesamteindruck ergebenden Berichterstattung verlangen.
311(b) Ohnehin vermag der Senat bei gleichwohl vorgenommener Betrachtung der Berichterstattungen keine – schwerwiegenden – Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu erkennen.
312(aa) So ist mit den vom Landgericht unter Nummer 37 zusammengefassten Berichterstattungen der Beklagten (Anlagen K 99, K 102, K 103, K 104, K 105, K 109, K 110, Bl. 148, 152 d.A.) keine Vorverurteilung des Klägers durch die gerügte Verwendung eines „Täter-Opfer-Schemas“ verbunden. Die Bezeichnung „Opfer“ für die Nebenklägerin und „Täter“ für den Kläger sowie die weiteren Begriffe „Opfer-Anwalt“ und „Opfer-Therapeut“ dienen im Kontext der Berichterstattung erkennbar bloß der Beschreibung der handelnden Personen.
313Die weiter von der Beklagten verbreitete Äußerung „Die verzweifelte Königstochter hat den Wetterfrosch an die Wand geworfen. Doch der verwandelte sich nicht in einem Königssohn mit schönen freundlichen Augen. Sondern in den bösen Wolf“ mag – entsprechend der Ansicht des Klägers – eine Rollenzuweisung nach den Archetypen der Grimmschen Märchenwelt und damit eine Tendenz der Schuldzuweisung enthalten. Es erscheint jedoch schon fraglich, ob der durchschnittliche Rezipient gerade im Hinblick auf die eigenwillige Ausdrucksweise in Form der Märchenerzählung hiermit eine Aussage der Beklagten verbindet, die einen hinreichend sicheren Rückschluss auf eine negative Bewertung der Person und des Verhaltens des Klägers zulässt. Selbst wenn man aber in den vorgenannten Äußerungen auch Elemente einer Vorverurteilung erkennen wollte, handelt es sich – wegen der Einbettung in zulässige Meinungsäußerungen und den jeweiligen Gesamtkontext – jedenfalls nicht um schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzungen, zumal sie jedenfalls keine Festlegung im Sinne einer unterstellen Vergewaltigung enthalten.
314(bb) Nichts anderes gilt für die unter Nummer 38 aufgeführten Berichterstattungen (vgl. Anlage K 96, Bl. 154, 170, 171, 174 d.A.), mit denen keine Vorverurteilungen (im Sinne von Unterstellungen) verbunden sind und die schon gar nicht schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzungen beinhalten.
315(aaa) In von der Beklagten in Anlage K 96 veröffentlichte Äußerung von T3
316„… Vielleicht wissen Sie gar nicht, dass das kein Spielchen mehr ist, wenn eine Frau im Ernstfall Nein sagt, sondern Ernst? … Und übrigens: „Auch nette Männer vergewaltigen manchmal, Kollege L. Leider.“
317beinhalten – im Kontext der weiteren Berichterstattung – keine Vorverurteilung des Klägers. Denn die vollständige Berichterstattung berichtet über die (öffentliche) Reaktion von Frau T3 auf eine an diese gerichtete E-Mail des Klägers, mit der sie dem Kläger – was wörtlich zitiert wird – vorwirft, „Sollte der Vorwurf stimmen, verteidigen Sie sich nicht auch noch auf Kosten des Opfers“. Damit geht es in der Sache um eine Meinungsäußerung von Frau T3, während die Frage, ob der im Strafverfahren erhobene Vorwurf tatsächlich stimmt, gerade offen gelassen wird. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Äußerung „Auch nette Männer vergewaltigen manchmal, Kollege L. Leider.“, zumal auch die Relativierung „manchmal“ verwendet wird.
318(bbb) Auch in dem Bericht mit dem Titel „Hat L etwas zu verbergen?“ (vgl. Bl. 154 d.A.) liegt nicht die Unterstellung, der Kläger habe eine Vergewaltigung begangen, sondern vielmehr eine kritische Wertung der unstreitig zutreffenden Tatsache, dass er im Strafverfahren die Befragung durch einen Psychologen abgelehnt und seine Verteidiger versucht hatten, die Anwesenheit eines Gutachters im Gerichtssaal zu verhindern. Es wird vom Kläger nicht dargelegt und ist auch im Übrigen nicht ersichtlich, inwiefern in dieser Berichterstattung eine „suggestive Bedienung des Täter-Opfer-Schemas“ enthalten sein soll.
319(ccc) Gleiches gilt für den Bericht mit dem Titel „Die Staatsanwälte plädieren auf schuldig!“ (Bl. 170 d.A.), der unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes Wertungen und Einschätzungen von T3 zum künftigen Verlauf des Prozesses sowie Vermutungen darüber enthält, wie die Verteidigung den Ausgang des Verfahrens einschätzt. Soweit dabei im letzten Absatz die möglichen Folgen einer Verurteilung geschildert werden („Im zweiten Fall beträgt das Strafmaß mindestens fünf Jahre – dann würde der Verurteilte vielleicht sogar wegen Fluchtgefahr direkt im Gerichtssaal verhaftet werden“) handelt es sich entgegen der Einschätzung des Klägers nicht um „Verhaftungsphantasien“ der Autorin, sondern vielmehr um eine in der Gesamtschau zulässige Wertung des weiteren Verfahrensverlaufs anhand der gesetzlich vorgesehenen Strafrahmenvorschriften.
320(ddd) Schließlich liegt auch in dem Bericht mit dem Titel „Ein angemessener Kompromiss“ (Bl. 171/172 d.A.) in der Gesamtschau nicht die Unterstellung, der Kläger habe tatsächlich eine Vergewaltigung begangen, sondern vielmehr eine Darstellung des tagesaktuellen Prozessgeschehens, welches in Teilen einer Wertung der Autorin unterzogen wird. Auch wenn diese Wertungen aus Sicht des Klägers nicht positiv geprägt sind, hat er sie hinzunehmen, weil sie sich als sachlich gehaltene Auseinandersetzung mit dem Tatvorwurf sowie der Beweisaufnahme darstellen und die Grenze zur Schmähkritik nicht überschreiten.
321(cc) Soweit der Kläger mit der unter Nummer 39 aufgeführten Berichterstattung (Anlage K 111) eine „Entwertung seines Freispruchs beanstandet, greift er Meinungsäußerungen von Frau T3 zu dem nach ihrer Auffassung unzureichenden Schutz von Vergewaltigungsopfern an, die auf – von Frau T3 bewerteten - „Statistiken“ zu Freisprüchen von „Tätern“ und der Wirkung eines Freispruchs „in dubio pro reo“ fußen. Eine – vom Kläger so bezeichnete – „Stimmungsmache“ der Beklagten vermag der Senat hierin nicht zu erkennen, zumal aus Sicht eines durchschnittlichen Rezipienten schon nicht der Schluss nahegelegt wird, dass der Kläger in dem gegen ihn geführten Strafverfahren voraussichtlich straffrei ausgehen wird, obwohl er tatsächlich Täter sei.
322(dd) Mit der unter Nummer 40 aufgeführten Berichterstattung vom 30.9.2010 mit dem Titel „3 Zeugen belasten L“ (Bl. 158 d.A.) und den vom Kläger hervorgehobenen Äußerungen
323„Bei diesen Worten griff L zu einem Pflegestift, schmierte sich die Lippen ein. Immer wieder zupfte er sich die Krawatte zurecht, blickte hin und her … L grinste während der Aussage in sich hinein, faltete die Hände“.
324wird der behauptete Eindruck einer Nervosität des Klägers bei der Vernehmung von Belastungszeugen nicht – wie erforderlich (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.2005 – VI ZR 204/04, NJW 2006, 601) – zwingend erweckt. Jedenfalls fehlt es aber an einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung, weil mit der Unterstellung von Nervosität keine (erhebliche) Belastung des Klägers verbunden ist. Dass ein Angeklagter im Strafverfahren bei der Vernehmung von Zeugen nervös sein kann, ist auch dann nachvollziehbar, wenn der Angeklagte tatsächlich unschuldig ist. Ein maßgebliches Unwerturteil ist damit nicht verbunden.
325(ee) Die unter der Nummer 41 in Bezug genommenen Berichterstattungen „Tränen-Aussage vor Gericht!“ und „Der mutige Auftritt der Ex-Freundin vor Gericht“ (Anlage K 112, Bl. 160 d.A.) enthalten zulässige Meinungsäußerungen, nämlich Bewertungen der Aussage der Nebenklägerin und ihres Aussageverhaltens im Rahmen einer Berichterstattung über den Strafprozess. In Ansehung der Meinungs- und Pressefreiheit kann es der Beklagten nicht verwehrt sein, im Rahmen aktueller Prozessberichterstattung über die Vernehmung der Zeugin zu berichten, zumal wenn sie gerade nicht mit allen Mitteln der Suggestion die Nebenklägerin als glaubwürdig und ihre Aussage als glaubhaft erscheinen lässt.
326(ff) Nichts anderes gilt für die vom Kläger beanstandete „Entwertung“ der Unschuldsbekundungen seines Verteidigers durch die unter der Nummer 42 in Bezug genommenen Berichterstattungen „Wie hält Ls Ex-Geliebte das nur alles aus?“, „Nichts zu lachen für L!“ und „Großer Tag für den eitlen Staranwalt“ (Anlage K 113, Bl. 162, 166 d.A.). Neben (zutreffenden) Mitteilungen des jeweiligen Verfahrensstandes sowie Beschreibungen des Prozessverlaufs beinhalten die Berichterstattungen die Wiedergabe zulässiger Meinungsäußerungen von Frau T3, mit der diese im Wesentlichen Strategie und Verhalten der Verteidigung des Klägers bewertet.
327(gg) Mit den unter der Nummer 43 aufgeführten Berichterstattungen mit den Titeln „Der TV-Star erschien in Anzug und Krawatte“, „Nichts zu lachen für L“, „Ich bin heute Nacht vergewaltigt worden … Ich weiß nicht, was ich machen soll“, „Ein angemessener Kompromiss“ (Anlage K 119, Bl. 162, 164, 171 d.A.) wird der vom Kläger behauptete Eindruck eines den Prozess nicht ernst nehmenden, andere Prozessbeteiligte nicht respektierenden und das Gericht täuschenden Angeklagten nicht – wie erforderlich (vgl. BGH, Urt. v. 22.11.2005 – VI ZR 204/04, NJW 2006, 601) – unabweislich erweckt. Jedenfalls liegt in den betreffenden Äußerungen keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers. Denn es handelt sich jeweils um wertungsfreie Belanglosigkeiten, deren Äußerung auch im konkreten Kontext – der Schilderung des Auftretens des Klägers vor Gericht – nicht unzulässig ist. Selbst wenn der Kläger, wie er behauptet, während der Verhandlung stets einen neutralen Gesichtsausdruck aufgesetzt hat (vgl. Bl. 163 d.A.), wird er durch die Beschreibung eines vermeintlichen Grinsens in den Augen der Öffentlichkeit weder erheblich herabgewürdigt noch in den Grundfesten seiner Persönlichkeit getroffen. Denn auch wenn für einen nicht unerheblichen Teil der Rezipienten der zwingende Eindruck vermittelt würde, dass der Kläger das betreffende Verhalten als Ausdruck von Nervosität oder in Täuschungsabsicht gezeigt haben sollte, so ist doch zu berücksichtigen, dass der Kläger als Angeklagter in einem Strafprozess unter einem nicht unerheblichen psychischen Druck stand und deshalb – auch aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten – an seinen Gesichtsausdruck keine allzu strengen Maßstäbe angelegt werden können und dürfen.
328(hh) Die vom Kläger gerügten vermeintlich schmähenden Darstellungen seiner Person und seines Umfeldes durch die Äußerungen „kleiner Wetterfrosch“, „unwichtiger Wettermoderator“, „Sektenführer“, „Schwein“, „Nachtreter“, „Sie treten auf einen Menschen, der schon am Boden liegt“, „erbärmlich bis erbarmungslos“, „zerren Ex-Geliebte vor Gericht“, „wollen sie ganz unten sehen“, „Knacki“, „Süßbärchen“, „ausgeprägter Narziss“, „Wetterhanswurst“, „Frauen-Belüger“, „Einsames-Herz-Betrüger“, „Liebe-Lügner“, „Kastration als Strafe“, „Dreiwetter-Don-Juan“, „Loser“, „Verlierer“, „Lump“, „miserabler Mann“, „Kachelknast“ in der Berichterstattung der Beklagten (Bl. 172 ff., 193 ff. d.A., K 116, K 117, K 118, K 93, K 124, K 87, K 110) lösen keinen Entschädigungsanspruch aus.
329(aaa) Wegen der – vom Kläger auch unter anderen Gesichtspunkten in den Kampagnenvorwurf einbezogenen – Berichterstattung „Das sagen die 7 Geliebten aus“ kann zunächst auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Auch im Übrigen hält der Senat es zwar für fraglich, ob die Beklagte negative Äußerungen von Ex-Freundinnen des Klägers („Sektenführer“, „Schwein“) wiedergeben durfte. Eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung der Beklagten vermag der Senat aber jedenfalls nicht zu erkennen. Denn im Wesentlichen werden Meinungsäußerungen der Ex-Freundinnen wiedergegeben, die der Kläger betrogen und belogen hat, was deren polemische Stellungnahme vielleicht nicht rechtfertigt, insbesondere soweit es um die – jedenfalls außerhalb eines rechtfertigenden Kontextes – eine Formalbeleidigung darstellende Bezeichnung als „Schwein“ geht, aber jedenfalls nachvollziehbar macht und zugleich die Schwere der Verletzung des Klägers beeinflusst. Gerade insoweit hat der Kläger auch durch sein vorprozessuales Verhalten gezeigt, dass er die Persönlichkeitsrechtsverletzungen selbst nicht für derart schwerwiegend hielt, dass es einer Geldentschädigung unabweisbar bedarf.
330(bbb) Soweit die Beklagte den Kläger als „Knacki“, „Dreiwetter-Don-Juan“, „kleiner Wetterfrosch“, „unwichtiger Wettermoderator“, „Knacki“, „Süßbärchen“ und „Wetterhanswurst“ sowie die Justizvollzugsanstalt als „Kachelknast“ bezeichnet hat, ist mit diesen eher harmlosen Wortspielen ersichtlich keine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung verbunden. Gleiches gilt im Ergebnis für die Äußerungen „Nachtreter“, „Sie treten auf einen Menschen, der schon am Boden liegt“, „erbärmlich bis erbarmungslos“, „zerren Ex-Geliebte vor Gericht“, „wollen sie ganz unten sehen“, „ausgeprägter Narziss“, „Frauen-Belüger“, „Einsames-Herz-Betrüger“, „Liebe-Lügner“, „Loser“, „Verlierer“, „Lump“, „miserabler Mann“, die zwar eine deutlich negative Prägung zu Lasten des Klägers aufweisen, im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung jedoch noch als zulässige Meinungsäußerung im Sinne einer pointierten und zugespitzten Äußerung über die Rolle des Klägers in Beziehungen bzw. in Verfahren gegen die Nebenklägerin einzustufen sind.
331(ccc) Soweit schließlich die Äußerung „Kastration als Strafe“ zwar nach Ansicht des Senats durchaus die Grenze zur Schmähkritik überschreiten dürfte, weil nicht die sachliche Auseinandersetzung mit dem Strafverfahren, sondern vielmehr die persönliche Diffamierung des Klägers im Vordergrund steht, kann sie dennoch keinen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung begründen. Denn der Kläger hat es in der Folgezeit nach ihrer Veröffentlichung unterlassen, sich gegen diese Äußerungen mit einem Unterlassungsanspruch oder aber einer Strafanzeige zur Wehr zu setzen und hat dadurch gezeigt, dass ihn die betreffende Äußerung jedenfalls nicht in einem Maße berührt, dass eine Geldentschädigung zur Herstellung einer Genugtuung unabweisbar erscheint. Der Kläger hat zwar geltend gemacht, dass er zum einen aus finanziellen Gründen daran gehindert gewesen sei, jegliche Berichterstattung der Beklagten unmittelbar anzugreifen und dass dies zum anderen auch aus Gründen der Verfahrensökonomie nicht angezeigt gewesen sei. Dies überzeugt jedoch in den vorliegenden Fällen der pauschal aufgeführten Schmähkritik bzw. Beleidigungen nicht, die ohne nennenswerte Kostenbelastung mit einem Abmahnschreiben oder einer Strafanzeige hätte verfolgt werden können. Jedenfalls in den Fällen einer Beleidigung oder einer Schmähkritik ist der Senat der Ansicht, dass der Betroffene diese nicht zunächst dulden darf, um später eine Geldentschädigung zu liquidieren, sondern er vielmehr durch ein zumindest außergerichtliches Abmahnschreiben oder eine Strafanzeige zu erkennen geben muss, dass er diesen Angriffe auf seine Person nicht hinnehmen will.
332(ii) Schließlich lösen die unter Nummer 45 aufgeführten nach Auffassung des Klägers ihn nachverurteilenden Berichterstattungen der Beklagten in den Beiträgen „Der L-Prozess – Bei diesem Prozess haben alle Schaden genommen“, „L Freispruch, aber ...“, „Die Urteilsbegründung des Gerichts im Wortlaut“, „Was macht Ls Ex jetzt?“, „Bekommt L jetzt Schmerzensgeld?“, „Reaktionen auf den Freispruch“, „Freispruch, aber ...“, „L und Ex-Geliebte wieder vor Gericht“ (vgl. Bl. 180 – 193 d.A., Anlage K 121, K 122) keinen Anspruch auf eine Geldentschädigung aus.
333Der Beitrag „ Der L-Prozess – Bei diesem Prozess haben alle Schaden genommen“ vom 31.5.2011 (Anlage K 121) setzt sich in kritischer Würdigung mit dem Verlauf des Strafverfahrens, dem Verhältnis der Gesellschaft zur sexuellen Gewalt, den Auswirkungen der vermeintlich größeren medialen Stärke eines männlichen Angeklagten gegenüber einer weiblicheren Nebenklägerin sowie den hypothetischen Erwägungen auseinander, ob in anderen Ländern bessere Möglichkeiten zur Aufklärung und Verfolgung von Sexualstraftaten bestehen. Damit ist jedoch keine konkrete Aussage über die Frage getroffen, ob gerade der Kläger entgegen der wirklichen Rechtslage freigesprochen wurde.
334Der Beitrag „L Freispruch, aber …“ vom 1.6.2011 (Bl. 180 d.A.) kommentiert die Urteilsverkündung und berichtet in tatsächlicher Hinsicht zutreffend darüber, dass das Gericht in der mündlichen Urteilsbegründung weder von der Schuld des Klägers noch von einer Falschbeschuldigung der Nebenklägerin ausgegangen ist, sondern vielmehr festgestellt hat, dass das Verfahren keine Klarheit über das eigentliche Geschehen in der Tatnacht bringen konnte und der Kläger damit nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ freizusprechen gewesen sei.
335Der Beitrag „Die Urteilsbegründung des Gerichts im Wortlaut“ (Bl. 183 d.A.), führt ebenfalls nicht – schon gar nicht zwingend – zu dem vom Kläger gerügten und vermeintlich durch die Beklagte hervorgerufenen Eindruck, dass er die Tat tatsächlich begangen habe. Insbesondere durch die von der Beklagten wiedergegebene Ausführung des Landgerichts Mannheim in der Urteilsbegründung („Bedenken Sie, wenn Sie künftig über den Fall reden oder berichten, dass Herr L möglicherweise die Tat nicht begangen hat und deshalb zu Unrecht als Rechtsbrecher vor Gericht stand. Bedenken Sie aber auch umgekehrt, dass X2. möglicherweise Opfer einer schweren Straftat war“), wird aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten klargestellt, dass die Strafkammer eben nicht von einer Schuld des Klägers ausgehen konnte bzw. ausgegangen ist, die Beklagte mit dieser Berichterstattung also auch keine Nachverurteilung vorgenommen hat.
336Der Beitrag „Was macht Ls Ex jetzt?“ vom 1.6.2011 (Bl. 185 d.A.) enthält mit der Mitteilung ihres Anwalts, dass es sich beim Urteil des Landgerichts Mannheims um einen „Freispruch zweiter Klasse“ handele, eine zulässige Meinungsäußerung sowie im Übrigen zutreffende Tatsachenbehauptungen. Es wird vom Kläger nicht konkret dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich, in welcher Art und Weise sein allgemeines Persönlichkeitsrecht durch diesen Bericht rechtswidrig und schwerwiegend verletzt worden sein soll. Allein der Umstand, dass der Zustand der Nebenklägerin in diesem Beitrag als „sehr schlecht“ beschrieben wird, lässt aus Sicht eines durchschnittlichen Rezipienten keinen Rückschluss auf eine Täterschaft des Klägers zu.
337Im Beitrag „Bekommt L jetzt Schmerzensgeld?“ vom 1.6.2011 (Bl. 186 d.A.) wird zwar die Stellungnahme der Vertreter des „Weißen Rings“ und von „Terre Des Femmes“ wiedergegeben, die den Freispruch des Klägers kritisch würdigen und die Befürchtung äußern, dass dieses noch mehr Frauen davon abhalten könnte, eine Vergewaltigung anzuzeigen. Daraus ergibt sich aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten jedoch keine Behauptung der Beklagten, dass der Kläger die ihm zur Last gelegte Tat tatsächlich begangen hat und der Freispruch damit zu Unrecht erfolgt ist.
338Gleiches gilt für den Bericht „Reaktionen auf den Freispruch“ vom 1.6.2011 (Bl. 187 d.A.), in welchem sowohl positive und auch kritische Stellungnahmen zum Urteil referiert werden. Auch soweit die Beklagte in ihrem Beitrag „Frankfurter Buchmesse“ vom 13.10.2012 (Bl. 190 d.A.) im Hinblick auf das vom Kläger verfasste Buch „S“ die Formulierung „vermeintliches Aufklärungswerk“ verwendet, ist dies als zulässige Meinungsäußerung im Rahmen einer kritischen und sachlichen Auseinandersetzung mit einer die Öffentlichkeit in hohem Maße interessierenden Thema nicht zu beanstanden.
339Der Beitrag „Post von X3 – Lieber L“ vom 1.11.2012 (Bl. 193 d.A.) enthält schließlich keine vermeintlich unzulässige Nachverurteilung, in dem Sinne, dass das Urteil inhaltlich falsch ist, sondern eine wertende Äußerung dazu, dass der Klägerin die Nebenklägerin vor dem Landgericht Frankfurt auf Schadensersatz verklagt. Und schließlich beinhaltet der Beitrag „L und Ex-Geliebte wieder vor Gericht“ vom 1.11.2012 (Bl. 192 d.A.) lediglich eine (teilweise wertende) Beschreibung des Prozessverlaufs vor dem Landgericht Frankfurt.
340(c) Der Senat hat bei der Bewertung der Schwere der mit den vorgenannten Berichterstattungen verbundenen Eingriffe auch einbezogen, dass der Kläger weder außergerichtlich noch gerichtlich Unterlassung verlangt und damit zu erkennen gegeben hat, dass er den jeweiligen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht selbst für nicht schwerwiegend gehalten hat.
341f) Für die vorstehend aufgeführten Wortberichterstattungen ist auch unter dem Gesichtspunkt eines vermeintlich hartnäckigen Vorgehens der Beklagten jeweils keine höhere Entschädigung geboten.
342Der Senat hält es bereits für fraglich, ob bei Wortberichterstattungen die Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung sowie das damit verbundene Bedürfnis nach einer Entschädigung durch eine hartnäckige Verletzung im dem vom Bundesgerichtshof zu Bildberichterstattungen geprägten Sinne (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.1995 - VI ZR 223/94, AfP 1996, 138) beeinflusst werden können.
343aa) Zwar kann auch bei Wortberichterstattungen – insbesondere bei solchen die die Privat-, Geheim- oder Vertraulichkeitssphäre verletzen – eine Beseitigung der Verletzung durch Gegendarstellung, Richtigstellung oder Widerruf unmöglich sein, so dass die Interessenlage aus der Sicht des Verletzten bei hartnäckigen Privatsphärenverletzungen durch Wortberichterstattungen mit derjenigen des in seinem Bildrecht Verletzten vergleichbar ist (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 20.5.2008 - 7 U 100/07, AfP 2008, 411). Indes steht jede Veröffentlichung eines Bildnisses nach § 22 S. 1 KUG grundsätzlich unter dem Vorbehalt einer Einwilligung des Abgebildeten und kann (vor allem) nur dann gerechtfertigt sein, wenn es sich um ein Bildnis der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG handelt. Daraus mag nicht zwingend folgen, dass es wesentlich unproblematischer ist, die Rechtswidrigkeit einer Bildberichterstattung festzustellen (so aber OLG Hamburg, Urt. v. 20.5.2008 - 7 U 100/07, AfP 2008, 411), weil auch bei einer Bildberichterstattung eine umfassende Abwägung der grundrechtlich geschützten Belange im Hinblick auf die Frage erforderlich ist, ob es sich um ein Bildnis der Zeitgeschichte handelt. Indes gibt gerade das grundsätzliche Erfordernis einer Einwilligung des Abgebildeten wegen seines Rechts am eigenen Bild bei Bildberichterstattungen vor, auch bei weniger schweren Verletzungen allein wegen der Zahl der Veröffentlichungen eine Entschädigung zuzuerkennen (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.1995 - VI ZR 223/94, AfP 1996, 138), weil andernfalls das grundsätzliche Erfordernis der Einwilligung des Abgebildeten bei Veröffentlichungen der Presse von vorneherein entwertet wäre.
344bb) Es kann offen bleiben, ob in diesem Sinne hartnäckige Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Wortberichterstattungen in ganz seltenen Fällen in der Weise wie solche durch Bildveröffentlichungen als gleichartig qualifiziert werden können, so dass (allein) deswegen die Persönlichkeitsrechtsverletzung schwer und eine Geldentschädigung geboten ist (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 20.5.2008 - 7 U 100/07, AfP 2008, 411). Denn eine solche Gleichartigkeit, wegen derer auf eine positive Kenntnis der Rechtswidrigkeit aus einer zeitlich vorausgegangenen Verletzungshandlung und Verurteilung geschlossen werden könnte, ist zwischen keiner der Wortberichterstattungen gegeben, die der Senat mit den vorstehenden Erwägungen jeweils auf ihre Entschädigungswürdigkeit überprüft hat. Ein bedingt vorsätzliches Handeln der Beklagten hat der Senat – soweit überhaupt – bei den Wortberichterstattungen nicht deswegen bejaht, weil der Beklagten die Rechtswidrigkeit aufgrund von (Vor-)Veröffentlichungen positiv bekannt war, sondern weil die Beklagte die Rechtswidrigkeit aufgrund der Umstände der Veröffentlichungen (Vertraulichkeitsbruch ohne Berichterstattung mit hinreichendem Informationswert) billigend in Kauf genommen haben muss.
345g) Schließlich sieht der Senat bei einer Gesamtbetrachtung – auch unter Berücksichtigung der oben unter e) behandelten Berichterstattungen und in Ansehung der Erwägungen zum Kampagnenvorwurf – sowie nochmaliger Abwägung sämtlicher Umstände keinen Anlass, die aus den Einzelsummen resultierende Gesamtsumme von 215.000 Euro zu erhöhen oder aber zu verringern.
346aa) Soweit bereits vor und neben den angegriffenen Berichterstattungen – in ähnlicher Weise – in Veröffentlichungen über den Kläger berichtet wurde, wirkt sich dies nicht mindernd auf das Gewicht der durch die angegriffenen Äußerungen bewirkten Persönlichkeitsrechtsverletzung aus.
347Zwar kann der Umstand, dass eine wahre Tatsache bereits einer größeren Öffentlichkeit bekannt ist und deren Sicht auf die betroffene Person schon wesentlich mitprägt, geeignet sein, das Gewicht ihrer Weiterverbreitung gegenüber dem Ersteingriff erheblich zu mindern (vgl. BGH, Urt. v. 29.6.1999 - VI ZR 264/98, NJW 1999, 2893; EGMR, Urt. v. 21.1.1999 - 26/1998/929/1141, NJW 1999, 1315). Jedoch werden unbewiesene Tatsachenbehauptungen herabsetzenden Charakters weder deswegen zulässig, weil sie auch von anderen aufgestellt worden sind, noch verliert der Betroffene durch die erste belastende Berichterstattung seine Ehre und soziale Anerkennung in dem Sinne, dass diese Schutzgüter nicht erneut oder nur mit geringerer Intensität verletzt werden könnten. Auch andere Persönlichkeitsrechtsverletzung können nicht damit gerechtfertigt werden, dass sie auch von Anderen begangen wurden. Auf die Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung und das Bedürfnis für eine Entschädigung können sich Vorveröffentlichungen vielmehr allenfalls dann auswirken, wenn und soweit das Interesse der von dem streitgegenständlichen Beitrag angesprochenen Personen durch sie bereits verringert war. Letzteres kann aber nicht durch zeitlich und sachlich zusammenhängende (Vor‑)Veröffentlichungen bewirkt werden, sondern allenfalls dann, wenn gegebenenfalls auch rechtswidrige Vorveröffentlichungen nach Ablauf einer gewissen Zeit zu einem „Negativ-Image“ des Betroffenen im Hinblick auf die jeweils konkret in Rede stehende schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung geführt haben (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2013 – VI ZR 211/12, AfP 2014, 135). Die Veröffentlichungen über den Kläger im Zusammenhang mit dem gegen ihn geführten Ermittlungs- und Strafverfahren hängen aber gerade zeitlich und sachlich zusammen und stellen daher jeweils eigenständige Eingriffe in sein Persönlichkeitsrecht dar, die einer selbständigen Beurteilung unterliegen.
348bb) Ebenso wenig veranlasst allerdings der Umstand, dass die Beklagte die Persönlichkeitsrechte des Klägers in der dargestellten Anzahl von Fällen verletzt hat, zu einer Erhöhung der für die einzelnen Berichterstattungen ermittelten Entschädigungen. Zum einen kann insoweit auf die Erwägungen dazu verwiesen werden, dass die Zahl der Rechtsverletzungen – insbesondere wegen des hohen Berichterstattungsinteresses – keinen Schluss auf eine Pressekampagne zulässt. Zum anderen berücksichtigt der Kläger bei seiner abweichenden Betrachtung nicht, dass die Beklagte, worauf diese zu Recht hingewiesen hat, in einer vielfach höheren Zahl vom Kläger unbeanstandet und rechtmäßig berichtet hat. Schließlich hat der Kläger selbst – (auch) als Reaktion auf die Berichterstattung – in erheblichem Umfang Medienarbeit betrieben und die ihm gebotene Gelegenheit wahrgenommen, sich und seinem Standpunkt zu seiner Unschuld – vor allem nach seinem Freispruch – in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen. Dabei haben er und sein Prozessbevollmächtigter sich sowohl über die von ihm kritisierte Presse (u.a. die Beklagte) als auch die Anzeigenerstatterin – ohne die vom Kläger von Anderen verlangte Zurückhaltung – wiederholt sowie in erheblichem Maße abträglich geäußert, womit der Kläger sich jedenfalls in gewissem Umfang die von ihm begehrte Genugtuung verschaffen konnte.
349cc) Sowohl die erhebliche Verbreitung der Veröffentlichungen der Beklagten (vgl. BGHZ 199, 237) als auch deren wirtschaftlichen Fähigkeiten hat der Senat schließlich schon bei der Bemessung der einzelnen Entschädigungsbeträge berücksichtigt. Der Senat verkennt nicht, dass die Beklagte ohne Weiteres wirtschaftlich in der Lage ist, die ausgeurteilten Entschädigungen zu begleichen. Ohne Wirkung - wie der Kläger meint - bleibt die in der Summe ohnehin hohe Verurteilung aber nicht. Zugleich darf nicht aus den Augen verloren werden, dass die Geldentschädigung nicht eine Höhe erreichen darf, die die Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt.
350h) Die durch die jeweiligen Berichterstattungen begründeten Entschädigungsansprüche des Klägers sind nicht verjährt. Der Senat kann insoweit auf die zutreffenden und nicht ergänzungsbedürftigen Erwägungen des Landgerichts verweisen.
3512.
352Hinsichtlich der geltend gemachten Nebenforderungen kann der Kläger Recherchekosten in Höhe von 1.237,66 Euro als notwendige Kosten der Schadensfeststellung nach § 823 Abs. 1 BGB verlangen. Auf die zutreffenden und nicht ergänzungsbedürftigen Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung kann Bezug genommen werden. Im Hinblick auf die in Höhe von 215.000 Euro begründete Hauptforderung steht dem Kläger weiter ein Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 2.514,20 Euro (1,3-fache Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 215.000 Euro nach dem bis zum 31.7.2013 geltenden Gebührenrecht) zu.
3533.
354Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 92 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 und 2 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegen. Weder kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Vielmehr hat der Senat im Einzelfall unter Anwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung über die Erforderlichkeit einer Geldentschädigung entschieden.
355Berufungsstreitwert: Berufung Kläger 165.000,00 Euro
356Berufung Beklagte 336.237,66 Euro
357Gesamt: 501.237,66 Euro
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 12. Juli 2016 - 15 U 176/15
Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 12. Juli 2016 - 15 U 176/15
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Oberlandesgericht Köln Urteil, 12. Juli 2016 - 15 U 176/15 zitiert oder wird zitiert von 17 Urteil(en).
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Geldentschädigung in Höhe von 335.000,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.8.2010 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.127,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.8.2010 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.237,66 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.1.2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 78% und die Beklagte zu 22%.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
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Tatbestand
2Der Kläger ist ein ehemaliger Fernsehmoderator und betrieb bis zu seinem Ausscheiden im Herbst 2013 das von ihm gegründete Unternehmen N2, produzierte und moderierte u.a. die Sendung „Das Wetter im Ersten“ und bewarb verschiedene Produkte wie u.a. „Actimel“ und Unternehmen wie Mercedes-Benz, N und Bank24. Ferner wurde der Kläger regelmäßig für Vortragsveranstaltungen von Unternehmen und Verbänden gebucht. Bis zur Berichterstattung über das gegen ihn gerichtete Ermittlungsverfahren war sein Privatleben nicht in der Öffentlichkeit bekannt.
3Die Beklagte verlegt die bundesweiten Tageszeitungen „BILD“, „BILD am Sonntag“, die auflagenstärkste Sonntagszeitung Deutschlands, „Welt“ und das „Hamburger Abendblatt“ und betreibt zudem die Internetseiten www.welt.de, die jährlich 8,56 Millionen Nutzer und 38.917.873 „Visits“ aufweist, und www.abendblatt.de.
4Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen den Kläger wegen des Verdachts der Vergewaltigung in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Ihm wurde vorgeworfen, am 9.2.2010 seine damalige Freundin zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Vom 20.3.2010 bis zum 29.7.2010 befand der Kläger sich in Untersuchungshaft. Mit Urteil vom 31.5.2011 wurde der Kläger freigesprochen. Er veröffentlichte im Jahre 2012 ein Buch unter dem Titel „Y“.
5Der Kläger forderte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 19.7.2010 erfolglos zur Zahlung einer Geldentschädigung i.H.v. 750.000,- EUR auf.
6Der Kläger ist der Auffassung, dass es sich bei der trotz bestehender gerichtlicher Verbote fortgesetzten, hartnäckigen und kollusiv mit anderen Medien betriebenen Pressekampagne der Beklagten um keine neutrale und objektive Begleitung eines Strafprozesses gegen eine prominente Person gehandelt habe, sondern sie sich vielmehr unter Ausnutzung ihrer finanziellen Übermacht gezielt gegen die Grundlagen seiner Persönlichkeit gerichtet habe. Gegenstand der stigmatisierenden, vorverurteilenden und oftmals schlicht falschen Berichterstattung der Beklagten, die teilweise mehrmals täglich erfolgt sei, sei immer wieder sein Privat- und Intimleben gewesen, obwohl die Öffentlichkeit von weiten Teilen der Hauptverhandlung, insbesondere der Vernehmungen der ehemaligen Freundinnen, ausgeschlossen worden sei. Zudem habe die Beklagte den privaten und teilweise intimen Kommunikationsverkehr veröffentlicht und hierdurch seine Geheimsphäre verletzt. Ferner habe sie immer wieder durch Nachstellungen und Belästigungen sein Recht am eigenen Bild verletzt.
7Die Beklagte habe maßgeblich über einen sehr langen Zeitraum durch eine Vielzahl von Berichterstattungen eine beispiellose Pressekampagne betrieben und das Gebot einer unparteiischen Darstellung in drastischer Weise verletzt. Sie habe entgegen der Unschuldsvermutung vor- und nachverurteilend unter Verwendung eines Täter-/Opfer-Schemas über ihn berichtet. Durch die vorverurteilende und grenzüberschreitende Berichterstattung habe die Beklagte ihn an den Pranger gestellt, einen Schauprozess gestaltet und das Strafverfahren beeinflusst. Er ist zudem der Meinung, dass seine Beziehungen zu anderen Frauen für den Vergewaltigungsvorwurf mangels Anwesenheit derselben in der vermeintlichen Tatnacht irrelevant gewesen seien, so dass die Analyse seiner Beziehungen entgegen der Meinung der Beklagten nicht unabdingbare Voraussetzung für die Aufklärung des Tatvorwurfs gewesen sei.
8Zudem habe die Beklagte auf seine Kosten unter planmäßigem Zusammenwirken mit anderen Medien – teilweise werbend für diese - in Schädigungsabsicht und in Kenntnis der Rechtswidrigkeit Umsätze in Millionenhöhe durch systematische, wiederholte, zeitnahe und kommerzielle Ausbeutung seiner Person, seines Intimlebens und seines hohen Marktwerts über einen extrem langen Zeitraum erwirtschaftet. Hierdurch seien alle objektiven und subjektiven Merkmale einer Pressekampagne verwirklicht worden, weshalb die Schuld der Beklagten besonders schwer wiege.
9Ferner handele sich bei den beanstandeten Berichterstattungen um gleichartige Verletzungshandlungen, von denen eine Vielzahl jeweils erst begangen worden sei, nachdem der Beklagten eine vergleichbare Handlung bereits gerichtlich untersagt worden sei. Verlässlichere Anhaltspunkte für die Unzulässigkeit einer bestimmten Berichterstattung als ein gerichtliches Verbot seien kaum vorstellbar. Außerdem hätten die Veröffentlichungen der Beklagten, die zudem als erste über seine Verhaftung berichtet habe, den Kreis der Rezipienten erheblich vergrößert und seien Anlass für andere Medien gewesen, die mitgeteilten Inhalte aufzugreifen und weiter zu verbreiten. Diese Ausstrahlungswirkung müsse sich die Beklagte zurechnen lassen. Diese stimmungsmachende und abwertende Berichterstattung hätte sein Bild in der Öffentlichkeit so nachhaltig und massiv beeinträchtigt, dass auch der spätere Freispruch diesen Makel nicht mehr habe beseitigen können.
10Zudem sei im Stadium der Untersuchung des Vorwurfs einer Sexualstraftat aufgrund der Unschuldsvermutung davon auszugehen, dass es keine gewalttätigen Übergriffe in die sexuelle Selbstbestimmung und die körperliche Unversehrtheit einer anderen Person gegeben habe. Wenn es einen solchen Übergriff jedoch nicht gegeben habe, existiere auch keinerlei Rechtfertigung dafür, den Betroffenen mit Blick auf eine Berichterstattung über die Untersuchung des Tatvorwurfs die Berufung auf die Intimsphäre zu versagen. Es bestehe in diesem Stadium keinerlei Interesse der Öffentlichkeit, zum Zwecke der Prävention oder aus Mitgefühl mit den Betroffenen über Hintergründe informiert zu werden. Zudem berge eine Berichterstattung über Details aus dem Intimleben des Betroffenen anlässlich der bloßen Untersuchung eines Strafvorwurfs maximales Schädigungspotenzial für den Betroffenen. Es sei schon nicht ersichtlich, aus welchem Grunde überhaupt ein anerkennenswertes Interesse der Öffentlichkeit daran bestehen solle, über Einzelheiten eines laufenden Strafverfahrens informiert zu werden, da es ausreichend sei, der Öffentlichkeit lediglich das Ergebnis eines solchen Verfahrens mitzuteilen. Zumindest aber müsse ein etwaiges Informationsinteresse der Öffentlichkeit an Einzelheiten aus einem laufenden Strafverfahren dort seine Grenzen, wo eine Stigmatisierung des Angeklagten drohe.
11Insbesondere habe die Beklagte:
12I. vorverurteilend über ihn berichtet:
131.a. „L ab und zu wirklich nicht zurechnungsfähig“ vom 31.7.2010 auf www.abendblatt.de (Anlage K 16);
141.b. „L droht angeblich weiteres Verfahren“ vom 31.7.2010 auf www.welt.de (Anlage K 17);
151.c. „Neuer Ärger in der Freiheit“ vom 1.8.2010 auf www.welt.de (Anlage K 18):
16Die Beklagte habe, ausgerechnet kurz nachdem er aus der Untersuchungshaft entlassen worden war, von angeblichen, neuen Vorwürfen gegen ihn berichtet, derentwegen angeblich die Staatsanwaltschaft Mannheim in einem weiteren Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung ermittele. Die Berichterstattung begründe die gesteigerte Gefahr der Vorverurteilung als frauenverachtender, gewaltbereiter Mensch. Ferner habe keine zulässige Verdachtsberichterstattung vorgelegen, weil es bereits an dem erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen gefehlt habe.
172. „Plötzlich macht Ls Handy neue Aussage“ vom 5.12.2010 in der „Welt am Sonntag“ (Anlage K 23):
18Der Kläger ist der Auffassung, dass es sich um eine unzulässige Verdachtsberichterstattung handele, da es am Mindestbestand an Beweistatsachen fehle, weil lediglich ein Aktenvermerk über ein Telefonat vorliege, und die Berichterstattung vorverurteilend sei.
193. „L und die gefährliche Zeugin“ vom 6.3.2011 in der „Bild am Sonntag“ (Anlage K 26):
20Der Kläger ist der Auffassung, dass der Beitrag vorverurteilend und stigmatisierend sei. Ferner enthalte er vermeintliche Details aus seiner Intimsphäre, namentlich seines Liebes- und Sexuallebens. Ferner beruhe der Beitrag auf einer angeblichen Aussage einer Zeugin im Strafverfahren, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit in der Schweiz angehört worden sei.
214. „Ls Anwalt wettert gegen unliebsame Zeuginnen“ vom 25.3.2011 in der „Bild“ (Anlage K 28):
22Der Kläger ist der Auffassung, dass dieser Artikel vorverurteilend, falsch und stigmatisierend sei. Zudem sei es - unwidersprochen – unzutreffend, dass er während der Verhandlung mit seinem ipad gespielt habe. Diese Falschbehauptung ziele darauf ab, den Kläger in der Öffentlichkeit verächtlich zu machen als eine Person, die den gegen sie geführten Strafprozess und das Gericht nicht ernst nehme und sich aus Langeweile die Zeit mit Spielen vertreibe. Durch die betreffenden Beiträge sei ein völlig unzutreffendes Bild von ihm gezeichnet worden. So sei er als notorischer Gewalttäter hingestellt worden, obwohl er in Wahrheit ein völlig friedfertiger Mensch sei.
23II. seine Intimsphäre verletzt, indem sie intime Details zu angeblichen Sexualpraktiken und vermeintlichen sexuellen Vorlieben veröffentlicht sowie über Krankheiten und seinen Gesundheitszustand spekuliert habe:
245. „Es geht um Schläge, Peitschen, Fessel-Sex - Das bizarre Liebesleben von L und seiner Ex“ vom 19.7.2010 in der „Bild“ (Anlage K 30):
25Der Kläger ist der Auffassung, dass die angegriffenen Äußerungen einen unzulässigen Eingriff in seine Intimsphäre darstellten, da seine vermeintlichen Sexualpraktiken thematisiert würden, die nicht im Zusammenhang mit dem Tatvorwurf gestanden hätten.
266. „Der Fall L – Mit Zuckerbrot und Reitpeitsche“ vom 2.8.2010 auf www.abendblatt.de (Anlage K 34):
27Der Kläger ist der Meinung, dass die angegriffenen Äußerungen Einzelheiten aus seinem Intim- und Sexualleben an die Öffentlichkeit gezerrt hätten, teilweise falsch, teilweise beleidigend und vorverurteilend seien.
287. „Der nette Wettermoderater und die SM-Spiele mit Peitsche“ vom 13.9.2010 auf www.welt.de (Anlage K 37):
29Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte durch die Veröffentlichung seiner vermeintlichen sexuellen Vorlieben sowie der angeblich zwischen ihm und der Anzeigeerstatterin üblichen Sexualpraktiken seine Intimsphäre verletzt habe. Zudem habe die Beklagte über seine angebliche Zeugungsunfähigkeit und die damals noch nicht öffentlich bekannte Nichtleiblichkeit seiner Kinder berichtet und hierdurch seine Intim- und Privatsphäre verletzt, ohne dass ein Berichterstattungsinteresse oder ein Bezug zum Tatvorwurf bestanden habe. Der Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht sei auch schwerwiegend, da die Bereiche „Sexualität“ und „Gesundheit“ nicht ohne Grund einem absoluten Schutz unterworfen seien. Mit Blick auf die Äußerungen zu seinen angeblichen sadomasochistischen Neigungen käme ein ganz erhebliches Rufschädigungspotenzial hinzu, da diese vermeintlichen Neigungen in weiten Teilen der Gesellschaft als etwas Anormales gelten würden, das auf eine gestörte Persönlichkeit schließen lasse.
308. „Vergewaltigungsprozess immer absurder – Hier reist das ganze Gericht zu Ls Geliebter Nr. 10 in die Schweiz“ vom 16.2.2011 in der „Bild“ (Anlage K 40):
31Der Kläger ist der Auffassung, dass die Veröffentlichung intime, falsche, vorverurteilende und gegen die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung verstoßende Äußerungen enthalte.
32III. seine Intim-, Privat- und Geheimsphäre verletzt, da sie private Chatnachrichten und E-Mails sowie einen Blogeintrag im Wortlaut veröffentlicht habe, die keinerlei Bezug zum Tatvorwurf gehabt hätten:
339. „Popstar X und L – Er schickte ihr 50 heiße Flirt-SMS“ vom 7.4.2010 in „Bild“ (Anlage K 42):
34Der Kläger ist der Meinung, dass er als schlüpfriger Schürzenjäger dargestellt werde, ohne dass hieran irgendein öffentliches Interesse bestanden habe. Die dargestellten Nachrichten hätten aufgrund ihres Inhalts ersichtlich einen vertraulichen Charakter und nichts mit der vermeintlichen Vergewaltigung zu tun.
3510. „Hatte L 6 Frauen gleichzeitig?“ vom 29.4.2010 in „Bild“ (Anlage K 44):
36Der Kläger ist der Meinung, dass er durch den Artikel charakterlich massiv abqualifiziert werde und dass der Inhalt der E-Mail keinerlei Bezug zum Tatvorwurf aufweise.
3711. „Du wirst allein und unglücklich sein…“ vom 30.5.2010 (Anlage K49):
38Der Kläger ist der Meinung, dass die Beklagte sein Recht auf gewählte Anonymität und seine Intimsphäre, zumindest aber seine Geheimsphäre verletzt habe, weil sie seinen unter einem Pseudonym geposteten Blogeintrag veröffentlicht habe.
39IV. falsch über ihn berichtet:
4012. „Wer verliert wer profitiert im L-Chaos – Es geht um Geld, Macht, Liebe, Lüge. Alle Zutaten eines Dramas“ vom 11.7.2010 (Anlage K51):
41Der Kläger behauptet, dass es unzutreffend sei, dass er getobt und geschrien habe, als er von dem Interview erfahren habe. Wenn über ihn unzutreffend behauptet werde, er habe vor Wut getobt und geschrien, werde unterstellt, dass er sich in einer bestimmten Situation nicht im Griff gehabt habe. Diese Charaktereigenschaft werde jedoch in unserer Gesellschaft äußerst negativ belegt. Denn jemand, der die Kontrolle über sich verliere, gelte im wahrsten Sinne des Wortes als gemeingefährlich. Hinzu komme, dass diese Falschbehauptung im diametralen Widerspruch sowohl zu seinem wahren Charakter als auch zu seinem öffentlichen Image stehe.
4213. „L ist sein eigenes Opfer“ vom 22.12.2010 in „Bild“ (Anlage K55) und „L und die Mitleidsmasche“ vom 29.10.2010 in „Bild“ (Anlage K 56):
43Der Kläger behauptet unwidersprochen, dass es unzutreffend sei, dass er fünf bzw. sechs Frauen gleichzeitig die Ehe versprochen habe. Diese Behauptungen seien dazu geeignet, ihn in der öffentlichen Meinung ganz erheblich herabzuwürdigen. Es gelte in unserer Gesellschaft als moralisch höchst verwerflich, einer einzelnen Person Heiratsabsichten bzw. einen Kinderwunsch vorzugaukeln. Umso schwerer wiege der Vorwurf, mehreren Personen gleichzeitig derartige Absichten und Wünsche vorgegaukelt zu haben.
4414. „L in Zürich vernommen“ vom 16.2.2011 auf www.welt.de (Anlage K60):
45Der Kläger behauptet unwidersprochen, dass es unzutreffend sei, dass er in Zürich vernommen worden sei.
46V. sein Recht am eigenen Bild verletzt:
4715. „Neue Geliebte aufgetaucht – Hat L ihr die Ehe versprochen?“ vom 11.4.2010 (Anlage K 62):
48Der Kläger ist der Meinung, dass er sich in einem abgeschiedenen, der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Raum befunden habe und nicht damit habe rechnen müssen, dass heimlich Lichtbilder von ihm angefertigt würden. Ferner werde die Tatsache, dass er sich in Untersuchungshaft befunden habe, bildlich lediglich zur Befriedigung eines Sensationsinteresses dargestellt. Zudem sei es unzutreffend, dass der Innenhof der JVA Mannheim vom öffentlichen Straßenraum aus einsehbar sein. Er habe die betreffenden Abschüsse auch nicht billigend in Kauf genommen. Er habe lediglich keine andere Wahl gehabt, als sich mit etwaigen Paparazzi-Abschüssen abzufinden, weil er ansonsten auf jeglichen Hofgang hätte verzichten müssen. Die stigmatisierende Wirkung ergebe sich zudem bereits aus seiner Präsentation als Häftling.
4916. „Hier sonnt sich L im Knast“ vom 21.7.2010 in „Bild“ (Anlage K 66):
50Der Kläger ist der Meinung, dass er sich in einem abgeschiedenen, der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Raum befunden habe und nicht damit habe rechnen müssen, dass heimlich Lichtbilder von ihm angefertigt würden. Ferner werde die Tatsache, dass er sich in Untersuchungshaft befunden habe, bildlich lediglich zur Befriedigung eines Sensationsinteresses dargestellt.
5117. „Geheimnisvolle Frau fährt ihn morgens zur Anwältin – Wer ist die Neue an Ls Steuer?“ vom 7.2.2011 (Anlage K 70):
52Der Kläger ist der Auffassung, dass die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Fotos unzulässig sei, da er in dieselbe nicht eingewilligt habe und es sich auch nicht um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handele. Die streitgegenständlichen Fotos wiesen vielmehr sowohl für sich genommen als auch im Kontext der dazugehörenden Wortberichterstattung einen geringen Informationswert auf. So zeigten die Fotos ihn in einer für sich genommen völlig belanglosen privaten Situation, nämlich auf den Weg von seinem Auto zu seiner Strafverteidigerin. Dass er seine Strafverteidigerin aufgesucht habe, sei jedoch kein Ereignis, über das die Öffentlichkeit informiert werden müsse. Auch der dazugehörende Artikel enthalte keinerlei Informationen, welche die Verbreitung der Fotos als für die Öffentlichkeit bedeutsam erschienen ließen. Insbesondere enthalte der Artikel keine relevanten Informationen zu dem gegen ihn geführten Strafverfahren. Vielmehr beschränke sich der Artikel darauf, auf reißerische Art und Weise Spekulationen über die private Beziehung zwischen ihm und seiner nunmehrigen Ehefrau anzustellen, zu der er sich zum damaligen Zeitpunkt nicht geäußert habe. Die Informationen zum Strafverfahren erschöpften sich in nichtssagenden Allgemeinplätzen, die lediglich den Aufhänger und den Rahmen für die Mitteilung vermeintlich neuer Details aus seinem Privatleben bildeten.
53Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellte, dass es sich bei den Parkplatzfotos um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelte, wäre die entsprechende Veröffentlichung jedenfalls wegen seiner entgegenstehenden überwiegenden Interessen unzulässig. Denn er als Angeklagter in einem Strafverfahren stehe ohnehin unter einer enormen Anspannung, welche durch die massive Präsenz von Medienvertretern und Schaulustigen im Gerichtssaal noch ganz erheblich verstärkt worden sei. Deshalb sei er elementar darauf angewiesen gewesen, wenigstens außerhalb des Gerichtssaals für sich zu sein und sich frei von öffentlicher Beobachtung entspannen und sammeln zu können. Dies gelte in besonderem Maße für die Zeit unmittelbar vor dem Gerichtstermin. Schließlich falle ins Gewicht, dass die Fotos ausweislich der geringen Auflösung aus weiter Ferne, unter Verwendung eines Teleobjektivs heimlich sowie aufgrund beharrlicher Nachstellung entstanden seien.
5418. „Muss Ls Ex nochmal vor Gericht?“ vom 4.3.2011 (Anlage K 72):
55Der Kläger behauptet, dass der Parkplatz der Kanzlei seiner Strafverteidigerin in Heidelberg ein privater, der Allgemeinheit nicht zu Verfügung stehender Innenhof hinter den Kanzleiräumlichkeiten sei, der von einer mehrstöckigen Wohnbebauung umgeben und von der Straße aus nur durch eine Toreinfahrt einsehbar gewesen sei. Er ist zudem der Meinung, dass es sich nicht um ein kontextneutrales Foto handele. Ferner werde durch dessen Verwendung keine Belästigung vermieden, sondern durch die heimliche Fertigung eine solche geschaffen, da er – ohne damit rechnen zu müssen – in einem anderen Zusammenhang fotografiert werde, um exklusive und aktuelle Fotos zu erhalten.
5619. „Der Ring der Gerüchte“ vom 27.3.2011 (Anlage K 76):
57Der Kläger behauptet, dass der Parkplatz der Kanzlei seiner Strafverteidigerin in Heidelberg ein privater, der Allgemeinheit nicht zu Verfügung stehender Innenhof hinter den Kanzleiräumlichkeiten sei, der von einer mehrstöckigen Wohnbebauung umgeben und von der Straße aus nur durch eine Toreinfahrt einsehbar gewesen sei. Er ist der Meinung, dass es sich nicht um ein kontextneutrales Foto handele. Ferner werde durch dessen Verwendung keine Belästigung vermieden, sondern durch die heimliche Fertigung eine solche geschaffen, da er – ohne damit rechnen zu müssen – in einem anderen Zusammenhang fotografiert werde, um exklusive und aktuelle Fotos zu erhalten.
5820. „Die Ls auf Prozess-Urlaub in Kanada“ vom 18.4.2011 (Anlage K 79):
59Der Kläger ist der Auffassung, dass der Urlaub auch bei Prominenten zum Kernbereich der Privatsphäre gehöre. Erkennbar private Lebensvorgänge könnten auch in der Öffentlichkeit Teil der geschützten Privatsphäre sein, da es eine erhebliche Einschränkung des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit darstellen würde, wenn jeder, der einer breiteren Öffentlichkeit bekannt sei, sich in der Öffentlichkeit nicht unbefangen bewegen könnte, weil auch bei privaten Gelegenheiten jederzeit widerspruchslos fotografiert werden dürfte. Auch sei der bloße Umstand, dass ein Prozess eine Unterbrechung für einen Urlaub erfahre, kein ausreichender Anlass für eine öffentliche Diskussion.
6021. „Heimliche Hochzeit auf Z“ vom 12.3.2012 in der Regionalausgabe Halle:
61Der Kläger behauptet, dass das Foto aufgrund beharrlicher Nachstellungen und unter Missachtung eines bereits zuvor gegen den Fotografen ausgesprochenen Hausverbots entstanden sei.
62VI. seine Privatsphäre verletzt:
6322. „Krimi um L – In der Knast-Bibliothek darf er TV gucken“ vom 26.3.2010 (Anlage K 92):
64Der Kläger ist der Meinung, dass die Beklagte haarklein über seine privaten Lebensumstände berichtet habe und ihn zur Unterhaltung ihrer Leserschaft zum Objekt degradiert habe, zumal die Darstellungen in diesem Artikel keinerlei Informationswert hätten. Sie sollten ausschließlich das Sensationsinteresse der Leserschaft befriedigen. Selbst der private Zwangs-Rückzugsraum der Gefängniszelle werde in voyeuristischer Weise für neugierige Gaffer öffentlich gemacht.
6523. „So lebt L im Knast“ vom 18.7.2010 (Anlage K 93):
66Der Kläger ist der Meinung, dass die Beklagte auch hier unter Einbruch in seine Privatsphäre über sein Leben in der JVA berichtet habe.
6724. „Rätsel um goldenen Ring von L“ vom 24.3.2011 (Bl. 123 GA):
68Der Kläger ist der Meinung, dass die Beklagte seine Privatsphäre verletzt habe, weil sie öffentlich über seine Eheschließung spekuliert habe.
6925. „Ls Heirat, ist es Liebe oder nur ein Schachzug?“ vom 31.3.2011 (Bl. 124 GA).
70Der Kläger ist der Meinung, dass die Beklagte seine Privatsphäre verletzt habe und der Beitrag zudem vorverurteilend sei. Zudem habe die Eheschließung in keinerlei Zusammenhang mit dem gegen ihn geführten Strafverfahren gestanden, so dass keinerlei Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestanden habe. Ferner sei die haltlose Unterstellung, er habe nur aus taktischen Erwägungen geheiratet und dabei die angebliche Naivität seiner jungen Frau skrupellos ausgenutzt, dazu geeignet, ihn in der öffentlichen Meinung ganz erheblich herabzuwürdigen.
7126. „Heimliche Hochzeit im Schloss!“ vom 31.5.2011 (Anlage K 94):
72Der Kläger ist der Meinung, dass die Beklagte seine Privatsphäre verletzt habe, da sie Details über seinen Hochzeitsort veröffentlicht habe.
7327. „L in Kanada aufgetaucht“ vom 19.8.2010 (Anlage K 85) sowie „Intrigen-Gewitter über L Wetterfirma“ vom 22.8.2010 (Anlage K 95):
74Der Kläger ist der Meinung, dass die Beklagte seine Privatsphäre dadurch verletzt habe, dass sie den Urlaubsort mitgeteilt habe. Der Öffentlichkeit sei weder bekannt gewesen, wo er seinen Urlaub verbracht habe, noch habe die Frage, wo er seinen Urlaub verbracht habe, öffentlich erörtert werden dürfen.
75VII. seine Intim- und Geheimsphäre verletzt:
7628. „L hatte bis zu 14 Geliebte“ vom 27.5.2010 (Anlage K 84):
77Der Kläger ist der Meinung, dass die Beklagte unzutreffend und seine Intimsphäre verletzend behauptet habe, er zerfließe in der U-Haft in Selbstmitleid.
7829. „Darum ist es wichtig, dass Ex-Freundinnen vor Gericht aussagen“ vom 24.9.2010 (Bl. 127 f. GA):
79Der Kläger ist der Meinung, dass die Beklagte seine Intimsphäre verletzt habe, da sie sich über angebliche dissoziative Identitätsstörungen und sadistische Neigungen ausgelassen habe.
8030. „L schreibt Mail an A“ vom 3.8.2010 (Anlage K 96):
81Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte ihn unzutreffend, vorverurteilend und seine Intimsphäre verletzend „einen ziemlich gestörten Menschen, der dringend in Therapie gehört“ genannt habe.
8231. „Ls Vorlieben als Süßbärchen“ vom 4.7.2010 (Anlage K 89):
83Der Kläger ist der Meinung, dass die Beklagte unzutreffende intime und gesundheitsbezogene Behauptungen veröffentlicht habe, die darüber hinaus aus geheimen Dokumenten stammten und deshalb zu verbieten seien.
8432. „Das sagten die 7 Geliebten aus“ vom 20.9.2010 (Anlage K 97):
85Der Kläger ist der Meinung, dass die Beklagte seine Intimsphäre verletzt habe, da sie aus den ihr vorliegenden Aussageprotokollen Privates, Intimstes und vornehmlich Despektierliches veröffentlicht habe.
8633. „Aussage gegen Aussage! Wem glaubt der Richter?“ vom 31.7.2010 (Anlage K 98):
87Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte seine Intimsphäre verletzt habe, da sie veröffentlicht habe, dass es „offenbar ein erotisches Spiel“ zwischen ihm und der Anzeigenerstatterin gegeben habe.
8834. „L flog nach Kanada“ vom 15.11.2010 (Bl. 134 GA):
89Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte seine Intimsphäre dadurch verletzt habe, dass sie geäußert habe, dass er nicht der leibliche Vater seiner zwei Söhne sei. Es sei weder ein Bezug zum Strafverfahren noch zum Tatvorwurf gegeben. Ferner handele es sich um keine ausgewogene Prozessberichterstattung.
90VIII. falsch berichtet:
9135. „L: Neue Hinweise?“ vom 13.6.2010 (Bl. 135 GA):
92Der Kläger behauptet, dass es unzutreffend sei, dass belastende DNA von ihm gefunden worden sei. Ferner ist er der Meinung, dass die Beklagte nicht auf eine angebliche Vorausberichterstattung des Focus vertrauen hätte dürfen.
9336. „Knast-Kumpel packt aus – so war mein Zellennachbar L“ vom 31.8.2010 (Bl. 135 f. GA):
94Der Kläger behauptet unwidersprochen, dass die Person, die dort Angaben mache, nicht sein Zellennachbar gewesen sei. Es stelle eine erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung dar, wenn ein Interview mit einer Person über eine dritte Person veröffentlicht werde, in dessen Rahmen sich der Interviewte unter anderem zum Gefühlsleben des Dritten äußere, obwohl man wisse, dass es zwischen diesen Personen keinerlei Kontakt gegeben habe.
95IX. vorverurteilend berichtet, indem sie
96- die Anzeigenerstatterin als „Opfer“ bezeichnet habe (Anlagen K99, K102, K103, K104, K105, Bl. 148 f. GA, K109, Bl. 152 f. GA, K110),
97- ihm unterstellt habe, eine Vergewaltigung begangen zu haben (Anlage K96, Bl. 154, Bl. 170, Bl. 171 f., Bl. 174 GA),
98- seinen Freispruch entwertet habe (K111),
99- ihm Nervosität bei der Vernehmung von Zeugen unterstellt habe (Bl. 158 GA),
100- die Aussage der Anzeigenerstatterin als glaubhaft dargestellt habe (Anlage K112, Bl. 160 f. GA),
101- die Unschuldsbekundungen seines Verteidigers entwertet habe (Anlage K113, Bl. 162, Bl. 166 GA),
102- das unzutreffende Bild eines grinsenden, den Prozess nicht ernst nehmenden, andere Prozessbeteiligte nicht respektierenden und das Gericht täuschenden (Anlage K119) Angeklagten hervorgerufen habe (Bl. 162, Bl. 164 f., Bl. 171 f. GA),
103- und indem sie schmähend („Sektenführer“, „Schwein“ u.a.) berichtet habe (Bl. 172 f. GA, Anlage K116, K117, K118).
104X. nachverurteilend berichtet, indem sie
105- unterstellt habe, dass sexuelle Gewalt erfolgt sei (Anlage K121),
106- die Urteilsgründe selektiv dargestellt habe,
107- die Anzeigenerstatterin als „Opfer“ dargestellt habe,
108- suggeriert habe, er sei der Täter, man habe ihm dies nur nicht nachweisen können,
109- bestimmte Zitate selektiv und suggestiv dargestellt habe,
110- suggeriert habe, die Anzeigenerstatterin habe zutreffende Beschuldigungen geäußert,
111- und indem sie tendenziös über den Zivilprozess berichtet habe (vgl. Bl. 180 – 193 GA, Anlage K122).
112XI. ihn und sein Umfeld mit abwertenden und diffamierenden Äußerungen belegt:
113- „Knacki“ (Anlage K93 und K124),
114- „Die Fliese“,
115- „Süßbärchen“, „ausgeprägter Narziss“ (Anlage K87),
116- „Wetterhanswurst“, „Frauen-Belüger“, „Einsames-Herz-Betrüger“, „Liebe-Lügner“ (Bl. 197 GA),
117- „Dreiwetter-Don-Juan“ (Anlage K110),
118- „Schwein“ (Anlage K117),
119- „Loser“, „Verlierer“, „Lump“ (Bl. 199 GA),
120- „miserabler Mann“ (Bl. 193 GA)
121- und „Kachelknast“ (Anlage K93).
122Er ist der Meinung, dass es unzulässig sei, sein Beziehungsleben in Form von schmähenden Bewertungen zu thematisieren, da an einer Berichterstattung über dieses kein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit bestanden habe. Zudem seien die Bezeichnungen „Knacki“ und „Kachelknast“ vorverurteilend, da er sich lediglich in Untersuchungshaft befunden habe.
123Die Berichterstattung habe durch ihre Intensität, die Breitenwirkung und die Nachhaltigkeit zu einer konkreten Bedrohung seiner Existenz geführt. Allein sein bezifferbarer materieller Schaden beliefe sich auf ca. 2 Mio. EUR. Zudem sei seine Karriere ein „Trümmerhaufen“: er habe aufgrund der Berichterstattung der Beklagten die Geschäftsanteile an seinem Unternehmen veräußern müssen und sei aus den Verwaltungsgremien ausgeschieden, habe keine Möglichkeit mehr, als Moderator von Fernsehsendungen tätig zu werden, habe seine Werbeverträge („Actimel“: 2007 – 2009; Mercedes Benz, Bank24: 2000 – 2010; N GmbH: 2010) verloren, keine Anfragen mehr für Vorträge erhalten und Immobilien veräußern müssen. Laufende Verträge seien aufgrund der Berichterstattung der Beklagten von Seiten der Vertragspartner außerordentlich beendet worden. Er behauptet, dass seine einzige Einnahmequelle bis Januar 2014 das Einkommen aus seiner Arbeit für das Radio B.tv i.H.v. 225,- EUR je Freitag gewesen sei.
124Auch sein allein durch die Berichterstattung der Beklagten erlittener immaterieller Schaden sei enorm. Er habe insoweit alles verloren und sei moralisch am Ende. Aufgrund seines hohen Bekanntheitsgrades sei die Kampagne der Beklagten besonders stark und nachhaltig in das Bewusstsein so gut wie aller Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gedrungen. Durch den Verlust seines Unternehmens sei sein Lebenswerk zerstört worden. Auch die psychische Belastung sei außerordentlich hoch gewesen. Denn die Angriffe der Beklagten, die im Kern gegen die Grundlagen seiner Persönlichkeit gerichtet gewesen seien, hätten sein Schamgefühl berührt und zu Peinlichkeiten, insbesondere im Umgang mit seiner eigenen Umgebung, geführt. Ferner habe er einen enormen Ansehensverlust erlitten. Die Beklagte habe ihn stigmatisiert und seine Beziehungen zu so gut wie allen Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz über Jahre hinaus erheblich belastet. Ferner hätten sich unzählige Freunde und Bekannte von ihm abgewandt. Schließlich sei der Freispruch durch die Kampagne der Beklagten in der öffentlichen Wahrnehmung drastisch entwertet worden. Während er zuvor bestens in die Gesellschaft integriert gewesen sei, sei er heute sozial isoliert.
125Der Kläger ist der Meinung, dass sich seine Äußerungen im Verlaufe des Ermittlungs- und Hauptverfahrens darauf beschränkt hätten, der Öffentlichkeit mitzuteilen, dass er unschuldig sei. Er habe sich zu keinem Zeitpunkt öffentlich zu seinem Privat- oder Intimleben geäußert. Er habe weder die Medien zu seinen Zwecken eingesetzt noch eine Debatte über Schuld und Unschuld angetrieben. Die Pressemitteilungen der bevollmächtigten Kanzlei hätten alleine den gerichtlichen Erfolg belegt, den er gegen die rechtswidrige Berichterstattung erwirkt habe und seien lediglich Ausdruck des berechtigten Verhaltens, den eigenen Ruf in der Öffentlichkeit wiederherzustellen. Es sei zudem sein Recht gewesen, sich nach seinem Freispruch öffentlich zu Wort zu melden und Kritik zu äußern. Zudem habe es zwar einen Austausch mit Journalisten gegeben. Hierbei habe es sich jedoch stets und ausschließlich um vertrauliche Hintergrundgespräche gehandelt. In keinem einzigen Fall sei ein Einverständnis erteilt worden, tatsächliche Angaben zum Tatvorwurf oder darüber hinausgehende detaillierte Darstellungen zu verwerten oder zu veröffentlichen.
126Der Kläger ist ferner der Auffassung, dass der Umstand, dass er hinsichtlich der im Teil B der Klageschrift aufgeführten Persönlichkeitsrechtsverletzungen keine anderweitigen Ansprüche geltend gemacht habe, einem Geldentschädigungsanspruch nicht entgegenstehe. Er behauptet, dass er von diesen Artikeln erst Anfang Dezember 2013 aufgrund einer von ihm beauftragten Recherche Kenntnis erlangt habe. Er meint, dass es zu diesem Zeitpunkt keinen Sinn mehr gemacht habe, anderweitig gegen die Berichterstattungen vorzugehen, da die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen seinen immateriellen Schaden nicht ausgleichen hätte können, eine Wiederholung der beanstandeten Berichterstattung wenig wahrscheinlich gewesen sei und er kein Geld mehr gehabt habe, um weitere Rechte geltend zu machen. Zudem habe es mehrere Gründe gegeben, aus denen er die Klage erst Ende 2013 eingereicht habe, hinsichtlich deren Einzelheiten auf Bl. 465 f. GA Bezug genommen wird.
127Der Kläger ist schließlich der Auffassung, dass er einen Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 7.794,80 EUR und angefallener Recherchekosten i.H.v. 1.237,66 EUR (vgl. Bl. 247 GA, Anlagen K161 und K162) hinsichtlich der Onlineveröffentlichungen der Beklagten habe.
128Der Kläger beantragt,
129die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene Geldentschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch nicht unter 1,5 Millionen EUR liegen soll, zu zahlen nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.8.2010;
130die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 7.794,80 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.8.2010 zu zahlen;
131die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.237,66 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.1.2014 zu zahlen.
132Die Beklagte beantragt,
133die Klage abzuweisen.
134Die Beklagte ist der Meinung, dass die seitens des Klägers nicht angegriffenen Beiträge nicht Grundlage einer Geldentschädigung sein könnten, da der Kläger zu erkennen gegeben habe, dass er mit der Verbreitung dieser Artikel leben könne.
135Die Beklagte ist zudem der Auffassung, dass ein Geldentschädigungsanspruch des Klägers wegen Berichterstattungen, die vor dem 1.1.2011 erschienen sind, verjährt sei, da der Kläger in seinem Mahnbescheidsantrag den zu Grunde liegenden Anspruch nicht hinreichend individualisiert habe und die im Rahmen der Klageerweiterung beanstandeten Artikel nicht von der vermeintlich verjährungshemmenden Wirkung der Zustellung des Mahnbescheids umfasst seien.
136Die Beklagte meint in der Sache, dass die streitgegenständlichen Artikel einem qualifizierten Informationsinteresse der Allgemeinheit gedient hätten, da der Kläger äußerst prominent und einer schweren Sexualstraftat verdächtig gewesen sei. Eine mit einer Berichterstattung über ein Strafverfahren wegen eines schweren Sexualdelikts nahezu zwangsläufig verbundene Prangerwirkung und die zwangsläufige Veröffentlichung von Details aus dem Intim- und Privatleben allein könnten den Zuspruch einer Geldentschädigung nicht rechtfertigen. Denn außergewöhnlich und berichtenswert sei auch der Hintergrund der dem Kläger zur Last gelegten Tat gewesen. In der Tatnacht habe das vermeintliche Opfer den Kläger mit seinem Verdacht der Untreue konfrontiert, den der Kläger daraufhin eingeräumt habe. Dieser systematische Missbrauch des Vertrauens seiner Geliebten habe dem Vorwurf der Vergewaltigung eine auch für Sexualstraftaten höchst ungewöhnliche Facette verlieren. Aufgrund der zahlreichen Geliebten habe sich auch die Öffentlichkeit aufgrund seines Saubermann-Images getäuscht gefühlt und wegen der vom Kläger selbst zu keinem Zeitpunkt bestrittenen charakterlichen und moralischen Verfehlungen erhebliche Zweifel an seiner Integrität und Glaubwürdigkeit gehabt. Mit seinem Charakter und seiner Persönlichkeit sowie seinem notorisch lügnerischen Umgang mit Frauen habe sich auch das Landgericht Mannheim auseinandersetzen müssen, um die Glaubwürdigkeit des Opfers bzw. des Klägers beurteilen zu können. Die Auseinandersetzung mit den zahlreichen gleichzeitig geführten Beziehungen des Klägers sowie seinen sexuellen Vorlieben sei demnach nicht nur ein Nebenschauplatz des Strafprozesses gewesen, sondern als Analyse des Beziehungsgeflechts des Klägers unabdingbare Voraussetzung für eine Beurteilung der sich widersprechenden Darstellungen und der Glaubwürdigkeit des Klägers bzw. der Anzeigenerstatterin gewesen. Da das Landgericht und die Staatsanwaltschaft Mannheim einen engen Zusammenhang zwischen dem Tatvorwurf und dem Beziehungsleben des Klägers gesehen hätten und die Aussagen der Zeuginnen teilweise (AA, BB) in öffentlicher Hauptverhandlung erfolgt seien bzw. die Inhalte, die in nichtöffentlicher Hauptverhandlung erörtert worden seien, später durch die Staatsanwaltschaft bzw. die Verteidigung in die öffentliche Hauptverhandlung eingeführt worden seien, hätten letztlich auch sämtliche Berichterstattungen über die zahlreichen betrogenen Geliebten in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Strafverfahren gestanden.
137Die Umstände einer Sexualtat, insbesondere die Beziehung des Täters zu seinem Opfer, würden nicht in besonderem Maße geschützt. Deshalb könne die Offenlegung intimer Details aus dem Liebes- und Sexualleben des Klägers allein keinen Geldentschädigungsanspruch begründen. So sei die vermeintlich unzulässige Erörterung intimer, privater und geheimer Details aus dem Leben des Klägers in Wahrnehmung eines qualifizierten Berichterstattungsinteresses, namentlich der Frage der Glaubwürdigkeit des vermeintlichen Opfers bzw. des Klägers, erfolgt.
138Soweit sie Teile von nicht rechtswidrig erlangten E-Mails oder sonstiger Kommunikation veröffentlicht, den Inhalt von Protokollen und Gutachten wiedergegeben und Aussagen und Einlassungen der Prozessbeteiligten kommentiert habe, habe es sich um Informationen gehandelt, die im Rahmen der öffentlichen Verhandlung oder anlässlich von Pressemitteilungen von dem Landgericht Mannheim, der Staatsanwaltschaft oder der Verteidigung des Klägers bekannt gegeben worden seien und die den Medien damit zur Veranschaulichung des Prozessgegenstandes und des Prozessverlaufs zur Verfügung gestanden hätten. Selbst wenn die Veröffentlichung wegen der Offenlegung intimer Details unzulässig gewesen sein sollte, sei die beeinträchtigende Wirkung mit der Verlesung der Einlassung des Klägers in der öffentlichen Verhandlung, der Einbeziehung der Gutachten in das Verfahren und der Vernehmung der Zeuginnen entfallen. Zudem sei insoweit zu berücksichtigen, dass die Beklagte für die Prozessführung nicht verantwortlich gewesen sei und lediglich hierüber berichtet habe. Die Kontrolle der Justiz durch eine Berichterstattung über einen Prozess gehöre jedoch zu den wesentlichen Aufgaben der Presse. Schließlich sei es inkonsequent, allein die Artikel der Beklagten zu beanstanden, obschon auch andere Medien unter Nennung von Details zum Sexualleben des Klägers berichtet hätten.
139Ferner sei zu berücksichtigen, dass der Kläger selbst an der öffentlichen Diskussion über seine Person und das gegen ihn geführte Verfahren teilgenommen und dabei keinerlei Rücksicht auf die Befindlichkeiten seiner Ex-Geliebten genommen habe sowie selbst Inhalte aus der Ermittlungsakte, welche detaillierte Beschreibungen seiner Sexualpraktiken beinhaltet hätten, an die Medien weitergegeben habe. Nichtsdestotrotz habe die Beklagte nicht ausschließlich kritisch, sondern ausgewogen, mitunter positiv über den Kläger berichtet. Es habe auch weder eine systematische Vor- noch Nachverurteilung durch die Beklagte gegeben. Ausgewogener als sie es getan habe, könne man über einen Freispruch „in dubio pro reo“ und dessen Folgen nicht berichten.
140Die Beklagte ist der Meinung, dass die ihr vorgeworfenen Falschbehauptungen allesamt in ihrer Zielrichtung harmlos seien. Sie beträfen gewöhnliche Gefühlsregungen des Klägers während des Strafprozesses, setzten sich mit der von ihm selbst eingeräumten Untreue auseinander oder behandelten Nebensächlichkeiten. Die aufgestellte Behauptung, der Kläger habe im Knast „getobt und geschrien“, sei nicht mehr als die Beschreibung eines gewöhnlichen Wutausbruchs. Selbst wenn man von der Unwahrheit dieser Äußerung ausgehen wollte, begründe sie keinen besonders schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers. Gleiches gelte für die Behauptung, der Kläger habe mindestens sechs Frauen gleichzeitig die Ehe versprochen. Die Kritik daran, dass der Kläger systematisch und gleichzeitig eine Vielzahl von Frauen über eine bestehende alleinige Liebesbeziehung belogen habe, stelle den Schwerpunkt der Äußerung dar und sei berechtigt. Zudem habe die Beklagte am 28.1.2011 klargestellt, dass der Kläger nicht sechs, sondern lediglich drei Frauen ein Eheversprechen gemacht habe. Selbst wenn es unzutreffend sein sollte, dass der Kläger während der Hauptverhandlung mit seinem ipad gespielt habe, führe dies zu keinem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers, der fortwirken würde, da der streitige Beitrag im Wesentlichen wahr sei und es sich lediglich um ein unwesentliches Detail handele. Irrelevant sei es zudem, dass der Kläger nicht in Zürich vernommen worden sei.
141Auch die angeblich unzulässige Verdachtsberichterstattung sei nicht entschädigungswürdig. Sämtliche der vom Kläger angegriffenen Beiträge wiesen aufgrund der Relevanz des Beziehungs- und Sexuallebens des Klägers und des vermeintlichen Opfers für ihre jeweilige Glaubwürdigkeit einen unmittelbaren Bezug zu dem gegen den Kläger wegen des Verdachts der schwerwiegenden Vergewaltigung vor dem Landgericht Mannheim geführten Strafverfahren auf, setzten sich mit dem Stand des Verfahrens sowie neuen Entwicklungen bzw. einem anderen Ermittlungsverfahren wegen eines weiteren Tatvorwurfs auseinander, und bedienten dabei ein durch die Befassung durch das Landgericht Mannheim vorhandenes, aktuelles Informationsinteresse, ohne dabei ein unzutreffendes Bild vom Kläger zu vermitteln oder vorverurteilend zu sein.
142Die Beklagte ist der Meinung, dass die streitgegenständlichen Bildveröffentlichungen keinen Geldentschädigungsanspruch begründen könnten. Hinsichtlich der Fotos des Klägers in der JVA sei sich der Kläger der Beobachtung durch Fotografen bewusst gewesen und habe es billigend in Kauf genommen, dass er während des Hofgangs fotografiert worden sei. Ferner zeigten die Fotos den Kläger im Innenhof der JVA, der vom öffentlichen Straßenraum aus einsehbar sei. Zudem habe die Beklagte in Ausübung ihrer „Wachhundfunktion“ aus Anlass einer jeweils neuen Entwicklung im Ermittlungs- und Strafverfahren gegen den Kläger aufgrund eines aktuellen Berichterstattungsinteresses berichtet, so dass die Darstellung der Fotos im Zusammenhang mit dem Strafprozess gegen den Kläger, insbesondere der Untersuchungshaft in der JVA, seinem Umgang mit der wiedergewonnenen Freiheit nach Aufhebung des Haftbefehls und der Gewährung eines Prozessurlaubs in Kanada, stünde. Auch eine mit der Veröffentlichung verbundene vermeintliche Prangerwirkung allein könne ein unabwendbares Bedürfnis für die Zuerkennung eines Anspruches nicht begründen. Dass der Kläger in Untersuchungshaft gesessen habe, sei allgemein bekannt gewesen. Vorverurteilend seien die Darstellungen ebenfalls nicht gewesen. Auch die Art und Weise der Darstellung des Klägers verleihe den Aufnahmen keine besondere Eingriffsqualität. Die Aufnahmen seien weder verfremdend noch abträglich und legten auch keine Umstände offen, die dem Bereich der Intimsphäre zugehörig und damit der öffentlichen Anschauung entzogen wären. Jedenfalls gehöre die kontextneutrale Bebilderung von Beiträgen zum Kern der Pressefreiheit.
143Der Beklagten sei auch unter dem Gesichtspunkt einer angeblich hartnäckigen Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Klägers aufgrund der Bild- und Wortberichterstattungen keine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers zur Last zu legen. Denn es fehle an der erforderlichen Gleichartigkeit der Berichterstattungen, zumal der Gedanke der Hartnäckigkeit bei Wortberichterstattungen nicht zum Tragen komme. Zudem habe die Beklagte keinen Vorsatz bezüglich der vermeintlich rechtswidrigen Veröffentlichungen gehabt. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Feststellung der vermeintlichen Rechtswidrigkeit in den streitgegenständlichen Fällen nur nach einer umfangreichen Prüfung und Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles und einer sorgfältigen Abwägung der widerstreitenden Interessen möglich sei. Ferner habe sie sich nicht über gerichtliche Verbote hinweggesetzt. Zudem unterschieden sich die Beiträge der Beklagten inhaltlich erheblich voneinander.
144Gegen eine für den Kläger besonders unerträgliche Eingriffsqualität der Berichterstattungen spreche schließlich auch, dass er vielfach auf die Geltendmachung von Gegendarstellungs-, Unterlassungs- und Richtigstellungsansprüchen verzichtet habe. Dies belege, dass es ihm vorliegend nicht um den Ausgleich einer verbleibenden Beeinträchtigung gehe, sondern er ausschließlich finanzielle Interessen verfolge. Auch die jahrelange Untätigkeit des Klägers zeige, dass er die Berichterstattungen als nicht derart beeinträchtigend empfunden haben könne, als dass die Zahlung eines finanziellen Ausgleiches unbedingt erforderlich wäre.
145Die Beklagte treffe auch nicht der Vorwurf eines besonderen Verschuldens. Denn es habe keine verlässlichen Anhaltspunkte für eine Unzulässigkeit der Berichterstattungen gegeben. Im Gegenteil sei die öffentliche Diskussion des Strafverfahrens wesentlich auch durch die zahlreichen Presseerklärungen der Staatsanwaltschaft und Ausführungen des Landgerichts bestimmt gewesen. Da diese privilegierte Quellen darstellten, habe die Beklagte auf die Zulässigkeit der Berichterstattungen über das gegen den Kläger geführte Strafverfahren vertrauen dürfen, zumal sie sich dabei in weiten Teilen auf Verlautbarungen und Informationen der Staatsanwaltschaft gestützt habe. Dass die Beklagte diese Mitteilungen aufgegriffen, reflektiert und kommentiert habe, könne man ihr nicht vorwerfen.
146Die streitgegenständlichen Beiträge seien nicht Teil einer Medienkampagne, die von der Beklagten dominiert und mit anderen Medien kollusiv durchgeführt worden wäre und die allein das Ziel gehabt hätte, den Kläger zu diskreditieren, gewesen. Zudem hätten andere Medien weit häufiger über den Prozess berichtet. Schließlich sei die häufige Berichterstattung die Konsequenz der dichten Abfolge der Ereignisse und Wendungen im Strafprozess gewesen, die jeweils durch Pressemitteilungen des Landgerichts Mannheim angekündigt worden seien.
147Insbesondere der Vorwurf einer systematischen Vor- und Nachverurteilung gehe fehl. Dass die Beklagte über den Ausgang des Verfahrens berichten sowie den Inhalt und die Bedeutung des Freispruchs einschließlich der für den Kläger erfreulichen mündlichen Urteilsbegründung kommentieren habe dürfen, werde der Kläger nicht ernsthaft bestreiten wollen. Auch der Hinweis auf die Besonderheiten dieses Freispruchs aus Mangel an Beweisen sei ihr nicht verwehrt. Zudem habe nicht die Beklagte, sondern das Unternehmen des Klägers in einer Pressemitteilung vom 22.3.2010 sowie die dpa und andere Presseunternehmen unter Namensnennung dafür gesorgt, dass die Öffentlichkeit von der Verhaftung des Klägers erfahren habe. Auch habe die Beklagte durch ihre Berichterstattung nicht die Saalöffentlichkeit in unzulässiger Weise erweitert. Selbst wenn die Beklagte Gegenstände einer nicht-öffentlichen Verhandlung publiziert habe, vermöge dies allein eine Unzulässigkeit der Berichterstattung noch nicht zu begründen. Auch habe die Beklagte nicht wörtlich aus der Ermittlungsakte, der Anklageschrift oder den Protokollen zitiert.
148Die Beklagte ist der Auffassung, dass sämtliche zum Beleg einer angeblich systematischen Verletzung seiner Privatsphäre genannten Berichterstattungen harmlos seien und keine Tendenz zu vermeintlichen Falschbehauptungen oder zur Verletzung seiner Privatsphäre gehabt oder eine Vielzahl derselben aufgewiesen hätten. Auch habe sie ihn nicht diffamiert oder mit Schmähkritik versehen, da jeweils die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund gestanden habe.
149Die Kritik der Beklagten an der von dem Kläger in anderen Medien betriebenen Hetzjagd auf das mutmaßliche Opfer und seine weiteren Ex-Geliebten habe der Kläger hinnehmen müssen. Denn bereits während des Strafverfahrens habe der Kläger keine Gelegenheit ausgelassen, seine Ex-Geliebten und die Prozessgutachter öffentlich zu diskreditieren. Auch nach dem Freispruch habe er von Diffamierungen nicht abgelassen. Während er selbst für sich die Unschuldsvermutung in Anspruch nehme, habe er im Rahmen presserechtlicher Verfahren und auch in seinem Buch zahlreiche Frauen der Falschbeschuldigung bezichtigt.
150Ferner habe der Kläger von Anfang an durch eigene Presseerklärungen und durch die Veröffentlichung von Prozessinhalten – insbesondere intime Details enthaltenden Gutachten aus der Ermittlungsakte – sowie Stellungnahmen in den Medien, welche Angaben enthielten, die einen klaren Bezug zu seiner Privat- und Intimsphäre aufgewiesen hätten, eine aggressive Öffentlichkeitsarbeit betrieben und auf diese Weise versucht, die Berichterstattung über ihn zu beeinflussen. Allein durch die Verbreitung dieser Gutachten habe der Kläger dafür gesorgt, dass die Medien bis ins Detail von seinen sadistischen Neigungen erfahren und darüber berichtet hätten. Auch habe der Kläger den Medien „Der Spiegel“ und „Die Zeit“ die komplette Ermittlungsakte und den Beschluss des OLG Karlsruhe vom 29.7.2010 zur Verfügung gestellt und sich gegen die entsprechende Berichterstattung, welche zahlreiche Details zu seinem Intim- und Sexualleben enthalte, nicht gewehrt. Zudem habe der Kläger der Beklagten die Überlassung der Ermittlungsakten im Gegenzug für eine wohlwollende Berichterstattung angeboten und die Beklagte wiederholt mit Informationen aus dem Strafprozess gefüttert, um seine Ex-Geliebten zum Schweigen zu bringen. Mit dieser aggressiven Medienpolitik habe der Kläger das Verfahren bewusst an die Öffentlichkeit getragen, weshalb er auch scharfe Kritik an seiner Person und seinem Auftreten hinnehmen müsse. Letztlich sei der Kläger – so behauptet die Beklagte – mit der Verlesung des Protokolls der haftrichterlichen Vernehmung einverstanden gewesen.
151Jedenfalls habe der Kläger sich durch den persönlichen Rundumschlag gegen Justiz, die Presse, das vermeintliche Opfer und die Frauenwelt in seinem Buch selbst hinreichend Genugtuung verschafft und Details zu seinem Intim- und Sexualleben preisgegeben. Es gebe deshalb keinerlei Grund, ihm zusätzlich nun auch noch eine Geldentschädigung in Millionenhöhe zuzusprechen.
152Auch Anhaltspunkte für eine Zwangskommerzialisierung seiner Persönlichkeitsrechte habe der Kläger nicht vorgetragen. Vielmehr solle nach seiner Meinung die Beklagte für eine grundsätzliche Entwicklung der Medienberichterstattung haften, an der man Anstoß nehmen mag, die eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Geldentschädigung jedoch nicht rechtfertigen könne. Überdies sei es unzutreffend, dass sie durch die vermeintlichen Persönlichkeitsrechtsverletzungen eine gezielte Gewinnmaximierung angestrebt und sich über gerichtliche Verbote hinweggesetzt habe.
153Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird ergänzend auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
154Am 30.7.2010 hat der Kläger den Erlass eines Mahnbescheids beantragt, der am 2.8.2010 erlassen und der Beklagten am 5.8.2010 zugestellt worden ist. Am 14.12.2010 ist der Kläger aufgefordert worden, die Mahnbescheidskosten i.H.v. 2.978,- EUR zu zahlen, was am 18.2.2011 erfolgt ist. Am 20.12.2013 hat der Kläger die weiteren Gerichtskosten i.H.v. 14.890,- EUR eingezahlt, weshalb das Verfahren am 23.12.2013 an das Landgericht Köln abgegeben worden ist, wo es am 30.12.2013 eingegangen ist. Die mit Rechnung vom 15.1.2014 angeforderten weiteren Gerichtskosten in Höhe von 4.080,- EUR hat der Kläger am 20.1.2014 gezahlt, weshalb die Klage am 27.1.2014 zugestellt worden ist.
155Entscheidungsgründe
156Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.
157I.
158Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 335.000,- EUR gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG.
159Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen kommt eine Geldentschädigung zum Ausgleich für erlittene Persönlichkeitsrechtsverletzungen dann in Betracht, wenn es sich um eine schwerwiegende Verletzung handelt und wenn sich die erlittene Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgleichen lässt. Die Gewährung des Anspruchs auf eine Geldentschädigung findet ihre Rechtfertigung in dem Gedanken, dass der Verletzte andernfalls wegen der erlittenen Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts ohne Rechtsschutz bliebe und damit der vom Grundgesetz vorgesehene Schutz der Persönlichkeit lückenhaft wäre. Aufgrund der Schwere der Beeinträchtigung und des Fehlens anderweitiger Ausgleichsmöglichkeiten muss dabei ein unabwendbares Bedürfnis für einen finanziellen Ausgleich bestehen (BGH, NJW 1995, 861; BVerfG, NJW 1973, 1221). Ob eine schuldhafte Verletzung des Persönlichkeitsrechts schwer ist, bestimmt sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach Art und Schwere der zugefügten Beeinträchtigung, der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also dem Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung, der Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner nach dem Grad des Verschuldens sowie Anlass und Beweggrund des Handelns des Verletzers. Dabei kann schon ein einziger jener Umstände zur Schwere des Eingriffs führen (BGH, NJW 1996, 1131; BGH, NJW 2014, 2029).
160Ferner darf es keine anderweitige Ausgleichsmöglichkeit geben. Die Gewährung einer Geldentschädigung hat die Aufgabe, eine sonst verbleibende Lücke des Persönlichkeitsrechtsschutzes zu schließen. Der Anspruch besteht jedoch nur, wenn auf andere Weise ein ausreichender Rechtsschutz des Persönlichkeitsrechts nicht ermöglicht würde (vgl. Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, Kap. 14, Rn. 120). Bei Eingriffen in die Privat- und Intimsphäre besteht eine anderweitige Ausgleichsmöglichkeit in der Regel nicht. Denn die Privatsphäre ist nach ihrer Öffnung unwiederbringlich, weder Gegendarstellung noch Beseitigung oder Widerruf können sie wieder herstellen.
161Zudem muss den Verletzer ein Verschulden treffen. Ein schweres Verschulden im Sinne von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit ist nicht erforderlich (Burkhardt, a.a.O., Kap. 14, Rn. 115 m.w.N.). Andererseits kann sich aus einem schweren Verschulden jedoch gerade die Schwere des Eingriffs ergeben (BGH, NJW 1996, 1131) oder umgekehrt sein Fehlen bei der Gesamtabwägung mitentscheidend dafür sein, dass ein Anspruch auf Geldentschädigung zu verneinen ist.
162Schließlich bedarf es eines unabwendbaren Bedürfnisses für die Gewährung einer Geldentschädigung. Ein solches liegt dann vor, wenn sich der Angriff gegen die Grundlagen der Persönlichkeit richtet; ebenso dann, wenn die Persönlichkeitsverletzung das Schamgefühl berührt, zu Peinlichkeiten führt und wenn sie ein Gefühl des Ausgeliefertseins hervorruft (Burkhardt, a.a.O., Kap. 14, Rn. 128). Die Gewährung einer Geldentschädigung hängt nicht nur von der Schwere des Eingriffs ab, es kommt vielmehr auf die gesamten Umstände des Einzelfalls an, nach denen zu beurteilen ist, ob ein anderweitiger befriedigender Ausgleich für die Persönlichkeitsrechtsverletzung fehlt (vgl. BGH, NJW 1996, 1131). Bei der Abwägung ist auch die Zweckbestimmung der Geldentschädigung zu berücksichtigen. Es handelt sich dabei um ein Recht, das auf den Schutzauftrag aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG zurückgeht. Die Zubilligung einer Geldentschädigung, die in Verbindung mit diesen Vorschriften ihre Grundlage in § 823 Abs. 1 BGB findet, beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Anders als beim Schmerzensgeldanspruch steht bei dem Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem soll er der Prävention dienen (BGH, NJW 1996, 985).
163Es ist jedoch zu beachten, dass der „Kumulationsgedanke“ grundsätzlich nur bei Bildnisveröffentlichungen in Betracht kommt, jedoch grundsätzlich nicht bei der Wortberichterstattung (vgl. OLG Hamburg, ZUM 2009, 234). Folglich kann sich aus einer hartnäckigen Verletzung des Rechts am eigenen Bild ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung ergeben, obschon eine einzelne Veröffentlichung möglicherweise einen solchen Anspruch nicht auslöst (BGH, NJW 1996, 985). Auf eine fortgesetzte Wortberichterstattung sind diese Grundsätze jedoch nicht anzuwenden, so dass bei jeder Wortberichterstattung einzeln überprüft werden muss, ob die Voraussetzungen eines Geldentschädigungsanspruchs vorliegen, es sei denn, es läge im Einzelfall eine Gleichartigkeit der Wortberichterstattungen vor, diese also jeweils nicht in „ganz unterschiedlichem Gewande und Kontext“ (OLG Hamburg, a.a.O.) erschienen wären.
164Sofern der Kläger die Entscheidung des OLG Hamburg (GRUR-RR 2009, 438) als Stütze seiner gegenteiligen Auffassung anführt, nimmt derselbe Senat des OLG Hamburg - wie in der zuvor zitierten Entscheidung - bei der Bemessung der Höhe der Geldentschädigung zwar – zutreffend - eine Gesamtschau vor, verweist jedoch im Übrigen auf das erstinstanzliche Urteil des LG Hamburg, welches allein bei gleichartigen Bildberichterstattungen mit entsprechenden Überschriften eine Hartnäckigkeit i.S.d. der oben zitierten Rechtsprechung des BGH angenommen hat. Hinzu kommt, dass derselbe Senat seine Rechtsprechung hiernach ausdrücklich bestätigt hat (vgl. OLG Hamburg, ZUM 2010, 976).
165Nach Auffassung der Kammer ist bei der streitgegenständlichen Wortberichterstattung die für die Annahme der Hartnäckigkeit erforderliche Gleichartigkeit der angegriffenen Passagen nicht gegeben. Es wurden zwar in den Artikeln oftmals ähnliche Themenkomplexe (Sexualität, Gewalt, Verdachte etc.) behandelt. Diese Ähnlichkeit der Themen war jedoch dem gegen den Kläger erhobenen Vorwurf der schweren Vergewaltigung geschuldet. Eine Gleichartigkeit der streitgegenständlichen Wortberichterstattung durch die wiederholte Befassung mit diesen Themen ist jedoch nach Auffassung der Kammer nicht zu erkennen. Denn aufgrund des steten Fortgangs des gegen den Kläger gerichteten Strafverfahrens mit stets neuen „Enthüllungen“ und Wendungen erscheinen die angegriffenen Passagen trotz des vorherrschenden Grundthemas in „ganz unterschiedlichem Gewande und Kontext“ (OLG Hamburg, a.a.O.).
166A.
167Vor diesem Hintergrund gilt hinsichtlich der einzelnen Berichterstattungen das Folgende:
1681.a. „L ab und zu wirklich nicht zurechnungsfähig“ vom 31.7.2010 auf www.abendblatt.de (Anlage K 16);
1691.b. „L droht angeblich weiteres Verfahren“ vom 31.7.2010 auf www.welt.de (Anlage K 17);
1701.c „Neuer Ärger in der Freiheit“ vom 1.8.2010 auf www.welt.de (Anlage K 18):
171Hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerungen
172a) „L „ab und zu wirklich nicht zurechnungsfähig““
173b) „Er habe eine Frau gefesselt und dann mit einem Rohrstock geschlagen.“
174c) „Der 52-jährige soll im Jahr 2001 eine Frau nackt an Badezimmerarmaturen gefesselt und ihr dann mit einem Rohrstock auf den Po gehauen haben. Die Frau habe drei Tage nach Ls Festnahme an das Amtsgericht Mannheim geschrieben, dass sie eine Affäre mit L durchlebt habe und bestätigen könne, dass er „ab und zu wirklich nicht zurechnungsfähig“ sei.“
175e) „Drei Tage nach der Festnahme von L am 20. März soll eine ehemalige Geliebte dem Mannheimer Amtsgericht per Mail mitgeteilt haben, der Moderator solle ab und zu wirklich nicht zurechnungsfähig gewesen sein. L, der vorher nie gewalttätig gewesen sei, habe sie 2001 einmal wegen einer fehlgeleiteten SMS in ihrer Wohnung nackt an die Duscharmatur gefesselt und mit einem selbst mitgebrachten Rohrstock auf das Hinterteil geschlagen.“
176f) „Der unter Vergewaltigungsverdacht stehende 52-jährige Schweizer soll die Frau demnach im Jahr 2001 in ihrer Wohnung nackt an der Armatur der Dusche festgebunden und sie mit einem etwa 50 Zentimeter langen Rohrstock auf den Po geschlagen haben. Die Frau habe drei Tage nach Ls Festnahme an das Amtsgericht Mannheim geschrieben, dass sie eine Affäre mit L durchlebt habe und bestätigen könne, dass er „ab und zu wirklich nicht zurechnungsfähig“ sei.“
177und deren Rechtswidrigkeit wird auf das Urteil der Kammer vom 22.6.2011 (Az. 28 O 950/10, Anlage K20) sowie auf das Urteil des OLG Köln vom 14.2.2012 (Az. 15 U 130/11, Anlage K21) Bezug genommen.
178Eine solche Verweisung ist zulässig, da die Entscheidungen zwischen den Parteien ergangen und ihnen durch Zustellung bekannt gemacht geworden sind (Musielak in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, § 313 ZPO, Rn. 13 m.w.N.).
179Die Äußerung
180d) „Ls Anwalt Reinhardt Birkenstock bestätigte am Sonnabend einen Bericht des Münchener Magazins „Focus“, nach dem die Staatsanwaltschaft Mannheim wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt. L soll dem Magazin zufolge schon vor Jahren eine Frau in ihrer Wohnung geschlagen haben.“
181ist nicht streitgegenständlich, da der entsprechende Artikel „Körperverletzung: Weiteres Verfahren gegen L“, veröffentlicht auf der Internetseite www.abendblatt.de am 31.7.2010, weder vorgelegt oder in der Klagebegründung in Bezug genommen wurde.
182Nach Auffassung der Kammer liegt hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerungen eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vor.
183Denn es kann zwar unter Berücksichtigung der Stellung des Klägers in der Gesellschaft und seines dadurch begründeten Bekanntheitsgrades sowohl aufgrund seiner Berufstätigkeit als auch aufgrund des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung wie auch unter Berücksichtigung der hier infrage stehenden möglichen Tat grundsätzlich ein gewichtiges Informationsinteresse der Öffentlichkeit bejaht werden. Andererseits ist aber zu berücksichtigen, dass die Berichterstattung über das Bestehen eines Verdachts der Begehung einer Straftat durch die Medien besondere Gefahren für den jeweils Betroffenen begründen kann. Denn Verdächtigungen, Gerüchte und insbesondere Berichterstattungen durch die Medien werden oft für wahr genommen, ihre später erwiesene Haltlosigkeit beseitigt den einmal entstandenen Mangel kaum, und Korrekturen finden selten die gleiche Aufmerksamkeit wie die Bezichtigung, insbesondere wenn es später zu einem Freispruch unter dem Gesichtspunkt in dubio pro reo kommt. Deswegen gebietet die bis zur rechtskräftigen Verurteilung zu Gunsten des Angeklagten sprechende Unschuldsvermutung eine entsprechende Pflicht der Medien, die Stichhaltigkeit der ihr zugeleiteten Informationen unter Berücksichtigung der den Verdächtigen bei identifizierender Berichterstattung drohenden Nachteile gewissenhaft nachzugehen, und eine entsprechende Zurückhaltung, gegebenenfalls einhergehend mit einer Beschränkung auf eine ausgewogene Berichterstattung. Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch bereits an dem für eine zulässige Verdachtsberichterstattung erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen, da sich der Vorwurf allein auf die Aussage der Anzeigenerstatterin gründet und weitere Umstände weder vorgetragen noch ersichtlich sind. Basiert jedoch der Vorwurf einzig auf einer Anzeige/Aussage einer Person, gehört es zu der journalistischen Pflicht eines Presseorgans auch, die Glaubhaftigkeit derselben zu hinterfragen. Dies ist hier offenkundig nicht geschehen, obschon der Beklagten diese Pflicht hätte bekannt sein müssen. Vielmehr hat die Beklagte den entsprechenden Verdacht zumindest fahrlässig gegenüber dem Kläger ohne weitere Verifizierung der Aussage der Zeugin geäußert. Aufgrund der Prominenz des Klägers und der Art und Schwere der ihm vorgeworfenen Tat bleibt jedoch eine erhebliche Stigmatisierung im Sinne einer Gewaltbereitschaft gegenüber Frauen bei den Rezipienten haften. Denn die vorliegende Berichterstattung in auflagenstarken Presseerzeugnissen sowie auf deutschlandweit abrufbaren Internetseiten begründet die gesteigerte Gefahr der Vorverurteilung des Klägers als frauenverachtender, gewaltbereiter Mensch, da durch die stete Wiederholung eines im Kern vergleichbaren Vorwurfs der Gewaltausübung gegenüber Frauen sich in der öffentlichen Meinung die Einschätzung verfestigen kann, dass der Vergewaltigungsvorwurf zutreffend sein könnte. Verstärkt wird die Stigmatisierungswirkung auch durch das Zitat, der Kläger sei „ab und zu wirklich nicht zurechnungsfähig“, da dem unbefangenen Leser damit ein zwanghaftes Verhalten des Klägers nahe gelegt wird, das ein entsprechendes Tatgeschehen wie auch den in dem anhängig gewesenen Strafverfahren erhobenen Vorwurf plausibler erscheinen lässt.
184Vor dem Hintergrund, dass dem Rezipienten durch diese unzulässige Verdachtsberichterstattung suggeriert wird, dass beide Vorwürfe aufgrund ihrer Häufung zutreffend sein könnten, besteht nach Auffassung der Kammer auch keine anderweitige Ausgleichsmöglichkeit als eine Geldentschädigung, die geeignet wäre, die hierdurch entstandene Stigmatisierung des Klägers in der Öffentlichkeit zu revidieren oder zu mildern. Denn jede erneute Thematisierung dieser Umstände würde den durch die Berichterstattung der Beklagten bei der Leserschaft hervorgerufenen Eindruck, der Kläger sei ein frauenverachtender und gewaltbereiter Mensch, nur noch verfestigen.
1852. „Plötzlich macht Ls Handy neue Aussage“ vom 5.12.2010 in der „Welt am Sonntag“ (Anlage K 23):
186Hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerungen
187a) „In monatelanger Kleinarbeit rekonstruierten Ermittler die gelöschten Daten und fanden Hinweise auf ein möglicherweise neues Opfer.“
188b) „Laut „Focus“ kamen die Ermittler so auch einer neuen Zeugin auf die Spur, deren Aussage ihn schwer belastet. Die Frau soll behaupten, dass L sie beim Liebesspiel am 17. Januar plötzlich brutal behandelt habe. Er sei für kurze Zeit ein anderer Mensch geworden.“
189und deren Rechtswidrigkeit wird auf das Urteil der Kammer vom 10.7.2013 (Az. 28 O 439/12, Anlage K25) sowie auf das Urteil des OLG Köln vom 18.2.2014 (Az. 15 U 110/13, Anlage K186) Bezug genommen.
190Nach Auffassung der Kammer liegt hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerungen eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vor.
191Denn es ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger durch die angegriffenen Äußerungen eine weitere Straftat, begangen gegenüber der in dem Artikel genannten Zeugin, vorgeworfen wird. Es wird in diesem Zusammenhang von einem „neuen Opfer“ sowie einer „schweren Belastung“ des Klägers gesprochen und auf eine Brutalität beim Liebesspiel hingewiesen. Verstärkt wird diese Deutung durch die Äußerungen „Sprengstoff für das Verfahren“ sowie „kam das BKA zu einem brisanten Ergebnis“. Diese Formulierungen stellen den Zusammenhang zwischen dem in der Öffentlichkeit zum damaligen Zeitpunkt präsenten Verdacht und einem behaupteten weiteren Fall „brutaler Behandlung“ her und verstärkten den Eindruck, dass der Zusammenhang auch hier ein strafrechtlich relevanter sein könne. Es ist jedoch unstreitig, dass der in dem Artikel angesprochene Verdacht weder zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch zu einem späteren Zeitpunkt bestand. Folglich fehlte es bereits an einem Mindestbestand an Beweistatsachen für eine zulässige Verdachtsberichterstattung, was die Beklagte hätte erkennen können. Hinzu kommt, dass in einer Verdachtsberichterstattung auch Entlastungsmomente anzugeben sind, um eine Vorverurteilung des Verdächtigen zu vermeiden. Daran fehlt es hier jedoch gänzlich. Der Artikel erwähnt nicht, ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die beschriebenen Liebesspiele nicht gegen den Willen der genannten Zeugin erfolgten. Selbst wenn die Beklagte für sich geltend machen könnte, dass ein Interesse an einer näheren Kenntnis von weiteren Beziehungen des Klägers bestünde, so hätte sie doch klarstellen müssen und können, dass der berichtete Vorfall nicht notwendig Anhaltspunkte für strafbares Verhalten gibt. Im Ergebnis bleibt daher der den Kläger stigmatisierende Verdacht, eine weitere Frau misshandelt zu haben, stehen, ohne dass ausgewogen berichtet worden wäre. Vor dem Hintergrund, dass dem Rezipienten durch diese unzulässige Verdachtsberichterstattung suggeriert wird, dass auch der angeklagte Vorwurf aufgrund der Häufung der Vorfälle zutreffend sein könnte, besteht nach Auffassung der Kammer auch keine anderweitige Ausgleichsmöglichkeit als eine Geldentschädigung, die geeignet wäre, die hierdurch entstandene Stigmatisierung des Klägers in der Öffentlichkeit zu revidieren oder zu mildern. Denn jede erneute Thematisierung dieser Umstände würde den durch die Berichterstattung der Beklagten bei der Leserschaft hervorgerufenen Eindruck, der Kläger sei ein frauenverachtender und gewaltbereiter Mensch nur noch verfestigen.
1923. „L und die gefährliche Zeugin“ vom 6.3.2011 in der „Bild am Sonntag“ (Anlage K 26):
193Hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerungen
194a) „Wenige Sekunden später soll L Linda T. an die Wand gedrückt, ihr das Oberteil ausgezogen haben. L habe sie am Hals gepackt und mehrmals geschlagen. Er soll sie dann über die Lehne der Couch gebeugt und eine sexuelle Handlung an ihr verübt haben, bei der er in ihren Körper eindrang, und die Linda T. als sadomasochistisch beschreibt. Er soll sie auch an den Haaren gezogen und am Arm gezerrt haben.“
195b) „Linda T. soll außerdem ausgesagt haben, sich an diesem Nachmittag nicht gegen L gewehrt zu haben. Gegenüber einem Vertrauten soll sie später gesagt haben, dass sie ruhig geblieben sei, um L nicht zu provozieren.“
196c) „Er soll sie geschlagen haben.“
197und deren Rechtswidrigkeit wird auf das Urteil der Kammer vom 10.6.2015 (Az. 28 O 563/14) Bezug genommen.
198Nach Auffassung der Kammer liegt hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerungen auch eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vor, da es bereits an einem Mindestbestand an Beweistatsachen fehlt, der es rechtfertigen würde, über den jeweils von der Zeugin M erhobenen Vorwurf zu berichten. Denn als Grundlage einer Verdachtsäußerung liegt hier erneut lediglich die Aussage der Zeugin selbst vor. Der Beweisgehalt dieser Quelle ist zudem maßgeblich relativiert, da die Beklagte lediglich mittelbar durch eine weitere Quelle vom Hörensagen von den Ausführungen der Zeugin in der nicht-öffentlichen Sitzung bei der Staatsanwaltschaft Zürich erfahren haben wolle. Dem hingegen hat die Zeugin selbst über ihren Rechtsanwalt erklären lassen, sich nicht mehr weiter zu den Vorgängen zu äußern. Unabhängig davon lässt sich eine Verdachtsberichtserstattung über einen gravierenden – möglicherweise strafrechtlichen - Vorwurf im Hinblick auf die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK nicht alleine auf die Aussage des jeweiligen Opfers stützen, sofern nicht weitere Beweistatsachen vorliegen, welche diese Aussage stützen. Dies war jedoch nicht der Fall, was die Beklagte hätte erkennen müssen. Die Unschuldsvermutung gebietet in einem solchen Fall jedoch eine entsprechende Zurückhaltung, mindestens aber eine ausgewogene Berichterstattung. Auch ist bei der Abwägung zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass er deutschlandweit als Person mit gewalttätigen Neigungen dargestellt wird und dies seinem Ansehen in der Öffentlichkeit äußerst abträglich ist. Im Ergebnis bleibt der den Kläger stigmatisierende Verdacht, eine weitere Frau misshandelt zu haben, stehen, ohne dass seitens der Beklagten ausgewogen berichtet worden wäre. Hinzu kommt, dass eine Prozessberichterstattung zwar im Grundsatz nicht auf die Wiedergabe von Zeugenaussagen verzichten kann, um den Lesern den weiteren Verlauf des Strafverfahrens, z.B. die erneute Vernehmung eines Zeugen oder den derzeitigen Stand des Verfahrens nachvollziehbar darzustellen. Andererseits ist hier jedoch zu beachten, dass der Aussage der Zeugin M mangels Anwesenheit in der Tatnacht hinsichtlich der angeklagten Tat - anders als der Aussage der Zeugin E als mutmaßliches Tatopfer - für das konkrete Tatgeschehen keinerlei Bedeutung zukam, weil kein enger Bezug zu dem eigentlichen Tatvorwurf bestand. Schließlich folgt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht bereits aus dem Umstand, dass eine Zeugin ausgesagt hat, dass sämtliche Details aus ihrer Vernehmung von der Presse öffentlich verbreitet werden dürfen, unabhängig davon, dass die Zeugin M hier unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen wurde. Denn von dem Grundsatz der „Saalöffentlichkeit“, auf welchen sich die Medien auch nicht in jedem Fall berufen können, werden zum Schutze von Persönlichkeitsrechten Einschränkungen gemacht. Auch wenn Zeugen im Rahmen eines Strafverfahrens vernommen werden und diese Aussagen vom Gericht im Urteil gewürdigt werden, stellt dies keine Berechtigung der Presse dar, sämtliche Details dieser Aussagen unabhängig davon zu veröffentlichen, ob im konkreten Fall das Persönlichkeitsrecht des Angeklagten oder der Zeugen selbst eine Wiedergabe der fraglichen Details verbietet oder ob dagegen das öffentliche Berichterstattungsinteresse überwiegt. Letztlich ist auch hier maßgeblich zu berücksichtigen, dass im vorliegenden Fall konkrete Details der Aussage der Zeugin M in Bezug auf die – vermeintlichen - sexuellen und mit Gewalt verbundenen Handlungen des Klägers wiedergegeben wurden. Damit wird schließlich – deren Wahrheit unterstellt - auch nach Auffassung der Zeugin ein konkreter sadomasochistischer Akt erläutert. Hierdurch werden jedoch solche Details über das Sexualleben des Klägers an die Öffentlichkeit gebracht, welche in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem angeklagten Tatgeschehen standen. Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs mit der angeklagten Tat wird der Kläger – wie bereits dargestellt - zudem nicht nur als gewaltaffin, sondern auch als Wiederholungstäter dargestellt. Unter Berücksichtigung der für den Kläger auch hinsichtlich der von der Zeugin erhobenen Vorwürfe, die – soweit ersichtlich – nicht selbst zu weiteren Ermittlungen geführt haben, streitenden Unschuldsvermutung, der Preisgabe intimer Einzelheiten, der eingetretenen Stigmatisierung in der Öffentlichkeit als ein frauenverachtender und gewaltbereiter Mensch und des Umstandes, dass die Aussagen der Zeugin für das eigentliche Tatgeschehen keinerlei Bedeutung hatten, ist auch insofern eine Geldentschädigung zuzuerkennen.
1994. „Ls Anwalt wettert gegen unliebsame Zeuginnen“ vom 25.3.2011 in der „Bild“ (Anlage K 28):
200Hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerungen
201a) „All diese Frauen, denen L meist von Liebe und einer gemeinsamen Zukunft vorgeschwärmt haben soll, ist eines gemein: Sie werfen ihm vor, er sei in ihrer Beziehung gewalttätig gewesen.“
202b) „Nämlich darum, dass mehrere Ex-Freundinnen über einen Zeitraum von zehn Jahren alle das Gleiche sagen: Dass L in der Beziehung gewalttätig geworden sein soll. Denn stimmen die Aussagen der anderen Ex-Freundinnen, hätte L sich in dieser Nacht nicht zum ersten Mal gewalttätig verhalten.“
203c) „Ach ja, und neuerdings spielt er auch mit seinem iPad. Während der Verhandlung.“
204und deren Rechtswidrigkeit wird auf das Urteil der Kammer vom 10.6.2015 (Az. 28 O 564/14) Bezug genommen.
205Nach Auffassung der Kammer liegt hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerungen a) und b) eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vor, da es bereits an einem Mindestbestand an Beweistatsachen fehlt, der es rechtfertigen würde, über den jeweils von den drei Zeuginnen D, M und Q erhobenen Vorwurf zu berichten, da es lediglich die jeweiligen Aussagen der Zeuginnen gibt, ohne dass weitere, diese Aussagen stützende Anhaltspunkte ersichtlich oder vorgetragen wären. Die jeweilige Aussage des Opfers allein rechtfertigt es vor dem Hintergrund der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgenden und in Art. 6 Abs. 2 EMRK anerkannten Unschuldsvermutung – wie bereits dargestellt - jedoch nicht, bereits über den insoweit bestehenden Verdacht zu berichten, sofern nicht weitere Beweistatsachen vorliegen, welche die Aussage des Opfers stützen, was der Beklagten hätte bekannt sein müssen. Die Unschuldsvermutung gebietet in solchen Fällen eine entsprechende Zurückhaltung bei der Mitteilung von Einzelheiten aus dem privaten Lebensbereich, deren Kenntnis zur Befriedigung des berechtigten Informationsinteresses nicht zwingend erforderlich ist. Dass es sich bei den in Rede stehenden Äußerungen nicht um die dem Kläger vorgeworfene Straftat selbst handelt, sondern um eine wahre Tatsachenbehauptung - nämlich den Umstand, dass die Zeuginnen im Rahmen ihrer Aussagen, jeweils den Vorwurf äußerten, der Kläger sei gewalttätig gewesen - aus dem gegen ihn geführten Strafverfahren, steht der Berücksichtigung der Unschuldsvermutung im Rahmen der Abwägung auch nicht entgegen. Denn auch eine wahre Tatsachenbehauptung kann das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussage geeignet ist, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden droht. Deshalb ist bei der Abwägung zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass er als Person mit gewalttätigen Neigungen dargestellt wird und dies seinem Ansehen in der Öffentlichkeit äußerst abträglich sein kann. Ferner ist zu berücksichtigen, dass bei einem Strafverfahren die Kenntnis des Inhalts der Zeugenaussagen für die Beurteilung des weiteren Verfahrensverlaufs und das Verständnis der Beweiserhebungen sowie die Würdigung der Beweisergebnisse in der Hauptverhandlung von nicht so erheblicher Bedeutung ist, wie z.B. die Einlassung des Angeklagten. Gleichwohl wird man den seitens des jeweiligen Gerichts für erforderlich gehaltenen Zeugenaussagen – unabhängig davon, ob es sich um Belastungszeugen handelt oder nicht – eine gewisse Relevanz für den weiteren Verlauf des Strafverfahrens grundsätzlich nicht absprechen können. Eine ausgewogene Prozessberichterstattung wird deshalb grundsätzlich nicht auf die Wiedergabe derselben verzichten können, um den Lesern den weiteren Verlauf des Strafverfahrens, z.B. die erneute Vernehmung eines Zeugen oder den derzeitigen Stand des Verfahrens nachvollziehbar darzustellen. Andererseits ist hier zu beachten, dass den Aussagen der Zeugen Q, M und D mangels Anwesenheit in der Tatnacht hinsichtlich der angeklagten Tat, anders als der Aussage der Zeugin E, für das Tatgeschehen keine Bedeutung zukam, weil kein enger Bezug zu dem eigentlichen Tatvorwurf bestand. Auch bedeutet der Umstand, dass die Zeuginnen sich in ihren Vernehmungen dahingehend äußerten, der Kläger sei im Rahmen von sexuellen Handlungen gewalttätig gewesen, nicht, dass sämtliche Details aus diesen Vernehmungen von der Presse veröffentlicht oder in sonstiger Weise verbreitet werden dürfen, zumal zu berücksichtigen ist, dass sämtliche Zeuginnen – wohlweislich - unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen wurden. Denn auch wenn Zeugen im Rahmen eines Strafverfahrens vernommen werden und diese Aussagen vom Gericht im Urteil gewürdigt werden, stellt dies – wie bereits dargestellt - keine Berechtigung der Presse dar, sämtliche Details dieser Aussagen unabhängig davon zu veröffentlichen, ob im konkreten Fall das Persönlichkeitsrecht des Angeklagten eine Wiedergabe der fraglichen Details verbietet oder ob dagegen das öffentliche Berichterstattungsinteresse überwiegt. Vor diesem Hintergrund ist zwar zu berücksichtigen, dass die Aussagen der Zeuginnen D, M und Q nicht detailliert wiedergegeben wurden, sondern nur ihrem wesentlichen Inhalt nach. Andererseits wird hierdurch ein Bild des Klägers in der Öffentlichkeit als „Serientäter“ gezeichnet, welches höchst abträglich ist. Unter Berücksichtigung der für den Kläger auch hinsichtlich der von den Zeuginnen D, Q und M erhobenen Vorwürfe, die jeweils nicht zu einem Hauptverfahren geführt haben, streitenden Unschuldsvermutung und des Umstandes, dass die Aussagen der Zeuginnen für das eigentliche Tatgeschehen keinerlei Bedeutung hatten, so dass ihre Darstellung nicht zwingend erforderlich war, ist auch insoweit eine Geldentschädigung zuzuerkennen.
206Demgegenüber ist fehlt es hinsichtlich der Äußerung c) an der erforderlichen Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung. Der Kläger ist zwar in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht betroffen, da die Äußerung suggeriert und auch suggerieren will, dass der Kläger im Gerichtssaal ein unangemessenes Verhalten an den Tag gelegt hat, in dem er während der Verhandlung mit seinem ipad gespielt habe. Gleichwohl wird selbst bei unterstellter Wahrheit die Persönlichkeit des Klägers nicht in ihren Grundfesten tangiert oder er selbst wegen intimer oder privater Details seines Sexuallebens in der Öffentlichkeit stigmatisiert.
2075. „Es geht um Schläge, Peitschen, Fessel-Sex - Das bizarre Liebesleben von L und seiner Ex“ vom 19.7.2010 in der „Bild“ (Anlage K 30):
208Hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerungen
209a) “ES GEHT UM SCHLÄGE, PEITSCHEN, FESSEL-SEX”
210b) “Denn aus Ermittlungsakten, die BILD vorliegen, geht hervor, dass beide eine Vorliebe für sadomasochistische Sexualpraktiken gehabt haben sollen.”
211c) “Es geht um bizarre Spiele mit Schlägen, es geht um Fessel-Sex, Handschellen und Peitschen. Alles soll einvernehmlich gewesen sein. Das wird auch in einer E-Mail deutlich, in der die Ex-Freundin gegenüber L ausdrücklich versicherte, dass sie sich von ihm nicht prügeln ließe, wenn sie etwas dagegen hätte.”
212d) “L versichert seiner Ex-Freundin in einer E-Mail vom 28. Januar 2010 – also nur zwei Wochen vor der vermeintlichen Tat – dass er ihr ein “Mitspracherecht” bei Dingen gewähre, wenn er sie züchtige.”
213e) “In einer weiteren E-Mail fragt L seine Freundin, ob sie dauerhaft in seine Hände und unter seine “Peitsche” will. Sie beteuerte ihm gegenüber, es gehöre zu ihrem Leben, seine “Dienerin” zu sein.”
214f) “Bei einer Befragung im Zuge der Ermittlungen gibt Sabine W. später an, L habe beim Sex mit ihr gerne zur Peitsche gegriffen. Es sei für ihn ein “Lustgewinn” gewesen, sie zu schlagen.”
215und deren Rechtswidrigkeit wird auf das Urteil der Kammer vom 22.6.2011 (Az. 28 O 951/10, Anlage K32) sowie auf das Urteil des OLG Köln vom 14.2.2012 (Az. 15 U 126/11, Anlage K33) Bezug genommen.
216Nach Auffassung der Kammer liegt hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerungen auch eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vor, da die Berichterstattung einen konkreten Bezug zu den Tatvorwürfen vermissen lässt. Schon die Überschrift rückt die angeblichen sexuellen Vorlieben des Klägers und der Anzeigenerstatterin in den Vordergrund; das Verfahren wegen Vergewaltigung bleibt insofern unerwähnt. Durch den Gesamtkontext wird bei dem Leser bewusst der Eindruck erweckt, dass es sich bei den erwähnten „pikanten Details“ um solche mit Bezug zum Sexualleben des Klägers handelt. Dieser Erwartung wird der nachfolgende Artikel, insbesondere durch die beanstandeten Äußerungen, gerecht. Es folgen zwar zwei Absätze, in denen das Strafverfahren und der Prozessbeginn angesprochen werden. Sodann geht die Berichterstattung allerdings über in die Mitteilung intimer Details, die sich aus der Ermittlungsakte ergäben. Auch lag der Kern des Strafverfahrens, welches gegen den Kläger gerichtet war, in der Klärung der Frage, ob der Kläger der schweren Vergewaltigung schuldig ist. Ansonsten einvernehmlich zwischen ihm und der Anzeigenerstatterin durchgeführte Sexualpraktiken waren insofern bedeutungslos. Der Artikel stellt dementsprechend inhaltlich keinen konkreten Bezug zu dem Strafverfahren her und berichtet insbesondere nicht über die Relevanz der Erkenntnisse zu der einvernehmlich ausgelebten Sexualität zwischen dem Kläger und der Anzeigeerstatterin. Damit dienen die beanstandeten Äußerungen in ihrem Kontext vorrangig der Darstellung angeblicher sexueller Vorlieben des Klägers, hinsichtlich derer ein Informationsinteresse der Allgemeinheit zu verneinen ist. Zudem ist die Bedeutung der beanstandeten Äußerungen für das Strafverfahren vorliegend als gering zu bewerten, da die mitgeteilten Tatsachen für die Schuldfrage der vorgeworfenen Vergewaltigung ohne Belang sind. Vielmehr stellen sie bis dahin angeblich übliche, einvernehmlich praktizierte sexuelle Handlungen zwischen dem Kläger und der Anzeigeerstatterin dar. Diese sexuellen Vorlieben, die durch die Beklagte öffentlich gemacht und verbreitet wurden, werden auch trotz des späteren Freispruches einem Großteil der Rezipienten in Erinnerung bleiben. Hierdurch wird der Kläger als eine Person mit Neigung zu sadomasochistischen Praktiken beschrieben und seine vermeintlichen sexuellen Vorlieben der Öffentlichkeit präsentiert. Dass dies die Gefahr einer sozialen Ausgrenzung und Isolation in sich birgt, da er als auf Sexualverkehr mit Ausleben von Gewalt fixierte Person charakterisiert wird, bedarf keiner weiteren Erläuterung und hätte der Beklagten auch klar sein müssen. Bei Eingriffen in die Privat- und Intimsphäre besteht eine anderweitige Ausgleichsmöglichkeit in der Regel nicht. Die Privatsphäre ist nach ihrer Öffnung unwiederbringlich, weder Gegendarstellung noch Beseitigung oder Widerruf können sie wieder herstellen. Das gilt auch, wenn ein Umstand zwar bereits bekannt war, durch seine Verbreitung und seine Anreicherung mit eigenen Beurteilungen aber vertieft wird. Diese Steigerung der Eingriffsintensität kann nicht durch einen Beseitigungs- oder Gegendarstellungsanspruch allein kompensiert werden und bedarf zu ihrer Kompensation nach Auffassung der Kammer der Zuerkennung einer Geldentschädigung.
2176. „Der Fall L – Mit Zuckerbrot und Reitpeitsche“ vom 2.8.2010 auf www.abendblatt.de (Anlage K 34)
218Hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerungen
219a. „Mit Zuckerbrot und Reitpeitsche“
220b. „Nun kommt heraus (…), dass L seine Gespielin (…) bei Peitschen- und Folterspielen wund geschlagen hat und sich, zwecks sexueller Erregung, diese Bilder von Striemen und Verletzungen in ihrem Computer mit Zeichen wohlwollender Erregung angeschaut hat: ein sadistischer Voyeur sozusagen.“
221c. „andere Opfer seines aggressiven Wohlgefallens“
222d. „So wie er (…) die Zuneigung geduldiger Dienerinnen, die er mit Zuckerbrot und Reitpeitsche psychisch über elf Jahre ruiniert hat, (…).“
223und deren Rechtswidrigkeit (Äußerungen b. und d.) bzw. deren Rechtmäßigkeit (Äußerungen a. und c.) wird auf das Urteil des OLG Köln vom 21.10.2014 (Az. 15 U 55/14, Anlage K191) Bezug genommen.
224Hinsichtlich der rechtswidrigen Äußerungen liegt nach Auffassung der Kammer eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vor, da es bereits an einem Mindestbestand an Beweistatsachen für die vorliegend gegebene Verdachtsberichterstattung bezüglich eines sadistischen Voyeurismus des Klägers und/oder einer psychischen Ruinierung seiner Partnerinnen fehlt. Denn zum einen konnten die Zeuginnen T und Q, auf deren Angaben sich der Artikel im Focus stützt, selbst nach dem Vorbringen der Beklagten keine Angaben zu den sexuellen Praktiken zwischen der Anzeigenerstatterin und dem Kläger machen. Zum anderen haben weder die Anzeigenerstatterin noch die erwähnten Zeuginnen konkrete Angaben dazu gemacht, dass sie vom Kläger „psychisch ruiniert“ worden seien oder dies so empfunden hätten. Vielmehr handelt es sich um eine eigene Schlussfolgerung des Autors, für die es an einer hinreichenden Grundlage fehlt und die den Kläger – auch für die Beklagte ersichtlich – in der Öffentlichkeit erheblich als frauenverachtenden Menschen stigmatisiert. Im Ergebnis bleibt daher der den Kläger stigmatisierende Verdacht, mehrere Frauen misshandelt zu haben, stehen. Vor dem Hintergrund, dass dem Rezipienten durch diese unzulässige Verdachtsberichterstattung suggeriert wird, dass auch der angeklagte Vorwurf aufgrund der Häufung der Vorfälle zutreffend sein könnte, besteht nach Auffassung der Kammer auch keine anderweitige Ausgleichsmöglichkeit als eine Geldentschädigung, die geeignet wäre, die hierdurch entstandene Stigmatisierung des Klägers in der Öffentlichkeit zu revidieren oder zu mildern. Denn jede erneute Thematisierung dieser Umstände würde den durch die Berichterstattung der Beklagten bei der Leserschaft hervorgerufenen Eindruck, der Kläger sei ein frauenverachtender und gewaltbereiter Mensch, nur noch verfestigen.
2257. „Der nette Wettermoderater und die SM-Spiele mit Peitsche“ vom 13.9.2010 auf www.welt.de (Anlage K 37):
226Hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerungen
227a. „Der nette Wettermann und seine SM-Spiele mit Peitsche“
228b. „bis er nach einem ärztlichen Test belehrt wurde, dass er nicht zeugungsfähig sei.“
229c. „(…) gern auch mal mit Handschelle oder bereit gelegter Reitpeitsche.“
230d. „Das Kuschelbärchen aus den Schweizer Bergen soll dunkle Triebe mit SM-Spielchen und multiplen Liebschaften ausgelebt haben.“
231und deren Rechtswidrigkeit (Äußerung b.) bzw. deren Rechtmäßigkeit (Äußerungen a., c. und d.) wird auf das Urteil des OLG Köln vom 21.10.2014 (Az. 15 U 56/14, Anlage K192) Bezug genommen.
232Hinsichtlich der rechtswidrigen Äußerung liegt nach Auffassung der Kammer eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vor, da die Frage der Zeugungsfähigkeit des Klägers seiner Intimsphäre zuzurechnen ist, hinsichtlich derer eine Berichterstattung schlechthin unzulässig ist. Zudem steht dieses medizinische Detail weder in unmittelbarer Beziehung zur Tat noch gibt es Aufschlüsse über Motive oder andere Tatvoraussetzungen oder erscheint es für die Bewertung der Schuld wesentlich. Dies hätte die Beklagte auch erkennen können. Die Mitteilung dieses Umstandes diente allein der Sensationslust der Leser, die weitere intime Details aus dem Privatleben des Klägers erfahren wollten. Ferner hätte die Berichterstattung über den Prozesstag und die Angaben des Klägers zum Ablauf der Tatnacht auch ohne Nennung dieses Details zum Gesundheitszustand des Klägers vollständig erfolgen können. Vor dem Hintergrund, dass die Intimsphäre des Klägers unwiederbringlich geöffnet wurde, ist die Kammer der Auffassung, dass auch keine anderweitige Ausgleichsmöglichkeit für den erlittenen Eingriff gegeben ist, so dass auch insofern eine Geldentschädigung zuzuerkennen ist.
2338. „Vergewaltigungsprozess immer absurder – Hier reist das ganze Gericht zu Ls Geliebter Nr. 10 in die Schweiz“ vom 16.2.2011 in der „Bild“ (Anlage K 40):
234Hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerungen
235a. „Hier reist das ganze Gericht zu Ls Geliebter Nr. 10 in die Schweiz“
236b. „HIER REIST DAS GERICHT ZUR GELIEBTEN NR. 10!“
237c. „Er sei beim Sex am 17. Januar 2010 zu weit gegangen“
238d. „Der Vorfall soll zwei Wochen vor der mutmaßlichen Vergewaltigung von Ls Ex-Freundin Sabine W.* (37) passiert sein.“
239und deren Rechtswidrigkeit (Äußerung c. und d.) bzw. deren Rechtmäßigkeit (Äußerungen a. und b.) wird auf das Urteil des LG Köln vom 10.6.2015 (Az. 28 O 565/14) Bezug genommen.
240Hinsichtlich der rechtswidrigen Äußerungen liegt nach Auffassung der Kammer eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vor, da durch die Beschreibung des übergriffigen Verhaltens des Klägers gegenüber der Zeugin M, der direkten sachlichen und zeitlichen Bezugnahme auf die die Anklage tragenden Vorwürfe gegen den Kläger, die Bezeichnung als Belastungszeugin und die Frage, wie gefährlich die Aussage für den Kläger werde, die Gefahr einer Vorverurteilung im Hinblick auf den Tatvorwurf besteht. Zudem wird damit der Verdacht einer möglichen weiteren Straftat zu Lasten der Zeugin M verbreitet. Hierfür fehlt es jedoch bereits an einem Mindestbestand an Beweistatsachen, welcher es rechtfertigen würde, über den von der Zeugin M mutmaßlich erhobenen Vorwurf zu berichten. Grundlage des Mitteilung, dass der Kläger beim Sex zu weit gegangen sei, ist erkennbar allein der in Bezug genommene Focus-Artikel vom 6.12.2010 und der entsprechende Telefonvermerk des Oberstaatsanwalts H, welchen die Kammer bereits im Hinblick auf eine vorherige Veröffentlichung als inhaltlich wenig aussagekräftig angesehen hat (Urteil vom 10.7.2013, 28 O 439/12; bestätigend OLG Köln Urteil vom 18.2.2014, 15 U 110/13). Die Kammer verkennt insofern nicht, dass im Gegensatz zur der dort streitgegenständlichen Veröffentlichung, welche von Frau M als neues „Opfer“ sprach, der Verdacht hier tendenziell zurückhaltender geäußert wird und zusätzlich durch die konkret angesetzte Zeugenvernehmung auch ein neuer Anlass für die Berichterstattung bestand. Zum Zeitpunkt des Berichts war jedoch nicht bekannt, was die Zeugin tatsächlich aussagen würde. Hiergegen wird jedoch durch die konkrete Berichterstattung das Bild des Klägers als Serientäter gezeichnet – dies insbesondere deshalb, da durch die Betonung der zeitlichen Abfolge die Vorfälle in eine enge Beziehung zueinander gestellt werden. Die Zeugin M belastete den Kläger schließlich im Hinblick auf einen möglichen strafrechtlich relevanten Vorwurf auch nicht, da sie in ihrer Vernehmung selbst angab, dem Kläger zu keiner Zeit verbal oder durch Gesten Einhalt geboten zu haben. Aufgrund der Tatsache, dass der Kläger als notorischer Gewalttäter dargestellt wird, besteht nach Auffassung der Kammer auch keine anderweitige Ausgleichsmöglichkeit als eine Geldentschädigung, die geeignet wäre, die hierdurch entstandene Stigmatisierung des Klägers in der Öffentlichkeit zu revidieren oder zu mildern. Denn jede erneute Thematisierung dieser Umstände würde den durch die Berichterstattung der Beklagten bei der Leserschaft hervorgerufenen Eindruck, der Kläger sei ein frauenverachtender und gewaltbereiter Mensch, nur noch verfestigen.
2419. „Popstar X und L – Er schickte ihr 50 heiße Flirt-SMS“ vom 7.4.2010 in „Bild“ (Anlage K 42):
242Hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerungen
243„Wie erreicht man als Alm-Öhi, dass Du Heidi wirst?“
244„Wie schnell sollte man sein, damit einem andere nicht zuvorkommen?“
245„Ich hatte gehofft, besonders zu sein.“
246„Es war auch wunderschön zu spüren, dass Du kein Blödchen bist, wie blöde alte Männer bei Castingmädchen denken könnten.“
247„Grmpf, greift ins voll Eifersüchtigguck.“
248„Ohoho, Stalking grenzwert erreicht?“
249„Ich ahnte es so. Nach Alpöhi-Weltbild würde das arme Vreni nur noch zu Hause wild sein dürfen.“
250„Sympathisch, Lausemädchen.“
251und deren Rechtswidrigkeit wird auf das Urteil der Kammer vom 9.7.2014 (Az. 28 O 522/13, Anlage K182) sowie auf das Urteil des OLG Köln vom 3.2.2015 (Az. 15 U 133/14) Bezug genommen.
252Insofern liegt nach Auffassung der Kammer eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vor, da ein Eingriff der Beklagten in die Privatsphäre des Klägers dadurch vorliegt, dass sie die ihr durch Frau X rechtswidrig, weil ohne Einwilligung des Klägers, zur Verfügung gestellten SMS-Nachrichten in ihrem Wortlaut veröffentlicht hat und damit die Äußerungen des Klägers über seine Gefühle und Empfindungen in Form des von ihm geschriebenen Wortes der Öffentlichkeit bekannt gemacht hat. Durch die Veröffentlichung des exakten Wortlauts der SMS-Nachrichten wurden die Äußerungen des Klägers gerade in ihrer textlichen Fixierung aller Einzelheiten des Ausdrucks reproduziert. Damit stellt sich die Weitergabe der SMS nicht nur als bloße Indiskretion dar, sondern als eine komplexe Preisgabe der Person des Klägers an die Öffentlichkeit. Der Beklagten ist insofern eine rücksichtslose Verfügung über die Person des Klägers vorzuwerfen. Denn der Beklagten war schon aufgrund der Umstände – der Kläger befand sich in Untersuchungshaft, das Ermittlungsverfahren dauerte an – bewusst, dass dieser keine Einwilligung zur wörtlichen Veröffentlichung der betreffenden SMS-Nachrichten erteilen würde und sie hat eine solche Einwilligung auch nicht versucht einzuholen. Des Weiteren betreffen die Äußerungen des Klägers in den streitgegenständlichen Textnachrichten seine Privatsphäre. Denn sie enthalten Angaben über seine Gefühle gegenüber Frau X und geben Auskunft über seine Bemühungen, eine (intime) Beziehung mit ihr zu beginnen. In die Intimsphäre sind sie trotz dieses höchstpersönlichen Bezuges nur deshalb nicht einzuordnen, weil sie ihrem konkreten Inhalt nach keine Angaben zu höchstpersönlichen Belangen (sexuelle Vorlieben etc.) enthalten, sondern sich lediglich bei einer Gesamtschau die sexuell motivierte Situation des Klägers ergibt. Es ist jedoch nicht ersichtlich, welches Interesse an einer Berichterstattung über die Einzelheiten der privaten Kommunikation des Klägers mit Frau X bestehen sollte, zumal die Beklagte darüber, dass der Kläger den Versuch unternommen hat, eine (intime) Beziehung zu Frau X aufzubauen und dass die betreffenden Kontakte über SMS-Nachrichten geführt wurden, auch hätte berichten können, ohne die Einzelheiten der SMS-Nachrichten wörtlich wiederzugeben. Insoweit ist festzustellen, dass der Wortlaut der betreffenden SMS-Nachrichten keinen maßgebenden Informationswert für die Öffentlichkeit hatte und zwar weder im Zusammenhang mit den ursprünglich gegen den Kläger erhobenen strafrechtlichen Vorwürfen noch mit Rücksicht auf die Bekanntheit des Klägers in der Öffentlichkeit und seiner damit verbundenen Leitbild- und Kontrastfunktion. Vielmehr diente die Wiedergabe der SMS-Nachrichten des Klägers an Frau X allein der Befriedigung der Neugier der Öffentlichkeit. Vor diesem Hintergrund ist eine anderweitige Ausgleichsmöglichkeit nicht erkennbar und folglich auch insoweit eine Geldentschädigung zuzuerkennen.
25310. „Hatte L 6 Frauen gleichzeitig?“ vom 29.4.2010 in „Bild“ (Anlage K 44):
254Hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerung
255„Meine gesundheitliche Lage ist ziemlich unangenehm. (…) Es ist einfach von den Geräten so, dass es jederzeit einen Infarkt oder Schlaganfall geben kann. (…) Ich will kein toter Vater für deine hübschen Kinder sein.“
256und deren Rechtswidrigkeit wird auf das Urteil der Kammer vom 16.3.2011 (Az. 28 O 497/10, Anlage K46) sowie auf das Urteil des OLG Köln vom 15.11.2011 (Az. 15 U 60/11, Anlage K47) Bezug genommen.
257Insofern liegt nach Auffassung der Kammer eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vor, da der angegriffenen Textpassage in ihrer konkreten Einbettung in die Berichterstattung eine die Person des Klägers charakterlich negativ abqualifizierende Aussage zu entnehmen ist, deren Verbreitung dieser weder unter dem Gesichtspunkt einer Verdachtsberichterstattung noch wegen seiner unabhängig von dem gegen ihn vorgebrachten Verdacht einer Straftat bestehenden Prominenz und eines insoweit bestehenden Interesses einer Berichterstattung über seine Lebensweise akzeptieren muss. Denn die auszugsweise Verbreitung des Inhalts der E-Mail des Klägers an seine damalige Freundin stellt einen rechtswidrigen Eingriff in die Privatsphäre des Klägers dar. Dass der Kläger bei dieser Mitteilung von der Vertraulichkeit an der Geheimhaltung durch die Adressatin jedenfalls gegenüber einer nicht zu deren engsten Vertrauten zählenden Öffentlichkeit ausging, liegt nach dem Inhalt der E-Mail und der Beziehung des Klägers mit seiner Freundin auf der Hand. Danach war es der Beklagten erkennbar, dass der Kläger mit der öffentlichen Preisgabe des Inhalts seiner an seine Freundin gerichteten E-Mail nicht einverstanden war. Darüber hinaus begründet auch der veröffentlichte konkrete Inhalt der E-Mail im Kontext des Beitrags eine in die Privatsphäre und das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingreifende Aussage. Nach dem in dem streitgegenständlichen Artikel auszugsweise mitgeteilten Inhalt der E-Mail waren beim Kläger schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen festgestellt worden, die befürchten ließen, dass er daran sterben könnte. Im Zusammenhang mit der dem veröffentlichten Textauszug unmittelbar vorangestellten Formulierung wonach der Kläger diese schweren Krankheiten nur vorgeschoben haben soll, ruft das aus der maßgeblichen Sicht eines unvoreingenommenen Rezipienten die Vorstellung hervor, der Kläger habe die in der E-Mail angesprochenen lebensgefährlichen gesundheitlichen Beeinträchtigung nur vorgetäuscht, um einen Grund für die Beendigung der Beziehung vorgeben zu können. Insgesamt wird der Kläger auf diese Weise durch die in Rede stehende Textpassage charakterlich massiv abqualifiziert. Denn er wird nicht nur, was im allgemeinen bereits für sich genommen als sittlich missbilligenswert eingeordnet wird, als ein Mann dargestellt, der gleichzeitig Beziehungen zu mehreren Frauen unterhält, sondern überdies als jemand, der sich einer unangenehmen Situation nicht nur überhaupt durch eine Lüge zu entziehen sucht, sondern dies gerade durch eine solche Lüge, welche die Situation mit dem Vortäuschen einer schweren Erkrankung und Rücksichtnahme auf die Freundin in ganz besonderem Maße zu seinen Gunsten manipuliert. Ein Mann, dem die beschriebene Verhaltensweise attestiert wird, wird nicht nur eine Rolle eines Lügners, sondern überdies die eines sich der Verantwortung für sein Verhalten mit Ausreden entziehenden und dabei sogar noch um Mitleid nachsuchenden, perfide agierenden Feiglings zugeschrieben. Der Informationsgehalt, dass der Kläger mit mehreren Frauen gleichzeitig Affären gehabt oder Beziehungen geführt, die betroffenen Frauen hintergangen und ihnen gemachte Versprechungen unter Lügen nicht eingehalten habe, stellt jedoch keinen über die allgemeine charakterliche Abqualifizierung des Klägers hinausgehenden Bezug zu der ihm vorgeworfenen konkreten Tat, seine vermeintlichen Motive oder andere angebliche Tatvoraussetzungen und die Bewertung seiner Schuld her. Vor diesem Hintergrund läuft der Kläger aber Gefahr, ungeachtet der rehabilitierenden Wirkung eines Freispruches von dem Vorwurf der schweren Vergewaltigung und gefährlichen Körperverletzung in den Augen einer breiten Öffentlichkeit weiterhin mit dem Makel eines charakterlich defizitären, lügnerischen und perfiden Verhaltens gegenüber Frauen gebrandmarkt zu sein, ohne dass ein über die Befriedigung der bloßen Neugier hinausreichendes Informationsinteresse erkennbar wäre. Vor diesem Hintergrund ist eine anderweitige Ausgleichsmöglichkeit nicht erkennbar und folglich auch insoweit eine Geldentschädigung zuzuerkennen.
25811. „Du wirst allein und unglücklich sein…“ vom 30.5.2010 (Anlage K49):
259Hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerung, die der Kläger unter dem Pseudonym „Darling“ im Blog „SeaLounge Diary“ der Bloggerin „O“ gepostet hat,
260„Die Homepage fand sie mit einer Internet-Suchmaschine, weil L einen der Beiträge seiner neuen Freundin kommentiert hatte. Zwar unter Pseudonym (,Darling‘) - aber er benutzte in seinem Kommentar eine ungewöhnliche Redewendung: ,von vorauseilendem Priapismus gebeutelt‘.“
261und deren Rechtswidrigkeit wird auf das Urteil der Kammer vom 9.7.2014 (Az. 28 O 487/13, Anlage K184) sowie auf das Urteil des OLG Köln vom 3.2.2015 (Az. 15 U 132/14) Bezug genommen.
262Insofern liegt nach Auffassung der Kammer eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vor, da die Veröffentlichung einer vertraulichen Kommunikation und insbesondere des exakten Wortlauts derselben die Vertraulichkeitssphäre des Klägers sowie sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betrifft, und zwar unabhängig vom Aussagewert der diesbezüglichen Berichterstattung schon unter dem Aspekt der Preisgabe von nicht für die breite Öffentlichkeit bestimmter Kommunikation. Ein Bericht über eine private Kommunikation des Klägers mit derartigen Andeutungen über eine sexuelle Erregung betrifft mindestens seine Privatsphäre. Es ist jedoch nicht ersichtlich, welches Interesse an einer Berichterstattung über die Einzelheiten der privaten Kommunikation des Klägers mit der Blogbetreiberin bestehen sollte, zumal die Beklagte darüber, dass der Kläger Beziehungen zu mehreren Frauen hatte, über den von der Beklagten in den Vordergrund gerückten Untreuevorwurf sowie letztlich auch über die Kontaktanbahnung über das Internet, ja sogar über die Art und Weise des Auffindens der neuen Freundin durch die - vom Kläger betrogene - frühere Freundin des Klägers auch hätte berichten können, ohne die Einzelheiten der privaten Kommunikation wörtlich wiederzugeben. Der Bericht dient erkennbar allein der Befriedigung der Neugier der Öffentlichkeit. Zugleich geht es in der Sache um mehr als eine bloße Indiskretion der Adressatin des vom Kläger verfassten Kommentars, weil eben nicht nur die Privatheit und Vertraulichkeit der Kommunikation des Klägers mit der Blogbetreiberin betroffen ist, sondern angesichts dessen, dass der wiedergegebene Kommentar sich auf den Kläger bezieht und die Andeutung einer sexuellen Erregung enthält, über den Kernbereich des Privatlebens des Klägers berichtet wird. Hierbei stellt die wörtliche Wiedergabe des Zitats einen eigenständigen Eingriff dar. Nicht nur wegen der wörtlichen Wiedergabe des vom Kläger verfassten, allein an seine „neue Freundin“ gerichteten Gedankeninhalts selbst, sondern auch wegen dessen Inhalts, nämlich der Andeutung einer sexuellen Erregung des Klägers gegenüber der Blogbetreiberin, hat der Bericht einen anderen Aussagewert und war auch und insbesondere angesichts des gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwurfs geeignet, das Bild des Klägers in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen, nämlich ihm einen starken und rücksichtslosen Sexualtrieb zu unterstellen. Vor diesem Hintergrund ist eine anderweitige Ausgleichsmöglichkeit nicht erkennbar und folglich auch insoweit eine Geldentschädigung zuzuerkennen.
26312. „Wer verliert wer profitiert im L-Chaos – Es geht um Geld, Macht, Liebe, Lüge. Alle Zutaten eines Dramas“ vom 11.7.2010 (Anlage K51):
264Die Äußerung
265„Er soll im Knast getobt und geschrien haben, als er vom Interview erfuhr.“
266ist als unwahre Tatsachenbehauptung zu behandeln. Denn die Beklagte hat lediglich unsubstantiiert bestritten, dass diese Äußerung zutreffend sei, obschon sie dies substantiiert hätte darlegen müssen. Die Beweislast für die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung trägt zwar grundsätzlich nach den allgemeinen Darlegungs- und Beweislastgrundsätzen der jeweilige Kläger, da sie anspruchsbegründende Voraussetzung ist. Es ist im Rahmen der jeweiligen Darlegungslast der Parteien jedoch nach der Art der Äußerung weitergehend zu differenzieren. So wird für ehrenrührige Behauptungen von einer erweiterten Darlegungslast des jeweiligen Beklagten ausgegangen. Bei ehrenrührigen Behauptungen genügt es in diesen Fällen aufgrund der Grundsätze der erweiterten Darlegungslast, wenn der Betroffene die Unwahrheit behauptet. Denn dem Betroffenen kann in diesen Fällen nicht zugemutet werden, sich gewissermaßen ins Blaue hinein rechtfertigen zu müssen und dabei Umstände aus einem persönlichen oder geschäftlichen Bereich in einem Umfang zu offenbaren, der bei ordnungsgemäßer Einlassung des Äußernden leicht vermeidbar wäre (Kammer, Urteil vom 21.07.2010 - 28 O 146/10). Diese Darlegungslast bildet die prozessuale Entsprechung der materiell-rechtlichen Regel, dass bei haltlosen Behauptungen der Schutz der Meinungsfreiheit hinter dem Persönlichkeitsschutz zurückzutreten hat (BVerfG, NJW 1999, 1322 ff). Dieser Darlegungslast ist die Beklagte jedoch nicht nachgekommen.
267Diese unwahre Tatsachenbehauptung verletzt den Kläger rechtswidrig in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
268Denn bei Tatsachenbehauptungen kommt es im Rahmen der anzustellenden Abwägung für die Zulässigkeit ihrer Äußerung entscheidend auf den Wahrheitsgehalt der Tatsachenbehauptung an. Bewusst unwahre Tatsachen – wie hier der Fall - oder Tatsachen, deren Unwahrheit im Zeitpunkt der Äußerung zweifelsfrei feststeht, fallen nicht unter den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG. Ihre Äußerung ist daher grundsätzlich unzulässig (Palandt, Kommentar zum BGB, 74. Auflage 2015, Rn. 101a m. w. N.).
269Die Veröffentlichung dieser Unwahrheit verletzt den Kläger auch schwerwiegend in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht, da ihm eine heftige emotionale Reaktion auf eine „Enthüllung“ unterstellt wird, die in den Augen der Öffentlichkeit zum einen als Charakterschwäche und zum anderen als Eingeständnis der „Enthüllung“ interpretiert werden könnte. Ferner wird durch diese Veröffentlichung anlasslos ein Bild einer Person gezeichnet, die sich emotional nicht im Griff hat und schnell aus der Haut fährt. Auch diese Charakterschwäche ist geeignet, den Kläger in der Öffentlichkeit nicht nur in ein schlechtes Licht zu rücken, sondern andere vermeintliche Entgleisungen - wie den gegen ihn gerichteten strafrechtlichen Vorwurf - wahrscheinlicher zu machen.
27013. „L ist sein eigenes Opfer“ vom 22.12.2010 in „Bild“ (Anlage K55) und „L und die Mitleidsmasche“ vom 29.10.2010 in „Bild“ (Anlage K 56)
271Hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerungen
272a) „Dieses Leben mit mindestens sechs Frauen gleichzeitig, denen er allen die Ehe versprochen hat.“
273b) Er hatte zur angeblichen Tatzeit schließlich 5 Frauen gleichzeitig Ehe und Kinder versprochen und soll von jeder erwartet haben, dass sie „treu“ ist.“
274und deren Rechtswidrigkeit wird auf das Urteil der Kammer vom 19.10.2011 (Az. 28 O 129/11, Anlage K58) sowie auf das Urteil des OLG Köln vom 3.7.2012 (Az. 15 U 200/11) Bezug genommen.
275Insofern liegt nach Auffassung der Kammer eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vor, da sämtliche angegriffenen Äußerungen die unwahre Tatsachenbehauptung enthalten, der Kläger habe fünf bzw. sechs Frauen gleichzeitig die Ehe versprochen. Diese unwahre Behauptung ist geeignet, ihn in der öffentlichen Meinung erheblich herabzuwürdigen. Denn dem Kläger wird unterstellt, dass er nicht nur moralisch anstößig gehandelt habe, indem er fünf bis sechs Frauen gleichzeitig die Ehe versprochen habe, sondern ihm wird wider besseren Wissens gleichzeitig ein systematisches Vorgehen und eine besondere Rücksichtslosigkeit gegenüber einer Vielzahl von ihm vertrauenden Partnerinnen unterstellt, wodurch der Kläger charakterlich erheblich abqualifiziert und als lügender, aus eigensüchtigen Motiven täuschender und gegenüber den Gefühlen der Frauen mitleidloser Mensch dargestellt wird. Da wiederum seine Privatsphäre betroffen ist, scheidet nach Auffassung der Kammer eine anderweitige Ausgleichsmöglichkeit als die Zuerkennung einer Geldentschädigung aus.
27614. „L in Zürich vernommen“ vom 16.2.2011 auf www.welt.de (Anlage K60):
277Nach Auffassung der Kammer liegt keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers vor, obschon zwischen den Parteien unstreitig ist, dass der Kläger nicht in Zürich vernommen wurde. Denn insofern handelt es sich zwar um eine unwahre Tatsachenbehauptung. Die unzutreffende Angabe des Ortes der Vernehmung des Klägers ist jedoch nicht geeignet, die Grundlagen seiner Persönlichkeit zu tangieren und stellt deshalb keine für eine Zuerkennung einer Geldentschädigung erforderliche schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung dar.
27815. „Neue Geliebte aufgetaucht – Hat L ihr die Ehe versprochen?“ vom 11.4.2010 (Anlage K 62):
279Hinsichtlich der streitgegenständlichen Fotos wird auf Bl. 296 AH II Bezug genommen.
280Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der öffentlichen Zurschaustellung bzw. Verbreitung derselben wird auf das Urteil der Kammer vom 16.3.2011 (Az. 28 O 505/10, Anlage K64) sowie auf das Urteil des OLG Köln vom 15.11.2011 (Az. 15 U 62/11, Anlage K65) Bezug genommen.
281Insofern liegt nach Auffassung der Kammer eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vor. Denn es ist zunächst zu berücksichtigen, dass es keinen aktuellen Anlass zur Verbreitung der streitgegenständlichen Fotos, die den Kläger während eines Hofgangs in der JVA Mannheim zeigen, zum Zeitpunkt der Veröffentlichungen gab, da der Kläger sich bereits seit drei Wochen in Untersuchungshaft befand. Die Wirkung der beanstandeten Veröffentlichungen erschöpfte sich lediglich darin, das mögliche Fehlverhalten des Klägers erneut ins öffentliche Licht zu rücken, ohne dass hierfür ein öffentlichkeitsrelevanter Anlass bestand. Dass sich der Kläger nicht freiwillig in diesem Umfeld aufhielt, vermag an der Beurteilung, dass er sich zu diesem Zeitpunkt in einem Bereich der die Öffentlichkeit ausschließenden Abgeschiedenheit befand, nichts zu ändern. Denn der Kläger befand sich in einer Situation, in der er nicht erwarten musste, von der Presse behelligt zu werden, wobei dies vorliegend umso mehr gilt, als sich der Kläger in der betroffenen Situation nicht in einem öffentlich zugänglichen Verkehrsraum bewegte. Ein besonderes Gewicht kommt auch der Tatsache zu, dass die Beklagte die Bilder heimlich, d.h. ohne Kenntnis des Klägers und unter Ausnutzung von technischen Mitteln aufnahm. Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung der Kammer aufgrund des Eingriffs in den Kernbereich der Privatsphäre des Klägers eine anderweitige Ausgleichsmöglichkeit als die Zuerkennung einer Geldentschädigung nicht gegeben, da die Beklagte die streitgegenständlichen Fotos allein zur Befriedigung der Neugier der Öffentlichkeit veröffentlichte, obschon sie nach Auffassung der Kammer hätte erkennen können, dass sie durch die Veröffentlichung der Fotos den Kläger gegenüber der Öffentlichkeit als Häftling in einer Situation vorführte, in der er der Verfolgung durch die Fotografen – selbst wenn er sie wahrgenommen hätte – nur unter Aufgabe des täglichen Hofgangs hätte entkommen können, ihr mithin ausgeliefert war.
28216. „Hier sonnt sich L im Knast“ vom 21.7.2010 in „Bild“ (Anlage K 66):
283Hinsichtlich der streitgegenständlichen Fotos wird auf Bl. 332 AH III Bezug genommen.
284Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der öffentlichen Zurschaustellung bzw. Verbreitung derselben wird auf das Urteil der Kammer vom 22.6.2011 (Az. 28 O 952/10, Anlage K68) sowie auf das Urteil des OLG Köln vom 14.2.2012 (Az. 15 U 117/11, Anlage K69) Bezug genommen.
285Nach Auffassung der Kammer liegt eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers vor. Insofern kann auf die Ausführungen unter Ziffer 15. Bezug genommen werden. Ferner ist zu beachten, dass die Beklagte hartnäckig im Sinne der eingangs der Entscheidungsgründe dargestellten Rechtsprechung handelte, weil sie bereits durch den Beschluss der Kammer vom 16.4.2010 wusste, dass sie keine Fotos des Klägers im Hof der JVA zeigen durfte.
28617. „Geheimnisvolle Frau fährt ihn morgens zur Anwältin – Wer ist die Neue an Ls Steuer?“ vom 7.2.2011 (Anlage K 70):
287Hinsichtlich der streitgegenständlichen Fotos wird auf Bl. 365 AH III Bezug genommen.
288Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der öffentlichen Zurschaustellung bzw. Verbreitung derselben wird auf das Urteil der Kammer vom 10.6.2015 (Az. 28 O 567/14) Bezug genommen.
289Nach Auffassung der Kammer liegt auch insoweit eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers vor. Denn die Fotos verletzen den Kläger in erheblicher Weise in seiner Privatsphäre. Der Schutz der Privatsphäre hat verschiedene Dimensionen. In thematischer Hinsicht betrifft er insbesondere solche Angelegenheiten, die von dem Grundrechtsträger einer öffentlichen Erörterung oder Zurschaustellung entzogen zu werden pflegen. In räumlicher Hinsicht gehört zur Privatsphäre ein Rückzugsbereich des Einzelnen, der ihm insbesondere im häuslichen, aber auch im außerhäuslichen Bereich die Möglichkeit des Zu-Sich-Selbst-Kommens und der Entspannung sichert und der das Bedürfnis verwirklichen hilft, „in Ruhe gelassen zu werden". Dabei lassen sich die Grenzen der geschützten Privatsphäre nicht generell und abstrakt festlegen. Soweit die Beklagten vorgetragen haben, dass das Strafverfahren öffentlich und der Kläger damit thematisch nur in seiner Sozialsphäre betroffen sei, überzeugt dies nicht. Sofern sich nämlich die begleitende Wortberichterstattung mit Spekulationen über die Beziehung des Klägers zu der damals unbekannten Frau befasst, ist bereits thematisch die Privatsphäre des Klägers betroffen, da auch Beziehungen einer „prominenten Person“ ihrer Privatsphäre zuzuordnen sind, solange und sofern keine Selbstöffnung erfolgt. Sofern sich die begleitende Wortberichterstattung am Rande mit dem Inhalt des Strafverfahrens befasst, ist dies nicht von Belang, da insofern nicht die thematische Dimension der Privatsphäre Anknüpfungspunkt für die Rechtsverletzung des Klägers ist, sondern deren räumliche Dimension. Für die Annahme einer Verletzung der Privatsphäre ist nicht erforderlich, dass beide Dimensionen kumulativ betroffen sind. So setzt der Schutz vor Abbildungen in der räumlich geschützten Privatsphäre nicht erst dann ein, wenn der Betroffene dort ein Verhalten an den Tag legt, das er unter den Augen der Öffentlichkeit vermeiden würde. Die örtliche Abgeschiedenheit vermag ihre Schutzfunktion für die Persönlichkeitsentfaltung vielmehr nur dann zu erfüllen, wenn sie dem Einzelnen ohne Rücksicht auf sein jeweiliges Verhalten einen Raum der Entspannung sichert, in dem er nicht mit der Anwesenheit von Fotografen oder Kameraleuten rechnen muss.
290Vorliegend hatte sich der Kläger auf einem im Innenhof befindlichen Parkplatz der Kanzleiräume seiner Strafverteidigerin aufgehalten, um sodann mit dieser gemeinsam das Landgericht aufzusuchen. Der Umgang mit dem eigenen Strafverteidiger ist im Falle eines laufenden Strafverfahrens jedoch thematisch der Privatsphäre zuzuordnen, da die Erörterung des Strafverfahrens der Öffentlichkeit entzogen werden soll. Muss für die Interaktion mit der Strafverteidigerin deren Kanzlei aufgesucht werden, so wird die Kanzlei und auch deren unmittelbares Umfeld von der räumlichen Dimension der Privatsphäre erfasst. Bei dem hier in Rede stehenden Parkplatz im Innenhof der Kanzlei der Strafverteidigerin des Klägers handelte es sich um einen Privatparkplatz, der unstreitig überwiegend von Gebäuden umschlossen ist und nur durch eine etwas mehr als fahrzeugbreite Tordurchfahrt unter einem Haus hindurch zu erreichen ist. Es handelte sich klar erkennbar nicht um einen öffentlichen, von einer Vielzahl von Menschen frequentierten und einzusehenden Parkplatz. Die Tatsache, dass der Ort von einer eingeschränkten Personenanzahl einsehbar ist, schließt die Annahme einer Abgeschiedenheit nicht aus. Auch die Tatsache, dass der Kläger in einer alltäglichen Situation beim Aus- bzw. Einsteigen abgebildet ist – eine Handlung, die der Kläger in anderem Zusammenhang sicherlich auch öffentlich tätigt - und die Bebilderung als solche den Kläger nicht in negativem Licht erscheinen lässt, ändert nichts daran, dass im hier gegebenen konkreten Fall der Kläger, der sich auf die Fahrt zum Hauptverhandlungsort mit seiner Verteidigerin vorbereitete, sich noch in einer Phase des Rückzugs vor öffentlicher Wahrnehmung befand. Der Kläger war im Verlauf des Strafverfahrens Gegenstand zahlreicher Wort- und Bildberichterstattungen, die er zu vermeiden suchte. Wenn auch die Ankunft am Ort der Hauptverhandlung in Mannheim bereits dem Strafverfahren selbst und damit dem der öffentlichen Berichterstattung zugänglichen Geschehen zuzuordnen sein dürfte, so zählt das Zusammentreffen mit der Verteidigerin in deren Kanzlei bzw. die Vorbereitung dazu noch zu dem der Privatsphäre zuzurechnenden Vorbereitungsstadium, in welchem die Privatsphäre des Klägers zu schützen ist. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass das veröffentlichte Foto im Hinblick auf das in dem Beitrag thematisierte Strafverfahren nur von äußerst schwachem Informationswert ist. Denn die Bildinformation, dass der Kläger vor dem Antritt seines Wegs zur Hauptverhandlung - wie auf dem Foto dargestellt – von seiner Strafverteidigerin zur Hauptverhandlung gefahren wird, ist banal und von nur geringem Informationswert und durch weniger in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreifende Fotos im unmittelbaren Umfeld des Gerichtsgebäudes darstellbar. Sofern die Wortberichterstattung den Abschied des Klägers von einer damals unbekannten Frau und Spekulationen über seine Beziehung zu dieser betrifft, ist durch die erfolgte Bebilderung – wie bereits dargestellt – der thematische Bereich der Privatsphäre betroffen. Insofern vermag die Kammer kein die Privatsphäre des Klägers überwiegendes Berichterstattungsinteresse zu erkennen, welches eine Bebilderung einer Abschiedsszene des Klägers mit einer damals in der Öffentlichkeit unbekannten Frau rechtfertigen könnte. Vor dem Hintergrund, dass erneut und hartnäckig (vgl. sogleich die Ziffern 18. und 19.) die Privatsphäre des Klägers seitens der Beklagten verletzt wurde, sieht die Kammer keine anderweitige Ausgleichsmöglichkeit als die Zuerkennung einer Geldentschädigung.
29118. „Muss Ls Ex nochmal vor Gericht?“ vom 4.3.2011 (Anlage K72):Hinsichtlich der streitgegenständlichen Fotos wird auf Bl. 370 AH III Bezug genommen.
292Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der öffentlichen Zurschaustellung bzw. Verbreitung derselben wird auf das Urteil der Kammer vom 24.4.2013 (Az. 28 O 371/12, Anlage K74) sowie auf das Urteil des OLG Köln vom 10.12.2013 (Az. 15 U 73/13, Anlage K75) Bezug genommen.
293Insofern kann auf die Ausführungen unter Ziffer 17. Bezug genommen werden. Aufgrund der wiederholten und hartnäckigen Verletzung der Privatsphäre des Klägers erachtet die Kammer mangels anderweitiger Ausgleichsmöglichkeit auch hier die Zuerkennung einer Geldentschädigung für gerechtfertigt.
29419. „Der Ring der Gerüchte“ vom 27.3.2011 (Anlage K 76):
295Hinsichtlich der streitgegenständlichen Fotos wird auf Bl. 408 AH III Bezug genommen.
296Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der öffentlichen Zurschaustellung bzw. Verbreitung derselben wird auf das Urteil der Kammer vom 24.7.2013 (Az. 28 O 61/13, Anlage K78) sowie auf das Urteil des OLG Köln vom 18.2.2014 (Az. 15 U 126/13, Anlage K187) Bezug genommen.
297Insofern kann auf die Ausführungen unter Ziffer 17. Bezug genommen werden. Aufgrund der wiederholten und hartnäckigen Verletzung der Privatsphäre des Klägers erachtet die Kammer mangels anderweitiger Ausgleichsmöglichkeit auch hier die Zuerkennung einer Geldentschädigung für gerechtfertigt.
29820. „Die Ls auf Prozess-Urlaub in Kanada“ vom 18.4.2011 (Anlage K79):
299Hinsichtlich der streitgegenständlichen Fotos wird auf Bl. 424 AH III Bezug genommen.
300Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der öffentlichen Zurschaustellung bzw. Verbreitung derselben wird auf das Urteil der Kammer vom 8.5.2013 (Az. 28 O 349/12, Anlage K81) sowie auf das Urteil des OLG Köln vom 10.12.2013 (Az. 15 U 77/13, Anlage K82) Bezug genommen.
301Nach Auffassung der Kammer liegt auch insoweit eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers vor. Denn die beanstandeten Fotos zeigen den Kläger und seine jetzige Ehefrau bei ihrer Ankunft auf dem Flughafen der kanadischen Stadt Kamloops bzw. auf dem Weg in den Urlaub. Sie zeigen ihn damit in einer Umgebung, die grundsätzlich zum geschützten Kernbereich seiner Privatsphäre gehört. Dieser Kernbereich der Privatsphäre kennzeichnet ein besonderes Schutzinteresse des jeweils Betroffenen, das gegenüber einer im Wesentlichen allein der Zerstreuung oder der Befriedigung von Neugier dienenden Berichterstattung regelmäßig vorrangig ist. Eine solche schutzwürdige Situation ist hier in Bezug auf den Kläger gegeben. Auch wenn der Weg in den Urlaub allein keine Aktivität mit typischerweise besonderem Entspannungseffekt darstellt, ergibt sich die Schutzbedürftigkeit aus dem Umstand, dass in aller Regel der Reisende auch schon auf dem Weg in den Urlaub den Alltag hinter sich lassen will, was sich häufig dadurch zeigt, dass z.B. – wie auch hier – auf die optische Außenwirkung weniger Wert gelegt wird. Vor diesem Hintergrund wird auch dieser Teil eines Urlaubs grundsätzlich von dem erhöhten Schutzbereich erfasst. In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, dass der Gegenstand des allgemeinen öffentlichen Interesses in erster Linie die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe waren und damit nicht zwangsläufig jedem Detail des Prozessablaufs ein gleiches öffentliches Interesse entgegengebracht wurde. So mag im Hinblick auf die zügige Verfolgung der strafrechtlichen Vorwürfe gegen den Kläger eine Unterbrechung der Hauptverhandlung und deren Grund von öffentlichem Interesse sein. Indessen war dies nicht der Gegenstand der begleitenden Wortberichterstattung. Denn der Wortbeitrag erwähnt nur kurz den Grund für die Unterbrechung des Strafverfahrens, der darin lag, dass der Kläger seine Kinder besuchen wollte. Im Übrigen befasste sich der Artikel lediglich mit dem Urlaub und dessen Ablauf, wobei auch die Angabe des Grundes für die Unterbrechung in erster Linie als Anknüpfungspunkt für die Informationen über die Aktivitäten des Klägers in seinem Urlaub diente. Ferner werden noch Informationen zu persönlichen Umständen eingestreut, wie z.B. die Tatsache, dass der Kläger seine in Kanada liegende Ranch zum Verkauf anbietet, die aber ebenfalls mit dem Prozessverlauf nichts zu tun hat. Auch dass der Besuch den Hintergrund hatte, dem Kläger das Umgangsrecht für seine Kinder zu erhalten, wird nicht erwähnt. Ebenfalls nicht thematisiert wird eine eventuelle Sonderbehandlung des Klägers, die gegebenenfalls eine Bildberichterstattung gerechtfertigt hätte.
302Vor dem Hintergrund, dass die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Fotos des Klägers dessen Privatsphäre deshalb erheblich verletzt, weil er in einer Urlaubssituation dargestellt wird, in der er nicht damit rechnen musste, der Öffentlichkeit präsentiert zu werden, und die Wortberichterstattung diesen Eingriff in das Recht am eigenen Bild des Klägers nicht rechtfertigt, erachtet die Kammer aufgrund der geringeren Anforderungen, die hinsichtlich der Zuerkennung einer Geldentschädigung an eine Bildberichterstattung zu stellen sind, und aufgrund einer fehlenden anderen Ausgleichsmöglichkeit, da die Privatsphäre unwiederbringlich geöffnet wurde, auch insofern die Zuerkennung einer Geldentschädigung für gerechtfertigt.
30321. „Heimliche Hochzeit auf Z“ vom 12.3.2012 in der Regionalausgabe F (Anlage K 83):
304Hinsichtlich der streitgegenständlichen Fotos wird auf Bl. 108 GA und Anlage K94 Bezug genommen.
305In der Veröffentlichung der den Kläger zeigenden Fotografie liegt nach Auffassung der Kammer eine Verletzung des Rechts des Klägers am eigenen Bild aus § 22 KUG. Es fehlt bereits an einem Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, weil im Zeitpunkt der Veröffentlichung kein hinreichendes öffentliches Interesse an einer öffentlichen Zurschaustellung der beanstandeten Aufnahme bestand. Die Heirat des bekannten Klägers mag zwar ein gesellschaftliches Ereignis von nicht ganz untergeordneter Bedeutung gewesen sein. An diesem Vorgang mag auch grundsätzlich ein öffentliches Interesse bestanden haben, da die Öffentlichkeit ein anerkennenswertes Interesse daran hat zu erfahren, wie Prominente wie der Kläger ihre Hochzeit ausgestalten, wen sie zu Feierlichkeiten einladen und wie sie feiern. Gerade Feierlichkeiten wie Hochzeiten sind dazu geeignet, das reale Leben prominenter Persönlichkeiten damit zu vergleichen, wie sie sich bislang gegenüber der Öffentlichkeit präsentiert haben, und damit als Bestätigungs- oder Kontrastbild für die von ihnen öffentlich vertretenen Lebensentwürfe zu dienen. Es ist jedoch zu beachten, dass gerade dieses –unterstellt – zeitgeschichtliche Ereignis nicht dargestellt wird. Auf dem streitgegenständlichen Foto ist der Kläger in dem Foyer des Hotels am Morgen nach der Hochzeit zu sehen. Folglich wird nicht das zeitgeschichtliche Ereignis der Hochzeit dargestellt, sondern der Kläger in seiner Privatsphäre abgelichtet, ohne dass das Foto einen Informationswert hinsichtlich der Hochzeit des Klägers hätte. Vielmehr wird er in einem privaten Rückzugsbereich, namentlich im Foyer des Hotels, fotografiert, obschon er die berechtigte Erwartung haben durfte, in diesem Moment der Verabschiedung der Gäste in Ruhe gelassen zu werden. Aufgrund des Umstandes, dass die Kammer kein Berichterstattungsinteresse, das über bloße Neugier hinausgeht, zu erkennen vermag, welches diesen Eingriff in die Privatsphäre des Klägers rechtfertigen könnte, und der Kernbereich seiner Privatsphäre betroffen ist, da er selbst auf seiner – wie die Beklagte freimütig einräumt – „heimlichen Hochzeit“ nicht in Ruhe gelassen wurde, ist nach Auffassung der Kammer keine anderweitige Ausgleichsmöglichkeit als die Zuerkennung einer Geldentschädigung angemessen.
306B.
307Hinsichtlich der weiteren streitgegenständlichen Artikel:
30822. „Krimi um L – In der Knast-Bibliothek darf er TV gucken“ vom 26.3.2010 (Anlage K92),
30923. „So lebt L im Knast“ vom 18.7.2010 (Anlage K93),
31024. „Rätsel um goldenen Ring von L“ vom 24.3.2011 (Bl. 123 GA),
31125. „Ls Heirat, ist es Liebe oder nur ein Schachzug?“ vom 31.3.2011 (Bl. 124 GA),
31226. „Heimliche Hochzeit im Schloss!“ vom 31.5.2011 (Anlage K94),
31327. „L in Kanada aufgetaucht“ vom 19.8.2010 (Anlage K85) sowie „Intrigen-Gewitter über L Wetterfirma“ vom 22.8.2010 (Anlage K95),
31428. „L hatte bis zu 14 Geliebte“ vom 27.5.2010 (Anlage K84),
31529. „Darum ist es wichtig, dass Ex-Freundinnen vor Gericht aussagen“ vom 24.9.2010 (Bl. 127 f. GA),
31630. „L schreibt Mail an A“ vom 3.8.2010 (Anlage K96),
31731. „Ls Vorlieben als Süßbärchen“ vom 4.7.2010 (Anlage K89),
31832. „Das sagten die 7 Geliebten aus“ vom 20.9.2010 (Anlage K97),
31933. „Aussage gegen Aussage! Wem glaubt der Richter?“ vom 31.7.2010 (Anlage K98),
32034. „L flog nach Kanada“ vom 15.11.2010 (Bl. 134 GA),
32135. „L: Neue Hinweise?“ vom 13.6.2010 (Bl. 135 GA),
32236. „Knast-Kumpel packt aus – so war mein Zellennachbar L“ vom 31.8.2010 (Bl. 135 f. GA),
32337. der vermeintlich ihn vorverurteilenden Bezeichnungen der Anzeigenerstatterin als „Opfer“ (Anlagen K99, K102, K103, K104, K105, Bl. 148 f. GA, K109, Bl. 152 f. GA, K110),
32438. der vermeintlichen Unterstellungen, er habe eine Vergewaltigung begangen (K96, Bl. 154 GA, Bl. 170 GA, Bl. 171 f. GA, Bl. 174 GA),
32539. der vermeintlichen Entwertung seines Freispruchs (K111),
32640. der vermeintlichen Unterstellung von Nervosität bei der Vernehmung von Zeugen (Bl. 158 GA),
32741. der vermeintlichen Darstellung der Aussage der Anzeigenerstatterin als glaubhaft (Anlage K112, Bl. 160 f. GA),
32842. der vermeintlichen Entwertung der Unschuldsbekundungen seines Verteidigers (Anlage K113, Bl. 162 GA, Bl. 166 GA),
32943. des vermeintlichen Hervorrufens eines unzutreffenden Bildes eines grinsenden, den Prozess nicht ernst nehmenden, andere Prozessbeteiligte nicht respektierenden und das Gericht täuschenden Angeklagten (Anlage K119, Bl. 162 GA, Bl. 164 f. GA, Bl. 171 f. GA),
33044. der vermeintlichen Schmähungen seiner Person (Bl. 172 f. GA, Anlage K116, Anlage K117, Anlage K118, Anlage K93, Anlage K124, Anlage K87, Bl. 197 GA, Anlage K110, Anlage K117, Bl. 199 GA, Bl. 193 GA, Anlage K93)
33145. und der vermeintlich nachverurteilenden Berichterstattung (Bl. 180 – 193 GA, Anlagen K121 und K122) gilt das Folgende:
332Nach Auffassung der Kammer führt der grundsätzliche Verzicht des Klägers auf die außergerichtliche und gerichtliche Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen hinsichtlich der weiteren Artikel bzw. Äußerungen, welche nach seiner Auffassung eine Geldentschädigung rechtfertigen sollen, dazu, dass ihm im Ergebnis insofern ein Geldentschädigungsanspruch versagt bleiben muss. Die Gewährung einer Geldentschädigung hat nämlich die Aufgabe, eine sonst verbleibende Lücke des Persönlichkeitsschutzes zu schließen; der Anspruch hat also subsidiären Charakter. Kann die Verletzung auf andere Weise hinreichend ausgeglichen werden, entfällt der Anspruch (LG Berlin, Urteil vom 18.3.2008 - 27 O 884/07, m.w.N.). Vorliegend wäre in Betracht gekommen, die Beklagte zumindest zur Unterlassung aufzufordern, da der jeweils Betroffene grundsätzlich gehalten ist, sich um einen solchen anderweitigen Ausgleich - notfalls mit gerichtlicher Hilfe - zu bemühen, bevor er eine Geldentschädigung verlangen kann (BGH, NJW 1979, 1041; OLG Hamm, Urteil vom 6.4.2001 - 9 U 130/00; LG Berlin, a.a.O.). Ferner ist nach der Rechtsprechung des BGH bei der gebotenen Gesamtwürdigung ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen, weil dieser und die damit zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen können (vgl. BGH, Urteil vom 25.5.1971 - VI ZR 26/70; BGH, Beschluss vom 30.6.2009 - VI ZR 340/08; BGH, Urteil vom 21.4.2015 - VI ZR 245/14). Auch dies spricht dafür, dass der Kläger zumindest Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte hätte geltend machen müssen.
333Sofern der Kläger die Auffassung vertritt, dass ihm ein Vorgehen gegen alle seiner Meinung nach rechtswidrigen Artikel nicht zumutbar gewesen sei, ist anzumerken, dass die Kammer es nicht für erforderlich hält, dass der Kläger sich gegen alle ihn vermeintlich rechtswidrig in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht betreffenden Artikel hätte wenden müssen. Jedoch hätte er die Beklagte zumindest hinsichtlich derjenigen Artikel zur Unterlassung auffordern müssen, die er für so schwerwiegend erachtet, dass sie seiner Meinung nach eine Geldentschädigung rechtfertigen. Soweit der Kläger zudem ausführt, dass ihm dies aus finanziellen Gründen nicht möglich gewesen sei, hätte er Prozesskostenhilfe für die gerichtlichen Verfahren beantragen können. Wenn der Kläger sodann vorträgt, dass er von denjenigen Artikel, die er nicht angegriffen hat, erst Ende 2013 erfahren habe und er deshalb keinen Sinn in der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen gesehen habe, da eine Wiederholung derselben wenig wahrscheinlich sei, ist dem entgegenzuhalten, dass der Sinn der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen die Verhinderung der fortgesetzten Verbreitung vermeintlich rechtswidriger und nach Auffassung des Klägers schwerwiegend persönlichkeitsverletzender Inhalte ist. Sofern er selbst die Auffassung vertritt, dass eine Wiederholung dieser Inhalte wenig wahrscheinlich ist, stellt sich die Frage, ob der bei der Zuerkennung der Geldentschädigung zumindest auch zu berücksichtigende Präventionsgedanke für die Zuerkennung derselben streitet. Soweit der Kläger ferner ausführt, dass es ihm auch darauf angekommen sei, den Abschluss möglichst vieler Einzelverfahren abzuwarten, verkennt der Kläger, dass es gerade um diejenigen Artikel geht, hinsichtlich derer er keine gerichtlichen Verfahren angestrengt hat. Wenn der Kläger schließlich darauf abstellt, dass er die Geldentschädigung auf die seitens der Beklagten durchgeführte und zusammenhängende Pressekampagne gestützt werde, kann auf die einleitenden Ausführungen zum „Kumulationsgedanken“ verwiesen werden.
334Im Ergebnis ist die Kammer der Auffassung, dass es widersprüchlich wäre, dem Kläger auch für solche Artikel bzw. Äußerungen eine Geldentschädigung zuzuerkennen, die weiterhin rechtmäßig veröffentlicht werden dürfen. Ein solches „dulde und liquidiere“ würde der Subsidiarität des Geldentschädigungsanspruchs nicht gerecht.
335C.
336Vor dem Hintergrund der unter I. A. dargestellten schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen liegt nach Auffassung der Kammer auch ein unabwendbares Bedürfnis für die Zuerkennung einer Geldentschädigung vor.
337Ob ein derart schwerer Eingriff anzunehmen und die dadurch verursachte nicht vermögensmäßige Einbuße auf andere Weise nicht hinreichend ausgleichbar ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. BGH, GRUR 2010, 171 - Roman „Esra“, m.w.N.). Die Gewährung einer Geldentschädigung hängt demnach nicht nur von der Schwere des Eingriffs ab, es kommt – wie eingangs der Entscheidungsgründe bereits dargestellt - vielmehr auf die gesamten Umstände des Einzelfalls an, nach denen zu beurteilen ist, ob ein anderweitiger befriedigender Ausgleich für die Persönlichkeitsrechtsverletzung fehlt (vgl. BGH a.a.O., m.w.N.). Bei der Abwägung ist auch die Zweckbestimmung der Geldentschädigung zu berücksichtigen. Es handelt sich dabei um ein Recht, das auf den Schutzauftrag aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG zurückgeht. Die Zubilligung einer Geldentschädigung, die in Verbindung mit diesen Vorschriften ihre Grundlage in § 823 Abs. 1 BGB findet, beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Anders als beim Schmerzensgeldanspruch steht bei dem Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem soll er der Prävention dienen (BGH, NJW 1996, 985 - Kumulationsgedanke). Im Rahmen dieser Abwägung ist dabei die Kollision des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit dem Recht der freien Meinungsäußerung bzw. Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) zu berücksichtigen.
338Im Rahmen der durchzuführenden Gesamtschau (vgl. OLG Hamburg, GRUR-RR 2009, 438) ist zu berücksichtigen, dass der Kläger durch die Beklagte insgesamt zwanzig Mal (hinsichtlich der Wortberichterstattung dreizehn und hinsichtlich der Bildberichterstattung sieben Mal) schwerwiegend in seiner Privat- bzw. Intimsphäre verletzt wurde. So veröffentlichte die Beklagte seine private Kommunikation, ohne dass sie einen Zusammenhang mit dem gegen ihn geführten Strafverfahren aufgewiesen hätte. So unterstellte die Beklagte ihm, seine Partnerinnen „psychisch ruiniert“ zu haben, ohne dass es hierfür irgendwelche Anhaltspunkte gegeben hätte. So berichtete die Beklagte über seine Zeugungsunfähigkeit, obschon diese für das gegen ihn gerichtete Verfahren keinerlei Bedeutung aufwies. So berichtete die Beklagte detailreich über seine vermeintlichen sexuellen Beziehungen mit diversen Frauen, ohne dass diese Detailtiefe von Belang für das gegen ihn geführte Strafverfahren gewesen wäre. So berichtete die Beklagte mehrfach und entgegen der Unschuldsvermutung über vermeintliche weitere sexuelle Übergriffe, obschon lediglich die Aussage des vermeintlichen Opfers als vermeintliche Beweistatsache vorlag. Schließlich veröffentlichte die Beklagte unter hartnäckiger Verletzung der Privatsphäre des Klägers mehrfach Fotos, die ihn als Häftling in der JVA, im Urlaub, nach seiner Hochzeit und im Hof der Kanzlei seiner Verteidigerin zeigten, ohne dass er die Möglichkeit gehabt hätte, dieser – mitunter heimlichen - Nachstellung zu entkommen.
339Zudem ist zu beachten, dass neben der – wie dargestellt unzulässigen - Berichterstattung über weitere Vorwürfe von anderen Frauen als der Anzeigenerstatterin gerade die – ebenfalls unzulässige - Mitteilung von Details aus seinem Sexual- und Privatleben geeignet war, eine erheblich stigmatisierende Wirkung in der breiten Öffentlichkeit zu entfalten. Denn der Kläger wurde durch die Berichterstattung der Beklagten als gewaltaffiner und frauenverachtender Serientäter charakterisiert, der aus eigensüchtigen Motiven nicht nur mehrere Partnerinnen gleichzeitig gehabt, sondern diese auch systematisch zur Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse belogen haben soll. Dass eine den Kläger derart abqualifizierende Berichterstattung nicht nur eine erhebliche Prangerwirkung entfaltet und zu einer sozialen Isolation führt, sondern den Kläger zudem mit einem Makel belegt, den er trotz des Freispruchs sein Leben lang mit sich führen wird, bedarf sicherlich keiner weiteren Erörterung.
340Ferner ist zu berücksichtigen, dass seitens der Beklagten Details aus der Ermittlungsakte an die Öffentlichkeit getragen wurden, die noch nicht Gegenstand öffentlicher Verlautbarungen der Staatsanwaltschaft oder der Gerichte gewesen waren. Zudem wurden Zeugenaussagen zum Sexual- und Privatleben des Klägers veröffentlicht, bevor die Zeuginnen in der Hauptverhandlung vernommen wurden. Hierdurch wurde trotz der bestehenden Unschuldsvermutung, der deshalb gebotenen Zurückhaltung bei der Berichterstattung und der Breitenwirkung derselben schon vor der eigentlichen Hauptverhandlung durch die Beklagte ein Bild des Klägers in der Öffentlichkeit gezeichnet, das die gesteigerte Gefahr der Vorverurteilung des Klägers als frauenverachtenden und gewaltbereiten Menschen in sich barg. Denn durch die stete Wiederholung eines im Kern vergleichbaren Vorwurfs der Gewaltausübung gegenüber Frauen verfestigte sich in der öffentlichen Meinung die Einschätzung, dass auch der Vergewaltigungsvorwurf zutreffend sein könnte.
341Zudem ist der enorme Verbreitungsgrad der Berichterstattung zu berücksichtigen. Denn die BILD-Zeitung ist nach ihren eigenen Angaben die größte Tageszeitung Europas mit 12,13 Millionen Lesern täglich. Hinzu kommt die hier ebenfalls streitgegenständliche Berichterstattung über die Internetseiten www.welt.de und www.abendblatt.de. Ein größerer Umfang der Verbreitung der den Kläger stigmatisierenden Artikel innerhalb Deutschlands ist kaum denkbar. Zudem wurden die angegriffenen Berichte im Internet zahlreich verlinkt und kopiert. Gerade das Ausmaß der Verbreitung der angegriffenen Veröffentlichung ist jedoch auch bei Prüfung, ob ein unabwendbares Ereignis für die Zuerkennung einer Geldentschädigung vorliegt, zu berücksichtigen (vgl. BGH, NJW 2014, 2029 m.w.N.). Diese Verletzungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers sind der Beklagten auch insoweit zuzurechnen, als sie erst durch die Weiterverbreitung der Ursprungsbeiträge durch Dritte (bspw. durch die „BUNTE“) im Internet entstanden sind. Da Meldungen im Internet typischerweise von Dritten verlinkt und kopiert werden, ist die durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags verursachte Rechtsverletzung sowohl äquivalent als auch adäquat kausal auf die Erstveröffentlichung zurückzuführen. Der Zurechnungszusammenhang ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Persönlichkeitsrechtsverletzung insoweit erst durch das selbstständige Dazwischentreten Dritter verursacht worden ist (vgl. BGH, a.a.O.).
342Demgegenüber kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass ein unabwendbares Bedürfnis für die Zuerkennung einer Geldentschädigung deshalb nicht vorliege, weil die vermeintlichen Sexualpraktiken des Klägers in anderen Medien ebenfalls thematisiert und dadurch einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht wurden. Denn es gilt auch insofern der Grundsatz, dass der Verweis auf das – möglicherweise – rechtswidrige Verhalten eines Dritten – wie hier - den Verletzer nicht entlasten kann (BVerfG, NJW 2010, 1195, 1197). Denn der Umstand, dass bereits vor und gleichzeitig neben den angegriffenen Beiträgen in verschiedenen Veröffentlichungen über den Kläger in vergleichbarer Art und Weise berichtet wurde, wirkt sich nicht mindernd auf das Gewicht der durch die angegriffenen Äußerungen bewirkten Persönlichkeitsrechtsverletzungen aus. Denn weder werden unbewiesene Tatsachenbehauptungen herabsetzenden Charakters deswegen zulässig, weil sie auch von anderen aufgestellt worden sind, noch verliert der Betroffene durch die erste belastende Berichterstattung seine Ehre und soziale Anerkennung in dem Sinne, dass diese Schutzgüter nicht erneut oder nur mit geringerer Intensität verletzt werden könnten (vgl. BGH, NJW 2014, 2029),. Die Veröffentlichungen durch andere Verlage stellen jeweils eigenständige Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar, die einer selbstständigen Beurteilung unterliegen. Eine andere Betrachtung würde weder dem Wesen der genannten Schutzgüter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts noch der Funktion der Entschädigung als Rechtsbehelf zu ihrem Schutz gerecht (vgl. BGH, a.a.O.). Die Vorveröffentlichungen könnten sich allenfalls dann mindernd auf die Höhe der zuzubilligenden Geldentschädigung auswirken, wenn und soweit das Interesse der von dem streitgegenständlichen Beitrag angesprochenen Personen durch sie bereits verringert war (vgl. BGH, a.a.O.), was jedoch nach Auffassung der Kammer aufgrund der fortgesetzten und skandalisierenden Berichterstattung der Beklagten nicht der Fall war.
343Die Verbreitung der beanstandeten Äußerungen und Bildnisse ist schließlich auch nicht zulässig unter dem Gesichtspunkt der Kritik an der Lebensführung einer prominenten Person. Als schon vor der Verhaftung prominente Person muss sich der Kläger zwar das weitgehende Interesse an seiner Person und eine entsprechende Berichterstattung gefallen lassen; gleichwohl genießt er Schutz in seiner Privatsphäre, insbesondere in dem hier oftmals betroffenen Kernbereich seiner Sexualsphäre. Wie bereits ausgeführt, ist die Beklagte der Darstellung des Klägers, diesen Bereich stets den Einblicken der Öffentlichkeit entzogen zu haben, nicht mit konkretem Vorbringen entgegengetreten. Diesen Lebensbereich hat er nicht öffentlich preisgegeben und ist insoweit auch nicht mit allgemeinen Vorstellungen an die Öffentlichkeit getreten, die unter Umständen auf ihre Umsetzung im Leben des Klägers zu überprüfen gewesen wären. Ein schützenswertes, über die Befriedigung einer allgemeinen Neugier oder Sensationslust hinausgehendes Interesse an der Aufdeckung dieses absolut geschützten Bereiches besteht dementsprechend nicht.
344Eine Selbstöffnung des Klägers zu intimen Details seines Sexuallebens liegt ebenfalls nicht vor. Der Kläger hat sich selbst nicht zu intimen Details seines Sexuallebens in der Öffentlichkeit geäußert. Bei den zulässigen Inhalten der Berichterstattung über den Angeklagten eines Strafverfahrens ist zwar zu berücksichtigen, dass er sich unter Umständen nicht mehr mit Gewicht auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht berufen kann, etwa wenn er sich in eigenverantwortlicher Weise den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen in der medialen Öffentlichkeit gestellt hat (BVerfG, ZUM 2010, 243). So entfällt der Schutz der Privatsphäre, wenn sich jemand selbst damit einverstanden erklärt, dass bestimmte Angelegenheiten, die gewöhnlich als privat gelten, öffentlich gemacht werden, etwa durch Exklusivverträge über die Berichterstattung aus seiner Privatsphäre (BVerfG, NJW 2000, 1021 – Caroline von Monaco). Gleiches gilt für den Intimbereich, sofern nicht besondere Umstände eingreifen; insbesondere sind das Medium, dessen Zielgruppe und sonstige Begleitumstände mit zu berücksichtigen bei der Feststellung, in welchem Umfang die Intimsphäre geöffnet wurde. Dies bedarf einer Abgrenzung im Einzelfall (Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, Kap. 5, Rn. 51 m.w.N.). Dass der Kläger mit Details aus seinem Intimleben an die Öffentlichkeit getreten ist, lässt sich dem Vortrag der Beklagten nicht entnehmen. Zwar hat der Kläger einige Interviews gegeben; selbst aus den von der Beklagten zitierten Auszügen ergibt sich jedoch kein Hinweis darauf, dass er hierin auf seine sexuellen Vorlieben eingegangen ist; vielmehr hat er entsprechende Fragen ausdrücklich zurückgewiesen.
345In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass der Kläger bzw. seine Rechtsanwälte Teile der Ermittlungsakte verschiedenen Presseunternehmen überlassen haben. Denn die stete Wiederholung des Vortrags des Klägers, die entsprechenden Behauptungen der Beklagten seien „nicht einlassungsfähig“, führen nach Auffassung der Kammer dazu, dass dieses Vorbringen der Beklagten als zutreffend unterstellt werden kann. Gleichwohl folgt weder hieraus noch aus den unstreitigen vertraulichen Hintergrundgesprächen des Klägers mit der Presse, dass er mit der Veröffentlichung sämtlicher in den Akten befindlicher Inhalte einverstanden war.
346Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass das Berichterstattungsinteresse hinsichtlich des strafrechtlichen Ermittlungs- und Hauptverfahrens aufgrund der Prominenz des Klägers und der Schwere des erhobenen Vorwurfs unzweifelhaft immens war. Gleichwohl rechtfertigt dieses außergewöhnlich große Informationsinteresse der Öffentlichkeit aus den bereits dargestellten Gründen nicht jedwede Berichterstattung, da gerade bei der Berichterstattung über das Bestehen eines Verdachts der Begehung einer Straftat durch die Medien besondere Gefahren für den jeweils Betroffenen bestehen. Denn Verdächtigungen, Gerüchte und insbesondere Berichterstattungen durch die Medien werden oft für wahr genommen, ihre später erwiesene Haltlosigkeit beseitigt den einmal entstandenen Mangel kaum und Korrekturen finden selten die gleiche Aufmerksamkeit wie die Bezichtigung, insbesondere wenn es später zu einem Freispruch unter dem Gesichtspunkt in dubio pro reo kommt. Deswegen gebietet die bis zur rechtskräftigen Verurteilung zu Gunsten des Angeklagten sprechende Unschuldsvermutung eine entsprechende Pflicht der Medien, die Stichhaltigkeit der ihr zugeleiteten Informationen unter Berücksichtigung der den Verdächtigen bei identifizierender Berichterstattung drohenden Nachteile gewissenhaft nachzugehen, und eine entsprechende Zurückhaltung, gegebenenfalls einhergehend mit einer Beschränkung auf eine ausgewogene Berichterstattung.
347Ferner ist der Einschüchterungseffekt zu beachten, der durch eine nachträgliche Sanktionierung einer Presseberichterstattung durch eine hohe Geldentschädigung zu erwarten ist, deren Rechtswidrigkeit das Ergebnis einer jeweils einzelfallbezogenen Abwägung ist. Insofern sind auch konkrete Anhaltspunkte, dass die Beklagte hinsichtlich der rechtswidrigen Persönlichkeitsrechtsverletzungen vorsätzlich und mit Schädigungsabsicht gehandelt hätte, entgegen der Auffassung des Klägers nicht gegeben. Dass sich die Beklagte subjektiv rücksichtslos der Grenze zwischen dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Pressefreiheit angenähert hätte, ergibt die Würdigung der streitgegenständlichen Artikel nicht. Der Beklagten kann daher nur der Vorwurf gemacht werden, auf einem außerordentlich schwierigen Gebiet der Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen die rechtliche Grenzziehung fahrlässig verfehlt zu haben.
348In diesem Zusammenhang ist auch ist zu berücksichtigen, dass die Details aus der Ermittlungsakte durch Einführung in die Hauptverhandlung zumindest der „Saalöffentlichkeit“ offenbar wurden und das LG Mannheim die diversen Beziehungen des Klägers und deren Erörterung in der Hauptverhandlung als relevant für die Beweiswürdigung erachtete. Der Beklagten ist beizupflichten, dass bei einem Strafverfahren die Kenntnis des Inhalts der Einlassung des Angeklagten und der Zeugenaussagen für die Beurteilung des weiteren Verfahrensverlaufs und das Verständnis der Beweiserhebungen sowie die Würdigung der Beweisergebnisse in der Hauptverhandlung von Bedeutung sind. Eine ausgewogene Prozessberichterstattung wird deshalb grundsätzlich kaum auf die Wiedergabe derselben verzichten können, um den Lesern den weiteren Verlauf des Strafverfahrens, z.B. die erneute Vernehmung eines Zeugen oder den derzeitigen Stand des Verfahrens nachvollziehbar darzustellen. Andererseits ist jedoch zu beachten, dass allein der Umstand, dass entsprechende Äußerungen in der Hauptverhandlung erfolgten, nicht bedeutet, dass sämtliche Details aus diesen Einlassungen bzw. Vernehmungen von der Presse veröffentlicht oder in sonstiger Weise verbreitet werden dürfen, vor allem dann, wenn die Vernehmungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgten. Denn auch wenn Angeklagte sich zur Tat einlässt oder Zeugen im Rahmen eines Strafverfahrens vernommen und diese Aussagen vom Gericht im Urteil gewürdigt werden, stellt dies keine Berechtigung der Presse dar, sämtliche Details dieser Aussagen unabhängig davon zu veröffentlichen, ob im konkreten Fall das Persönlichkeitsrecht des Angeklagten eine Wiedergabe der fraglichen Details verbietet oder ob dagegen das öffentliche Berichterstattungsinteresse überwiegt. Eine solche Abwägung muss vielmehr für jedes wiedergegebene Detail der Aussage gesondert durchgeführt werden.
349Außerdem ist der Beklagten nach Auffassung der Kammer keine vom Kläger angeführte Pressekampagne mit anderen Verlagen zu unterstellen. Denn greifbare Anhaltspunkte, die für ein kollusives Zusammenwirken der Beklagten mit anderen Verlagen sprächen, hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Vor dem Hintergrund der grundsätzlich bestehenden Konkurrenz der einzelnen Verlage stellt allein das wechselseitige Zitieren der Berichterstattung kein hinreichendes Indiz für ein planmäßiges und auf die Schädigung des Klägers gerichtetes Zusammenarbeiten der Verlage dar. Demgegenüber kann es nicht zum Nachteil des Klägers gereichen, dass er sich nicht auch gegen die Veröffentlichungen anderer Presseunternehmen gewandt hat. Denn ob der Kläger etwaige andere Verletzer seines Persönlichkeitsrechts in gleicher Weise in Anspruch nimmt, ist unerheblich, da es dem Verletzten frei steht, selbst darüber zu entscheiden, ob und in welcher Weise er gegen verschiedene Verletzer vorgehen will (OLG Hamburg, GRUR-RR 2009, 438).
350Schließlich ist zu beachten, dass der Kläger sich während und im Nachgang zum Strafprozess in Interviews zu eben diesem und seinen diversen Beziehungen geäußert hat. Zwar teilte er auch in diesem Zusammenhang keine Details zu seinem Sexualleben mit, äußerte sich jedoch zu dem Umstand, diverse Beziehungen gehabt zu haben. Zudem veröffentlichte der Kläger Ende 2012 ein Buch, in dem er seine Sicht der Dinge darstellte und u.a. auch Kritik - u.a. an der Presse (vgl. Seiten 123 ff. des Buches) – äußerte. Auch diese Möglichkeit, seine Sicht des Prozesses gewinnbringend zu publizieren, ist im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen (vgl. Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage 2003, Kap. 14, Rn. 130). Letztlich ist zu berücksichtigen, dass der Kläger mit der Geltendmachung seines Geldentschädigungsanspruchs drei bzw. zwei Jahre zuwartete und hinsichtlich der Ansprüche aus dem Jahre 2010 die Verjährungsfrist ausreizte (vgl. hierzu Burkhardt, a.a.O.). Gleichwohl ist natürlich zu beachten, dass der Kläger sich durch eine Vielzahl von Verfahren massiv gegen die Berichterstattungen der Beklagten zur Wehr gesetzt hat.
351D.
352Vor dem Hintergrund der unter I. A. und I. C. ausgeführten Erwägungen sprechen sowohl der Präventionsgedanke als auch der Kompensationszweck für die Zuerkennung einer nicht nur unerheblichen Geldentschädigung. Denn zum einen muss der Beklagten durch die Höhe der Geldentschädigung verdeutlicht werden, in Zukunft bei der Berichterstattung über vergleichbare Geschehnisse eine größere Sorgfalt und Zurückhaltung an den Tag zu legen; gleichzeitig darf die Höhe der Geldentschädigung keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Pressefreiheit darstellen. Zum anderen war zu beachten, dass der Kläger zumindest auch durch die seine Intim- und Privatsphäre verletzende sowie in weiten Teilen reißerische Berichterstattung der Beklagten nicht nur während des Zeitraums derselben, sondern auch in Zukunft als frauenverachtender und gewaltbereiter Wiederholungstäter stigmatisiert wurde bzw. bleiben wird, wodurch sowohl sein berufliches Wirken als auch sein Privatleben massiv beeinträchtigt wurden bzw. bleiben werden.
353Unter Berücksichtigung dessen und unter erneuter Abwägung der unter I. A. und I. C. ausgeführten Erwägungen erachtet die Kammer im Ergebnis eine Geldentschädigung in Höhe von 335.000,- EUR für angemessen, aber auch ausreichend, den Kläger für seine erlittene immaterielle Unbill zu entschädigen und gleichzeitig die Beklagte zu mehr Augenmaß bei zukünftigen Berichterstattungen vergleichbarer Brisanz anzuhalten.
354E.
355Die geltend gemachten Ansprüche aus dem Jahre 2010 sind nicht gemäß den §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB verjährt.
356Es kann hier dahinstehen, ob eine Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB durch die Zustellung des Mahnbescheids erfolgte, ob dieser die geltend gemachten Ansprüche hinreichend individualisiert und ob die Voraussetzungen des § 204 Abs. 2 BGB vorliegen.
357Denn die am 31.12.2010 beginnende und am 31.12.2013 ablaufende Verjährungsfrist wurde durch die Zustellung der Anspruchsbegründung vom 30.12.2013 gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. § 167 ZPO gehemmt (vgl. BGH, Urteil vom 23.9.2008 - XI ZR 253/07, Rn. 29), da die Aufforderung zu Zahlung des Gerichtskostenvorschusses am 15.1.2014 und die Zahlung desselben am 20.1.2014 erfolgte.
358F.
359Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 291, 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 2 BGB.
360II.
361Der Antrag zu 2. ist teilweise begründet.
362Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Schadenersatzanspruch in Höhe von 3.127,80 EUR gemäß § 823 Abs. 1 BGB hinsichtlich der angefallenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
363Die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Zugrunde zu legen war der Abmahnung eine Geschäftsgebühr mit dem 1,3-fachen Satz und ein Streitwert in Höhe von 335.000,- EUR.
364Hieraus ergibt sich ein berechtigter Anspruch des Klägers in Höhe von 3.127,80 EUR (wie beantragt exklusive Unkostenpauschale und exklusive MwSt.).
365Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 291, 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 2 BGB.
366III.
367Der Antrag zu 3. ist begründet.
368Der Kläger hat ferner gegen die Beklagte einen Schadenersatzanspruch in Höhe von 1.237,66 EUR gemäß § 823 Abs. 1 BGB hinsichtlich der ihm angefallenen Recherchekosten.
369Denn es handelt sich hierbei um Kosten der Schadensfeststellung und nicht um Kosten der Schadensregulierung (vgl. Grüneberg in: Palandt, Kommentar zum BGB, 74. Auflage 2015, § 249 BGB, Rn. 58 f.).
370Während der Gläubiger eines Schadenersatzanspruchs Anspruch auf Ersatz der Kosten hat, die ihm im Rahmen der Schadensbehebung einschließlich der Schadenfeststellung entstanden sind, steht ihm ein solcher Anspruch hinsichtlich der Kosten der Schadenregulierung, insb. also der Kosten der außergerichtlichen Verfolgung seiner Schadenersatzansprüche, nicht zu, denn es handelt sich dabei um eigene Mühewaltung des Geschädigten zur Durchsetzung seines Anspruchs (vgl. BGH, Urt. v. 31.5.1976 –II ZR 133/74, Rn. 9; BGH, Urt. v. 9.3.1976 – VI ZR 98/75, Rn. 14), die zum eigenen Pflichtenkreis des Geschädigten gehört (BAG, Urt. v. 23.1.1992 – 8 AZR 246/91, Rn. 35; BGH, Urt. v. 31.1.1991 – III ZR 10/90, Rn. 9; BGH, Urt. v. 31.5.1976 – II ZR 133/74, Rn. 9; BGH, Urt. v. 28.2.1969 – II ZR 154/67, Rn. 14).
371Selbst wenn man dies anders sehen wollte, ist zu berücksichtigen, dass ein Anspruch auch Ersatz der Kosten für die eigene Mühewaltung besteht, wenn – wie hier aufgrund der Vielzahl der Berichterstattungen der Fall - im einzelnen konkreten Schadensfall der Umfang der Schadenregulierung einen solch ungewöhnlich hohen Aufwand erfordert, dass diese nicht mehr mit den von dem Berechtigten üblichen persönlichen Bemühungen bewältigt werden könnte (vgl. BGH, Urt. v. 31.5.1976 – II ZR 133/74, Rn. 9; BGH, Urt. v. 9.3.1976 – VI ZR 98/75, Rn. 16).
372Hinsichtlich der Höhe wird auf den durch die Anlagen K161 und K162 substantiierten Vortrag auf Seite 247 der Klageschrift (Bl. 247 GA) Bezug genommen.
373Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 291, 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 2 BGB.
374IV.
375Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO.
376Streitwert: 1.501.237,66 EUR
377Rechtsbehelfsbelehrung:
378Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
3791. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
3802. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
381Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Köln, Reichenspergerplatz 1, 50670 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
382Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Köln zu begründen.
383Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
384Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Tenor
-
Die Revisionen gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 14. Mai 2014 werden zurückgewiesen.
-
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
-
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
-
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen unzulässiger Veröffentlichung eines Fotos in Anspruch, das sie in Badekleidung (Bikini) auf einer Liege am Strand von El Arenal auf Mallorca zeigt.
- 2
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Die Print-Ausgabe der Zeitung "BILD", deren Herausgeberin die Beklagte zu 1 ist, berichtete am 10. Mai 2012 über einen Raubüberfall auf den Profifußballer A. in El Arenal ("Am Ballermann"). Darin heißt es u.a.:
- 3
-
"Sonne, Strand, Strauchdiebe. Gestern sahen wir ... - Star A. (25) in pikanter Frauen-Begleitung am Ballermann. Jetzt wurde er Opfer einer Straftat."
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Diesem Artikel war das beanstandete Foto beigefügt, das im Vordergrund A. am Strand von El Arenal vor einer Mülltonne zeigt, in die er einen Eimer leert. In dem Bildabschnitt, der die Mülltonne zeigt, findet sich der Text:
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"Strohhut, dunkle Sonnenbrille: A. am Strand von El Arenal. Vorbildlich entsorgt er seinen Abfall".
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Im Hintergrund sind mehrere Personen auf Strandliegen zu sehen. Am rechten Bildrand, auf der Liege unmittelbar hinter A., ist die Klägerin in einem Bikini zu erkennen.
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Ein Artikel mit demselben Berichtsgegenstand und einem größeren Ausschnitt desselben Fotos wurde bis zum 9. Mai 2013 im Internet-Portal www.bild.de veröffentlicht, das von der Beklagten zu 2 betrieben wird.
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Die Klägerin nahm zuletzt die Beklagte zu 1 wegen des in der Print-Ausgabe veröffentlichten Fotos auf Unterlassung und wegen der Veröffentlichung des Fotos im Internet-Portal der Beklagten zu 2 beide Beklagten auf Unterlassung und Entfernung von der Webseite in Anspruch. Ferner begehrte sie von der Beklagten zu 1 wegen der Veröffentlichung in der Print-Ausgabe und von der Beklagten zu 2 wegen der Veröffentlichung im Internet die Zahlung einer angemessenen Entschädigung.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht dem Unterlassungsbegehren stattgegeben, hinsichtlich des im Internet veröffentlichten Fotos jedoch nur gegenüber der Beklagten zu 2. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren gegen die Beklagte zu 1 sowie ihr Begehren auf Zahlung einer Entschädigung gegen beide Beklagten weiter. Die Beklagten erstreben mit ihren Revisionen die Wiederherstellung des die Klage insgesamt abweisenden Urteils des Landgerichts.
Entscheidungsgründe
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I.
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Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 wegen der Veröffentlichung des Fotos in der Print-Ausgabe der Zeitung "BILD" vom 10. Mai 2012 gemäß § 1004 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, § 22 KUG bejaht. Es hat sich die Überzeugung gebildet, dass die Klägerin auf dem Foto identifizierbar abgebildet ist. Da die Klägerin weder ausdrücklich noch konkludent in die Veröffentlichung des Fotos eingewilligt habe, sei die Zulässigkeit der Veröffentlichung nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen. Danach komme eine Ausnahme vom Erfordernis der Einwilligung grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Berichterstattung ein Ereignis von zeitgeschichtlicher Bedeutung betreffe. Davon könne im Hinblick auf die Klägerin nicht ausgegangen werden. Auch wenn man annehme, dass die Abbildung des Fußballprofis nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG im Kontext des Berichts zulässig gewesen sei, sei damit noch nichts darüber ausgesagt, ob auch die von der Klägerin beanstandete identifizierbare Abbildung ihrer Person rechtmäßig sei. Da die Klägerin in keinerlei Beziehung zu dem Fußballspieler gestanden habe, lasse sich das öffentliche Interesse hiermit nicht begründen. Selbst wenn man mit der Beklagten davon ausginge, dass sich der Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auch auf unbekannte Personen beziehe, die zufällig mit relativen oder absoluten Personen der Zeitgeschichte abgebildet würden, wäre - das zeitgeschichtliche Ereignis unterstellt - jedenfalls bei der erforderlichen Interessenabwägung dem Recht der Klägerin am eigenen Bild gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit der Vorrang einzuräumen. Das unterstellte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an einer Nachricht, dass der im Vordergrund abgebildete Fußballprofi, der gestern noch am Strand gewesen sei und dort vorbildlich seinen Abfall entsorgt habe, jetzt Opfer einer Straftat geworden sei, sei nicht von einem solchen Gewicht, dass dahinter der Schutz der Persönlichkeit der Klägerin zurücktreten müsse. Die Aufnahme zeige die Klägerin im Urlaub, der selbst bei Prominenten zum regelmäßig zu schützenden Kernbereich der Privatsphäre gehöre. Insbesondere sei es für die Information der Allgemeinheit nicht erforderlich gewesen, dass die völlig außerhalb des Geschehens stehende Klägerin identifizierbar abgebildet worden sei. Es sei der Beklagten zu 1 als Presseunternehmen ohne Weiteres möglich gewesen, die Klägerin durch Verpixelung oder Augenbalken unkenntlich zu machen. Was dies an der Aussagekraft des Berichts im Sinne ihres Anliegens, die Urlaubsgestaltung des Fußballprofis zu illustrieren, geändert hätte, sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Dabei falle auch ins Gewicht, dass die nur mit einem Bikini bekleidete Klägerin den Blicken des Publikums in einer deutlich intensiveren Weise preisgegeben werde als in anderen Situationen. Teile der Leserschaft hätten die Veröffentlichung auch zum Anlass für Spekulationen darüber nehmen können, ob es sich bei der Klägerin um die in dem Artikel genannte "pikante Frauenbegleitung" gehandelt habe. Die Bildveröffentlichung sei auch nicht - wie das Landgericht angenommen habe - aufgrund einer analogen Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG gerechtfertigt. Eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift scheitere bereits daran, dass nicht die Abbildung einer Örtlichkeit im Vordergrund gestanden habe, sondern die Person des Fußballers A. Der teilweise vertretenen Auffassung, wonach auch Personen, die im zufälligen Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis abgebildet würden, sofern sie dadurch nicht schon selbst Teil des zeitgeschichtlichen Ereignisses geworden seien, § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG in analoger Anwendung unterfielen, sei nicht zu folgen. Denn damit würden Personen, die rein zufällig mit einer prominenten Person abgebildet würden, ohne diese zu begleiten, schlechter gestellt als Begleitpersonen von prominenten Personen, bei denen eine alltägliche Begleitsituation nicht ohne Weiteres die Veröffentlichung des Begleiterfotos rechtfertige. Da bereits die Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zu interessengerechten Ergebnissen führe, liege insoweit auch keine Lücke vor. Die Klägerin habe auch gegen die Beklagte zu 2 aus § 1004 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB, § 22 KUG einen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung des auf der von der Beklagten zu 2 betriebenen Webseite seit dem 10. Mai 2012 verbreiteten Fotos. Das Persönlichkeitsrecht der Klägerin sei hier noch in stärkerer Weise betroffen als durch die Veröffentlichung der Print-Ausgabe. Bei dem in der Print-Ausgabe abgedruckten Foto handele es sich lediglich um einen Ausschnitt des auf der Internetseite der Beklagten zu 2 vollständig veröffentlichten Fotos, welches auch die unbekleideten Beine der Klägerin zeige. Da der dazu veröffentlichte Text sich nicht erheblich von dem der Print-Ausgabe unterscheide, könne die Abwägung zu keinem anderen Ergebnis führen als bei der Print-Ausgabe der Beklagten zu 1. Der hinsichtlich der Internetveröffentlichung geltend gemachte Anspruch bestehe nicht gegen die Beklagte zu 1. Diese sei unstreitig nicht Betreiberin der Internetseite. Eine Haftung ergebe sich auch nicht - wie die Klägerin meine - aus Rechtsscheinsgesichtspunkten. Störer sei lediglich, wer willentlich und adäquat kausal zur Persönlichkeitsrechtsverletzung beitrage. Davon könne hier nicht ausgegangen werden. Die Beklagten hätten unwidersprochen vorgetragen, dass weder die Beklagte zu 2 entscheiden könne, welche Publikation in den Medien der Beklagten zu 1 erschienen, noch dass dies umgekehrt der Fall sei. Ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen der beanstandeten Bildveröffentlichungen stehe der Klägerin nicht zu, da es sich nicht um einen so schwerwiegenden Eingriff handele, dass eine Geldentschädigung gerechtfertigt sei.
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II.
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Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
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A) Revisionen der Beklagten:
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Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler einen Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 aus § 1004 und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 22, 23 KUG bejaht.
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1. Dabei ist es zutreffend davon ausgegangen, dass die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen ist (vgl. grundlegend Senatsurteile vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 9 ff.; vom 18. Oktober 2011 - VI ZR 5/10, VersR 2012, 116 Rn. 8 f.; vom 22. November 2011 - VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 23 f.; vom 18. September 2012 - VI ZR 291/10, VersR 2012, 1403 Rn. 26, vom 28. Mai 2013 - VI ZR 125/12, VersR 2013, 1178 Rn. 10, und vom 8. April 2014 - VI ZR 197/13, VersR 2014, 890 Rn. 8; jeweils mwN), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfGE 120, 180, 210) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang steht (vgl. EGMR NJW 2004, 2647 Rn. 57 ff.; 2006, 591 Rn. 37 ff., sowie NJW 2012, 1053 Rn. 95 ff., und 1058 Rn. 75 ff.). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Die Veröffentlichung des Bildes von einer Person begründet grundsätzlich eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. BVerfG NJW 2011, 740 Rn. 52 mwN). Die nicht von der Einwilligung des Abgebildeten gedeckte Verbreitung seines Bildes ist nur zulässig, wenn dieses Bild dem Bereich der Zeitgeschichte oder einem der weiteren Ausnahmetatbestände des § 23 Abs. 1 KUG positiv zuzuordnen ist und berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG). Dabei ist schon bei der Beurteilung, ob ein Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist, eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK andererseits vorzunehmen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, VersR 2007, 1135 Rn. 17; ausführlich dazu v. Pentz, AfP 2013, 20, 23 f.).
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a) Nach den von den Revisionen nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin in die Veröffentlichung der Fotos nicht eingewilligt (§ 22 Satz 1 KUG).
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b) Das Foto ist auch nicht dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) zuzuordnen. Maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des Zeitgeschehens.
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aa) Der Begriff des Zeitgeschehens darf nicht zu eng verstanden werden. Im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst er nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Zeitgeschehen, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Er wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt. Zum Kern der Presse- und der Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht, und dass sich im Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist, wobei unterhaltende Beiträge davon nicht ausgenommen sind (vgl. BVerfGE 101, 361, 389 ff.; BVerfG, AfP 2008, 163, 166 f. Nr. 61 ff.; Senatsurteile vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, aaO; vom 3. Juli 2007 - VI ZR 164/06, aaO und vom 24. Juni 2008 - VI ZR 156/06, BGHZ 177, 123 Rn. 15 ff.; jeweils mwN).
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bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Veröffentlichung eines Fotos, das einem Millionenpublikum die - identifizierbar abgebildete - Klägerin im Bikini zeigt, sei durch den Anlass der Berichterstattung nicht gerechtfertigt, nicht zu beanstanden. Die veröffentlichten Bilder zeigen die Klägerin in einer erkennbar privaten Situation, die in keinem Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis steht (vgl. - zu einer ähnlichen Fallgestaltung - Senatsurteil vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, VersR 2007, 1135 Rn. 26).
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cc) Soweit die Revisionen meinen, das Berufungsgericht habe nicht geprüft, wie der Leser den Bericht interpretiere, sondern ausschließlich auf das Foto abgestellt und den Zusammenhang zum zugehörigen Text ignoriert, aus welchem sich ergebe, dass sich die Abbildung allein auf den Fußballer A. beziehe, kann dem nicht gefolgt werden. Das Bildnis zeigt auch die Klägerin, wie sie sich mit dem Betrachter halb zugewandtem Gesicht auf der Strandliege sonnt.
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dd) Entgegen der Auffassung der Revisionen der Beklagten hat das Berufungsgericht auch nicht den Begriff des zeitgeschichtlichen Ereignisses im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG verkannt und diesen Begriff zu eng gefasst. Das beanstandete Foto als solches hatte mit dem Umstand, dass der bekannte Fußball-Star A. am "Ballermann" überfallen und ausgeraubt wurde, ersichtlich nichts zu tun. Das Berufungsgericht hat gleichwohl zugunsten der Beklagten unterstellt, dass die Veröffentlichung des Bildnisses von Herrn A. im Kontext des Berichts zulässig war und für die Entscheidung des Streitfalles zutreffend darauf abgestellt, ob der Gegenstand dieses Berichts auch die Veröffentlichung einer Abbildung der Klägerin rechtfertigt. Dies hat es mit Recht verneint. Denn es besteht außer dem zufälligen Zugegensein keine Verknüpfung zwischen der als "Urlauberin" gezeigten Klägerin und dem - unterstellt - als Ereignis der Zeitgeschichte zu qualifizierenden Raubüberfall auf den Nationalspieler A.
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ee) Der Revisionen der Beklagten ist weiter nicht darin zu folgen, dass im Hinblick auf das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an einem Bericht über ein zeitgeschichtliches Ereignis die Interessen von unbekannten Personen, die zufällig mit abgebildet werden, stets zurücktreten müssen. Vielmehr ist auch in solchen Fällen grundsätzlich eine Interessenabwägung erforderlich, bei der insbesondere der Informationswert für die Öffentlichkeit, die berechtigten Erwartungen des Betroffenen und die Möglichkeiten einer das Persönlichkeitsrecht wahrenden Modifikation des Fotos zu berücksichtigen sind. Dies steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats, nach der selbst die Abbildung von Begleitpersonen nicht ohne Weiteres zulässig ist. Wollte man dies anders sehen, würde dies zu dem (widersinnigen) Ergebnis führen, dass Begleitpersonen, die in einem gewissen Zusammenhang mit dem Gegenstand der Berichterstattung stehen (vgl. etwa Senatsurteil vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, VersR 2007, 1135 Rn. 28), vor einer Veröffentlichung eher geschützt wären, als Personen, die ohne jeden Zusammenhang Gegenstand einer "zufälligen" Bildaufnahme geworden sind.
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c) Entgegen der Auffassung der Revisionen der Beklagten hat das Berufungsgericht auch ohne Rechtsfehler im Streitfall eine unmittelbare oder analoge Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG verneint.
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aa) Nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG ist die Veröffentlichung eines Bildnisses ohne Einwilligung der abgebildeten Person grundsätzlich zulässig, wenn diese Person nur als "Beiwerk" neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheint. Hiervon kann nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nur dann ausgegangen werden, wenn die Abbildung einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit das Bild prägt und nicht selbst "Beiwerk" ist. Im Streitfall bezog sich die Abbildung indes - wovon die Revisionen der Beklagten selbst ausgehen - in erster Linie auf Herrn A. Das Strandleben am "Ballermann" bildete lediglich den Hintergrund des Fotos.
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Die Erwägungen der Revisionen der Beklagten zu der Frage, ob eine Abbildung von Badegästen im Zusammenhang mit einer Schilderung des Strandlebens zulässig wäre, sind im Streitfall unerheblich. Im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG kann ein Interesse an der Wiedergabe einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit zwar unabhängig von einem konkreten Ereignis der Zeitgeschichte bestehen. Die Revisionen der Beklagten gehen jedoch selbst davon aus, dass Zweck des Bildes die Berichterstattung über den Fußballer A. im Zusammenhang mit dem auf diesen erfolgten Überfall gewesen sei.
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bb) Entgegen der Auffassung der Revisionen kommt eine entsprechende Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG nicht in Betracht. Es fehlt bereits an einer Gesetzeslücke als Voraussetzung einer analogen Anwendung dieser Vorschrift. Denn dem von den Revisionen der Beklagten angeführten Interesse an der Berichterstattung über eine bestimmte Person unter Einbeziehung von Abbildungen anderer "zufällig" anwesender Personen wird bereits durch § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG und die dort erforderliche Interessenabwägung hinreichend Rechnung getragen.
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d) Selbst wenn eine entsprechende Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG in Betracht käme, erstreckte sich die Befugnis nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird (§ 23 Abs. 2 KUG).
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Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung mit Recht nicht nur auf das Foto, sondern auch auf den dazugehörigen Text abgestellt und dabei angenommen, dass die Erwähnung einer "pikanten Frauenbegleitung" zumindest bei einem Teil der Leserschaft zum Anlass für Spekulationen in Bezug auf die Klägerin genommen werden könnte. Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Hinblick auf die Formulierung geboten: "Gestern sahen wir ... - Star A. (25) in pikanter Frauen-Begleitung am Ballermann. Jetzt wurde er Opfer einer Straftat." Denn die Revisionen der Beklagten zeigen keinen (übergangenen) Sachvortrag dazu auf, dass das Foto vom Folgetag stamme und dies für den Leser ersichtlich gewesen sei.
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e) Das Berufungsgericht hat auch zutreffend die Unkenntlichmachung der Klägerin durch Verpixelung oder Augenbalken für möglich und den Beklagten zumutbar erachtet. Die Revisionen berufen sich demgegenüber ohne Erfolg auf angebliche Redaktionsabläufe und die Gefahr der Verhinderung einer atmosphärischen Illustration. Eine Verpixelung hätte an der Aussagekraft des Berichts im Hinblick auf das Anliegen der Beklagten, die Urlaubsgestaltung des Fußballprofis zu illustrieren, nichts geändert. Darüber hinaus hat die Beklagte zu 2 nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei den im Internet im Zusammenhang mit der vorliegenden Berichterstattung veröffentlichten Bildern die Gesichter anderer dort mit dem Fußballprofi abgebildeter Frauen gepixelt, was dagegen spricht, dass ihr eine entsprechende Vorgehensweise im Hinblick auf die Abbildung der Klägerin nicht möglich oder unzumutbar gewesen wäre.
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B) Revision der Klägerin:
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Die Revision der Klägerin ist ebenfalls unbegründet.
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1. Das Berufungsgericht hat mit Recht eine Haftung der Beklagten zu 1 hinsichtlich der Veröffentlichung der beanstandeten Bilder im Internet abgelehnt, weil nicht ersichtlich sei, dass die Beklagte zu 1 willentlich und adäquat kausal durch die Veröffentlichung der - rechtlich selbständigen - Beklagten zu 2 im Internet zu einer Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin beigetragen hätte. Allein die Tatsache, dass beiden Beklagten dieselben Lichtbilder zugänglich waren, vermag noch keine wechselseitige Haftung hinsichtlich der Veröffentlichung der Fotos zu begründen. Die Revision der Klägerin zeigt keinen vom Berufungsgericht übergangenen Sachvortrag auf, wonach die Beklagte zu 1 der Beklagten zu 2 die Lichtbilder zur Verfügung gestellt hat. Die von der Revision der Klägerin in Bezug genommene Entscheidung des I. Zivilsenats vom 11. März 2009 (I ZR 114/06, BGHZ 180, 134 Rn. 16 ff.) betrifft eine andere Fallgestaltung (Verletzung von Schutzrechten durch Pflichtverletzung des Kontoinhabers bei der Verwahrung von Zugangsdaten).
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2. Entgegen der Auffassung der Revision der Klägerin hat das Berufungsgericht auch ohne Rechtsfehler den Antrag der Klägerin auf Zahlung einer Geldentschädigung für unbegründet erachtet.
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats begründet eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 12; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 27; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 306; vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 38 ff.; vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, VersR 1985, 391, 393; vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87 - VersR 1988, 405; vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94, VersR 1996, 341 f.; vgl. auch BVerfG, NJW 2004, 591, 592). Ob ein derart schwerer Eingriff anzunehmen und die dadurch verursachte nicht vermögensmäßige Einbuße auf andere Weise nicht hinreichend ausgleichbar ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, aaO, 13; vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, aaO; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO Rn. 38; vom 17. März 1970 - VI ZR 151/68, VersR 1970, 675, 676; vom 25. Mai 1971 - VI ZR 26/70, VersR 1971, 845, 846; Senatsbeschluss vom 30. Juni 2009 - VI ZR 340/08, juris Rn. 3). Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen, weil dieser und die damit zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen können (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 1971 - VI ZR 26/70, DB 1971, 1660, 1661; Senatsbeschluss vom 30. Juni 2009 - VI ZR 340/08, aaO). Die Gewährung einer Geldentschädigung hängt demnach nicht nur von der Schwere des Eingriffs ab, es kommt vielmehr auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an, nach denen zu beurteilen ist, ob ein anderweitiger befriedigender Ausgleich für die Persönlichkeitsrechtsverletzung fehlt (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, aaO, 12 ff.; vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, aaO; Senatsbeschluss vom 30. Juni 2009 - VI ZR 340/08, aaO).
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b) Eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin hat das Berufungsgericht unter Würdigung der besonderen Umstände des Streitfalles mit Recht verneint. Selbst wenn man - was das Berufungsgericht offengelassen hat - zugunsten der Klägerin ihre Behauptung, sie sei im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von mehreren Personen angesprochen und ihr sei von "mehreren Männern" Geld für ein Treffen angeboten worden, als richtig unterstellt, vermag dies keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Denn das Berufungsgericht weist insoweit zutreffend darauf hin, dass die beanstandete Veröffentlichung des Strandbildes mit der Klägerin keine Veranlassung zu der Annahme gab, dass die Klägerin käuflich sei.
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Galke Wellner Diederichsen
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v. Pentz Offenloch
Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger wendet sich mit seinem Unterlassungsbegehren gegen eine ihn betreffende Online-Berichterstattung auf dem von der Beklagten betriebenen Internetportal "www.bild.de" während eines gegen ihn geführten Strafverfahrens.
- 2
- Der Kläger war bis zu seiner Verhaftung im März 2010 als Fernsehmoderator und Journalist tätig. Er betrieb außerdem ein Unternehmen, das meteorologische Daten erfasst und vertreibt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen ihn wegen des Verdachts der Vergewaltigung in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Ihm wurde vorgeworfen, am 9. Februar 2010 seine damalige Freundin zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Vom 20. März 2010 bis zum 29. Juli 2010 befand er sich in dieser Sache in Untersuchungshaft. In der vom 6. September 2010 bis zum 31. Mai 2011 dauernden Hauptverhandlung wurde er freigesprochen.
- 3
- Nach Anklageerhebung, aber vor Eröffnung des Hauptverfahrens berichtete die Beklagte am 13. Juni 2010 auf ihrem Internetportal unter der Überschrift "Der K….-Krimi: Neue Indizien aus der Tatnacht?" unter anderem wie folgt: "Der Fall K…. (51) wird immer pikanter: Laut dem Nachrichtenmagazin ‚Focus‘ soll jetzt auch ein sichergestellter Tampon die angebliche Verge- waltigung beweisen! Das Magazin veröffentlichte jetzt neue intime Details über die angebliche Tatnacht. So heißt es in Bezug auf das Treffen zwischen Jörg K… und Sabine W. (37) unter anderem: Die Ex-Freundin des Wettermoderators habe ‚auf ihn gewartet mit hochgezogenem Strickkleid‘. Und weiter: ‚wie üblich habe sie Handschellen und eine Reitgerte bereitgelegt ‘."
- 4
- Diese Informationen stammen aus der Einlassung des Klägers in seiner ersten richterlichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren. Das Protokoll über diese Vernehmung, das unter anderem folgende Passage enthält, wurde in der öffentlich geführten Hauptverhandlung am 13. September 2010 zu Beweiszwecken verlesen: "Es war dann so, das war das übliche Verfahren bei den Treffen, dass ich geklingelt habe, langsam die Treppe hoch ging, ich die Türe aufmachte , die angelehnt war, und sie wartete dann schon ausgezogen oder in diesem Fall mit schon hochgezogenem Strickkleidchen. In ihrem Besitz und zu ihrem Haushalt gehörten auch Handschellen, die sie in diesem Fall schon in der einen Hand hatte auch eine Reitgerte, die auch zu ihrem Haushalt gehörte, die immer bei ihr war und die sie dann jeweils , wenn sie Lust darauf hatte, bereitlegte."
- 5
- Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen , zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten: Die Ex-Freundin des Wet- termoderators habe ‚auf ihn gewartet mit hochgezogenem Strickkleid‘, ‚wieüblich habe sie Handschellen und eine Reitgerte bereitgelegt‘, wenn dies ge- schieht wie auf bild.de im Artikel vom 13.06.2010 mit der Überschrift "Der K….Krimi : Neue Indizien aus der Tatnacht?". Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 6
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil u.a. in ZUM 2012, 330 veröffentlicht ist, hat die Klage als zulässig angesehen. Grundsätzlich müsse die klagende Partei gemäß § 253 Abs. 2, 4, § 130 Nr. 1 ZPO ihre ladungsfähige Anschrift in der Klageschrift angeben. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass der Kläger unter der von ihm angegebenen Anschrift im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht hätte geladen werden können. Dass in einer anderen Rechtssache eine Zustel- lung unter dieser Anschrift fehlgeschlagen sei, lasse nicht darauf schließen, ob zur Zeit der Klageerhebung eine Zustellung hätte bewirkt werden können. Ebenso unerheblich sei, dass der Kläger bereits längere Zeit nicht mehr unter der angegebenen Anschrift amtlich gemeldet gewesen sei.
- 7
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu. Die beanstandeten Äußerungen beträfen zwar nicht den absolut geschützten Kernbereich seines Persönlichkeitsrechts, weil sie Gegenstand einer gegen ihn erhobenen Anklage seien und einen Bezug zu der vorgeworfenen Tat aufwiesen. Bei der vorzunehmenden Abwägung sei aber das Persönlichkeitsrecht des Klägers höher zu bewerten als das Berichterstattungsinteresse der Beklagten. Zu Gunsten des Klägers falle besonders ins Gewicht, dass es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren handele und ihm die Unschuldsvermutung zu Gute komme, die eine zurückhaltende, jedenfalls aber ausgewogene Berichterstattung verlange. Den beanstandeten Äußerungen komme für das Strafverfahren nur eine geringe Bedeutung zu. Zu dem eigentlichen Tatgeschehen wiesen sie keinen konkreten Bezug auf. Ein Hinweis auf die Bedeutung der beanstandeten Äußerung für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit gehe aus dem Artikel nicht hervor. Dagegen greife die Berichterstattung über praktizierte sexuelle Vorlieben des Klägers erheblich in dessen Persönlichkeitsrecht ein, weil diese einem Großteil der Leser in Erinnerung blieben. Der Kläger werde als eine Person mit sadomasochistischen Neigungen beschrieben. Die dadurch begründete "Prangerwirkung" werde durch den Freispruch nicht beseitigt. Während des laufenden Ermittlungsverfahrens bestehe kein derart weitgehendes Berichterstattungs- und Informationsinteresse.
- 8
- Eine abweichende Beurteilung sei nicht deshalb geboten, weil die Sexualpraktiken des Klägers in anderen Medien ebenfalls thematisiert und dadurch einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht worden seien. Die streitgegenständliche Veröffentlichung habe den Kreis der "Rezipienten" wesentlich erweitert und sei Anlass für verschiedene Medien gewesen, die dort mitgeteilten Tatsachen zum Sexualleben des Klägers nachfolgend aufzugreifen.
- 9
- Auch nach Verlesung des Protokolls der klägerischen Einlassung vor dem Haftrichter in der öffentlichen Hauptverhandlung sei die Berichterstattung über die einvernehmlich praktizierten sexuellen Vorlieben nicht zulässig geworden. Die Verlesung selbst habe Details aus dem Sexualverhalten des Klägers nur den im Gerichtssaal anwesenden Personen offenbart. Eine Breitenwirkung habe erst die auf die Verlesung erfolgte Medienberichterstattung erzielt. Diese habe jedoch nicht dazu geführt, dass die frühere streitgegenständliche Berichterstattung über das Sexualleben des Klägers nicht mehr in rechtswidriger Weise in das Persönlichkeitsrecht eingreife und eine Wiederholungsgefahr entfallen sei. Die Medien hätten auch über die öffentliche Hauptverhandlung nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung nur zurückhaltend und maßvoll berichten dürfen. Aus dem in § 169 GVG normierten Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen folge kein Recht der Presse, über sämtliche in der öffentlichen Verhandlung erörterten Inhalte zu berichten. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger keinen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 171b GVG gestellt habe.
II.
- 10
- Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG nicht zu.
- 11
- 1. Zu Recht hat allerdings das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision die Zulässigkeit der Klage bejaht.
- 12
- a) Der Kläger muss in der Klageschrift grundsätzlich eine ladungsfähige Anschrift angeben, weil hierdurch seine Bereitschaft dokumentiert wird, auf Anordnung des Gerichts persönlich zu erscheinen, und gewährleistet ist, dass er den Prozess nicht aus dem Verborgenen führt, um sich eventueller nachteiliger Folgen, insbesondere der Kostenpflicht im Fall des Unterliegens, zu entziehen (BGH, Urteile vom 9. Dezember 1987 - IVb ZR 4/87, BGHZ 102, 332, 335 f.; vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02, NJW-RR 2004, 1503; Beschluss vom 1. April 2009 - XII ZB 46/08, NJW-RR 2009, 1009 Rn. 11).
- 13
- b) Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei keinen Mangel der Klageschrift angenommen, der zur Unzulässigkeit der Klage führt. Es hat ausgeführt, es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass gerichtliche Schriftstücke, insbesondere Ladungen, den Kläger unter der angegebenen Anschrift nicht erreicht hätten. Aus dem Schreiben des Kantonsgerichts A. A. vom 2. Dezember 2011 ergebe sich zwar, dass der Kläger unter der angegebenen Anschrift nicht mehr gemeldet sei, und ein Zustellungsersuchen in einer anderen Sache deshalb nicht habe erledigt werden können. Es sei aber nicht erwiesen, dass Zustellungen im Zeitpunkt der Klageerhebung dort nicht möglich gewesen seien. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Für die Möglichkeit einer Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO kommt es nicht auf die Anmeldung eines Wohnsitzes an, sondern auf die tatsächliche Benutzung der Wohnung zum Aufenthalt. Nicht jede vorübergehende Abwesenheit , selbst wenn sie länger dauert, hebt die Eigenschaft jener Räume als einer Wohnung im Sinne der Zustellungsvorschriften auf. Diese Eigenschaft geht vielmehr erst verloren, wenn sich während der Abwesenheit des Zustellungsempfängers auch der räumliche Mittelpunkt seines Lebens an den neuen Aufenthaltsort verlagert (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1993 - XII ZR 120/92, NJW-RR 1994, 564 f.). Dass eine Zustellung am 2. Dezember 2011 nicht ausführbar war, besagt nicht, dass dies auch schon zum Zeitpunkt der früher erfolgten Zustellung der Klage der Fall gewesen wäre. Die ordnungsgemäße Klageerhebung ist eine Prozessvoraussetzung, die ihrer Natur nach nur bei der Einleitung des Verfahrens vorliegen muss. Deshalb bleibt die Klage zulässig, wenn erst im Lauf des Prozesses die ladungsfähige Anschrift entfällt (BGH, Urteil vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02, aaO; Beschluss vom 1. April 2009 - XII ZB 46/08, aaO Rn. 12). Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Kläger seine Anschrift verbergen wollte, um sich negativen prozessualen Folgen zu entziehen.
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- 2. Die Klage ist aber nicht begründet, weil dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zusteht.
- 15
- a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die angegriffenen Äußerungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtigen. Die Berichterstattung über Sexualpraktiken, die der Kläger in seiner Beziehung zur Anzeigeerstatterin angewandt haben soll, berührt das Persönlichkeitsrecht.
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- b) Im Ausgangspunkt zutreffend sind auch die rechtlichen Grundsätze, welche das Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat.
- 17
- aa) Das Berufungsgericht hat es zu Recht für geboten erachtet, über den Unterlassungsantrag aufgrund einer Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 35; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, VersR 2013, 63 Rn. 10; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, VersR 2013, 321 Rn. 11).
- 18
- Geht es um eine Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat, so ist zu berücksichtigen, dass Straftaten zum Zeitgeschehen gehören, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen , begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 204; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 14; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, aaO Rn. 38; BVerfGE 35, 202, 230 f.; BVerfG NJW 2009, 3357 Rn. 18).
- 19
- Handelt es sich um die Berichterstattung über ein noch nicht abgeschlossenes Strafverfahren, so ist im Rahmen der Abwägung allerdings auch die zugunsten des Betroffenen sprechende, aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende und in Art. 6 Abs. 2 EMRK anerkannte Unschuldsvermutung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, VersR 2013, 63 Rn. 14; BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14; NJW 2009, 3357 Rn. 20). Diese gebietet eine entsprechende Zurückhaltung , mindestens aber eine ausgewogene Berichterstattung (vgl. BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14). Außerdem ist eine mögliche Prangerwirkung zu berücksichtigen, die durch die Medienberichterstattung bewirkt werden kann (vgl. BVerfGE 119, 309, 323; BVerfG, aaO). Im Hinblick darauf kann bis zu einem erstinstanzlichen Freispruch oftmals das Recht auf Schutz der Persönlichkeit und Achtung des Privatlebens gegenüber der Freiheit der Berichterstattung überwiegen (BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 20; Senatsurteil vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, BGHZ 190, 52 Rn. 25).
- 20
- bb) Zutreffend hat das Berufungsgericht die Berichterstattung im Zeitpunkt der Veröffentlichung als rechtswidrig beurteilt.
- 21
- (1) Mit Recht hat das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung die in Rede stehenden Äußerungen der Privatsphäre des Klägers zugeordnet.
- 22
- Auch wenn die Voraussetzungen der Verdachtsberichterstattung (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO 203 f.; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, aaO Rn. 26) erfüllt sind, dürfen die Medien über die Person des Verdächtigen nicht schrankenlos berichten. Vielmehr ist für jeden einzelnen Umstand aus dem persönlichen Lebensbereich, der Gegenstand der angegriffenen Medienberichterstattung ist, aufgrund einer Abwägung zu entscheiden, ob das Schutzinteresse des Betroffenen das Interesse an einer Berichterstattung überwiegt. Bei der Beurteilung des dem Persönlichkeitsrecht dabei zukommenden Gewichts ist - wie auch sonst bei der Medienberichterstattung über personenbezogene Umstände (vgl. Senatsurteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 13) - von entscheidender Bedeutung , ob das Thema der Berichterstattung der Intimsphäre, der Privatsphäre oder der Sozialsphäre zuzuordnen ist.
- 23
- Ob ein Sachverhalt dem Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung angehört, hängt davon ab, ob der Betroffene ihn geheim halten will, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 11; BVerfGE 80, 367, 374; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 25). Ob ein Vorgang die Intim- oder die Privatsphäre betrifft, hängt auch davon ab, in welchem Umfang Einzelheiten berichtet werden (vgl. Senatsurteil vom 29. Juni 1999 - VI ZR 264/98, VersR 1999, 1250, 1251; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 49). Dem unantastbaren Kernbereich gehören grundsätzlich Ausdrucksformen der Sexualität an (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, aaO; BVerfGE 119, 1, 29 f.; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 25 f.).
- 24
- Sexualstraftaten gehören aber, weil sie einen gewalttätigen Übergriff in das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und zumeist auch in das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Opfers beinhalten, nicht der absolut geschützten Intimsphäre des Tatverdächtigen an (BVerfG, aaO Rn. 26).
- 25
- Danach fallen die berichteten Umstände nicht in den absolut geschützten Kernbereich des Persönlichkeitsrechts.
- 26
- (2) Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit wird, was das Berufungsgericht nicht verkannt hat, durch die prominente Stellung des Klägers erhöht. Schon die prominente Stellung des Klägers kann ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit an seinem Alltagsleben begründen, selbst wenn sich sein Verhalten weder in skandalösen noch in rechtlich oder sittlich zu beanstandenden Verhaltensweisen äußert (BVerfG, BVerfGE 120, 180, 203 f.). Wegen seiner Prominienz berührt das Verhalten des Klägers die Belange der Gemeinschaft noch stärker, wenn der Vorwurf der Begehung einer Straftat im Raum steht, als dies bei nicht prominenten Personen der Fall wäre (vgl. BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 28).
- 27
- (3) Zu Gunsten des Klägers fällt aber ins Gewicht, dass die streitgegenständliche Äußerung aus seiner Einlassung bei der nicht öffentlichen Vernehmung anlässlich der Eröffnung des Haftbefehls stammt. Richterliche Vernehmungen außerhalb der Hauptverhandlung sind nicht nur nichtöffentlich; es ist grundsätzlich auch unzulässig, Medienvertretern die Anwesenheit bei solchen Vernehmungen zu gestatten (Erb in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 168c Rn. 25).
- 28
- (4) Da die Berichterstattung während eines laufenden Strafverfahrens erfolgte , ist zu Gunsten des Klägers im Rahmen der Abwägung die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 14; BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, aaO Rn. 20). Dies gebietet Zurückhaltung bei der Mitteilung von Einzelheiten aus dem privaten Lebensbereich, deren Kenntnis zur Befriedigung des berechtigten Informationsinteresses nicht zwingend erforderlich ist. Der Unschuldsvermutung kommt hier besonderes Gewicht zu, weil die streitgegenständliche Veröffentlichung noch vor Beginn der Hauptverhandlung, mithin in einem frühen Stadium des Strafverfahrens erfolgte.
- 29
- Dass es sich bei den in Rede stehenden Äußerungen nicht um die dem Kläger vorgeworfene Straftat selbst handelt, sondern um wahre Tatsachenbehauptungen aus seiner Einlassung zum Tatvorwurf, steht der Berücksichtigung der Unschuldsvermutung im Rahmen der Abwägung nicht entgegen. Denn auch eine wahre Tatsachenbehauptung kann das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussage geeignet ist, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden droht (Senatsurteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 20; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197 Rn. 37 mwN). Deshalb hat das Berufungsgericht bei der Abwägung zu Gunsten des Klägers zu Recht berücksichtigt, dass er als Person mit sadomasochistischen Neigungen dargestellt wird und dies seinem Ansehen in der Öffentlichkeit abträglich sein kann. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht garantiert grundsätzlich, die eigenen Ausdrucksformen der Sexualität für sich zu behalten und sie in einem dem Zugriff anderer entzogenen Freiraum zu erleben (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 12; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 26).
- 30
- c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist allerdings das Unterlassungsbegehren des Klägers gleichwohl nicht begründet. Ein Unterlassungsanspruch besteht nicht, weil nach Verlesung des Protokolls über die haftrichterliche Vernehmung des Klägers in der öffentlichen Hauptverhandlung vom 13. September 2010 die gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen ist.
- 31
- aa) Die Wiederholungsgefahr ist eine materielle Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs. Wenn sie entfällt, erlischt auch der zukunftsgerichtete Unterlassungsanspruch (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, VersR 2005, 84, 85 mwN; vom 21. Juni 2005 - VI ZR 122/04, VersR 2005, 1403; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, VersR 2009, 1417 Rn. 28; siehe auch BVerfG VersR 2007, 849 Rn. 34). Eine rechtswidrige Beeinträchtigung in der Vergangenheit begründet in der Regel die tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr (Senatsurteile vom 27. Mai 1986 - VI ZR 169/85, VersR 1986, 1075, 1077; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 29 mwN). Die Wiederholungsgefahr kann allerdings dann nicht ohne weiteres aufgrund einer bereits geschehenen Rechtsverletzung vermutet werden, wenn durch die Veränderung tatsächlicher Umstände nunmehr die Berichterstattung als rechtlich zulässig zu beurteilen ist (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 18). Wer in der Vergangenheit in seinen Rechten verletzt wurde, hat keinen Anspruch darauf, dass ein Verhalten unterlassen wird, das sich inzwischen als nicht mehr rechtswidrig darstellt (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 17). Das kommt hier in Betracht, weil die künftige Veröffentlichung der beanstandeten Aussage nur in anderer Form in die Öffentlichkeit tragen würde, was die Presse aus Anlass der Verlesung des fraglichen Vernehmungsprotokolls in der öffentlichen Hauptverhandlung zulässigerweise berichtete (vgl. BVerfG, aaO Rn. 32).
- 32
- bb) Da die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nach der Verlesung des Vernehmungsprotokolls erfolgte Berichterstattung in den Medien noch während der laufenden Hauptverhandlung erfolgte, ist zu Gunsten des Klägers im Rahmen der Abwägung auch hier insbesondere die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen, welche eine entsprechende Zurückhaltung bei der Berichterstattung gebot. Zu beachten ist wiederum, dass auch eine wahre Tatsachenbehauptung das Persönlich- keitsrecht des Betroffenen verletzen kann, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind (vgl. Senatsurteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 20; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197 Rn. 37, jeweils mwN). Hier wurde mit wenigen Sätzen berichtet, dass nach der Schilderung des Klägers sein Treffen mit der Anzeigeerstatterin auf einvernehmlichen geschlechtlichen Verkehr - auch in sadomasochistischer Form - angelegt war. Es kann unterstellt werden, dass den Beschwerdeführer durch die Berichterstattung eine erhebliche soziale Missbilligung treffen kann. Allein von der tagesaktuellen Berichterstattung, die mit dem Abschluss des Verfahrens ein Ende findet, geht indes keine derart schwerwiegende Stigmatisierung in einer solchen Breitenwirkung aus, dass eine dauerhafte oder lang anhaltende soziale Ausgrenzung zu befürchten wäre, die hier in der Abwägung das Berichterstattungsinteresse überwiegen müsste (vgl. BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 29).
- 33
- Auf Seiten der Beklagten ist das große Interesse der Öffentlichkeit an dem Strafverfahren und vor allem an der Hauptverhandlung gegen den prominenten und als Fernsehmoderator sehr bekannten Kläger zu berücksichtigen, welches die intensive Berichterstattung in den Medien widerspiegelt. Bei einem Strafverfahren ist regelmäßig die Kenntnis der Einlassung des Angeklagten für die Beurteilung des weiteren Verfahrensverlaufs und das Verständnis der Beweiserhebungen sowie die Würdigung der Beweisergebnisse in der Hauptverhandlung von erheblicher Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 1983 - 4 StR 550/83, juris Rn. 5; Urteil vom 30. September 2010 - 4 StR 150/10, juris Rn. 23 mwN, insoweit in NStZ-RR 2011, 82 nicht abgedruckt). Eine ausgewogene Prozessberichterstattung kann deshalb kaum auf die Wiedergabe der Einlassung verzichten. Insbesondere bei dem hier erhobenen Vorwurf der schweren Vergewaltigung war die Einlassung von zentraler Bedeutung für die Berichterstattung und für die öffentliche Meinungsbildung hinsichtlich eines möglichen Geschehensablaufs in der Tatnacht und die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Beteiligten, so dass ein enger Bezug zu dem eigentlichen Tatvorwurf besteht. Unter diesen Umständen ist die Wiederholungsgefahr nicht mehr gegeben, weil ein überwiegendes Schutzinteresse des Klägers einer aktuellen Berichterstattung hinsichtlich der angegriffenen, seiner Einlassung entstammenden Aussagen nach deren Verlesung in der Hauptverhandlung nicht mehr entgegenstände, nachdem sie durch die Verlesung des Vernehmungsprotokolls in öffentlicher Hauptverhandlung einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden sind. Damit bestand ab diesem Zeitpunkt der Unterlassungsanspruch nicht mehr.
- 34
- cc) Soweit der Kläger begehrt, der Beklagten eine zukünftige Veröffentlichung wie in dem Artikel vom 13. Juni 2013 zu untersagen, scheitert ein Unterlassungsanspruch am Fehlen einer Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr, die eine - vom Kläger darzulegende - Anspruchsvoraussetzung ist (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 17 und vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 28 ff.). Insoweit kann die Gefahr einer drohenden Rechtsverletzung neu entstehen, nachdem zuvor der Anspruch erloschen ist. Dafür reicht jedoch die bloße Möglichkeit eines erneuten Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Klägers durch die Beklagte ohne konkrete Hinweise darauf nicht aus. Die drohende Verletzungshandlung müsste sich vielmehr in tatsächlicher Hinsicht so konkret abzeichnen, dass eine zuverlässige Beurteilung unter rechtlichen Gesichtspunkten möglich wäre (vgl. Senatsurteil vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 30 mwN). Eine dafür erforderliche drohende Rechtsverletzung seitens der Beklagten hat der Kläger nicht dargelegt. Sie ist auch nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass der Kläger in dem Strafverfahren freigesprochen worden ist, vermag die für den Unterlassungsanspruch er- forderliche konkrete Gefahr einer Rechtsverletzung durch die Beklagte jedenfalls noch nicht zu begründen. Galke Wellner Diederichsen Pauge Stöhr
LG Köln, Entscheidung vom 22.06.2011 - 28 O 956/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 14.02.2012 - 15 U 123/11 -
BUNDESGERICHTSHOF
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Wellner und Stöhr und die Richterinnen von Pentz und Müller
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger, ein deutschlandweit bekannter Fußballprofi, nimmt die Beklagte in Anspruch, es zu unterlassen, fünf Beiträge in deren Online-Archiv zum Abruf bereitzuhalten, soweit in identifizierbarer Weise über ihn berichtet wird. Zudem verlangt er Erstattung seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten.
- 2
- Die Beiträge berichten über ein Ermittlungsverfahren, das Anfang des Jahres 2012 gegen den Kläger wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen eingeleitet worden war. Hintergrund war die Strafanzeige einer jungen Frau, die behauptete, nach einer Feier im Haus des Klägers von einem oder mehreren Männern mit sogenannten K.O.Tropfen betäubt und anschließend missbraucht worden zu sein.
- 3
- Im April 2012 stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO ein.
- 4
- Im Zeitraum von Januar bis April 2012 berichtete die Beklagte - wie auch weitere Nachrichtenportale - auf ihrem Onlineportal mit insgesamt sechs Artikeln über das Ermittlungsverfahren unter namentlicher Nennung des Klägers. Fünf Artikel, von denen vier mit einem Lichtbild des Klägers versehen sind, sind derzeit - jeweils mit Datumsangabe gekennzeichnet - noch im Online-Archiv der Beklagten abrufbar und durch eine gezielte Suche zum Ermittlungsverfahren über Suchmaschinen auffindbar. Die Artikel vom 23. Januar 2012, 26. Januar 2012 und 11. Februar 2012 befassen sich mit der Einleitung bzw. dem Fortgang des Ermittlungsverfahrens, zwei Artikel vom 27. April 2012 mit dessen Einstellung.
- 5
- Nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens ergänzte die Beklagte die Artikel vom 23. Januar 2012, 26. Januar 2012 und 11. Februar 2012 um eine Fußzeile mit folgendem Inhalt: "Anmerkung der Redaktion: Bei dem Artikel handelt es sich um eine Archivberichterstattung vom … Das Ermittlungsverfahren gegen [Name des Klägers] wurde im April 2012 eingestellt."
- 6
- Auf eine außergerichtliche Aufforderung des Klägers, alle das Ermittlungsverfahren betreffenden Artikel aus dem Onlineportal zu löschen, teilte die Beklagte mit, die geforderte Löschung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht vorzunehmen. Sie löschte jedoch lediglich einen Artikel vom 21. Januar 2012, in dem erstmalig über den Sachverhalt berichtet worden war. Auf eine erneute Aufforderung des Klägers unter konkreter Nennung aller weiteren Artikel verweigerte die Beklagte deren Löschung. Auf die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung reagierte die Beklagte nicht.
- 7
- Das Landgericht hat es der Beklagten antragsgemäß verboten, die fünf verbliebenen Beiträge online zum Abruf bereitzuhalten, soweit in identifizierbarer Weise durch namentliche Nennung und/oder Bildnisveröffentlichung über den Kläger berichtet wird. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter.
Entscheidungsgründe:
A.
- 8
- Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass dem Kläger gegen die Beklagte kein Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 BGB analog i.V.m. Art. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zustehe, weil die weitere Bereithaltung der ihn identifizierenden Berichte im Online-Archiv nicht rechtswidrig in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreife.
- 9
- Allerdings stelle das Bereithalten der Berichte im Internet einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers dar, weil hiermit sein angebliches Fehlverhalten öffentlich gemacht und seine Person in den Augen der Adressaten - auch bei einer bloßen Verdachtsberichterstattung - negativ qualifiziert werde.
- 10
- Die notwendige Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens mit dem Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit führe im Streitfall jedoch zu dem Ergebnis, dass der Kläger die weitere Vorhaltung der Berichterstattung im Online-Archiv der Beklagten zu dulden habe.
- 11
- Bei der beanstandeten Berichterstattung der Beklagten handele es sich um wahre Tatsachenbehauptungen in Form der Verdachtsberichterstattung. Diese sei ursprünglich angesichts der Schwere des in Rede stehenden Delikts und der Prominenz des Klägers zulässig gewesen, da die Beklagte in allen fünf angegriffenen Beiträgen in ausgewogener Art und Weise über den Tatvorwurf und den Gang des Verfahrens berichtet habe. Bei der Abwägung der gegenseitigen Interessen könne nicht festgestellt werden, dass dem Kläger trotz der Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die fortwährende Bereithaltung der Berichterstattung eine besondere Stigmatisierung oder Ausgrenzung drohe. Alle fünf Beiträge entsprächen auch heute noch der Wahrheit und seien angesichts des Nachtrags über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens weder unvollständig noch spiegelten sie den Anschein einer nicht bestehenden Aktualität vor. Zwar habe der Kläger ein Interesse daran, mit dem Vorwurf einer Sexualstraftat , dem in der Öffentlichkeit ein besonders hohes Unwerturteil beigemessen werde, nicht mehr konfrontiert zu werden. Allerdings berichte die Beklagte in den angegriffenen Beiträgen nicht in einer Art und Weise, durch die der durchschnittliche Rezipient von einer Schuld oder Strafbarkeit des Klägers ausgehe , sondern stelle lediglich einen früher gegen diesen bestehenden Verdacht dar. Außerdem bestehe aufgrund der Art des Delikts, der Beteiligten sowie der Tatumstände ein hohes öffentliches Informationsinteresse. Zudem gehe von den Beiträgen der Beklagten auch keine erhebliche Breitenwirkung aus, da diese nur bei einer gezielten Suche zu finden seien. Um die durch eine Verdachtsberichterstattung hervorgerufene Störung abzustellen, sei ein Nachtrag geeig- net, erforderlich, aber im Hinblick auf den Schutz der Pressefreiheit auch ausreichend.
B.
- 12
- Die Revision ist zulässig. Angegriffen ist entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nach wie vor allein das Bereithalten der den Kläger identifizierenden Altmeldungen in dem Online-Archiv der Beklagten.
C.
- 13
- Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen die Annahme, das weitere Bereithalten der den Kläger identifizierenden Wort- und Bildbeiträge sei rechtmäßig, nicht.
I.
- 14
- Wortberichterstattung:
- 15
- 1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass das Bereithalten der angegriffenen Wortbeiträge zum Abruf im Internet einen Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers darstellt. Denn die Berichterstattung über ein Ermittlungsverfahren unter namentlicher Nennung des Beschuldigten beeinträchtigt zwangsläufig dessen Recht auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufes, weil sie sein mögliches Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten negativ qualifiziert (Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 202 f. mwN; vom 18. November 2014 - VI ZR 76/14, BGHZ 203, 239 Rn. 31; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rn. 9 mwN). Dies gilt nicht nur bei aktiver Informationsübermittlung durch die Medien, wie es im Rahmen der herkömmlichen Berichterstattung in Tagespresse, Rundfunk oder Fernsehen geschieht, sondern auch dann, wenn - wie im Streitfall - den Beschuldigten identifizierende Inhalte lediglich auf einer passiven Darstellungsplattform im Internet zum Abruf bereitgehalten werden. Diese Inhalte sind nämlich grundsätzlich jedem interessierten Internetnutzer zugänglich (Senatsurteile vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 10 mwN; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, AfP 2012, 372 Rn. 34 mwN; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO; vom 13. November 2012 - VI ZR 330/11, AfP 2013, 54 Rn. 8).
- 16
- An dem Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass mit den Beiträgen vom 27. April 2012 über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens berichtet wurde und in der Fußzeile zu den Beiträgen vom 23. Januar 2012, 26. Januar 2012 und 11. Februar 2012 auf die Einstellung hingewiesen wurde. Denn alleine der Umstand, dass über vergangene Ermittlungen gegen den Kläger wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen berichtet wird, birgt die Gefahr, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und trotz der späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens vom Schuldvorwurf "etwas hängenbleibt" (Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 203; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 14; jeweils mwN).
- 17
- Entgegen der Auffassung der Revision ist zwar nicht die absolut geschützte Intimsphäre des Klägers betroffen. Denn sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen, um den es in dem Ermittlungsverfahren ging, ist in § 179 StGB unter Strafe gestellt. Wäre eine Sexualstraftat begangen worden, fiele sie nicht in den unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 17; vom 19. März 2013 - VI ZR 93/12, AfP 2013, 250 Rn. 21 ff. mwN; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 26). Das Bereithalten von Berichten , die den Verdacht zum Gegenstand haben, der Kläger habe nach Einsatz von K.O.-Tropfen eine schwere Sexualstraftat begangen, stellt aber einen schwerwiegenden Eingriff in dessen persönliche Ehre dar (vgl. Senatsurteil vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 24).
- 18
- 2. Ebenfalls zutreffend hat es das Berufungsgericht für geboten erachtet, über den Unterlassungsantrag aufgrund einer Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO Rn. 22; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 10; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, aaO Rn. 11; jeweils mwN).
- 19
- 3. Ein solches Überwiegen hat das Berufungsgericht jedoch rechtsfehlerhaft verneint.
- 20
- a) Im Rahmen der Abwägung ist von erheblicher Bedeutung, ob die Tatsachenbehauptungen in den angegriffenen Beiträgen im Zeitpunkt ihrer erstmaligen Veröffentlichung zulässig waren (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, aaO 2. Leitsatz u. Rn. 18). Da Gegenstand der Berichterstattung nicht nur das Ermittlungsverfahren, sondern auch der von der Beklagten als "Anfangsverdacht" bezeichnete Verdacht ist, der namentlich benannte Kläger habe eine 21jährige Frau anlässlich einer Feier in seinem Haus betäubt und sexuell missbraucht oder Beihilfe hierzu geleistet, müssen die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung erfüllt sein (Senatsurteil vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 203). Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht dies angenommen hat.
- 21
- Sie ist mit diesem Einwand nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger in den Vorinstanzen die Unzulässigkeit der ursprünglichen Verdachtsberichterstattung für nicht streiterheblich gehalten hat. Denn dabei handelt es sich um eine rechtliche Vorfrage, deren Beantwortung für die Beurteilung des streitgegenständlichen Unterlassungsanspruchs unabdingbar ist. Sie ist daher von den Gerichten auch dann zu prüfen, wenn die Parteien diese Frage für unerheblich halten; sollte hierzu weiterer Tatsachenvortrag der Parteien erforderlich sein, ist darauf gemäß § 139 Abs. 2 ZPO hinzuweisen. Dementsprechend haben sich die Vorinstanzen zu Recht - wenn auch nicht umfassend - mit der Frage befasst, ob die Berichterstattung im Zeitpunkt ihrer erstmaligen Veröffentlichung zulässig war.
- 22
- aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats und des Bundesverfassungsgerichts darf eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt un- geklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (Art. 5 GG, § 193 StGB). Eine Berufung hierauf setzt voraus, dass vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt werden. Die Pflichten zur sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt richten sich dabei nach den Aufklärungsmöglichkeiten. Sie sind für die Medien grundsätzlich strenger als für Privatleute. An die Wahrheitspflicht dürfen im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen. Andererseits sind die Anforderungen umso höher, je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, aaO, 23 f. mwN; vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 203 f. mwN; vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 35 mwN; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO Rn. 26 mwN; vom 18. November 2014 - VI ZR 76/14, aaO Rn. 15).
- 23
- Diese Grundsätze gelten auch für die Berichterstattung über Ermittlungsverfahren unter namentlicher Nennung des Beschuldigten. In diesem Verfahrensstadium steht lediglich fest, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde , in der Regel ist aber nicht geklärt, ob der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Straftat begangen hat. Zwar gehört es zu den legitimen Aufgaben der Medien , Verfehlungen - auch konkreter Personen - aufzuzeigen (Senatsurteile vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 12; vom 13. November 2012 - VI ZR 330/11, aaO Rn. 11; BVerfG, AfP 2012, 143 Rn. 39; jeweils mwN). Dies gilt auch für die Berichterstattung über eine Straftat, da diese zum Zeitgeschehen gehört und die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung von Rechtsgütern der betroffenen Bürger oder der Gemeinschaft ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter begründen kann (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 204; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, aaO Rn. 14; vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, BGHZ 190, 52 Rn. 19; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 13; BVerfG, AfP 2009, 46 Rn. 11; AfP 2009, 365 Rn. 18; EGMR, EuGRZ 2012, 294 Rn. 96; jeweils mwN). Besteht allerdings - wie im Ermittlungsverfahren - erst der Verdacht einer Straftat, so sind die Medien bei besonderer Schwere des Vorwurfs angesichts des damit verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in die persönliche Ehre in besonderem Maße zu sorgfältigem Vorgehen verpflichtet (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, aaO, 24; vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 203; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO Rn. 28 mwN). Dabei ist im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende und in Art. 6 Abs. 2 EMRK anerkannte Unschuldsvermutung die Gefahr in den Blick zu nehmen, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und deshalb im Fall einer späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens oder eines Freispruchs vom Schuldvorwurf "etwas hängenbleibt" (Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 203; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 14; jeweils mwN; vgl. auch BVerfG, AfP 2009, 46 Rn. 15).
- 24
- Erforderlich ist jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst "Öffentlichkeitswert" verleihen. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie darf also nicht durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 203 f. mwN; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO Rn. 26; vom 18. November 2014 - VI ZR 76/14, aaO Rn. 16 mwN; vgl. auch BVerfGK 9, 317, 322).
- 25
- bb) Im Streitfall tragen die Feststellungen des Berufungsgerichts dessen Annahme, die Beklagte habe die Erfordernisse einer zulässigen Verdachtsberichterstattung eingehalten, nicht. Über den Umstand hinaus, dass gegen den Kläger aufgrund einer Anzeige ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen eingeleitet worden war, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen zum Vorliegen von Beweistatsachen getroffen, die für den Wahrheitsgehalt dieses Verdachts gesprochen haben.
- 26
- (1) Die bloße Tatsache der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens als solche genügt jedenfalls nicht für die Annahme des Vorliegens eines Mindestbestands an Beweistatsachen (Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 19 Rn. 36; Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 272; BeckOK InfoMedienR/ Söder, § 823 BGB Rn. 244 (Stand: 01.11.2015); HH-Ko/MedienR/Kröner, 2. Aufl., 33. Abschnitt Rn. 59; Lehr, NJW 2013, 728, 730; Schumacher, K&R 2014, 381, 382 Fn. 14). Die Staatsanwaltschaft hat schon beim Vorliegen eines Anfangsverdachts Ermittlungen aufzunehmen (vgl. § 152 Abs. 2, § 160 Abs. 1 StPO). Dafür ist bereits ausreichend, dass aufgrund zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte nach kriminalistischer Erfahrung die bloße Möglichkeit einer verfolgbaren Straftat gegeben ist (BGH, Urteil vom 21. April 1988 - III ZR 255/86, NJW 1989, 96, 97; BVerfGK 3, 55, 61; jeweils mwN). Die Schwelle für die Annahme eines Anfangsverdachts liegt damit niedrig (vgl. BVerfG, NJW 2002, 1411, 1412); es genügen schon entferntere Verdachtsgründe (BVerfG, NJW 1994, 783; NJW 1994, 783, 784), die eine geringe, wenngleich nicht nur theoretische Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer ver- folgbaren Straftat begründen (Beulke in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 152 Rn. 23). So müssen die Ermittlungsbehörden auch auf völlig unbegründete , unter Umständen wider besseres Wissen in Schädigungsabsicht erstattete Strafanzeigen hin tätig werden (Soehring, aaO).
- 27
- (2) Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich nichts Weitergehendes herleiten. Ihnen ist insbesondere nicht zu entnehmen, dass - wie die Revisionserwiderung geltend gemacht hat - die angegriffenen Beiträge auf den Kläger identifizierenden amtlichen Verlautbarungen der Staatsanwaltschaft beruhen.
- 28
- Zwar ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass den Verlautbarungen amtlicher Stellen ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden darf (Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO Rn. 30; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 30; BVerfG, AfP 2010, 365 Rn. 35; jeweils mwN). Dies beruht auf der Erwägung, dass Behörden in ihrer Informationspolitik unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind und Amtsträger, wenn sie vor der Frage stehen, ob die Presse über amtliche Vorgänge informiert werden soll, die erforderliche Abwägung zwischen dem Informationsrecht der Presse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vorzunehmen haben (Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, aaO; BVerfG, AfP 2010, 365 Rn. 35; jeweils mwN). Verletzen sie ihre Amtspflichten, kann ein Schadensersatzanspruch des Betroffenen wegen einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen die zuständige Gebietskörperschaft als Träger der Behörde gegeben sein (Senatsurteil vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO mwN; vgl. auch BGH, Urteile vom 17. März 1994 - III ZR 15/93, NJW 1994, 1950, 1951 ff.; vom 23. Oktober 2003 - III ZR 9/03, NJW 2003, 3693, 3697). Daher ist regelmäßig die Annahme gerechtfertigt, dass eine unmittelbar an die Grund- rechte gebundene, auf Objektivität verpflichtete Behörde wie die Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit erst dann unter Namensnennung über ein Ermittlungsverfahren unterrichten wird, wenn sich der zugrunde liegende Tatverdacht bereits einigermaßen erhärtet hat (BVerfG, AfP 2010, 365 Rn. 35). Auch das entlastet die Medien allerdings nicht von der Aufgabe der Abwägung und Prüfung, ob im Übrigen nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung eine Namensnennung des Betroffenen gerechtfertigt ist (Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz, 3. Aufl., Rn. 64; Löffler/Steffen, Presserecht, 6. Aufl., § 6 LPG Rn. 208 f.; HH-Ko/MedienR/Kröner, 2. Aufl., 33. Abschnitt Rn. 60; HH-Ko/MedienR/Breutz/Weyhe, 2. Aufl., 39. Abschnitt Rn. 55).
- 29
- Im Streitfall ist schon nicht festgestellt, ob und wann die Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit unter Namensnennung über das gegen den Kläger geführte Ermittlungsverfahren unterrichtete. Dies ergibt sich entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht bereits hinreichend klar aus den angefochtenen Meldungen. So ist aus dem Bericht vom 23. Januar 2012 nicht erkennbar, von wem die Information stammte, dass die Staatsanwaltschaft nunmehr auch gegen den Kläger ermittelte. Soweit in den Meldungen vom 23. Januar 2012 und vom 11. Februar 2012 von Erklärungen der Staatsanwaltschaft die Rede ist, ist denkbar, dass sich diese auf das Ermittlungsverfahren gegen namentlich nicht genannte Teilnehmer der Feier bezogen.
- 30
- b) Kann mangels Feststellungen des Berufungsgerichts zum Vorliegen eines Mindestbestandes an Beweistatsachen nicht von der Zulässigkeit der ursprünglichen Berichterstattung über den Verdacht, der Kläger habe eine schwere Sexualstraftat begangen, ausgegangen werden, so kann derzeit auch nicht beurteilt werden, ob das weitere Bereithalten der den Kläger identifizierenden Wortbeiträge zum Abruf aus dem Online-Archiv einen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellt.
- 31
- aa) Für den Fall, dass - wie von der Revision geltend gemacht - die Wortberichte ursprünglich unzulässig gewesen sein sollten, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ihr Bereithalten in dem Online- Archiv der Beklagten unzulässig ist, soweit sie den Kläger weiterhin identifizieren.
- 32
- (1) Eine abweichende Beurteilung wäre vorliegend nicht deshalb geboten , weil die Berichte vom 23. Januar 2012, 26. Januar 2012 und 11. Februar 2012 um den Zusatz in der Fußzeile ergänzt wurden, dass es sich um eine "Archivberichterstattung" handelt und das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger im April 2012 eingestellt wurde. So, wie schon mit den Berichten über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens vom 27. April 2012 zwangsläufig auch der dem Verfahren ursprünglich zugrunde liegende Verdacht transportiert und perpetuiert wurde, ist durch die nachträglich eingefügte Fußzeile bei den Berichten über die Einleitung und den Fortgang des Ermittlungsverfahrens dieser Verdacht nicht ausgeräumt worden. Denn beim Leser kann der Eindruck entstehen, dass der Kläger trotz der Verfahrenseinstellung "in Wahrheit" Täter der ihm vorgeworfenen Tat ist und lediglich die Strafverfolgung - zum Beispiel mangels ausreichender Beweise, wie in den Berichten vom 27. April 2012 erwähnt - nicht fortgeführt wurde (vgl. BVerfG, AfP 2009, 46 Rn. 15). Es ist aber gerade die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO, die nicht für, sondern gegen die Abrufbarkeit jedenfalls einer unzulässigen Berichterstattung in OnlineArchiven spricht. Sollte es nämlich schon anfangs an einem Mindestbestand an Beweistatsachen als Voraussetzung für eine zulässige Berichterstattung gefehlt haben und ist das Ermittlungsverfahren sodann mangels ausreichender Beweisgrundlage eingestellt worden, so gäbe es keinen anerkennenswerten Grund für die fortdauernde Abrufbarkeit der Berichte im Internet. Eine Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO dient - anders als eine Einstellung nach § 153a StPO (vgl. hierzu Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 25 mwN) - auch der Rehabilitation des Betroffenen (BGH, Beschluss vom 26. Juni 1990 - 5 AR (VS) 8/90, BGHSt 37, 79, 83); dieser Zweck wird durch die weitere Abrufbarkeit einer identifizierenden Verdachtsberichterstattung konterkariert. Ein anerkennenswertes Öffentlichkeitsinteresse, das bei Unzulässigkeit der ursprünglichen Berichterstattung schon von Anfang an als sehr gering eingeschätzt werden müsste, besteht demgegenüber im Hinblick auf die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO in noch geringerem Maße (vgl. Löffler/Steffen, Presserecht, 6. Aufl., § 6 LPG Rn. 211; Prinz/Peters, Medienrecht , Rn. 107, 272; HH-Ko/MedienR/Breutz/Weyhe, 2. Aufl., 39. Abschnitt Rn. 92; KG, NJW 1989, 397, 398; vgl. auch Wenzel/Burckhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 10 Rn. 167; Soehring in Soehring /Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 19 Rn. 37). Im Übrigen geht aus dem von der Beklagten eingefügten Zusatz in der Fußzeile nicht hervor, dass das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt wurde.
- 33
- (2) Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 16. Juli 2013 (abgedruckt in AfP 2014, 517) steht der Beurteilung, von Anfang an unzulässige Berichte dürften grundsätzlich auch nicht als Altmeldungen im Online-Archiv bereitgehalten werden, nicht entgegen. Der Gerichtshof hat es in dem dort zugrunde liegenden Fall für den Schutz des Einzelnen gemäß Art. 8 EMRK nicht für zwingend geboten gehalten, dass das nationale Gericht für rechtswidrige, in einem Online-Archiv zugreifbare Artikel die Löschung anordnet. Hierzu führt die Entscheidung aus, dass eine geltend gemachte Verletzung der von Art. 8 EMRK geschützten Rechte (Achtung des Privatlebens) durch geeignete Maßnahmen nach nationalem Recht behoben werden sollte (aaO Rn. 66). Den Vertragsstaaten komme aber ein weiter Einschätzungsspielraum bei der Bestimmung der Maßnahmen zu, um die Einhaltung der Konvention unter Berücksichtigung der Bedürfnisse und Ressourcen der Gemeinschaft und des Einzelnen zu gewährleisten (aaO Rn. 55). Wie sich aus dem von der Revisionserwiderung zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 10. März 2009 in dem Verfahren Times Newspapers Ltd. v. The United Kingdom Judgment (Bsw. 3003/03 und Bsw. 23676/03, Rn. 45) ergibt, ist der staatliche Ermessenspielraum bei der Abwägung zwischen den betroffenen Interessen noch größer, wenn es nicht um aktuelle Berichterstattung geht, sondern um Nachrichtenarchive über vergangene Ereignisse. Entscheidend ist, dass der Staat bzw. das nationale Gericht seine Verpflichtung erfüllt, den Umständen des jeweiligen Falles entsprechend einen Ausgleich zwischen den von Art. 10 EMRK gewährten Rechten einerseits und den von Art. 8 EMRK gewährten Rechten andererseits zu schaffen (EGMR, abgedruckt in AfP 2014, 517 Rn. 68). Dem trägt der oben genannte Grundsatz Rechnung. Hier kommt hinzu, dass der Kläger ohnehin nicht die vollständige Löschung der Beiträge aus dem Internet verlangt.
- 34
- bb) Für den Fall, dass - wie von der Revisionserwiderung geltend gemacht - die Wortberichterstattung ursprünglich zulässig gewesen sein sollte, könnte für die auch dann gebotene umfassende Abwägung der Grundrechtspositionen unter anderem von Bedeutung sein, welches Gewicht den Tatsachen zukam, die anfangs für eine Beteiligung des Klägers an einer Straftat sprachen.
II.
- 35
- Bildberichterstattung:
- 36
- Mit dem von dem Antrag des Klägers erfassten und im erstinstanzlichen Urteil ausgesprochenen Verbot, den Kläger identifizierend darstellende Bildnisse in den angegriffenen Beiträgen online zum Abruf bereitzuhalten, hat sich das Berufungsgericht bislang nicht gesondert befasst. Auch insoweit tragen die Feststellungen des Berufungsgerichts die Abweisung der Klage nicht.
- 37
- 1. Als Teil der Artikel vom 23. Januar, 26. Januar und 11. Februar 2012 und des zweiten Artikels vom 27. April 2012 dürfen die den Kläger zeigenden Bilder mangels dessen Einwilligung (§ 22 Satz 1 KUG) nur dann zum Abruf im Internet bereitgehalten werden, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) und durch die Verbreitung berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG). Anderenfalls steht dem Kläger ein Anspruch auf Unterlassung erneuter Verbreitung der in den Artikeln enthaltenen Bilder entsprechend §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, AfP 2010, 162 Rn. 31 f. mwN).
- 38
- Die Beurteilung, ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zuzuordnen ist, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits. Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen, wobei dieser Begriff alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse umfasst. Allerdings besteht das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Bei der Gewichtung der kollidierenden Interessen kommt dem Anlass und dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu, wobei der Informationsgehalt der Bildberichterstattung unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung zu ermitteln ist. Entscheidend ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - le- diglich die Neugier der Leser befriedigen (Senatsurteile vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO Rn. 33 ff.; vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, BGHZ 190, 52 Rn. 17 ff.; vom 8. März 2012 - VI ZR 125/12, AfP 2013, 399 Rn. 12 f.;jeweils mwN). Geht es um eine identifizierende Bildberichterstattung über den Verdacht einer Straftat, so ist darüber hinaus zu beachten, dass eine solche Berichterstattung in das Recht des Abgebildeten auf Schutz seiner Persönlichkeit eingreift , weil sie sein angebliches Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten von vornherein negativ qualifiziert (vgl. Senatsurteile vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO Rn. 34; vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, aaO Rn. 19 ff.). Insbesondere ist auch in diesem Zusammenhang im Hinblick auf die Unschuldsvermutung die Gefahr in den Blick zu nehmen, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und dass der Eindruck, der Abgebildete sei ein Straftäter, selbst bei einer späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens nicht beseitigt wird. Ob im Einzelfall dem Recht auf Schutz der Persönlichkeit oder dem Informationsinteresse Vorrang gebührt, hängt unter anderem von dem Verdachtsgrad ab, dem der Beschuldigte ausgesetzt war und gegebenenfalls noch ist (vgl. Senatsurteil vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, aaO Rn. 25).
- 39
- 2. Ob nach diesen Grundsätzen das Bereithalten der Fotos des Klägers als Teil der Berichterstattung zum Abruf im Internet zu beanstanden ist, kann ohne weitere Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Durch Anlass und Gegenstand der Berichterstattung werden die den Kläger in seinemBeruf als Fußballspieler zeigenden Bilder mit dem Verdacht, eine schwere Sexualstraftat begangen zu haben, in unmittelbare Verbindung gebracht. Ob dies berechtigte Interessen des Klägers verletzte bzw. verletzt, hängt unter anderem davon ab, ob und in welchem Umfang - jeweils zu dem Zeitpunkt, zu dem die Meldung erstmals "in das Netz" gestellt wurde, - Tatsachen vorlagen, die den Tatvorwurf stützten. Im Grundsatz kann auch bei der Bildberichterstattung davon ausgegangen werden, dass eine von Anfang an unzulässige Meldung auch nicht als Altmeldung im Online-Archiv zum Abruf bereitgehalten werden darf.
D.
- 40
- Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird - erforderlichenfalls nach ergänzendem Vortrag der Parteien - die notwendigen Feststellungen nachzuholen haben. Galke Wellner Stöhr von Pentz Müller
LG Köln, Entscheidung vom 17.12.2014 - 28 O 220/14 -
OLG Köln, Entscheidung vom 12.05.2015 - 15 U 13/15 -
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger wendet sich mit seinem Unterlassungsbegehren gegen eine ihn betreffende Online-Berichterstattung auf dem von der Beklagten betriebenen Internetportal "www.bild.de" während eines gegen ihn geführten Strafverfahrens.
- 2
- Der Kläger war bis zu seiner Verhaftung im März 2010 als Fernsehmoderator und Journalist tätig. Er betrieb außerdem ein Unternehmen, das meteorologische Daten erfasst und vertreibt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen ihn wegen des Verdachts der Vergewaltigung in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Ihm wurde vorgeworfen, am 9. Februar 2010 seine damalige Freundin zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Vom 20. März 2010 bis zum 29. Juli 2010 befand er sich in dieser Sache in Untersuchungshaft. In der vom 6. September 2010 bis zum 31. Mai 2011 dauernden Hauptverhandlung wurde er freigesprochen.
- 3
- Nach Anklageerhebung, aber vor Eröffnung des Hauptverfahrens berichtete die Beklagte am 13. Juni 2010 auf ihrem Internetportal unter der Überschrift "Der K….-Krimi: Neue Indizien aus der Tatnacht?" unter anderem wie folgt: "Der Fall K…. (51) wird immer pikanter: Laut dem Nachrichtenmagazin ‚Focus‘ soll jetzt auch ein sichergestellter Tampon die angebliche Verge- waltigung beweisen! Das Magazin veröffentlichte jetzt neue intime Details über die angebliche Tatnacht. So heißt es in Bezug auf das Treffen zwischen Jörg K… und Sabine W. (37) unter anderem: Die Ex-Freundin des Wettermoderators habe ‚auf ihn gewartet mit hochgezogenem Strickkleid‘. Und weiter: ‚wie üblich habe sie Handschellen und eine Reitgerte bereitgelegt ‘."
- 4
- Diese Informationen stammen aus der Einlassung des Klägers in seiner ersten richterlichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren. Das Protokoll über diese Vernehmung, das unter anderem folgende Passage enthält, wurde in der öffentlich geführten Hauptverhandlung am 13. September 2010 zu Beweiszwecken verlesen: "Es war dann so, das war das übliche Verfahren bei den Treffen, dass ich geklingelt habe, langsam die Treppe hoch ging, ich die Türe aufmachte , die angelehnt war, und sie wartete dann schon ausgezogen oder in diesem Fall mit schon hochgezogenem Strickkleidchen. In ihrem Besitz und zu ihrem Haushalt gehörten auch Handschellen, die sie in diesem Fall schon in der einen Hand hatte auch eine Reitgerte, die auch zu ihrem Haushalt gehörte, die immer bei ihr war und die sie dann jeweils , wenn sie Lust darauf hatte, bereitlegte."
- 5
- Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen , zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten: Die Ex-Freundin des Wet- termoderators habe ‚auf ihn gewartet mit hochgezogenem Strickkleid‘, ‚wieüblich habe sie Handschellen und eine Reitgerte bereitgelegt‘, wenn dies ge- schieht wie auf bild.de im Artikel vom 13.06.2010 mit der Überschrift "Der K….Krimi : Neue Indizien aus der Tatnacht?". Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 6
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil u.a. in ZUM 2012, 330 veröffentlicht ist, hat die Klage als zulässig angesehen. Grundsätzlich müsse die klagende Partei gemäß § 253 Abs. 2, 4, § 130 Nr. 1 ZPO ihre ladungsfähige Anschrift in der Klageschrift angeben. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass der Kläger unter der von ihm angegebenen Anschrift im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht hätte geladen werden können. Dass in einer anderen Rechtssache eine Zustel- lung unter dieser Anschrift fehlgeschlagen sei, lasse nicht darauf schließen, ob zur Zeit der Klageerhebung eine Zustellung hätte bewirkt werden können. Ebenso unerheblich sei, dass der Kläger bereits längere Zeit nicht mehr unter der angegebenen Anschrift amtlich gemeldet gewesen sei.
- 7
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu. Die beanstandeten Äußerungen beträfen zwar nicht den absolut geschützten Kernbereich seines Persönlichkeitsrechts, weil sie Gegenstand einer gegen ihn erhobenen Anklage seien und einen Bezug zu der vorgeworfenen Tat aufwiesen. Bei der vorzunehmenden Abwägung sei aber das Persönlichkeitsrecht des Klägers höher zu bewerten als das Berichterstattungsinteresse der Beklagten. Zu Gunsten des Klägers falle besonders ins Gewicht, dass es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren handele und ihm die Unschuldsvermutung zu Gute komme, die eine zurückhaltende, jedenfalls aber ausgewogene Berichterstattung verlange. Den beanstandeten Äußerungen komme für das Strafverfahren nur eine geringe Bedeutung zu. Zu dem eigentlichen Tatgeschehen wiesen sie keinen konkreten Bezug auf. Ein Hinweis auf die Bedeutung der beanstandeten Äußerung für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit gehe aus dem Artikel nicht hervor. Dagegen greife die Berichterstattung über praktizierte sexuelle Vorlieben des Klägers erheblich in dessen Persönlichkeitsrecht ein, weil diese einem Großteil der Leser in Erinnerung blieben. Der Kläger werde als eine Person mit sadomasochistischen Neigungen beschrieben. Die dadurch begründete "Prangerwirkung" werde durch den Freispruch nicht beseitigt. Während des laufenden Ermittlungsverfahrens bestehe kein derart weitgehendes Berichterstattungs- und Informationsinteresse.
- 8
- Eine abweichende Beurteilung sei nicht deshalb geboten, weil die Sexualpraktiken des Klägers in anderen Medien ebenfalls thematisiert und dadurch einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht worden seien. Die streitgegenständliche Veröffentlichung habe den Kreis der "Rezipienten" wesentlich erweitert und sei Anlass für verschiedene Medien gewesen, die dort mitgeteilten Tatsachen zum Sexualleben des Klägers nachfolgend aufzugreifen.
- 9
- Auch nach Verlesung des Protokolls der klägerischen Einlassung vor dem Haftrichter in der öffentlichen Hauptverhandlung sei die Berichterstattung über die einvernehmlich praktizierten sexuellen Vorlieben nicht zulässig geworden. Die Verlesung selbst habe Details aus dem Sexualverhalten des Klägers nur den im Gerichtssaal anwesenden Personen offenbart. Eine Breitenwirkung habe erst die auf die Verlesung erfolgte Medienberichterstattung erzielt. Diese habe jedoch nicht dazu geführt, dass die frühere streitgegenständliche Berichterstattung über das Sexualleben des Klägers nicht mehr in rechtswidriger Weise in das Persönlichkeitsrecht eingreife und eine Wiederholungsgefahr entfallen sei. Die Medien hätten auch über die öffentliche Hauptverhandlung nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung nur zurückhaltend und maßvoll berichten dürfen. Aus dem in § 169 GVG normierten Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen folge kein Recht der Presse, über sämtliche in der öffentlichen Verhandlung erörterten Inhalte zu berichten. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger keinen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 171b GVG gestellt habe.
II.
- 10
- Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG nicht zu.
- 11
- 1. Zu Recht hat allerdings das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision die Zulässigkeit der Klage bejaht.
- 12
- a) Der Kläger muss in der Klageschrift grundsätzlich eine ladungsfähige Anschrift angeben, weil hierdurch seine Bereitschaft dokumentiert wird, auf Anordnung des Gerichts persönlich zu erscheinen, und gewährleistet ist, dass er den Prozess nicht aus dem Verborgenen führt, um sich eventueller nachteiliger Folgen, insbesondere der Kostenpflicht im Fall des Unterliegens, zu entziehen (BGH, Urteile vom 9. Dezember 1987 - IVb ZR 4/87, BGHZ 102, 332, 335 f.; vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02, NJW-RR 2004, 1503; Beschluss vom 1. April 2009 - XII ZB 46/08, NJW-RR 2009, 1009 Rn. 11).
- 13
- b) Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei keinen Mangel der Klageschrift angenommen, der zur Unzulässigkeit der Klage führt. Es hat ausgeführt, es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass gerichtliche Schriftstücke, insbesondere Ladungen, den Kläger unter der angegebenen Anschrift nicht erreicht hätten. Aus dem Schreiben des Kantonsgerichts A. A. vom 2. Dezember 2011 ergebe sich zwar, dass der Kläger unter der angegebenen Anschrift nicht mehr gemeldet sei, und ein Zustellungsersuchen in einer anderen Sache deshalb nicht habe erledigt werden können. Es sei aber nicht erwiesen, dass Zustellungen im Zeitpunkt der Klageerhebung dort nicht möglich gewesen seien. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Für die Möglichkeit einer Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO kommt es nicht auf die Anmeldung eines Wohnsitzes an, sondern auf die tatsächliche Benutzung der Wohnung zum Aufenthalt. Nicht jede vorübergehende Abwesenheit , selbst wenn sie länger dauert, hebt die Eigenschaft jener Räume als einer Wohnung im Sinne der Zustellungsvorschriften auf. Diese Eigenschaft geht vielmehr erst verloren, wenn sich während der Abwesenheit des Zustellungsempfängers auch der räumliche Mittelpunkt seines Lebens an den neuen Aufenthaltsort verlagert (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1993 - XII ZR 120/92, NJW-RR 1994, 564 f.). Dass eine Zustellung am 2. Dezember 2011 nicht ausführbar war, besagt nicht, dass dies auch schon zum Zeitpunkt der früher erfolgten Zustellung der Klage der Fall gewesen wäre. Die ordnungsgemäße Klageerhebung ist eine Prozessvoraussetzung, die ihrer Natur nach nur bei der Einleitung des Verfahrens vorliegen muss. Deshalb bleibt die Klage zulässig, wenn erst im Lauf des Prozesses die ladungsfähige Anschrift entfällt (BGH, Urteil vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02, aaO; Beschluss vom 1. April 2009 - XII ZB 46/08, aaO Rn. 12). Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Kläger seine Anschrift verbergen wollte, um sich negativen prozessualen Folgen zu entziehen.
- 14
- 2. Die Klage ist aber nicht begründet, weil dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zusteht.
- 15
- a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die angegriffenen Äußerungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtigen. Die Berichterstattung über Sexualpraktiken, die der Kläger in seiner Beziehung zur Anzeigeerstatterin angewandt haben soll, berührt das Persönlichkeitsrecht.
- 16
- b) Im Ausgangspunkt zutreffend sind auch die rechtlichen Grundsätze, welche das Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat.
- 17
- aa) Das Berufungsgericht hat es zu Recht für geboten erachtet, über den Unterlassungsantrag aufgrund einer Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 35; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, VersR 2013, 63 Rn. 10; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, VersR 2013, 321 Rn. 11).
- 18
- Geht es um eine Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat, so ist zu berücksichtigen, dass Straftaten zum Zeitgeschehen gehören, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen , begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 204; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 14; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, aaO Rn. 38; BVerfGE 35, 202, 230 f.; BVerfG NJW 2009, 3357 Rn. 18).
- 19
- Handelt es sich um die Berichterstattung über ein noch nicht abgeschlossenes Strafverfahren, so ist im Rahmen der Abwägung allerdings auch die zugunsten des Betroffenen sprechende, aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende und in Art. 6 Abs. 2 EMRK anerkannte Unschuldsvermutung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, VersR 2013, 63 Rn. 14; BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14; NJW 2009, 3357 Rn. 20). Diese gebietet eine entsprechende Zurückhaltung , mindestens aber eine ausgewogene Berichterstattung (vgl. BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14). Außerdem ist eine mögliche Prangerwirkung zu berücksichtigen, die durch die Medienberichterstattung bewirkt werden kann (vgl. BVerfGE 119, 309, 323; BVerfG, aaO). Im Hinblick darauf kann bis zu einem erstinstanzlichen Freispruch oftmals das Recht auf Schutz der Persönlichkeit und Achtung des Privatlebens gegenüber der Freiheit der Berichterstattung überwiegen (BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 20; Senatsurteil vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, BGHZ 190, 52 Rn. 25).
- 20
- bb) Zutreffend hat das Berufungsgericht die Berichterstattung im Zeitpunkt der Veröffentlichung als rechtswidrig beurteilt.
- 21
- (1) Mit Recht hat das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung die in Rede stehenden Äußerungen der Privatsphäre des Klägers zugeordnet.
- 22
- Auch wenn die Voraussetzungen der Verdachtsberichterstattung (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO 203 f.; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, aaO Rn. 26) erfüllt sind, dürfen die Medien über die Person des Verdächtigen nicht schrankenlos berichten. Vielmehr ist für jeden einzelnen Umstand aus dem persönlichen Lebensbereich, der Gegenstand der angegriffenen Medienberichterstattung ist, aufgrund einer Abwägung zu entscheiden, ob das Schutzinteresse des Betroffenen das Interesse an einer Berichterstattung überwiegt. Bei der Beurteilung des dem Persönlichkeitsrecht dabei zukommenden Gewichts ist - wie auch sonst bei der Medienberichterstattung über personenbezogene Umstände (vgl. Senatsurteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 13) - von entscheidender Bedeutung , ob das Thema der Berichterstattung der Intimsphäre, der Privatsphäre oder der Sozialsphäre zuzuordnen ist.
- 23
- Ob ein Sachverhalt dem Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung angehört, hängt davon ab, ob der Betroffene ihn geheim halten will, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 11; BVerfGE 80, 367, 374; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 25). Ob ein Vorgang die Intim- oder die Privatsphäre betrifft, hängt auch davon ab, in welchem Umfang Einzelheiten berichtet werden (vgl. Senatsurteil vom 29. Juni 1999 - VI ZR 264/98, VersR 1999, 1250, 1251; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 49). Dem unantastbaren Kernbereich gehören grundsätzlich Ausdrucksformen der Sexualität an (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, aaO; BVerfGE 119, 1, 29 f.; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 25 f.).
- 24
- Sexualstraftaten gehören aber, weil sie einen gewalttätigen Übergriff in das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und zumeist auch in das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Opfers beinhalten, nicht der absolut geschützten Intimsphäre des Tatverdächtigen an (BVerfG, aaO Rn. 26).
- 25
- Danach fallen die berichteten Umstände nicht in den absolut geschützten Kernbereich des Persönlichkeitsrechts.
- 26
- (2) Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit wird, was das Berufungsgericht nicht verkannt hat, durch die prominente Stellung des Klägers erhöht. Schon die prominente Stellung des Klägers kann ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit an seinem Alltagsleben begründen, selbst wenn sich sein Verhalten weder in skandalösen noch in rechtlich oder sittlich zu beanstandenden Verhaltensweisen äußert (BVerfG, BVerfGE 120, 180, 203 f.). Wegen seiner Prominienz berührt das Verhalten des Klägers die Belange der Gemeinschaft noch stärker, wenn der Vorwurf der Begehung einer Straftat im Raum steht, als dies bei nicht prominenten Personen der Fall wäre (vgl. BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 28).
- 27
- (3) Zu Gunsten des Klägers fällt aber ins Gewicht, dass die streitgegenständliche Äußerung aus seiner Einlassung bei der nicht öffentlichen Vernehmung anlässlich der Eröffnung des Haftbefehls stammt. Richterliche Vernehmungen außerhalb der Hauptverhandlung sind nicht nur nichtöffentlich; es ist grundsätzlich auch unzulässig, Medienvertretern die Anwesenheit bei solchen Vernehmungen zu gestatten (Erb in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 168c Rn. 25).
- 28
- (4) Da die Berichterstattung während eines laufenden Strafverfahrens erfolgte , ist zu Gunsten des Klägers im Rahmen der Abwägung die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 14; BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, aaO Rn. 20). Dies gebietet Zurückhaltung bei der Mitteilung von Einzelheiten aus dem privaten Lebensbereich, deren Kenntnis zur Befriedigung des berechtigten Informationsinteresses nicht zwingend erforderlich ist. Der Unschuldsvermutung kommt hier besonderes Gewicht zu, weil die streitgegenständliche Veröffentlichung noch vor Beginn der Hauptverhandlung, mithin in einem frühen Stadium des Strafverfahrens erfolgte.
- 29
- Dass es sich bei den in Rede stehenden Äußerungen nicht um die dem Kläger vorgeworfene Straftat selbst handelt, sondern um wahre Tatsachenbehauptungen aus seiner Einlassung zum Tatvorwurf, steht der Berücksichtigung der Unschuldsvermutung im Rahmen der Abwägung nicht entgegen. Denn auch eine wahre Tatsachenbehauptung kann das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussage geeignet ist, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden droht (Senatsurteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 20; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197 Rn. 37 mwN). Deshalb hat das Berufungsgericht bei der Abwägung zu Gunsten des Klägers zu Recht berücksichtigt, dass er als Person mit sadomasochistischen Neigungen dargestellt wird und dies seinem Ansehen in der Öffentlichkeit abträglich sein kann. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht garantiert grundsätzlich, die eigenen Ausdrucksformen der Sexualität für sich zu behalten und sie in einem dem Zugriff anderer entzogenen Freiraum zu erleben (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 12; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 26).
- 30
- c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist allerdings das Unterlassungsbegehren des Klägers gleichwohl nicht begründet. Ein Unterlassungsanspruch besteht nicht, weil nach Verlesung des Protokolls über die haftrichterliche Vernehmung des Klägers in der öffentlichen Hauptverhandlung vom 13. September 2010 die gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen ist.
- 31
- aa) Die Wiederholungsgefahr ist eine materielle Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs. Wenn sie entfällt, erlischt auch der zukunftsgerichtete Unterlassungsanspruch (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, VersR 2005, 84, 85 mwN; vom 21. Juni 2005 - VI ZR 122/04, VersR 2005, 1403; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, VersR 2009, 1417 Rn. 28; siehe auch BVerfG VersR 2007, 849 Rn. 34). Eine rechtswidrige Beeinträchtigung in der Vergangenheit begründet in der Regel die tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr (Senatsurteile vom 27. Mai 1986 - VI ZR 169/85, VersR 1986, 1075, 1077; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 29 mwN). Die Wiederholungsgefahr kann allerdings dann nicht ohne weiteres aufgrund einer bereits geschehenen Rechtsverletzung vermutet werden, wenn durch die Veränderung tatsächlicher Umstände nunmehr die Berichterstattung als rechtlich zulässig zu beurteilen ist (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 18). Wer in der Vergangenheit in seinen Rechten verletzt wurde, hat keinen Anspruch darauf, dass ein Verhalten unterlassen wird, das sich inzwischen als nicht mehr rechtswidrig darstellt (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 17). Das kommt hier in Betracht, weil die künftige Veröffentlichung der beanstandeten Aussage nur in anderer Form in die Öffentlichkeit tragen würde, was die Presse aus Anlass der Verlesung des fraglichen Vernehmungsprotokolls in der öffentlichen Hauptverhandlung zulässigerweise berichtete (vgl. BVerfG, aaO Rn. 32).
- 32
- bb) Da die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nach der Verlesung des Vernehmungsprotokolls erfolgte Berichterstattung in den Medien noch während der laufenden Hauptverhandlung erfolgte, ist zu Gunsten des Klägers im Rahmen der Abwägung auch hier insbesondere die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen, welche eine entsprechende Zurückhaltung bei der Berichterstattung gebot. Zu beachten ist wiederum, dass auch eine wahre Tatsachenbehauptung das Persönlich- keitsrecht des Betroffenen verletzen kann, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind (vgl. Senatsurteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 20; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197 Rn. 37, jeweils mwN). Hier wurde mit wenigen Sätzen berichtet, dass nach der Schilderung des Klägers sein Treffen mit der Anzeigeerstatterin auf einvernehmlichen geschlechtlichen Verkehr - auch in sadomasochistischer Form - angelegt war. Es kann unterstellt werden, dass den Beschwerdeführer durch die Berichterstattung eine erhebliche soziale Missbilligung treffen kann. Allein von der tagesaktuellen Berichterstattung, die mit dem Abschluss des Verfahrens ein Ende findet, geht indes keine derart schwerwiegende Stigmatisierung in einer solchen Breitenwirkung aus, dass eine dauerhafte oder lang anhaltende soziale Ausgrenzung zu befürchten wäre, die hier in der Abwägung das Berichterstattungsinteresse überwiegen müsste (vgl. BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 29).
- 33
- Auf Seiten der Beklagten ist das große Interesse der Öffentlichkeit an dem Strafverfahren und vor allem an der Hauptverhandlung gegen den prominenten und als Fernsehmoderator sehr bekannten Kläger zu berücksichtigen, welches die intensive Berichterstattung in den Medien widerspiegelt. Bei einem Strafverfahren ist regelmäßig die Kenntnis der Einlassung des Angeklagten für die Beurteilung des weiteren Verfahrensverlaufs und das Verständnis der Beweiserhebungen sowie die Würdigung der Beweisergebnisse in der Hauptverhandlung von erheblicher Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 1983 - 4 StR 550/83, juris Rn. 5; Urteil vom 30. September 2010 - 4 StR 150/10, juris Rn. 23 mwN, insoweit in NStZ-RR 2011, 82 nicht abgedruckt). Eine ausgewogene Prozessberichterstattung kann deshalb kaum auf die Wiedergabe der Einlassung verzichten. Insbesondere bei dem hier erhobenen Vorwurf der schweren Vergewaltigung war die Einlassung von zentraler Bedeutung für die Berichterstattung und für die öffentliche Meinungsbildung hinsichtlich eines möglichen Geschehensablaufs in der Tatnacht und die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Beteiligten, so dass ein enger Bezug zu dem eigentlichen Tatvorwurf besteht. Unter diesen Umständen ist die Wiederholungsgefahr nicht mehr gegeben, weil ein überwiegendes Schutzinteresse des Klägers einer aktuellen Berichterstattung hinsichtlich der angegriffenen, seiner Einlassung entstammenden Aussagen nach deren Verlesung in der Hauptverhandlung nicht mehr entgegenstände, nachdem sie durch die Verlesung des Vernehmungsprotokolls in öffentlicher Hauptverhandlung einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden sind. Damit bestand ab diesem Zeitpunkt der Unterlassungsanspruch nicht mehr.
- 34
- cc) Soweit der Kläger begehrt, der Beklagten eine zukünftige Veröffentlichung wie in dem Artikel vom 13. Juni 2013 zu untersagen, scheitert ein Unterlassungsanspruch am Fehlen einer Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr, die eine - vom Kläger darzulegende - Anspruchsvoraussetzung ist (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 17 und vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 28 ff.). Insoweit kann die Gefahr einer drohenden Rechtsverletzung neu entstehen, nachdem zuvor der Anspruch erloschen ist. Dafür reicht jedoch die bloße Möglichkeit eines erneuten Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Klägers durch die Beklagte ohne konkrete Hinweise darauf nicht aus. Die drohende Verletzungshandlung müsste sich vielmehr in tatsächlicher Hinsicht so konkret abzeichnen, dass eine zuverlässige Beurteilung unter rechtlichen Gesichtspunkten möglich wäre (vgl. Senatsurteil vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 30 mwN). Eine dafür erforderliche drohende Rechtsverletzung seitens der Beklagten hat der Kläger nicht dargelegt. Sie ist auch nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass der Kläger in dem Strafverfahren freigesprochen worden ist, vermag die für den Unterlassungsanspruch er- forderliche konkrete Gefahr einer Rechtsverletzung durch die Beklagte jedenfalls noch nicht zu begründen. Galke Wellner Diederichsen Pauge Stöhr
LG Köln, Entscheidung vom 22.06.2011 - 28 O 956/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 14.02.2012 - 15 U 123/11 -
BUNDESGERICHTSHOF
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Wellner und Stöhr und die Richterinnen von Pentz und Müller
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger, ein deutschlandweit bekannter Fußballprofi, nimmt die Beklagte in Anspruch, es zu unterlassen, fünf Beiträge in deren Online-Archiv zum Abruf bereitzuhalten, soweit in identifizierbarer Weise über ihn berichtet wird. Zudem verlangt er Erstattung seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten.
- 2
- Die Beiträge berichten über ein Ermittlungsverfahren, das Anfang des Jahres 2012 gegen den Kläger wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen eingeleitet worden war. Hintergrund war die Strafanzeige einer jungen Frau, die behauptete, nach einer Feier im Haus des Klägers von einem oder mehreren Männern mit sogenannten K.O.Tropfen betäubt und anschließend missbraucht worden zu sein.
- 3
- Im April 2012 stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO ein.
- 4
- Im Zeitraum von Januar bis April 2012 berichtete die Beklagte - wie auch weitere Nachrichtenportale - auf ihrem Onlineportal mit insgesamt sechs Artikeln über das Ermittlungsverfahren unter namentlicher Nennung des Klägers. Fünf Artikel, von denen vier mit einem Lichtbild des Klägers versehen sind, sind derzeit - jeweils mit Datumsangabe gekennzeichnet - noch im Online-Archiv der Beklagten abrufbar und durch eine gezielte Suche zum Ermittlungsverfahren über Suchmaschinen auffindbar. Die Artikel vom 23. Januar 2012, 26. Januar 2012 und 11. Februar 2012 befassen sich mit der Einleitung bzw. dem Fortgang des Ermittlungsverfahrens, zwei Artikel vom 27. April 2012 mit dessen Einstellung.
- 5
- Nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens ergänzte die Beklagte die Artikel vom 23. Januar 2012, 26. Januar 2012 und 11. Februar 2012 um eine Fußzeile mit folgendem Inhalt: "Anmerkung der Redaktion: Bei dem Artikel handelt es sich um eine Archivberichterstattung vom … Das Ermittlungsverfahren gegen [Name des Klägers] wurde im April 2012 eingestellt."
- 6
- Auf eine außergerichtliche Aufforderung des Klägers, alle das Ermittlungsverfahren betreffenden Artikel aus dem Onlineportal zu löschen, teilte die Beklagte mit, die geforderte Löschung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht vorzunehmen. Sie löschte jedoch lediglich einen Artikel vom 21. Januar 2012, in dem erstmalig über den Sachverhalt berichtet worden war. Auf eine erneute Aufforderung des Klägers unter konkreter Nennung aller weiteren Artikel verweigerte die Beklagte deren Löschung. Auf die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung reagierte die Beklagte nicht.
- 7
- Das Landgericht hat es der Beklagten antragsgemäß verboten, die fünf verbliebenen Beiträge online zum Abruf bereitzuhalten, soweit in identifizierbarer Weise durch namentliche Nennung und/oder Bildnisveröffentlichung über den Kläger berichtet wird. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter.
Entscheidungsgründe:
A.
- 8
- Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass dem Kläger gegen die Beklagte kein Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 BGB analog i.V.m. Art. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zustehe, weil die weitere Bereithaltung der ihn identifizierenden Berichte im Online-Archiv nicht rechtswidrig in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreife.
- 9
- Allerdings stelle das Bereithalten der Berichte im Internet einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers dar, weil hiermit sein angebliches Fehlverhalten öffentlich gemacht und seine Person in den Augen der Adressaten - auch bei einer bloßen Verdachtsberichterstattung - negativ qualifiziert werde.
- 10
- Die notwendige Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens mit dem Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit führe im Streitfall jedoch zu dem Ergebnis, dass der Kläger die weitere Vorhaltung der Berichterstattung im Online-Archiv der Beklagten zu dulden habe.
- 11
- Bei der beanstandeten Berichterstattung der Beklagten handele es sich um wahre Tatsachenbehauptungen in Form der Verdachtsberichterstattung. Diese sei ursprünglich angesichts der Schwere des in Rede stehenden Delikts und der Prominenz des Klägers zulässig gewesen, da die Beklagte in allen fünf angegriffenen Beiträgen in ausgewogener Art und Weise über den Tatvorwurf und den Gang des Verfahrens berichtet habe. Bei der Abwägung der gegenseitigen Interessen könne nicht festgestellt werden, dass dem Kläger trotz der Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die fortwährende Bereithaltung der Berichterstattung eine besondere Stigmatisierung oder Ausgrenzung drohe. Alle fünf Beiträge entsprächen auch heute noch der Wahrheit und seien angesichts des Nachtrags über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens weder unvollständig noch spiegelten sie den Anschein einer nicht bestehenden Aktualität vor. Zwar habe der Kläger ein Interesse daran, mit dem Vorwurf einer Sexualstraftat , dem in der Öffentlichkeit ein besonders hohes Unwerturteil beigemessen werde, nicht mehr konfrontiert zu werden. Allerdings berichte die Beklagte in den angegriffenen Beiträgen nicht in einer Art und Weise, durch die der durchschnittliche Rezipient von einer Schuld oder Strafbarkeit des Klägers ausgehe , sondern stelle lediglich einen früher gegen diesen bestehenden Verdacht dar. Außerdem bestehe aufgrund der Art des Delikts, der Beteiligten sowie der Tatumstände ein hohes öffentliches Informationsinteresse. Zudem gehe von den Beiträgen der Beklagten auch keine erhebliche Breitenwirkung aus, da diese nur bei einer gezielten Suche zu finden seien. Um die durch eine Verdachtsberichterstattung hervorgerufene Störung abzustellen, sei ein Nachtrag geeig- net, erforderlich, aber im Hinblick auf den Schutz der Pressefreiheit auch ausreichend.
B.
- 12
- Die Revision ist zulässig. Angegriffen ist entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nach wie vor allein das Bereithalten der den Kläger identifizierenden Altmeldungen in dem Online-Archiv der Beklagten.
C.
- 13
- Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen die Annahme, das weitere Bereithalten der den Kläger identifizierenden Wort- und Bildbeiträge sei rechtmäßig, nicht.
I.
- 14
- Wortberichterstattung:
- 15
- 1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass das Bereithalten der angegriffenen Wortbeiträge zum Abruf im Internet einen Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers darstellt. Denn die Berichterstattung über ein Ermittlungsverfahren unter namentlicher Nennung des Beschuldigten beeinträchtigt zwangsläufig dessen Recht auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufes, weil sie sein mögliches Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten negativ qualifiziert (Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 202 f. mwN; vom 18. November 2014 - VI ZR 76/14, BGHZ 203, 239 Rn. 31; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rn. 9 mwN). Dies gilt nicht nur bei aktiver Informationsübermittlung durch die Medien, wie es im Rahmen der herkömmlichen Berichterstattung in Tagespresse, Rundfunk oder Fernsehen geschieht, sondern auch dann, wenn - wie im Streitfall - den Beschuldigten identifizierende Inhalte lediglich auf einer passiven Darstellungsplattform im Internet zum Abruf bereitgehalten werden. Diese Inhalte sind nämlich grundsätzlich jedem interessierten Internetnutzer zugänglich (Senatsurteile vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 10 mwN; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, AfP 2012, 372 Rn. 34 mwN; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO; vom 13. November 2012 - VI ZR 330/11, AfP 2013, 54 Rn. 8).
- 16
- An dem Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass mit den Beiträgen vom 27. April 2012 über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens berichtet wurde und in der Fußzeile zu den Beiträgen vom 23. Januar 2012, 26. Januar 2012 und 11. Februar 2012 auf die Einstellung hingewiesen wurde. Denn alleine der Umstand, dass über vergangene Ermittlungen gegen den Kläger wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen berichtet wird, birgt die Gefahr, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und trotz der späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens vom Schuldvorwurf "etwas hängenbleibt" (Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 203; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 14; jeweils mwN).
- 17
- Entgegen der Auffassung der Revision ist zwar nicht die absolut geschützte Intimsphäre des Klägers betroffen. Denn sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen, um den es in dem Ermittlungsverfahren ging, ist in § 179 StGB unter Strafe gestellt. Wäre eine Sexualstraftat begangen worden, fiele sie nicht in den unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 17; vom 19. März 2013 - VI ZR 93/12, AfP 2013, 250 Rn. 21 ff. mwN; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 26). Das Bereithalten von Berichten , die den Verdacht zum Gegenstand haben, der Kläger habe nach Einsatz von K.O.-Tropfen eine schwere Sexualstraftat begangen, stellt aber einen schwerwiegenden Eingriff in dessen persönliche Ehre dar (vgl. Senatsurteil vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 24).
- 18
- 2. Ebenfalls zutreffend hat es das Berufungsgericht für geboten erachtet, über den Unterlassungsantrag aufgrund einer Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO Rn. 22; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 10; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, aaO Rn. 11; jeweils mwN).
- 19
- 3. Ein solches Überwiegen hat das Berufungsgericht jedoch rechtsfehlerhaft verneint.
- 20
- a) Im Rahmen der Abwägung ist von erheblicher Bedeutung, ob die Tatsachenbehauptungen in den angegriffenen Beiträgen im Zeitpunkt ihrer erstmaligen Veröffentlichung zulässig waren (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, aaO 2. Leitsatz u. Rn. 18). Da Gegenstand der Berichterstattung nicht nur das Ermittlungsverfahren, sondern auch der von der Beklagten als "Anfangsverdacht" bezeichnete Verdacht ist, der namentlich benannte Kläger habe eine 21jährige Frau anlässlich einer Feier in seinem Haus betäubt und sexuell missbraucht oder Beihilfe hierzu geleistet, müssen die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung erfüllt sein (Senatsurteil vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 203). Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht dies angenommen hat.
- 21
- Sie ist mit diesem Einwand nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger in den Vorinstanzen die Unzulässigkeit der ursprünglichen Verdachtsberichterstattung für nicht streiterheblich gehalten hat. Denn dabei handelt es sich um eine rechtliche Vorfrage, deren Beantwortung für die Beurteilung des streitgegenständlichen Unterlassungsanspruchs unabdingbar ist. Sie ist daher von den Gerichten auch dann zu prüfen, wenn die Parteien diese Frage für unerheblich halten; sollte hierzu weiterer Tatsachenvortrag der Parteien erforderlich sein, ist darauf gemäß § 139 Abs. 2 ZPO hinzuweisen. Dementsprechend haben sich die Vorinstanzen zu Recht - wenn auch nicht umfassend - mit der Frage befasst, ob die Berichterstattung im Zeitpunkt ihrer erstmaligen Veröffentlichung zulässig war.
- 22
- aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats und des Bundesverfassungsgerichts darf eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt un- geklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (Art. 5 GG, § 193 StGB). Eine Berufung hierauf setzt voraus, dass vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt werden. Die Pflichten zur sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt richten sich dabei nach den Aufklärungsmöglichkeiten. Sie sind für die Medien grundsätzlich strenger als für Privatleute. An die Wahrheitspflicht dürfen im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen. Andererseits sind die Anforderungen umso höher, je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, aaO, 23 f. mwN; vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 203 f. mwN; vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 35 mwN; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO Rn. 26 mwN; vom 18. November 2014 - VI ZR 76/14, aaO Rn. 15).
- 23
- Diese Grundsätze gelten auch für die Berichterstattung über Ermittlungsverfahren unter namentlicher Nennung des Beschuldigten. In diesem Verfahrensstadium steht lediglich fest, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde , in der Regel ist aber nicht geklärt, ob der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Straftat begangen hat. Zwar gehört es zu den legitimen Aufgaben der Medien , Verfehlungen - auch konkreter Personen - aufzuzeigen (Senatsurteile vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 12; vom 13. November 2012 - VI ZR 330/11, aaO Rn. 11; BVerfG, AfP 2012, 143 Rn. 39; jeweils mwN). Dies gilt auch für die Berichterstattung über eine Straftat, da diese zum Zeitgeschehen gehört und die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung von Rechtsgütern der betroffenen Bürger oder der Gemeinschaft ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter begründen kann (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 204; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, aaO Rn. 14; vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, BGHZ 190, 52 Rn. 19; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 13; BVerfG, AfP 2009, 46 Rn. 11; AfP 2009, 365 Rn. 18; EGMR, EuGRZ 2012, 294 Rn. 96; jeweils mwN). Besteht allerdings - wie im Ermittlungsverfahren - erst der Verdacht einer Straftat, so sind die Medien bei besonderer Schwere des Vorwurfs angesichts des damit verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in die persönliche Ehre in besonderem Maße zu sorgfältigem Vorgehen verpflichtet (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, aaO, 24; vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 203; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO Rn. 28 mwN). Dabei ist im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende und in Art. 6 Abs. 2 EMRK anerkannte Unschuldsvermutung die Gefahr in den Blick zu nehmen, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und deshalb im Fall einer späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens oder eines Freispruchs vom Schuldvorwurf "etwas hängenbleibt" (Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 203; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 14; jeweils mwN; vgl. auch BVerfG, AfP 2009, 46 Rn. 15).
- 24
- Erforderlich ist jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst "Öffentlichkeitswert" verleihen. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie darf also nicht durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 203 f. mwN; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO Rn. 26; vom 18. November 2014 - VI ZR 76/14, aaO Rn. 16 mwN; vgl. auch BVerfGK 9, 317, 322).
- 25
- bb) Im Streitfall tragen die Feststellungen des Berufungsgerichts dessen Annahme, die Beklagte habe die Erfordernisse einer zulässigen Verdachtsberichterstattung eingehalten, nicht. Über den Umstand hinaus, dass gegen den Kläger aufgrund einer Anzeige ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen eingeleitet worden war, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen zum Vorliegen von Beweistatsachen getroffen, die für den Wahrheitsgehalt dieses Verdachts gesprochen haben.
- 26
- (1) Die bloße Tatsache der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens als solche genügt jedenfalls nicht für die Annahme des Vorliegens eines Mindestbestands an Beweistatsachen (Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 19 Rn. 36; Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 272; BeckOK InfoMedienR/ Söder, § 823 BGB Rn. 244 (Stand: 01.11.2015); HH-Ko/MedienR/Kröner, 2. Aufl., 33. Abschnitt Rn. 59; Lehr, NJW 2013, 728, 730; Schumacher, K&R 2014, 381, 382 Fn. 14). Die Staatsanwaltschaft hat schon beim Vorliegen eines Anfangsverdachts Ermittlungen aufzunehmen (vgl. § 152 Abs. 2, § 160 Abs. 1 StPO). Dafür ist bereits ausreichend, dass aufgrund zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte nach kriminalistischer Erfahrung die bloße Möglichkeit einer verfolgbaren Straftat gegeben ist (BGH, Urteil vom 21. April 1988 - III ZR 255/86, NJW 1989, 96, 97; BVerfGK 3, 55, 61; jeweils mwN). Die Schwelle für die Annahme eines Anfangsverdachts liegt damit niedrig (vgl. BVerfG, NJW 2002, 1411, 1412); es genügen schon entferntere Verdachtsgründe (BVerfG, NJW 1994, 783; NJW 1994, 783, 784), die eine geringe, wenngleich nicht nur theoretische Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer ver- folgbaren Straftat begründen (Beulke in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 152 Rn. 23). So müssen die Ermittlungsbehörden auch auf völlig unbegründete , unter Umständen wider besseres Wissen in Schädigungsabsicht erstattete Strafanzeigen hin tätig werden (Soehring, aaO).
- 27
- (2) Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich nichts Weitergehendes herleiten. Ihnen ist insbesondere nicht zu entnehmen, dass - wie die Revisionserwiderung geltend gemacht hat - die angegriffenen Beiträge auf den Kläger identifizierenden amtlichen Verlautbarungen der Staatsanwaltschaft beruhen.
- 28
- Zwar ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass den Verlautbarungen amtlicher Stellen ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden darf (Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO Rn. 30; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 30; BVerfG, AfP 2010, 365 Rn. 35; jeweils mwN). Dies beruht auf der Erwägung, dass Behörden in ihrer Informationspolitik unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind und Amtsträger, wenn sie vor der Frage stehen, ob die Presse über amtliche Vorgänge informiert werden soll, die erforderliche Abwägung zwischen dem Informationsrecht der Presse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vorzunehmen haben (Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, aaO; BVerfG, AfP 2010, 365 Rn. 35; jeweils mwN). Verletzen sie ihre Amtspflichten, kann ein Schadensersatzanspruch des Betroffenen wegen einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen die zuständige Gebietskörperschaft als Träger der Behörde gegeben sein (Senatsurteil vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO mwN; vgl. auch BGH, Urteile vom 17. März 1994 - III ZR 15/93, NJW 1994, 1950, 1951 ff.; vom 23. Oktober 2003 - III ZR 9/03, NJW 2003, 3693, 3697). Daher ist regelmäßig die Annahme gerechtfertigt, dass eine unmittelbar an die Grund- rechte gebundene, auf Objektivität verpflichtete Behörde wie die Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit erst dann unter Namensnennung über ein Ermittlungsverfahren unterrichten wird, wenn sich der zugrunde liegende Tatverdacht bereits einigermaßen erhärtet hat (BVerfG, AfP 2010, 365 Rn. 35). Auch das entlastet die Medien allerdings nicht von der Aufgabe der Abwägung und Prüfung, ob im Übrigen nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung eine Namensnennung des Betroffenen gerechtfertigt ist (Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz, 3. Aufl., Rn. 64; Löffler/Steffen, Presserecht, 6. Aufl., § 6 LPG Rn. 208 f.; HH-Ko/MedienR/Kröner, 2. Aufl., 33. Abschnitt Rn. 60; HH-Ko/MedienR/Breutz/Weyhe, 2. Aufl., 39. Abschnitt Rn. 55).
- 29
- Im Streitfall ist schon nicht festgestellt, ob und wann die Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit unter Namensnennung über das gegen den Kläger geführte Ermittlungsverfahren unterrichtete. Dies ergibt sich entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht bereits hinreichend klar aus den angefochtenen Meldungen. So ist aus dem Bericht vom 23. Januar 2012 nicht erkennbar, von wem die Information stammte, dass die Staatsanwaltschaft nunmehr auch gegen den Kläger ermittelte. Soweit in den Meldungen vom 23. Januar 2012 und vom 11. Februar 2012 von Erklärungen der Staatsanwaltschaft die Rede ist, ist denkbar, dass sich diese auf das Ermittlungsverfahren gegen namentlich nicht genannte Teilnehmer der Feier bezogen.
- 30
- b) Kann mangels Feststellungen des Berufungsgerichts zum Vorliegen eines Mindestbestandes an Beweistatsachen nicht von der Zulässigkeit der ursprünglichen Berichterstattung über den Verdacht, der Kläger habe eine schwere Sexualstraftat begangen, ausgegangen werden, so kann derzeit auch nicht beurteilt werden, ob das weitere Bereithalten der den Kläger identifizierenden Wortbeiträge zum Abruf aus dem Online-Archiv einen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellt.
- 31
- aa) Für den Fall, dass - wie von der Revision geltend gemacht - die Wortberichte ursprünglich unzulässig gewesen sein sollten, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ihr Bereithalten in dem Online- Archiv der Beklagten unzulässig ist, soweit sie den Kläger weiterhin identifizieren.
- 32
- (1) Eine abweichende Beurteilung wäre vorliegend nicht deshalb geboten , weil die Berichte vom 23. Januar 2012, 26. Januar 2012 und 11. Februar 2012 um den Zusatz in der Fußzeile ergänzt wurden, dass es sich um eine "Archivberichterstattung" handelt und das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger im April 2012 eingestellt wurde. So, wie schon mit den Berichten über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens vom 27. April 2012 zwangsläufig auch der dem Verfahren ursprünglich zugrunde liegende Verdacht transportiert und perpetuiert wurde, ist durch die nachträglich eingefügte Fußzeile bei den Berichten über die Einleitung und den Fortgang des Ermittlungsverfahrens dieser Verdacht nicht ausgeräumt worden. Denn beim Leser kann der Eindruck entstehen, dass der Kläger trotz der Verfahrenseinstellung "in Wahrheit" Täter der ihm vorgeworfenen Tat ist und lediglich die Strafverfolgung - zum Beispiel mangels ausreichender Beweise, wie in den Berichten vom 27. April 2012 erwähnt - nicht fortgeführt wurde (vgl. BVerfG, AfP 2009, 46 Rn. 15). Es ist aber gerade die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO, die nicht für, sondern gegen die Abrufbarkeit jedenfalls einer unzulässigen Berichterstattung in OnlineArchiven spricht. Sollte es nämlich schon anfangs an einem Mindestbestand an Beweistatsachen als Voraussetzung für eine zulässige Berichterstattung gefehlt haben und ist das Ermittlungsverfahren sodann mangels ausreichender Beweisgrundlage eingestellt worden, so gäbe es keinen anerkennenswerten Grund für die fortdauernde Abrufbarkeit der Berichte im Internet. Eine Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO dient - anders als eine Einstellung nach § 153a StPO (vgl. hierzu Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 25 mwN) - auch der Rehabilitation des Betroffenen (BGH, Beschluss vom 26. Juni 1990 - 5 AR (VS) 8/90, BGHSt 37, 79, 83); dieser Zweck wird durch die weitere Abrufbarkeit einer identifizierenden Verdachtsberichterstattung konterkariert. Ein anerkennenswertes Öffentlichkeitsinteresse, das bei Unzulässigkeit der ursprünglichen Berichterstattung schon von Anfang an als sehr gering eingeschätzt werden müsste, besteht demgegenüber im Hinblick auf die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO in noch geringerem Maße (vgl. Löffler/Steffen, Presserecht, 6. Aufl., § 6 LPG Rn. 211; Prinz/Peters, Medienrecht , Rn. 107, 272; HH-Ko/MedienR/Breutz/Weyhe, 2. Aufl., 39. Abschnitt Rn. 92; KG, NJW 1989, 397, 398; vgl. auch Wenzel/Burckhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 10 Rn. 167; Soehring in Soehring /Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 19 Rn. 37). Im Übrigen geht aus dem von der Beklagten eingefügten Zusatz in der Fußzeile nicht hervor, dass das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt wurde.
- 33
- (2) Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 16. Juli 2013 (abgedruckt in AfP 2014, 517) steht der Beurteilung, von Anfang an unzulässige Berichte dürften grundsätzlich auch nicht als Altmeldungen im Online-Archiv bereitgehalten werden, nicht entgegen. Der Gerichtshof hat es in dem dort zugrunde liegenden Fall für den Schutz des Einzelnen gemäß Art. 8 EMRK nicht für zwingend geboten gehalten, dass das nationale Gericht für rechtswidrige, in einem Online-Archiv zugreifbare Artikel die Löschung anordnet. Hierzu führt die Entscheidung aus, dass eine geltend gemachte Verletzung der von Art. 8 EMRK geschützten Rechte (Achtung des Privatlebens) durch geeignete Maßnahmen nach nationalem Recht behoben werden sollte (aaO Rn. 66). Den Vertragsstaaten komme aber ein weiter Einschätzungsspielraum bei der Bestimmung der Maßnahmen zu, um die Einhaltung der Konvention unter Berücksichtigung der Bedürfnisse und Ressourcen der Gemeinschaft und des Einzelnen zu gewährleisten (aaO Rn. 55). Wie sich aus dem von der Revisionserwiderung zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 10. März 2009 in dem Verfahren Times Newspapers Ltd. v. The United Kingdom Judgment (Bsw. 3003/03 und Bsw. 23676/03, Rn. 45) ergibt, ist der staatliche Ermessenspielraum bei der Abwägung zwischen den betroffenen Interessen noch größer, wenn es nicht um aktuelle Berichterstattung geht, sondern um Nachrichtenarchive über vergangene Ereignisse. Entscheidend ist, dass der Staat bzw. das nationale Gericht seine Verpflichtung erfüllt, den Umständen des jeweiligen Falles entsprechend einen Ausgleich zwischen den von Art. 10 EMRK gewährten Rechten einerseits und den von Art. 8 EMRK gewährten Rechten andererseits zu schaffen (EGMR, abgedruckt in AfP 2014, 517 Rn. 68). Dem trägt der oben genannte Grundsatz Rechnung. Hier kommt hinzu, dass der Kläger ohnehin nicht die vollständige Löschung der Beiträge aus dem Internet verlangt.
- 34
- bb) Für den Fall, dass - wie von der Revisionserwiderung geltend gemacht - die Wortberichterstattung ursprünglich zulässig gewesen sein sollte, könnte für die auch dann gebotene umfassende Abwägung der Grundrechtspositionen unter anderem von Bedeutung sein, welches Gewicht den Tatsachen zukam, die anfangs für eine Beteiligung des Klägers an einer Straftat sprachen.
II.
- 35
- Bildberichterstattung:
- 36
- Mit dem von dem Antrag des Klägers erfassten und im erstinstanzlichen Urteil ausgesprochenen Verbot, den Kläger identifizierend darstellende Bildnisse in den angegriffenen Beiträgen online zum Abruf bereitzuhalten, hat sich das Berufungsgericht bislang nicht gesondert befasst. Auch insoweit tragen die Feststellungen des Berufungsgerichts die Abweisung der Klage nicht.
- 37
- 1. Als Teil der Artikel vom 23. Januar, 26. Januar und 11. Februar 2012 und des zweiten Artikels vom 27. April 2012 dürfen die den Kläger zeigenden Bilder mangels dessen Einwilligung (§ 22 Satz 1 KUG) nur dann zum Abruf im Internet bereitgehalten werden, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) und durch die Verbreitung berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG). Anderenfalls steht dem Kläger ein Anspruch auf Unterlassung erneuter Verbreitung der in den Artikeln enthaltenen Bilder entsprechend §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, AfP 2010, 162 Rn. 31 f. mwN).
- 38
- Die Beurteilung, ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zuzuordnen ist, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits. Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen, wobei dieser Begriff alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse umfasst. Allerdings besteht das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Bei der Gewichtung der kollidierenden Interessen kommt dem Anlass und dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu, wobei der Informationsgehalt der Bildberichterstattung unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung zu ermitteln ist. Entscheidend ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - le- diglich die Neugier der Leser befriedigen (Senatsurteile vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO Rn. 33 ff.; vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, BGHZ 190, 52 Rn. 17 ff.; vom 8. März 2012 - VI ZR 125/12, AfP 2013, 399 Rn. 12 f.;jeweils mwN). Geht es um eine identifizierende Bildberichterstattung über den Verdacht einer Straftat, so ist darüber hinaus zu beachten, dass eine solche Berichterstattung in das Recht des Abgebildeten auf Schutz seiner Persönlichkeit eingreift , weil sie sein angebliches Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten von vornherein negativ qualifiziert (vgl. Senatsurteile vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO Rn. 34; vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, aaO Rn. 19 ff.). Insbesondere ist auch in diesem Zusammenhang im Hinblick auf die Unschuldsvermutung die Gefahr in den Blick zu nehmen, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und dass der Eindruck, der Abgebildete sei ein Straftäter, selbst bei einer späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens nicht beseitigt wird. Ob im Einzelfall dem Recht auf Schutz der Persönlichkeit oder dem Informationsinteresse Vorrang gebührt, hängt unter anderem von dem Verdachtsgrad ab, dem der Beschuldigte ausgesetzt war und gegebenenfalls noch ist (vgl. Senatsurteil vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, aaO Rn. 25).
- 39
- 2. Ob nach diesen Grundsätzen das Bereithalten der Fotos des Klägers als Teil der Berichterstattung zum Abruf im Internet zu beanstanden ist, kann ohne weitere Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Durch Anlass und Gegenstand der Berichterstattung werden die den Kläger in seinemBeruf als Fußballspieler zeigenden Bilder mit dem Verdacht, eine schwere Sexualstraftat begangen zu haben, in unmittelbare Verbindung gebracht. Ob dies berechtigte Interessen des Klägers verletzte bzw. verletzt, hängt unter anderem davon ab, ob und in welchem Umfang - jeweils zu dem Zeitpunkt, zu dem die Meldung erstmals "in das Netz" gestellt wurde, - Tatsachen vorlagen, die den Tatvorwurf stützten. Im Grundsatz kann auch bei der Bildberichterstattung davon ausgegangen werden, dass eine von Anfang an unzulässige Meldung auch nicht als Altmeldung im Online-Archiv zum Abruf bereitgehalten werden darf.
D.
- 40
- Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird - erforderlichenfalls nach ergänzendem Vortrag der Parteien - die notwendigen Feststellungen nachzuholen haben. Galke Wellner Stöhr von Pentz Müller
LG Köln, Entscheidung vom 17.12.2014 - 28 O 220/14 -
OLG Köln, Entscheidung vom 12.05.2015 - 15 U 13/15 -
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger wendet sich mit seinem Unterlassungsbegehren gegen eine ihn betreffende Online-Berichterstattung auf dem von der Beklagten betriebenen Internetportal "www.bild.de" während eines gegen ihn geführten Strafverfahrens.
- 2
- Der Kläger war bis zu seiner Verhaftung im März 2010 als Fernsehmoderator und Journalist tätig. Er betrieb außerdem ein Unternehmen, das meteorologische Daten erfasst und vertreibt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen ihn wegen des Verdachts der Vergewaltigung in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Ihm wurde vorgeworfen, am 9. Februar 2010 seine damalige Freundin zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Vom 20. März 2010 bis zum 29. Juli 2010 befand er sich in dieser Sache in Untersuchungshaft. In der vom 6. September 2010 bis zum 31. Mai 2011 dauernden Hauptverhandlung wurde er freigesprochen.
- 3
- Nach Anklageerhebung, aber vor Eröffnung des Hauptverfahrens berichtete die Beklagte am 13. Juni 2010 auf ihrem Internetportal unter der Überschrift "Der K….-Krimi: Neue Indizien aus der Tatnacht?" unter anderem wie folgt: "Der Fall K…. (51) wird immer pikanter: Laut dem Nachrichtenmagazin ‚Focus‘ soll jetzt auch ein sichergestellter Tampon die angebliche Verge- waltigung beweisen! Das Magazin veröffentlichte jetzt neue intime Details über die angebliche Tatnacht. So heißt es in Bezug auf das Treffen zwischen Jörg K… und Sabine W. (37) unter anderem: Die Ex-Freundin des Wettermoderators habe ‚auf ihn gewartet mit hochgezogenem Strickkleid‘. Und weiter: ‚wie üblich habe sie Handschellen und eine Reitgerte bereitgelegt ‘."
- 4
- Diese Informationen stammen aus der Einlassung des Klägers in seiner ersten richterlichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren. Das Protokoll über diese Vernehmung, das unter anderem folgende Passage enthält, wurde in der öffentlich geführten Hauptverhandlung am 13. September 2010 zu Beweiszwecken verlesen: "Es war dann so, das war das übliche Verfahren bei den Treffen, dass ich geklingelt habe, langsam die Treppe hoch ging, ich die Türe aufmachte , die angelehnt war, und sie wartete dann schon ausgezogen oder in diesem Fall mit schon hochgezogenem Strickkleidchen. In ihrem Besitz und zu ihrem Haushalt gehörten auch Handschellen, die sie in diesem Fall schon in der einen Hand hatte auch eine Reitgerte, die auch zu ihrem Haushalt gehörte, die immer bei ihr war und die sie dann jeweils , wenn sie Lust darauf hatte, bereitlegte."
- 5
- Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen , zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten: Die Ex-Freundin des Wet- termoderators habe ‚auf ihn gewartet mit hochgezogenem Strickkleid‘, ‚wieüblich habe sie Handschellen und eine Reitgerte bereitgelegt‘, wenn dies ge- schieht wie auf bild.de im Artikel vom 13.06.2010 mit der Überschrift "Der K….Krimi : Neue Indizien aus der Tatnacht?". Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 6
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil u.a. in ZUM 2012, 330 veröffentlicht ist, hat die Klage als zulässig angesehen. Grundsätzlich müsse die klagende Partei gemäß § 253 Abs. 2, 4, § 130 Nr. 1 ZPO ihre ladungsfähige Anschrift in der Klageschrift angeben. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass der Kläger unter der von ihm angegebenen Anschrift im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht hätte geladen werden können. Dass in einer anderen Rechtssache eine Zustel- lung unter dieser Anschrift fehlgeschlagen sei, lasse nicht darauf schließen, ob zur Zeit der Klageerhebung eine Zustellung hätte bewirkt werden können. Ebenso unerheblich sei, dass der Kläger bereits längere Zeit nicht mehr unter der angegebenen Anschrift amtlich gemeldet gewesen sei.
- 7
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu. Die beanstandeten Äußerungen beträfen zwar nicht den absolut geschützten Kernbereich seines Persönlichkeitsrechts, weil sie Gegenstand einer gegen ihn erhobenen Anklage seien und einen Bezug zu der vorgeworfenen Tat aufwiesen. Bei der vorzunehmenden Abwägung sei aber das Persönlichkeitsrecht des Klägers höher zu bewerten als das Berichterstattungsinteresse der Beklagten. Zu Gunsten des Klägers falle besonders ins Gewicht, dass es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren handele und ihm die Unschuldsvermutung zu Gute komme, die eine zurückhaltende, jedenfalls aber ausgewogene Berichterstattung verlange. Den beanstandeten Äußerungen komme für das Strafverfahren nur eine geringe Bedeutung zu. Zu dem eigentlichen Tatgeschehen wiesen sie keinen konkreten Bezug auf. Ein Hinweis auf die Bedeutung der beanstandeten Äußerung für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit gehe aus dem Artikel nicht hervor. Dagegen greife die Berichterstattung über praktizierte sexuelle Vorlieben des Klägers erheblich in dessen Persönlichkeitsrecht ein, weil diese einem Großteil der Leser in Erinnerung blieben. Der Kläger werde als eine Person mit sadomasochistischen Neigungen beschrieben. Die dadurch begründete "Prangerwirkung" werde durch den Freispruch nicht beseitigt. Während des laufenden Ermittlungsverfahrens bestehe kein derart weitgehendes Berichterstattungs- und Informationsinteresse.
- 8
- Eine abweichende Beurteilung sei nicht deshalb geboten, weil die Sexualpraktiken des Klägers in anderen Medien ebenfalls thematisiert und dadurch einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht worden seien. Die streitgegenständliche Veröffentlichung habe den Kreis der "Rezipienten" wesentlich erweitert und sei Anlass für verschiedene Medien gewesen, die dort mitgeteilten Tatsachen zum Sexualleben des Klägers nachfolgend aufzugreifen.
- 9
- Auch nach Verlesung des Protokolls der klägerischen Einlassung vor dem Haftrichter in der öffentlichen Hauptverhandlung sei die Berichterstattung über die einvernehmlich praktizierten sexuellen Vorlieben nicht zulässig geworden. Die Verlesung selbst habe Details aus dem Sexualverhalten des Klägers nur den im Gerichtssaal anwesenden Personen offenbart. Eine Breitenwirkung habe erst die auf die Verlesung erfolgte Medienberichterstattung erzielt. Diese habe jedoch nicht dazu geführt, dass die frühere streitgegenständliche Berichterstattung über das Sexualleben des Klägers nicht mehr in rechtswidriger Weise in das Persönlichkeitsrecht eingreife und eine Wiederholungsgefahr entfallen sei. Die Medien hätten auch über die öffentliche Hauptverhandlung nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung nur zurückhaltend und maßvoll berichten dürfen. Aus dem in § 169 GVG normierten Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen folge kein Recht der Presse, über sämtliche in der öffentlichen Verhandlung erörterten Inhalte zu berichten. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger keinen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 171b GVG gestellt habe.
II.
- 10
- Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG nicht zu.
- 11
- 1. Zu Recht hat allerdings das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision die Zulässigkeit der Klage bejaht.
- 12
- a) Der Kläger muss in der Klageschrift grundsätzlich eine ladungsfähige Anschrift angeben, weil hierdurch seine Bereitschaft dokumentiert wird, auf Anordnung des Gerichts persönlich zu erscheinen, und gewährleistet ist, dass er den Prozess nicht aus dem Verborgenen führt, um sich eventueller nachteiliger Folgen, insbesondere der Kostenpflicht im Fall des Unterliegens, zu entziehen (BGH, Urteile vom 9. Dezember 1987 - IVb ZR 4/87, BGHZ 102, 332, 335 f.; vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02, NJW-RR 2004, 1503; Beschluss vom 1. April 2009 - XII ZB 46/08, NJW-RR 2009, 1009 Rn. 11).
- 13
- b) Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei keinen Mangel der Klageschrift angenommen, der zur Unzulässigkeit der Klage führt. Es hat ausgeführt, es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass gerichtliche Schriftstücke, insbesondere Ladungen, den Kläger unter der angegebenen Anschrift nicht erreicht hätten. Aus dem Schreiben des Kantonsgerichts A. A. vom 2. Dezember 2011 ergebe sich zwar, dass der Kläger unter der angegebenen Anschrift nicht mehr gemeldet sei, und ein Zustellungsersuchen in einer anderen Sache deshalb nicht habe erledigt werden können. Es sei aber nicht erwiesen, dass Zustellungen im Zeitpunkt der Klageerhebung dort nicht möglich gewesen seien. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Für die Möglichkeit einer Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO kommt es nicht auf die Anmeldung eines Wohnsitzes an, sondern auf die tatsächliche Benutzung der Wohnung zum Aufenthalt. Nicht jede vorübergehende Abwesenheit , selbst wenn sie länger dauert, hebt die Eigenschaft jener Räume als einer Wohnung im Sinne der Zustellungsvorschriften auf. Diese Eigenschaft geht vielmehr erst verloren, wenn sich während der Abwesenheit des Zustellungsempfängers auch der räumliche Mittelpunkt seines Lebens an den neuen Aufenthaltsort verlagert (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1993 - XII ZR 120/92, NJW-RR 1994, 564 f.). Dass eine Zustellung am 2. Dezember 2011 nicht ausführbar war, besagt nicht, dass dies auch schon zum Zeitpunkt der früher erfolgten Zustellung der Klage der Fall gewesen wäre. Die ordnungsgemäße Klageerhebung ist eine Prozessvoraussetzung, die ihrer Natur nach nur bei der Einleitung des Verfahrens vorliegen muss. Deshalb bleibt die Klage zulässig, wenn erst im Lauf des Prozesses die ladungsfähige Anschrift entfällt (BGH, Urteil vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02, aaO; Beschluss vom 1. April 2009 - XII ZB 46/08, aaO Rn. 12). Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Kläger seine Anschrift verbergen wollte, um sich negativen prozessualen Folgen zu entziehen.
- 14
- 2. Die Klage ist aber nicht begründet, weil dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zusteht.
- 15
- a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die angegriffenen Äußerungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtigen. Die Berichterstattung über Sexualpraktiken, die der Kläger in seiner Beziehung zur Anzeigeerstatterin angewandt haben soll, berührt das Persönlichkeitsrecht.
- 16
- b) Im Ausgangspunkt zutreffend sind auch die rechtlichen Grundsätze, welche das Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat.
- 17
- aa) Das Berufungsgericht hat es zu Recht für geboten erachtet, über den Unterlassungsantrag aufgrund einer Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 35; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, VersR 2013, 63 Rn. 10; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, VersR 2013, 321 Rn. 11).
- 18
- Geht es um eine Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat, so ist zu berücksichtigen, dass Straftaten zum Zeitgeschehen gehören, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen , begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 204; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 14; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, aaO Rn. 38; BVerfGE 35, 202, 230 f.; BVerfG NJW 2009, 3357 Rn. 18).
- 19
- Handelt es sich um die Berichterstattung über ein noch nicht abgeschlossenes Strafverfahren, so ist im Rahmen der Abwägung allerdings auch die zugunsten des Betroffenen sprechende, aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende und in Art. 6 Abs. 2 EMRK anerkannte Unschuldsvermutung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, VersR 2013, 63 Rn. 14; BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14; NJW 2009, 3357 Rn. 20). Diese gebietet eine entsprechende Zurückhaltung , mindestens aber eine ausgewogene Berichterstattung (vgl. BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14). Außerdem ist eine mögliche Prangerwirkung zu berücksichtigen, die durch die Medienberichterstattung bewirkt werden kann (vgl. BVerfGE 119, 309, 323; BVerfG, aaO). Im Hinblick darauf kann bis zu einem erstinstanzlichen Freispruch oftmals das Recht auf Schutz der Persönlichkeit und Achtung des Privatlebens gegenüber der Freiheit der Berichterstattung überwiegen (BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 20; Senatsurteil vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, BGHZ 190, 52 Rn. 25).
- 20
- bb) Zutreffend hat das Berufungsgericht die Berichterstattung im Zeitpunkt der Veröffentlichung als rechtswidrig beurteilt.
- 21
- (1) Mit Recht hat das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung die in Rede stehenden Äußerungen der Privatsphäre des Klägers zugeordnet.
- 22
- Auch wenn die Voraussetzungen der Verdachtsberichterstattung (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO 203 f.; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, aaO Rn. 26) erfüllt sind, dürfen die Medien über die Person des Verdächtigen nicht schrankenlos berichten. Vielmehr ist für jeden einzelnen Umstand aus dem persönlichen Lebensbereich, der Gegenstand der angegriffenen Medienberichterstattung ist, aufgrund einer Abwägung zu entscheiden, ob das Schutzinteresse des Betroffenen das Interesse an einer Berichterstattung überwiegt. Bei der Beurteilung des dem Persönlichkeitsrecht dabei zukommenden Gewichts ist - wie auch sonst bei der Medienberichterstattung über personenbezogene Umstände (vgl. Senatsurteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 13) - von entscheidender Bedeutung , ob das Thema der Berichterstattung der Intimsphäre, der Privatsphäre oder der Sozialsphäre zuzuordnen ist.
- 23
- Ob ein Sachverhalt dem Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung angehört, hängt davon ab, ob der Betroffene ihn geheim halten will, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 11; BVerfGE 80, 367, 374; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 25). Ob ein Vorgang die Intim- oder die Privatsphäre betrifft, hängt auch davon ab, in welchem Umfang Einzelheiten berichtet werden (vgl. Senatsurteil vom 29. Juni 1999 - VI ZR 264/98, VersR 1999, 1250, 1251; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 49). Dem unantastbaren Kernbereich gehören grundsätzlich Ausdrucksformen der Sexualität an (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, aaO; BVerfGE 119, 1, 29 f.; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 25 f.).
- 24
- Sexualstraftaten gehören aber, weil sie einen gewalttätigen Übergriff in das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und zumeist auch in das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Opfers beinhalten, nicht der absolut geschützten Intimsphäre des Tatverdächtigen an (BVerfG, aaO Rn. 26).
- 25
- Danach fallen die berichteten Umstände nicht in den absolut geschützten Kernbereich des Persönlichkeitsrechts.
- 26
- (2) Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit wird, was das Berufungsgericht nicht verkannt hat, durch die prominente Stellung des Klägers erhöht. Schon die prominente Stellung des Klägers kann ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit an seinem Alltagsleben begründen, selbst wenn sich sein Verhalten weder in skandalösen noch in rechtlich oder sittlich zu beanstandenden Verhaltensweisen äußert (BVerfG, BVerfGE 120, 180, 203 f.). Wegen seiner Prominienz berührt das Verhalten des Klägers die Belange der Gemeinschaft noch stärker, wenn der Vorwurf der Begehung einer Straftat im Raum steht, als dies bei nicht prominenten Personen der Fall wäre (vgl. BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 28).
- 27
- (3) Zu Gunsten des Klägers fällt aber ins Gewicht, dass die streitgegenständliche Äußerung aus seiner Einlassung bei der nicht öffentlichen Vernehmung anlässlich der Eröffnung des Haftbefehls stammt. Richterliche Vernehmungen außerhalb der Hauptverhandlung sind nicht nur nichtöffentlich; es ist grundsätzlich auch unzulässig, Medienvertretern die Anwesenheit bei solchen Vernehmungen zu gestatten (Erb in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 168c Rn. 25).
- 28
- (4) Da die Berichterstattung während eines laufenden Strafverfahrens erfolgte , ist zu Gunsten des Klägers im Rahmen der Abwägung die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 14; BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, aaO Rn. 20). Dies gebietet Zurückhaltung bei der Mitteilung von Einzelheiten aus dem privaten Lebensbereich, deren Kenntnis zur Befriedigung des berechtigten Informationsinteresses nicht zwingend erforderlich ist. Der Unschuldsvermutung kommt hier besonderes Gewicht zu, weil die streitgegenständliche Veröffentlichung noch vor Beginn der Hauptverhandlung, mithin in einem frühen Stadium des Strafverfahrens erfolgte.
- 29
- Dass es sich bei den in Rede stehenden Äußerungen nicht um die dem Kläger vorgeworfene Straftat selbst handelt, sondern um wahre Tatsachenbehauptungen aus seiner Einlassung zum Tatvorwurf, steht der Berücksichtigung der Unschuldsvermutung im Rahmen der Abwägung nicht entgegen. Denn auch eine wahre Tatsachenbehauptung kann das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussage geeignet ist, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden droht (Senatsurteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 20; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197 Rn. 37 mwN). Deshalb hat das Berufungsgericht bei der Abwägung zu Gunsten des Klägers zu Recht berücksichtigt, dass er als Person mit sadomasochistischen Neigungen dargestellt wird und dies seinem Ansehen in der Öffentlichkeit abträglich sein kann. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht garantiert grundsätzlich, die eigenen Ausdrucksformen der Sexualität für sich zu behalten und sie in einem dem Zugriff anderer entzogenen Freiraum zu erleben (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 12; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 26).
- 30
- c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist allerdings das Unterlassungsbegehren des Klägers gleichwohl nicht begründet. Ein Unterlassungsanspruch besteht nicht, weil nach Verlesung des Protokolls über die haftrichterliche Vernehmung des Klägers in der öffentlichen Hauptverhandlung vom 13. September 2010 die gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen ist.
- 31
- aa) Die Wiederholungsgefahr ist eine materielle Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs. Wenn sie entfällt, erlischt auch der zukunftsgerichtete Unterlassungsanspruch (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, VersR 2005, 84, 85 mwN; vom 21. Juni 2005 - VI ZR 122/04, VersR 2005, 1403; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, VersR 2009, 1417 Rn. 28; siehe auch BVerfG VersR 2007, 849 Rn. 34). Eine rechtswidrige Beeinträchtigung in der Vergangenheit begründet in der Regel die tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr (Senatsurteile vom 27. Mai 1986 - VI ZR 169/85, VersR 1986, 1075, 1077; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 29 mwN). Die Wiederholungsgefahr kann allerdings dann nicht ohne weiteres aufgrund einer bereits geschehenen Rechtsverletzung vermutet werden, wenn durch die Veränderung tatsächlicher Umstände nunmehr die Berichterstattung als rechtlich zulässig zu beurteilen ist (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 18). Wer in der Vergangenheit in seinen Rechten verletzt wurde, hat keinen Anspruch darauf, dass ein Verhalten unterlassen wird, das sich inzwischen als nicht mehr rechtswidrig darstellt (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 17). Das kommt hier in Betracht, weil die künftige Veröffentlichung der beanstandeten Aussage nur in anderer Form in die Öffentlichkeit tragen würde, was die Presse aus Anlass der Verlesung des fraglichen Vernehmungsprotokolls in der öffentlichen Hauptverhandlung zulässigerweise berichtete (vgl. BVerfG, aaO Rn. 32).
- 32
- bb) Da die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nach der Verlesung des Vernehmungsprotokolls erfolgte Berichterstattung in den Medien noch während der laufenden Hauptverhandlung erfolgte, ist zu Gunsten des Klägers im Rahmen der Abwägung auch hier insbesondere die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen, welche eine entsprechende Zurückhaltung bei der Berichterstattung gebot. Zu beachten ist wiederum, dass auch eine wahre Tatsachenbehauptung das Persönlich- keitsrecht des Betroffenen verletzen kann, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind (vgl. Senatsurteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 20; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197 Rn. 37, jeweils mwN). Hier wurde mit wenigen Sätzen berichtet, dass nach der Schilderung des Klägers sein Treffen mit der Anzeigeerstatterin auf einvernehmlichen geschlechtlichen Verkehr - auch in sadomasochistischer Form - angelegt war. Es kann unterstellt werden, dass den Beschwerdeführer durch die Berichterstattung eine erhebliche soziale Missbilligung treffen kann. Allein von der tagesaktuellen Berichterstattung, die mit dem Abschluss des Verfahrens ein Ende findet, geht indes keine derart schwerwiegende Stigmatisierung in einer solchen Breitenwirkung aus, dass eine dauerhafte oder lang anhaltende soziale Ausgrenzung zu befürchten wäre, die hier in der Abwägung das Berichterstattungsinteresse überwiegen müsste (vgl. BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 29).
- 33
- Auf Seiten der Beklagten ist das große Interesse der Öffentlichkeit an dem Strafverfahren und vor allem an der Hauptverhandlung gegen den prominenten und als Fernsehmoderator sehr bekannten Kläger zu berücksichtigen, welches die intensive Berichterstattung in den Medien widerspiegelt. Bei einem Strafverfahren ist regelmäßig die Kenntnis der Einlassung des Angeklagten für die Beurteilung des weiteren Verfahrensverlaufs und das Verständnis der Beweiserhebungen sowie die Würdigung der Beweisergebnisse in der Hauptverhandlung von erheblicher Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 1983 - 4 StR 550/83, juris Rn. 5; Urteil vom 30. September 2010 - 4 StR 150/10, juris Rn. 23 mwN, insoweit in NStZ-RR 2011, 82 nicht abgedruckt). Eine ausgewogene Prozessberichterstattung kann deshalb kaum auf die Wiedergabe der Einlassung verzichten. Insbesondere bei dem hier erhobenen Vorwurf der schweren Vergewaltigung war die Einlassung von zentraler Bedeutung für die Berichterstattung und für die öffentliche Meinungsbildung hinsichtlich eines möglichen Geschehensablaufs in der Tatnacht und die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Beteiligten, so dass ein enger Bezug zu dem eigentlichen Tatvorwurf besteht. Unter diesen Umständen ist die Wiederholungsgefahr nicht mehr gegeben, weil ein überwiegendes Schutzinteresse des Klägers einer aktuellen Berichterstattung hinsichtlich der angegriffenen, seiner Einlassung entstammenden Aussagen nach deren Verlesung in der Hauptverhandlung nicht mehr entgegenstände, nachdem sie durch die Verlesung des Vernehmungsprotokolls in öffentlicher Hauptverhandlung einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden sind. Damit bestand ab diesem Zeitpunkt der Unterlassungsanspruch nicht mehr.
- 34
- cc) Soweit der Kläger begehrt, der Beklagten eine zukünftige Veröffentlichung wie in dem Artikel vom 13. Juni 2013 zu untersagen, scheitert ein Unterlassungsanspruch am Fehlen einer Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr, die eine - vom Kläger darzulegende - Anspruchsvoraussetzung ist (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 17 und vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 28 ff.). Insoweit kann die Gefahr einer drohenden Rechtsverletzung neu entstehen, nachdem zuvor der Anspruch erloschen ist. Dafür reicht jedoch die bloße Möglichkeit eines erneuten Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Klägers durch die Beklagte ohne konkrete Hinweise darauf nicht aus. Die drohende Verletzungshandlung müsste sich vielmehr in tatsächlicher Hinsicht so konkret abzeichnen, dass eine zuverlässige Beurteilung unter rechtlichen Gesichtspunkten möglich wäre (vgl. Senatsurteil vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 30 mwN). Eine dafür erforderliche drohende Rechtsverletzung seitens der Beklagten hat der Kläger nicht dargelegt. Sie ist auch nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass der Kläger in dem Strafverfahren freigesprochen worden ist, vermag die für den Unterlassungsanspruch er- forderliche konkrete Gefahr einer Rechtsverletzung durch die Beklagte jedenfalls noch nicht zu begründen. Galke Wellner Diederichsen Pauge Stöhr
LG Köln, Entscheidung vom 22.06.2011 - 28 O 956/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 14.02.2012 - 15 U 123/11 -
BUNDESGERICHTSHOF
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Wellner und Stöhr und die Richterinnen von Pentz und Müller
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger, ein deutschlandweit bekannter Fußballprofi, nimmt die Beklagte in Anspruch, es zu unterlassen, fünf Beiträge in deren Online-Archiv zum Abruf bereitzuhalten, soweit in identifizierbarer Weise über ihn berichtet wird. Zudem verlangt er Erstattung seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten.
- 2
- Die Beiträge berichten über ein Ermittlungsverfahren, das Anfang des Jahres 2012 gegen den Kläger wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen eingeleitet worden war. Hintergrund war die Strafanzeige einer jungen Frau, die behauptete, nach einer Feier im Haus des Klägers von einem oder mehreren Männern mit sogenannten K.O.Tropfen betäubt und anschließend missbraucht worden zu sein.
- 3
- Im April 2012 stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO ein.
- 4
- Im Zeitraum von Januar bis April 2012 berichtete die Beklagte - wie auch weitere Nachrichtenportale - auf ihrem Onlineportal mit insgesamt sechs Artikeln über das Ermittlungsverfahren unter namentlicher Nennung des Klägers. Fünf Artikel, von denen vier mit einem Lichtbild des Klägers versehen sind, sind derzeit - jeweils mit Datumsangabe gekennzeichnet - noch im Online-Archiv der Beklagten abrufbar und durch eine gezielte Suche zum Ermittlungsverfahren über Suchmaschinen auffindbar. Die Artikel vom 23. Januar 2012, 26. Januar 2012 und 11. Februar 2012 befassen sich mit der Einleitung bzw. dem Fortgang des Ermittlungsverfahrens, zwei Artikel vom 27. April 2012 mit dessen Einstellung.
- 5
- Nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens ergänzte die Beklagte die Artikel vom 23. Januar 2012, 26. Januar 2012 und 11. Februar 2012 um eine Fußzeile mit folgendem Inhalt: "Anmerkung der Redaktion: Bei dem Artikel handelt es sich um eine Archivberichterstattung vom … Das Ermittlungsverfahren gegen [Name des Klägers] wurde im April 2012 eingestellt."
- 6
- Auf eine außergerichtliche Aufforderung des Klägers, alle das Ermittlungsverfahren betreffenden Artikel aus dem Onlineportal zu löschen, teilte die Beklagte mit, die geforderte Löschung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht vorzunehmen. Sie löschte jedoch lediglich einen Artikel vom 21. Januar 2012, in dem erstmalig über den Sachverhalt berichtet worden war. Auf eine erneute Aufforderung des Klägers unter konkreter Nennung aller weiteren Artikel verweigerte die Beklagte deren Löschung. Auf die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung reagierte die Beklagte nicht.
- 7
- Das Landgericht hat es der Beklagten antragsgemäß verboten, die fünf verbliebenen Beiträge online zum Abruf bereitzuhalten, soweit in identifizierbarer Weise durch namentliche Nennung und/oder Bildnisveröffentlichung über den Kläger berichtet wird. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter.
Entscheidungsgründe:
A.
- 8
- Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass dem Kläger gegen die Beklagte kein Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 BGB analog i.V.m. Art. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zustehe, weil die weitere Bereithaltung der ihn identifizierenden Berichte im Online-Archiv nicht rechtswidrig in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreife.
- 9
- Allerdings stelle das Bereithalten der Berichte im Internet einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers dar, weil hiermit sein angebliches Fehlverhalten öffentlich gemacht und seine Person in den Augen der Adressaten - auch bei einer bloßen Verdachtsberichterstattung - negativ qualifiziert werde.
- 10
- Die notwendige Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens mit dem Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit führe im Streitfall jedoch zu dem Ergebnis, dass der Kläger die weitere Vorhaltung der Berichterstattung im Online-Archiv der Beklagten zu dulden habe.
- 11
- Bei der beanstandeten Berichterstattung der Beklagten handele es sich um wahre Tatsachenbehauptungen in Form der Verdachtsberichterstattung. Diese sei ursprünglich angesichts der Schwere des in Rede stehenden Delikts und der Prominenz des Klägers zulässig gewesen, da die Beklagte in allen fünf angegriffenen Beiträgen in ausgewogener Art und Weise über den Tatvorwurf und den Gang des Verfahrens berichtet habe. Bei der Abwägung der gegenseitigen Interessen könne nicht festgestellt werden, dass dem Kläger trotz der Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die fortwährende Bereithaltung der Berichterstattung eine besondere Stigmatisierung oder Ausgrenzung drohe. Alle fünf Beiträge entsprächen auch heute noch der Wahrheit und seien angesichts des Nachtrags über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens weder unvollständig noch spiegelten sie den Anschein einer nicht bestehenden Aktualität vor. Zwar habe der Kläger ein Interesse daran, mit dem Vorwurf einer Sexualstraftat , dem in der Öffentlichkeit ein besonders hohes Unwerturteil beigemessen werde, nicht mehr konfrontiert zu werden. Allerdings berichte die Beklagte in den angegriffenen Beiträgen nicht in einer Art und Weise, durch die der durchschnittliche Rezipient von einer Schuld oder Strafbarkeit des Klägers ausgehe , sondern stelle lediglich einen früher gegen diesen bestehenden Verdacht dar. Außerdem bestehe aufgrund der Art des Delikts, der Beteiligten sowie der Tatumstände ein hohes öffentliches Informationsinteresse. Zudem gehe von den Beiträgen der Beklagten auch keine erhebliche Breitenwirkung aus, da diese nur bei einer gezielten Suche zu finden seien. Um die durch eine Verdachtsberichterstattung hervorgerufene Störung abzustellen, sei ein Nachtrag geeig- net, erforderlich, aber im Hinblick auf den Schutz der Pressefreiheit auch ausreichend.
B.
- 12
- Die Revision ist zulässig. Angegriffen ist entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nach wie vor allein das Bereithalten der den Kläger identifizierenden Altmeldungen in dem Online-Archiv der Beklagten.
C.
- 13
- Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen die Annahme, das weitere Bereithalten der den Kläger identifizierenden Wort- und Bildbeiträge sei rechtmäßig, nicht.
I.
- 14
- Wortberichterstattung:
- 15
- 1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass das Bereithalten der angegriffenen Wortbeiträge zum Abruf im Internet einen Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers darstellt. Denn die Berichterstattung über ein Ermittlungsverfahren unter namentlicher Nennung des Beschuldigten beeinträchtigt zwangsläufig dessen Recht auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufes, weil sie sein mögliches Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten negativ qualifiziert (Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 202 f. mwN; vom 18. November 2014 - VI ZR 76/14, BGHZ 203, 239 Rn. 31; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rn. 9 mwN). Dies gilt nicht nur bei aktiver Informationsübermittlung durch die Medien, wie es im Rahmen der herkömmlichen Berichterstattung in Tagespresse, Rundfunk oder Fernsehen geschieht, sondern auch dann, wenn - wie im Streitfall - den Beschuldigten identifizierende Inhalte lediglich auf einer passiven Darstellungsplattform im Internet zum Abruf bereitgehalten werden. Diese Inhalte sind nämlich grundsätzlich jedem interessierten Internetnutzer zugänglich (Senatsurteile vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 10 mwN; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, AfP 2012, 372 Rn. 34 mwN; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO; vom 13. November 2012 - VI ZR 330/11, AfP 2013, 54 Rn. 8).
- 16
- An dem Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass mit den Beiträgen vom 27. April 2012 über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens berichtet wurde und in der Fußzeile zu den Beiträgen vom 23. Januar 2012, 26. Januar 2012 und 11. Februar 2012 auf die Einstellung hingewiesen wurde. Denn alleine der Umstand, dass über vergangene Ermittlungen gegen den Kläger wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen berichtet wird, birgt die Gefahr, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und trotz der späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens vom Schuldvorwurf "etwas hängenbleibt" (Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 203; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 14; jeweils mwN).
- 17
- Entgegen der Auffassung der Revision ist zwar nicht die absolut geschützte Intimsphäre des Klägers betroffen. Denn sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen, um den es in dem Ermittlungsverfahren ging, ist in § 179 StGB unter Strafe gestellt. Wäre eine Sexualstraftat begangen worden, fiele sie nicht in den unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 17; vom 19. März 2013 - VI ZR 93/12, AfP 2013, 250 Rn. 21 ff. mwN; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 26). Das Bereithalten von Berichten , die den Verdacht zum Gegenstand haben, der Kläger habe nach Einsatz von K.O.-Tropfen eine schwere Sexualstraftat begangen, stellt aber einen schwerwiegenden Eingriff in dessen persönliche Ehre dar (vgl. Senatsurteil vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 24).
- 18
- 2. Ebenfalls zutreffend hat es das Berufungsgericht für geboten erachtet, über den Unterlassungsantrag aufgrund einer Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO Rn. 22; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 10; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, aaO Rn. 11; jeweils mwN).
- 19
- 3. Ein solches Überwiegen hat das Berufungsgericht jedoch rechtsfehlerhaft verneint.
- 20
- a) Im Rahmen der Abwägung ist von erheblicher Bedeutung, ob die Tatsachenbehauptungen in den angegriffenen Beiträgen im Zeitpunkt ihrer erstmaligen Veröffentlichung zulässig waren (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, aaO 2. Leitsatz u. Rn. 18). Da Gegenstand der Berichterstattung nicht nur das Ermittlungsverfahren, sondern auch der von der Beklagten als "Anfangsverdacht" bezeichnete Verdacht ist, der namentlich benannte Kläger habe eine 21jährige Frau anlässlich einer Feier in seinem Haus betäubt und sexuell missbraucht oder Beihilfe hierzu geleistet, müssen die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung erfüllt sein (Senatsurteil vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 203). Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht dies angenommen hat.
- 21
- Sie ist mit diesem Einwand nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger in den Vorinstanzen die Unzulässigkeit der ursprünglichen Verdachtsberichterstattung für nicht streiterheblich gehalten hat. Denn dabei handelt es sich um eine rechtliche Vorfrage, deren Beantwortung für die Beurteilung des streitgegenständlichen Unterlassungsanspruchs unabdingbar ist. Sie ist daher von den Gerichten auch dann zu prüfen, wenn die Parteien diese Frage für unerheblich halten; sollte hierzu weiterer Tatsachenvortrag der Parteien erforderlich sein, ist darauf gemäß § 139 Abs. 2 ZPO hinzuweisen. Dementsprechend haben sich die Vorinstanzen zu Recht - wenn auch nicht umfassend - mit der Frage befasst, ob die Berichterstattung im Zeitpunkt ihrer erstmaligen Veröffentlichung zulässig war.
- 22
- aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats und des Bundesverfassungsgerichts darf eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt un- geklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (Art. 5 GG, § 193 StGB). Eine Berufung hierauf setzt voraus, dass vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt werden. Die Pflichten zur sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt richten sich dabei nach den Aufklärungsmöglichkeiten. Sie sind für die Medien grundsätzlich strenger als für Privatleute. An die Wahrheitspflicht dürfen im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen. Andererseits sind die Anforderungen umso höher, je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, aaO, 23 f. mwN; vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 203 f. mwN; vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 35 mwN; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO Rn. 26 mwN; vom 18. November 2014 - VI ZR 76/14, aaO Rn. 15).
- 23
- Diese Grundsätze gelten auch für die Berichterstattung über Ermittlungsverfahren unter namentlicher Nennung des Beschuldigten. In diesem Verfahrensstadium steht lediglich fest, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde , in der Regel ist aber nicht geklärt, ob der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Straftat begangen hat. Zwar gehört es zu den legitimen Aufgaben der Medien , Verfehlungen - auch konkreter Personen - aufzuzeigen (Senatsurteile vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 12; vom 13. November 2012 - VI ZR 330/11, aaO Rn. 11; BVerfG, AfP 2012, 143 Rn. 39; jeweils mwN). Dies gilt auch für die Berichterstattung über eine Straftat, da diese zum Zeitgeschehen gehört und die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung von Rechtsgütern der betroffenen Bürger oder der Gemeinschaft ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter begründen kann (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 204; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, aaO Rn. 14; vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, BGHZ 190, 52 Rn. 19; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 13; BVerfG, AfP 2009, 46 Rn. 11; AfP 2009, 365 Rn. 18; EGMR, EuGRZ 2012, 294 Rn. 96; jeweils mwN). Besteht allerdings - wie im Ermittlungsverfahren - erst der Verdacht einer Straftat, so sind die Medien bei besonderer Schwere des Vorwurfs angesichts des damit verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in die persönliche Ehre in besonderem Maße zu sorgfältigem Vorgehen verpflichtet (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, aaO, 24; vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 203; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO Rn. 28 mwN). Dabei ist im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende und in Art. 6 Abs. 2 EMRK anerkannte Unschuldsvermutung die Gefahr in den Blick zu nehmen, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und deshalb im Fall einer späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens oder eines Freispruchs vom Schuldvorwurf "etwas hängenbleibt" (Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 203; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 14; jeweils mwN; vgl. auch BVerfG, AfP 2009, 46 Rn. 15).
- 24
- Erforderlich ist jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst "Öffentlichkeitswert" verleihen. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie darf also nicht durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO, 203 f. mwN; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO Rn. 26; vom 18. November 2014 - VI ZR 76/14, aaO Rn. 16 mwN; vgl. auch BVerfGK 9, 317, 322).
- 25
- bb) Im Streitfall tragen die Feststellungen des Berufungsgerichts dessen Annahme, die Beklagte habe die Erfordernisse einer zulässigen Verdachtsberichterstattung eingehalten, nicht. Über den Umstand hinaus, dass gegen den Kläger aufgrund einer Anzeige ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen eingeleitet worden war, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen zum Vorliegen von Beweistatsachen getroffen, die für den Wahrheitsgehalt dieses Verdachts gesprochen haben.
- 26
- (1) Die bloße Tatsache der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens als solche genügt jedenfalls nicht für die Annahme des Vorliegens eines Mindestbestands an Beweistatsachen (Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 19 Rn. 36; Prinz/Peters, Medienrecht, Rn. 272; BeckOK InfoMedienR/ Söder, § 823 BGB Rn. 244 (Stand: 01.11.2015); HH-Ko/MedienR/Kröner, 2. Aufl., 33. Abschnitt Rn. 59; Lehr, NJW 2013, 728, 730; Schumacher, K&R 2014, 381, 382 Fn. 14). Die Staatsanwaltschaft hat schon beim Vorliegen eines Anfangsverdachts Ermittlungen aufzunehmen (vgl. § 152 Abs. 2, § 160 Abs. 1 StPO). Dafür ist bereits ausreichend, dass aufgrund zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte nach kriminalistischer Erfahrung die bloße Möglichkeit einer verfolgbaren Straftat gegeben ist (BGH, Urteil vom 21. April 1988 - III ZR 255/86, NJW 1989, 96, 97; BVerfGK 3, 55, 61; jeweils mwN). Die Schwelle für die Annahme eines Anfangsverdachts liegt damit niedrig (vgl. BVerfG, NJW 2002, 1411, 1412); es genügen schon entferntere Verdachtsgründe (BVerfG, NJW 1994, 783; NJW 1994, 783, 784), die eine geringe, wenngleich nicht nur theoretische Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer ver- folgbaren Straftat begründen (Beulke in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 152 Rn. 23). So müssen die Ermittlungsbehörden auch auf völlig unbegründete , unter Umständen wider besseres Wissen in Schädigungsabsicht erstattete Strafanzeigen hin tätig werden (Soehring, aaO).
- 27
- (2) Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich nichts Weitergehendes herleiten. Ihnen ist insbesondere nicht zu entnehmen, dass - wie die Revisionserwiderung geltend gemacht hat - die angegriffenen Beiträge auf den Kläger identifizierenden amtlichen Verlautbarungen der Staatsanwaltschaft beruhen.
- 28
- Zwar ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass den Verlautbarungen amtlicher Stellen ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden darf (Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO Rn. 30; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 30; BVerfG, AfP 2010, 365 Rn. 35; jeweils mwN). Dies beruht auf der Erwägung, dass Behörden in ihrer Informationspolitik unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind und Amtsträger, wenn sie vor der Frage stehen, ob die Presse über amtliche Vorgänge informiert werden soll, die erforderliche Abwägung zwischen dem Informationsrecht der Presse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vorzunehmen haben (Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, aaO; BVerfG, AfP 2010, 365 Rn. 35; jeweils mwN). Verletzen sie ihre Amtspflichten, kann ein Schadensersatzanspruch des Betroffenen wegen einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen die zuständige Gebietskörperschaft als Träger der Behörde gegeben sein (Senatsurteil vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO mwN; vgl. auch BGH, Urteile vom 17. März 1994 - III ZR 15/93, NJW 1994, 1950, 1951 ff.; vom 23. Oktober 2003 - III ZR 9/03, NJW 2003, 3693, 3697). Daher ist regelmäßig die Annahme gerechtfertigt, dass eine unmittelbar an die Grund- rechte gebundene, auf Objektivität verpflichtete Behörde wie die Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit erst dann unter Namensnennung über ein Ermittlungsverfahren unterrichten wird, wenn sich der zugrunde liegende Tatverdacht bereits einigermaßen erhärtet hat (BVerfG, AfP 2010, 365 Rn. 35). Auch das entlastet die Medien allerdings nicht von der Aufgabe der Abwägung und Prüfung, ob im Übrigen nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung eine Namensnennung des Betroffenen gerechtfertigt ist (Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz, 3. Aufl., Rn. 64; Löffler/Steffen, Presserecht, 6. Aufl., § 6 LPG Rn. 208 f.; HH-Ko/MedienR/Kröner, 2. Aufl., 33. Abschnitt Rn. 60; HH-Ko/MedienR/Breutz/Weyhe, 2. Aufl., 39. Abschnitt Rn. 55).
- 29
- Im Streitfall ist schon nicht festgestellt, ob und wann die Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit unter Namensnennung über das gegen den Kläger geführte Ermittlungsverfahren unterrichtete. Dies ergibt sich entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht bereits hinreichend klar aus den angefochtenen Meldungen. So ist aus dem Bericht vom 23. Januar 2012 nicht erkennbar, von wem die Information stammte, dass die Staatsanwaltschaft nunmehr auch gegen den Kläger ermittelte. Soweit in den Meldungen vom 23. Januar 2012 und vom 11. Februar 2012 von Erklärungen der Staatsanwaltschaft die Rede ist, ist denkbar, dass sich diese auf das Ermittlungsverfahren gegen namentlich nicht genannte Teilnehmer der Feier bezogen.
- 30
- b) Kann mangels Feststellungen des Berufungsgerichts zum Vorliegen eines Mindestbestandes an Beweistatsachen nicht von der Zulässigkeit der ursprünglichen Berichterstattung über den Verdacht, der Kläger habe eine schwere Sexualstraftat begangen, ausgegangen werden, so kann derzeit auch nicht beurteilt werden, ob das weitere Bereithalten der den Kläger identifizierenden Wortbeiträge zum Abruf aus dem Online-Archiv einen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellt.
- 31
- aa) Für den Fall, dass - wie von der Revision geltend gemacht - die Wortberichte ursprünglich unzulässig gewesen sein sollten, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ihr Bereithalten in dem Online- Archiv der Beklagten unzulässig ist, soweit sie den Kläger weiterhin identifizieren.
- 32
- (1) Eine abweichende Beurteilung wäre vorliegend nicht deshalb geboten , weil die Berichte vom 23. Januar 2012, 26. Januar 2012 und 11. Februar 2012 um den Zusatz in der Fußzeile ergänzt wurden, dass es sich um eine "Archivberichterstattung" handelt und das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger im April 2012 eingestellt wurde. So, wie schon mit den Berichten über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens vom 27. April 2012 zwangsläufig auch der dem Verfahren ursprünglich zugrunde liegende Verdacht transportiert und perpetuiert wurde, ist durch die nachträglich eingefügte Fußzeile bei den Berichten über die Einleitung und den Fortgang des Ermittlungsverfahrens dieser Verdacht nicht ausgeräumt worden. Denn beim Leser kann der Eindruck entstehen, dass der Kläger trotz der Verfahrenseinstellung "in Wahrheit" Täter der ihm vorgeworfenen Tat ist und lediglich die Strafverfolgung - zum Beispiel mangels ausreichender Beweise, wie in den Berichten vom 27. April 2012 erwähnt - nicht fortgeführt wurde (vgl. BVerfG, AfP 2009, 46 Rn. 15). Es ist aber gerade die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO, die nicht für, sondern gegen die Abrufbarkeit jedenfalls einer unzulässigen Berichterstattung in OnlineArchiven spricht. Sollte es nämlich schon anfangs an einem Mindestbestand an Beweistatsachen als Voraussetzung für eine zulässige Berichterstattung gefehlt haben und ist das Ermittlungsverfahren sodann mangels ausreichender Beweisgrundlage eingestellt worden, so gäbe es keinen anerkennenswerten Grund für die fortdauernde Abrufbarkeit der Berichte im Internet. Eine Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO dient - anders als eine Einstellung nach § 153a StPO (vgl. hierzu Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 25 mwN) - auch der Rehabilitation des Betroffenen (BGH, Beschluss vom 26. Juni 1990 - 5 AR (VS) 8/90, BGHSt 37, 79, 83); dieser Zweck wird durch die weitere Abrufbarkeit einer identifizierenden Verdachtsberichterstattung konterkariert. Ein anerkennenswertes Öffentlichkeitsinteresse, das bei Unzulässigkeit der ursprünglichen Berichterstattung schon von Anfang an als sehr gering eingeschätzt werden müsste, besteht demgegenüber im Hinblick auf die Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO in noch geringerem Maße (vgl. Löffler/Steffen, Presserecht, 6. Aufl., § 6 LPG Rn. 211; Prinz/Peters, Medienrecht , Rn. 107, 272; HH-Ko/MedienR/Breutz/Weyhe, 2. Aufl., 39. Abschnitt Rn. 92; KG, NJW 1989, 397, 398; vgl. auch Wenzel/Burckhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 10 Rn. 167; Soehring in Soehring /Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 19 Rn. 37). Im Übrigen geht aus dem von der Beklagten eingefügten Zusatz in der Fußzeile nicht hervor, dass das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt wurde.
- 33
- (2) Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 16. Juli 2013 (abgedruckt in AfP 2014, 517) steht der Beurteilung, von Anfang an unzulässige Berichte dürften grundsätzlich auch nicht als Altmeldungen im Online-Archiv bereitgehalten werden, nicht entgegen. Der Gerichtshof hat es in dem dort zugrunde liegenden Fall für den Schutz des Einzelnen gemäß Art. 8 EMRK nicht für zwingend geboten gehalten, dass das nationale Gericht für rechtswidrige, in einem Online-Archiv zugreifbare Artikel die Löschung anordnet. Hierzu führt die Entscheidung aus, dass eine geltend gemachte Verletzung der von Art. 8 EMRK geschützten Rechte (Achtung des Privatlebens) durch geeignete Maßnahmen nach nationalem Recht behoben werden sollte (aaO Rn. 66). Den Vertragsstaaten komme aber ein weiter Einschätzungsspielraum bei der Bestimmung der Maßnahmen zu, um die Einhaltung der Konvention unter Berücksichtigung der Bedürfnisse und Ressourcen der Gemeinschaft und des Einzelnen zu gewährleisten (aaO Rn. 55). Wie sich aus dem von der Revisionserwiderung zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 10. März 2009 in dem Verfahren Times Newspapers Ltd. v. The United Kingdom Judgment (Bsw. 3003/03 und Bsw. 23676/03, Rn. 45) ergibt, ist der staatliche Ermessenspielraum bei der Abwägung zwischen den betroffenen Interessen noch größer, wenn es nicht um aktuelle Berichterstattung geht, sondern um Nachrichtenarchive über vergangene Ereignisse. Entscheidend ist, dass der Staat bzw. das nationale Gericht seine Verpflichtung erfüllt, den Umständen des jeweiligen Falles entsprechend einen Ausgleich zwischen den von Art. 10 EMRK gewährten Rechten einerseits und den von Art. 8 EMRK gewährten Rechten andererseits zu schaffen (EGMR, abgedruckt in AfP 2014, 517 Rn. 68). Dem trägt der oben genannte Grundsatz Rechnung. Hier kommt hinzu, dass der Kläger ohnehin nicht die vollständige Löschung der Beiträge aus dem Internet verlangt.
- 34
- bb) Für den Fall, dass - wie von der Revisionserwiderung geltend gemacht - die Wortberichterstattung ursprünglich zulässig gewesen sein sollte, könnte für die auch dann gebotene umfassende Abwägung der Grundrechtspositionen unter anderem von Bedeutung sein, welches Gewicht den Tatsachen zukam, die anfangs für eine Beteiligung des Klägers an einer Straftat sprachen.
II.
- 35
- Bildberichterstattung:
- 36
- Mit dem von dem Antrag des Klägers erfassten und im erstinstanzlichen Urteil ausgesprochenen Verbot, den Kläger identifizierend darstellende Bildnisse in den angegriffenen Beiträgen online zum Abruf bereitzuhalten, hat sich das Berufungsgericht bislang nicht gesondert befasst. Auch insoweit tragen die Feststellungen des Berufungsgerichts die Abweisung der Klage nicht.
- 37
- 1. Als Teil der Artikel vom 23. Januar, 26. Januar und 11. Februar 2012 und des zweiten Artikels vom 27. April 2012 dürfen die den Kläger zeigenden Bilder mangels dessen Einwilligung (§ 22 Satz 1 KUG) nur dann zum Abruf im Internet bereitgehalten werden, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) und durch die Verbreitung berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG). Anderenfalls steht dem Kläger ein Anspruch auf Unterlassung erneuter Verbreitung der in den Artikeln enthaltenen Bilder entsprechend §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu (vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, AfP 2010, 162 Rn. 31 f. mwN).
- 38
- Die Beurteilung, ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zuzuordnen ist, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits. Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen, wobei dieser Begriff alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse umfasst. Allerdings besteht das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. Bei der Gewichtung der kollidierenden Interessen kommt dem Anlass und dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu, wobei der Informationsgehalt der Bildberichterstattung unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung zu ermitteln ist. Entscheidend ist insbesondere, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie - ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis - le- diglich die Neugier der Leser befriedigen (Senatsurteile vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO Rn. 33 ff.; vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, BGHZ 190, 52 Rn. 17 ff.; vom 8. März 2012 - VI ZR 125/12, AfP 2013, 399 Rn. 12 f.;jeweils mwN). Geht es um eine identifizierende Bildberichterstattung über den Verdacht einer Straftat, so ist darüber hinaus zu beachten, dass eine solche Berichterstattung in das Recht des Abgebildeten auf Schutz seiner Persönlichkeit eingreift , weil sie sein angebliches Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten von vornherein negativ qualifiziert (vgl. Senatsurteile vom 9. Februar 2010 - VI ZR 243/08, aaO Rn. 34; vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, aaO Rn. 19 ff.). Insbesondere ist auch in diesem Zusammenhang im Hinblick auf die Unschuldsvermutung die Gefahr in den Blick zu nehmen, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und dass der Eindruck, der Abgebildete sei ein Straftäter, selbst bei einer späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens nicht beseitigt wird. Ob im Einzelfall dem Recht auf Schutz der Persönlichkeit oder dem Informationsinteresse Vorrang gebührt, hängt unter anderem von dem Verdachtsgrad ab, dem der Beschuldigte ausgesetzt war und gegebenenfalls noch ist (vgl. Senatsurteil vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, aaO Rn. 25).
- 39
- 2. Ob nach diesen Grundsätzen das Bereithalten der Fotos des Klägers als Teil der Berichterstattung zum Abruf im Internet zu beanstanden ist, kann ohne weitere Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Durch Anlass und Gegenstand der Berichterstattung werden die den Kläger in seinemBeruf als Fußballspieler zeigenden Bilder mit dem Verdacht, eine schwere Sexualstraftat begangen zu haben, in unmittelbare Verbindung gebracht. Ob dies berechtigte Interessen des Klägers verletzte bzw. verletzt, hängt unter anderem davon ab, ob und in welchem Umfang - jeweils zu dem Zeitpunkt, zu dem die Meldung erstmals "in das Netz" gestellt wurde, - Tatsachen vorlagen, die den Tatvorwurf stützten. Im Grundsatz kann auch bei der Bildberichterstattung davon ausgegangen werden, dass eine von Anfang an unzulässige Meldung auch nicht als Altmeldung im Online-Archiv zum Abruf bereitgehalten werden darf.
D.
- 40
- Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird - erforderlichenfalls nach ergänzendem Vortrag der Parteien - die notwendigen Feststellungen nachzuholen haben. Galke Wellner Stöhr von Pentz Müller
LG Köln, Entscheidung vom 17.12.2014 - 28 O 220/14 -
OLG Köln, Entscheidung vom 12.05.2015 - 15 U 13/15 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin ist eine bekannte deutsche Fernsehjournalistin. Die Beklagte veröffentlichte in der von ihr verlegten Zeitschrift ein Foto, welches die Klägerin mit ihrer Putzfrau beim Einkaufen in Puerto Andratx auf Mallorca zeigt. Foto und dazugehöriger Text befanden sich auf einer bebilderten Seite mit der Überschrift "Was jetzt los ist auf Mallorca". Das Bild ist mit dem Begleittext versehen: "ARD-Talkerin … beim Shopping mit ihrer Putzfrau im Fischerdorf Puerto Andratx. Ihre Finca liegt romantisch zwischen Mandelbäumen am Rande von Andratx."
- 2
- Auf entsprechenden Antrag der Klägerin hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, zu unterlassen, "Bildnisse aus dem privaten Alltag der Klägerin zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen, wie in "Bild der Frau" Nr. 33 vom 15. August 2005 auf der Seite 49 geschehen."
- 3
- Die gegen diese Verurteilung gerichtete Berufung der Beklagten hat das Kammergericht teilweise für begründet erachtet und die Beklagte nunmehr unter Klageabweisung im Übrigen - entsprechend einem von der Klägerin in der Berufungsinstanz gestellten (ersten) Hilfsantrag - dazu verurteilt, es zu unterlassen , "Fotos der Klägerin zu veröffentlichen wie in "Bild der Frau" Nr. 33 vom 15. August 2005 auf Seite 49 geschehen." Mit ihrer - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, soweit das Berufungsgericht zu ihrem Nachteil entschieden hat. Die Klägerin hat ihre Revision zurückgenommen.
Entscheidungsgründe:
I.
- 4
- Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der erste Hilfsantrag, mit dem die Klägerin es der Beklagten untersagen lassen wolle, "Fotos der Klägerin zu veröffentlichen wie in "Bild der Frau" Nr. 33 vom 15. August 2005 auf Seite 49 geschehen", sei zulässig und begründet. Der Antrag ziele auf eine Verurteilung der Beklagten entsprechend der "Kerntheorie", wonach ein Betroffener nicht nur eine exakte Wiederholung der Verletzungshandlung verbieten lassen könne, sondern auch einen künftigen wesensgleichen Eingriff, der von der konkreten Verletzungsform geringfügig abweiche. Charakteristisch sei im vorliegenden Fall, dass die Klägerin bei Besorgungen bzw. beim Flanieren auf Mallorca - sei es mit oder ohne Begleitung - abgebildet worden sei, ohne dass dem Bild ein zusätzlicher Nachrichtenwert hinsichtlich der Klägerin zukomme. Bei einer Abwägung im Rahmen der §§ 22, 23 KUG müsse - insbesondere unter Berücksichtigung der Entscheidungen des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts - das Recht der Beklagten auf freie Berichterstattung gegenüber dem Persönlichkeitsrecht der Klägerin zurücktreten.
II.
- 5
- Die Revision der Beklagten hat teilweise Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten nach dem ersten Hilfsantrag der Klägerin wendet.
- 6
- 1. Das Berufungsgericht hat das mit dem ersten Hilfsantrag begehrte Verbot, "Fotos der Klägerin zu veröffentlichen, wie in "Bild der Frau" Nr. 33 vom 15. August 2005 auf S. 49 geschehen", zutreffend dahin ausgelegt, dass dieser Antrag auf eine Verurteilung der Beklagten entsprechend der vorgenannten "Kerntheorie" zielt und damit hinreichend bestimmt ist im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
- 7
- 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Hilfsantrag in dieser Form jedoch unbegründet, weil der Klägerin ein so weitgehender Unterlassungsanspruch aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG nicht zusteht. Wie der erkennende Senat zwischenzeitlich entschieden hat, lässt sich die im Wettbewerbsrecht entwickelte "Kerntheorie" auf das Recht der Bildberichterstattung nicht übertragen (vgl. Senatsurteile vom 13. November 2007 - VI ZR 265/06 - VersR 2008, 552 und - VI ZR 269/06 - NJW 2008, 1593).
- 8
- a) Der Senat hat in seiner neueren Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen (vgl. Senatsurteile vom 6. März 2007 - VI ZR 13/06 - VersR 2007, 697 und - VI ZR 51/06 - VersR 2007, 957; vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06 - VersR 2007, 1135 und vom 3. Juli 2007 - VI ZR 164/06 - VersR 2007, 1283) den in der Entscheidung des EGMR vom 24. Juni 2004 (von Hannover gegen Bundesrepublik Deutschland - NJW 2004, 2647 ff.) geäußerten Bedenken Rechnung getragen und zugleich klargestellt, dass es für die Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung in jedem Einzelfall einer Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seiner Privatsphäre bedarf, wobei die begleitende Wortberichterstattung eine wesentliche Rolle spielen kann.
- 9
- b) Eine solche Interessenabwägung kann jedoch nicht in Bezug auf Bilder vorgenommen werden, die noch gar nicht bekannt sind und bei denen insbesondere offen bleibt, in welchem Kontext sie veröffentlicht werden (vgl. Senatsurteil BGHZ 158, 218, 224 ff.). Die entsprechenden Möglichkeiten sind derart vielgestaltig, dass sie mit einer "vorbeugenden" Unterlassungsklage selbst dann nicht erfasst werden können, wenn man diese auf "kerngleiche" Verletzungshandlungen beschränken wollte. Eine vorweggenommene Abwägung, die sich mehr oder weniger nur auf Vermutungen stützen könnte, und die im konkreten Verletzungsfall im Vollstreckungsverfahren nachgeholt werden müsste, verbietet sich schon im Hinblick auf die Bedeutung der betroffenen Grundrechte.
- 10
- 3. Die Klage ist jedoch begründet, soweit sich die Klägerin mit einem weiteren Hilfsantrag in der Berufungsinstanz gegen eine Wiederholung der konkreten Bildveröffentlichung gewandt hat. Da die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung erklärt hat, sich an ihre vorgerichtlich abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht mehr gebunden zu fühlen, kann diesbezüglich eine Wiederholungsgefahr nicht verneint werden.
- 11
- a) Der erkennende Senat hat bereits in mehreren neueren Entscheidungen das abgestufte Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG bei Bildveröffentlichungen von "Prominenten" unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR (insbes. Entscheidung vom 24. Juni 2004 - von Hannover gegen Bundesrepublik Deutschland - aaO) erläutert (vgl. etwa Urteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - VersR 2005, 84 ff.; vom 15. November 2005 - VI ZR 286/04 - VersR 2006, 274 ff.; vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06 - VersR 2007, 957 ff. und vom 3. Juli 2007 - VI ZR 164/06 - VersR 2007, 1283 ff.). Verfassungsrechtliche Beanstandungen haben sich insoweit nicht ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1606/07 u.a. - NJW 2008, 1793 ff.).
- 12
- aa) Nach diesem abgestuften Schutzkonzept dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden (§ 22 KUG); hiervon macht § 23 Abs. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Auch bei Personen, die un- ter dem Blickwinkel des zeitgeschichtlichen Ereignisses im Sinn des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG an sich ohne ihre Einwilligung die Verbreitung ihres Bildnisses dulden müssten, ist eine Verbreitung der Abbildung unabhängig davon, ob sie sich an Orten der Abgeschiedenheit aufgehalten haben, aber dann nicht zulässig, wenn hierdurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
- 13
- bb) Maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des Zeitgeschehens. Dieser Begriff darf nicht zu eng verstanden werden. Im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst er nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung , sondern ganz allgemein das Zeitgeschehen, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Er wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt. Auch durch unterhaltende Beiträge kann Meinungsbildung stattfinden; solche Beiträge können die Meinungsbildung unter Umständen sogar nachhaltiger anregen und beeinflussen als sachbezogene Informationen (vgl. Senat, Urteile vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02 - VersR 2004, 522, 523 - mit Anmerkung v. Gerlach JZ 2004, 625 - und vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06 - aaO S. 957, 958; BVerfG, BVerfGE 101, 361, 389 f.; NJW 2006, 2836, 2837). Das Informationsinteresse besteht indes nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt, so dass eine Berichterstattung keineswegs immer zulässig ist. Wo konkret die Grenze für das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles entscheiden.
- 14
- cc) Zum Kern der Presse- und der Meinungsbildungsfreiheit gehört, dass die Presse in den gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum be- sitzt, innerhalb dessen sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält, und dass sich im Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist (Senat, Urteile vom 15. November 2005 - VI ZR 286/04 - aaO, 275; vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06 - aaO, 957 f.; BVerfG, BVerfGE 101, 361, 392; EGMR, Urteil vom 16. November 2004, Beschwerde-Nr. 53678/00, Karhuvaara und Iltalehti gegen Finnland, NJW 2006, 591, 592 f., §§ 38 ff.). Der EGMR hat in seinem Urteil vom 24. Juni 2004 (Beschwerde-Nr. 59320/00, von Hannover gegen Deutschland, aaO, §§ 58, 60, 63) die Bedeutung der Pressefreiheit unter Hinweis auf Art. 10 EMRK hervorgehoben und ausgeführt, dass die Presse in einer demokratischen Gesellschaft eine wesentliche Rolle spiele und es ihre Aufgabe sei, Informationen und Ideen zu allen Fragen von Allgemeininteresse weiterzugeben. Das steht auch mit dem oben dargelegten Begriff der Zeitgeschichte in Einklang.
- 15
- dd) Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 KUG nimmt nach Sinn und Zweck der Regelung und nach der Intention des Gesetzgebers in Ausnahme von dem Einwilligungserfordernis des § 22 KUG Rücksicht auf das Informationsinteresse der Allgemeinheit und auf die Pressefreiheit. Die Anwendung des § 23 Abs. 1 KUG erfordert hiernach eine Abwägung zwischen den Rechten der Abgebildeten nach Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 10 Abs. 1 EMRK und Art. 5 Abs. 1 GG andererseits. Die Grundrechte der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und des Schutzes der Persönlichkeit (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) sind ihrerseits nicht vorbehaltlos gewährleistet.
- 16
- Die Pressefreiheit findet ihre Schranken nach Art. 5 Abs. 2 GG in den allgemeinen Gesetzen. Zu diesen zählen u.a. die §§ 22 f. KUG und auch Art. 8 EMRK. Die in §§ 22 f. KUG enthaltenen Regelungen sowie die von Art. 10 EMRK verbürgte Äußerungsfreiheit beschränken zugleich als Bestandteile der verfassungsmäßigen Ordnung gemäß Art. 2 Abs. 1 GG den Persönlichkeitsschutz. Die Auslegung und Anwendung solcher Schrankenregelungen und ihre abwägende Zuordnung zueinander durch die Gerichte hat der interpretationsleitenden Bedeutung der von der Schrankenregelung bestimmten Grundrechtsposition Rechnung zu tragen sowie die entsprechenden Gewährleistungen der europäischen Menschenrechtskonvention zu berücksichtigen. Hierbei ist zu beachten , dass bei der Bestimmung der Reichweite des durch Art. 8 Abs. 1 EMRK dem privaten Leben des Einzelnen gewährten Schutzes der situationsbezogene Umfang der berechtigten Privatheitserwartungen des Einzelnen zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. August 2006 - 1 BvR 2606/04 u.a. - NJW 2006, 3406, 3408); auch kann die Gewährleistung des Art. 8 Abs. 1 EMRK einen Anspruch auf Schutz durch die staatlichen Gerichte vor Veröffentlichung von Bildnissen des Einzelnen aus seinem Alltagsleben einschließen (vgl. EGMR, Urteil vom 24. Juni 2004, Beschwerde-Nr. 59320/00, von Hannover gegen Deutschland, §§ 50 ff., aaO, 2648). Über die Reichweite dieses Schutzes ist im konkreten Fall durch Berücksichtigung der von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 10 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Äußerungsfreiheit und ihrer in Art. 10 Abs. 2 EMRK geregelten Schranken ebenfalls im Wege der Abwägung zu entscheiden (vgl. EGMR, Beschluss vom 14. Juni 2005, BeschwerdeNr. 14991/02, Minelli gegen Schweiz; Urteil vom 17. Oktober 2006, Beschwerde -Nr. 71678/01, Gourguenidze gegen Georgien, §§ 38 ff.).
- 17
- Das Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit unterliegt der Schrankenregelung des Art. 2 Abs. 1 Halbs. 2 GG. Schranken sind neben den Grundrechten wie Art. 5 Abs. 1 GG insbesondere die Vorschriften über die Veröffentlichung fotografischer Abbildungen von Personen in §§ 22 ff. KUG mit dem erwähnten abgestuften Schutzkonzept, das sowohl dem Schutzbedürfnis der abgebildeten Person wie den von den Medien wahrgenommenen Informationsin- teressen der Allgemeinheit Rechnung trägt (vgl. BVerfG, BVerfGE 35, 202, 224 f.; 101, 361, 387; Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1606/07 u.a. - aaO, 1795). Daneben beschränkt die in Art. 10 EMRK verbürgte Freiheit der Äußerung und Verbreitung sowie des Empfangs von Meinungen unter Einschluss von Informationen den Schutz der Persönlichkeit. Der Schutz des Art. 10 Abs. 1 EMRK schließt insbesondere auch die Veröffentlichung von Fotoaufnahmen zur Bebilderung der Medienberichterstattung ein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1606/07 u.a. - aaO, 1795; EGMR, Urteile vom 14. Dezember 2006, Beschwerde-Nr. 10520/02, Verlagsgruppe News GmbH gegen Österreich Nr. 2, § 29; vom 24. Juni 2004, Beschwerde-Nr. 59320/00, von Hannover gegen Deutschland, § 59, aaO, 2649). Über die Zulässigkeit von Beschränkungen dieses Rechts durch Maßnahmen der staatlichen Gerichte zum Schutz des Privatlebens des Abgebildeten ist nach der Rechtsprechung des EGMR gleichfalls im Wege einer Abwägung mit dem in Art. 8 EMRK verbürgten Anspruch auf Achtung des Privatlebens zu entscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1606/07 u.a. - aaO, 1795; EGMR, Urteil vom 17. Oktober 2006, Beschwerde-Nr. 71678/01, Gourguenidze gegen Georgien, § 37 f. m.w.N.). Bei der Abwägung mit kollidierenden Rechtsgütern unter Berücksichtigung der von Art. 5 Abs. 1 GG verbürgten Vermutung für die Zulässigkeit einer Berichterstattung der Presse, die zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen soll (vgl. BVerfGE 20, 162, 177; Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1606/07 u.a. - aaO, 1796), ist der von Art. 10 Abs. 1 EMRK verbürgten Äußerungsfreiheit ein besonderes Gewicht dort beizumessen, wo die Berichterstattung der Presse einen Beitrag zu Fragen von allgemeinem Interesse leistet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1606/07 u.a. - aaO, 1796; EGMR, Urteil vom 16. November 2004, Beschwerde -Nr. 53678/00, Karhuvaara und Iltalehti gegen Finnland, § 40; Urteil vom 1. März 2007, Beschwerde-Nr. 510/04, Tønsbergs Blad u.a. gegen Norwegen , § 82).
- 18
- Die Garantie der Pressefreiheit dient nicht allein den subjektiven Rechten der Presse, sondern in gleicher Weise auch dem Schutz des Prozesses öffentlicher Meinungsbildung und damit der Meinungsbildungsfreiheit der Bürger. Äußerungen in der und durch die Presse wollen in der Regel zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen und haben daher zunächst die Vermutung der Zulässigkeit für sich, auch wenn sie die Rechtssphäre anderer berühren (vgl. BVerfG, BVerfGE 20, 162, 177; 66, 116, 133; 77, 346, 354). Nach der Rechtsprechung des EGMR besteht nur wenig Spielraum, die Gewährleistung des Art. 10 Abs. 1 EMRK zurücktreten zu lassen, falls eine Medienberichterstattung einen Bezug zu einer Sachdebatte von allgemeinem Interesse aufweist (vgl. EGMR, Urteile vom 22. Oktober 2007, Beschwerde-Nr. 21279/02 u.a., Lindon u.a. gegen Frankreich, § 45; vom 17. Dezember 2004, BeschwerdeNr. 49017/99, Pedersen und Baadsgaard gegen Dänemark, § 68 f.). Art. 5 Abs. 1 GG gebietet allerdings nicht, generell zu unterstellen, dass mit jeder visuellen Darstellung aus dem Privat- und Alltagsleben prominenter Personen ein Beitrag zur Meinungsbildung verbunden sei, der es für sich allein rechtfertigte, die Belange des Persönlichkeitsschutzes zurückzustellen.
- 19
- ee) Nach diesen Grundsätzen wird die Reichweite des Schutzes des Rechts am eigenen Bild davon beeinflusst, ob eine Information in die breite Öffentlichkeit der Massenmedien überführt wird und damit nicht auf einen engen Personenkreis begrenzt bleibt. Andererseits wird das Gewicht der das Persönlichkeitsrecht gegebenenfalls beschränkenden Pressefreiheit davon beeinflusst, ob die Berichterstattung eine Angelegenheit betrifft, welche die Öffentlichkeit wesentlich berührt (vgl. BVerfG, BVerfGE 7, 198, 212; Beschluss vom 24. Januar 2006 - 1 BvR 2602/05 - NJW 2006, 1865; EGMR, Urteil vom 17. Oktober 2006, Beschwerde-Nr. 71678/01, Gourguenidze gegen Georgien, § 55). Mit der Entscheidung, ein Bild einer Person abzudrucken und in den Kontext eines bestimmten Berichts zu rücken, nutzen die Medien ihre grundrechtlich geschützte Befugnis, selbst zu entscheiden, was sie für berichtenswert halten. Dabei haben sie jedoch den Persönlichkeitsschutz Betroffener zu berücksichtigen.
- 20
- Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 26. Februar 2008 (- 1 BvR 1606/07 u.a. - aaO, 1796) dargelegt hat, können prominente Personen der Allgemeinheit Möglichkeiten der Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen bieten sowie Leitbild- oder Kontrastfunktionen erfüllen. Auch die Normalität ihres Alltagslebens kann der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen (so bereits BVerfGE 101, 361, 391). Das gilt auch für unterhaltende Beiträge als einen wesentlichen Bestandteil der Medienbetätigung , der durch die Pressefreiheit geschützt wird, zumal der publizistische und wirtschaftliche Erfolg der Presse auf unterhaltende Inhalte und entsprechende Abbildungen angewiesen sein kann und die Bedeutung visueller Darstellungen beträchtlich zugenommen hat. Hiernach gilt die Pressefreiheit auch für unterhaltende Beiträge über das Privat- oder Alltagsleben von Prominenten und ihres sozialen Umfelds einschließlich ihnen nahestehender Personen. Allerdings bedarf es gerade bei unterhaltenden Inhalten in besonderem Maß der abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen der Betroffenen.
- 21
- Für die Abwägung zwischen der Pressefreiheit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ist von maßgeblicher Bedeutung, ob die Presse im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtert, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllt und zur Bildung der öffentlichen Meinung beiträgt oder ob sie lediglich die Neugier der Leser nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigt (vgl. BVerfG, BVerfGE 34, 269, 283; 101, 361, 391).
- 22
- Insoweit hat das BVerfG (Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1606/07 u.a. - aaO, 1796) hervorgehoben, dass das Selbstbestimmungsrecht der Presse nicht auch die Entscheidung erfasst, wie das Informationsinteresse zu gewichten ist, sondern diese Gewichtung zum Zweck der Abwägung mit gegenläufigen Interessen der Betroffenen vielmehr im Fall eines Rechtsstreits den Gerichten obliegt. Diese haben allerdings im Hinblick auf das Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG von einer inhaltlichen Bewertung - etwa als wertvoll oder wertlos, seriös oder unseriös o.ä. - abzusehen und sind auf die Prüfung beschränkt, in welchem Ausmaß der Bericht einen Beitrag für die öffentliche Meinungsbildung erbringen kann.
- 23
- ff) Der Informationswert einer Bildberichterstattung ist, soweit das Bild nicht schon als solches eine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage enthält, im Kontext der dazugehörenden Wortberichterstattung zu ermitteln. Bilder können Wortberichte ergänzen und dabei der Erweiterung des Aussagegehalts dienen, etwa die Authentizität des Geschilderten unterstreichen. Auch können beigefügte Bilder der an dem berichteten Geschehen beteiligten Personen die Aufmerksamkeit des Lesers für den Wortbericht wecken (vgl. Senat, BGHZ 158, 218, 223; Urteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - NJW 2005, 594, 595 f.). Beschränkt sich der begleitende Bericht allerdings darauf , lediglich einen Anlass für die Abbildung prominenter Personen zu schaffen, ohne dass die Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung erkennen lässt, ist es nicht angezeigt, dem Veröffentlichungsinteresse den Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz einzuräumen.
- 24
- gg) Daneben sind bei einer Bildberichterstattung für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes auch der Anlass und die Umstände zu berücksichtigen, unter denen die Aufnahme entstanden ist, etwa unter Ausnutzung von Heimlichkeit oder beharrlicher Nachstellung. Auch ist bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird. Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts wiegt schwerer, wenn die visuelle Darstellung durch Ausbreitung von üblicherweise öffentlicher Erörterung entzogenen Einzelheiten des privaten Lebens thematisch die Privatsphäre berührt oder wenn der Betroffene nach den Umständen typischer Weise die berechtigte Erwartung haben durfte, nicht in den Medien abgebildet zu werden. Das kann nicht nur bei einer durch räumliche Privatheit geprägten Situation, sondern außerhalb örtlicher Abgeschiedenheit auch in Momenten der Entspannung oder des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs und des Alltags der Fall sein.
- 25
- b) Diese Grundsätze sind auf die Klägerin anzuwenden, da sie aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit als Nachrichtensprecherin, Fernsehjournalistin und -moderatorin als Person des öffentlichen Interesses anzusehen ist (vgl. zur Abgrenzung zwischen "personnage public / public figure", "personnalité politique / politician" und "personne ordinaire / ordinary person": EGMR, Urteile vom 11. Januar 2005, Beschwerde-Nr. 50774/99, Sciacca gegen Italien, §§ 27 ff.; vom 17. Oktober 2006 - Beschwerde-Nr. 71678/01, Gourguenidze gegen Georgien , § 57). Diese Einstufung hat nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Folge, dass über eine solche Person in größerem Umfang berichtet werden darf als über andere Personen, wenn die Information einen hinreichenden Nachrichtenwert mit Orientierungsfunktion im Hinblick auf eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte hat und die Abwägung keine schwerwiegenden Interessen des Betroffenen ergibt, die einer Veröffentlichung entgegenstehen.
- 26
- c) Im Streitfall führen diese Grundsätze zu folgender Abwägung:
- 27
- Das beanstandete Bild zeigt - worauf der Begleittext selbst hinweist - die Klägerin in einer (völlig) belanglosen Situation beim "Shopping" mit ihrer Putzfrau im Fischerdorf Puerto Andratx auf Mallorca. Das beanstandete Bild ist Teil eines Berichts über "Was jetzt los ist auf Mallorca", in dem jeweils unter Beifügung von Fotografien über die Anwesenheit sog. Prominenter, u.a. der Klägerin, auf der Insel berichtet wird. Der Nachrichtenwert der Berichterstattung hat keinerlei Orientierungsfunktion im Hinblick auf eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte, sondern beschränkt sich lediglich auf die Information, dass sich die Klägerin zurzeit auf Mallorca aufhalte, wo sie ein Ferienhaus besitze, und dort - wie viele andere Menschen auch - mitunter auch in Begleitung einkaufen gehe. Eine solche Berichterstattung, die nur der Befriedigung des Unterhaltungsinteresses bestimmter Leser dient, mag zwar möglicherweise - worauf es im Streitfall allerdings nicht ankommt - als reine Wortberichterstattung zulässig sein. Sie rechtfertigt es jedoch nicht, dass die Klägerin einen Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht durch Veröffentlichung eines Bildes in dieser zu ihrer Privatsphäre gehörenden Situation ohne ihre Einwilligung nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG hinnehmen muss. Insoweit ergibt die gebotene Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Klägerin und der Pressefreiheit der Beklagten, dass letztere zurückzutreten hat. Hieran vermag auch der Hinweis der Revision nichts zu ändern, dass die Klägerin bei anderen Gelegenheiten der Öffentlichkeit über die Presse Einblicke in ihr Privatleben gewährt habe (vgl. zu einem insoweit anders gelagerten Fall Senatsurteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - aaO mit Nichtannahmebeschluss des BVerfG VersR 2007, 849).
III.
- 28
- Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 565, 516 Abs. 3 ZPO. Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
LG Berlin, Entscheidung vom 22.06.2006 - 27 O 1126/05 -
KG Berlin, Entscheidung vom 07.11.2006 - 9 U 148/06 -
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
- 1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
1
Der Berichtigungsbeschluss vom 30. September 2014 ist bereits eingearbeitet.Tatbestand:
- 1
- Der Kläger nimmt die Beklagten zu 1 und 3, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, auf Unterlassung angeblich persönlichkeitsrechtsverletzender Veröffentlichungen und auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren in Anspruch. Die Beklagte zu 1 ist die Verlegerin der BILD-Zeitung. Die frühere Beklagte zu 2 betreibt das Internet Portal www.bild.de. Die Beklagte zu 3 ist Verlegerin der "B.Z.".
- 2
- Der Kläger war von 1994 bis 1999 Staatssekretär im Umweltministerium eines deutschen Bundeslandes. 1999 wurde er Chef der Staatskanzlei. Von Oktober 2004 bis November 2009 war er Finanzminister. Im November 2009 wurde er zum Innenminister ernannt. Zugleich war er Mitglied des Landtags. Mitte der 90er Jahre unterhielt er zu einer Mitarbeiterin, Frau G., eine außereheliche Beziehung, aus der im Jahre 1997 die gemeinsame Tochter E. hervorging. Bis auf geringfügige Zahlungen leistete der Kläger für diese keinen Unterhalt. Auf Antrag von Frau G. erhielt E. bis Oktober 2003 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Den Vater des Kindes benannte Frau G. der zuständigen Behörde nicht. Im Jahre 2009 kam der private Laptop des Klägers abhanden. Die darauf befindliche E-Mail-Korrespondenz zwischen ihm und Frau G. wurde der Beklagten zu 1 zugespielt. Am 31. August 2010 führten drei Redakteure der Beklagten zu 1 ein Interview mit dem Kläger. Sie hielten ihm vor, dass sich aus an ihn gerichteten E-Mails der Frau G. ergebe, dass er der Vater von E. sei und für sie keinen regelmäßigen Unterhalt gezahlt habe. Es bestehe der Verdacht des Sozialbetrugs. Außerdem teilten sie dem Kläger mit, dass sie mit der Veröffentlichung einer Berichterstattung über diesen Sachverhalt zwei Tage warten würden; in der Zwischenzeit könne der Kläger seine Verhältnisse ordnen. Der Kläger erwirkte daraufhin eine einstweilige Verfügung, durch die der Beklagten zu 1 untersagt wurde, vier E-Mails wörtlich oder sinngemäß publizis- tisch zu nutzen, und die Fragen, ob der Kläger private oder intime Kontakte mit Frau G. hatte und ob er sich an einem Sozialleistungsbetrug beteiligt hatte, öffentlich zu erörtern. Am 20. September 2010 veröffentlichte die Beklagte zu 2 unter voller Namensnennung des Klägers auf ihrem Internetauftritt "bild.de" unter der Überschrift "Innenminister unter Druck/Sozialbetrug? Minister S. wehrt sich gegen Vorwürfe" einen Beitrag, der sich mit der Beziehung des Klägers mit Frau G., der Geburt der Tochter sowie der möglichen Erschleichung von Sozialleistungen befasst. In der Zeit zwischen dem 21. und dem 25. September 2010 erschienen in den Printmedien der Beklagten zu 1 und 3 sowie in dem Internetportal der Beklagten zu 2 ähnliche Berichte über den Vorgang. Am 23. September 2010 trat der Kläger von seinem Ministeramt zurück. Er gab in einem Zeitungsinterview bekannt, dass er der Vater von E. sei und die Unterhaltszahlungen für sie nachgeholt habe.
- 3
- Der Kläger hält die Verwertung der privaten E-Mails zum Zwecke der Berichterstattung für rechtswidrig. Er macht geltend, dass die E-Mails von seinem Laptop stammten, der ihm gestohlen worden sei. Das Landgericht hat die Beklagte zu 1 verurteilt, es zu unterlassen, den Inhalt folgender E-Mails in direkter oder indirekter Rede zu verbreiten oder verbreiten zu lassen (Klageantrag zu 13): - E-Mail vom 28. Oktober 1997 des Klägers an Frau G.: "Ich stehe als Vater nicht zur Verfügung". - E-Mail vom 29. November 2002 von Frau G. an den Kläger: "Ich habe totalen Horror was werden soll, ab dem nächsten Jahr, da geht das zu Ende mit dem Betrug mit dem Vorschuss (nicht die Strafrelevanz dessen für mich). Einerseits bin ich froh, andererseits hab ich dann gar nichts mehr, mit dem ich mich mit meinem Gewissen vor E. rausreden kann. Diese Bettelhaltung ist jedenfalls auch ein zusätzlicher absolut unhaltbarer Zustand (die 100 €, ab Oktober nächstes Jahr 150 €, sind Peanuts für Dich, ich brauche das inzwischen wirklich, symbolisch und auch materiell)". - E-Mail vom 25. Juni 2008 von Frau G. an den Kläger: "War gerade bei der Bank, sieht ganz und gar nicht gut aus und ich brauch jetzt zumindest eine Teilsumme, die du mir schuldest. Offen war der Stand Ende 2005, du wolltest mal meine Mails checken, ansonsten legen wir mal was fest gelegentlich. 2006 ist komplett offen, 2007 hast du mir 800 gegeben, 2008 auch offen. Ich glaub nicht, dass ich zu viel verlange, so eher im Gegenteil. Wie wollen wir das zukünftig handeln ? Will nicht mehr betteln müssen". - E-Mail vom 21. April 2004 von Frau G. an den Kläger: "Hallo R., bitte teile mir mit, wann ich den besprochenen Unterhaltbeitrag für E. bekomme. Mit Stand April sind es im Moment 1.850 €, die du schuldest, du Finanzminister".
- 4
- Das Landgericht hat die Beklagte zu 1 weiter zur Freistellung des Klägers von einer Forderung seines Rechtsanwalts in Höhe von 1.376,83 € verurteilt und festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich des Klageantrags zu 4 in der Hauptsache erledigt ist. Mit dem am 9. September 2010 eingereichten Klageantrag zu 4 hatte der Kläger beantragt, die Beklagte zu 1 zu verurteilen, es zu unterlassen, die Frage der Vaterschaft des Klägers hinsichtlich des Kindes E., die Frage privater oder intimer Kontakte des Klägers zu Frau G., die Frage, ob diese zu Unrecht Sozialleistungen in Anspruch genommen hat und/oder "Sozialleistungsbetrug" begangen hat, sowie die Frage von Unterhaltsleistungen für das Kind E. im Zusammenhang mit dem Kläger öffentlich zu erörtern.
- 5
- Das Landgericht hat die Beklagte zu 3 verurteilt, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß über den Kläger zu äußern oder zu verbreiten (Klageantrag zu 12): aa. "Du hast wieder den Geburtstag vergessen ... Du schuldest uns 1.150 Euro ... Es ist ein Bruchteil dessen, was ihr zustehen würde von Dir, bitte verweigere ihr das nicht und bring mich nicht weiterhin in die Situation, betteln zu müssen, bitte". (22. Oktober 2003) "Bitte tue mir das nicht weiterhin an, lass mich nicht soo unglaublich hängen". (24. November 2003); bb. "Ich habe das ganze Jahr 2003 über keinen Pfennig von dir gesehen , Du weißt, dass ich seit geraumer Zeit keinerlei staatlichen Unterhalt mehr für sie bekomme". (25. November 2003); cc. Der Kläger soll darauf geantwortet haben: "Ich bring auch ein paar Euro vorbei" (2. Dezember 2003); dd. "Da ist das Geld von dir fest eingeplant und entspricht dem was ihr von einem an unterster Einkommensstufe befindlichen bzw. arbeitslosen Mann an Mindestunterhalt zustände". (16. Dezember 2003); ee. "Ist jetzt ziemlich genau 8 Jahre her, als Du aus meiner Wohnung gegangen, bist ... Im Juni wären es 2.700 Euro, im Juli 2.900 Euro, steck es einfach in den Briefkasten ..." (19. Mai 2005), wie in der "B.Z." vom 23.09.2010 "Wollte also nur mal an Deinen Schuldenstand erinnern, Herr Finanzminister: 2.100 Euro" geschehen; ff. "Wollte also nur mal an Deinen Schuldenstand erinnern, Herr Finanzminister : 2.100 Euro" (6. März 2005); wie in der "B.Z." vom 23.09.2010 "Wollte also nur mal an Deinen Schuldenstand erinnern, Herr Finanzminister: 2.100 Euro" und/oder wie in "http://www.bz- berlin.de/archiv/um-15-01-uhr-zog-s.-sich-aus-seiner-affaerearticle986907.html" geschehen.
- 6
- Das Landgericht hat die Beklagte zu 3 außerdem zur Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.999,32 € verurteilt. Im Übrigen hat es die - unter anderem auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 150.000 € - gerichtete Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Berufungen der Beklagten zu 1 und 3 blieben ohne Erfolg. Auf die Berufung des Klägers hat das Kammergericht die Beklagte zu 1 zur Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.633,87 € und die Beklagte zu 3 zur Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.419,19 € verurteilt. Die weiterge- hende Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit den vom Senat zugelassenen Revisionen verfolgen die Beklagten zu 1 und 3 ihre Anträge auf vollständige Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
A.
- 7
- Das Berufungsgericht hat angenommen, dass sich der Klageantrag zu 4 durch den Rücktritt des Klägers vom Amt des Innenministers am 23. September 2010 erledigt habe. Der Unterlassungsantrag sei ursprünglich begründet gewesen und erst durch den nach Rechtshängigkeit erfolgten Rücktritt des Klägers von seinem Ministeramt unbegründet geworden. Erst der Rücktritt habe ein die Belange des Klägers überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit begründet. Bis zum Rücktritt komme dagegen dem Interesse des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit der Vorrang gegenüber dem Interesse der Beklagten zu 1 an einer Information der Öffentlichkeit zu. Die Berichterstattung stütze sich auf den Inhalt der zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails. Die in den E-Mails erörterten Angelegenheiten beträfen die Privatsphäre des Klägers. Thematisch gehe es um seine Vaterschaft zu dem Kind E., um Unterhaltsforderungen und darauf erfolgte Zahlungen. Dies sei ein Bereich, zu dem andere nur Zugang hätten, soweit er ihnen gestattet würde. Verstärkt werde der Schutz der Privatsphäre durch den Umstand, dass die E-Mails erkennbar hätten geheim bleiben sollen und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen seien. Zu berücksichtigen sei weiter die rechtswidrige Informationsbeschaffung. Die E-Mails seien auf der Festplatte des im Oktober 2009 gestohlenen Laptops des Klägers gespeichert gewesen. Die vom Kläger gestellte Strafanzeige spreche dafür, dass der Laptop tatsächlich gestohlen worden sei. Aber auch wenn der Kläger das Gerät verloren habe, ändere sich an der Beurteilung nichts. Denn dann hätten Dritte den Datenträger unterschlagen. Auch wenn der Zugriff auf die Daten über ein "gehacktes" Passwort erfolgt sei, liege ein Vergehen des Ausspähens von Daten vor. Es seien zwar keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Mitarbeiter der Antragsgegnerin an diesen Straftaten beteiligt gewesen seien oder im Zusammenhang mit der Beschaffung der Daten eine rechtswidrige Handlung begangen hätten. Die Redakteure der Beklagten zu 1 hätten aber aufgrund der Umstände erkannt, dass der Zugriff auf die Mails durch eine Straftat erfolgt sein müsse. Zwar falle auch die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG. Die widerrechtliche Beschaffung einer Information indiziere aber einen nicht unerheblichen Eingriff in den Bereich eines anderen, besonders dann, wenn dieser Bereich wegen seiner Vertraulichkeit geschützt sei. In einer solchen Situation habe die Veröffentlichung grundsätzlich zu unterbleiben. Eine Ausnahme komme nur dann in Betracht, wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiege, welche der Rechtsbruch für den Betroffenen und die tat- sächliche Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehe. Dies sei in der Regel dann nicht der Fall, wenn die widerrechtlich beschaffte Information Zustände oder Verhaltensweisen offenbare, die ihrerseits nicht rechtswidrig seien.
- 8
- Nach diesen Grundsätzen liege ein überwiegendes Publikationsinteresse nicht vor. Allerdings ergebe sich aus den E-Mails, dass Frau G. den Kläger für den Vater ihrer Tochter gehalten und Unterhaltszahlungen gefordert habe. Ersichtlich sei auch, dass Frau G. angenommen habe, durch die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz einen Betrug zu begehen. Auch habe der Kläger spätestens im November 2002 angenommen, Vater des Kindes zu sein. Auf der Grundlage dieses Sachverhalts stehe aber weder fest, dass der Kläger eine Straftat begangen habe, noch liege ein Mindestbestand an Beweistatsachen vor, der Voraussetzung für eine zulässige Verdachtsberichterstattung sei. Die Beweistatsachen sprächen nur dafür, dass Frau G. einen Betrug begangen habe. Denn sie habe trotz ihrer sich aus dem Unterhaltsvorschussgesetz ergebenden Verpflichtung den Kläger nicht als Vater benannt. Hinreichende Beweistatsachen, die auf eine Täterschaft oder Teilnahme des Klägers schließen ließen, lägen hingegen nicht vor. Auch wenn an dem Vorgang ein öffentliches Informationsinteresse bestehe, weil der Kläger jedenfalls ab November 2002 die Begehung eines Betrugs zum Nachteil der öffentlichen Hand geduldet habe, gebühre dem Schutzinteresse des Klägers der Vorrang. Er habe lediglich einen Rechtsverstoß geduldet, selbst aber keine Rechtsvorschriften verletzt. In besonderem Maße zu berücksichtigen sei auch, dass die E-Mails durch eine Straftat beschafft worden seien und der Eingriff wegen des erkennbaren Geheimhaltungsinteresses an der privaten Korrespondenz besonders intensiv sei.
- 9
- Mit dem Rücktritt des Klägers vom Amt des Innenministers sei die Berichterstattung jedoch zulässig geworden. Denn bei dem Rücktritt handle es sich um ein Ereignis, an dem ein hohes öffentliches Informationsinteresse bestehe. Das Informationsinteresse erstrecke sich dabei auch auf die Frage, welche Gründe zu dem Rücktritt geführt hätten und welche Vorwürfe gegen den Kläger erhoben worden seien. Ohne die Mitteilung der aus den E-Mails zu entnehmenden Informationen bliebe eine Berichterstattung über die Gründe des Rücktritts unvollständig und nicht verständlich.
- 10
- Die Beklagte zu 1 wende sich auch ohne Erfolg gegen ihre Verurteilung, die Wiedergabe von Zitaten aus den zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails gemäß Klageantrag zu 13 zu unterlassen. Die sprachliche Fassung eines bestimmten Gedankeninhalts sei Ausdruck der Persönlichkeit des Verfassers. Soweit die E-Mails von Frau G. verfasst worden seien, ließen sie Rückschlüsse auf die persönliche Beziehung zum Kläger zu, weshalb auch sein Persönlichkeitsrecht betroffen sei. Den E-Mails sei ein rechtswidriges Verhalten des Klägers nicht zu entnehmen. Dies deute darauf hin, dass es sich nicht um Missstände von erheblichem Gewicht handle, an deren Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse bestehe. Aus diesen Gründen wende sich auch die Beklagte zu 3 ohne Erfolg gegen ihre Verurteilung zur Unterlassung der Wiedergabe von Zitaten aus den zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails gemäß Klageantrag zu 12. Aufgrund der erlittenen Persönlichkeitsrechtsverletzung stehe dem Kläger gegen die Beklagten zu 1 und 3 weiterhin ein Anspruch auf Freistellung von den Gebührenforderungen seiner Rechtsanwälte zu.
B.
- 11
- Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Klageantrag zu 4 hat sich nicht in der Hauptsache erledigt; der den Gegenstand dieses Antrags bildende vorbeugende Unterlassungsantrag war zu keinem Zeitpunkt begründet. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Unterlassung der mit den Anträgen zu 12 und 13 angegriffenen Äußerungen gegen die Beklagten zu 1 und 3 zu. Aus diesem Grund kann er nicht die Freistellung von den Gebührenforderungen seiner Rechtsanwälte verlangen. I. Revision der Beklagten zu 1 1. Ursprünglicher Klageantrag zu 4
- 12
- Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die auf Feststellung der Erledigung des Klageantrags zu 4 gerichtete Klage unbegründet. Die Feststellung der Erledigung der Hauptsache setzt voraus, dass eine ursprünglich zulässige und begründete Klage durch ein nach Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist (vgl. BGH, Urteile vom 15. Januar 1982 - V ZR 50/81, BGHZ 83, 12, 13; vom 8. März 1990 - I ZR 116/88, NJW 1990, 3147, 3148). An diesen Voraussetzungen fehlt es vorliegend. Die Revision macht mit Erfolg geltend, dass dem Kläger zu keinem Zeitpunkt ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1 zustand, es zu unterlassen, die Frage seiner Vaterschaft hinsichtlich E., die Frage privater oder intimer Kontakte zu Frau G., die Frage, ob diese zu Unrecht Sozialleistungen in Anspruch genommen und/oder "Sozialleistungsbetrug" begangen hat, oder die Frage von Unterhaltsleistungen für das Kind E. im Zusammenhang mit ihm öffentlich zu erörtern.
- 13
- a) Allerdings greift eine Berichterstattung, die sich auf den Inhalt der zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails stützt und die vorbezeichneten Fragen thematisiert, in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers ein.
- 14
- aa) Betroffen sind zum einen die Ehre und soziale Anerkennung des Klägers. Denn die Bekanntgabe des Umstands, dass der Kläger für seine nichteheliche Tochter nur geringfügige Zahlungen erbracht hat, ist geeignet, sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken.
- 15
- bb) Betroffen sind zum anderen die Vertraulichkeitssphäre und das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung. Beide genannten Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schützen auch das Interesse des Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt privater E-Mails nicht an die Öffentlichkeit gelangt (vgl. zur Vertraulichkeits- bzw. Geheimsphäre : Senatsurteile vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73,120, 121, 124 f.; vom 10. März 1987 - VI ZR 244/85, AfP 1987, 508, 509 f.; BVerfGE 54, 148, 153 f. mwN - Eppler-Zitat; zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung: BVerfGE 115, 166, 83 f., 187 ff.; EGMR, EuGRZ 2007, 415 Rn. 41, 43 f.). So umfasst das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht nur die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden , ob, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. Senatsurteile vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 6; vom 5. November 2013 - VI ZR 304/12, BGHZ 198, 346 Rn. 11 = AfP 2014, 58; BVerfGE 84, 192, 194; BVerfG, VersR 2006, 1669 Rn. 31 f.; BVerfG, VersR 2013, 1425, 1427, jeweils mwN). Vielmehr erstreckt sich der Schutzbereich dieses Rechts auch auf Telekommunikationsverbindungsdaten einschließlich der jeweiligen Kommunikationsinhalte, soweit sie nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeichert werden. Insoweit ergänzt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung den Schutz des Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 115, 166, 183 f., 187 ff.). Damit wird der besonderen Schutzwürdigkeit der Telekommunikationsumstände Rechnung getragen und die Vertraulichkeit räumlich distanzierter Kommunikation auch nach Beendigung des Übertragungsvorgangs gewahrt. Vom Schutz umfasst ist dabei zum einen das Interesse des Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt der Kommunikation nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Geschützt wird aber auch sein Interesse daran, dass die Kommunikationsinhalte nicht in verkörperter Form für die Öffentlichkeit verfügbar werden und damit über den Kommunikationsinhalt hinaus auch die persönliche Ausdrucksweise des Kommunikationsteilnehmers nach außen dringt (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 121 ff.). Denn jede sprachliche Festlegung eines bestimmten Gedankeninhalts lässt Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Verfassers zu (BGH, Urteil vom 25. Mai 1954 - I ZR 211/53, BGHZ 13, 334, 338).
- 16
- Weder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch die Vertraulichkeitssphäre gewähren aber einen absoluten Schutz; sie finden ihre Grenze vielmehr in den Rechten Dritter - beispielsweise auf Meinungs- und Medienfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK (vgl. Senatsurteile vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 6 mwN; vom 10. März 1987 - VI ZR 244/85, AfP 1987, 508, 510; vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 124).
- 17
- cc) Die absolut geschützte Intimsphäre des Klägers ist dagegen nicht betroffen (vgl. zur Intimsphäre: Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, AfP 2012, 47 Rn. 11; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25 f.). Die bloße Bekanntgabe der wahren Tatsache, dass der Kläger eine intime Beziehung mit Frau G. hatte, aus der ein Kind hervorgegangen ist, tangiert den unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung nicht. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn im Zeitpunkt der Einreichung des auf eine Erstbegehungsgefahr gestützten vorbeugenden Klageantrags zu 4 zu befürchten gewesen wäre, dass diesbezügliche Einzelheiten preisgegeben werden (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 66 = AfP 2014, 135; vom 29. Juni 1999 - VI ZR 264/98, AfP 1999, 350, 351; vom 5. Mai 1964 - VI ZR 64/63, NJW 1964, 1471, 1472; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wortund Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 49). Dies ist weder ersichtlich noch dargetan.
- 18
- b) Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers ist aber nicht rechtswidrig. Das von der Beklagten zu 1 verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit überwiegen das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit.
- 19
- aa) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 8; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22 = AfP 2014, 135).
- 20
- bb) Im Streitfall ist das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht der Beklagten zu 1 auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen. Dabei ist zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass die Informationen, deren Veröffentlichung er mit dem vorbeugenden Unterlassungsantrag verhindern wollte, von einem Dritten in rechtswidriger Weise beschafft worden sind. Zwar wird auch die Ver- öffentlichung rechtswidrig beschaffter oder erlangter Informationen vom Schutz der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) umfasst. Andernfalls wäre die Funktion der Presse als "Wachhund der Öffentlichkeit" beeinträchtigt, zu der es gehört, auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen (vgl. Senatsurteile vom 10. März 1987 - VI ZR 244/85, AfP 1987, 508, 510; vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 124 ff.; BVerfGE 66, 116, 137 f.). Um der besonderen Schutzwürdigkeit der im Endgerät des Betroffenen gespeicherten Kommunikationsdaten und des insoweit bestehenden Ergänzungsverhältnisses von Art. 10 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG ausreichend Rechnung zu tragen, kommt es in diesen Fällen bei der Abwägung maßgeblich auf den Zweck der beanstandeten Äußerung und auf das Mittel an, mit dem der Zweck verfolgt wird. Dem Grundrecht der Meinungsfreiheit kommt umso größeres Gewicht zu, je mehr es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt. Der Gewährleistung des Art. 5 Abs. 1 GG kommt dagegen umso geringeres Gewicht zu, je mehr sich die Äußerung unmittelbar gegen ein privates Rechtsgut richtet und im privaten Verkehr in Verfolgung eigennütziger Ziele abgegeben wird (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 127 ff.; BVerfGE 66, 116, 138 f.).
- 21
- Bei der Bewertung des Mittels, mit dem der Äußerungszweck verfolgt wird, ist zu berücksichtigen, dass es im Hinblick auf die Art der Erlangung der Information verschiedene Stufungen geben kann, einerseits etwa den vorsätzlichen Rechtsbruch, um die auf diese Weise verschaffte Information zu publizieren oder gegen hohes Entgelt weiterzugeben, andererseits die bloße Kenntniserlangung von einer rechtswidrig beschafften Information, bei der die Rechtswidrigkeit der Beschaffung möglicherweise auch bei Wahrung der publizistischen Sorgfaltspflicht nicht einmal erkennbar ist. In Fällen, in denen der Publizierende sich die Informationen widerrechtlich durch Täuschung in der Ab- sicht verschafft hat, sie gegen den Getäuschten zu verwerten, hat die Veröffentlichung grundsätzlich zu unterbleiben. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nur in Betracht, wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiegt, die der Rechtsbruch für den Betroffenen und die Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehen muss. Das wird in der Regel dann nicht der Fall sein, wenn die in der dargelegten Weise widerrechtlich beschaffte und verwertete Information Zustände oder Verhaltensweisen offenbart, die ihrerseits nicht rechtswidrig sind; denn dies deutet darauf hin, dass es sich nicht um Missstände von erheblichem Gewicht handelt, an deren Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht (BVerfGE 66, 116, 139).
- 22
- cc) Nach diesen Grundsätzen hat das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit gegenüber dem Recht der Beklagten zu 1 auf Meinungsund Medienfreiheit zurückzutreten.
- 23
- (1) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist keine Fallgestaltung gegeben, in der bereits im Hinblick auf die Art der Erlangung der Information von der grundsätzlichen Unzulässigkeit ihrer publizistischen Verwertung auszugehen wäre. Nach den getroffenen Feststellungen haben sich die Beklagten zu 1 und 3 die E-Mails nicht durch vorsätzlichen Rechtsbruch verschafft, um sie zu publizieren. Sie haben sich an dem Einbruch in die Vertraulichkeitssphäre des Klägers nicht beteiligt, auch wenn ihnen die Rechtswidrigkeit der Informationsbeschaffung nicht verborgen geblieben ist. Es begründet aber einen nicht unerheblichen Unterschied im Unrechtsgehalt, ob der Publizierende sich die Informationen widerrechtlich in der Absicht verschafft, sie gegen den Getäuschten zu verwerten, oder ob er, wie im Streitfall, aus dem erkannten Bruch der Vertraulichkeit lediglich Nutzen zieht. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands , dass die grundsätzliche Bereitschaft der Presse, rechtswidrig erlangte Informationen zu verwerten, Dritte zu Einbrüchen in die Vertraulichkeitssphäre ermuntern kann (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 127).
- 24
- (2) Abgesehen davon haben die Informationen, deren Verbreitung der Kläger mit seinem vorbeugenden Unterlassungsantrag verhindern wollte und deren Wahrheit er nicht in Frage stellt, einen hohen "Öffentlichkeitswert". Sie offenbaren einen Missstand von erheblichem Gewicht, an dessen Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht. Die der Beklagten zu 1 zugespielte E-Mail-Korrespondenz zwischen dem Kläger und Frau G. belegt, dass sich der Kläger, der von 1994 bis zu seinem Rücktritt im Jahre 2010 herausgehobene öffentliche Ämter bekleidete, über viele Jahre der wirtschaftlichen Verantwortung für seine Tochter E. entzogen hat. Er hat seine ehemalige Geliebte dadurch in die Situation gebracht, für die gemeinsame Tochter Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Anspruch zu nehmen, und es im eigenen persönlichen, wirtschaftlichen und politischen Interesse hingenommen, dass sie Leistungen bezog, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben waren.
- 25
- Gemäß § 1 Abs. 3 des Gesetzes zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfallleistungen (nachfolgend: Unterhaltsvorschussgesetz) besteht ein Anspruch auf Unterhaltsleistung nach diesem Gesetz u.a. dann nicht, wenn sich der Elternteil , bei dem das Kind lebt, weigert, die Auskünfte, die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlich sind, zu erteilen oder bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des anderen Elternteils mitzuwirken. Zur Mitwirkung bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des anderen Elternteils gehören grundsätzlich auch Angaben zur Bestimmung der Person des Vaters. Denn sie sind erforderlich, damit das Land Unterhaltsansprüche gegen den Vater nach § 7 UhVorschG auf sich überleiten und auf diesem Wege die Erstattung der vorgeleisteten Gelder von ihm verlangen kann (vgl. BVerwGE 89, 192, 195; BVerwG, NJW 2013, 2775 Rn. 11). Die Unterhaltsleistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz soll "ausbleibende Zahlungen" der Unterhaltsverpflichteten aus öffentlichen Mitteln übernehmen, um sie sodann von Amts wegen beim säumigen zahlungsverpflichteten Elternteil wieder einzuziehen. Die Gewährung von Unterhalt als Ausfallleistung für den Fall, dass ein Rückgriff auf den anderen Elternteil nicht möglich oder erfolgreich ist, soll die Ausnahme bleiben. Dies ergibt sich auch aus dem in § 7 UhVorschG normierten gesetzlichen Forderungsübergang, der den Nachrang der Unterhaltsleistung dadurch sichern soll, dass Unterhaltsansprüche des berechtigten Kindes "für die Zeit, für die ihm die Unterhaltsleistung nach diesem Gesetz gezahlt wird", auf das Land übergehen (BVerwG, NJW 2013, 2775 Rn. 22).
- 26
- Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat Frau G. ihren danach bestehenden Mitwirkungspflichten nicht genügt. Sie hat der für die Bewilligung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zuständigen Behörde den Kläger nicht als Vater von E. benannt, obwohl sie dessen Vaterschaft für gegeben hielt. Ihr war auch bekannt, dass deshalb die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz nicht vorlagen. Wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt, ergibt sich aus der an den Kläger gerichteten E-Mail der Frau G. vom 29. November 2002, dass sie ihre unvollständigen Angaben gegenüber der Behörde als Betrug wertete, deren Strafrelevanz nach Ablauf der maximalen Bezugsdauer von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz - anders als die Leistungen - nicht "zuende" gehe.
- 27
- Die Informationen, deren Verbreitung der Kläger mit seinem vorbeugenden Unterlassungsantrag verhindern wollte, offenbaren damit, dass der Kläger aus Eigeninteresse die wirtschaftliche Verantwortung für sein nichteheliches Kind auf den Steuerzahler abgewälzt hat. Ein derartiges Verhalten ist für die Beurteilung der persönlichen Eignung des Klägers als Finanz- und Innenminister und Landtagsabgeordneter von maßgeblicher Bedeutung. Als Minister und als Landtagsabgeordneter gehörte der Kläger zu den Personen des politischen Lebens, an deren Verhalten unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle ein gesteigertes Informationsinteresse besteht. Sein Verhalten ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht seiner Privatsphäre zuzurechnen, zu der "Andere nur Zugang haben, soweit er ihnen gestattet wird". Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob dem Kläger selbst ein Strafvorwurf gemacht werden kann. Die Kontroll- und Überwachungsfunktion der Presse ist nicht auf die Aufdeckung von Straftaten beschränkt. 2. Klageantrag zu 13:
- 28
- Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , die Beklagte zu 1 sei verpflichtet, es zu unterlassen, den Inhalt der vier im Tatbestand dieses Urteils im Einzelnen aufgeführten E-Mails in direkter oder indirekter Rede zu verbreiten.
- 29
- a) Durch die Veröffentlichung der vier E-Mails in direkter oder indirekter Rede werden der soziale Geltungsanspruch des Klägers und sein Interesse daran beeinträchtigt, den Inhalt seiner privaten Kommunikation mit Frau G. nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Durch die Veröffentlichung der E-Mail des Klägers vom 28. Oktober 1997, wonach er als Vater nicht zur Verfügung stehe, ist darüber hinaus sein Interesse betroffen, dass die Kommunikationsinhalte nicht in verkörperter Form für die Öffentlichkeit verfügbar werden und damit über den Kommunikationsinhalt hinaus auch seine persönliche Ausdrucksweise nach außen dringt (vgl. die Ausführungen unter Ziffer 1. a) bb)).
- 30
- b) Die darin liegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers ist jedoch auch unter Berücksichtigung der Art und Weise der Informationserlangung nicht rechtswidrig. An der Wiedergabe der vier E-Mails, insbesondere der des Klägers vom 28. Oktober 1997, in direkter oder indirekter Rede besteht ein hohes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, hinter dem das Schutzinteresse des Klägers zurückzutreten hat. Auch wörtliche Zitate, die - wie im Streitfall - geeignet sind, zu einer Bewertung des Zitierten beizutragen, fallen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, AfP 2010, 145 Rn. 21). Dem wörtlichen Zitat kommt wegen seiner Belegfunktion ein besonderer Dokumentationswert im Rahmen einer Berichterstattung zu. Es dient als Tatsachenbehauptung dem Beleg und der Verstärkung des Aussagegehalts (vgl. BVerfG, AfP 2001, 295, 298) und hat deshalb eine besondere Überzeugungskraft (vgl. BVerfGE 54, 208, 217 f.). Aus diesem Grund kommt ihm eine erhebliche Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung zu.
- 31
- Dies gilt vorliegend in besonderem Maße. Der Kläger stand aufgrund der von ihm im maßgeblichen Zeitraum ausgeübten öffentlichen Ämter in sozialer Verantwortung für das Gemeinwesen. Die Aussage in seiner E-Mail vom 28. Oktober 1997 "Ich stehe als Vater nicht zur Verfügung" dokumentiert mit besonderer Klarheit, wie er mit der Verantwortung gegenüber seiner nichtehelichen Tochter und der Mutter seines Kindes - und damit mittelbar gegenüber der Allgemeinheit, die jedenfalls bis zur Veröffentlichung der streitgegenständlichen Informationen die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen tragen musste - umgegangen ist. Durch die Wiedergabe dieser E-Mail in direkter oder indirekter Rede wird die zulässige Berichterstattung über das Verhalten des Klägers unterstrichen , ohne dass seine Persönlichkeit durch die Bekanntgabe seiner persönlichen Ausdrucksweise in unzulässiger Weise "preisgegeben" würde.
- 32
- Die wörtlichen Zitate aus den drei E-Mails der Kindesmutter sind ebenfalls vom überwiegenden Informationsinteresse der Öffentlichkeit gedeckt. Das Zitat der E-Mail vom 29. November 2002 beweist, dass der Kläger von der Inanspruchnahme der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz durch die Kindesmutter und dem Umstand wusste, dass diese ihr Verhalten für strafrechtlich relevant hielt. Die E-Mails vom 21. April 2004 und 25. Juni 2008 dokumentieren eindrucksvoll, mit welcher Intensität und Nachhaltigkeit der Kläger an seiner Haltung festgehalten hat. 3. Rechtsanwaltskosten
- 33
- Da die Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte zu 1 unbegründet sind, stehen dem Kläger auch keine Ansprüche auf Freistellung von Gebührenforderungen seiner Rechtsanwälte zu. II. Revision der Beklagten zu 3 1. Klageantrag zu 12
- 34
- Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , die Beklagte zu 3 sei verpflichtet, es zu unterlassen, die im Tatbestand dieses Urteils im Einzelnen aufgeführten Zitate aus den zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails wörtlich oder sinngemäß zu verbreiten. Die in der publizistischen Verwertung der E-Mails liegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers ist nicht rechtswidrig, da das von der Beklagten zu 1 verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit überwiegen. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer I. 1. und 2. verwiesen. Das Interesse des Klägers, dass die Kommunikationsinhalte nicht in verkörperter Form für die Öffentlichkeit verfügbar werden und über den Kommunikationsinhalt hinaus auch seine persönliche Ausdrucksweise nach außen dringt, ist nur durch Wiedergabe seines wörtlichen Zitats vom 2. Dezember 2003 betroffen, wonach er auch ein paar Euro vorbeibringen werde. Im Übrigen handelt es sich um wörtliche Zitate der Kindesmutter. Sämtliche Zitate dienen als eindrucksvoller Beleg für die nachhaltige Weigerung des Klägers , die wirtschaftliche Verantwortung für sein nichteheliches Kind zu übernehmen und die Kosten stattdessen der Allgemeinheit aufzubürden. 2. Rechtsanwaltskosten
- 35
- Da der Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu 3 unbegründet ist, steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Freistellung von Gebührenforderungen seiner Rechtsanwälte zu.
III.
- 36
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 2, § 97 Abs. 1, § 565 Satz 1, § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Galke Wellner Diederichsen von Pentz Offenloch
LG Berlin, Entscheidung vom 28.06.2011 - 27 O 719/10 -
KG Berlin, Entscheidung vom 05.11.2012 - 10 U 118/11 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Berichterstattung über seine angebliche Tätigkeit als inoffizieller Mitarbeiter (IM) für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in Anspruch.
- 2
- Der Kläger war Professor an der Universität Leipzig, Fraktionsvorsitzender der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) im Sächsischen Landtag und Spitzenkandidat dieser Partei für die Landtagswahl am 19. September 2004. Die Beklagte verlegt die Zeitungen "Sächsische Zeitung", "Dresdner Mor- genpost" und "Dresdner Morgenpost am Sonntag". In diesen Zeitungen wurde in der Zeit vom 8. bis 17. August 2004 in fünf Artikeln über den Verdacht berichtet , der Kläger habe seit 1970 als inoffizieller Mitarbeiter "IM Christoph" mit dem Ministerium für Staatssicherheit zusammengearbeitet und dabei insbesondere seine damalige Freundin und jetzige Frau bespitzelt.
- 3
- Der Kläger sieht sich durch die Veröffentlichungen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Er behauptet, er habe keine Kenntnis davon gehabt , dass das Ministerium für Staatssicherheit ihn als "IM Christoph" geführt habe. Er sei ohne sein Wissen "abgeschöpft" worden.
- 4
- Das Landgericht hat die Beklagte zur Unterlassung der Verbreitung verschiedener Passagen der Artikel verurteilt. Die Berufung der Beklagten war erfolglos. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 5
- Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die vom Kläger beanstandeten Textpassagen seien jeweils Teil einer unzulässigen Verdachtsberichterstattung und verletzten den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Ihre Veröffentlichung sei insbesondere nicht deshalb zulässig, weil die darin als Verdacht geäußerten Behauptungen zutreffend seien. Es sei nicht erwiesen, dass der Kläger wissentlich und willentlich mit dem Staatssicherheitsdienst der DDR zusammengearbeitet habe. Die Beweislast für die Wahrheit der Behauptungen liege bei der Beklagten. Der Beweis sei durch die vorgelegten Dokumente der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR (nachfolgend: Bundesbeauftragte) und die Aussagen der Zeugen nicht erbracht worden. Zwar bleibe ein erheblicher Verdacht, dass die Behauptung des Klägers, nicht gewusst zu haben, dass die Zeugen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit gewesen seien, nicht zutreffe. Denn den vorgelegten Unterlagen und den Aussagen der Zeugen sei zu entnehmen, dass der Kläger über Jahre vielfach und unter konspirativen Umständen Kontakt mit Mitarbeitern des Staatssicherheitsdienstes gehabt und er diesen gegenüber höchst private und politisch brisante Einzelheiten über Freunde, Bekannte und seine damalige Lebensgefährtin berichtet habe. Sie ließen aber nicht den zwingenden Schluss zu, dass dem Kläger bekannt gewesen sei, wer seine Gesprächspartner waren. Der Möglichkeit, dass der Kläger unwissentlich mit Vertretern der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) gesprochen habe, stehe insbesondere nicht zwingend entgegen, dass die HVA im Jahre 1970 für den Kläger eine Karteikarte mit dem Decknamen "IM Christoph" angelegt habe und dass in der Aktennotiz des Zeugen O. vom 5. März 1984 festgehalten worden sei, dass der Kläger bei der HVA positiv erfasst sei und zuverlässig arbeite. Hieraus ergäben sich zwar erhebliche Verdachtsmomente. Eine Gewissheit über eine positive Kenntnis des Klägers bestehe hingegen nicht.
- 6
- Die Berichterstattung sei auch nicht etwa deshalb zulässig, weil es sich um die Verbreitung eines Verdachts gehandelt habe. Ihre Zulässigkeit scheitere jedenfalls daran, dass die Beklagte, die ihre Informationen ausschließlich Berichten des Nachrichtenmagazins "FOCUS" entnommen habe, vor der Veröffentlichung keine eigenen Recherchen durchgeführt habe. In Anbetracht der Konsequenzen, die der Vorwurf, der Kläger sei als "IM" der "Stasi" tätig gewesen , für diesen hätte haben müssen, habe die Beklagte selbst die im Nachrichtenmagazin "FOCUS" auszugsweise zitierten Dokumente der Bundesbeauftragten überprüfen und den Verfasser der darin enthaltenen Berichte, den Zeugen O., zu den Umständen ihrer Entstehung befragen müssen. Die Tatsache, dass sich der Kläger im Landtagswahlkampf befunden habe, stehe dem nicht entge- gen, sondern habe im Gegenteil wegen der absehbaren schwerwiegenden Folgen für den Kläger zu einer genaueren Überprüfung führen müssen. Die Beklagte habe sich nicht gänzlich auf die Einschätzung der Bundesbeauftragten verlassen dürfen, die die Voraussetzungen für eine Herausgabe der Unterlagen an die Presse für gegeben hielt, sondern die ihr zur Verfügung stehenden eigenen Recherchemöglichkeiten nutzen müssen. Die Beklagte habe nicht vorgetragen , dass sie irgendein Dokument der Bundesbeauftragten in den Händen gehabt habe.
- 7
- In der Abhaltung einer Pressekonferenz am 19. August 2004 durch den Kläger liege keine Einwilligung in die Veröffentlichungen. Da sie erst nach dem Erscheinen der Beiträge stattgefunden habe, entfalle durch sie nicht die Rechtswidrigkeit der Berichterstattung. Es bestehe auch weiterhin Wiederholungsgefahr , zumal die Beklagte nicht konkret vorgetragen habe, zu welchen konkreten Äußerungen der Kläger sich mit welchen Worten in dieser Pressekonferenz geäußert habe.
II.
- 8
- Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , dem Kläger stehe gegen die Beklagte wegen der angegriffenen Äußerungen ein Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu.
- 9
- 1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass die angegriffenen Äußerungen einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers darstellen. Es hat den Sinngehalt der beanstandeten Äußerungen zutreffend erfasst, indem es angenommen hat, die Beklagte habe dadurch in jeweils unterschiedlichen Formen den Verdacht geäußert, der Kläger habe als informeller Mitarbeiter (IM) mit dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) zusammengearbeitet und "Spitzeldienste" erbracht. Es hat die Äußerungen auch zu Recht als Tatsachenbehauptungen eingestuft. Die Äußerung des Verdachts, mit dem MfS zusammengearbeitet zu haben, ist geeignet, sich abträglich auf das Ansehen des Klägers, insbesondere sein Bild in der Öffentlichkeit , auszuwirken (vgl. BVerfGE 114, 339, 346; BVerfGE 119, 1, 24, jeweils mwN; siehe auch Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 20 f.; BVerfG, AfP 2010, 562 Rn. 56; EGMR, NJW 2012, 1058 Rn. 83).
- 10
- 2. Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers werde durch die angegriffenen Äußerungen in rechtswidriger Weise verletzt.
- 11
- a) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 35; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, z.V.b., Rn. 10, jeweils mwN).
- 12
- Im Streitfall sind das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen (vgl. Se- natsurteile vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 24; vom 22. November 2011 - VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 14, jeweils mwN; BVerfG, NJW 2012, 756 Rn. 18; NJW 2012, 1500 Rn. 33). Bei Tatsachenbehauptungen wie im vorliegenden Fall hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (vgl. Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 37; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, z.V.b., Rn. 12, jeweils mwN; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62 mwN; NJW 2012, 1500 Rn. 39). Außerhalb des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG liegen aber nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung feststeht. Alle übrigen Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen den Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen (vgl. Senatsurteil vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 34; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62, jeweils mwN).
- 13
- b) Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , die angegriffenen Äußerungen seien nicht (erweislich) wahr.
- 14
- aa) Die Revision macht allerdings ohne Erfolg geltend, bei der Wiedergabe der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe durch die Beklagte handele es sich nicht um eine Verdachtsberichterstattung, sondern um eine wahrheitsgemäße und deshalb zulässige Berichterstattung über das Zeitgeschehen, nämlich über die Berichterstattung des Nachrichtenmagazins "FOCUS" und die bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Ergebnisse der Bundesbeauftragten. Denn die Beklagte hat sich die Erkenntnisse des "FOCUS" bzw. der Bundesbeauftragten über den Verdacht einer IM-Tätigkeit des Klägers jeweils zu Eigen gemacht. Sie hat die jeweiligen Artikel selbst verfasst und sich mit den fremden Äußerungen identifiziert, so dass sie als eigene erscheinen; sie hat sie zum Be- standteil eigener Verdachtsberichterstattungen gemacht (vgl. Senatsurteile vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, VersR 2009, 1417 Rn. 19; vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 11; vom 27. März 2012 - VI ZR 144/11, VersR 2012, 992 Rn. 11; BVerfG, NJW 2004, 590, 591 jeweils mwN).
- 15
- bb) Mit Erfolg rügt die Revision aber die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe nicht bewiesen, dass die von ihr als Verdacht geäußerten Behauptungen wahr seien. Das Berufungsgericht ist zwar im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass die Beweislast für die Wahrheit der Tatsachenbehauptungen nach der über § 823 Abs. 2 BGB in das Deliktsrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB der auf Unterlassung in Anspruch genommenen Beklagten als Äußernden obliegt (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 23; vom 22. April2008 - VI ZR 83/07, BGH 176, 175 Rn. 21; vom 28. Februar 2012 - VI ZR 79/11, VersR 2012, 502 Rn. 13; BVerfGE 114, 339, 352). Wie die Revision jedoch zu Recht beanstandet, beruht die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe nicht bewiesen, dass der Kläger wissentlich und willentlich mit dem Staatssicherheitsdienst zusammengearbeitet habe, auf einer Verletzung von § 286 Abs. 1 ZPO.
- 16
- (1) Nach dieser Vorschrift hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Diese Würdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. An dessen Feststellungen ist das Revisionsgericht nach § 559 ZPO gebunden. Revisionsrechtlich ist lediglich zu überprüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senatsurteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 309/10, VersR 2012, 454 Rn. 13 mwN; vom 10. Juli 2012 - VI ZR 341/10, VersR 2012, 1261 Rn. 28 mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
- 17
- Der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt ferner das Beweismaß. Nach § 286 ZPO hat der Tatrichter ohne Bindung an Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Jedoch setzt das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraus. Das Gericht darf keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit bei der Prüfung verlangen, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist. Vielmehr darf und muss sich der Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. Senatsurteile vom 8. Juli 2008 - VI ZR 259/06, VersR 2008, 1265 Rn. 22; vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 241/09, VersR 2011, 223 Rn. 21; BGH, Urteile vom 17. Februar 1970 - III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 255 f.; vom 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91, NJW 1993, 935, 937; vom 13. März 2003 - X ZR 100/00, GRUR 2003, 507, 508, jeweils mwN). Zweifel, die sich auf lediglich theoretische Möglichkeiten gründen, für die tatsächliche Anhaltspunkte nicht bestehen, sind nicht von Bedeutung (vgl. Senatsurteil vom 8. Juli 2008 - VI ZR 259/06, aaO).
- 18
- (2) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht hinreichend beachtet.
- 19
- (a) Die Beweiswürdigung ist unvollständig und verstößt gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Die Revision beanstandet zu Recht, dass die Deutung der in den Akten des MfS verwendeten Begriffe durch das Landgericht, auf dessen Würdigung das Berufungsgericht Bezug genommen hat, zum Teil weit hergeholt und mit dem natürlichen Sprachempfingen kaum in Einklang zu bringen ist. So rügt die Revision mit Erfolg, dass das Berufungsgericht, das insoweit auf die Würdigung des Landgerichts Bezug genommen hat, den Bericht der Bezirksverwaltung Leipzig des Ministeriums für Staatssicherheit vom 9. März 1984 als mit dem Vortrag des Klägers, er sei lediglich ohne sein Wissen "abgeschöpft" worden, vereinbar angesehen hat. Der Bericht vom 9. März 1984 betrifft nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die erste Kontaktaufnahme der Bezirksverwaltung Leipzig mit dem Kläger, der bis zu dieser Zeit nur bei der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) als inoffizieller Mitarbeiter erfasst war. In diesem Bericht führt Oberleutnant O. von der Bezirksverwaltung Leipzig aus: "Entsprechend der Mitteilung der HVA konnte mit diesem IM die Verbindung zur zeitweiligen Nutzung aufgenommen werden. Dazu wurden die Telefonnummer des IM und ein Erkennungswort mitgeteilt. Die Verbindungsaufnahme zum IM erfolgte telefonisch und geschah ohne Schwierigkeiten." Die Revision beanstandet mit Recht, dass die Würdigung des Landgerichts, unter dem Erkennungswort könne auch der Arbeitsname zu verstehen sein, unter dem alle durch den Kläger erlangten Informationen zwischen der Hauptverwaltung und der Bezirksverwaltung Leipzig auszutauschen seien, unvertretbar ist. Sie trägt insbesondere dem anerkannten Grundsatz nicht Rechnung, wonach der Sinngehalt von Erklärungen unter Berücksichtigung des Wortlautes und des Zusammenhangs zu erfassen und hierbei das übliche Verständnis der betroffenen Verkehrskreise zu berücksichtigen ist. Nach dem Gesamtzusammenhang der Äußerung erfolgte die Mitteilung des Erkennungswortes an die Bezirksverwaltung gemeinsam mit der Bekanntgabe der Telefonnummer des IM zum Zwecke der Kontaktaufnahme mit diesem. Im unmittelbar auf die Verwendung des Erkennungswortes folgenden Satz wird mitgeteilt, dass die Kontaktaufnahme telefonisch erfolgt und ohne Schwierigkeiten geschehen sei. Weshalb in diesem Zusammenhang das Erkennungswort den Arbeitsnamen bezeichnen soll, unter dem die Informationen zwischen der Hauptverwaltung und der Bezirksverwal- tung auszutauschen waren, ist schlechterdings nicht nachvollziehbar. Dies gilt umso mehr, wenn man die Aussage der Mitarbeiterin derBundesbeauftragten in der Sitzung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunitätsangelegenheiten des Sächsischen Landtags vom 10. Januar 2006 berücksichtigt, wonach es üblich gewesen sei, zur Herstellung des Kontakts mit einem dem inoffiziellen Mitarbeiter bislang unbekannten Offizier des Ministeriums für Staatssicherheit Kennwörter zu vereinbaren.
- 20
- (b) Die Revision rügt auch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht die Anforderungen an die richterliche Überzeugung überspannt hat. Das Landgericht hat rechtfehlerhaft eine mathematische, jede Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs ausschließende Gewissheit gefordert. Es hat die Hinweise in den Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes jeweils isoliert gewürdigt und theoretische Erklärungen dafür gefunden, warum es nicht "gänzlich undenkbar", "nicht unmöglich" oder "nicht gänzlich unplausibel" sei, dass die Darstellung des Klägers zutreffend sei und er nicht gewusst habe, dass er seine umfassende Spitzeltätigkeit tatsächlich für den Staatssicherheitsdienst erbrachte. Die erheblichen Verdachtsmomente wiesen nicht "zwingend" darauf hin, dass der Kläger Kenntnis von der Identität seiner Gesprächspartner gehabt habe.
- 21
- Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend ausgeführt, dass für die richterliche Überzeugungsbildung ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit genüge, der Zweifeln Schweigen gebiete, ohne sie völlig auszuschließen. In der Sache hat es aber keine geringeren Anforderungen an die Überzeugungsbildung als das Landgericht gestellt. Es hat sich uneingeschränkt dessen rechtsfehlerhafter Beweiswürdigung angeschlossen und ebenfalls darauf abgestellt, dass die "durchaus erheblichen Verdachtsmomente" nicht den "zwingenden" bzw. "alleinigen Schluss" auf eine Kenntnis des Klägers zuließen bzw. seiner Unkenntnis "nicht zwingend entgegen" ständen.
- 22
- c) Die Revision wendet sich darüber hinaus mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die angegriffenen Äußerungen seien auch nicht nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung zulässig.
- 23
- aa) Soweit die Berichterstattung in den Artikeln vom 9., 10., 11. und 17. August 2004 betroffen ist, rügt die Revision zu Recht, dass das Berufungsgericht entscheidungserheblichen Vortrag der Beklagten bei seiner Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt hat. Die Beklagte hatte in der Klageerwiderung unter Benennung eines Zeugen und unter Verweis auf Anlagen vorgetragen , dass sich der Kläger in einer Pressekonferenz vom 8. August 2004, zu der sämtliche Medien eingeladen worden seien, ausführlich zu den angekündigten FOCUS-Enthüllungen und den darin enthaltenen Verdachtsmomenten geäußert habe. Er habe insbesondere ausgeführt, dass er keine Stasi-Vergangenheit als IM Christoph habe, "nie bewusst" mit dem MfS zusammengearbeitet und "nie wissentlich" einen Stasioffizier getroffen habe. Zu dem - unter Bezugnahme auf den Bericht in den Stasi-Unterlagen erhobenen - konkreten Vorwurf, dass er als IM Christoph über eine Lesung der Autorin Christa Moog berichtet habe, habe er spekuliert, bei seinen "öffentlichen Reden über diese Veranstaltung" von der Stasi "abgeschöpft" worden zu sein. Die Beklagte hatte darüber hinaus in der Klageerwiderung vorgetragen, die vom Kläger als Fraktionschef gesteuerte PDS habe in ihrem Internetportal eine Meldung vom 8. August 2004 zum Abruf bereit gehalten, in der u.a. Folgendes ausgeführt gewesen sei: "Der PDSFraktionschef im Landtag von Sachsen, P., hat Stasi-Vorwürfe zurückgewiesen. … Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "FOCUS" soll P. von Mai 1970 bis in die 80er Jahre als "IM Christoph" der DDR - Auslandsspionage Informationen geliefert und außerdem seine damalige Freundin und heutige Ehefrau R. bespitzelt haben."
- 24
- Dieser Vortrag der Beklagten ist entscheidungserheblich. Die Beklagte hat damit geltend gemacht, der Kläger habe sich - vor der Berichterstattung durch die Beklagte in den Artikeln vom 9., 10., 11. und 17. August 2004 - gezielt an die Öffentlichkeit gewandt, um seine Reaktion auf die Vorwürfe bekannt zu geben, und über die PDS eine Berichterstattung veranlasst, in der die angegriffenen Verdachtsäußerungen bereits verbreitet worden seien. Dieses Verhalten des Klägers kann entweder als eine die Rechtswidrigkeit ausschließende Einwilligung in die Berichterstattung der Beklagten zu werten sein oder jedenfalls dazu führen, dass sein Interesse an einem Schutz seiner Persönlichkeit im Rahmen der Abwägung hinter dem Interesse der Beklagten an einer Berichterstattung zurückzutreten hat (vgl. zur Einwilligung in eine Persönlichkeitsbeeinträchtigung : BVerfGE 106, 28, 45 f.; Senatsurteile vom 28. September 2004 - VI ZR 305/03, VersR 2005, 83 mwN; vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, VersR 2005, 84, 86; LG Köln, AfP 1989, 766 f.; siehe auch OLG Karlsruhe, OLGR 2006, 598, 599; OLG Frankfurt, ZUM 2007, 915, 916; LG München, ZUM-RD 2008, 309; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn. 249; vgl. zur Berücksichtigung bei der Abwägung: Senatsurteile vom 3. Mai 1977 - VI ZR 36/74, NJW 1977, 1288, 1289, insoweit in BGHZ 68, 331 nicht abgedruckt; vom 26. Mai 2009 - VI ZR 191/08, VersR 2009, 1085 Rn. 26; BVerfG, AfP 2010, 365 Rn. 32; BVerfGK 9, 54, 62). Denn haben der Kläger bzw. auf seine Veranlassung und mit seinem Wissen die PDS sich mit den für seine StasiVergangenheit sprechenden Verdachtsmomenten öffentlich auseinandergesetzt , kann es der Presse nicht untersagt sein, diese Vorwürfe anschließend zum Gegenstand einer Berichterstattung zu machen.
- 25
- bb) Die Revision rügt auch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der in den Artikeln vom 10., 11. und 17. August 2004 enthaltenen Äußerungen die Anforderungen an eine zulässige Verdachtsberichterstattung überspannt hat.
- 26
- (1) Das Berufungsgericht ist im Ansatz allerdings zutreffend davon ausgegangen , dass eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden darf, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (Art. 5 GG, § 193 StGB). Eine Berufung hierauf setzt voraus, dass der auf Unterlassung in Anspruch Genommene vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt hat (vgl. Senatsurteile vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 23 mwN; vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 35; BVerfGE 114, 339, 353; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62). Erforderlich ist ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst "Öffentlichkeitswert" verleihen. Die Darstellung darf keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten, also durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (vgl. Senatsurteil vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 203 f. mwN).
- 27
- (2) Die Revision beanstandet mit Recht, dass das Berufungsgericht den erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der angegriffenen Äußerungen sprechen, verneint und zu hohe Anforderungen an die von der Beklagten einzuhaltende Sorgfalt gestellt hat.
- 28
- (a) Die Pflichten zur sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt richten sich nach den Aufklärungsmöglichkeiten. Sie sind für die Medien strenger als für Privatleute. An die Wahrheitspflicht dürfen im Interesse der Mei- nungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen und so den freien Kommunikationsprozess einschnüren. Andererseits ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Wahrheitspflicht Ausdruck der Schutzpflicht ist, die aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt. Je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, umso höhere Anforderungen sind deshalb an die Erfüllung der Sorgfaltspflichten zu stellen. Allerdings ist auch das Interesse der Öffentlichkeit an derartigen Äußerungen zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62 mwN, sowie Senatsurteil vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 203 f.; BVerfGE 114, 339, 353 f.; BVerfGK 9, 317, 321; BVerfGK 10, 485, 489; siehe auch EGMR, NJW 2000, 1015 Rn. 66; NJW 2006, 1645 Rn. 78; NJW 2012, 1058 Rn. 82).
- 29
- (b) Die Revision beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht die Stellungnahme des Pressesprechers der Bundesbeauftragten, Herrn B., vom 9. August 2004 rechtsfehlerhaft nicht als privilegierte Quelle gewertet hat, der die Beklagte ein gesteigertes Vertrauen entgegenbringen durfte. Wie die Beklagte in der Klageerwiderung geltend gemacht und was das Berufungsgericht durch Bezugnahme auf die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts seiner Entscheidung als unstreitig zugrunde gelegt hat, hatte der Pressesprecher der Bundesbeauftragten erklärt, aus den gefundenen Unterlagen gehe zweifelsfrei hervor, dass der Kläger als "IM Christoph" für den Staatssicherheitsdienst tätig gewesen sei.
- 30
- Bei dem Bundesbeauftragten handelt es sich gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 StUG um eine Bundesoberbehörde. In der Rechtsprechung und im Schrifttum ist anerkannt, dass den Verlautbarungen amtlicher Stellen ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden darf (vgl. BVerfG, AfP 2010, 365 Rn. 35; OLG Hamburg, ArchPR 1972, 86; OLG Stuttgart, AfP 1990, 145, 147; NJW-RR 1993, 733, 734; KG, AfP 1992, 302, 303; ZUM-RD 2011, 468, 472; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1993, 732, 733; OLG Dresden, NJW 2004, 1181, 1183; LG Oldenburg , AfP 1988, 79, 80; siehe auch EGMR, NJW 2000, 1015 Rn. 72; NJW 2012, 1058 Rn. 105; Peters, NJW 1997, 1334, 1336; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 6 Rn. 136; Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Aufl., Rn. 986). Denn Behörden sind in ihrer Informationspolitik unmittelbar an die Grundrechte, namentlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, gebunden und zur Objektivität verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1994 - III ZR 15/93, NJW 1994, 1950, 1951; BVerfG, NJW-RR 2010, 1195 Rn. 35; BeckOK GG/ Huster/Rux, Art. 20 GG Rn. 156 ff. [Stand: 1. Oktober 2012]).
- 31
- Der Berücksichtigung der Auskünfte steht nicht entgegen, dass es sich dabei nur um sekundäre Quellen handelt. Der Bundesbeauftragte ist für solche Auskünfte besonders kompetent und kann das Vorliegen einer IM-Tätigkeit in aller Regel besser beurteilen als Presseorgane. Die Unterrichtung der Öffentlichkeit , die gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 5 StUG zu seinen Aufgaben und Befugnissen gehört, setzt fundierte und umfassende Kenntnisse über den Staatssicherheitsdienst und seinen Wirkungsbereich voraus (vgl. Pietrkiewicz/Burth in Geiger /Klinghardt, StUG, 2. Aufl., § 37 Rn. 15). Deshalb ist beim Bundesbeauftragten auch eine Forschungsabteilung gebildet worden (Stoltenberg/Bossack, StUG, 1. Aufl., § 37 Rn. 11).
III.
- 32
- Das Berufungsurteil ist aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der freien Beweiswürdigung unterlie- gen; im Einzelfall kann ihnen durchaus ein hoher Beweiswert zukommen (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteile vom 23. September 1998 - 2 L 5/96, S. 12 mwN, und vom 18. November 1998 - 2 L 76/97, juris Rn. 20; OLG Brandenburg , Urteil vom 13. November 2007 - 10 UF 161/07, juris Rn. 32; RappLücke in Geiger/Klinghardt, StUG, 2. Aufl., § 19 Rn. 69; siehe auch BVerfGE 96, 189, 202 f.; BAGE 74, 257, 265; VG Meiningen, LKV 1995, 298, 299 f.). Vorsorglich weist der Senat auch darauf hin, dass der Tenor des Landgerichtsurteils zu weit gefasst ist. Ein Verbot der angegriffenen Äußerungen setzt eine Abwägung zwischen dem Recht des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und dem Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit unter Berücksichtigung des Kontextes der Äußerungen voraus. Ein Verbot ohne Bezugnahme auf den Kontext geht daher grundsätzlich zu weit (vgl. auch OLG Hamburg, ZUM 2010, 606, 609; für die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen Senatsur- teile vom 13. November 2007 - VI ZR 265/06, BGHZ 174, 262 Rn. 13 f.; vom 6. Oktober 2009 - VI ZR 314/08, VersR 2009, 1675 Rn. 7 mwN).
Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 15.08.2008 - 324 O 774/04 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 12.10.2010 - 7 U 89/08 -
Tenor
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Das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 26. Juli 2005 - 7 U 31/05 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird an das Hanseatische Oberlandesgericht zurückverwiesen.
-
...
Gründe
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Der Verfassungsbeschwerde liegt die zivilgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers zur Unterlassung einer im Internet veröffentlichten Meldung über ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren zugrunde.
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I.
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1. a) Der Beschwerdeführer betreibt eine Internetseite, die mehrere nichtkommerzielle Unterseiten enthält. Darunter befand sich bis zum Jahr 2004 eine Seite mit dem Titel "Gefunden. Aus der Wunderwelt des Rechts. Juristische Nachrichten für kritische Leute." Wegen einer dort verbreiteten Meldung über ein Ermittlungsverfahren gegen den Sohn der damaligen Generalsekretärin der F. Partei (F.), C.P., nahm dieser ihn im hier zugrunde liegenden Ausgangsverfahren auf Unterlassung in Anspruch. Dem lag im Einzelnen folgender Sachverhalt zugrunde:
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Im August 2003 suchten zwei Journalisten der Zeitschrift "Stern" C.P. in ihrem privaten Wohnhaus auf, um eine so genannte "Homestory" zu erstellen. Bei diesem Besuch war auch der damals 18 Jahre alte Sohn der Politikerin und Kläger des Ausgangsverfahrens, X., (im Folgenden: Kläger) anwesend; dieser war selbst in der Jugendorganisation der F. engagiert und kandidierte im April 2004 für ein kommunales Mandat in seinem Heimatort. Es wurden im Einvernehmen aller Anwesenden Lichtbilder zum Zweck der Veröffentlichung gefertigt, auf denen zum Teil auch der Kläger zu sehen ist. Die Journalisten bemerkten auf dem Verandatisch im Haus der Politikerin einen Blumentopf mit einer Hanfpflanze. Hierauf angesprochen äußerte Frau P., es handele sich um "die grüne Aufzucht meines Sohnes". Der Kläger entsorgte daraufhin die Pflanze auf dem Kompost.
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Am 23. Oktober 2003 erschien die Homestory im "Stern". Darin wurde auch - unter Nennung des Vornamens des Klägers - über die Hanfpflanze berichtet. Am Folgetag veröffentlichte die "Bild-Zeitung" einen Artikel mit der Schlagzeile: "Huch! Im Wohnzimmer von C.P. wächst Hasch".
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Aufgrund dieser Berichte leitete die Staatsanwaltschaft H. am 24. Oktober 2003 gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ein und veranlasste eine Durchsuchung im Haus der Familie P. Abgesehen von den Resten der Hanfpflanze auf dem Kompost wurden keine verdächtigen Gegenstände gefunden. Die Durchsuchung wurde vor dem Haus der Familie P. von Mitarbeitern des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) gefilmt und am Abend des 24. Oktober 2003 im Fernsehen gezeigt, wogegen sich der Kläger im Nachhinein erfolgreich mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung wandte.
- 6
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Am selben Tag veröffentlichte die Staatsanwaltschaft unter der Überschrift "Haschpflanze im Hause P." eine Pressemitteilung über das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger. Darin wurde auch mitgeteilt, dass bei der Durchsuchung keine Hinweise auf weitere illegale Pflanzen vorgefunden worden seien. Die Pressemitteilung wurde von verschiedenen Presseagenturen verbreitet. Diese nannten teilweise auch den Vornamen des Klägers; ob dieser auch in der staatsanwaltschaftlichen Mitteilung erwähnt worden war oder ob er den Agenturen lediglich aus dem "Stern"-Artikel bekannt war, ist im Ausgangsverfahren ungeklärt geblieben.
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Ebenfalls am 24. Oktober 2003 veröffentlichte die F. eine Pressemitteilung, in der der Bericht der Bild-Zeitung als unzutreffend zurückgewiesen wird; richtig sei, dass der 18-jährige Sohn der Generalsekretärin "verschiedene Samenkörner (…) eingepflanzt habe", von denen sich einer zu einer Hanfpflanze entwickelt habe. Außerdem wurde mitgeteilt, dass Frau P. gegen weitere unzutreffende Berichte erforderlichenfalls rechtlich vorgehen werde.
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In den folgenden Tagen berichteten zahlreiche inländische und ausländische Medien, darunter auch Nachrichtenportale im Internet, über den Vorfall. Am 26. Oktober 2003 erschien auch eine Pressemitteilung von Frau P. selbst zu dem Vorfall. Einzelne der Artikel sind auch heute noch im Internet verfügbar.
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Der Beschwerdeführer veröffentlichte am 30. oder 31. Oktober 2003 auszugsweise eine Meldung aus den "t-online Nachrichten", die ihrerseits auf den Meldungen der Presseagenturen beruhte. Die Nachricht auf der Website des Beschwerdeführers lautete:
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"Polizei sucht Hasch im Hause P.
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F.-Generalsekretärin C.P. hat Ärger mit der Justiz: Im Blumentopf ihres 18-jährigen Sohnes X. wächst eine Hanf-Pflanze. Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft wurden Räume und Garten der Familie in H. durchsucht. Gegen X. wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz eingeleitet. ..."
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Der vollständige Text der t-online-Meldung, zu der auf der Seite des Beschwerdeführers ein Link bestand, enthielt weitere Angaben zu der vorgefundenen Pflanze, deren Entfernung, zu der Hausdurchsuchung sowie deren Ergebnis.
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b) Nachdem der Beschwerdeführer die Aufforderung des Klägers zur Unterzeichnung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abgelehnt hatte, erhob dieser bei dem Landgericht Hamburg Klage gegen ihn. Mit dem hier nicht ausdrücklich angegriffenen Urteil vom 18. Februar 2005 verbot das Landgericht dem Beschwerdeführer antragsgemäß,
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über ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz unter namentlicher Nennung oder in sonst erkennbarer Weise zu berichten, insbesondere zu verbreiten:
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"Im Blumentopf ihres (sc. C.P.) 18-jährigen Sohnes X. wächst eine Hanf-Pflanze. Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft wurden deshalb Räume und Garten der Familie (sc. P.) in H. durchsucht. Gegen X. wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz eingeleitet."
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c) Die Berufung des Beschwerdeführers wies das Hanseatische Oberlandesgericht mit dem hier angegriffenen Urteil vom 26. Juli 2005 zurück. Zur Begründung führte das Gericht - unter Bezugnahme auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils - aus, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Unterlassung aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB zu. Bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 5 GG und dem Persönlichkeitsrecht des Klägers nach Art. 2 Abs. 1 GG müsse die Meinungsfreiheit im vorliegenden Fall zurücktreten. Es erscheine bereits zweifelhaft, ob angesichts der objektiven Belanglosigkeit des Vorfalls überhaupt ein anerkennenswertes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit hinsichtlich des Ermittlungsverfahrens gegeben sei. Jedenfalls aber führe das geringe Lebensalter des Klägers dazu, dass sein Interesse, nicht in der Öffentlichkeit genannt zu werden, überwiege. Als seinerzeit 18-jähriger Schüler sei er in besonderem Maße schützenswert; dies folge auch aus der Wertung der §§ 105 ff. JGG und der hierzu ergangenen Richtlinien, die für den Schutz des Persönlichkeitsrechts Heranwachsender besondere Vorkehrungen, insbesondere den erleichterten Ausschluss der Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung, vorsähen. Vor diesem Hintergrund könnte das Veröffentlichungsinteresse des Beschwerdeführers nur dann den Vorrang beanspruchen, wenn es sich bei dem Berichtsgegenstand um ein besonders herausragendes, ungewöhnlich brisantes Ereignis handelte, hinsichtlich dessen ein gesteigertes Informationsinteresse bestehe. Ein derartiger Ausnahmefall liege hier aber nicht vor, ohne dass dies weiterer Erörterungen bedürfe. Vorliegend ergebe sich das Informationsinteresse wesentlich daraus, dass der Kläger eine prominente Mutter habe. Dieser Gesichtspunkt rechtfertige aber kein anderes Abwägungsergebnis. Ebenso unerheblich sei es, ob der während des Besuchs der Stern-Journalisten anwesende Kläger mit einer Aufnahme seiner Person einverstanden gewesen sei. Denn selbst wenn er in die Erstellung der Homestory eingewilligt hätte, läge hierin nicht zugleich die Einwilligung in eine Berichterstattung über das anschließende Ermittlungsverfahren.
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Auch der Umstand, dass andere Presseveröffentlichungen den Sachverhalt ohnehin bekannt gemacht hätten, stehe einer Verurteilung des Beschwerdeführers nicht entgegen, da nicht erkennbar sei, dass der Kläger nicht auch gegen diese anderen Veröffentlichungen vorgegangen sei. Im Übrigen könne sich ein Verletzter aussuchen, gegen welche von mehreren Verletzern er gerichtlich vorgehen wolle. Ob dem Beschwerdeführer die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft und die Meldungen renommierter Presseagenturen über das Ermittlungsverfahren bekannt gewesen seien, könne offenbleiben. Denn dies wäre jedenfalls nicht geeignet, den Beschwerdeführer zu entlasten. Zwar habe er gegebenenfalls auf die inhaltliche Richtigkeit derartiger Meldungen vertrauen dürfen, dies entbinde ihn aber nicht von der eigenverantwortlichen Interessenabwägung zu der Frage, ob die Verbreitung der Nachricht zulässig sei. Ebenfalls unerheblich sei, dass der Beschwerdeführer seine Nachricht auf einer nicht kommerziellen Seite veröffentlicht habe, die nur von wenigen Internetnutzern wahrgenommen werde, da seine Seite immerhin weltweit zugänglich sei.
- 18
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2. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungs-, Presse und Informationsfreiheit) und einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Das Persönlichkeitsrecht des Klägers müsse hinter seinen Grundrechten zurückstehen. Der Kläger sei auch unter Berücksichtigung seines Lebensalters nicht in erhöhtem Maße schutzbedürftig. Er habe sich durch seine Teilnahme an dem Journalistenbesuch freiwillig an die Öffentlichkeit begeben und sich damit auch mit der Veröffentlichung der entsprechenden Nachrichten einverstanden erklärt. Dies betreffe nicht nur den Hergang des Besuchs selbst, sondern auch die Berichterstattung über das sich anschließende Ermittlungsverfahren. Insoweit müsse er es sich insbesondere zurechnen lassen, dass auch seine Mutter in ihrer eigenen Pressemitteilung Angaben über das Ermittlungsverfahren gemacht habe.
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Er - der Beschwerdeführer - habe auch aufgrund der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft davon ausgehen dürfen, dass die weitere Verbreitung der Nachricht zulässig sei. Ferner habe seine Nachricht das Persönlichkeitsrecht des Klägers auch deshalb nicht weiter verletzen können, weil bereits zuvor zahlreiche Berichte in großen Medien über den Vorfall erschienen seien und damit eine besondere Medienöffentlichkeit hergestellt hätten. Dabei sei insbesondere auch eine Namensnennung zulässig, da diese nicht nur bei schweren Straftaten, sondern auch dann, wenn aus anderen Gründen ein besonderes Interesse der Öffentlichkeit bestehe, im Einzelfall erlaubt sei. Dies sei hier der Fall, weil der Vorgang in der Öffentlichkeit großes Aufsehen erregt habe.
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Im Übrigen sei auch die Zielrichtung der streitgegenständlichen Veröffentlichung zu berücksichtigen. Der Kläger sei durch sie nicht in der Öffentlichkeit stigmatisiert und an den Pranger gestellt worden. Vielmehr habe die Veröffentlichung das Vorgehen der Staatsanwaltschaft als überzogen und lächerlich kritisieren wollen. Das ergebe sich bereits aus der Überschrift der Rubrik auf der Internetseite des Beschwerdeführers.
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Schließlich spreche das Verhalten des Klägers gegen die Unterlassungsverpflichtung; dieser habe bis zur gerichtlichen Geltendmachung lange zugewartet und sei auch keineswegs gegen sämtliche Veröffentlichungen über das Ermittlungsverfahren vorgegangen.
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3. Der Bundesgerichtshof und der Kläger des Ausgangsverfahrens haben sich zu der Verfassungsbeschwerde geäußert. Die Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akte des Ausgangsverfahrens hat dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.
-
II.
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Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
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1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen bereits entschieden. Dies gilt namentlich für das Verhältnis des Grundrechts auf Meinungsfreiheit zu dem ebenfalls grundrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht bei der Berichterstattung über Strafverfahren (vgl. BVerfGE 35, 202 <220 f.>; 97, 391 <404 f.>; 119, 309 <321 ff.>).
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2. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.
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a) Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur Werturteile, sondern auch Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen (vgl. BVerfGE 85, 1 <15>), was bei dem hier zu beurteilenden Bericht über ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren offensichtlich der Fall ist.
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Allerdings ist das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nicht vorbehaltlos gewährt. Es findet vielmehr gemäß Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranken im Recht der persönlichen Ehre und in den allgemeinen Gesetzen. Hierunter fallen insbesondere § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 analog BGB, auf die das Oberlandesgericht den Unterlassungsanspruch gestützt hat. Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften sind Sache der dafür zuständigen Fachgerichte. Doch müssen sie hierbei das eingeschränkte Grundrecht seinerseits interpretationsleitend berücksichtigen, damit sein Gehalt auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 <205 ff.>; 85, 1 <16>; 99, 185 <196>, stRspr). Dies verlangt in der Regel eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits (vgl. BVerfGE 99, 185 <196 f.>; 114, 339 <348>). Das Ergebnis der Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben (vgl. BVerfGE 85, 1 <16>; 99, 185 <196>). Jedoch prüft das Bundesverfassungsgericht nach, ob die Fachgerichte den Grundrechtseinfluss hinreichend beachtet haben (vgl. BVerfGE 101, 361 <388>).
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b) Die durch das Oberlandesgericht vorgenommene Abwägung genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Das Gericht hat nicht sämtliche vorliegend zu berücksichtigenden Gesichtspunkte in die Abwägung eingestellt und die zugunsten des Beschwerdeführers erheblichen Umstände unter Überschreitung des den Fachgerichten zukommenden Abwägungsspielraums teils fehlerhaft gewichtet.
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aa) Die Ausführungen des Berufungsurteils zu dem Gewicht der für die Veröffentlichung streitenden Belange unterliegen bereits im Ausgangspunkt verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Erwägung des Oberlandesgerichts, der Berichterstattungsgegenstand sei objektiv belanglos und begründe daher jedenfalls kein das Interesse des Klägers, ungenannt zu bleiben, überwiegendes öffentliches Informationsinteresse, deutet auf ein grundlegendes Fehlverständnis des Gewährleistungsgehaltes der Meinungs- und Pressefreiheit hin. Sie lässt nämlich nicht hinreichend erkennen, ob das Gericht sich bewusst war, dass es zunächst vom Selbstbestimmungsrecht der Presse oder auch des journalistischen Laien als Trägers der Meinungsfreiheit umfasst ist, den Gegenstand der Berichterstattung frei zu wählen, und es daher nicht Aufgabe der Gerichte sein kann zu entscheiden, ob ein bestimmtes Thema überhaupt berichtenswert ist oder nicht (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 26. April 2001 - 1 BvR 758/97 u.a. -, NJW 2001, S. 1921 <1922>). Die Meinungsfreiheit steht nicht unter einem allgemeinen Vorbehalt des öffentlichen Interesses, sondern sie verbürgt primär die Selbstbestimmung des einzelnen Grundrechtsträgers über die Entfaltung seiner Persönlichkeit in der Kommunikation mit anderen. Bereits hieraus bezieht das Grundrecht sein in die Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht einzustellendes Gewicht, das durch ein mögliches öffentliches Informationsinteresse lediglich weiter erhöht werden kann. Angesichts dessen stellt es eine verfassungsrechtlich bedenkliche Verkürzung dar, wenn das Oberlandesgericht dem Kläger vorliegend allein deshalb einen Unterlassungsanspruch zuerkannt hat, weil dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiege.
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Hinzu kommt vorliegend, dass die Einschätzung des Gerichts, es handele sich bei dem streitgegenständlichen Berichtsthema um eine die Öffentlichkeit allenfalls geringfügig interessierende Belanglosigkeit, in augenfälligem Widerspruch steht zu der von den Gerichten festgestellten Vielzahl weiterer Presseberichte über diesen Gegenstand (vgl. zum Faktum der medialen Erörterung eines Themas als Indiz für ein öffentliches Informationsinteresse: Beater, Medienrecht, Rn. 995). Vor diesem Hintergrund erscheint es verfehlt, dass das Berufungsurteil im Anschluss an die Ausführungen des Landgerichts allein die dem Kläger vorgeworfene Straftat in den Blick genommen hat, ohne die Besonderheiten des vorliegend zu beurteilenden Sachverhalts zu würdigen, namentlich den Zusammenhang zwischen dem Ermittlungsverfahren und seiner auch die Mutter des Klägers betreffenden Vorgeschichte. So wird nicht deutlich, ob das Gericht bedacht hat, dass das Vorhandensein einer Cannabispflanze in dem Haushalt einer Spitzenpolitikerin im Hinblick auf die Leitbildfunktion dieses Personenkreises und die öffentliche Debatte um die Strafbarkeit des Besitzes von Betäubungsmitteln durchaus ein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse nach sich ziehen kann, das sich gegebenenfalls auch auf die von dem Beschwerdeführer verbreitete Meldung über das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger erstrecken kann. Ebenso wenig hat das Oberlandesgericht die kuriosen, anekdotischen Elemente der Vorgeschichte gewürdigt, die darin liegen, dass die Pflanze von Reportern entdeckt wurde, die von der Mutter des Klägers zum Zweck der Selbstdarstellung in ihr Haus eingeladen worden waren, und dass die Mutter selbst durch die Bemerkung, die Pflanze gehöre ihrem Sohn, bei dieser Gelegenheit den zur Einleitung des Ermittlungsverfahren führenden Verdacht auf den Kläger lenkte.
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Soweit das Gericht in diesem Zusammenhang offen gelassen hat, ob der Kläger mit der Befragung durch die Journalisten des "Stern" einverstanden gewesen ist und sich hierdurch freiwillig selbst in die Öffentlichkeit gestellt hat, fehlt es an einer tragfähigen Begründung dafür, warum dies offen bleiben konnte. Zwar trifft es zu, dass aus einer Einwilligung des Klägers in die Reportage des "Stern" nicht ohne Weiteres auf die Zulässigkeit der hier streitgegenständlichen Meldung geschlossen werden könnte. Dies beruht aber - wie das Oberlandesgericht durch Bezugnahme auf das landgerichtliche Urteil zutreffend ausgeführt hat - allein darauf, dass der Bericht über ein Ermittlungsverfahren die Persönlichkeitsbelange des Klägers in anderer Weise betreffen kann als die von der Einwilligung umfasste Homestory. Es versteht sich allerdings nicht von selbst, dass ein solcher Unterschied auch vorliegend bestand und ein mögliches Einverständnis des Klägers hinsichtlich der Homestory daher jedenfalls keine Auswirkungen auf den Bericht über das nachfolgende Ermittlungsverfahren gehabt hätte. Denn soweit aufgrund einer Einwilligung des Klägers der Inhalt der Reportage und damit auch die Äußerung Frau P. über die Hanfpflanze ihres Sohnes verbreitet werden durften, hätte das Gericht prüfen müssen, ob nicht schon hierdurch die Rufschädigung des Klägers bewirkt war, ohne dass die vom Beschwerdeführer verbreitete Meldung ihr Wesentliches hinzugefügt hätte. Denn die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ist im Hinblick auf das für die Staatsanwaltschaft geltende Legalitätsprinzip eine wenigstens naheliegende Folge der Berichterstattung über den Fund einer Hanfpflanze. Das Gericht hat auch nicht festgestellt, dass durch die untersagte Berichterstattung bei dem maßgeblichen Durchschnittspublikum etwa der Eindruck entstehe, gegen den Kläger müssten weitere Verdachtsmomente als der Fund der einen Pflanze vorgelegen haben. Darauf, dass der vom Beschwerdeführer verbreitete Artikeltext diesen Eindruck erwecken mag, indem er die Einleitung des Ermittlungsverfahrens erst nach der Durchsuchung erwähnt, kann es nicht ankommen, denn das angegriffene Urteil verbietet nicht nur die Wiederholung dieser konkreten Äußerung, sondern jeglichen Bericht über das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger.
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bb) Verfassungsrechtlich zu beanstanden ist weiter, dass das Oberlandesgericht den Umstand, dass die dem Kläger vorgeworfene Straftat nur von geringer Bedeutung war, allein zur Bemessung des öffentlichen Informationsinteresses herangezogen hat, nicht aber erkennbar berücksichtigt hat, dass die Geringfügigkeit des Tatvorwurfs zugleich geeignet sein kann, die Bedeutung der Persönlichkeitsbeeinträchtigung zu mindern. Das Bundesverfassungsgericht hat - wenn auch erst nach Erlass des hier angegriffenen Urteils - bereits entschieden, dass bei der Berichterstattung über Strafverfahren die Schwere der in Frage stehenden Straftat nicht nur für das öffentliche Informationsinteresse, sondern auch bei der Gewichtung der entgegenstehenden Persönlichkeitsbelange Bedeutung erlangen kann. So wird bei einer sehr schwerwiegenden Tat zwar einerseits ein hohes öffentliches Informationsinteresse bestehen, andererseits aber die Gefahr einer Stigmatisierung des nicht rechtskräftig verurteilten Beschuldigten erhöht sein (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. November 2008 - 1 BvQ 46/08 -, NJW 2009, S. 350 <352>); ein entsprechendes Verhältnis wird regelmäßig auch bei besonders leichten Taten anzunehmen sein, sofern an ihnen aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls ein Berichterstattungsinteresse besteht.
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cc) Nicht mit ausreichendem Gewicht in die Abwägung eingestellt hat das Oberlandesgericht weiter den Umstand, dass über das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger bereits durch eine Vielzahl anderer Medien berichtet worden und es dadurch bereits einer breiten Öffentlichkeit bekannt war. Das Gericht führt hierzu - durch Bezugnahme auf das landgerichtliche Urteil - lediglich aus, dass der bereits geschehene rechtswidrige Eingriff nicht perpetuiert werden dürfe. Es trifft zwar zu, dass der Verweis auf das rechtswidrige Verhalten Dritter einen Störer grundsätzlich nicht entlasten kann. Andererseits ist aber zu berücksichtigen, dass es sich bei dem hier auf Seiten des Klägers zu berücksichtigenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht um eine statische, für alle Zeiten feststehende Größe handelt, sondern dass sein Bestand in gewissem Umfang auch von der tatsächlichen Anerkennung durch die Öffentlichkeit abhängt und es seinem Träger keinen Anspruch darauf vermittelt, öffentlich nur so dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist (vgl. BVerfGE 82, 236 <269>; 97, 125 <149>). Der Umstand, dass eine - wahre - Tatsache bereits einer größeren Öffentlichkeit bekannt ist und deren Sicht auf die betroffene Person schon wesentlich mitprägt, ist daher jedenfalls geeignet, das Gewicht ihrer Weiterverbreitung gegenüber dem Ersteingriff erheblich zu mindern (vgl. BGH, NJW 1999, S. 2893 <2895> unter Verweis auf EGMR, NJW 1999, S. 1315 <1318>). Die angegriffene Entscheidung zeigt auch nicht auf, dass von diesem Grundsatz vorliegend abgewichen werden müsste, weil etwa die Verbreitung durch den Beschwerdeführer den Kreis der Rezipienten erheblich erweitert habe. Die hierzu vom Oberlandesgericht bestätigte Erwägung des erstinstanzlichen Urteils, dass die Veröffentlichung im Internet geeignet sei, eine potentiell unbegrenzte Öffentlichkeit zu erreichen, ist eher theoretischer Natur.
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c) Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen schließlich auch dagegen, dass das Oberlandesgericht der - mindestens den Nachnamen des Klägers nennenden - Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft über das Ermittlungsverfahren keinerlei rechtliche Bedeutung beigemessen hat. Jedenfalls dann, wenn der - nicht ganz eindeutige - Vortrag des Beschwerdeführers im Ausgangsverfahren so zu verstehen sein sollte, dass er die streitgegenständliche Meldung in Kenntnis und im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der amtlichen Verlautbarung verbreitet hat, hätte er nicht als unerheblich behandelt werden dürfen.
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In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass den Verlautbarungen amtlicher Stellen wie insbesondere der Staatsanwaltschaft ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden darf (vgl. exemplarisch OLG Karlsruhe, NJW-RR 1993, S. 732 <733> sowie schon RGSt 73, S. 67). Zwar ist dies, wie das Oberlandesgericht - durch Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil - hier zutreffend ausgeführt hat, vor allem mit Blick auf diejenige Sorgfalt angenommen worden, die die Fachgerichte dem Äußernden hinsichtlich des Wahrheitsgehalts seiner Tatsachenbehauptung abverlangen. Diese stand hier nicht in Streit; auch der Kläger hat nicht bestritten, dass die Staatsanwaltschaft infolge des Pflanzenfundes ein Ermittlungsverfahren wegen Betäubungsmittelstraftaten gegen ihn eingeleitet hatte. Allerdings dürfen auch im Übrigen keine Sorgfaltsanforderungen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen postuliert werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen und so auf die Meinungsfreiheit insgesamt einschnürend wirken können (vgl. BVerfGE 54, 208 <219 f.>; 61, 1 <8>; 85, 1 <17>). Daher ist bei der Frage, in welchem Umfang das Vertrauen in die Richtigkeit einer amtlichen Verlautbarung geschützt ist, auch zu beachten, dass eine eindeutige Trennung zwischen den tatsächlichen und den rechtlichen Aspekten der zugrunde liegenden Abwägung oft nicht möglich sein und sich dem Rezipienten nicht immer erschließen wird. So kann die Abwägungsentscheidung der Staatsanwaltschaft auf tatsächlichen Umständen beruhen, die der Mitteilung weder entnommen noch vom Bürger selbständig ermittelt werden können. Dieser wird - außer bei offenkundigen Exzessen - insbesondere annehmen, dass eine in ihrer Informationspolitik unmittelbar an die Grundrechte, namentlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen gebundene, auf Objektivität verpflichtete Behörde wie die Staatsanwaltschaft die Öffentlichkeit erst dann unter Namensnennung über ein Ermittlungsverfahren unterrichten wird, wenn sich der zugrunde liegende Tatverdacht bereits einigermaßen erhärtet hat, ohne aber die Verdachtsmomente stets vollständig mitgeteilt zu bekommen und eigenständig bewerten zu können. Deshalb steht die Annahme, dass selbst journalistische Laien nicht ohne Weiteres auf die Richtigkeit der einer staatsanwaltschaftlichen Pressemitteilung vorausgegangenen Abwägung vertrauen dürften, nicht weniger in der Gefahr, eine Lähmung der individuellen Meinungsfreiheit zu bewirken, als überzogene Sorgfaltsanforderungen hinsichtlich des Wahrheitsgehalts von Tatsachen aus allgemein als zuverlässig beurteilten Quellen (vgl. hierzu BVerfGE 85, 1 <22>).
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Zwar ist der hier in Frage stehende Unterlassungsanspruch verschuldensunabhängig, doch kann den verfassungsrechtlichen Anforderungen jedenfalls bei der Prüfung der Wiederholungsgefahr Rechnung getragen werden. Die Möglichkeit, den guten Glauben des Äußernden hier zu privilegieren, ist nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung gegeben. Zwar wird der im Wettbewerbsrecht entwickelte Grundsatz, wonach die geschehene Rechtsverletzung die Wiederholungsgefahr indiziert und erst eine strafbewehrte Unterlassungserklärung diese Wirkung entfallen lässt, auch auf den deliktischen Unterlassungsanspruch angewendet. Der Bundesgerichtshof hat aber bereits entschieden, dass er hier nicht mit gleicher Strenge gilt, sondern das Deliktsrecht eher Anlass geben kann, die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen und etwa im Hinblick auf singuläre Umstände der Verletzungshandlung eine Wiederholungsgefahr zu verneinen (vgl. BGH, NJW 1994, S. 1281 <1283>). Hiervon ausgehend hätte das Oberlandesgericht nicht allein auf die Vermutungswirkung der rechtswidrigen Erstbegehung abstellen dürfen, sondern berücksichtigen müssen, ob der Beschwerdeführer im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der staatsanwaltlichen Mitteilung gehandelt hat und daher nach dessen Erschütterung durch das an ihn und die Staatsanwaltschaft gerichtete Unterlassungsverlangen eine Wiederholung der Verletzungshandlung nicht zu erwarten war.
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d) Die angegriffene Entscheidung beruht auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Oberlandesgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.
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3. Auf die weiter behaupteten Verstöße gegen die Grundrechte auf Presse- und Informationsfreiheit kommt es demnach nicht mehr an.
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4. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger nimmt die Beklagten auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens wegen ihn betreffender Äußerungen in einem Beitrag in Anspruch, der von dem Beklagten zu 1 verfasst wurde, sich maßgeblich auf die Aussagen der Beklagten zu 3 stützt und in der Zeit vom 22. Juni 2007 bis jedenfalls 5. Juli 2007 auf dem von der Beklagten zu 2 betriebenen Internetportal www.stern.de abrufbar war.
- 2
- Der Kläger war in der Zeit von Juni 1994 bis 31. Oktober 2009 Leiter der Rechtsabteilung der L. W. Am 17. Oktober 1994 wurde auf ihn ein Attentat verübt , wodurch er lebensgefährlich verletzt wurde. Die Attentäter hatten im Auftrag von Hintermännern gehandelt, die mit Immobiliengeschäften im Zusammenhang standen. Das Attentat und seine Hintergründe waren in den neunziger Jahren Gegenstand umfangreicher Berichterstattungen in der Presse. Ab Mai 2007 wurde aufgrund öffentlich gewordener Beobachtungen des Sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz unter dem Titel "Sächsische Korruptionsaffäre" deutschlandweit über den Verdacht berichtet, dass namhafte Personen aus Sachsen mit dem Rotlichtmilieu verquickt seien, ein Kinderbordell besucht und auf Immobilientransaktionen, Justiz und Verwaltung unzulässig Einfluss genommen hätten. Am 11. Juni 2007 strahlte der Mitteldeutsche Rundfunk die Sendung "FAKT" aus, in der sich die Beklagte zu 3, die ehemalige Sekretärin des Klägers zu diesem wie folgt äußerte: "Im Dezember des Jahres 2004 kam ein ca. 14-jähriges Mädchen in mein Büro und wollte Herrn X (Anmerkung des Senats: Kläger) sprechen. Sie nannte ihn dann sofort beim Vornamen und vermittelte mir, sie sei sehr verliebt. Er sei ihr Freund und sie hätte ihn über eine Woche nicht erreicht und mache sich Sorgen, weil er ihr sagte, er würde gern mit ihr auswandern. Meine Gedanken waren sofort: Und das mit einem 14jährigen Mädchen". Weiter heißt es in diesem Fernsehbericht: "Y (Anmerkung des Senats: Beklagte zu 3) wurde aus dem Unternehmen herausgemobbt und danach noch verschiedentlich per Telefon und SMS terrorisiert und wollte sich gegenüber der Polizei offenbaren. O-Ton Y: "Ich bin Anfang diesen Jahres zur Polizei zur Zeugenvernehmung in Sachen X geladen worden, habe aber in der Nacht vor der Zeugenvernehmung meine Katze auf dem Grundstück misshandelt vorgefunden, indem sie gefesselt worden ist, und war über diese Tatsache dermaßen erschüttert und ängstlich, so dass ich die Aussage bei der Polizei nicht gemacht habe.""Am 13. Juni 2007 erschienen sowohl in der Lokalausgabe der Bildzeitung unter der Überschrift "Wie halten Sie das aus Herr X? Kindersexvorwurf gegen L. W. Manager" als auch in der Leipziger Volkszeitung unter der Überschrift "Ehemalige Sekretärin erhebt schwere Vorwürfe gegen L. W. - Abteilungsleiter, der weist alle Anschuldigungen zurück" Artikel, die sich u.a. mit den von der Beklagten zu 3 gegen den Kläger erhobenen Vorwürfen befassten. In einem Beitrag der Tagesschau vom 15. Juni 2007 wurde berichtet, dass die Beklagte zu 3 den Kläger öffentlich der Pädophilie verdächtige.
- 3
- Mit E-Mail vom 3. Juni 2007 an den Pressesprecher der L. W. und vom 10. Juni 2007 an den Kläger persönlich bat der Beklagte zu 1 um ein Interview mit dem Kläger, um ihm die Gelegenheit zu geben, "sich zu alten und neuen Vorwürfen im Zusammenhang mit dem sog. "Sächsischen und Leipziger Sumpf" zu äußern", die laut Veröffentlichungen in der Presse ihn beträfen. Mit E-Mail vom 11. Juni 2007 teilte der Kläger dem Beklagten zu 1 mit, kein Gespräch mit ihm führen zu wollen. Die Tatsache, dass er Opfer eines Überfalls gewesen sei, befähige ihn nicht, sich qualifiziert zu einer angeblichen Affärein Justiz- oder Politikerkreisen zu äußern. In der Presse hätten so gut wie keine Tatsachen benannt werden können, die strafbar seien. Er kenne keine Tatsachen , die den Beklagten zu 1 bei seinen Recherchen weiterbringen könnten und er wolle sich auch nicht an dem Verbreiten von Gerüchten beteiligen. Der Beklagte zu 1 teilte daraufhin mit, dass er seine Aufgabe nicht in erster Linie darin sehe, strafbare Tatsachen zu benennen. Die Rolle des Klägers habe aber immer wieder Anlass zu Spekulationen und Beschuldigungen gegeben, weshalb er gern in einem persönlichen Gespräch noch einige Punkte klären wolle. Er wolle dem Kläger außerdem Gelegenheit geben, sich zu Vorwürfen seiner ehemaligen Sekretärin zu äußern, die nicht nur arbeitsrechtlicher Natur seien.
- 4
- Am 22. Juni 2007 veröffentlichte die Beklagte zu 2 in ihrem Internetportal einen vom Beklagten zu 1 verfassten und sich maßgeblich auf die Angaben der Beklagten zu 3 stützenden Beitrag mit dem Titel "Sächsische Korruptionsaffäre Ein Krimi aus dem Leipziger Sumpf". Darin heißt es unter voller Namensnennung der Betroffenen u.a.: "Y (Anmerkung des Senats: Beklagte zu 3) ahnte lange nicht, warum sie 2005 aus ihrem Job gemobbt und bedroht wurde. Erst als Einzelheiten der Sächsischen Korruptionsaffäre ans Licht kamen, wurde der Sekretärin klar: Sie wusste zu viel - ohne es zu wissen. ... Y wollte nie Kronzeugin sein, Interviews geben oder den Dreck zurückwerfen, mit dem man sie selbst beinahe zur Verzweiflung trieb. Aus lauter Loyalität hat sie sich nicht einmal vor Gericht gegen ihre abgekartete Kündigung gewehrt. ... Y hielt die Rechtsabteilung zusammen. Ihr Chef konnte all die Jahre gar nicht oft genug sagen, was er ohne sie machen sollte; sie war engste Vertraute, Ratgeberin in allen Lebenslagen und verteidigte ihn "wie eine Löwenmutter" gegen alle Anfeindungen aus dem Unternehmen. "Egal was die Kollegen hinter seinem Rücken sagten, ob sie X (Anmerkung des Senats: Kläger) als Faulpelz verleumdeten oder als einen, der sowieso die Hand aufhält" - sie hat ihm immer alles gesteckt , auch als ihn seine eigenen Juristenkollegen "als pädophilen Arsch" bezeichnen. Damals fand sie das unglaublich. ... Es ist ihr unangenehm, als er sie bittet, kindische Vergleichslisten zwischen seiner Ehefrau und einer Geliebten zu beurteilen,… Und als sei dies selbstverständlich, bewahrt sie sogar Diskreti- on, als einmal ein Mädchen, "vielleicht 14 Jahre alt", im Büro auftaucht und "nach X" fragt, der ihr angeblich versprochen hätte, mit ihr nach Sardinien abzuhauen. "Das Mädchen nannte sich Lissy, hat geweint und gebettelt, ich möge X nichts von dem Besuch sagen, denn das hätte er ihr verboten." Und tatsächlich sagt Y ihrem Chef diesmal nichts. Ein paar Wochen später schlägt die Stimmung plötzlich um. "Er redete kein Wort mehr mit mir, ließ meine Urlaubsscheine verschwinden, und an einem Tag im März bekam ich auf einmal zwei völlig konstruierte Abmahnungen". ... Nach der Kündigung zum 30.9.2005 geht sie zu Hause durch die Hölle: "Ich konnte mir einfach keinen Reim darauf machen und zermarterte mir mein Hirn, was ich falsch gemacht habe." … Wie zum Hohn treffen regelmäßig schmähende SMS bei ihr ein. "Bin ich froh, dass ich Sie los bin." Sie weiß nicht, warum das jetzt auch noch sein muss, hebt alles auf, frisst es in sich hinein, bis sie plötzlich von drei Motorradfahrern im Straßenverkehr brutal abgedrängt wird. Sie erinnert sich zwar, dass X mal von solchen Spielchen mit Motorradkumpels geschwärmt hat, ihre Anzeige aber stellt sie gegen Unbekannt. … Bei Weihnachtseinkäufen im Dezember trifft sie zufäl- lig Lissy wieder. Das Mädchen teilte freudig mit, es sei alles wieder gut: Sie hätte X den Bürobesuch gebeichtet, er sei nicht weiter sauer gewesen. Plötzlich wird Y alles klar - das war es also: "Weil ich ihm nichts davon erzählt hatte", schließt sie, "muss er angenommen haben, ich würde ihn hintergehen und wusste womöglich noch mehr". ... Vier Monate später kommt die Korruptionsaffäre ins Rollen. In geheimen Akten des Verfassungsschutzes füllt der Name ihres Chefs mehrere Seiten: Als Opfer eines Anschlages, dessen wahre Hintergründe offenbar nie richtig aufgeklärt werden sollten; als Verdächtiger im Zusammenhang mit Kinderprostitution; als eine zentrale Figur im Leipziger Sumpf. Erst jetzt fügen sich für Y immer mehr Puzzleteile zusammen. Das Mädchen, die Andeutungen der Kollegen, "seine Empörung im Büro, nachdem ihm sein Schwager angeblich mit einer Anzeige droht, weil X dessen Tochter im Urlaub zu nahe gekommen sei." Y überwindet ihre Scham, auch diese Dinge zu benennen und geht an die Öffentlichkeit. Ihre Anwälte haben ihr das auch als Schutz empfohlen. Niemand weiß besser als sie, wozu die Leipziger Immobilienmafia fähig ist. ... "Alles, was seine Neigungen betrifft, ist mir dagegen erst im Nachhinein klar geworden". Das ist ihr wichtig: "Denn wer denkt denn an so was?!"
- 5
- Die Behauptung der Beklagten zu 3, ein 14-jähriges Mädchen namens "Lissy" habe nach dem Kläger im Büro gefragt und angegeben, mit diesem befreundet zu sein, führte zur Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger wegen des Vorwurfs sexuellen Missbrauchs einer nicht bekannten weiblichen Jugendlichen. Die Staatsanwaltschaft Dresden stellte dieses Verfahren mit Verfügung vom 7. April 2008 gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Ein weiteres, im Zusammenhang mit der sog. "Sächsischen Korruptionsaffäre" gegen den Kläger geführtes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern wurde mit Verfügung vom 28. April 2008 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Der Kläger erwirkte gegen die Beklagten einstweilige Verfügungen des Landgerichts Hamburg vom 4. September 2007 und 1. August 2007, mit welchen den Beklagten die Verbreitung der im angegriffenen Beitrag mitgeteilten Äußerungen verboten wurde. Die Beklagten akzeptierten diese Unterlassungsverfügungen als endgültige Regelungen und verzichteten auf die Rechtsbehelfe der §§ 924, 926, 927 ZPO.
- 6
- Mit der Behauptung, durch die im angegriffenen Beitrag enthaltenen unwahren Tatsachenbehauptungen sei er sowohl sozial als auch wirtschaftlich vernichtet worden, begehrt der Kläger die Zahlung einer Geldentschädigung wegen schwerwiegender Persönlichkeitsrechtsverletzung sowie den Ersatz von Anwaltskosten. Darüber hinaus begehrt er die Feststellung der Ersatzverpflichtung der Beklagten in Bezug auf alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden.
- 7
- Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 25.000 € und die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner zur Zahlung einer weiteren Geldentschädigung in Höhe von 50.000 € verurteilt. Darüber hinaus hat es dem Feststellungsbegehren gegen die Beklagten zu 1 und 2 entsprochen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Auf die Berufungen der Beklagten zu 1 und 2 hat das Oberlandesgericht die von ihnen zu zahlende Geldentschädigung auf insgesamt 50.000 € reduziert. Die weitergehenden Berufungen der Beklagten zu 1 und 2 hat das Oberlandesgericht ebenso wie die Berufung der Beklagten zu 3 und die auf Erhöhung der Geldentschädigung gerichtete Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen. Auf die Anschlussberufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte zu 3 verurteilt, den Kläger von einer Gebührenforderung der Rechtsanwälte H & M in Höhe von 1.195,95 € freizustellen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger von den Beklagten zu 1 und 2 eine weitere Geldentschädigung in Höhe von 50.000 €. Die Beklagten verfolgen mit ihren Revisionen ihre Klageabweisungsanträge weiter. Mit der gegen die Beklagte zu 3 gerichteten Anschlussrevision begehrt der Kläger die Freistellung von der Gebührenforderung seiner Anwälte in Höhe von weiteren 3.712,90 €.
Entscheidungsgründe:
A.
- 8
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil in juris veröffentlicht ist, hat ausgeführt , dass der Kläger von den Beklagten gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG die Zahlung einer Geldentschädigung verlangen könne. Die Beklagten hätten das Persönlichkeitsrecht des Klägers in schwerwiegender Weise dadurch verletzt, dass sie - teils offen, teils verdeckt - die Behauptungen aufgestellt hätten, der Kläger sei pädophil veranlagt, er habe ein sexuelles Verhältnis mit einem minderjährigen Mädchen namens Lissy gehabt, er sei korrupt, Teil eines kriminellen Leipziger Netzwerkes (sog. Sächsische Korruptionsaffäre), habe seine Dienstpflichten nicht erfüllt und die Beklagte zu 3 bedroht, in dem er ihr SMS geschrieben habe, ihre Katze habe strangulieren lassen und sie von drei ihm bekannten Motorradfahrern im Straßenverkehr habe abdrängen lassen. Die Wiedergabe von angeblichen Kollegenäußerungen, wonach der Kläger als "pädophiler Arsch" bezeichnet worden sei, lasse in Verbindung mit seiner Benennung als "Verdächtiger im Zusammenhang mit Kinderprostitution" und dem Bericht der Beklagten zu 3 über den Besuch des Mädchens Lissy für den verständigen Durchschnittsleser nur die Schlussfolgerung zu, der Kläger habe auch zu diesem eine pädophile Beziehung unterhalten. Diese unabweisliche Schlussfolgerung werde dem Leser insbesondere durch die Passage nahegelegt, in der es heißt: "Erst jetzt fügen sich für Y immer mehr Puzzleteile zusammen. Das Mädchen, die Andeutungen der Kollegen, "seine Empörung im Büro, nachdem ihm sein Schwager angeblich mit einer Anzeige droht, weil X dessen Tochter im Urlaub zu nahe gekommen sei.""Diese Schlussfolgerung werde durch die Aussage bestärkt: "Alles, was seine Neigungen betrifft, ist mir dagegen erst im Nachhinein klar geworden" …"Denn wer denkt denn an so was?!". Auch wenn der streitgegenständliche Beitrag überwiegend Bezug auf Äußerungen der Beklagten zu 3 nehme, hätten die Beklagten zu 1 und 2 sich diese Äußerungen zu Eigen gemacht. Durch deren nahtlose Einbindung in den Text, die nahezu bruchlose Verschmelzung von Interviewabschnitten mit Passagen in indirekter Rede, die hergestellte Verbindung zur sog. Sächsischen Korruptionsaffäre bereits im Einleitungstext sowie durch zustimmende und bewertende Kommentierungen bringe der Beklagte zu 1 deutlich zum Ausdruck, dass er die Auffassung der Beklagten zu 3 teile. Die Beklagten hätten nicht den Beweis erbracht, dass die erhobenen Vorwürfe wahr seien. Die Beklagten könnten sich auch nicht auf die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung stützen. Die übernommenen Behauptungen beschränkten sich an keiner Stelle auf die Äußerung eines bloßen Verdachts, sondern würden als unumstößliche Tatsachen dargestellt. In dem Beitrag würden auch keine den Kläger entlastenden Umstände wiedergegeben. Darüber hinaus fehle es an dem erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der berichteten Informationen sprächen. Die Beklagten zu 1 und 2 hätten dem Kläger auch nicht in ausreichendem Maße Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die bloße Kontaktaufnahme per E-Mail ohne eine konkrete Darlegung des Gegenstandes, zu dem eine Stellungnahme erbeten werde, reiche hierfür nicht aus.
- 9
- Die durch die Berichterstattung hervorgerufene schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers könne auch nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden. Die vom Kläger gegen die Beklagten erwirkten Unterlassungsverfügungen bewirkten keinen anderweitigen Ausgleich der Rechtsverletzung. Denn gegenüber Veröffentlichungen im Internet sei die Gel- tendmachung eines Unterlassungsanspruchs im Ergebnis faktisch wirkungslos, weil die Primärmitteilung durch Dritte im Rahmen von Kopien, Blogs oder Verlinkungen weiter verbreitet werde. Der Kläger könne auch nicht auf die Geltendmachung eines Widerrufsanspruchs verwiesen werden, da ihn die Beweislast für die Unwahrheit der behaupteten Tatsachen treffe. Eine Gegendarstellung bewirke keine Genugtuung. Bei der Bemessung der Höhe des Geldentschädigungsanspruchs sei zu berücksichtigen, dass die verdeckte Behauptung, der Kläger habe eine sexuelle Beziehung zu einer Minderjährigen unterhalten und sei pädophil veranlagt, nicht allein in dem streitgegenständlichen Artikel enthalten, sondern bereits am 13. Juni 2007 in der Bildzeitung veröffentlicht worden sei. In gleicher Weise habe sich die Beklagte zu 3 zuvor im MDRMagazin FAKT am 11. Juni 2007 geäußert. Es könne nicht außer Betracht bleiben , dass eine Tatsache bereits einer größeren Öffentlichkeit bekannt sei und deren Sicht auf die betroffene Person schon wesentlich mitpräge. Auf der anderen Seite sei die erhebliche Rufschädigung zu berücksichtigen, die der Vorwurf der Pädophilie nach sich ziehe. Es sei auch davon auszugehen, dass die streitgegenständliche Berichterstattung zumindest mitursächlich für die durch Vorlage diverser Befundberichte belegte depressive Störung des Klägers sei. Sowohl der streitgegenständliche Beitrag als auch die parallel erfolgten Pädophilievorwürfe in anderen Medien seien für sich genommen geeignet, schwerwiegende psychische Folgeschäden, zumindest aber eine längerfristige depressive Verstimmung hervorzurufen. Es liege damit eine Doppelkausalität vor, die für eine Haftungsbegründung ausreiche. Der Entschädigungsanspruch sei auch nicht im Hinblick auf sämtliche, im Zeitraum ab Mai 2007 erschienenen Veröffentlichungen über den Kläger zu mindern. Denn nur die Beiträge im MDR-Magazin FAKT und in der Bildzeitung befassten sich mit der Behauptung, der Kläger unterhalte eine sexuelle Beziehung zu einer Minderjährigen. Es sei auch kein Grundsatz anzuerkennen, wonach die Geldentschädigung bei einer Internetveröffentli- chung stets höher anzusetzen sei als bei einer persönlichkeitsrechtsverletzenden Veröffentlichung in den Printmedien. Eine solche Betrachtung lasse außer Acht, dass die Verlinkung auf den angegriffenen Beitrag im Internet und die sonstige Weiterverbreitung in anderen Portalen nicht vom Willen des Verletzers abhängig sei und diesem nicht zugerechnet werden könne. Auch bei einer gedruckten Zeitung sei für die Höhe der Geldentschädigung nicht maßgeblich, ob die belastende Darstellung von anderen Zeitungen, etwa im Rahmen eines Pressespiegels, übernommen werde. Auf der anderen Seite sei die Geldentschädigung bei einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch eine Internetveröffentlichung auch nicht generell niedriger anzusetzen als bei einer solchen durch eine Printveröffentlichung. In Fällen, in denen der Schädiger - wie im Streitfall - die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen als Mittel zur Reichweitensteigerung eingesetzt habe, sei die Erzielung von Gewinnen als Bemessungsfaktor in die Entscheidung über die Höhe der Geldentschädigung mit einzubeziehen. Nach einer Pressemitteilung der Beklagten zu 2 habe das von ihr betriebene Portal im August 2007 durchschnittlich 2,58 Millionen Nutzer gehabt, was in der Gesamtabwägung die Verurteilung der Beklagten zu 1 und 2 in Höhe von 50.000 € rechtfertige. Der gegen die Beklagten zu 1 und 2 gerichtete Feststellungsantrag sei zulässig und begründet. Die Beklagten zu 1 und 2 stellten ihre Schadensersatzpflicht in Abrede, die Höhe des Schadens stehe derzeit noch nicht fest und es drohe eine Verjährung des Anspruchs.
- 10
- Die Beklagte zu 3 sei zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 25.000 € verpflichtet. Sie müsse sich den streitgegenständlichen Beitrag als Informantin zurechnen lassen. Sie habe gewusst, welche Schlussfolgerungen der Beklagte zu 1 aus ihren Informationen ziehen würde. Ihre Behauptungen ließen im Gesamtzusammenhang die alleinige Schlussfolgerung zu, der Kläger sei pädophil und habe ein sexuelles Verhältnis mit einem minderjährigen Mädchen. Die Beklagte zu 3 habe die Wirkungen ihrer Behauptungen aus Rache gegenüber dem Kläger, dem sie den Verlust ihres Arbeitsplatzes zugeschrieben habe, in Kauf genommen.
- 11
- Die Anschlussberufung des Klägers sei unbegründet, soweit er die Verurteilung der Beklagten zu 1 und 2 zu einer höheren Geldentschädigung begehre. Er könne indes von der Beklagten zu 3 aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 186, 187 StGB die Freistellung von der Gebührenforderung seiner Anwälte in Höhe von 1.195,95 € verlangen, die durch seine Verteidigung in dem auf Initiative der Beklagten zu 3 eingeleiteten Ermittlungsverfahren entstanden sei.
B.
I. Revisionen der Beklagten zu 1 und 2- 12
- Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revisionen der Beklagten zu 1 und 2 nicht in jeder Hinsicht stand.
- 13
- 1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass dem Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB gegen die Beklagten zu 1 und 2 zusteht.
- 14
- a) Die Revisionen wenden sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die angegriffenen Äußerungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzen.
- 15
- aa) Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht dem beanstandeten Beitrag die - teils offenen, teils verdeckten - Aussagen entnommen, der Kläger sei pädophil veranlagt, er habe ein sexuelles Verhältnis mit einem minderjährigen Mädchen namens Lissy gehabt, er sei kor- rupt, Teil eines kriminellen Leipziger Netzwerkes (sog. Sächsische Korruptionsaffäre ), habe seine Dienstpflichten nicht erfüllt und die Beklagte zu 3 bedroht, indem er ihr SMS geschrieben habe, ihre Katze habe strangulieren lassen und sie von drei ihm bekannten Motorradfahrern im Straßenverkehr habe abdrängen lassen (vgl. zur Ermittlung verdeckter Aussagen: Senatsurteil vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02, AfP 2004, 56, 57 f.). Das Berufungsgericht hat die Äußerungen auch zu Recht als Tatsachenbehauptungen eingestuft. Gegen diese Würdigung wendet sich die Revision nicht.
- 16
- bb) Die vorbezeichneten Aussagen greifen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers ein. Sie beeinträchtigen ihn in erheblichem Maße in seiner Ehre und sozialen Anerkennung. Die Äußerungen sind geeignet, sich abträglich auf sein Ansehen, insbesondere sein Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wird der Kläger in dem Beitrag als gewissen- und skrupelloser pädophiler Täter dargestellt, der weder vor der Zerstörung der beruflichen Existenz einer langjährigen loyalen Mitarbeiterin noch vor der Ankündigung von Straftaten zurückschreckt.
- 17
- Anders als das Berufungsgericht beiläufig meint, ist die absolut geschützte Intimsphäre des Klägers dagegen nicht betroffen (vgl. zur Intimsphäre: Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, AfP 2012, 47 Rn. 11; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25 f.). Denn sexuelle Verhältnisse mit Kindern oder Jugendlichen sind in § 182 StGB unter Strafe gestellt. Die Begehung von Sexualstraftaten fällt aber nicht in den unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung. Mit ihnen geht ein Übergriff in die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers einher, so dass ihre Begehung nicht als Ausdruck der von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit des Täters ange- sehen werden kann (vgl. Senatsurteil vom 19. März 2013 - VI ZR 93/12, AfP 2013, 250 Rn. 24; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 26).
- 18
- cc) Die Beklagten zu 1 und 2 sind für die beanstandeten Aussagen uneingeschränkt verantwortlich. Entgegen der Auffassung der Revisionen haben die Beklagten zu 1 und 2 insoweit nicht lediglich fremde Äußerungen - solche der Beklagten zu 3 - verbreitet (vgl. zur Verbreiterhaftung: Senatsurteil vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rn. 13; BVerfG AfP 2009, 480 Rn. 69, jeweils mwN). Sie sind nicht als bloße Vermittler der Äußerungen der Beklagten zu 3 aufgetreten, sondern haben sich diese zu Eigen gemacht und damit eigene Behauptungen aufgestellt.
- 19
- (1) Der Verbreiter macht sich eine fremde Äußerung regelmäßig dann zu eigen, wenn er sich mit ihr identifiziert und sie so in den eigenen Gedankengang einfügt, dass sie als seine eigene erscheint. Ob dies der Fall ist, ist mit der im Interesse der Meinungsfreiheit und zum Schutz der Presse gebotenen Zurückhaltung zu prüfen (Senatsurteile vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, AfP 2009, 494 Rn. 19; vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rn. 11; vom 27. März 2012 - VI ZR 144/11, AfP 2012, 264 Rn. 11). So genügt es für die Annahme eines Zu-Eigen-Machens nicht, dass ein Presseorgan die ehrenrührige Äußerung eines Dritten in einem Interview verbreitet, ohne sich ausdrücklich von ihr zu distanzieren (Senatsurteil vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rn. 11 mwN; BVerfGK 10, 485, 492; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 69; EGMR, Urteile vom 29. März 2001 - 38432/97 Rn. 64 - Thoma/Luxemburg; vom 30. März 2004 - 53984/00 Rn. 37 ff. - Radio France/Frankreich; vom 14. Dezember 2006 - 76918/01 Rn. 33 ff. - Verlagsgruppe News GmbH/Österreich). Auch kann sich schon aus der äußeren Form der Veröffentlichung ergeben, dass lediglich eine fremde Äußerung ohne eigene Wertung oder Stellungnahme mitgeteilt wird. Dies ist beispielsweise bei dem Abdruck einer Presseschau der Fall (vgl. BVerfG NJW 2004, 590, 591; AfP 2009, 480 Rn. 67; Senatsurteil vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 11 mwN).
- 20
- (2) Nach diesen Grundsätzen haben sich die Beklagten zu 1 und 2 die Aussagen der Beklagten zu 3 zu Eigen gemacht. Zwar wird in dem angegriffenen Beitrag ausdrücklich Bezug auf Äußerungen der Beklagten zu 3 in einem zwischen ihr und dem Beklagten zu 1 geführten Gespräch genommen. Auch werden verschiedene ihrer Aussagen als wörtliche Zitate wiedergegeben und als solche kenntlich gemacht. Entgegen der Auffassung der Revisionen wird in dem Beitrag aber nicht lediglich ein Sachverhalt referiert, ohne dessen Richtigkeit zu unterstellen; es werden nicht nur die Äußerungen eines Dritten berichtet. Vielmehr nimmt der Beklagte zu 1 in dem Beitrag eine eigene Bewertung der Vorgänge vor und identifiziert sich mit der Darstellung der Beklagten zu 3. Er unterstreicht die von ihr erhobenen Vorwürfe, stellt sie als Opfer dar und ergreift zu ihren Gunsten Partei. Dies kommt beispielsweise durch die Bewertung des Verhaltens des Klägers als "Mobbing", der von ihm ausgehenden Anzüglichkeiten als "armselig" und der Kündigung der Beklagten zu 3 als "abgekartet" zum Ausdruck ebenso wie durch die wertende Zusammenfassung "Y wurde ihre eigene Diskretion zum Verhängnis" und die Aussage, sie "wollte nie … den Dreck zurückwerfen, mit dem man sie selbst beinahe zur Verzweiflung trieb".
- 21
- dd) Die Revisionen wenden sich auch ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers sei rechtswidrig.
- 22
- (1) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rn. 10; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 11, jeweils mwN).
- 23
- Im Streitfall sind das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten zu 1 und 2 auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen. Bei Tatsachenbehauptungen wie im vorliegenden Fall hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 12; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62 mwN; NJW 2012, 1500 Rn. 39). Außerhalb des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG liegen aber nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung feststeht. Alle übrigen Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen den Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen (vgl. Senatsurteile vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 34; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 12; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62, jeweils mwN).
- 24
- (2) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die angegriffenen Behauptungen nicht (erweislich) wahr. Gemäß der über § 823 Abs. 2 BGB in das Zivilrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB wäre es Sache der auf Zahlung einer Geldentschädigung in Anspruch genommenen Beklagten als Äußernden gewesen, die Wahrheit der Behauptung nachzuweisen (vgl. Senatsurteil vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 23; Katzenmeier in Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl., § 823 Abs. 2 Rn. 9 mwN). Diesen Beweis haben sie nicht geführt.
- 25
- (3) Entgegen der Auffassung der Revisionen sind die angegriffenen Äußerungen auch nicht nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung zulässig.
- 26
- (a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats und des Bundesverfassungsgerichts darf eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (Art. 5 GG, § 193 StGB). Eine Berufung hierauf setzt voraus, dass der auf Unterlassung in Anspruch Genommene vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt hat. Die Pflichten zur sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt richten sich dabei nach den Aufklärungsmöglichkeiten. Sie sind für die Medien grundsätzlich strenger als für Privatleute. An die Wahrheitspflicht dürfen im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen und so den freien Kommunikationsprozess einschnüren. Andererseits ist aber auch zu berücksichtigen , dass die Wahrheitspflicht Ausdruck der Schutzpflicht ist, die aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt. Je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, umso höhere Anforderungen sind deshalb an die Erfüllung der Sorgfaltspflichten zu stellen. Allerdings ist auch das Interesse der Öffentlichkeit an derartigen Äußerungen zu berücksichtigen (vgl.
- 27
- (b) Nach diesen Grundsätzen war die angegriffene Berichterstattung unzulässig. Die Beklagten zu 1 und 2 sind ihren publizistischen Sorgfaltspflichten nicht im gebotenen Umfang nachgekommen.
- 28
- (aa) Es fehlt bereits an dem erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt es einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die persönliche Ehre des Klägers dar, wenn er als gewissen- und skrupelloser pädophiler Täter dargestellt wird, der ein sexuelles Verhältnis mit einem "vielleicht 14 Jahre" alten Mädchen hatte und weder vor der Zerstörung der beruflichen Existenz einer langjährigen loyalen Mitarbeiterin noch vor der Ankündigung von Straftaten zurückschreckt. Dieser Vorwurf trifft den Kläger im Kern seiner Persönlichkeit. Angesichts der Schwere dieses Vorwurfs waren die Beklagten zu 1 und 2 in besonderem Maße zu sorgfältigem Vorgehen verpflichtet (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 24).
- 29
- Vor diesem Hintergrund hat das Berufungsgericht unter zutreffender Würdigung aller Indizien zu Recht angenommen, dass weder die Angaben der Beklagten zu 3 noch die den Beklagten zu 1 und 2 vorliegenden Unterlagen eine ausreichende Tatsachengrundlage für die Verbreitung der den Kläger schwer belastenden Vorwürfe abzugeben vermochten. Wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, gab es für die (verdeckte) Aussage, der Kläger habe ein sexuelles Verhältnis mit einem "vielleicht 14 Jahre" alten Mädchen namens "Lissy" gehabt, nur einen Anhaltspunkt, nämlich die Angaben der Beklagten zu 3. Diese verfügte insoweit aber weder über eigene Erkenntnisse noch über in tatsächlicher Hinsicht konkrete anderweitige Hinweise. Vielmehr konnte sie lediglich aus ihrer Sicht auffällige Begebenheiten schildern, aus denen sie auf entsprechende sexuelle Kontakte schloss. Eine derartige bloße Schlussfolgerung ohne hinreichende Tatsachengrundlage rechtfertigt es aber nicht, den Betroffenen mit einem derart schweren, ihn im Kern seiner Persönlichkeit treffenden Vorwurf zu überziehen. Unabhängig von der unzureichenden Tatsachengrundlage hätten sich die Beklagten zu 1 und 2 die Schlussfolgerungen der Beklagten zu 3 aber auch deshalb nicht ohne weiteres zu eigen machen dürfen, weil sich die Beklagte zu 3 ausweislich des von den Beklagten zu 1 und 2 vorgelegten Aktenvermerks der Polizeidirektion Leipzig vom 12. Dezember 2006 in psychologischer Behandlung befand, sich vom Kläger gemobbt fühlte und bei ihren Schilderungen "kein gutes Haar an diesem ließ". Bei dieser Sachlage hätten die Beklagten zu 1 und 2 in Rechnung stellen müssen, dass die Angaben der Beklagten zu 3 von einem übermäßigen Belastungseifer getragen sein könnten.
- 30
- Dem als "geheim" gekennzeichneten Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 14. Juli 2006 ist hinsichtlich eines Verhältnisses des Klägers zu einem "vielleicht 14 Jahre" alten Mädchen namens "Lissy" nichts zu entnehmen. Er beschränkt sich auch im Übrigen auf vage, nicht konkretisierte Mutmaßungen und beruht überwiegend auf anonymen Quellen. Entgegen der Auffassung der Revisionen stellt dieser Bericht auch keine privilegierte Quelle dar, auf deren Richtigkeit der Beklagte zu 1 hätte vertrauen dürfen. Zwar ist es in der Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannt, dass den Verlautbarungen amtlicher Stellen ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden darf (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 29 ff.; BVerfG, NJW-RR 2010, 1195 Rn. 35 jeweils mwN; Hoene in Soehring /Hoene, Presserrecht, 5. Aufl., § 2 Rn. 21c). Dies beruht auf der Erwägung, dass Behörden in ihrer Informationspolitik unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind und Amtsträger, wenn sie vor der Frage stehen, ob die Presse über amtliche Vorgänge informiert werden soll, die erforderliche Abwägung zwischen dem Informationsrecht der Presse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vorzunehmen haben (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 30; BGH, Urteil vom 17. März 1994 - III ZR 15/93, NJW 1994, 1950, 1951; BVerfG, NJW-RR 2010, 1195 Rn. 35; BeckOK GG/Huster/Rux, Art. 20 GG Rn. 169 ff. [Stand: 1. November 2013]). Verletzen sie ihre Amtspflichten, kann ein Schadensersatzanspruch des Betroffenen wegen einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen die zuständige Gebietskörperschaft als Träger der Behörde gegeben sein (vgl. BGH, Urteile vom 17. März 1994 - III ZR 15/93, aaO S. 1951 f.; vom 23. Oktober 2003 - III ZR 9/03, NJW 2003, 3693, 3697; OLG Hamburg, Ufita 70 (1974), 305, 309 ff.; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 6 Rn. 136; Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 19 Rn. 38). Um eine derartige für die Öffentlichkeit bestimmte Verlautbarung han- delt es sich bei dem Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz aber gerade nicht. Er war ausdrücklich als "geheim" gekennzeichnet.
- 31
- Gleiches gilt für die Protokolle über die polizeiliche Vernehmung verschiedener Zeugen aus den Jahren 1999 und 2000. Auch sie sind in tatsächlicher Hinsicht unergiebig. Ausweislich des Protokolls über die Vernehmung der Zeugin I. vom 7. Juni 2000 hat diese eine nicht näher identifizierte Person auf einem ihr vorgelegten Lichtbild als Freier des Kinderbordells Jasmin erkannt. Die übrigen Protokolle enthalten bloße Gerüchte oder Vermutungen ohne belastbare tatsächliche Grundlage. Derartige Gerüchte können aber nicht die Basis für eine den Betroffenen im Kern seiner Persönlichkeit treffenden Berichterstattung in der Presse abgeben (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405). Abgesehen davon lagen die Zeugenaussagen im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels bereits sechseinhalb Jahre zurück , ohne dass die Strafverfolgungsbehörden zu Lasten des Klägers hieraus Konsequenzen gezogen hatten.
- 32
- Auch das an die Geschäftsführung der L.W. gerichtete anonyme Schreiben des angeblichen L.W.-Kollegiums vom 14. Mai 2007 vermag die angegriffene Berichterstattung nicht zu rechtfertigen. Abgesehen davon, dass es allein als Beleg für die Behauptung dienen könnte, der Kläger sei korrupt, kommt ihm aufgrund seines vage gehaltenen Inhalts und seiner Diktion nur ein sehr geringer Beweiswert zu. Hinzu kommt, dass sich der Beklagte zu 1 ausweislich der tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, vor der Veröffentlichung des Beitrags nicht in der erforderlichen Weise vergewissert hat, ob das Schreiben der Geschäftsführung überhaupt zugegangen ist.
- 33
- Beruht eine mit einer so erheblichen Ehrenkränkung verbundene Behauptung auf einer derart dürftigen Tatsachen- und Recherchegrundlage, wie dies vorliegend der Fall ist, gebietet eine an den verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern beider Seiten ausgerichtete Abwägung der Interessen, die betroffene Person, hier den Kläger, nicht unter voller Namensnennung "an den Pranger zu stellen".
- 34
- (bb) Das Berufungsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass der angegriffene Beitrag unausgewogen und ihm nicht hinreichend zu entnehmen ist, dass lediglich über einen nicht bewiesenen Verdacht gegen den Kläger berichtet werden sollte. Wie bereits ausgeführt identifiziert sich der Beklagte zu 1 in dem Beitrag mit der Darstellung der Beklagten zu 3. Er unterstreicht die von ihr erhobenen Vorwürfe, stellt sie als Opfer dar und ergreift zu ihren Gunsten Partei. Die Berichterstattung ist nicht nur bewusst einseitig, sondern erweckt in unzulässiger Weise den Eindruck, die aufgestellten Behauptungen seien inhaltlich zutreffend und der Kläger sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt.
- 35
- (cc) Die Revisionen wenden sich auch ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte zu 1 habe dem Kläger vor der Veröffentlichung nicht in ausreichendem Maße Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Entgegen der Auffassung der Revisionen durfte sich der Beklagte zu 1 unter den Umständen des Streitfalles nicht darauf beschränken, den Kläger um ein Interview zu bitten und in den "zunächst nur einleitenden Bitten um ein Gespräch" lediglich den groben Kontext und die Zielrichtung seiner Recherchen zu bezeichnen. Angesichts der besonderen Tragweite, die die Verbreitung der angegriffenen Äußerungen für den Kläger erkennbar haben konnte, war der Beklagte zu 1 vielmehr gehalten, dem Kläger die Vorwürfe, die Gegenstand des Beitrags werden sollten, konkret zur Kenntnis zu bringen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme auf ihm beliebige Weise zu geben, ohne ihn auf die Möglichkeit der Erörterung der Vorwürfe in einem persönlichen Gespräch zu beschränken (vgl. zur Anhörung des Betroffenen vor der Berichterstattung: Senatsurteile vom 25. Mai 1965 - VI ZR 19/64, VersR 1965, 879, 881; vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 25 f.). Das Interesse der Medien, den Betroffenen erstmals in einem Interview mit den konkreten Vorwürfen zu konfrontieren, um eine spontane Reaktion des Betroffenen zu erfahren, ist in diesem Zusammenhang nicht schutzwürdig. Es muss vielmehr grundsätzlich dem Betroffenen überlassen bleiben, wie er sich äußern will. Aus diesem Grund ist es auch unerheblich , dass der Kläger ein persönliches Gespräch mit dem Beklagten zu 1 abgelehnt hat. Hierin liegt insbesondere kein Verzicht auf die Möglichkeit der Stellungnahme. Wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, kommt die Annahme eines Verzichts nur dann in Betracht, wenn der Betroffene weiß, was ihm konkret vorgeworfen wird.
- 36
- Die Revisionen rügen in diesem Zusammenhang ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe übersehen, dass der E-Mail des Beklagten zu 1 vom 10. Juni 2007 ein Telefonat mit der Schwester des Klägers vorangegangen sei, das offensichtlich die streitgegenständlichen Äußerungen zum Gegenstand gehabt habe. Dies ergibt sich aus der E-Mail gerade nicht. Danach hat es der Beklagte zu 1 vielmehr abgelehnt, der Schwester des Klägers Fragen zukommen zu lassen , da sie "erklärtermaßen" nicht mandatierte Vertreterin des Klägers sei und er nicht wisse, ob sie tatsächlich seine Schwester sei.
- 37
- b) Das Berufungsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass der Kläger wegen der Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die beanstandete Berichterstattung von den Beklagten zu 1 und 2 die Zahlung einer Geldentschädigung verlangen kann.
- 38
- aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats begründet die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212 214 f.; vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 20. März 2012 - VI ZR 123/11, AfP 2012, 260 Rn. 15, jeweils mwN; vgl. auch BVerfG NJW 2004, 591, 592). Die Zubilligung einer Geldentschädigung kommt auch in Betracht, wenn das Persönlichkeitsrecht, wie im Streitfall, durch eine nicht erweislich wahre rufschädigende Tatsachenbehauptung verletzt wird. In diesem Fall ist aber bei der Gewichtung der Schwere des Eingriffs die offen bleibende Möglichkeit mit zu berücksichtigen, dass die inkriminierte Behauptung wahr sein kann (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 27). Außerdem ist der besonderen Funktion der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen Rechnung zu tragen, die sowohl in einer Genugtuung des Verletzten für den erlittenen Eingriff besteht als auch ihre sachliche Berechtigung in dem Gedanken findet, dass das Persönlichkeitsrecht gegenüber erheblichen Beeinträchtigungen anderenfalls ohne ausreichenden Schutz bliebe (vgl. Senatsurteile vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, AfP 1985, 110, 113; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215). Zudem soll die Geldentschädigung der Prävention dienen (vgl. Senatsurteil vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302 mwN). In jedem Fall ist zu berücksichtigen, dass die Geldentschädigung nicht eine Höhe erreichen darf, die die Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 16; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137, 138; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 307; BVerfGE 34, 269, 285).
- 39
- bb) Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht einen hinreichend schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers zu Recht bejaht. Der angegriffene Beitrag, in dem der Kläger als gewissen- und skrupelloser pädophiler Täter dargestellt wird, der ein sexuelles Verhältnis mit einem "vielleicht 14 Jahre" alten Mädchen hatte und weder vor der Zerstörung der beruflichen Existenz einer langjährigen loyalen Mitarbeiterin noch vor der Ankündigung von Straftaten zurückschreckt, ist in einem außerordentlich erheblichen Maße herabsetzend und mindert das Ansehen des Klägers besonders nachhaltig. Die darin enthaltenen Vorwürfe treffen den Kläger in den Grundlagen seiner Persönlichkeit und sind geeignet, ihn gesellschaftlich zu vernichten. Die Beklagten zu 1 und 2 handelten auch in erheblichem Maße schuldhaft. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Beklagten zu 1 und 2 ihre publizistischen Sorgfaltspflichten in hohem Maße verletzt haben. Wie unter Ziffer a) dd) (3) (b) ausgeführt, haben sie die den Kläger schwer belastenden Aussagen der Beklagten zu 3, die sich ausweislich des von den Beklagten vorgelegten Aktenvermerks der Polizeidirektion Leipzig vom 12. Dezember 2006 in psychologischer Behandlung befand und einen arbeitsrechtlichen Konflikt mit dem Kläger austrug, kritiklos übernommen und den Kläger in einem äußerst einseitigen und präjudizierenden Beitrag unter voller Namensnennung "an den Pranger" gestellt, ohne diesem zuvor in dem gebotenen Maß Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
- 40
- Die gegen diese Beurteilung vorgebrachten Einwendungen der Revisionen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Die Zubilligung einer Geldentschädigung setzt insbesondere nicht voraus, dass der Kläger - wie von ihm behauptet - aufgrund der streitgegenständlichen Berichterstattung eine schwere Depression erlitten hat. Denn bei der Entschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich nicht um ein Schmerzensgeld gemäß § 253 Abs. 2 BGB, sondern um einen Rechtsbehelf, der auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG zurückgeht. Er findet seine sachliche Berechtigung in dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 15 f.; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302; vom 6. Dezember 2005 - VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 204 f.; BVerfGE 34, 269, 282, 292; BVerfG NJW 2000, 2187 f.; Müller, VersR 2008, 1141, 1150).
- 41
- Entgegen der Auffassung der Revisionen wirkt sich auch nicht der Umstand mindernd auf das Gewicht der durch die angegriffenen Äußerungen bewirkten Persönlichkeitsrechtsverletzung aus, dass bereits vor dem angegriffenen Beitrag in verschiedenen Veröffentlichungen über den Kläger berichtet wurde. Denn weder werden unbewiesene Tatsachenbehauptungen herabsetzenden Charakters deswegen zulässig, weil sie auch von anderen aufgestellt worden sind (vgl. BVerfGE 85, 1, 22; BVerfG, NJW-RR 2000, 1209, 1211; AfP 2009, 480 Rn. 64), noch verliert der Betroffene durch die erste belastende Berichterstattung seine Ehre und soziale Anerkennung in dem Sinne, dass diese Schutzgüter nicht erneut oder nur mit geringerer Intensität verletzt werden könnten. Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, stellen die Veröffentlichungen durch andere Verlage jeweils eigenständige Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar, die einer selbständigen Beurteilung unterliegen. Eine andere Betrachtung würde weder dem Wesen der genannten Schutzgüter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts noch der Funktion der Entschädigung als Rechtsbehelf zu ihrem Schutz gerecht (vgl. Senatsurteile vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, AfP 1985, 110, 113; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 307 f.; aA OLG Stuttgart, AfP 1981, 362). Die Vorveröffentlichungen könnten sich allenfalls mindernd auf die Höhe der zuzubilligenden Geldentschädigung auswirken, wenn und soweit das Interesse der von dem streitgegenständlichen Beitrag angesprochenen Personen durch sie bereits verringert war (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 536; vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, AfP 1985, 110, 113; Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 32 Rn. 37).
- 42
- Aus den von den Revisionen herangezogenen Entscheidungen des Senats vom 29. Juni 1999 (VI ZR 264/98, AfP 1999, 350) und vom 5. November 2013 (VI ZR 304/12, juris), des Bundesverfassungsgerichts (NJW-RR 2010, 1195 Rn. 33) sowie des EGMR (NJW 1999, 1315) folgt nichts anderes. Sie betrafen andere Fallkonstellationen, weshalb die dort maßgebenden Erwägungen vorliegend nicht herangezogen werden können. In den genannten Entscheidungen ging es jeweils um die dem Willen des Betroffenen widersprechende Offenbarung wahrer Tatsachen, die vor der jeweils angegriffenen Veröffentlichung bereits von anderen Medien mitgeteilt worden und damit schon einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden waren mit der Folge, dass der Betroffene bereits zuvor seine Anonymität verloren hatte bzw. seine persönlichen Daten nicht mehr geheim waren. So wandte sich die Klägerin im Verfahren VI ZR 304/12 gegen die unter Beeinträchtigung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung erfolgte Preisgabe des Abstammungsverhältnisses zu ihrem Vater. Der Kläger im Verfahren VI ZR 264/98 beanstandete als Eingriff in seine Privatsphäre, dass der Grund für die Scheidung von seiner Ehefrau - Ehe- bruch - bekanntgeben worden war. Der Streitfall dagegen ist anders gelagert. Hier steht der Schutz vor unbewiesenen Tatsachenbehauptungen herabsetzenden Charakters in Rede. Es kann dahingestellt bleiben, ob Vorveröffentlichungen angesichts des Umstands, dass es sich bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht um eine statische, für alle Zeiten feststehende Größe handelt, sondern sein Bestand in gewissem Umfang auch von der tatsächlichen Anerkennung durch die Öffentlichkeit abhängt (vgl. BVerfG, NJW-RR 2010, 1195 Rn. 33), nach Ablauf einer gewissen Zeit zu einem "Negativ-Image" des Betroffenen führen können (so OLG Stuttgart, AfP 1981, 362). Dies kommt jedenfalls nicht in Betracht, wenn die angegriffene Berichterstattung und die Vorveröffentlichungen - wie im Streitfall - in einem engen zeitlichen Zusammenhang stehen.
- 43
- cc) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beeinträchtigung des Klägers nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Die gegen die Beklagten erwirkten Unterlassungstitel schließen den Geldentschädigungsanspruch unter den Umständen des Streitfalls nicht aus. Auch unter Berücksichtigung der mit ihnen zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen können sie die weitere Abrufbarkeit des angegriffenen Beitrags oder Teilen desselben nicht zuverlässig verhindern. Es ist allgemein bekannt, dass eine in das Internet gestellte Meldung, auch wenn sie von ihrem Urheber gelöscht wurde, jedenfalls für gewisse Zeit weiter zugänglich bleiben kann, weil sie in der Zwischenzeit von Dritten kopiert und auf einer neuen Webseite eingestellt oder von Bloggern zum Gegenstand eines eigenen Beitrags gemacht wurde. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass zahlreiche Nutzer im Internet die Löschung von Inhalten infolge von Unterlassungsansprüchen als Zensur interpretieren und für die Verbreitung "AusweichRouten" finden. Abgesehen davon vermag ein Unterlassungstitel in Fällen derart schwerer Angriffe, die sich gegen die Grundlagen der Persönlichkeit richten, die Beeinträchtigung des Betroffenen nicht hinreichend auszugleichen (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 13 f.).
- 44
- Die Zubilligung einer Geldentschädigung ist im Streitfall auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger keinen Widerrufsanspruch geltend gemacht hat. Zum einen sind die Voraussetzungen dieses Anspruchs nicht erfüllt, weil der Kläger nicht beweisen kann, kein Verhältnis mit einem 14 Jahre alten Mädchen (gehabt) zu haben. Zum anderen ist auch ein Widerruf nicht geeignet, die erlittene Beeinträchtigung hinreichend auszugleichen (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 13 f.).
- 45
- 2. Die Revisionen wenden sich aber mit Erfolg gegen die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Höhe der dem Kläger zustehenden Geldentschädigung.
- 46
- a) Allerdings ist die Bemessung der Höhe der Geldentschädigung in erster Linie Sache des Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar , ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Bemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 16; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 29; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 307).
- 47
- b) Vor diesem Hintergrund ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht unter dem Gesichtspunkt der Verringerung des Interesses der angesprochenen Leser an der streitgegenständlichen Berichterstattung nur die Vorveröffentlichungen im MDR-Magazin "FAKT", in der Bildzeitung und in der Online-Ausgabe der Leipziger Volkszeitung mindernd berücksichtigt, den anderen Beiträgen hingegen keine Bedeutung beigemessen hat (vgl. zur Minderung des Informationsinteresses durch Vorveröffentlichungen: Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 536; vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, AfP 1985, 110, 113; Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht , 5. Aufl., § 32 Rn. 37). Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts befassten sich die übrigen Vorveröffentlichungen weder mit der Behauptung, der Kläger unterhalte eine sexuelle Beziehung zu einer Minderjährigen , noch mit den weiteren von der Beklagten zu 3 erhobenen Vorwürfen im Zusammenhang mit der Arbeitseinstellung des Klägers, seinem Verhalten am Arbeitsplatz, den Umständen ihrer Kündigung und der angeblichen Bedrohung.
- 48
- c) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet demgegenüber die Annahme des Berufungsgerichts, wonach der Anzahl der Aufrufe des angegriffenen Beitrags für die Bemessung der Höhe der Entschädigung keine Bedeutung zukomme. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung auch das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung als Bemessungsfaktor zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 55/62, BGHZ 39, 124, 133 f.; vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 535 f.; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137; Müller in Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, 2008, § 51 Rn. 23, 30). Aus diesem Grund kann die Anzahl der Personen, die die beanstandeten Äußerungen zur Kenntnis genommen haben, nicht unbeachtet bleiben.
- 49
- d) Wie die Revisionen zu Recht rügen, tragen die Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht die Annahme, die Beklagten zu 1 und 2 hätten die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers als Mittel zur Reichweitensteigerung und zur Verfolgung eigener kommerzieller Interessen eingesetzt, weshalb von der Höhe der Geldentschädigung ein echter Hemmungseffekt ausgehen müsse. Die vom Berufungsgericht für einschlägig gehaltene Fallgruppe der rücksichtslosen Zwangskommerzialisierung einer Persönlichkeit, in der die Präventionsfunktion der Geldentschädigung im Vordergrund steht, ist dadurch gekennzeichnet, dass der Einbruch in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vorsätzlich zum Zwecke der Gewinnerzielung erfolgt (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 15 f.; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137, 138; vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94, AfP 1996, 138, 139; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 306 f.; BVerfG, VersR 2000, 897 898; Müller, aaO, § 51 Rn. 10, jeweils mwN). Feststellungen zu einem entsprechenden Vorsatz des Beklagten hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
- 50
- e) Die Revisionen beanstanden auch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht die angegriffenen Äußerungen als (mit)ursächlich für die beim Kläger aufgetretene depressive Störung angesehen hat, ohne über die umstrittene Frage Beweis zu erheben, ob diese Störung nicht bereits durch die Berichterstattung in der BILD-Zeitung vom 13. Juni 2007 und im MDR-Magazin "FAKT" vom 11. Juni 2007 ausgelöst worden ist. Der Ursachenzusammenhang lässt sich insbesondere nicht mit Hilfe der vom Berufungsgericht herangezogenen Grundsätze der Doppelkausalität bejahen. Doppelkausalität liegt vor, wenn ein bestimmter Schaden durch verschiedene gleichzeitig oder nebeneinander wirkende Umstände verursacht worden ist, aber jede dieser Ursachen allein ausgereicht hätte, um den ganzen Schaden herbeizuführen. In einem solchen Fall sind sämtliche Umstände als rechtlich ursächlich für den Schadenseintritt zu behandeln, obwohl keiner der Umstände als "conditio sine qua non" für den Schadenseintritt beurteilt werden kann (vgl. BGH, Urteile vom 13. März 2012 - II ZR 50/09, NJW-RR 2012, 728 Rn. 25; vom 20. Februar 2013 - VIII ZR 339/11, NJW 2013, 2018 Rn. 27). Eine derartige Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor. Es steht gerade nicht fest, dass die Veröffentlichungen in der BILDZeitung und im MDR-Magazin "FAKT" einerseits und die streitgegenständliche Berichterstattung andererseits gleichzeitig oder nebeneinander gewirkt und die depressive Störung des Klägers verursacht haben.
- 51
- Für eine Anwendung des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB ist ebenfalls kein Raum. Die Vorschrift setzt voraus, dass eine Ungewissheit hinsichtlich des Verursachers besteht, d.h. nicht feststellbar ist, welcher der Beteiligten den Schaden verursacht hat (vgl. Senatsurteil vom 23. März 1999 - VI ZR 53/98, VersR 1999, 1375). Nach dem mangels gegenteiliger Feststellungen revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag der Beklagten wurde die depressive Störung des Klägers aber bereits durch die Vorveröffentlichungen bewirkt.
- 52
- Die gegen die Beklagten zu 1 und 2 gerichtete Revision des Klägersist zulässig und begründet. Sie beanstandet zu Recht die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Höhe der dem Kläger zuzubilligenden Geldentschädigung.
- 53
- 1. Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, eine Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine Internetveröffentlichung sei wegen der Besonderheiten des Internets generell höher zu bemessen als eine Entschädigung wegen eines Artikels in den PrintMedien. Sowohl die Frage, ob die Verletzung des Persönlichkeitsrechts so schwerwiegend ist, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, als auch deren Höhe können nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. Senatsurteile vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 20. März 2012 - VI ZR 123/11, AfP 2012, 260 Rn. 15; Müller, aaO, § 51 Rn. 23, 30). Ein rufschädigender Artikel - beispielsweise auf der Titelseite - einer weit verbreiteten Tageszeitung mit hoher Auflage kann das Ansehen des Betroffenen wesentlich nachhaltiger schädigen als eine Internetmeldung in einem wenig bekannten Portal, das nur begrenzte Nutzerkreise anspricht. Auch der Umstand, dass die üblicherweise erfolgende Verlinkung der in Rede stehenden Meldung in Suchmaschinen die Einholung von Informationen über den Betroffenen ermöglicht, rechtfertigt keine generelle Anhebung der Geldentschädigung. Denn eine solche Informationsbeschaffung setzt die aktive Suche des bereits an dem Betroffenen interessierten Nutzers voraus. Demgegenüber werden durch einen Artikel einer weit verbreiteten Tageszeitung oder durch die Bekanntgabe der Nachricht zu einer beliebten Tageszeit im Fernsehen u.U. Millionen von Personen von dem (angeblichen) Fehlverhalten des Betroffenen in Kenntnis gesetzt.
- 54
- 2. Die Revision rügt aber zu Recht, dass das Berufungsgericht den - durch Vorlage des Berichts der auf "Online Reputation Management" spezialisierten R. GmbH konkretisierten - Vortrag des Klägers nicht für erheblich gehalten hat, wonach der angegriffene Bericht im Internet zahlreich verlinkt, kopiert und - auch noch nach der Löschung des Ursprungsbeitrags - umfangreich abgerufen worden sei. Wie bereits ausgeführt, ist das Ausmaß der Verbreitung der angegriffenen Veröffentlichung als Bemessungsfaktor bei der Festsetzung der Höhe der Geldentschädigung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 55/62, BGHZ 39, 124, 133 f.; vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 535 f.; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137; Müller, aaO, § 51 Rn. 23, 30). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist den Beklagten zu 1 und 2 die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers auch insoweit zuzurechnen, als sie erst durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags durch Dritte im Internet entstanden ist. Da Meldungen im Internet typischerweise von Dritten verlinkt und kopiert werden, ist die durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags verursachte Rechtsverletzung sowohl äquivalent als auch adäquat kausal auf die Erstveröffentlichung zurückzuführen. Der Zurechnungszusammenhang ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Persönlichkeitsrechtsverletzung insoweit erst durch das selbstständige Dazwischentreten Dritter verursacht worden ist.
- 55
- a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird die haftungsrechtliche Zurechnung nicht schlechthin dadurch ausgeschlossen, dass außer der in Rede stehenden Verletzungshandlung noch weitere Ursachen zur Rechtsgutsverletzung beigetragen haben. Dies gilt auch dann, wenn die Rechtsgutsverletzung erst durch das (rechtmäßige oder rechtswidrige) Dazwischentreten eines Dritten verursacht wird. Der Zurechnungszusammenhang fehlt in derartigen Fällen allerdings, wenn die zweite Ursache - das Eingreifen des Dritten - den Geschehensablauf so verändert hat, dass die Rechtsgutsverletzung bei wertender Betrachtung nur noch in einem "äußerlichen", gleichsam "zufälligen" Zusammenhang zu der durch die erste Ursache geschaffenen Gefahrenlage steht. Wirken in der Rechtsgutsverletzung dagegen die besonderen Gefahren fort, die durch die erste Ursache gesetzt wurden, kann der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang nicht verneint werden (vgl. Senatsurteile vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 286/09, VersR 2010, 1662 Rn. 20; vom 26. Februar 2013 - VI ZR 116/12, VersR 2013, 599 Rn. 10; BGH, Urteile vom 28. April 1955 - III ZR 161/53, BGHZ 17, 153, 159; vom 15. November 2007 - IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205 Rn. 11 ff.; vgl. auch MünchKomm/BGB/Oetker, 6. Aufl., § 249 Rn. 141 ff., 157 ff.; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearbeitung 2005, § 249 Rn. 35, 58 ff.; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Auflage, Vorb. v. § 249 Rn. 33 ff.).
- 56
b) So verhält es sich im Streitfall. Durch die Veröffentlichung des Ursprungsbeitrags auf dem von der Beklagten zu 2 betriebenen Internet-Portal ist die internettypische besondere Gefahr geschaffen worden, dass an einer umfassenden Kommunikation und Diskussion im Internet interessierte Nutzer den Beitrag verlinken oder kopieren und auf anderen Webseiten zum Abruf bereit halten. Die auf die "Vervielfältigung" der Abrufbarkeit des Beitrags durch Dritte zurückzuführende Ehrkränkung des Klägers steht in einem inneren Zusammenhang zu der durch die Veröffentlichung des Ursprungsbeitrags geschaffenen Gefahrenlage. Erst hierdurch hat sich die spezifische Gelegenheit zum Tätigwerden der Dritten ergeben. Ihr Einschreiten ist nicht als bloß "zufällig" zu qualifizieren.
- 57
- c) Die von der Revision darüber hinaus als übergangen gerügten, angeblich noch im Jahr 2012 gegebenen "Hinweise auf die Veröffentlichung im Internet" sind nur dann erhöhend bei der Bemessung der Entschädigung zu berücksichtigen , wenn auch sie die im angegriffenen Beitrag aufgestellten (verdeckten ) Sachaussagen enthalten.
- 58
- 1. Die Revision der Beklagten zu 3 ist zulässig, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung einer Geldentschädigung richtet. Im Übrigen ist sie nicht statthaft und damit unzulässig. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision wirksam auf die Frage beschränkt, ob dem Kläger wegen der streitgegenständlichen Berichterstattung Ansprüche auf Zahlung einer Geldentschädigung zustehen. Die Beschränkung der Revisionszulassung hat zur Folge, dass der Streitstoff, soweit er von der Zulassung nicht erfasst wird, nicht der Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts unterliegt (vgl. Senatsbeschluss vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, AfP 2012, 371 Rn. 2).
- 59
- a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selbständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 237/09, NJW 2011, 155 Rn. 7; Senatsbeschluss vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, AfP 2012, 371 Rn. 3; BGH, Urteil vom 30. März 2007 - V ZR 179/06, VersR 2007, 1230 Rn. 6, jeweils mwN).
- 60
- b) Von einer derartigen beschränkten Revisionszulassung ist vorliegend auszugehen. Zwar enthält die Entscheidungsformel des Berufungsurteils keinen Zusatz, der die dort ausgesprochene Zulassung der Revision einschränkt. Die Beschränkung der Rechtsmittelzulassung kann sich aber auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Tenor im Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen der Beschränkung klar ergibt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt (vgl. etwa Senatsurteil vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 237/09, NJW 2011, 155 Rn. 8; Senatsbeschluss vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, AfP 2012, 371 Rn. 4; BGH, Urteile vom 30. März 2007 - V ZR 179/06, VersR 2007, 1230 Rn. 7; vom 21. Januar 2010 - I ZR 215/07, NJW-RR 2010, 909 Rn. 13 f., jeweils mwN).
- 61
- Dies ist hier der Fall. Aus den Gründen des Berufungsurteils ergibt sich zweifelsfrei, dass das Berufungsgericht eine die Anrufung des Revisionsgerichts rechtfertigende Rechtsfrage nur darin gesehen hat, ob und wie sich eine ausschließlich auf einer Internetseite erfolgte Veröffentlichung auf Grund und Höhe eines Geldentschädigungsanspruchs auswirkt. Diese Rechtsfrage ist aber nur für die vom Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche von Bedeutung. Sie berührt hingegen nicht den davon zu trennenden - und einen selbständigen Streitgegenstand begründenden - Anspruch des Klägers auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren, die ihm durch Beauftragung eines Anwalts zu seiner Verteidigung in dem gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen entstanden sind.
- 62
- 2. Soweit die Revision der Beklagten zu 3 zulässig ist, hat sie in der Sache Erfolg.
- 63
- a) Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass dem Kläger auch gegen die Beklagte zu 3 dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB zusteht. Denn sie hat die in schwerwiegendem Maße persönlichkeitsrechtsverletzende Berichterstattung der Beklagten zu 1 und 2 durch ihre nicht erweislich wahren Informationen veranlasst (vgl. zur Haftung des Informanten: BGH, Urteile vom 11. Mai 1973 - I ZR 123/71, VersR 1973, 764 - Kollo-Schlager; vom 18. Februar 1993 - I ZR 14/91, AfP 1993, 566, 567 - Produktinformation I; vom 19. September 1996 - I ZR 130/94, AfP 1997, 524, 525 - Orangenhaut mwN; Löffler/Steffen, Presserecht , 5. Aufl., § 6 LPG Rn. 229; Soehring in Soehring/Hoene, aaO, § 7 Rn. 32 ff.; Wenzel/von Strobl-Albeg, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 381 ff.)
- 64
- aa) Die Revision beanstandet in diesem Zusammenhang ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe nicht festgestellt, welche Informationen die Beklagte zu 3 dem Beklagten zu 1 genau erteilt habe. Ausweislich der Feststellungen im Berufungsurteil stützt sich der streitgegenständliche Beitrag maßgeblich auf die Aussagen der Beklagten zu 3 und gibt ihren Bericht über den Besuch des Mädchens "Lissy" sowie ihre Aussagen in Interviewabschnitten und Zitaten wieder. In seinem Beschluss vom 5. April 2012, auf den es in seinem Urteil ausdrücklich Bezug genommen hat, hat das Berufungsgericht darüber hinaus festgestellt , dass die angebliche Verleumdung des Klägers durch seine Arbeitskollegen von der Beklagten zu 3 "kolportiert" worden sei und insbesondere die Passagen, wonach sich für die Beklagte zu 3 immer mehr "Puzzleteile" zusammenfügten , sie ihre "Scham" überwinde und ihr die "Neigungen" des Klägers erst im Nachhinein klar geworden seien, unmittelbar auf ihren Erklärungen beruhten. Die Beklagte zu 3 habe auch gewusst, welche Schlussfolgerungen der Beklagte zu 1 aus ihren Informationen ziehen würde. Gegen diese Feststellungen wendet sich die Revision nicht. Sie macht insbesondere nicht geltend, die Beklagte zu 3 sei in dem angegriffenen Beitrag - beispielsweise bei der Beschreibung von "Lissy" mit den Worten "vielleicht 14 Jahre alt" - falsch zitiert worden. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass bereits die Äußerungen der Beklagten zu 3 gegenüber dem Beklagten zu 1 die - teils offenen, teils verdeckten - Sachaussagen enthalten, welche der angegriffenen Berichterstattung zu entnehmen sind. Auf die Frage, welche Angaben die Beklagte zu 3 gegenüber den Strafverfolgungsbehörden gemacht hat, kommt es bei dieser Sachlage entgegen der Auffassung der Revision nicht an.
- 65
- bb) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht auch eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers bejaht, die nicht in anderer Weise als durch Zahlung einer Geldentschädigung befriedigend aufgefangen werden kann.
- 66
- (1) Zwar kann insoweit nicht darauf abgestellt werden, dass durch den angegriffenen Beitrag die absolut geschützte Intimsphäre des Klägers verletzt wurde. Denn wie unter I. 1. a) bb) ausgeführt, fällt die Begehung von Sexualstraftaten nicht in den unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung. Auch durch die Bekanntgabe der wahren Tatsachen, dass der Kläger eine Geliebte hatte und eine Vergleichsliste über seine Ehefrau und seine Geliebte erstellt hat, haben die Beklagten nicht in diesen Kernbereich eingegriffen. Die bloße Mitteilung ehebrecherischer Beziehungen ohne die Bekanntgabe diesbezüglicher Einzelheiten tangiert die Intimsphäre nicht (vgl. Senatsurteile vom 5. Mai 1964 - VI ZR 64/63, NJW 1964, 1471, 1472; vom 29. Juni 1999 - VI ZR 264/98, AfP 1999, 350, 351; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 49). Ob eine andere Beurteilung geboten wäre, wenn der Inhalt der Vergleichsliste zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht worden wäre, kann offen bleiben, da eine derartige Fallkonstellation nicht vorliegt.
- 67
- (2) Die durch die Äußerungen der Beklagten zu 3 bewirkte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers wiegt aber besonders schwer. Die Berichterstattung ist in einem außerordentlich erheblichen Maße herabsetzend und mindert das Ansehen des Klägers besonders nachhaltig. Die darin enthaltenen Vorwürfe treffen den Kläger im Kern seiner Persönlichkeit und sind geeignet, ihn gesellschaftlich zu vernichten. Hinzu kommt, dass die Beklagte zu 3 vorsätzlich handelte. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen war der Beklagten zu 3 bei der Informationserteilung in vollem Umfang bewusst, wie ihre Äußerungen im Gesamtkontext des von dem Beklagten zu 1 beabsichtigten Beitrags wirken würden; sie nahm dies aus Rache ge- genüber dem Kläger, dem sie den Verlust ihres Arbeitsplatzes zuschrieb, billigend in Kauf.
- 68
- b) Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Bemessung der Höhe der dem Kläger zustehenden Geldentschädigung.
- 69
- aa) Das Berufungsgericht hat in seine Erwägungen zur Höhe der Entschädigung allerdings zu Recht mit einfließen lassen, dass die Beklagte zu 3 - wie oben ausgeführt - vorsätzlich handelte.
- 70
- bb) Ohne Erfolg macht die Revision auch geltend, die gegen die Beklagte zu 3 festgesetzte Geldentschädigung müsse bereits deshalb reduziert werden , weil Veröffentlichungen in elektronischen Medien wegen ihrer "Flüchtigkeit" generell mit geringeren Beeinträchtigungen verbunden seien als solche in den Printmedien. Soweit die Revision darauf abhebt, dass ein Beitrag im Internet nach seiner Löschung - anders als ein Zeitungsartikel - nicht mehr "stofflich" existent und reproduzierbar sei, übersieht sie, dass der Beitrag vor der Löschung von Nutzern kopiert und auf anderen Webseiten abgelegt oder ausgedruckt worden sein kann. Wie bereits unter Ziffer II. 1. ausgeführt, kann die Frage , wie hoch die Geldentschädigung sein muss, um ihrer spezifischen Zweckbestimmung gerecht zu werden, vielmehr nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. Senatsurteile vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 20. März 2012 - VI ZR 123/11, AfP 2012, 260 Rn. 15; Müller, aaO, § 51 Rn. 23, 30).
- 71
- cc) Die Revision rügt aber zu Recht, dass das Berufungsgericht der Anzahl der Aufrufe des angegriffenen Beitrags für die Bemessung der Höhe der Entschädigung keine Bedeutung beigemessen hat. Wie bereits unter Ziffer I. 2.
c) ausgeführt, ist im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung auch das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung als Bemessungsfaktor zu berück- sichtigen (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 55/62, BGHZ 39, 124, 133 f.; vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 535 f.; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137; Müller, aaO, § 51 Rn. 23, 30). Aus diesem Grund kann die Anzahl der Personen, die die beanstandeten Äußerungen zur Kenntnis genommen haben, nicht unbeachtet bleiben.
- 72
- dd) Da der angegriffene Beitrag nicht in die Intimsphäre des Klägers eingreift , kann sich dieser Gesichtspunkt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht erhöhend bei der Bemessung der Geldentschädigung auswirken.
- 73
- Die Anschlussrevision des Klägers ist unzulässig. Gemäß § 554 Abs. 1 ZPO kann sich der Revisionsbeklagte zwar grundsätzlich der Revision anschließen. Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an den Voraussetzungen für eine wirksame Anschließung.
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- 1. Zwar setzt die Statthaftigkeit der Anschließung gemäß § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) abweichend von dem bis dahin geltenden Recht nicht mehr voraus, dass auch für den Anschlussrevisionskläger die Revision zugelassen worden ist. Daher kann eine Anschlussrevision bei beschränkter Zulassung der Revision auch dann wirksam eingelegt werden, wenn die Anschlussrevision nicht den Streitstoff betrifft, auf den sich die Zulassung bezieht (vgl. BGH, Urteile vom 24. Juni 2003 - KZR 32/02, NJW 2003, 2525; vom 26. Juli 2004 - VIII ZR 281/03, NJW 2004, 3174, 3176; vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 39).
- 75
- 2. Auch nach neuem Recht erfordert die Statthaftigkeit der Anschließung allerdings, dass zwischen dem Streitgegenstand der Anschlussrevision und dem der - statthaften - Revision ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Denn die Neuregelung der Anschlussrevision in § 554 ZPO ändert nichts daran, dass sie als unselbständiges Rechtsmittel akzessorischer Natur ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, aaO Rn. 40). Hinzu kommt, dass eine unbeschränkte Statthaftigkeit der Anschlussrevision in Fällen, in denen die Hauptrevision - wie im Streitfall - zu Gunsten einer Partei nur teilweise zugelassen wurde, zu einer Benachteiligung des Revisionsklägers führte und somit über den Gesetzeszweck der Schaffung einer Art Waffengleichheit zwischen den Parteien hinausginge. Der Revisionskläger müsste die Entscheidung des Berufungsgerichts im Umfang der Nichtzulassung hinnehmen , während der Revisionsbeklagte das Urteil in vollem Umfang seines Unterliegens anfechten könnte (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 41; Saenger/Kayser/Koch, ZPO, 5. Aufl. 2013, § 554 Rn. 5; MünchKomm/ZPO/Krüger, 4. Aufl., § 554 Rn. 6; Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 554 Rn. 7 a; Prütting/Gehrlein/Ackermann, ZPO, 5. Aufl., § 554 Rn. 4; Gehrlein, NJW 2008, 896 ff.; aA Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 554 Rn. 4).
- 76
- 3. Im Streitfall fehlt es an dem erforderlichen rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Streitgegenstand der Anschlussrevision und dem der statthaften Revision. Während sich die Revision, soweit sie zugelassen wurde, gegen die Verurteilung der Beklagten zu 3 zur Zahlung einer Geldentschädigung richtet, betrifft die Anschlussrevision einen Anspruch des Klägers auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren, die ihm durch Beauftra- gung eines Anwalts zu seiner Verteidigung in dem gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren entstanden sind.
- 77
- V. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben, soweit die Beklagten zur Zahlung einer Geldentschädigung verurteilt worden sind und die Klage gegen die Beklagten zu 1 und 2 auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von weiteren 50.000 € abgewiesen worden ist. Insoweit war die Sache zur neu- en Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird dabei Gelegenheit haben, sich auch mit den weiteren Einwänden der Parteien in den Rechtsmittelschriften zu befassen. Bei der Bemessung der Geldentschädigung wird es zu berücksichtigen haben, dass die Entschädigung nicht eine Höhe er- reichen darf, die die Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 16; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137, 138; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 307; BVerfGE 34, 269, 285). Galke Wellner Stöhr von Pentz Offenloch
LG Leipzig, Entscheidung vom 11.11.2011 - 8 O 4330/08 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 03.05.2012 - 4 U 1883/11 -
Tenor
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Die Revisionen gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 14. Mai 2014 werden zurückgewiesen.
-
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
-
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
-
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen unzulässiger Veröffentlichung eines Fotos in Anspruch, das sie in Badekleidung (Bikini) auf einer Liege am Strand von El Arenal auf Mallorca zeigt.
- 2
-
Die Print-Ausgabe der Zeitung "BILD", deren Herausgeberin die Beklagte zu 1 ist, berichtete am 10. Mai 2012 über einen Raubüberfall auf den Profifußballer A. in El Arenal ("Am Ballermann"). Darin heißt es u.a.:
- 3
-
"Sonne, Strand, Strauchdiebe. Gestern sahen wir ... - Star A. (25) in pikanter Frauen-Begleitung am Ballermann. Jetzt wurde er Opfer einer Straftat."
- 4
-
Diesem Artikel war das beanstandete Foto beigefügt, das im Vordergrund A. am Strand von El Arenal vor einer Mülltonne zeigt, in die er einen Eimer leert. In dem Bildabschnitt, der die Mülltonne zeigt, findet sich der Text:
- 5
-
"Strohhut, dunkle Sonnenbrille: A. am Strand von El Arenal. Vorbildlich entsorgt er seinen Abfall".
- 6
-
Im Hintergrund sind mehrere Personen auf Strandliegen zu sehen. Am rechten Bildrand, auf der Liege unmittelbar hinter A., ist die Klägerin in einem Bikini zu erkennen.
- 7
-
Ein Artikel mit demselben Berichtsgegenstand und einem größeren Ausschnitt desselben Fotos wurde bis zum 9. Mai 2013 im Internet-Portal www.bild.de veröffentlicht, das von der Beklagten zu 2 betrieben wird.
- 8
-
Die Klägerin nahm zuletzt die Beklagte zu 1 wegen des in der Print-Ausgabe veröffentlichten Fotos auf Unterlassung und wegen der Veröffentlichung des Fotos im Internet-Portal der Beklagten zu 2 beide Beklagten auf Unterlassung und Entfernung von der Webseite in Anspruch. Ferner begehrte sie von der Beklagten zu 1 wegen der Veröffentlichung in der Print-Ausgabe und von der Beklagten zu 2 wegen der Veröffentlichung im Internet die Zahlung einer angemessenen Entschädigung.
- 9
-
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht dem Unterlassungsbegehren stattgegeben, hinsichtlich des im Internet veröffentlichten Fotos jedoch nur gegenüber der Beklagten zu 2. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren gegen die Beklagte zu 1 sowie ihr Begehren auf Zahlung einer Entschädigung gegen beide Beklagten weiter. Die Beklagten erstreben mit ihren Revisionen die Wiederherstellung des die Klage insgesamt abweisenden Urteils des Landgerichts.
Entscheidungsgründe
-
I.
- 10
-
Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 wegen der Veröffentlichung des Fotos in der Print-Ausgabe der Zeitung "BILD" vom 10. Mai 2012 gemäß § 1004 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, § 22 KUG bejaht. Es hat sich die Überzeugung gebildet, dass die Klägerin auf dem Foto identifizierbar abgebildet ist. Da die Klägerin weder ausdrücklich noch konkludent in die Veröffentlichung des Fotos eingewilligt habe, sei die Zulässigkeit der Veröffentlichung nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen. Danach komme eine Ausnahme vom Erfordernis der Einwilligung grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Berichterstattung ein Ereignis von zeitgeschichtlicher Bedeutung betreffe. Davon könne im Hinblick auf die Klägerin nicht ausgegangen werden. Auch wenn man annehme, dass die Abbildung des Fußballprofis nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG im Kontext des Berichts zulässig gewesen sei, sei damit noch nichts darüber ausgesagt, ob auch die von der Klägerin beanstandete identifizierbare Abbildung ihrer Person rechtmäßig sei. Da die Klägerin in keinerlei Beziehung zu dem Fußballspieler gestanden habe, lasse sich das öffentliche Interesse hiermit nicht begründen. Selbst wenn man mit der Beklagten davon ausginge, dass sich der Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auch auf unbekannte Personen beziehe, die zufällig mit relativen oder absoluten Personen der Zeitgeschichte abgebildet würden, wäre - das zeitgeschichtliche Ereignis unterstellt - jedenfalls bei der erforderlichen Interessenabwägung dem Recht der Klägerin am eigenen Bild gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit der Vorrang einzuräumen. Das unterstellte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an einer Nachricht, dass der im Vordergrund abgebildete Fußballprofi, der gestern noch am Strand gewesen sei und dort vorbildlich seinen Abfall entsorgt habe, jetzt Opfer einer Straftat geworden sei, sei nicht von einem solchen Gewicht, dass dahinter der Schutz der Persönlichkeit der Klägerin zurücktreten müsse. Die Aufnahme zeige die Klägerin im Urlaub, der selbst bei Prominenten zum regelmäßig zu schützenden Kernbereich der Privatsphäre gehöre. Insbesondere sei es für die Information der Allgemeinheit nicht erforderlich gewesen, dass die völlig außerhalb des Geschehens stehende Klägerin identifizierbar abgebildet worden sei. Es sei der Beklagten zu 1 als Presseunternehmen ohne Weiteres möglich gewesen, die Klägerin durch Verpixelung oder Augenbalken unkenntlich zu machen. Was dies an der Aussagekraft des Berichts im Sinne ihres Anliegens, die Urlaubsgestaltung des Fußballprofis zu illustrieren, geändert hätte, sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Dabei falle auch ins Gewicht, dass die nur mit einem Bikini bekleidete Klägerin den Blicken des Publikums in einer deutlich intensiveren Weise preisgegeben werde als in anderen Situationen. Teile der Leserschaft hätten die Veröffentlichung auch zum Anlass für Spekulationen darüber nehmen können, ob es sich bei der Klägerin um die in dem Artikel genannte "pikante Frauenbegleitung" gehandelt habe. Die Bildveröffentlichung sei auch nicht - wie das Landgericht angenommen habe - aufgrund einer analogen Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG gerechtfertigt. Eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift scheitere bereits daran, dass nicht die Abbildung einer Örtlichkeit im Vordergrund gestanden habe, sondern die Person des Fußballers A. Der teilweise vertretenen Auffassung, wonach auch Personen, die im zufälligen Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis abgebildet würden, sofern sie dadurch nicht schon selbst Teil des zeitgeschichtlichen Ereignisses geworden seien, § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG in analoger Anwendung unterfielen, sei nicht zu folgen. Denn damit würden Personen, die rein zufällig mit einer prominenten Person abgebildet würden, ohne diese zu begleiten, schlechter gestellt als Begleitpersonen von prominenten Personen, bei denen eine alltägliche Begleitsituation nicht ohne Weiteres die Veröffentlichung des Begleiterfotos rechtfertige. Da bereits die Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zu interessengerechten Ergebnissen führe, liege insoweit auch keine Lücke vor. Die Klägerin habe auch gegen die Beklagte zu 2 aus § 1004 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB, § 22 KUG einen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung des auf der von der Beklagten zu 2 betriebenen Webseite seit dem 10. Mai 2012 verbreiteten Fotos. Das Persönlichkeitsrecht der Klägerin sei hier noch in stärkerer Weise betroffen als durch die Veröffentlichung der Print-Ausgabe. Bei dem in der Print-Ausgabe abgedruckten Foto handele es sich lediglich um einen Ausschnitt des auf der Internetseite der Beklagten zu 2 vollständig veröffentlichten Fotos, welches auch die unbekleideten Beine der Klägerin zeige. Da der dazu veröffentlichte Text sich nicht erheblich von dem der Print-Ausgabe unterscheide, könne die Abwägung zu keinem anderen Ergebnis führen als bei der Print-Ausgabe der Beklagten zu 1. Der hinsichtlich der Internetveröffentlichung geltend gemachte Anspruch bestehe nicht gegen die Beklagte zu 1. Diese sei unstreitig nicht Betreiberin der Internetseite. Eine Haftung ergebe sich auch nicht - wie die Klägerin meine - aus Rechtsscheinsgesichtspunkten. Störer sei lediglich, wer willentlich und adäquat kausal zur Persönlichkeitsrechtsverletzung beitrage. Davon könne hier nicht ausgegangen werden. Die Beklagten hätten unwidersprochen vorgetragen, dass weder die Beklagte zu 2 entscheiden könne, welche Publikation in den Medien der Beklagten zu 1 erschienen, noch dass dies umgekehrt der Fall sei. Ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen der beanstandeten Bildveröffentlichungen stehe der Klägerin nicht zu, da es sich nicht um einen so schwerwiegenden Eingriff handele, dass eine Geldentschädigung gerechtfertigt sei.
-
II.
- 11
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Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
- 12
-
A) Revisionen der Beklagten:
- 13
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Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler einen Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 aus § 1004 und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 22, 23 KUG bejaht.
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1. Dabei ist es zutreffend davon ausgegangen, dass die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen ist (vgl. grundlegend Senatsurteile vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 9 ff.; vom 18. Oktober 2011 - VI ZR 5/10, VersR 2012, 116 Rn. 8 f.; vom 22. November 2011 - VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 23 f.; vom 18. September 2012 - VI ZR 291/10, VersR 2012, 1403 Rn. 26, vom 28. Mai 2013 - VI ZR 125/12, VersR 2013, 1178 Rn. 10, und vom 8. April 2014 - VI ZR 197/13, VersR 2014, 890 Rn. 8; jeweils mwN), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfGE 120, 180, 210) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang steht (vgl. EGMR NJW 2004, 2647 Rn. 57 ff.; 2006, 591 Rn. 37 ff., sowie NJW 2012, 1053 Rn. 95 ff., und 1058 Rn. 75 ff.). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Die Veröffentlichung des Bildes von einer Person begründet grundsätzlich eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. BVerfG NJW 2011, 740 Rn. 52 mwN). Die nicht von der Einwilligung des Abgebildeten gedeckte Verbreitung seines Bildes ist nur zulässig, wenn dieses Bild dem Bereich der Zeitgeschichte oder einem der weiteren Ausnahmetatbestände des § 23 Abs. 1 KUG positiv zuzuordnen ist und berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG). Dabei ist schon bei der Beurteilung, ob ein Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist, eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK andererseits vorzunehmen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, VersR 2007, 1135 Rn. 17; ausführlich dazu v. Pentz, AfP 2013, 20, 23 f.).
- 15
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a) Nach den von den Revisionen nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin in die Veröffentlichung der Fotos nicht eingewilligt (§ 22 Satz 1 KUG).
- 16
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b) Das Foto ist auch nicht dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) zuzuordnen. Maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des Zeitgeschehens.
- 17
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aa) Der Begriff des Zeitgeschehens darf nicht zu eng verstanden werden. Im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst er nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Zeitgeschehen, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Er wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt. Zum Kern der Presse- und der Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht, und dass sich im Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist, wobei unterhaltende Beiträge davon nicht ausgenommen sind (vgl. BVerfGE 101, 361, 389 ff.; BVerfG, AfP 2008, 163, 166 f. Nr. 61 ff.; Senatsurteile vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, aaO; vom 3. Juli 2007 - VI ZR 164/06, aaO und vom 24. Juni 2008 - VI ZR 156/06, BGHZ 177, 123 Rn. 15 ff.; jeweils mwN).
- 18
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bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Veröffentlichung eines Fotos, das einem Millionenpublikum die - identifizierbar abgebildete - Klägerin im Bikini zeigt, sei durch den Anlass der Berichterstattung nicht gerechtfertigt, nicht zu beanstanden. Die veröffentlichten Bilder zeigen die Klägerin in einer erkennbar privaten Situation, die in keinem Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis steht (vgl. - zu einer ähnlichen Fallgestaltung - Senatsurteil vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, VersR 2007, 1135 Rn. 26).
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cc) Soweit die Revisionen meinen, das Berufungsgericht habe nicht geprüft, wie der Leser den Bericht interpretiere, sondern ausschließlich auf das Foto abgestellt und den Zusammenhang zum zugehörigen Text ignoriert, aus welchem sich ergebe, dass sich die Abbildung allein auf den Fußballer A. beziehe, kann dem nicht gefolgt werden. Das Bildnis zeigt auch die Klägerin, wie sie sich mit dem Betrachter halb zugewandtem Gesicht auf der Strandliege sonnt.
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dd) Entgegen der Auffassung der Revisionen der Beklagten hat das Berufungsgericht auch nicht den Begriff des zeitgeschichtlichen Ereignisses im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG verkannt und diesen Begriff zu eng gefasst. Das beanstandete Foto als solches hatte mit dem Umstand, dass der bekannte Fußball-Star A. am "Ballermann" überfallen und ausgeraubt wurde, ersichtlich nichts zu tun. Das Berufungsgericht hat gleichwohl zugunsten der Beklagten unterstellt, dass die Veröffentlichung des Bildnisses von Herrn A. im Kontext des Berichts zulässig war und für die Entscheidung des Streitfalles zutreffend darauf abgestellt, ob der Gegenstand dieses Berichts auch die Veröffentlichung einer Abbildung der Klägerin rechtfertigt. Dies hat es mit Recht verneint. Denn es besteht außer dem zufälligen Zugegensein keine Verknüpfung zwischen der als "Urlauberin" gezeigten Klägerin und dem - unterstellt - als Ereignis der Zeitgeschichte zu qualifizierenden Raubüberfall auf den Nationalspieler A.
- 21
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ee) Der Revisionen der Beklagten ist weiter nicht darin zu folgen, dass im Hinblick auf das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an einem Bericht über ein zeitgeschichtliches Ereignis die Interessen von unbekannten Personen, die zufällig mit abgebildet werden, stets zurücktreten müssen. Vielmehr ist auch in solchen Fällen grundsätzlich eine Interessenabwägung erforderlich, bei der insbesondere der Informationswert für die Öffentlichkeit, die berechtigten Erwartungen des Betroffenen und die Möglichkeiten einer das Persönlichkeitsrecht wahrenden Modifikation des Fotos zu berücksichtigen sind. Dies steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats, nach der selbst die Abbildung von Begleitpersonen nicht ohne Weiteres zulässig ist. Wollte man dies anders sehen, würde dies zu dem (widersinnigen) Ergebnis führen, dass Begleitpersonen, die in einem gewissen Zusammenhang mit dem Gegenstand der Berichterstattung stehen (vgl. etwa Senatsurteil vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, VersR 2007, 1135 Rn. 28), vor einer Veröffentlichung eher geschützt wären, als Personen, die ohne jeden Zusammenhang Gegenstand einer "zufälligen" Bildaufnahme geworden sind.
- 22
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c) Entgegen der Auffassung der Revisionen der Beklagten hat das Berufungsgericht auch ohne Rechtsfehler im Streitfall eine unmittelbare oder analoge Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG verneint.
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aa) Nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG ist die Veröffentlichung eines Bildnisses ohne Einwilligung der abgebildeten Person grundsätzlich zulässig, wenn diese Person nur als "Beiwerk" neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheint. Hiervon kann nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nur dann ausgegangen werden, wenn die Abbildung einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit das Bild prägt und nicht selbst "Beiwerk" ist. Im Streitfall bezog sich die Abbildung indes - wovon die Revisionen der Beklagten selbst ausgehen - in erster Linie auf Herrn A. Das Strandleben am "Ballermann" bildete lediglich den Hintergrund des Fotos.
- 24
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Die Erwägungen der Revisionen der Beklagten zu der Frage, ob eine Abbildung von Badegästen im Zusammenhang mit einer Schilderung des Strandlebens zulässig wäre, sind im Streitfall unerheblich. Im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG kann ein Interesse an der Wiedergabe einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit zwar unabhängig von einem konkreten Ereignis der Zeitgeschichte bestehen. Die Revisionen der Beklagten gehen jedoch selbst davon aus, dass Zweck des Bildes die Berichterstattung über den Fußballer A. im Zusammenhang mit dem auf diesen erfolgten Überfall gewesen sei.
- 25
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bb) Entgegen der Auffassung der Revisionen kommt eine entsprechende Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG nicht in Betracht. Es fehlt bereits an einer Gesetzeslücke als Voraussetzung einer analogen Anwendung dieser Vorschrift. Denn dem von den Revisionen der Beklagten angeführten Interesse an der Berichterstattung über eine bestimmte Person unter Einbeziehung von Abbildungen anderer "zufällig" anwesender Personen wird bereits durch § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG und die dort erforderliche Interessenabwägung hinreichend Rechnung getragen.
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d) Selbst wenn eine entsprechende Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG in Betracht käme, erstreckte sich die Befugnis nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird (§ 23 Abs. 2 KUG).
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Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung mit Recht nicht nur auf das Foto, sondern auch auf den dazugehörigen Text abgestellt und dabei angenommen, dass die Erwähnung einer "pikanten Frauenbegleitung" zumindest bei einem Teil der Leserschaft zum Anlass für Spekulationen in Bezug auf die Klägerin genommen werden könnte. Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Hinblick auf die Formulierung geboten: "Gestern sahen wir ... - Star A. (25) in pikanter Frauen-Begleitung am Ballermann. Jetzt wurde er Opfer einer Straftat." Denn die Revisionen der Beklagten zeigen keinen (übergangenen) Sachvortrag dazu auf, dass das Foto vom Folgetag stamme und dies für den Leser ersichtlich gewesen sei.
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e) Das Berufungsgericht hat auch zutreffend die Unkenntlichmachung der Klägerin durch Verpixelung oder Augenbalken für möglich und den Beklagten zumutbar erachtet. Die Revisionen berufen sich demgegenüber ohne Erfolg auf angebliche Redaktionsabläufe und die Gefahr der Verhinderung einer atmosphärischen Illustration. Eine Verpixelung hätte an der Aussagekraft des Berichts im Hinblick auf das Anliegen der Beklagten, die Urlaubsgestaltung des Fußballprofis zu illustrieren, nichts geändert. Darüber hinaus hat die Beklagte zu 2 nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei den im Internet im Zusammenhang mit der vorliegenden Berichterstattung veröffentlichten Bildern die Gesichter anderer dort mit dem Fußballprofi abgebildeter Frauen gepixelt, was dagegen spricht, dass ihr eine entsprechende Vorgehensweise im Hinblick auf die Abbildung der Klägerin nicht möglich oder unzumutbar gewesen wäre.
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B) Revision der Klägerin:
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Die Revision der Klägerin ist ebenfalls unbegründet.
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1. Das Berufungsgericht hat mit Recht eine Haftung der Beklagten zu 1 hinsichtlich der Veröffentlichung der beanstandeten Bilder im Internet abgelehnt, weil nicht ersichtlich sei, dass die Beklagte zu 1 willentlich und adäquat kausal durch die Veröffentlichung der - rechtlich selbständigen - Beklagten zu 2 im Internet zu einer Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin beigetragen hätte. Allein die Tatsache, dass beiden Beklagten dieselben Lichtbilder zugänglich waren, vermag noch keine wechselseitige Haftung hinsichtlich der Veröffentlichung der Fotos zu begründen. Die Revision der Klägerin zeigt keinen vom Berufungsgericht übergangenen Sachvortrag auf, wonach die Beklagte zu 1 der Beklagten zu 2 die Lichtbilder zur Verfügung gestellt hat. Die von der Revision der Klägerin in Bezug genommene Entscheidung des I. Zivilsenats vom 11. März 2009 (I ZR 114/06, BGHZ 180, 134 Rn. 16 ff.) betrifft eine andere Fallgestaltung (Verletzung von Schutzrechten durch Pflichtverletzung des Kontoinhabers bei der Verwahrung von Zugangsdaten).
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2. Entgegen der Auffassung der Revision der Klägerin hat das Berufungsgericht auch ohne Rechtsfehler den Antrag der Klägerin auf Zahlung einer Geldentschädigung für unbegründet erachtet.
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats begründet eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 12; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 27; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 306; vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 38 ff.; vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, VersR 1985, 391, 393; vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87 - VersR 1988, 405; vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94, VersR 1996, 341 f.; vgl. auch BVerfG, NJW 2004, 591, 592). Ob ein derart schwerer Eingriff anzunehmen und die dadurch verursachte nicht vermögensmäßige Einbuße auf andere Weise nicht hinreichend ausgleichbar ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, aaO, 13; vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, aaO; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO Rn. 38; vom 17. März 1970 - VI ZR 151/68, VersR 1970, 675, 676; vom 25. Mai 1971 - VI ZR 26/70, VersR 1971, 845, 846; Senatsbeschluss vom 30. Juni 2009 - VI ZR 340/08, juris Rn. 3). Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen, weil dieser und die damit zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen können (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 1971 - VI ZR 26/70, DB 1971, 1660, 1661; Senatsbeschluss vom 30. Juni 2009 - VI ZR 340/08, aaO). Die Gewährung einer Geldentschädigung hängt demnach nicht nur von der Schwere des Eingriffs ab, es kommt vielmehr auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an, nach denen zu beurteilen ist, ob ein anderweitiger befriedigender Ausgleich für die Persönlichkeitsrechtsverletzung fehlt (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, aaO, 12 ff.; vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, aaO; Senatsbeschluss vom 30. Juni 2009 - VI ZR 340/08, aaO).
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b) Eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin hat das Berufungsgericht unter Würdigung der besonderen Umstände des Streitfalles mit Recht verneint. Selbst wenn man - was das Berufungsgericht offengelassen hat - zugunsten der Klägerin ihre Behauptung, sie sei im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von mehreren Personen angesprochen und ihr sei von "mehreren Männern" Geld für ein Treffen angeboten worden, als richtig unterstellt, vermag dies keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Denn das Berufungsgericht weist insoweit zutreffend darauf hin, dass die beanstandete Veröffentlichung des Strandbildes mit der Klägerin keine Veranlassung zu der Annahme gab, dass die Klägerin käuflich sei.
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Galke Wellner Diederichsen
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v. Pentz Offenloch
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich mit der Klage gegen eine Berichterstattung in der von der Beklagten verlegten Zeitschrift SUPER ILLU. Die Klägerin unterhält seit 2001 eine Beziehung zu dem damaligen Ehemann der Schauspielerin Uschi Glas, B. T.. In Nr. 11/02 der genannten Zeitschrift erschien ein Artikel ihres Chefredakteurs unter der Überschrift "Ein Kompliment für Sachsens schöne Mädchen", in dem sich unter einem Portraitfoto der Klägerin (im Folgenden: Foto 1) die Bildunterschrift befindet "Die UschiGlas -Rivalin Anke S... stammt aus P...". Im Heftinneren wurde dieses Foto in einem Artikel unter der Überschrift "Die Sächsin. Eine ganz besondere Frau" nochmals vergrößert veröffentlicht. Es trägt die Bildnebenschrift "Erinnerung an Urlaub. Die Uschi-Glas-Rivalin wird von Freunden als sportlich, fleißig, fröhlich und geschäftstüchtig beschrieben". Auf dieser Seite befindet sich mit der Bildunterschrift "Münchener Szene" ein Bild der Klägerin, das auf einer Weihnachtsparty in München 1996 aufgenommen wurde (Foto 2). Im Rahmen des Artikels ist ein weiteres Foto der Klägerin veröffentlicht, das sie mit B. T. beimSpaziergang am Deininger Weiher zeigt (Foto 3); darunter findet sich die Bildunterschrift : "Als dieses Foto Anfang Februar erschien, wurde die Affäre von Anke und B. T. bekannt". Unter der Überschrift des Artikels findet sich eine Unterüberschrift , in der es u.a. heißt: "Die junge Rivalin, die in die Ehe von Uschi Glas einbrach, stammt aus P...". In dem Artikel wird kurz der Lebenslauf der Klägerin geschildert. Die Klägerin begehrt die Unterlassung der erneuten Veröffentlichung der genannten Fotos und einiger Textbeiträge. Die Beklagte hält die Veröffentlichung unter dem Gesichtspunkt eines überwiegenden Informationsinteresses sowie deswegen für zulässig, weil die Klägerin und B. T. im Januar 2003 ihre Beziehung selbst öffentlich gemacht hätten. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten durch das angefochtene Urteil im wesentlichen abgewiesen. Lediglich den Unterlassungsausspruch hinsichtlich des mit der Bildunterschrift "Münchener Szene" versehenen Fotos (Foto 2) hat es aufrecht erhalten. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen ein Unterlassungsanspruch bezüglich der erneuten Veröffentlichung ursprünglich rechtswidrig verbreiteter Fotografien nachträglich entfallen kann.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht verneint eine ausdrückliche und eine konkludente Einwilligung in die Veröffentlichung der Fotos. Es ist weiter der Ansicht, die Klägerin sei durch ihre Beziehung mit B. T. nicht zu einer Person der Zeitgeschich-te geworden. Aus der "Begleiterrechtsprechung" lasse sich für den Fall nichts herleiten. Das öffentliche Interesse an der Klägerin sei erst durch die identifizierende Berichterstattung begründet worden, die das Ziel verfolgt habe, die Klägerin als "Rivalin" von Uschi Glas aufzubauen und das Zerbrechen der Ehe Glas/T. als öffentliches zeitgeschichtliches Ereignis erst zu konstituieren. Ein überwiegendes Informationsinteresse an der lediglich der Befriedigung von Neugier und Sensationslust dienenden Berichterstattung habe nicht bestanden. Es gehe jedoch nicht um die Feststellung der Rechtswidrigkeit der seinerzeitigen Veröffentlichung, sondern um die Unterlassung erneuter Veröffentlichung. Insoweit fehle die Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Fotos 1 und 3. Eine erneute Veröffentlichung der Fotos stelle keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin dar. Durch den gemeinsamen Auftritt der Klägerin mit B. T. bei der Veranstaltung zur Verleihung des deutschen Videopreises im Januar 2003 und die dabei abgegebenen Erklärungen habe die Klägerin ihre Privat - und Sozialsphäre insoweit selbst öffentlich gemacht. Mit dem bisherigen Rechtsschutzanspruch, der damit begründet worden sei, die Klägerin habe ein Recht auf Anonymität und trage in keiner Weise dazu bei, daß ihr Privatleben an die Öffentlichkeit gelange, könne sie nicht mehr durchdringen. Die Annahme eines überwiegenden Interesses der Beklagten an der Publikation von Bildern der Klägerin gelte allerdings nicht schrankenlos. Der Beklagten seien insoweit zeitliche und inhaltliche Grenzen gesetzt. Zeitlich seien derartige Veröffentlichungen nur so lange als rechtmäßig zu bewerten, wie das Scheitern der Ehe Glas/T. noch als zeitgeschichtlicher Vorgang angesehen werden müsse, an dem die Öffentlichkeit ein Interesse habe. Nach der inzwischen rechtskräftigen Scheidung dieser Ehe werde die Bedeutung des Vorgangs auch für das öffentliche Informationsinteresse stetig abnehmen, so daß die Klägerin jedenfalls nicht zeitlich unbegrenzt Veröffentlichungen von Fotogra-
fien, die sie abbilden, hinnehmen müsse. Gegenwärtig müsse allerdings das Interesse der Klägerin an der Unterlassung nicht genehmigter Bildveröffentlichungen wegen fortbestehender Aktualität des Vorgangs noch für einen begrenzten Zeitraum hinter dem Informationsinteresse zurücktreten. Darüber hinaus müsse die Klägerin auch keineswegs eine Veröffentlichung sämtlicher der Presse zugänglich gemachter Fotografien hinnehmen. Es bestehe kein überwiegendes Veröffentlichungsinteresse an Bildern, die die Klägerin in Bereichen der geschützten Intim- und Privatsphäre zeigten bzw. die aus früherer Zeit stammten und in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit ihrem heutigen Leben als Partnerin von B. T. stünden. Davon ausgehend könne hinsichtlich des Fotos 1, eines neutralen Portraitfotos, ebensowenig von einem berechtigten Interesse an der Unterlassung ausgegangen werden, wie hinsichtlich des aus der Privatsphäre stammenden Fotos 3 (Deininger Weiher), nachdem die Klägerin sich zu ihrer Beziehung bekannt habe. Anderes gelte für Foto 2, das nichts mit dem zeitgeschichtlichen Ereignis der Ehekrise Glas/T. zu tun habe und zu einem Bereich der Persönlichkeit der Klägerin gehöre, der bislang in keiner Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei. Die beanstandete Textberichterstattung könne im Hinblick darauf, daß die Klägerin zwischenzeitlich hinsichtlich ihrer Beziehung zu B. T. selbst an die Öffentlichkeit getreten sei, ebenfalls nicht mehr untersagt werden.
II.
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nur teilweise stand.1. Das Berufungsgericht verneint mit dem Landgericht eine Einwilligung der Klägerin in die Veröffentlichung der Fotos. Dies nimmt die Revision als ihr günstig hin. Diese Wertung ist auch nicht zu beanstanden. 2. Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts war die von der Beklagten vorgenommene Veröffentlichung rechtswidrig.
a) Davon geht im Ergebnis auch die Revision aus. Soweit sie dem Berufungsgericht vorwirft, die Systematik der §§ 22, 23 KUG verkannt und trotz Verneinung der Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Abwägung nach § 23 Abs. 2 KUG vorgenommen zu haben, sind dessen Ausführungen so zu verstehen, daß eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Grundrechten aus den Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 1 GG vorgenommen wird, um festzustellen , ob die hier in Frage stehenden Bildnisse dem "Bereiche der Zeitgeschichte" überhaupt zugeordnet werden können. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG erlaubt die Veröffentlichung von Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte unabhängig von dem Einwilligungserfordernis des § 22 KUG. Die Vorschrift nimmt nach der gesetzgeberischen Intention und nach Sinn und Zweck der Regelung auf das Informationsinteresse der Allgemeinheit und auf die Pressefreiheit Rücksicht. Die Belange der Öffentlichkeit sind daher gerade bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals zu beachten. Das weitere dem Grundrechtseinfluß offen stehende Tatbestandsmerkmal des "berechtigten Interesses" in § 23 Abs. 2 KUG bezieht sich von vornherein nur auf Personen von zeitgeschichtlicher Bedeutung und kann folglich die Belange der Pressefreiheit nicht mehr ausreichend aufnehmen, wenn diese zuvor bei der Abgrenzung des Personenkreises außer acht gelassen worden sind (BVerfGE 101, 361, 391 f.; BVerfG, NJW 2001, 1921, 1922 f.). Eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechte
aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 1 GG ist mithin schon bei der Zuordnung zum Bereich der Zeitgeschichte erforderlich, wobei der Beurteilung ein normativer Maßstab zugrunde zu legen ist, der der Pressefreiheit und zugleich dem Persönlichkeitsschutz ausreichend Rechnung trägt (BVerfG, NJW 2001, 1921, 1922). Demgemäß verlangt auch der erkennende Senat, daß bereits in diesem Zusammenhang eine Interessenabwägung hinsichtlich der betroffenen Grundrechte vorzunehmen ist (Senatsurteile vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94 - NJW 1996, 985, 986 = VersR 1996, 341 f.; vom 9. März 2004 - VI ZR 217/03 - VersR 2004, 863 und vom 28. September 2004 - VI ZR 305/03 - zur Veröffentlichung bestimmt, sub II 2 a; vgl. ferner Wenzel/von Strobl-Albeg, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 8 Rn. 4 ff.).
b) Nicht zu beanstanden ist auch unter Berücksichtigung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 24. Juni 2004 (NJW 2004, 2647 ff.), daß das Berufungsgericht bei seiner Abwägung die Ehekrise Glas/T. wegen des daran bestehenden öffentlichen Interesses als zeitgeschichtlichen Vorgang ansieht, gleichwohl aber (ausgehend von der hergebrachten Definition der absoluten und relativen Person der Zeitgeschichte) für die Zeit vor dem öffentlichen Auftreten der Klägerin (hierzu unten 3 c) ein überwiegendes Informationsinteresse am Privatleben der Klägerin verneint. 3. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Unterlassungsklage sei weitgehend unbegründet, weil die Klägerin jedenfalls für einen gewissen Zeitraum die Bildberichterstattung über sich im Zusammenhang mit der Ehekrise und nachfolgenden Scheidung von Uschi Glas und B. T. dulden müsse, hält revisionsrechtlicher Überprüfung nur zum Teil stand.
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, eine Verurteilung zur Unterlassung einer Handlung könne nicht ohne weiteres darauf gestützt werden , daß in der Vergangenheit eine Rechtsverletzung stattgefunden hat. Eine solche Verurteilung kann vielmehr nur dann erfolgen, wenn eine erneute Rechtsverletzung künftig zu erwarten ist. Ob dies der Fall ist, wird unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr geprüft. Das Bestehen einer Wiederholungsgefahr , also die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen (vgl. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB), ist Tatbestandsmerkmal jedes Unterlassungsanspruchs und damit materielle Anspruchsvoraussetzung (BGH, Urteile vom 13. Mai 1987 - I ZR 79/85 - NJW 1987, 3251, 3253; vom 16. Januar 1992 - I ZR 84/90 - GRUR 1992, 318, 319; vom 10. Februar 1994 - I ZR 16/92 - NJW 1994, 2096; Bamberger/Roth/Fritzsche, BGB, § 1004 Rn. 78; MünchKomm-BGB/Medicus, 4. Aufl., § 1004 Rn. 97; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearbeitung 1999, § 1004 Rn. 208; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 6 Rn. 7; Wenzel/Burkhardt, aaO, Kap. 12 Rn. 7). Dies ergibt sich aus der Rechtsnatur des Unterlassungsanspruchs. Auch wer in der Vergangenheit in seinen Rechten verletzt worden ist, hat keinen Anspruch darauf, daß ein Verhalten unterlassen wird, das sich inzwischen als nicht mehr rechtswidrig darstellt (so Teplitzky, aaO, Kap. 6 Rn. 4). Davon gehen letztlich auch diejenigen Stimmen aus, die der Wiederholungsgefahr lediglich prozessuale Bedeutung beimessen (Nachweise bei MünchKomm-BGB/Medicus, aaO und Teplitzky, aaO, Rn. 6).
b) Die Ausführungen der Revision dazu, daß ein Wegfall der Wiederholungsgefahr hier nicht bejaht werden könne, berücksichtigen nicht ausreichend, daß sich das Fehlen der Wiederholungsgefahr aufgrund unterschiedlicher Umstände ergeben kann. Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung mag der häufigste Grund für die Beseitigung dieser Gefahr sein. Er ist aber keineswegs der einzige. Die Überlegung, daß die Wiederholungsgefahr bei bereits
geschehener Rechtsverletzung vermutet wird und daß an die Widerlegung der Vermutung strenge Anforderungen zu stellen sind, hilft jedenfalls dann nicht weiter, wenn es nicht um eine Abschätzung des mutmaßlichen künftigen Verhaltens des Rechtsverletzers geht, sondern darum, ob die Wiederholungsgefahr aufgrund veränderter Umstände aus rechtlichen Gründen zu verneinen ist.
c) Hier hat das Berufungsgericht geprüft, inwieweit die Voraussetzungen des § 23 KUG hinsichtlich künftiger Veröffentlichungen auch noch nach dem Auftreten der Klägerin bei der Veranstaltung zur Verleihung des deutschen Videopreises vorliegen. Diese Frage ist für die in Rede stehenden Fotos 1 und 3, deren Veröffentlichung das Berufungsgericht derzeit gleichermaßen für zulässig hält, richtigerweise unterschiedlich zu beantworten. aa) Das Berufungsgericht stützt seine Bewertung darauf, daß sich die Klägerin durch ihr Auftreten in einen zeitgeschichtlichen Vorgang eingeordnet habe, so daß sie einer dies darstellenden Berichterstattung nicht ihr Recht auf Privatheit und Anonymität entgegenhalten könne. Diese Überlegung ist im Grundsatz nicht zu beanstanden. In der Rechtsprechung sowohl des Bundesverfassungsgerichts als auch des erkennenden Senats ist bereits mehrfach betont worden, daß sich niemand auf ein Recht zur Privatheit hinsichtlich solcher Tatsachen berufen kann, die er selbst der Öffentlichkeit preisgibt (BVerfGE 101, 361, 385; BVerfG, NJW 2000, 1021, 1022 f.; Senat, Urteile vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02 - VersR 2004, 522, 524 = NJW 2004, 762 und - VI ZR 404/02 - VersR 2004, 525, 526 = NJW 2004, 766). Der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme entfällt, soweit sich jemand selbst damit einverstanden zeigt, daß bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden; die Erwartung, daß die Umwelt die Angelegenheiten oder Verhaltensweisen in einem Bereich mit
Rückzugsfunktion nur begrenzt oder nicht zur Kenntnis nimmt, muß situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck gebracht werden (BVerfGE 101, 361, 385; BVerfG, NJW 2000, 1021, 1023; zur Problematik vgl. Wenzel/von Strobl-Albeg, aaO, Kap. 8 Rn. 75; Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, S. 230 f.; Seitz, NJW 2000, 2167). Dies gilt auch und insbesondere für den Bildnisschutz bei Anwendung der §§ 22, 23 KUG, die mit ihrem abgestuften Schutzkonzept einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutz der Persönlichkeit und den Informationsinteressen der Allgemeinheit anstreben, gilt also auch, soweit bereits bei der Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Interessenabwägung vorzunehmen ist. bb) Unter den Umständen des Streitfalls durfte das Berufungsgericht eine künftige in zeitlicher Nähe zu den Vorgängen stehende erneute Veröffentlichung des Portraitfotos (Foto 1) als nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG erlaubt ansehen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die von der Revision nicht konkret beanstandet worden sind, liegt hier ein Fall vor, in dem die Betroffene gerade nicht situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck gebracht hat, ihre Privatsphäre solle nicht Gegenstand der Berichterstattung in der Presse sein. Die Klägerin hat sich danach selbst mit ihrem öffentlichen Auftritt an die Öffentlichkeit gewandt, ihre Identität und ihre Rolle als neue Lebensgefährtin von B. T. auch gegenüber der Boulevardpresse offengelegt und dies sowohl mit dem von ihr gebilligten Interview ihres Partners als auch mit der Einwilligung in die von ihr und B. T. dabei angefertigten Fotografien dokumentiert. Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, unter diesen Umständen dürfe das hier in Frage stehende neutrale Portraitfoto in dem vom Berufungsgericht gekennzeichneten Zeitraum trotz seines fehlenden Bezuges zu
dem zeitgeschichtlichen Vorgang veröffentlicht werden, weil es die Privatsphäre der Klägerin nur insoweit berühre, als sie als Person optisch in gleicher Weise identifizierbar werde, wie es durch die von ihr gebilligten Aufnahmen anläßlich der Veranstaltung zur Verleihung des deutschen Videopreises auch geschehen sei. Die Verwendung kontextneutraler Fotoaufnahmen bei der Presseberichterstattung ist nicht zu beanstanden, wenn weder die Veröffentlichung des jeweiligen Fotos als solche noch der Zusammenhang, in dem es gebracht wird, das Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten beeinträchtigen (vgl. BVerfG, NJW 2001, 1921, 1924 ff.; Senatsurteil vom 9. März 2004 - VI ZR 217/03 - VersR 2004, 863, 864; Wenzel/von Strobl-Albeg, aaO, Kap. 8 Rn. 26 ff.). Dies ist nach den nicht zu beanstandenden Ausführungen des Berufungsgerichts hinsichtlich des Fotos 1 der Fall. cc) Anders verhält es sich hingegen mit dem Foto 3, das die Klägerin mit B. T. am Deininger Weiher zeigt. Eine ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung der Klägerin in die Veröffentlichung dieses Fotos hat das Berufungsgericht - wie ausgeführt - ohne Rechtsfehler verneint. Seine Auffassung, dieses Foto dürfe gleichwohl nunmehr veröffentlicht werden, weil es nach dem ausdrücklichen Bekenntnis der Klägerin zu dieser Beziehung und den in ihrem Einverständnis gefertigten, die Beziehungspartner abbildenden Fotografien keinen weitergehenden Gehalt aufweise, ist nicht zutreffend. Das Foto zeigt die Klägerin nicht nur in einer erkennbar privaten Situation (vgl. hierzu Senatsurteil BGHZ 131, 332, 337 ff.). Es stammt auch aus einer Zeit, zu der sie ihre Privatsphäre noch nicht preisgegeben hatte und zu der seine Veröffentlichung mangels eines berechtigten Informationsinteresses als rechtswidrig anzusehen war. Eine Veränderung der Umstände kann die Veröffentlichung derartiger Fotos nur unter besonderen Voraussetzungen rechtfertigen, für die hier nichts vorgetragen ist. Daß ein Foto geeignet sein kann, einen inzwischen von der ab-
gebildeten Person der Öffentlichkeit preisgegebenen Teil ihres Privatlebens zu illustrieren, reicht dazu nicht aus. Wer - möglicherweise unter dem tatsächlichen Druck einer nicht mehr rückgängig zu machenden Berichterstattung - an die Öffentlichkeit tritt, muß nicht hinnehmen, daß die nunmehr im Grundsatz zulässige Berichterstattung über ihn mit Fotos bebildert wird, die der Öffentlichkeit zunächst nur unter Verletzung des Persönlichkeitsrechts zugänglich gemacht werden konnten. Insoweit kann ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht bejaht werden. Diesem Interesse kann ausreichend dadurch Rechnung getragen werden, daß zulässig zu veröffentlichendes Bildmaterial aus neuerer Zeit verwendet wird. 4. Soweit sich die Revision gegen das Berufungsurteil wegen der Ausführungen zur Wortberichterstattung der Beklagten wendet, ist sie unzulässig, weil das Berufungsgericht sie nicht zugelassen hat. Das Berufungsgericht hat eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß es die Revision nur zur Klärung der Rechtsfrage zulassen will, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Unterlassung der erneuten Veröffentlichung ursprünglich rechtswidrig verbreiteter Fotografien nachträglich entfallen kann. Zwar enthält der Tenor des Berufungsurteils eine solche Einschränkung nicht. Es genügt jedoch, daß sich die Einschränkung mit ausreichender Deutlichkeit aus den Entscheidungsgründen ergibt (BGHZ 48, 134, 136; 153, 358, 360 f.). Hat das Berufungsgericht über mehrere selbständige prozessuale Ansprüche entschieden und ist die Rechtsfrage, deretwegen es die Revision zugelassen hat, nur für einen von ihnen erheblich, so ist in der Angabe des Zulassungsgrundes regelmäßig die - wie geboten - eindeutige Beschränkung der Zulassung der Revision auf diesen Anspruch zu sehen (BGHZ 48, 134, 136; 153, 358, 361 f.).
Nach ständiger Rechtsprechung kann das Berufungsgericht die Zulassung der Revision auf einen rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Streitstoffes beschränken, auf den auch die Partei selbst ihre Revision begrenzen könnte (Senatsurteile BGHZ 76, 397, 399 und vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 404/02 - VersR 2004, 525). Unzulässig ist es, die Zulassung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen zu beschränken (BGHZ 101, 276, 278; 111, 158, 166 jeweils m.w.Nachw.). Der Teil des Prozeßstoffs, für den die Zulassung ausgesprochen wird, muß vom restlichen Prozeßstoff abtrennbar sein; im Falle einer Zurückverweisung darf die Änderung dieses Teils nicht in die Gefahr eines Wide rspruchs zu dem nicht anfechtbaren Teil geraten (BGH, Urteile vom 4. Juni 2003 - VIII ZR 91/02 - ZIP 2003, 1399, 1401; vom 23. September 2003 - XI ZR 135/02 - NJW 2003, 3703 f.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
III.
Soweit die Revision begründet ist, kann der Senat selbst entscheiden, weil die Sache entscheidungsreif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Tenor
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Die Revisionen gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 14. Mai 2014 werden zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
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Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen unzulässiger Veröffentlichung eines Fotos in Anspruch, das sie in Badekleidung (Bikini) auf einer Liege am Strand von El Arenal auf Mallorca zeigt.
- 2
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Die Print-Ausgabe der Zeitung "BILD", deren Herausgeberin die Beklagte zu 1 ist, berichtete am 10. Mai 2012 über einen Raubüberfall auf den Profifußballer A. in El Arenal ("Am Ballermann"). Darin heißt es u.a.:
- 3
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"Sonne, Strand, Strauchdiebe. Gestern sahen wir ... - Star A. (25) in pikanter Frauen-Begleitung am Ballermann. Jetzt wurde er Opfer einer Straftat."
- 4
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Diesem Artikel war das beanstandete Foto beigefügt, das im Vordergrund A. am Strand von El Arenal vor einer Mülltonne zeigt, in die er einen Eimer leert. In dem Bildabschnitt, der die Mülltonne zeigt, findet sich der Text:
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"Strohhut, dunkle Sonnenbrille: A. am Strand von El Arenal. Vorbildlich entsorgt er seinen Abfall".
- 6
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Im Hintergrund sind mehrere Personen auf Strandliegen zu sehen. Am rechten Bildrand, auf der Liege unmittelbar hinter A., ist die Klägerin in einem Bikini zu erkennen.
- 7
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Ein Artikel mit demselben Berichtsgegenstand und einem größeren Ausschnitt desselben Fotos wurde bis zum 9. Mai 2013 im Internet-Portal www.bild.de veröffentlicht, das von der Beklagten zu 2 betrieben wird.
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Die Klägerin nahm zuletzt die Beklagte zu 1 wegen des in der Print-Ausgabe veröffentlichten Fotos auf Unterlassung und wegen der Veröffentlichung des Fotos im Internet-Portal der Beklagten zu 2 beide Beklagten auf Unterlassung und Entfernung von der Webseite in Anspruch. Ferner begehrte sie von der Beklagten zu 1 wegen der Veröffentlichung in der Print-Ausgabe und von der Beklagten zu 2 wegen der Veröffentlichung im Internet die Zahlung einer angemessenen Entschädigung.
- 9
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht dem Unterlassungsbegehren stattgegeben, hinsichtlich des im Internet veröffentlichten Fotos jedoch nur gegenüber der Beklagten zu 2. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren gegen die Beklagte zu 1 sowie ihr Begehren auf Zahlung einer Entschädigung gegen beide Beklagten weiter. Die Beklagten erstreben mit ihren Revisionen die Wiederherstellung des die Klage insgesamt abweisenden Urteils des Landgerichts.
Entscheidungsgründe
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I.
- 10
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Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 wegen der Veröffentlichung des Fotos in der Print-Ausgabe der Zeitung "BILD" vom 10. Mai 2012 gemäß § 1004 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, § 22 KUG bejaht. Es hat sich die Überzeugung gebildet, dass die Klägerin auf dem Foto identifizierbar abgebildet ist. Da die Klägerin weder ausdrücklich noch konkludent in die Veröffentlichung des Fotos eingewilligt habe, sei die Zulässigkeit der Veröffentlichung nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen. Danach komme eine Ausnahme vom Erfordernis der Einwilligung grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Berichterstattung ein Ereignis von zeitgeschichtlicher Bedeutung betreffe. Davon könne im Hinblick auf die Klägerin nicht ausgegangen werden. Auch wenn man annehme, dass die Abbildung des Fußballprofis nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG im Kontext des Berichts zulässig gewesen sei, sei damit noch nichts darüber ausgesagt, ob auch die von der Klägerin beanstandete identifizierbare Abbildung ihrer Person rechtmäßig sei. Da die Klägerin in keinerlei Beziehung zu dem Fußballspieler gestanden habe, lasse sich das öffentliche Interesse hiermit nicht begründen. Selbst wenn man mit der Beklagten davon ausginge, dass sich der Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auch auf unbekannte Personen beziehe, die zufällig mit relativen oder absoluten Personen der Zeitgeschichte abgebildet würden, wäre - das zeitgeschichtliche Ereignis unterstellt - jedenfalls bei der erforderlichen Interessenabwägung dem Recht der Klägerin am eigenen Bild gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit der Vorrang einzuräumen. Das unterstellte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an einer Nachricht, dass der im Vordergrund abgebildete Fußballprofi, der gestern noch am Strand gewesen sei und dort vorbildlich seinen Abfall entsorgt habe, jetzt Opfer einer Straftat geworden sei, sei nicht von einem solchen Gewicht, dass dahinter der Schutz der Persönlichkeit der Klägerin zurücktreten müsse. Die Aufnahme zeige die Klägerin im Urlaub, der selbst bei Prominenten zum regelmäßig zu schützenden Kernbereich der Privatsphäre gehöre. Insbesondere sei es für die Information der Allgemeinheit nicht erforderlich gewesen, dass die völlig außerhalb des Geschehens stehende Klägerin identifizierbar abgebildet worden sei. Es sei der Beklagten zu 1 als Presseunternehmen ohne Weiteres möglich gewesen, die Klägerin durch Verpixelung oder Augenbalken unkenntlich zu machen. Was dies an der Aussagekraft des Berichts im Sinne ihres Anliegens, die Urlaubsgestaltung des Fußballprofis zu illustrieren, geändert hätte, sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Dabei falle auch ins Gewicht, dass die nur mit einem Bikini bekleidete Klägerin den Blicken des Publikums in einer deutlich intensiveren Weise preisgegeben werde als in anderen Situationen. Teile der Leserschaft hätten die Veröffentlichung auch zum Anlass für Spekulationen darüber nehmen können, ob es sich bei der Klägerin um die in dem Artikel genannte "pikante Frauenbegleitung" gehandelt habe. Die Bildveröffentlichung sei auch nicht - wie das Landgericht angenommen habe - aufgrund einer analogen Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG gerechtfertigt. Eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift scheitere bereits daran, dass nicht die Abbildung einer Örtlichkeit im Vordergrund gestanden habe, sondern die Person des Fußballers A. Der teilweise vertretenen Auffassung, wonach auch Personen, die im zufälligen Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis abgebildet würden, sofern sie dadurch nicht schon selbst Teil des zeitgeschichtlichen Ereignisses geworden seien, § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG in analoger Anwendung unterfielen, sei nicht zu folgen. Denn damit würden Personen, die rein zufällig mit einer prominenten Person abgebildet würden, ohne diese zu begleiten, schlechter gestellt als Begleitpersonen von prominenten Personen, bei denen eine alltägliche Begleitsituation nicht ohne Weiteres die Veröffentlichung des Begleiterfotos rechtfertige. Da bereits die Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zu interessengerechten Ergebnissen führe, liege insoweit auch keine Lücke vor. Die Klägerin habe auch gegen die Beklagte zu 2 aus § 1004 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB, § 22 KUG einen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung des auf der von der Beklagten zu 2 betriebenen Webseite seit dem 10. Mai 2012 verbreiteten Fotos. Das Persönlichkeitsrecht der Klägerin sei hier noch in stärkerer Weise betroffen als durch die Veröffentlichung der Print-Ausgabe. Bei dem in der Print-Ausgabe abgedruckten Foto handele es sich lediglich um einen Ausschnitt des auf der Internetseite der Beklagten zu 2 vollständig veröffentlichten Fotos, welches auch die unbekleideten Beine der Klägerin zeige. Da der dazu veröffentlichte Text sich nicht erheblich von dem der Print-Ausgabe unterscheide, könne die Abwägung zu keinem anderen Ergebnis führen als bei der Print-Ausgabe der Beklagten zu 1. Der hinsichtlich der Internetveröffentlichung geltend gemachte Anspruch bestehe nicht gegen die Beklagte zu 1. Diese sei unstreitig nicht Betreiberin der Internetseite. Eine Haftung ergebe sich auch nicht - wie die Klägerin meine - aus Rechtsscheinsgesichtspunkten. Störer sei lediglich, wer willentlich und adäquat kausal zur Persönlichkeitsrechtsverletzung beitrage. Davon könne hier nicht ausgegangen werden. Die Beklagten hätten unwidersprochen vorgetragen, dass weder die Beklagte zu 2 entscheiden könne, welche Publikation in den Medien der Beklagten zu 1 erschienen, noch dass dies umgekehrt der Fall sei. Ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen der beanstandeten Bildveröffentlichungen stehe der Klägerin nicht zu, da es sich nicht um einen so schwerwiegenden Eingriff handele, dass eine Geldentschädigung gerechtfertigt sei.
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II.
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Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
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A) Revisionen der Beklagten:
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Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler einen Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 aus § 1004 und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 22, 23 KUG bejaht.
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1. Dabei ist es zutreffend davon ausgegangen, dass die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen ist (vgl. grundlegend Senatsurteile vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 9 ff.; vom 18. Oktober 2011 - VI ZR 5/10, VersR 2012, 116 Rn. 8 f.; vom 22. November 2011 - VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 23 f.; vom 18. September 2012 - VI ZR 291/10, VersR 2012, 1403 Rn. 26, vom 28. Mai 2013 - VI ZR 125/12, VersR 2013, 1178 Rn. 10, und vom 8. April 2014 - VI ZR 197/13, VersR 2014, 890 Rn. 8; jeweils mwN), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfGE 120, 180, 210) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang steht (vgl. EGMR NJW 2004, 2647 Rn. 57 ff.; 2006, 591 Rn. 37 ff., sowie NJW 2012, 1053 Rn. 95 ff., und 1058 Rn. 75 ff.). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Die Veröffentlichung des Bildes von einer Person begründet grundsätzlich eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. BVerfG NJW 2011, 740 Rn. 52 mwN). Die nicht von der Einwilligung des Abgebildeten gedeckte Verbreitung seines Bildes ist nur zulässig, wenn dieses Bild dem Bereich der Zeitgeschichte oder einem der weiteren Ausnahmetatbestände des § 23 Abs. 1 KUG positiv zuzuordnen ist und berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG). Dabei ist schon bei der Beurteilung, ob ein Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist, eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK andererseits vorzunehmen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, VersR 2007, 1135 Rn. 17; ausführlich dazu v. Pentz, AfP 2013, 20, 23 f.).
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a) Nach den von den Revisionen nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin in die Veröffentlichung der Fotos nicht eingewilligt (§ 22 Satz 1 KUG).
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b) Das Foto ist auch nicht dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) zuzuordnen. Maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des Zeitgeschehens.
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aa) Der Begriff des Zeitgeschehens darf nicht zu eng verstanden werden. Im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst er nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Zeitgeschehen, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Er wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt. Zum Kern der Presse- und der Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht, und dass sich im Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist, wobei unterhaltende Beiträge davon nicht ausgenommen sind (vgl. BVerfGE 101, 361, 389 ff.; BVerfG, AfP 2008, 163, 166 f. Nr. 61 ff.; Senatsurteile vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, aaO; vom 3. Juli 2007 - VI ZR 164/06, aaO und vom 24. Juni 2008 - VI ZR 156/06, BGHZ 177, 123 Rn. 15 ff.; jeweils mwN).
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bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Veröffentlichung eines Fotos, das einem Millionenpublikum die - identifizierbar abgebildete - Klägerin im Bikini zeigt, sei durch den Anlass der Berichterstattung nicht gerechtfertigt, nicht zu beanstanden. Die veröffentlichten Bilder zeigen die Klägerin in einer erkennbar privaten Situation, die in keinem Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis steht (vgl. - zu einer ähnlichen Fallgestaltung - Senatsurteil vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, VersR 2007, 1135 Rn. 26).
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cc) Soweit die Revisionen meinen, das Berufungsgericht habe nicht geprüft, wie der Leser den Bericht interpretiere, sondern ausschließlich auf das Foto abgestellt und den Zusammenhang zum zugehörigen Text ignoriert, aus welchem sich ergebe, dass sich die Abbildung allein auf den Fußballer A. beziehe, kann dem nicht gefolgt werden. Das Bildnis zeigt auch die Klägerin, wie sie sich mit dem Betrachter halb zugewandtem Gesicht auf der Strandliege sonnt.
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dd) Entgegen der Auffassung der Revisionen der Beklagten hat das Berufungsgericht auch nicht den Begriff des zeitgeschichtlichen Ereignisses im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG verkannt und diesen Begriff zu eng gefasst. Das beanstandete Foto als solches hatte mit dem Umstand, dass der bekannte Fußball-Star A. am "Ballermann" überfallen und ausgeraubt wurde, ersichtlich nichts zu tun. Das Berufungsgericht hat gleichwohl zugunsten der Beklagten unterstellt, dass die Veröffentlichung des Bildnisses von Herrn A. im Kontext des Berichts zulässig war und für die Entscheidung des Streitfalles zutreffend darauf abgestellt, ob der Gegenstand dieses Berichts auch die Veröffentlichung einer Abbildung der Klägerin rechtfertigt. Dies hat es mit Recht verneint. Denn es besteht außer dem zufälligen Zugegensein keine Verknüpfung zwischen der als "Urlauberin" gezeigten Klägerin und dem - unterstellt - als Ereignis der Zeitgeschichte zu qualifizierenden Raubüberfall auf den Nationalspieler A.
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ee) Der Revisionen der Beklagten ist weiter nicht darin zu folgen, dass im Hinblick auf das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an einem Bericht über ein zeitgeschichtliches Ereignis die Interessen von unbekannten Personen, die zufällig mit abgebildet werden, stets zurücktreten müssen. Vielmehr ist auch in solchen Fällen grundsätzlich eine Interessenabwägung erforderlich, bei der insbesondere der Informationswert für die Öffentlichkeit, die berechtigten Erwartungen des Betroffenen und die Möglichkeiten einer das Persönlichkeitsrecht wahrenden Modifikation des Fotos zu berücksichtigen sind. Dies steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats, nach der selbst die Abbildung von Begleitpersonen nicht ohne Weiteres zulässig ist. Wollte man dies anders sehen, würde dies zu dem (widersinnigen) Ergebnis führen, dass Begleitpersonen, die in einem gewissen Zusammenhang mit dem Gegenstand der Berichterstattung stehen (vgl. etwa Senatsurteil vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, VersR 2007, 1135 Rn. 28), vor einer Veröffentlichung eher geschützt wären, als Personen, die ohne jeden Zusammenhang Gegenstand einer "zufälligen" Bildaufnahme geworden sind.
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c) Entgegen der Auffassung der Revisionen der Beklagten hat das Berufungsgericht auch ohne Rechtsfehler im Streitfall eine unmittelbare oder analoge Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG verneint.
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aa) Nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG ist die Veröffentlichung eines Bildnisses ohne Einwilligung der abgebildeten Person grundsätzlich zulässig, wenn diese Person nur als "Beiwerk" neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheint. Hiervon kann nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nur dann ausgegangen werden, wenn die Abbildung einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit das Bild prägt und nicht selbst "Beiwerk" ist. Im Streitfall bezog sich die Abbildung indes - wovon die Revisionen der Beklagten selbst ausgehen - in erster Linie auf Herrn A. Das Strandleben am "Ballermann" bildete lediglich den Hintergrund des Fotos.
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Die Erwägungen der Revisionen der Beklagten zu der Frage, ob eine Abbildung von Badegästen im Zusammenhang mit einer Schilderung des Strandlebens zulässig wäre, sind im Streitfall unerheblich. Im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG kann ein Interesse an der Wiedergabe einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit zwar unabhängig von einem konkreten Ereignis der Zeitgeschichte bestehen. Die Revisionen der Beklagten gehen jedoch selbst davon aus, dass Zweck des Bildes die Berichterstattung über den Fußballer A. im Zusammenhang mit dem auf diesen erfolgten Überfall gewesen sei.
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bb) Entgegen der Auffassung der Revisionen kommt eine entsprechende Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG nicht in Betracht. Es fehlt bereits an einer Gesetzeslücke als Voraussetzung einer analogen Anwendung dieser Vorschrift. Denn dem von den Revisionen der Beklagten angeführten Interesse an der Berichterstattung über eine bestimmte Person unter Einbeziehung von Abbildungen anderer "zufällig" anwesender Personen wird bereits durch § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG und die dort erforderliche Interessenabwägung hinreichend Rechnung getragen.
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d) Selbst wenn eine entsprechende Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG in Betracht käme, erstreckte sich die Befugnis nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird (§ 23 Abs. 2 KUG).
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Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung mit Recht nicht nur auf das Foto, sondern auch auf den dazugehörigen Text abgestellt und dabei angenommen, dass die Erwähnung einer "pikanten Frauenbegleitung" zumindest bei einem Teil der Leserschaft zum Anlass für Spekulationen in Bezug auf die Klägerin genommen werden könnte. Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Hinblick auf die Formulierung geboten: "Gestern sahen wir ... - Star A. (25) in pikanter Frauen-Begleitung am Ballermann. Jetzt wurde er Opfer einer Straftat." Denn die Revisionen der Beklagten zeigen keinen (übergangenen) Sachvortrag dazu auf, dass das Foto vom Folgetag stamme und dies für den Leser ersichtlich gewesen sei.
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e) Das Berufungsgericht hat auch zutreffend die Unkenntlichmachung der Klägerin durch Verpixelung oder Augenbalken für möglich und den Beklagten zumutbar erachtet. Die Revisionen berufen sich demgegenüber ohne Erfolg auf angebliche Redaktionsabläufe und die Gefahr der Verhinderung einer atmosphärischen Illustration. Eine Verpixelung hätte an der Aussagekraft des Berichts im Hinblick auf das Anliegen der Beklagten, die Urlaubsgestaltung des Fußballprofis zu illustrieren, nichts geändert. Darüber hinaus hat die Beklagte zu 2 nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei den im Internet im Zusammenhang mit der vorliegenden Berichterstattung veröffentlichten Bildern die Gesichter anderer dort mit dem Fußballprofi abgebildeter Frauen gepixelt, was dagegen spricht, dass ihr eine entsprechende Vorgehensweise im Hinblick auf die Abbildung der Klägerin nicht möglich oder unzumutbar gewesen wäre.
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B) Revision der Klägerin:
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Die Revision der Klägerin ist ebenfalls unbegründet.
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1. Das Berufungsgericht hat mit Recht eine Haftung der Beklagten zu 1 hinsichtlich der Veröffentlichung der beanstandeten Bilder im Internet abgelehnt, weil nicht ersichtlich sei, dass die Beklagte zu 1 willentlich und adäquat kausal durch die Veröffentlichung der - rechtlich selbständigen - Beklagten zu 2 im Internet zu einer Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin beigetragen hätte. Allein die Tatsache, dass beiden Beklagten dieselben Lichtbilder zugänglich waren, vermag noch keine wechselseitige Haftung hinsichtlich der Veröffentlichung der Fotos zu begründen. Die Revision der Klägerin zeigt keinen vom Berufungsgericht übergangenen Sachvortrag auf, wonach die Beklagte zu 1 der Beklagten zu 2 die Lichtbilder zur Verfügung gestellt hat. Die von der Revision der Klägerin in Bezug genommene Entscheidung des I. Zivilsenats vom 11. März 2009 (I ZR 114/06, BGHZ 180, 134 Rn. 16 ff.) betrifft eine andere Fallgestaltung (Verletzung von Schutzrechten durch Pflichtverletzung des Kontoinhabers bei der Verwahrung von Zugangsdaten).
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2. Entgegen der Auffassung der Revision der Klägerin hat das Berufungsgericht auch ohne Rechtsfehler den Antrag der Klägerin auf Zahlung einer Geldentschädigung für unbegründet erachtet.
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats begründet eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 12; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 27; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 306; vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 38 ff.; vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, VersR 1985, 391, 393; vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87 - VersR 1988, 405; vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94, VersR 1996, 341 f.; vgl. auch BVerfG, NJW 2004, 591, 592). Ob ein derart schwerer Eingriff anzunehmen und die dadurch verursachte nicht vermögensmäßige Einbuße auf andere Weise nicht hinreichend ausgleichbar ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, aaO, 13; vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, aaO; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO Rn. 38; vom 17. März 1970 - VI ZR 151/68, VersR 1970, 675, 676; vom 25. Mai 1971 - VI ZR 26/70, VersR 1971, 845, 846; Senatsbeschluss vom 30. Juni 2009 - VI ZR 340/08, juris Rn. 3). Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen, weil dieser und die damit zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen können (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 1971 - VI ZR 26/70, DB 1971, 1660, 1661; Senatsbeschluss vom 30. Juni 2009 - VI ZR 340/08, aaO). Die Gewährung einer Geldentschädigung hängt demnach nicht nur von der Schwere des Eingriffs ab, es kommt vielmehr auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an, nach denen zu beurteilen ist, ob ein anderweitiger befriedigender Ausgleich für die Persönlichkeitsrechtsverletzung fehlt (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, aaO, 12 ff.; vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, aaO; Senatsbeschluss vom 30. Juni 2009 - VI ZR 340/08, aaO).
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b) Eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin hat das Berufungsgericht unter Würdigung der besonderen Umstände des Streitfalles mit Recht verneint. Selbst wenn man - was das Berufungsgericht offengelassen hat - zugunsten der Klägerin ihre Behauptung, sie sei im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von mehreren Personen angesprochen und ihr sei von "mehreren Männern" Geld für ein Treffen angeboten worden, als richtig unterstellt, vermag dies keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Denn das Berufungsgericht weist insoweit zutreffend darauf hin, dass die beanstandete Veröffentlichung des Strandbildes mit der Klägerin keine Veranlassung zu der Annahme gab, dass die Klägerin käuflich sei.
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Galke Wellner Diederichsen
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v. Pentz Offenloch
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin ist eine bekannte deutsche Fernsehjournalistin. Die Beklagte veröffentlichte in der von ihr verlegten Zeitschrift ein Foto, welches die Klägerin mit ihrer Putzfrau beim Einkaufen in Puerto Andratx auf Mallorca zeigt. Foto und dazugehöriger Text befanden sich auf einer bebilderten Seite mit der Überschrift "Was jetzt los ist auf Mallorca". Das Bild ist mit dem Begleittext versehen: "ARD-Talkerin … beim Shopping mit ihrer Putzfrau im Fischerdorf Puerto Andratx. Ihre Finca liegt romantisch zwischen Mandelbäumen am Rande von Andratx."
- 2
- Auf entsprechenden Antrag der Klägerin hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, zu unterlassen, "Bildnisse aus dem privaten Alltag der Klägerin zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen, wie in "Bild der Frau" Nr. 33 vom 15. August 2005 auf der Seite 49 geschehen."
- 3
- Die gegen diese Verurteilung gerichtete Berufung der Beklagten hat das Kammergericht teilweise für begründet erachtet und die Beklagte nunmehr unter Klageabweisung im Übrigen - entsprechend einem von der Klägerin in der Berufungsinstanz gestellten (ersten) Hilfsantrag - dazu verurteilt, es zu unterlassen , "Fotos der Klägerin zu veröffentlichen wie in "Bild der Frau" Nr. 33 vom 15. August 2005 auf Seite 49 geschehen." Mit ihrer - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, soweit das Berufungsgericht zu ihrem Nachteil entschieden hat. Die Klägerin hat ihre Revision zurückgenommen.
Entscheidungsgründe:
I.
- 4
- Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der erste Hilfsantrag, mit dem die Klägerin es der Beklagten untersagen lassen wolle, "Fotos der Klägerin zu veröffentlichen wie in "Bild der Frau" Nr. 33 vom 15. August 2005 auf Seite 49 geschehen", sei zulässig und begründet. Der Antrag ziele auf eine Verurteilung der Beklagten entsprechend der "Kerntheorie", wonach ein Betroffener nicht nur eine exakte Wiederholung der Verletzungshandlung verbieten lassen könne, sondern auch einen künftigen wesensgleichen Eingriff, der von der konkreten Verletzungsform geringfügig abweiche. Charakteristisch sei im vorliegenden Fall, dass die Klägerin bei Besorgungen bzw. beim Flanieren auf Mallorca - sei es mit oder ohne Begleitung - abgebildet worden sei, ohne dass dem Bild ein zusätzlicher Nachrichtenwert hinsichtlich der Klägerin zukomme. Bei einer Abwägung im Rahmen der §§ 22, 23 KUG müsse - insbesondere unter Berücksichtigung der Entscheidungen des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts - das Recht der Beklagten auf freie Berichterstattung gegenüber dem Persönlichkeitsrecht der Klägerin zurücktreten.
II.
- 5
- Die Revision der Beklagten hat teilweise Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten nach dem ersten Hilfsantrag der Klägerin wendet.
- 6
- 1. Das Berufungsgericht hat das mit dem ersten Hilfsantrag begehrte Verbot, "Fotos der Klägerin zu veröffentlichen, wie in "Bild der Frau" Nr. 33 vom 15. August 2005 auf S. 49 geschehen", zutreffend dahin ausgelegt, dass dieser Antrag auf eine Verurteilung der Beklagten entsprechend der vorgenannten "Kerntheorie" zielt und damit hinreichend bestimmt ist im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
- 7
- 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Hilfsantrag in dieser Form jedoch unbegründet, weil der Klägerin ein so weitgehender Unterlassungsanspruch aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG nicht zusteht. Wie der erkennende Senat zwischenzeitlich entschieden hat, lässt sich die im Wettbewerbsrecht entwickelte "Kerntheorie" auf das Recht der Bildberichterstattung nicht übertragen (vgl. Senatsurteile vom 13. November 2007 - VI ZR 265/06 - VersR 2008, 552 und - VI ZR 269/06 - NJW 2008, 1593).
- 8
- a) Der Senat hat in seiner neueren Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen (vgl. Senatsurteile vom 6. März 2007 - VI ZR 13/06 - VersR 2007, 697 und - VI ZR 51/06 - VersR 2007, 957; vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06 - VersR 2007, 1135 und vom 3. Juli 2007 - VI ZR 164/06 - VersR 2007, 1283) den in der Entscheidung des EGMR vom 24. Juni 2004 (von Hannover gegen Bundesrepublik Deutschland - NJW 2004, 2647 ff.) geäußerten Bedenken Rechnung getragen und zugleich klargestellt, dass es für die Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung in jedem Einzelfall einer Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seiner Privatsphäre bedarf, wobei die begleitende Wortberichterstattung eine wesentliche Rolle spielen kann.
- 9
- b) Eine solche Interessenabwägung kann jedoch nicht in Bezug auf Bilder vorgenommen werden, die noch gar nicht bekannt sind und bei denen insbesondere offen bleibt, in welchem Kontext sie veröffentlicht werden (vgl. Senatsurteil BGHZ 158, 218, 224 ff.). Die entsprechenden Möglichkeiten sind derart vielgestaltig, dass sie mit einer "vorbeugenden" Unterlassungsklage selbst dann nicht erfasst werden können, wenn man diese auf "kerngleiche" Verletzungshandlungen beschränken wollte. Eine vorweggenommene Abwägung, die sich mehr oder weniger nur auf Vermutungen stützen könnte, und die im konkreten Verletzungsfall im Vollstreckungsverfahren nachgeholt werden müsste, verbietet sich schon im Hinblick auf die Bedeutung der betroffenen Grundrechte.
- 10
- 3. Die Klage ist jedoch begründet, soweit sich die Klägerin mit einem weiteren Hilfsantrag in der Berufungsinstanz gegen eine Wiederholung der konkreten Bildveröffentlichung gewandt hat. Da die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung erklärt hat, sich an ihre vorgerichtlich abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht mehr gebunden zu fühlen, kann diesbezüglich eine Wiederholungsgefahr nicht verneint werden.
- 11
- a) Der erkennende Senat hat bereits in mehreren neueren Entscheidungen das abgestufte Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG bei Bildveröffentlichungen von "Prominenten" unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR (insbes. Entscheidung vom 24. Juni 2004 - von Hannover gegen Bundesrepublik Deutschland - aaO) erläutert (vgl. etwa Urteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - VersR 2005, 84 ff.; vom 15. November 2005 - VI ZR 286/04 - VersR 2006, 274 ff.; vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06 - VersR 2007, 957 ff. und vom 3. Juli 2007 - VI ZR 164/06 - VersR 2007, 1283 ff.). Verfassungsrechtliche Beanstandungen haben sich insoweit nicht ergeben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1606/07 u.a. - NJW 2008, 1793 ff.).
- 12
- aa) Nach diesem abgestuften Schutzkonzept dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden (§ 22 KUG); hiervon macht § 23 Abs. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Auch bei Personen, die un- ter dem Blickwinkel des zeitgeschichtlichen Ereignisses im Sinn des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG an sich ohne ihre Einwilligung die Verbreitung ihres Bildnisses dulden müssten, ist eine Verbreitung der Abbildung unabhängig davon, ob sie sich an Orten der Abgeschiedenheit aufgehalten haben, aber dann nicht zulässig, wenn hierdurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).
- 13
- bb) Maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des Zeitgeschehens. Dieser Begriff darf nicht zu eng verstanden werden. Im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst er nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung , sondern ganz allgemein das Zeitgeschehen, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Er wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt. Auch durch unterhaltende Beiträge kann Meinungsbildung stattfinden; solche Beiträge können die Meinungsbildung unter Umständen sogar nachhaltiger anregen und beeinflussen als sachbezogene Informationen (vgl. Senat, Urteile vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02 - VersR 2004, 522, 523 - mit Anmerkung v. Gerlach JZ 2004, 625 - und vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06 - aaO S. 957, 958; BVerfG, BVerfGE 101, 361, 389 f.; NJW 2006, 2836, 2837). Das Informationsinteresse besteht indes nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt, so dass eine Berichterstattung keineswegs immer zulässig ist. Wo konkret die Grenze für das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles entscheiden.
- 14
- cc) Zum Kern der Presse- und der Meinungsbildungsfreiheit gehört, dass die Presse in den gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum be- sitzt, innerhalb dessen sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält, und dass sich im Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist (Senat, Urteile vom 15. November 2005 - VI ZR 286/04 - aaO, 275; vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06 - aaO, 957 f.; BVerfG, BVerfGE 101, 361, 392; EGMR, Urteil vom 16. November 2004, Beschwerde-Nr. 53678/00, Karhuvaara und Iltalehti gegen Finnland, NJW 2006, 591, 592 f., §§ 38 ff.). Der EGMR hat in seinem Urteil vom 24. Juni 2004 (Beschwerde-Nr. 59320/00, von Hannover gegen Deutschland, aaO, §§ 58, 60, 63) die Bedeutung der Pressefreiheit unter Hinweis auf Art. 10 EMRK hervorgehoben und ausgeführt, dass die Presse in einer demokratischen Gesellschaft eine wesentliche Rolle spiele und es ihre Aufgabe sei, Informationen und Ideen zu allen Fragen von Allgemeininteresse weiterzugeben. Das steht auch mit dem oben dargelegten Begriff der Zeitgeschichte in Einklang.
- 15
- dd) Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 KUG nimmt nach Sinn und Zweck der Regelung und nach der Intention des Gesetzgebers in Ausnahme von dem Einwilligungserfordernis des § 22 KUG Rücksicht auf das Informationsinteresse der Allgemeinheit und auf die Pressefreiheit. Die Anwendung des § 23 Abs. 1 KUG erfordert hiernach eine Abwägung zwischen den Rechten der Abgebildeten nach Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 10 Abs. 1 EMRK und Art. 5 Abs. 1 GG andererseits. Die Grundrechte der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und des Schutzes der Persönlichkeit (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) sind ihrerseits nicht vorbehaltlos gewährleistet.
- 16
- Die Pressefreiheit findet ihre Schranken nach Art. 5 Abs. 2 GG in den allgemeinen Gesetzen. Zu diesen zählen u.a. die §§ 22 f. KUG und auch Art. 8 EMRK. Die in §§ 22 f. KUG enthaltenen Regelungen sowie die von Art. 10 EMRK verbürgte Äußerungsfreiheit beschränken zugleich als Bestandteile der verfassungsmäßigen Ordnung gemäß Art. 2 Abs. 1 GG den Persönlichkeitsschutz. Die Auslegung und Anwendung solcher Schrankenregelungen und ihre abwägende Zuordnung zueinander durch die Gerichte hat der interpretationsleitenden Bedeutung der von der Schrankenregelung bestimmten Grundrechtsposition Rechnung zu tragen sowie die entsprechenden Gewährleistungen der europäischen Menschenrechtskonvention zu berücksichtigen. Hierbei ist zu beachten , dass bei der Bestimmung der Reichweite des durch Art. 8 Abs. 1 EMRK dem privaten Leben des Einzelnen gewährten Schutzes der situationsbezogene Umfang der berechtigten Privatheitserwartungen des Einzelnen zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. August 2006 - 1 BvR 2606/04 u.a. - NJW 2006, 3406, 3408); auch kann die Gewährleistung des Art. 8 Abs. 1 EMRK einen Anspruch auf Schutz durch die staatlichen Gerichte vor Veröffentlichung von Bildnissen des Einzelnen aus seinem Alltagsleben einschließen (vgl. EGMR, Urteil vom 24. Juni 2004, Beschwerde-Nr. 59320/00, von Hannover gegen Deutschland, §§ 50 ff., aaO, 2648). Über die Reichweite dieses Schutzes ist im konkreten Fall durch Berücksichtigung der von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 10 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Äußerungsfreiheit und ihrer in Art. 10 Abs. 2 EMRK geregelten Schranken ebenfalls im Wege der Abwägung zu entscheiden (vgl. EGMR, Beschluss vom 14. Juni 2005, BeschwerdeNr. 14991/02, Minelli gegen Schweiz; Urteil vom 17. Oktober 2006, Beschwerde -Nr. 71678/01, Gourguenidze gegen Georgien, §§ 38 ff.).
- 17
- Das Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit unterliegt der Schrankenregelung des Art. 2 Abs. 1 Halbs. 2 GG. Schranken sind neben den Grundrechten wie Art. 5 Abs. 1 GG insbesondere die Vorschriften über die Veröffentlichung fotografischer Abbildungen von Personen in §§ 22 ff. KUG mit dem erwähnten abgestuften Schutzkonzept, das sowohl dem Schutzbedürfnis der abgebildeten Person wie den von den Medien wahrgenommenen Informationsin- teressen der Allgemeinheit Rechnung trägt (vgl. BVerfG, BVerfGE 35, 202, 224 f.; 101, 361, 387; Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1606/07 u.a. - aaO, 1795). Daneben beschränkt die in Art. 10 EMRK verbürgte Freiheit der Äußerung und Verbreitung sowie des Empfangs von Meinungen unter Einschluss von Informationen den Schutz der Persönlichkeit. Der Schutz des Art. 10 Abs. 1 EMRK schließt insbesondere auch die Veröffentlichung von Fotoaufnahmen zur Bebilderung der Medienberichterstattung ein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1606/07 u.a. - aaO, 1795; EGMR, Urteile vom 14. Dezember 2006, Beschwerde-Nr. 10520/02, Verlagsgruppe News GmbH gegen Österreich Nr. 2, § 29; vom 24. Juni 2004, Beschwerde-Nr. 59320/00, von Hannover gegen Deutschland, § 59, aaO, 2649). Über die Zulässigkeit von Beschränkungen dieses Rechts durch Maßnahmen der staatlichen Gerichte zum Schutz des Privatlebens des Abgebildeten ist nach der Rechtsprechung des EGMR gleichfalls im Wege einer Abwägung mit dem in Art. 8 EMRK verbürgten Anspruch auf Achtung des Privatlebens zu entscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1606/07 u.a. - aaO, 1795; EGMR, Urteil vom 17. Oktober 2006, Beschwerde-Nr. 71678/01, Gourguenidze gegen Georgien, § 37 f. m.w.N.). Bei der Abwägung mit kollidierenden Rechtsgütern unter Berücksichtigung der von Art. 5 Abs. 1 GG verbürgten Vermutung für die Zulässigkeit einer Berichterstattung der Presse, die zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen soll (vgl. BVerfGE 20, 162, 177; Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1606/07 u.a. - aaO, 1796), ist der von Art. 10 Abs. 1 EMRK verbürgten Äußerungsfreiheit ein besonderes Gewicht dort beizumessen, wo die Berichterstattung der Presse einen Beitrag zu Fragen von allgemeinem Interesse leistet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1606/07 u.a. - aaO, 1796; EGMR, Urteil vom 16. November 2004, Beschwerde -Nr. 53678/00, Karhuvaara und Iltalehti gegen Finnland, § 40; Urteil vom 1. März 2007, Beschwerde-Nr. 510/04, Tønsbergs Blad u.a. gegen Norwegen , § 82).
- 18
- Die Garantie der Pressefreiheit dient nicht allein den subjektiven Rechten der Presse, sondern in gleicher Weise auch dem Schutz des Prozesses öffentlicher Meinungsbildung und damit der Meinungsbildungsfreiheit der Bürger. Äußerungen in der und durch die Presse wollen in der Regel zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen und haben daher zunächst die Vermutung der Zulässigkeit für sich, auch wenn sie die Rechtssphäre anderer berühren (vgl. BVerfG, BVerfGE 20, 162, 177; 66, 116, 133; 77, 346, 354). Nach der Rechtsprechung des EGMR besteht nur wenig Spielraum, die Gewährleistung des Art. 10 Abs. 1 EMRK zurücktreten zu lassen, falls eine Medienberichterstattung einen Bezug zu einer Sachdebatte von allgemeinem Interesse aufweist (vgl. EGMR, Urteile vom 22. Oktober 2007, Beschwerde-Nr. 21279/02 u.a., Lindon u.a. gegen Frankreich, § 45; vom 17. Dezember 2004, BeschwerdeNr. 49017/99, Pedersen und Baadsgaard gegen Dänemark, § 68 f.). Art. 5 Abs. 1 GG gebietet allerdings nicht, generell zu unterstellen, dass mit jeder visuellen Darstellung aus dem Privat- und Alltagsleben prominenter Personen ein Beitrag zur Meinungsbildung verbunden sei, der es für sich allein rechtfertigte, die Belange des Persönlichkeitsschutzes zurückzustellen.
- 19
- ee) Nach diesen Grundsätzen wird die Reichweite des Schutzes des Rechts am eigenen Bild davon beeinflusst, ob eine Information in die breite Öffentlichkeit der Massenmedien überführt wird und damit nicht auf einen engen Personenkreis begrenzt bleibt. Andererseits wird das Gewicht der das Persönlichkeitsrecht gegebenenfalls beschränkenden Pressefreiheit davon beeinflusst, ob die Berichterstattung eine Angelegenheit betrifft, welche die Öffentlichkeit wesentlich berührt (vgl. BVerfG, BVerfGE 7, 198, 212; Beschluss vom 24. Januar 2006 - 1 BvR 2602/05 - NJW 2006, 1865; EGMR, Urteil vom 17. Oktober 2006, Beschwerde-Nr. 71678/01, Gourguenidze gegen Georgien, § 55). Mit der Entscheidung, ein Bild einer Person abzudrucken und in den Kontext eines bestimmten Berichts zu rücken, nutzen die Medien ihre grundrechtlich geschützte Befugnis, selbst zu entscheiden, was sie für berichtenswert halten. Dabei haben sie jedoch den Persönlichkeitsschutz Betroffener zu berücksichtigen.
- 20
- Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 26. Februar 2008 (- 1 BvR 1606/07 u.a. - aaO, 1796) dargelegt hat, können prominente Personen der Allgemeinheit Möglichkeiten der Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen bieten sowie Leitbild- oder Kontrastfunktionen erfüllen. Auch die Normalität ihres Alltagslebens kann der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen (so bereits BVerfGE 101, 361, 391). Das gilt auch für unterhaltende Beiträge als einen wesentlichen Bestandteil der Medienbetätigung , der durch die Pressefreiheit geschützt wird, zumal der publizistische und wirtschaftliche Erfolg der Presse auf unterhaltende Inhalte und entsprechende Abbildungen angewiesen sein kann und die Bedeutung visueller Darstellungen beträchtlich zugenommen hat. Hiernach gilt die Pressefreiheit auch für unterhaltende Beiträge über das Privat- oder Alltagsleben von Prominenten und ihres sozialen Umfelds einschließlich ihnen nahestehender Personen. Allerdings bedarf es gerade bei unterhaltenden Inhalten in besonderem Maß der abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen der Betroffenen.
- 21
- Für die Abwägung zwischen der Pressefreiheit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ist von maßgeblicher Bedeutung, ob die Presse im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtert, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllt und zur Bildung der öffentlichen Meinung beiträgt oder ob sie lediglich die Neugier der Leser nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigt (vgl. BVerfG, BVerfGE 34, 269, 283; 101, 361, 391).
- 22
- Insoweit hat das BVerfG (Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1606/07 u.a. - aaO, 1796) hervorgehoben, dass das Selbstbestimmungsrecht der Presse nicht auch die Entscheidung erfasst, wie das Informationsinteresse zu gewichten ist, sondern diese Gewichtung zum Zweck der Abwägung mit gegenläufigen Interessen der Betroffenen vielmehr im Fall eines Rechtsstreits den Gerichten obliegt. Diese haben allerdings im Hinblick auf das Zensurverbot des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG von einer inhaltlichen Bewertung - etwa als wertvoll oder wertlos, seriös oder unseriös o.ä. - abzusehen und sind auf die Prüfung beschränkt, in welchem Ausmaß der Bericht einen Beitrag für die öffentliche Meinungsbildung erbringen kann.
- 23
- ff) Der Informationswert einer Bildberichterstattung ist, soweit das Bild nicht schon als solches eine für die öffentliche Meinungsbildung bedeutsame Aussage enthält, im Kontext der dazugehörenden Wortberichterstattung zu ermitteln. Bilder können Wortberichte ergänzen und dabei der Erweiterung des Aussagegehalts dienen, etwa die Authentizität des Geschilderten unterstreichen. Auch können beigefügte Bilder der an dem berichteten Geschehen beteiligten Personen die Aufmerksamkeit des Lesers für den Wortbericht wecken (vgl. Senat, BGHZ 158, 218, 223; Urteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - NJW 2005, 594, 595 f.). Beschränkt sich der begleitende Bericht allerdings darauf , lediglich einen Anlass für die Abbildung prominenter Personen zu schaffen, ohne dass die Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung erkennen lässt, ist es nicht angezeigt, dem Veröffentlichungsinteresse den Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz einzuräumen.
- 24
- gg) Daneben sind bei einer Bildberichterstattung für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes auch der Anlass und die Umstände zu berücksichtigen, unter denen die Aufnahme entstanden ist, etwa unter Ausnutzung von Heimlichkeit oder beharrlicher Nachstellung. Auch ist bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird. Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts wiegt schwerer, wenn die visuelle Darstellung durch Ausbreitung von üblicherweise öffentlicher Erörterung entzogenen Einzelheiten des privaten Lebens thematisch die Privatsphäre berührt oder wenn der Betroffene nach den Umständen typischer Weise die berechtigte Erwartung haben durfte, nicht in den Medien abgebildet zu werden. Das kann nicht nur bei einer durch räumliche Privatheit geprägten Situation, sondern außerhalb örtlicher Abgeschiedenheit auch in Momenten der Entspannung oder des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs und des Alltags der Fall sein.
- 25
- b) Diese Grundsätze sind auf die Klägerin anzuwenden, da sie aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit als Nachrichtensprecherin, Fernsehjournalistin und -moderatorin als Person des öffentlichen Interesses anzusehen ist (vgl. zur Abgrenzung zwischen "personnage public / public figure", "personnalité politique / politician" und "personne ordinaire / ordinary person": EGMR, Urteile vom 11. Januar 2005, Beschwerde-Nr. 50774/99, Sciacca gegen Italien, §§ 27 ff.; vom 17. Oktober 2006 - Beschwerde-Nr. 71678/01, Gourguenidze gegen Georgien , § 57). Diese Einstufung hat nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Folge, dass über eine solche Person in größerem Umfang berichtet werden darf als über andere Personen, wenn die Information einen hinreichenden Nachrichtenwert mit Orientierungsfunktion im Hinblick auf eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte hat und die Abwägung keine schwerwiegenden Interessen des Betroffenen ergibt, die einer Veröffentlichung entgegenstehen.
- 26
- c) Im Streitfall führen diese Grundsätze zu folgender Abwägung:
- 27
- Das beanstandete Bild zeigt - worauf der Begleittext selbst hinweist - die Klägerin in einer (völlig) belanglosen Situation beim "Shopping" mit ihrer Putzfrau im Fischerdorf Puerto Andratx auf Mallorca. Das beanstandete Bild ist Teil eines Berichts über "Was jetzt los ist auf Mallorca", in dem jeweils unter Beifügung von Fotografien über die Anwesenheit sog. Prominenter, u.a. der Klägerin, auf der Insel berichtet wird. Der Nachrichtenwert der Berichterstattung hat keinerlei Orientierungsfunktion im Hinblick auf eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte, sondern beschränkt sich lediglich auf die Information, dass sich die Klägerin zurzeit auf Mallorca aufhalte, wo sie ein Ferienhaus besitze, und dort - wie viele andere Menschen auch - mitunter auch in Begleitung einkaufen gehe. Eine solche Berichterstattung, die nur der Befriedigung des Unterhaltungsinteresses bestimmter Leser dient, mag zwar möglicherweise - worauf es im Streitfall allerdings nicht ankommt - als reine Wortberichterstattung zulässig sein. Sie rechtfertigt es jedoch nicht, dass die Klägerin einen Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht durch Veröffentlichung eines Bildes in dieser zu ihrer Privatsphäre gehörenden Situation ohne ihre Einwilligung nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG hinnehmen muss. Insoweit ergibt die gebotene Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Klägerin und der Pressefreiheit der Beklagten, dass letztere zurückzutreten hat. Hieran vermag auch der Hinweis der Revision nichts zu ändern, dass die Klägerin bei anderen Gelegenheiten der Öffentlichkeit über die Presse Einblicke in ihr Privatleben gewährt habe (vgl. zu einem insoweit anders gelagerten Fall Senatsurteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - aaO mit Nichtannahmebeschluss des BVerfG VersR 2007, 849).
III.
- 28
- Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 565, 516 Abs. 3 ZPO. Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
LG Berlin, Entscheidung vom 22.06.2006 - 27 O 1126/05 -
KG Berlin, Entscheidung vom 07.11.2006 - 9 U 148/06 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Kläger ist Günther Jauch, einer der bekanntesten Moderatoren im deutschen Fernsehen. Die Beklagte ist eine Verlagsgesellschaft. Sie beabsichtigte, ab September 2006 ein „Cross-Media-Magazin“ mit dem Titel „Markt & Leute“ sowohl als gedruckte Zeitung als auch online anzubieten. Die Beklagte erstellte eine Nullnummer der Zeitung, die lediglich in der Einführungswerbung verwendet , aber nicht zum Kauf angeboten werden sollte. Auf der Titelseite der Nullnummer vom 6. Juli 2006 befindet sich unter der Überschrift „Berlin/Hochzeit“ und dem Titel „Jauchs Hochzeit nicht völlig tabu“ ein Bericht darüber, dass das Berliner Kammergericht das vom Kläger vor dem Landgericht erwirkte Verbot, http://www.markt-leute.de/ - 3 - über seine bevorstehende Hochzeit - diese fand am 7. Juli 2006 statt - zu berichten , vorläufig aufgehoben habe. Dieser Bericht ist mit einem Portraitfoto des Klägers bebildert.
- 2
- Auf ihrer Internetseite „www.markt-leute.de“ warb die Beklagte - wie aus dem nachfolgend wiedergegebenen Bildschirmausdruck ersichtlich - mit der Abbildung eines zusammengefalteten Exemplars der Nullnummer für das „Cross-Media-Magazin“. Im unteren Teil der Abbildung sind die Überschrift „Berlin/Hochzeit“ und der Titel „Jauchs Hochzeit nicht völlig tabu“ zu lesen. Vom Text des Berichts ist nur ein Teil zu erkennen, darunter der einleitende Satz „Entscheidung des Berliner Kammergerichts noch nicht endgültig“. Das Portraitfoto des Klägers zeigt nur den oberen Teil des Kopfes (Haare, Stirn und eine Augenbraue).
- 3
- Weiter veröffentlichte die Beklagte in der von ihr herausgegebenen Osnabrücker Sonntagszeitung vom 16., 23. und 30. Juli 2006 Werbeanzeigen. Diese nahmen jeweils etwas mehr als eine viertel Seite der Sonntagszeitung ein und zeigten unter den Überschriften „Die ganz neue Partnerbörse“, „Der ganz neue Wohnungs- und Immobilienmarkt“ und „Der ganz neue Automarkt“ die Titelseite der Nullnummer des „Cross-Media-Magazins“ als unvollständiges Puzzle. Bei der - nachfolgend abgebildeten - Anzeige vom 16. Juli 2006 lassen nur zwei Puzzlestücke die Nullnummer erkennen; bei den Anzeigen vom 23. und 30. Juli 2006 kam jeweils ein weiteres Puzzlestück hinzu. Alle drei Anzeigen zeigten in der Mitte der Titelseite der Nullnummer ein Puzzlestück mit einem Ausschnitt aus dem Artikel über den Kläger. Dabei nahm dessen - hier vollständiges - Portraitfoto den größten Platz ein; von der Überschrift waren nur die Wörter „nicht völlig tabu“ und vom Text des Artikels nur wenige vollständige Zeilen zu lesen.
- 4
- Die Beklagte gab ihr Vorhaben, ein „Cross-Media-Magazin“ auf den Markt zu bringen, bereits vor dem Erscheinen einer Erstausgabe auf.
- 5
- Der Kläger ist der Ansicht, die ohne seine Einwilligung erfolgte Verwendung seines Bildnisses und Namens in der Werbung für das „CrossMedia -Magazin“ verletze sein Recht am eigenen Bild und Namen. Er verlangt von der Beklagten zur Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs im Wege der Stufenklage zunächst Auskunft über die Werbekampagne, im weiteren Schadensersatz sowie Ersatz restlicher Abmahnkosten.
- 6
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat dem Auskunftsanspruch stattgegeben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 7
- I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe gegen die Beklagte zur Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs aus § 823 Abs. 1 und 2 BGB in Verbindung mit §§ 22, 23 KUG ein Anspruch auf Auskunft zu, weil die Beklagte mit der Werbekampagne rechtswidrig und schuldhaft in sein Recht am eigenen Bild eingegriffen habe. Es bedürfe daher keiner Entscheidung, ob die unbefugte Nennung des Namens des Klägers in der Werbung darüber hinaus einen rechtswidrigen Eingriff in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht darstelle, der einen Anspruch auf Schadensersatz oder Bereicherungsausgleich begründe. Hierzu hat es ausgeführt:
- 8
- Die Beklagte habe mit der Internetwerbung und den Zeitungsanzeigen rechtswidrig und schuldhaft in das Recht des Klägers am eigenen Bild eingegrif- http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE085202377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 6 - fen. Mit dieser Werbung sei ein Bildnis des Klägers im Sinne von § 22 Satz 1 KUG zur Schau gestellt worden. Die Abbildungen seien nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zwar grundsätzlich erlaubt gewesen. Das für die Einordnung als Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte erforderliche schutzwürdige Informationsinteresse der Allgemeinheit sei gegeben. Die gemäß § 23 Abs. 2 KUG erforderliche Güter- und Interessenabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers und der Pressefreiheit der Beklagten falle jedoch zugunsten des Klägers aus. Dabei komme dem Umstand besondere Bedeutung zu, dass eine vollständige Veröffentlichung des ausschnittsweise abgedruckten Artikels in dem beworbenen Medium zu keiner Zeit geplant gewesen sei.
- 9
- Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie in einer Werbung mit einer Nullnummer auch Artikel verwenden dürfe, die später nicht erschienen seien. Zwar stehe eine mit zeitlichem Vorlauf veranstaltete Werbekampagne zur Markteinführung eines neuen Presseprodukts vor dem Problem, dass bei der Werbung eingesetzte Informationen zum Zeitpunkt des Erscheinens des Presseprodukts veraltet und damit nicht mehr von Interesse seien. Im Streitfall verdienten jedoch die Interessen des Klägers den Vorrang, weil der Informationsgehalt der Werbung nicht nur wegen des zeitlichen Abstands zur Hochzeit, sondern vor allem wegen des nur ausschnittsweisen Abdrucks des Artikels erheblich herabgesetzt gewesen sei und sich vornehmlich den Sympathiewert des Klägers zunutze gemacht habe.
- 10
- II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Mit Recht macht die Revision geltend, dass ein Anspruch des Klägers auf Auskunftserteilung über die Werbekampagne für das „Cross-Media-Magazin“ entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht mit der Begründung bejaht werden kann, dem Kläger stehe ein solcher Anspruch zur Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs aus § 823 Abs. 1 und 2 BGB in Verbindung mit http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000070907BJNE002801320&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000070907BJNE002900315&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000070907BJNE002900315&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000070907BJNE002900315&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000070907BJNE002900315&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000070907BJNE002801320&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000070907BJNE002801320&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE314122006&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE314122006&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE300452009&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE300452009&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/ [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/ [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/227j/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=3&numberofresults=29&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000070907BJNE002801320&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/227j/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=3&numberofresults=29&fromdoctodoc=yes&doc.id=BORE026558200&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 7 - §§ 22, 23 KUG wegen einer Verletzung seines Rechts am eigenen Bild zu. Die beanstandete Werbung der Beklagten verletzt dieses Recht des Klägers nicht.
- 11
- 1. Bildnisse einer Person dürfen grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung , durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird (§ 23 Abs. 2 KUG).
- 12
- 2. Die Beklagte hat die Fotografie des Klägers entgegen § 22 Satz 1 KUG ohne seine Einwilligung in ihrer Einführungswerbung für das „CrossMedia -Magazin“ verwendet. Sie hat dadurch in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers in seiner besonderen Ausprägung als Recht am eigenen Bild eingegriffen. Die Entscheidung, ob und in welcher Weise das eigene Bildnis für Werbezwecke zur Verfügung gestellt werden soll, ist wesentlicher Bestandteil des Persönlichkeitsrechts (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2006 - I ZR 182/04, BGHZ 169, 340 Rn. 19 - Rücktritt des Finanzministers; Urteil vom 11. März 2009 - I ZR 8/07, GRUR 2009, 1085 Rn. 26 = WRP 2009, 1269 - Wer wird Millionär ?; Urteil vom 29. Oktober 2009 - I ZR 65/07, GRUR 2010, 546 Rn. 14 = WRP 2010, 780 - Der strauchelnde Liebling).
- 13
- Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Beklagte nicht nur mit den Zeitungsanzeigen, die das vollständige Portraitfoto des Klägers zeigten, sondern auch mit der Internetwerbung, die das Portraitfoto des Klägers nur teilweise abbildete, in das Recht des Klägers am eigenen Bild eingegriffen hat. Ein Bildnis im Sinne von § 22 Satz 1 KUG ist die Darstellung einer Person, die deren äußere Erscheinung in einer für Dritte erkennbaren Weise wiedergibt (BGH, Urteil vom 9. Juni 1965 - Ib ZR 126/63, GRUR 1966, http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000070907BJNE002900315&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE292109901&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE304182008&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000070907BJNE002900315&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE314122006&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE300452009&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE300452009&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 8 - 102 - Spielgefährtin I, mwN). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die äußere Erscheinung einer Person vollständig oder teilweise wiedergegeben wird. Entscheidend ist, dass Dritte erkennen können, welche Person gezeigt wird (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 1999 - I ZR 226/97, GRUR 2000, 715, 716 f. = WRP 2000, 754 - Der blaue Engel). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, auch wenn das in der Internetwerbung der Beklagten gezeigte Bildnis des Klägers nur den oberen Teil des Kopfes (Haare, Stirn und eine Augenbraue) zeigt. Wegen der Nennung seines Namens war es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts für den Betrachter deutlich, dass auf dem Foto der Kläger abgebildet war.
- 14
- 3. Die Beklagte kann sich grundsätzlich auf die Ausnahmebestimmung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG für Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte berufen.
- 15
- a) Der Begriff der Zeitgeschichte ist, um der Bedeutung und Tragweite der Pressefreiheit Rechnung zu tragen, nicht allein auf Vorgänge von historischer oder politischer Bedeutung zu beziehen, sondern vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her zu bestimmen (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 653/96, BVerfGE 101, 361, 392; vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2008 - VI ZR 307/07, BGHZ 178, 213 Rn. 10 mwN). Der Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ist daher eröffnet, wenn die Werbeanzeige nicht ausschließlich den Geschäftsinteressen des mit der Abbildung werbenden Unternehmens , sondern daneben auch einem Informationsinteresse der Öffentlichkeit dient (vgl. BGHZ 169, 340 Rn. 15 - Rücktritt des Finanzministers; BGH, GRUR 2009, 1085 Rn. 26 - Wer wird Millionär?; GRUR 2010, 546 Rn. 15 - Der strauchelnde Liebling).
- 16
- b) Das Berufungsgericht hat angenommen, die vom Kläger beanstandeten Werbeanzeigen dienten zumindest auch einer Information der Allgemeinheit. Die Internetwerbung und die Zeitungsanzeigen enthielten Ausschnitte aus einem Zeitungsartikel über den Kläger, auch wenn der lesbare Informationsteil gering sein möge. Darüber hinaus werde damit Werbung für ein zukünftiges Presseprodukt betrieben. Die Revision der Beklagten nimmt diese Beurteilung als ihr günstig hin. Sie lässt, entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung, auch keinen Rechtsfehler erkennen.
- 17
- aa) Die Revisionserwiderung macht ohne Erfolg geltend, aus der rudimentären Wiedergabe des den Kläger betreffenden Artikels in den Anzeigen ergebe sich kein Informationsgehalt für die Allgemeinheit.
- 18
- (1) In der Internetwerbung der Beklagten war - wie aus dem im Tatbestand wiedergegebenen Bildschirmausdruck ersichtlich - ein zusammengefaltetes Exemplar der Nullnummer des „Cross-Media-Magazins“ abgebildet. Im unteren Teil der Abbildung waren nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Überschrift „Berlin/Hochzeit“ und der Titel „Jauchs Hochzeit nicht völlig tabu“ zu lesen, darüber hinaus die ersten Zeilen des Artikels, die mit dem einleitenden Satz „Entscheidung des Berliner Kammergerichts noch nicht endgültig“ auf eine Entscheidung des Kammergerichts Bezug nehmen. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts bestand damals ein öffentliches Interesse an Presseberichten, die sich mit der gerichtlichen Auseinandersetzung um die Zulässigkeit einer Berichterstattung über die Hochzeit des Klägers befassten.
- 19
- Unter diesen Umständen ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Adressat der Internetwerbung habe dem lesbaren Teil des mit dem Portraitfoto des Klägers bebilderten Artikels die Information entnommen, dass eine gericht- liche Entscheidung dazu ergangen ist, ob bzw. in welchem Rahmen ein Interesse an einer Berichterstattung über die Hochzeit des Klägers anzuerkennen ist, rechtsfehlerfrei und insbesondere nicht erfahrungswidrig. Der Gehalt dieser Information mag, wie das Berufungsgericht angenommen hat, gering sein; er kann aber entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht vollständig geleugnet werden.
- 20
- (2) Die drei Zeitungsanzeigen der Beklagten vom 16., 23. und 30. Juli 2006, die jeweils etwas mehr als eine viertel Seite der Sonntagszeitung einnahmen , zeigten - wie aus der im Tatbestand beispielhaft wiedergegebenen Anzeige vom 16. Juli 2006 ersichtlich - die Titelseite der Nullnummer des „Cross-Media-Magazins“ als unvollständiges Puzzle. Sämtliche Anzeigen ließen in der Mitte der Titelseite der Nullnummer ein Puzzlestück mit einem Ausschnitt aus dem Artikel über den Kläger erkennen, wobei dessen - hier vollständiges - Portraitfoto den größten Platz einnahm. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts waren sowohl ein Teil der Überschrift („nicht völlig tabu“) als auch wenige vollständige Zeilen des Textes zu lesen.
- 21
- Es kann dahinstehen, ob die Feststellungen des Berufungsgerichts - wie die Revisionserwiderung geltend macht - insofern erfahrungswidrig sind, als der links neben dem Porträtfoto des Klägers befindliche Text in den Zeitungsanzeigen so klein gedruckt ist, dass er nicht zu entziffern ist. Der in den wenigen vollständigen Zeilen stehende Text „Berichterstattungsinteresse daran anzuerkennen , dass er in bekannten Sehenswürdigkeiten heiraten wolle, selbst wenn dadurch Schaulustige angelockt werden könnten“ ist - wie der Senat selbst feststellen kann - zwar in der vorgelegten Kopie des Originals der Titelseite gut zu lesen, nicht aber in den zur Akte gereichten Kopien der drei Werbeanzeigen; ob er in den - möglicherweise größeren - Originalen der Werbeanzeigen lesbar war, ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt und kann letztlich auch offen- bleiben. Selbst wenn dieser Text nicht lesbar war und der lesbare Text „nicht völlig tabu“ in Verbindung mit dem unmittelbar darunter abgebildeten Porträtfoto des Klägers - wie die Revisionserwiderung geltend macht - keinerlei Informationswert hat, haben die Zeitungsanzeigen jedenfalls insofern einen Informationswert , als sie den Werbeadressaten einen Eindruck von der Gestaltung und dem Inhalt des geplanten „Cross-Media-Magazins“ vermitteln (dazu sogleich).
- 22
- bb) Die beanstandeten Werbeanzeigen enthalten - auch soweit sie den mit dem Porträtfoto des Klägers bebilderten Artikel nur ausschnittsweise und dessen Text nur schlecht oder nicht lesbar wiedergeben - jedenfalls eine Information der Allgemeinheit über die Gestaltung und den Inhalt des „Cross-MediaMagazins“ und dienen damit einem Informationsinteresse der Öffentlichkeit.
- 23
- (1) Die Abbildung eines zusammengefalteten Exemplars der Nullnummer des „Cross-Media-Magazins“ in der Internetwerbung vermittelt, wie auch die Revisionserwiderung nicht in Abrede stellt, einen Eindruck von der Gestaltung und dem Inhalt des angekündigten Presseerzeugnisses.
- 24
- Die Revisionserwiderung des Klägers macht ohne Erfolg geltend, das Berufungsgericht habe das Vorbringen des Klägers nicht berücksichtigt, dass dieser Eindruck keinen Informationsgehalt aufweise, weil er über die wahre Gestaltung und den eigentlichen Inhalt dieses Medienprodukts täusche. Die Internetwerbung erwecke den Eindruck, bei dem „Cross-Media-Magazin“ handele es sich um eine Zeitung mit überwiegend redaktionellem Inhalt. Tatsächlich sei das Magazin aber kaum mehr als ein Anzeigenblatt. Aus dem von der Beklagten vorgelegten und vom Berufungsgericht nicht berücksichtigten DruckExemplar einer Nullnummer vom 3. August 2006 gehe hervor, dass jede einzelne Seite des „Cross-Media-Magazins“ zum überwiegenden Teil aus Werbe- anzeigen und nur zu einem weitaus geringeren Teil aus Artikeln mit redaktionellem Inhalt bestehe.
- 25
- Das Berufungsgericht hat kein entscheidungserhebliches Vorbringen des Klägers übergangen. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung vermittelt die Internetwerbung nicht den Eindruck, bei dem „Cross-Media-Magazin“ handele es sich um eine Zeitung mit überwiegend redaktionellem Inhalt. Auch dies kann der Senat aufgrund des im Tatbestand abgebildeten Bildschirmausdrucks selbst beurteilen. In der linken Spalte der Titelseite der Nullnummer befindet sich das Inhaltsverzeichnis des Magazins. Dieses Inhaltsverzeichnis weist unter den Rubriken „Online gestalten“, „Partnerbörse“, „Immobilienbörse“, „Jobbörse“ und „Suchen und finden“ erkennbar nahezu ausschließlich auf Anzeigen im Innenteil der Zeitung hin („Veranstaltungen“, „Anzeigen aufgeben“, „Partner suchen“ , „Immobilien suchen“, „Immobilien aufgeben“, „Stellengesuch“, „Stellenangebot“ ).
- 26
- (2) Die Revisionserwiderung macht weiter ohne Erfolg geltend, den Zeitungsanzeigen könne noch nicht einmal ansatzweise entnommen werden, welche Gestalt und welchen Inhalt das von der Beklagten geplante „Cross-MediaMagazin“ haben werde. Der weit überwiegende Teil der Titelseite sei lediglich mit weißer Farbe bedruckt. Allein das im Mittelpunkt platzierte Bildnis des Klägers mit den darüber stehenden Wörtern „nicht völlig tabu“ sei deutlich zu erkennen.
- 27
- Die in der Osnabrücker Sonntagszeitung vom 16., 23. und 30. Juli 2006 veröffentlichten Werbeanzeigen sind mit den Überschriften „Die ganz neue Partnerbörse“, „Der ganz neue Wohnungs- und Immobilienmarkt“ und „Der ganz neue Automarkt“ versehen und machen damit deutlich, dass es sich bei der beworbenen Zeitung, die „ab 14. September im Internet und in 237.082 http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000070907BJNE002900315&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 13 - Haushalten in und um Osnabrück“ erscheinen soll, um eine Zeitung handelt, die einen neuen Markt auf den genannten Gebieten eröffnen soll und demnach insbesondere einen entsprechenden Anzeigenteil enthält. Die in den Werbeanzeigen als unvollständiges Puzzle abgebildete Titelseite einer Ausgabe des neuen Presseerzeugnisses lässt auf den vorhandenen Puzzleteilen darüber hinaus erkennen, dass die beworbene Zeitung nicht nur Werbung, sondern - jedenfalls in der mittleren Spalte der Titelseite - auch redaktionelle Beiträge aufweist. Daraus , dass das Porträtfoto des Klägers ersichtlich einem solchen - wenn auch möglicherweise bis auf die Wörter „nicht völlig tabu“ nicht lesbaren - redaktionellen Beitrag zugeordnet ist, geht hervor, dass das Magazin auch eine redaktionelle Berichterstattung über prominente Personen enthält.
- 28
- Darüber hinaus berücksichtigt die Revisionserwiderung nicht hinreichend , dass die fehlenden Puzzleteile der Titelseite unter der transparenten weißen Farbe durchschienen und bei der - im Tatbestand abgebildeten - Anzeige vom 16. Juli 2006 zwar nur zwei Puzzlestücke die Nullnummer erkennen ließen, bei den Anzeigen vom 23. und vom 30. Juli 2006 aber jeweils ein weiteres Puzzlestück hinzukam. Die Werbekampagne war demnach ersichtlich darauf angelegt, die Neugier der Werbeadressaten auf die Titelseite und damit auf die Gestaltung und den Inhalt des neuen Presseerzeugnisses zu lenken und diese Neugier nach und nach dadurch zu befriedigen, dass das sechsteilige Puzzle von Woche zu Woche durch ein jeweils hinzukommendes Puzzleteil vervollständigt wird und schließlich die vollständige Titelseite des neuen Magazins zu sehen ist.
- 29
- 4. Die Prüfung, ob die in der Werbekampagne der Beklagten verwendete Fotografie des Klägers als Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ohne seine Einwilligung verbreitet werden darf, erfordert eine Abwägung zwischen dem Interesse des Klägers am Schutz seiner http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE314122006&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE300452009&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE314122006&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE300452009&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 14 - Persönlichkeit und dem von der Beklagten wahrgenommenen Informationsinteresse der Öffentlichkeit (vgl. BGHZ 169, 340 Rn. 18 - Rücktritt des Finanzministers ; BGH, GRUR 2009, 1085 Rn. 15 - Wer wird Millionär?; GRUR 2010, 546 Rn. 16 - Der strauchelnde Liebling).
- 30
- a) Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers wiegt, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, nicht besonders schwer.
- 31
- aa) Das Gewicht des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer prominenten Person, die ohne ihre Einwilligung in einer Werbeanzeige abgebildet wird, bemisst sich vor allem nach dem Ausmaß, in dem die Werbung den Werbewert und das Image der Person ausnutzt. Besonderes Gewicht hat ein solcher Eingriff, wenn die Werbung den Eindruck erweckt, die abgebildete Person identifiziere sich mit dem beworbenen Produkt, empfehle es oder preise es an (vgl. BGHZ 169, 340 Rn. 19 - Rücktritt des Finanzministers, mwN). Erhebliches Gewicht kommt einem derartigen Eingriff auch dann zu, wenn durch ein unmittelbares Nebeneinander der Ware und des Abgebildeten in der Werbung das Interesse der Öffentlichkeit an der Person und deren Beliebtheit auf die Ware übertragen wird, weil der Betrachter der Werbung eine gedankliche Verbindung zwischen dem Abgebildeten und dem beworbenen Produkt herstellt , die zu einem Imagetransfer führt (BGH, GRUR 2009, 1085 Rn. 31 - Wer wird Millionär?, mwN). Dagegen hat der Eingriff geringeres Gewicht, wenn die Abbildung einer prominenten Person in der Werbung weder Empfehlungscharakter hat noch zu einem Imagetransfer führt, sondern lediglich die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das beworbene Produkt lenkt (BGH, GRUR 2010, 546 Rn. 19 - Der strauchelnde Liebling).
- 32
- Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts erweckt die in der Internetwerbung und den Zeitungsanzeigen erkennbare Abbildung des Klägers auf der Titelseite der Zeitung nicht den Eindruck, der Kläger empfehle das beworbene Medienprodukt. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung kann aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen auch nicht angenommen werden, dass der Betrachter der Werbung eine gedankliche Verbindung zwischen dem Kläger und dem „Cross-Media-Magazin“ herstellt, die dazu führt, dass der Betrachter das Interesse am Kläger und dessen Beliebtheit auf das „Cross-Media-Magazin“ überträgt. Auch die - im Tatbestand abgebildete - Zeitungsanzeige vom 16. Juli 2006 hat entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung keinen solchen Imagetransfer zur Folge.
- 33
- Das Berufungsgericht hat allerdings angenommen, diese Anzeige stelle einen subtilen Bezug zwischen dem Werbeslogan „Die ganz neue Partnerbörse“ und den herabrieselnden Herzen einerseits sowie dem darunter befindlichen Puzzlestück mit dem Foto des Klägers und dem mit Fettdruck hervorgehobenen Titelausschnitt „nicht völlig tabu“ andererseits her. Daraus werde besonders deutlich, dass es der Beklagten nicht um eine Vermittlung von Informationen , sondern um eine Anpreisung ihres Produktes mit der naheliegenden Aussage gegangen sei, auch das Privatleben und die Person des Klägers seien „nicht völlig tabu“. Diese Feststellungen rechtfertigen zwar die Annahme, dass die Beklagte die Aufmerksamkeit der Werbeadressaten mit der Abbildung des Klägers auf das beworbene „Cross-Media-Magazin“ lenken wollte; sie bieten aber keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte den Werbewert oder das Image des Klägers über diese Aufmerksamkeitswerbung hinaus zur Werbung für ihr Presseerzeugnis ausgenutzt hat.
- 34
- bb) Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers betrifft auch lediglich die - einfachrechtlich geschützten - vermögenswerten Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einschließlich des Rechts am eigenen Bild und berührt nicht die - auch verfassungsrechtlich gewährleisteten - ideellen Be- http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE300432000&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE364520601&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/ [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/ [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/ [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE314122006&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE300452009&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 16 - standteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 1999 - I ZR 49/97, BGHZ 143, 214, 218 ff. - Marlene Dietrich; BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. August 2006 - 1 BvR 1168/04, GRUR 2006, 1049, 1050 f. = WRP 2006, 1361; BGHZ 169, 340 Rn. 21 - Rücktritt des Finanzministers; BGH, GRUR 2010, 546 Rn. 21 - Der strauchelnde Liebling). Bei der verwendeten Fotografie handelt es sich um eine neutrale Porträtaufnahme , die den Kläger nicht ungünstig darstellt. Übertitel und Haupttitel sowie Text des Beitrags beeinträchtigen das Ansehen des Klägers nicht.
- 35
- b) Die Revision beanstandet mit Recht, dass das Berufungsgericht der Pressefreiheit der Beklagten ein zu geringes Gewicht beigemessen hat.
- 36
- aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Werbung eines Unternehmens für das eigene Presseerzeugnis ebenso wie das Presseerzeugnis selbst den Schutz der Pressefreiheit genießt (BGH, GRUR 2010, 546 Rn. 23 - Der strauchelnde Liebling, mwN). Danach darf auf dem Titelblatt eines Presseerzeugnisses mit dem Bildnis einer prominenten Person geworben werden, wenn das Presseerzeugnis eine dem Schutz der Pressefreiheit unterliegende Berichterstattung über diese Person enthält (BGH, Urteil vom 14. März 1995 - VI ZR 52/94, WRP 1995, 613, 614 f. - Chris Revue) oder bereits das Titelblatt eine die Abbildung rechtfertigende Berichterstattung aufweist (vgl. BGH, GRUR 2009, 1085 Rn. 17 ff. - Wer wird Millionär?). Das gilt nicht nur für die Werbung auf dem Titelblatt der Zeitung selbst, sondern auch für eine Werbung in Anzeigen, in denen - wie hier - das Titelblatt der Zeitung abgebildet ist (vgl. BGH, GRUR 2010, 546 Rn. 24 - Der strauchelnde Liebling).
- 37
- Jedenfalls die Abbildung des zusammengefalteten Exemplars der Nullnummer des „Cross-Media-Magazins“ in der Internetwerbung der Beklagten enthält - wie oben II 3 b aa (Rn. 17 ff.) ausgeführt - mit dem Übertitel, dem http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000010949BJNE002100314&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000010949BJNE002100314&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 17 - Haupttitel und den lesbaren Textstellen eine durch die Pressefreiheit geschützte Berichterstattung. Sie ist entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht so inhaltsarm, dass sie ein die Persönlichkeitsrechte des Klägers überwiegendes Informationsinteresse der Werbeadressaten nicht befriedigen könnte. Sie informiert den Leser über den Stand der gerichtlichen Auseinandersetzungen des Klägers zur Verhinderung einer Berichterstattung über seine Hochzeit. An einer solchen Berichterstattung hatte die Öffentlichkeit damals ein erhebliches Interesse.
- 38
- bb) Darüber hinaus ist der Pressefreiheit der Beklagten im Streitfall besonderes Gewicht beizumessen, weil sämtliche Werbeanzeigen - wie oben II 3 b bb (Rn. 22 ff.) ausgeführt - dazu bestimmt und geeignet waren, die Öffentlichkeit über die Gestaltung und den Inhalt des geplanten Presseerzeugnisses zu unterrichten. Dem steht nicht entgegen, dass der mit dem Porträtfoto des Klägers bebilderte Artikel in den Werbeanzeigen nur ausschnittsweise wiedergegeben und in den Zeitungsanzeigen nur schlecht oder nicht zu lesen ist.
- 39
- c) Die gebotene Abwägung der betroffenen Interessen ergibt, dass im Streitfall der Pressefreiheit der Beklagten gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des Klägers größeres Gewicht zukommt.
- 40
- aa) Bei der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass die - hier allein betroffenen (vgl. oben Rn. 34) - vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers einschließlich seines Rechts am eigenen Bild nur einfachrechtlich geschützt sind, während die Beklagte sich auf das verfassungsrechtlich geschützte Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK) berufen kann. Den nur einfachrechtlich geschützten vermögensrechtlichen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts kommt nicht grundsätzlich der Vorrang gegenüber der verfassungsrechtlich ge- http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE318352008&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/ [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/ [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE279029801&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE279029801&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000010949BJNE002100314&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000010949BJNE002100314&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 18 - schützten Pressefreiheit zu (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2008 - I ZR 96/07, GRUR 2008, 1124 Rn. 14 = WRP 2008, 1524 - Zerknitterte Zigarettenschachtel ; BGH, GRUR 2010, 546 Rn. 28 - Der strauchelnde Liebling).
- 41
- bb) Das Berufungsgericht hat bei der erforderlichen Abwägung der betroffenen Interessen zu Unrecht dem Umstand besondere Bedeutung zugemessen , dass eine vollständige Veröffentlichung des ausschnittsweise abgedruckten Artikels in dem beworbenen Medium zu keiner Zeit geplant war.
- 42
- (1) Da die Freiheit zur Gründung und Gestaltung von Presseerzeugnissen im Zentrum der Pressefreiheit steht (BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 1998 - 1 BvR 1861/93, 1 BvR 1864/96, 1 BvR 2073/97, BVerfGE 97, 125, 144 mwN), erstreckt sich deren Schutz in besonderem Maße auf die Werbung zur Einführung eines neuen Presseerzeugnisses. Ein Verlag hat ein erhebliches, berechtigtes Interesse, im Rahmen einer solchen Einführungswerbung mit der Abbildung eines Titelblatts zu werben, um den Werbeadressaten - das ist im Streitfall vor allem die werbetreibende Wirtschaft - das Aussehen und die Ausrichtung der neuen Zeitung vor Augen zu führen. Der Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG umfasst deshalb die Werbung mit der Abbildung einer Titelseite, die die Öffentlichkeit beispielhaft über Gestaltung und Inhalt des neuen Presseerzeugnisses informiert (vgl. BGH, GRUR 2010, 546 Rn. 26 - Der strauchelnde Liebling).
- 43
- (2) Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass eine mit zeitlichem Vorlauf veranstaltete Werbekampagne zur Markteinführung eines neuen Presseprodukts vor dem Problem steht, dass bei der Werbung eingesetzte Informationen zum Zeitpunkt des Erscheinens des Presseprodukts veraltet und damit nicht mehr von Interesse sind. Dennoch hat es angenommen, die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie in einer Werbung mit einer Nullnummer eines Presseprodukts auch Artikel verwenden dürfe, die später nicht erscheinen.
- 44
- Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat das - jedenfalls bis zum Zeitpunkt des Erscheinens der Erstausgabe die Interessen des Klägers grundsätzlich überwiegende - Interesse der Beklagten, mit der beispielhaften Titelseite einer fiktiven Ausgabe der geplanten Zeitung werben zu dürfen, nicht deshalb geringeres Gewicht, weil der Artikel, der auf der Titelseite der abgebildeten Zeitung neben dem Porträtfoto des Klägers ausschnittsweise abgedruckt ist, nicht in dem beworbenen Magazin erscheinen sollte. Die Beklagte war nicht verpflichtet , das in der Einführungswerbung abgebildete Zeitungsexemplar mit den dort abgedruckten Beiträgen tatsächlich auf den Markt zu bringen. Die Pressefreiheit würde übermäßig eingeschränkt, wenn ein Verlag, der für eine künftig erscheinende Zeitung in zulässiger Weise mit der Abbildung einer beispielhaften Titelseite wirbt, verpflichtet wäre, Beiträge zu Themen zu veröffentlichen, die zum Zeitpunkt des Beginns der Werbekampagne aktuell waren, zum Zeitpunkt des Erscheinens der Erstausgabe aber möglicherweise überholt sind (BGH, GRUR 2010, 546 Rn. 31 - Der strauchelnde Liebling).
- 45
- cc) Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, bei der erforderlichen Abwägung verdienten die Interessen des Klägers den Vorrang, weil der Informationsgehalt der Werbung nicht nur wegen des zeitlichen Abstands zur Hochzeit , sondern vor allem wegen des nur ausschnittsweise erfolgten Abdrucks des Artikels erheblich herabgesetzt gewesen sei und sich vornehmlich den Sympathiewert des Klägers zunutze gemacht habe.
- 46
- (1) Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die Zulässigkeit einer Einführungswerbung für Presseerzeugnisse überspannt, indem es dem Umstand entscheidende Bedeutung beigemessen hat, dass der Informationsgehalt http://www.juris.de/jportal/portal/t/1mkx/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=jzs-WRP-957-8-0197&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 20 - der Werbung wegen des zeitlichen Abstands zur Hochzeit erheblich herabgesetzt gewesen sei. Eine Einführungswerbung für ein Presseerzeugnis benötigt erfahrungsgemäß eine gewisse Vorlaufzeit. Wird in der Einführungswerbung in zulässiger Weise mit der Abbildung einer beispielhaften Titelseite dieses Presseerzeugnisses geworben, darf diese daher Beiträge zu Themen enthalten, die zum Zeitpunkt des Beginns der Werbekampagne aktuell waren, im Verlauf der Werbekampagne aber möglicherweise an Aktualität verlieren. Es kann nicht verlangt werden, dass in einer Einführungswerbung für ein Presseerzeugnis ständig neue Titelseiten von Nullnummern hergestellt und verwendet werden, die Beiträge zu Themen enthalten, die am Tage des Erscheinens der jeweiligen Anzeige aktuell sind.
- 47
- (2) Das Berufungsgericht hat ferner damit, dass es den Interessen des Klägers den Vorrang eingeräumt hat, weil der Informationsgehalt der Werbung wegen des nur ausschnittsweisen Abdrucks des Artikels erheblich herabgesetzt gewesen sei, zu hohe Anforderungen an den Informationswert einer von der Pressefreiheit geschützten Berichterstattung gestellt und die Besonderheiten einer Einführungswerbung für ein Presseerzeugnis nicht hinreichend berücksichtigt. Auch eine Berichterstattung mit geringem Informationswert ist von der Pressefreiheit geschützt (BGH, WRP 1995, 613, 615 - Chris Revue). Zudem liegt der Informationswert einer Einführungswerbung für ein Presseerzeugnis vor allem in der Unterrichtung der Öffentlichkeit über dessen Inhalt und Gestaltung. Dieser Informationswert wird nicht dadurch herabgesetzt, dass der Text eines Artikels, der sich auf der beispielhaft abgebildeten Titelseite des Presseerzeugnisses befindet, nicht vollständig abgedruckt ist.
- 48
- (3) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Werbung sich auch nicht vornehmlich den Sympathiewert des Klägers zunutze gemacht. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagten sei es nicht um die Informa- tion über die Hochzeit des Klägers, sondern um die Ausnutzung der Bekanntheit und Beliebtheit des Klägers für ihre wirtschaftlichen Eigeninteressen gegangen. Dies ergebe sich vor allem aus den Zeitungsanzeigen, in denen vor allem das Porträtfoto des Klägers als Blickfang in der Mitte der Nullnummer Aufmerksamkeit errege. Auch bei dieser Beurteilung vernachlässigt das Berufungsgericht , dass die Zeitungsanzeigen die Öffentlichkeit ersichtlich nicht in erster Linie über die Hochzeit des Klägers, sondern über den Inhalt und die Gestaltung des geplanten „Cross-Media-Magazins“ unterrichten sollten. Mit der Abbildung eines Porträtfotos des Klägers hat die Beklagte zwar - wie unter II 4 a aa (Rn. 31 ff.) ausgeführt - die Aufmerksamkeit der Werbeadressaten auf Inhalt und Gestaltung der geplanten Zeitung gelenkt; sie hat den Werbewert oder das Image des Klägers aber nicht über diese Aufmerksamkeitswerbung hinaus ausgenutzt.
- 49
- dd) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung erweisen sich die beanstandeten Anzeigen auch nicht deswegen als rechtswidrig, weil es der Beklagten möglich gewesen wäre, ein anderes - bereits erschienenes - Testexemplar abzubilden.
- 50
- Allerdings verletzt die Werbung für eine geplante Zeitung mit der Titelseite eines Testexemplars, auf der eine prominente Person abgebildet ist, das Recht dieser Person am eigenen Bild von dem Zeitpunkt an, zu dem es dem Werbenden möglich und zumutbar war, die Abbildung der Titelseite des Testexemplars durch die Abbildung der Titelseite einer tatsächlich erschienenen Ausgabe der Zeitung zu ersetzen (BGH, GRUR 2010, 546 Rn. 32 - Der strauchelnde Liebling).
- 51
- Die Revisionserwiderung macht ohne Erfolg geltend, die Beklagte hätte danach das Titelblatt der von der Beklagten zu den Akten gereichten, bereits in http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE085202377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/21cf/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=13&fromdoctodoc=yes&doc.id=PRRE006118007&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/21cf/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=13&fromdoctodoc=yes&doc.id=PRRE006118007&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE300432000&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2128/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE300432000&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 22 - gedruckter Form vorliegenden Nullnummer des „Cross-Media-Magazins“ vom 3. August 2006 abbilden müssen und nicht das den Kläger zeigende, rein fiktive Titelblatt. Die Beklagte hat ihr Vorhaben, das geplante „Cross-Media-Magazin“ auf den Markt zu bringen, noch vor dem Erscheinen einer Erstausgabe eingestellt. Auch die Ausgabe des „Cross-Media-Magazins“ vom 3. August 2006 ist daher nicht erschienen.
- 52
- III. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Der Kläger kann von der Beklagten keinen Schadensersatz (§ 823 Abs. 1 und 2 BGB) oder Bereicherungsausgleich (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB) wegen eines Eingriffs in sein Namensrecht (§ 12 BGB) beanspruchen. Ihm steht daher auch unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt kein Anspruch auf Auskunftserteilung über die Werbekampagne zu.
- 53
- 1. Durch die Nennung seines Namens in der Werbung ist zwar in das Recht des Klägers eingegriffen worden, darüber zu bestimmen, ob der eigene Name zu Werbezwecken benutzt werden darf (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 1959 - IV ZR 182/58, BGHZ 30, 7, 9 ff. - Caterina Valente; Urteil vom 26. Juni 1981 - I ZR 73/79, BGHZ 81, 75, 78 - Carrera). Diese Befugnis stellt, soweit sie dem Schutz kommerzieller Interessen des Namensträgers dient, ebenfalls einen vermögenswerten Bestandteil des Persönlichkeitsrechts dar (BGHZ 143, 214, 230 - Marlene Dietrich).
- 54
- 2. Die gebotene Abwägung der Interessen führt aber dazu, dass dem Interesse der Beklagten an einer Information der Allgemeinheit über die Gestaltung und Ausrichtung ihrer neuen Zeitung gegenüber dem Interesse des Klägers am Schutz seines Namensrechts der Vorrang einzuräumen ist. Insofern kann auf die Ausführungen zum Recht am eigenen Bild (Rn. 10 ff.) verwiesen werden.
- 55
- IV. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts ist zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Kirchhoff Koch
Vorinstanzen:
LG Osnabrück, Entscheidung vom 21.12.2007 - 12 O 594/07 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 30.06.2008 - 13 U 12/08 -
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 9.7.2014 (28 O 522/13) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten je zur Hälfte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Die Parteien streiten um die Zulässigkeit der Wortberichterstattung in einer Print- bzw. einer Onlineausgabe der Beklagten.
4Der Kläger ist ein bekannter Journalist und moderierte bis März 2010 u.a. die von ihm produzierte die Sendung „Das Wetter im Ersten“. Ab Frühjahr 2010 wurde gegen ihn wegen des Verdachts der Vergewaltigung ermittelt. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe fanden in der Öffentlichkeit große Beachtung und waren Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen in verschiedenen Medien. Am 31.05.2011 wurde der Kläger freigesprochen.
5Die Beklagte zu 1), die ursprünglich unter „T AG“ firmierte, verlegt die Zeitungen „C“ und „C2“. Die Beklagte zu 2) betreibt unter der Domain www.C.de die Online-Ausgaben dieser beiden Zeitungen.
6Im vorliegenden Fall veröffentlichte die Beklagte zu 1) in ihrer Printausgabe vom 7.4.2010 den Wortlaut einiger SMS-Nachrichten, die der Kläger, beginnend im Oktober 2009 über mehrere Wochen an Frau X, ein ehemaliges Mitglied der Pop-Band „C3“ geschickt hatte und die von Frau X an einen Redakteur der Beklagten weitergegeben worden waren. Die Beklagte zu 2) veröffentlichte dieselben Nachrichten ebenfalls im Wortlaut in ihrer Online-Ausgabe vom selben Tage. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
7Nach Erlass entsprechender einstweiliger Verfügungen vom 7.4.2010 (28 O 194/10 LG Köln sowie 28 O 193/10 LG Köln) hat der Kläger im vorliegenden Hauptsacheverfahren Klage erhoben.
8Er hat beantragt,
91. die Beklagte zu 1) hat es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, SMS-Nachrichten, die der Kläger ausschließlich an Frau X gesendet hat, zu verbreiten, wenn dies geschieht wie nachstehend wiedergegeben in der Ausgabe der Tageszeitung Bild vom 7.4.2010 im Artikel „Popstar X und L“:
10„Wie erreicht man als Alm-Öhi, dass Du Heidi wirst?“
11„Wie schnell sollte man sein, damit einem andere nicht zuvorkommen“?
12„Ich hatte gehofft, besonders zu sein“
13„Es war auch wunderschön zu spüren, dass Du kein Blödchen bist, wie blöde alte Männer bei Castingmädchen denken könnten“
14„Grmpf, greif ins voll Eifersüchtigguck“
15„Ohoho, Stalking grenzwert erreicht?“
16„Ich ahnte es so. Nach Alpöhi-Weltbild würde das arme Vreni nur noch zu Hause wild sein dürfen“
17„Sympathisch, Lausemädchen“
18- 19
2. die Beklagte zu 1) wird verurteilt, den Kläger von der Forderung der I Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft für die außergerichtliche Rechtsverfolgung in Höhe von 445,05 Euro freizustellen.
3. die Beklagte zu 2) hat es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, SMS-Nachrichten, die der Kläger ausschließlich an Frau X gesendet hat, zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten, wenn dies geschieht wie nachstehend wiedergegeben unter der Domain C.de im Artikel vom 7.4.2010 mit der Überschrift „POPSTAR X UND L – Er schickte ihr 50 heiße Flirt-SMS“:
21„Wie erreicht man als Alm-Öhi, dass Du Heidi wirst?“
22„Wie schnell sollte man sein, damit einem andere nicht zuvorkommen“?
23„Ich hatte gehofft, besonders zu sein“
24„Es war auch wunderschön zu spüren, dass Du kein Blödchen bist, wie blöde alte Männer bei Castingmädchen denken könnten“
25„Grmpf, greif ins voll Eifersüchtigguck“
26„Ohoho, Stalking grenzwert erreicht?“
27„Ich ahnte es so. Nach Alpöhi-Weltbild würde das arme Vreni nur noch zu Hause wild sein dürfen“
28„Sympathisch, Lausemädchen“
294. die Beklagte zu 2) wird verurteilt, den Kläger von der Forderung der I Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft für die außergerichtliche Rechtsverfolgung in Höhe von 445,05 Euro freizustellen.
30Die Beklagten haben beantragt,
31die Klage abzuweisen.
32Mit Urteil vom 9.7.2014 hat die Kammer der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Veröffentlichungen der SMS-Zitate durch die Beklagten stellten einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers dar. Ob die Beklagten die Geheimsphäre des Klägers verletzt hätten, könne offen bleiben, da jedenfalls mangels eines überwiegenden öffentlichen Informationsinteresses ein rechtswidriger Eingriff in die Privatsphäre vorliege. Das legitime Interesse der Öffentlichkeit am Verlauf und Inhalt des Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger sowie die öffentliche Diskussion betreffend sein langjähriges, von Untreue geprägtes Beziehungsverhalten rechtfertigten nicht die Veröffentlichung privatester SMS-Nachrichten. Eine Verdachtsberichterstattung liege – unabhängig von der Frage, ob dies eine Verletzung der Geheimsphäre des Klägers rechtfertigen würde – schon deshalb nicht vor, weil die Beziehung zwischen dem Kläger und Frau X nicht Gegenstand des Ermittlungsverfahrens gewesen sei.
33Mit der Berufung verfolgen die Beklagten ihren erstinstanzlichen Antrag auf Klageabweisung weiter. Sie rügen, dass das Landgericht die Voraussetzungen einer Verdachtsberichterstattung im Hinblick darauf hätte bejahen müssen, dass in beiden Beiträgen Frau X mit der Äußerung zitiert werde: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein so charmanter und liebevoller Mann wie L eine Frau vergewaltigt haben soll“. Diese Einschätzung in Bezug auf den Kläger habe durch Wiedergabe des Inhalts der betreffenden SMS untermauert werden sollen. Das Ermittlungs- und Strafverfahren habe sich nicht allein auf den Vergewaltigungsvorwurf, sondern auch auf die Beziehungen zwischen dem Kläger und seinen zahlreichen Ex-Freundinnen bezogen, die im Rahmen der Hauptverhandlung als Zeuginnen vernommen worden seien. Insofern sei auch die Kommunikation des Klägers per SMS-Nachrichten bei der Anbahnung von Beziehungen zu Frauen von Bedeutung. Die Beklagten bestreiten wie schon in erster Instanz, dass der Kläger davon ausgegangen sei und ausgehen durfte, dass seine an Frau X gerichteten Äußerungen Dritten nicht zugänglich gemacht würden. Der Kläger habe Frau X in seinen Schriftsätzen als flüchtige Bekannte bezeichnet, die in der öffentlichen Wahrnehmung als leicht naiv gelte. Vor diesem Hintergrund sei es nicht nachvollziehbar, dass er davon ausgegangen sei, Frau X werde die empfangenen Textnachrichten nicht an Dritte weitergeben. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schütze nicht das Vertrauen darin, dass derjenige, dem ein Geheimnis anvertraut werde, sich dieses Vertrauens auch würdig erweise. Die Indiskretion durch Frau X hindere die Beklagten daher nicht, die von ihr erhaltenen Informationen auch öffentlich zu machen. Es handele sich darüber hinaus bei dem SMS-Mitteilungen nicht um „privateste Mitteilungen“, sondern um alltägliche Äußerungen ohne jeglichen Bezug zu besonders privaten oder gar intimen Sachverhalten. Schließlich sei das angefochtene Urteil widersprüchlich, weil die Kammer die Frage einer Verletzung der Geheimsphäre zunächst offen lasse, eine solche bei der Interessenabwägung jedoch bejahe.
34Die Beklagten beantragen,
35unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 9.7.2014 (28 O 522/13) die Klage abzuweisen.
36Der Kläger beantragt,
37die Berufung zurückzuweisen.
38Er vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die Beziehungen des Klägers zu anderen Frauen seien für den strafrechtlichen Vorwurf irrelevant gewesen. Zu Frau X habe auch keine (intime) Beziehung bestanden, so dass die Wiedergabe der SMS-Nachrichten allein dazu gedient habe, das Sensationsinteresse der Öffentlichkeit zu befriedigen. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Beiträge habe es noch keine öffentliche Diskussion über das Beziehungsverhalten und die Kommunikationsgewohnheiten des Klägers gegeben. Der Kläger habe mit einer Weiterverbreitung der SMS-Nachrichten auch nicht rechnen müssen, da selbst eine vermeintlich naive Person aufgrund des privaten Charakters der Mitteilungen ohne weiteres habe erkennen können, dass der Kläger mit der Weitergabe an einen Redakteur der Bildzeitung nicht einverstanden sei. Die SMS-Nachrichten des Klägers seien schon deshalb als privat einzustufen, weil es ersichtlich um die Anbahnung eines intimen Verhältnisses bzw. einen „Flirt“ gegangen sei. Für die Frage einer Rechtswidrigkeit des Eingriffs in die Privatsphäre des Klägers sei ohne Bedeutung, ob Frau X aus dem Motiv heraus gehandelt habe, als Fürsprecherin des Klägers aufzutreten. Soweit das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung im Rahmen der Interessenabwägung den Begriff „Geheimsphäre“ verwende, handele es sich um ein offensichtliches Versehen, da die „Privatsphäre“ gemeint sei. Aus einer gegebenenfalls unpräzisen Verwendung der Begriffe aus der Sphärentheorie könne kein Rechtsfehler im Sinne von § 520 ZPO abgeleitet werden.
39II.
40Die Berufung der Beklagten ist unbegründet, weil das Landgericht der Klage auf Unterlassung und Freistellung von außergerichtlichen Anwaltskosten zu Recht stattgegeben hat. Denn unabhängig von der Frage, ob der Inhalt der veröffentlichten SMS-Nachrichten „privateste“ oder gar intime Details des Klägers preisgibt, besteht jedenfalls kein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse an der Wiedergabe dieser Textnachrichten im Wortlaut, so dass dem Kläger ein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK zusteht.
41Im Einzelnen:
421. Es liegt ein Eingriff der Beklagten in die Privatsphäre des Klägers dadurch vor, dass sie die ihnen durch Frau X rechtswidrig, weil ohne Einwilligung des Klägers, zur Verfügung gestellten SMS-Nachrichten in ihrem Wortlaut veröffentlicht haben und damit die Äußerungen des Klägers über seine Gefühle und Empfindungen in Form des von ihm geschriebenen Wortes der Öffentlichkeit bekannt gemacht haben. Denn diese Äußerungen betreffen die Vertraulichkeitssphäre des Klägers sowie sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. BGH, Urt. v. 30.09.2014 - VI ZR 490/12, AfP 2014, 534).
43a. Die Vertraulichkeitssphäre und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützen als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts das Interesse des Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt privater Nachrichten nicht an die Öffentlichkeit gelangt (vgl. BGH, Urt. v. 30.09.2014 - VI ZR 490/12, AfP 2014, 534 m.w.N.). Sie gewährleisten die Selbstbestimmung über die eigene Darstellung in der Kommunikation mit anderen und beziehen sich neben gesprochenen und geschriebenen Worten auch auf alle weiteren Kommunikationswege. Allein dem Betroffenen steht die Befugnis zu, selbst zu bestimmen, ob die betreffende Äußerung in ihrem jeweils übermittelten Inhalt nur dem jeweiligen Gesprächspartner, einem eingeschränkten Personenkreis oder uneingeschränkt der Öffentlichkeit übermittelt werden soll. Denn der Einzelne hat ein grundsätzliches Recht darauf, nicht den Blicken der Öffentlichkeit ausgesetzt zu sein und selbst zu bestimmen, ob er Äußerungen z.B. nur einem Gesprächspartner, einem bestimmten Adressatenkreis oder der Öffentlichkeit zugänglich macht (BVerfG, Beschl. v. 3.6.1980 - 1 BvR 185/77, juris; BGH, Urt. v. 30.09.2014 - VI ZR 490/12, AfP 2014, 534; BGH, Urt. v. 21.11.2006 - VI ZR 259/05, NJW-RR 2007, 619; OLG Saarbrücken, Urt. v. 13.6.2012 – 5 U 5/12, juris; OLG Stuttgart, Urt. v. 10.11.2010 – 4 U 96/10, juris). In welchem Umfang der Einzelne berechtigterweise davon ausgehen darf, den Blicken der Öffentlichkeit nicht ausgesetzt zu sein, lässt sich dabei nur unter Berücksichtigung der konkreten Situation und damit unter Einbeziehung des eigenen Verhaltens des Betroffenen beurteilen. Der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme kann etwa dort entfallen oder zumindest im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung zurücktreten, wo sich der Betroffene selbst damit einverstanden erklärt hat, dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden (BVerfG NJW 2006, 3406) oder wo er selbst an die Öffentlichkeit getreten ist. Letzteres scheidet vorliegend aus.
44b. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt eine Einwilligung des Klägers mit einer Veröffentlichung der SMS-Nachrichten durch die Beklagten oder ein sonstiges Einverständnis seinerseits mit einer Verbreitung dieser Nachrichten durch Frau X an Dritte nicht vor.
45aa. Dabei ist im Hinblick auf die Zweckbestimmung der Nachrichten zunächst zu berücksichtigen, dass die streitgegenständlichen SMS-Nachrichten nur an Frau X und nicht auch an weitere Personen oder gar an einen nicht überschaubaren Personenkreis gerichtet waren. Der Kläger hatte damit in Bezug auf die Empfängerin ersichtlich die Bestimmung getroffen, dass seine in Textform fixierten Gedanken und Gefühle lediglich einer bestimmten Person, nämlich der konkreten Empfängerin, eröffnet werden sollten. Soweit die Beklagten bestritten haben, dass Frau X die einzige Empfängerin der Textnachrichten war und behauptet haben, der Kläger habe sie auch anderen Personen zugänglich gemacht (Bl. 48 GA), woraus gegebenenfalls ein Einverständnis mit einer Verbreitung über den unmittelbaren Empfängerkreis hinaus abgeleitet werden könnte, hat das Landgericht diesen Vortrag zu Recht als unsubstantiiert bzw. „ins Blaue hinein“ eingestuft. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es der Kläger war, der eine Verbreitung der Nachrichten in der Öffentlichkeit initiiert hat. Vielmehr behaupten die Beklagten selbst, dass Frau X sich konkret ihrem Redakteur offenbart hat – in keinem anderen Pressemedium sind die fraglichen Nachrichten zuvor oder zeitgleich abgedruckt bzw. veröffentlicht worden.
46bb. Die getroffene Geheimhaltungsbestimmung des Klägers gilt auch unabhängig davon, ob er für den Versand seiner Erklärungen den traditionellen Postweg oder - wie hier - ein modernes Kommunikationsmittel gewählt hat. Der Postversand im Kuvert gewährleistet lediglich, dass sich Dritte vom Inhalt des Schreibens nicht ohne weiteres selbst Kenntnis verschaffen können. Diese Garantie ist beim Versand von E-Mails und SMS-Nachrichten aufgrund der modernen technischen Möglichkeiten zwar nicht verlässlich gegeben. Daraus ergeben sich jedoch keine Unterschiede in Bezug auf die vom Verfasser nicht gewollte und damit persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigende Veröffentlichung ihres Inhaltes (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 13.6.2012 – 5 U 5/12, juris).
47cc. Eine wirksame Einwilligung zur Veröffentlichung der SMS-Nachrichten konnte den Beklagten auch nicht durch Frau X erteilt werden. Denn da die Beklagten lediglich den Wortlaut solcher SMS-Nachrichten veröffentlicht haben, die der Kläger verfasst hatte, konnte eine durch Frau X erteilte Einwilligung mit der Veröffentlichung den damit verbundenen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht rechtfertigen.
48dd. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat der Kläger auch nicht dadurch, dass er die SMS-Nachrichten an eine ihm nur flüchtig bekannte Frau geschickt hat, in eine spätere Veröffentlichung des Wortlauts dieser Nachrichten durch die Presse eingewilligt bzw. eine solche billigend in Kauf genommen. Da es allein Sache des Einzelnen ist, über das zu bestimmen, was den sozialen Geltungsanspruch ausmachen soll, kann für die Annahme eines Eingriffs nicht entscheidend sein, ob einem Schreiben nach seinem Inhalt - sei es aufgrund ausdrücklicher Deklaration oder auch nach den Umständen - besondere Vertraulichkeit zukommt. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob die konkrete Veröffentlichung im jeweiligen Fall die Billigung ihres Verfassers genießt (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 13.6.2012 – 5 U 5/12, juris).
49Die Beklagten legen nicht dar – und es ist auch aus den unstreitigen Umständen nicht ersichtlich – aufgrund welcher Umstände der Kläger Kenntnis davon hatte oder hätte haben müssen, dass Frau X die von ihm abgesandten SMS-Nachrichten zur Veröffentlichung in der Boulevardpresse weitergibt. Es ist zwar, insbesondere bei nur flüchtigen Bekanntschaften wie hier zwischen dem Kläger und Frau X, die sich unstreitig bei einer Veranstaltung kennengelernt hatten und danach ein einziges Mal zusammen essen waren, durchaus anzunehmen, dass dem Absender der SMS-Nachrichten mangels näherer Personenkenntnis eine genaue Einschätzung des Umstands, ob der Empfänger die SMS-Nachrichten später Dritten offenbart, nicht möglich ist. Grundsätzlich darf der Empfänger jedoch jedenfalls bei derart privaten Äußerungen, wie sie im vorliegenden Fall der Kläger getätigt hat, unabhängig vom Grad der Bekanntschaft mit dem Empfänger darauf vertrauen, dass diese jedenfalls nicht in ihrem konkreten Wortlaut öffentlich gemacht werden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger als im Fernsehen präsente und damit prominente Person (vgl. BGH, Urt. v. 19.03.2013 - VI ZR 93/12 , NJW 2013, 1681) gegebenenfalls in höherem Maße als der „Normalbürger“ damit rechnen muss, dass seine privaten Äußerungen an die Presse weitergegeben werden – sei es aus finanziellen Motiven des Empfängers, sei es mit dem Ziel, ein Presseecho über den Empfänger zu erzeugen und wiederum dessen Bekanntheitsgrad zu steigern. Denn auch wenn der Kläger im Rahmen von Wettervorhersagen oder Werbeauftritten im Fernsehen bzw. allgemein in den Medien bekannt war, war er doch nicht in einer Art und Weise prominent, dass er damit rechnen muss, dass seine privaten SMS-Mitteilungen zur eigenen Publicitysteigerung des Empfängers ausgenutzt werden würden.
502. Der Eingriff der Beklagten in die Privatsphäre des Klägers ist auch rechtswidrig. Denn das von ihnen verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit überwiegen nicht das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit.
51a. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ist nur dann rechtswidrig, wenn sein Schutzinteresse die schutzwürdigen Belange der Beklagten überwiegt (vgl. BGH, Urt. v. 29.4.2014 – VI ZR 137/13, AfP 2014, 325). Soweit die Beklagten die Ansicht vertreten, bereits aufgrund der freiwilligen Herausgabe durch Frau X sei ihnen unabhängig von einer Abwägung der betroffenen Grundrechte die Veröffentlichung der SMS-Nachrichten erlaubt, da nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 10.3.1987 – VI ZR 244/85, AfP 1987, 508) das Persönlichkeitsrecht nicht das Vertrauen darin schütze, dass derjenige, dem ein Geheimnis anvertraut wird, sich dieses Vertrauen auch würdig erweist, trifft dies auf die vorliegende Fallgestaltung nicht zu:
52aa. Die Entscheidung des BGH vom 10.3.1987 postuliert zunächst, dass die ungenehmigte Weitergabe von Tonbandaufzeichnungen durch den Gesprächspartner grundsätzlich das Recht der Person zur Selbstbestimmung über das gesprochene Wort verletzt. Das Festhalten der Stimme auf einem Tonträger, durch das nicht nur die Äußerungen ihrem Inhalt nach, sondern in allen Einzelheiten auch des Ausdrucks fixiert und aus der Sphäre einer von der Flüchtigkeit des Worts geprägten Unterhaltung herausgehoben sowie für eine jederzeitige Reproduzierbarkeit in einem gänzlich anderen Kreis und einer anderen Situation objektiviert und konserviert werden, stelle eine derart intensive "Verdinglichung" der Persönlichkeit dar, dass über ihren Kopf hinweg nicht über derartige Aufzeichnungen verfügt werden darf (vgl. BVerfGE 34, 238, 246; BGHZ 27, 284, 286). Der BGH führt weiter aus, dass dann, wenn der Gesprächspartner Tonbandaufzeichnungen ohne Einwilligung des Äußernden an die Presse weitergibt, auch diese das Persönlichkeitsrecht des Äußernden verletzt, wenn ihr bei der Publikation bekannt ist, dass der Äußernde ohne seine Einwilligung eine Veröffentlichung der Tonbandaufzeichnungen nicht wünscht. Überträgt man dies auf den vorliegenden Fall, ergibt sich daraus eine Unzulässigkeit der Berichterstattung der Beklagten, da ihnen im Zeitpunkt der Veröffentlichung zumindest in grober Fahrlässigkeit unbekannt, wenn nicht sogar positiv bekannt war, dass der Kläger mit der Veröffentlichung des Wortlautes der betreffenden SMS-Nachrichten nicht einverstanden war.
53bb. Soweit der BGH die vorstehend wiedergegebenen Grundsätze im weiteren Verlauf der Entscheidung vom 10.3.1987 eingeschränkt und bei der schlichten Indiskretion einen generellen deliktischen Schutz des Persönlichkeitsrechtes in Frage gestellt hat, bezieht sich dies auf diejenigen Fälle, in denen der indiskrete Gesprächspartner nicht die auf Tonband fixierten Äußerungen, sondern vielmehr Inhalte des Gespräches aus eigenem Wissen bzw. auf Basis von eigenen Aufzeichnungen weitergibt. Insoweit stehe, so der BGH, nicht die Verfügung über die Person im Vordergrund, sondern das enttäuschte Vertrauen in die Diskretion des Gesprächspartners, der sich über den Geheimhaltungswillen des sich Äußernden hinwegsetzt. Damit verwirkliche sich für den Betroffenen der Umstand, dass er sich in der Person seines nicht vertrauenswürdigen Gesprächspartners im Grunde der Öffentlichkeit preisgegeben habe, die er irrtümlich für ausgeschlossen ansah. Dem könne grundsätzlich schon durch sorgfältige Auswahl des Gesprächspartners oder durch entsprechende vertraglich vereinbarte Sanktionen entgegengewirkt werden.
54Diese Grundsätze führen im vorliegenden Fall jedoch nicht dazu, dass die Veröffentlichung der SMS-Nachrichten durch die Beklagten vom Kläger geduldet werden muss. Zunächst ist festzuhalten, dass die wortwörtliche Veröffentlichung einer SMS-Nachricht dem Fall einer Weitergabe von Tonbandaufzeichnungen vergleichbar ist. Ähnlich wie bei einer mündlichen Unterhaltung wird bei der Kommunikation per SMS-Nachrichten eine eher umgangssprachlich geprägte, durch Abkürzungen und/oder Verkürzungen gekennzeichnete Sprache verwendet. Vergleichbar mit der Tonbandaufzeichnung des gesprochenen Wortes wird bei einer SMS-Nachricht die Äußerung des Adressaten daher nicht nur ihrem Inhalt nach, sondern auch in den Einzelheiten des Ausdrucks fixiert und aus der Sphäre einer von der Flüchtigkeit des Worts geprägten Unterhaltung herausgehoben und konserviert. Ist damit einer SMS-Nachricht derselbe Schutz zuzubilligen wie der Tonbandaufzeichnung eines Gesprächs, so haben die Beklagten auch in diesen Bereich eingegriffen. Sie haben sich nämlich gerade nicht darauf beschränkt, das von Frau X aus der Kommunikation mit dem Kläger erlangte Wissen, nämlich dass sie ca. 50 Flirtnachrichten vom Kläger erhalten habe, deren Texte mal frech flirtend, mal schüchtern charmant gewesen seien, weiterzugeben, sondern haben vielmehr den exakten Wortlaut der SMS-Nachrichten veröffentlicht, womit die Äußerungen des Klägers gerade in ihrer textlichen Fixierung aller Einzelheiten des Ausdrucks reproduziert wurden. Damit stellt sich die Weitergabe der SMS nicht nur als bloße Indiskretion dar, sondern als eine komplexe Preisgabe der Person des Klägers an die Öffentlichkeit.
55b. Im Streitfall ist daher das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen.
56aa. Bei dieser Abwägung ist zugunsten des Klägers zunächst zu berücksichtigen, dass die Beklagten die streitgegenständlichen SMS-Nachrichten nur deshalb veröffentlichen konnten, weil diese ohne Einwilligung des Klägers und damit in rechtswidriger Art und Weise durch Frau X weitergegeben wurden. Zwar ist es der Presse nicht schlechthin verwehrt, auch rechtwidrig zugetragene Informationen zu veröffentlichen. Das durch die Verfassung gewährleistete Informationsrecht der Presse geht über die Freiheit des Bürgers, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten, hinaus (vgl. Art. 5 Abs. 1 S. 1 und 2 GG). Würde der Presse ein absolutes Verwertungsverbot bezüglich solcher Informationen auferlegt werden, die nach ihrer Kenntnis, aber ohne ihre Beteiligung in rechtswidriger Weise erlangt wurden, so könnte ihre Kontrollaufgabe leiden, zu deren Funktion es gehört, auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen (BVerfGE 66, 116; BGH, Urt. v. 30.9.2014 – VI ZR 490/12, AfP 2014, 534; BGH, Urt. v. 19.12.1978 – VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120). Durch ein solches Verbot wäre ferner die Freiheit des Informationsflusses beeinträchtigt, die gerade durch die Pressefreiheit erhalten und gesichert werden soll. Die Vielfalt möglicher Fallgestaltungen lässt es aus diesen Gründen nicht zu, die Verbreitung rechtswidrig beschaffter Informationen aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG gänzlich auszuschließen. Andererseits muss sich die Presse jedoch stets der Gefahr bewusst bleiben, dass sie durch den Zugriff auf solche Informationen und deren Veröffentlichung Dritte zu Einbrüchen in die geschützte Eigensphäre anderer Personen ermuntern kann (BGH, Urt. v. 19.12.1978 – VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120). Insbesondere hat sie selbst eine Verantwortung gegenüber der Person des Betroffenen, über dessen schützenswerte Belange sie sich nicht rücksichtslos hinwegsetzen darf (KG, Urt. v. 18.4.2011 – 10 U 149/10, juris). Eine derart rücksichtslose Verfügung über die Person des Klägers ist den Beklagten hier aber vorzuwerfen. Den Beklagten war schon aufgrund der Umstände – der Kläger befand sich in Untersuchungshaft, das Ermittlungsverfahren dauerte an – bewusst, dass dieser keine Einwilligung zur wörtlichen Veröffentlichung der betreffenden SMS-Nachrichten erteilen würde und sie haben eine solche Einwilligung auch nicht versucht einzuholen.
57Des Weiteren betreffen die Äußerungen des Klägers in den streitgegenständlichen Textnachrichten seine Privatsphäre. Denn sie enthalten Angaben über seine Gefühle gegenüber Frau X und geben Auskunft über seine Bemühungen, eine (intime) Beziehung mit ihr zu beginnen. In die Intimsphäre sind sie trotz dieses höchstpersönlichen Bezuges nur deshalb nicht einzuordnen, weil sie ihrem konkreten Inhalt nach keine Angaben zu höchstpersönlichen Belangen (sexuelle Vorlieben etc.) enthalten, sondern sich lediglich bei Gesamtschau die sexuell motivierte Situation des Klägers ergibt. Soweit die Beklagten darauf hinweisen, dass die betreffenden SMS-Nachrichten keine besonders brisanten Äußerungen des Klägers beinhalten, sondern sich letztlich auf mehr oder minder alltägliche Bemerkungen im Rahmen eines Flirts beschränken, ändert dies nichts daran, dass aus ihrem Inhalt der Versuch der Anbahnung einer intimen Beziehung deutlich wird. Auf welche Art und Weise der Kläger jedoch versucht, eine intime Beziehung mit einer Frau einzugehen, berührt seine Privatsphäre unabhängig davon, ob die jeweiligen „Anmachsprüche“ für sich gesehen brisante persönliche Details enthüllen oder in ihrer Wortwahl ungewöhnlich bzw. bei öffentlicher Wiedergabe möglicherweise peinlich sind.
58bb. Es ist auf Seiten der Beklagten kein öffentliches Informationsinteresse gegeben, welches einen Eingriff in die Privatsphäre des Klägers durch wortwörtliche Wiedergabe der SMS-Nachrichten rechtfertigen könnte. Weder im Rahmen des gegen den Kläger zum damaligen Zeitpunkt andauernden Ermittlungsverfahrens noch unter Berücksichtigung seiner prominenten Stellung enthalten diese Nachrichten einen Informationswert, der über die reine Befriedigung der öffentlichen Neugier hinausgeht und damit den Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Klägers rechtfertigen könnte.
59(1) Zwar darf über den Kläger als prominente Person in größerem Umfang berichtet werden, wenn die Information einen hinreichenden Nachrichtenwert mit Orientierungsfunktion im Hinblick auf eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte hat und die Abwägung keine schwerwiegenden Interessen des Betroffenen ergibt, die einer Veröffentlichung entgegenstehen. Es ist jedoch nicht ersichtlich, welches Interesse an einer Berichterstattung über die Einzelheiten der privaten Kommunikation des Klägers mit Frau X bestehen sollte, zumal die Beklagten darüber, dass der Kläger den Versuch unternommen hat, eine (intime) Beziehung zu Frau X aufzubauen und dass die betreffenden Kontakte über SMS-Nachrichten geführt wurden, auch hätten berichten können, ohne die Einzelheiten der SMS-Nachrichten wörtlich wiederzugeben. Dabei verkennt der Senat nicht, dass es Medien selbst obliegt, nach publizistischen Kriterien über Gegenstand und Inhalt ihrer Berichterstattung sowie darüber zu entscheiden, was öffentliches Interesse beansprucht (vgl. BGHZ 178, 213; BVerfGE 120, 180). Die Gewichtung des Informationsinteresses zum Zweck der Abwägung mit gegenläufigen Interessen der Betroffenen obliegt im Fall eines Rechtsstreits jedoch den Gerichten (vgl. BGHZ 178, 213; BVerfGE 120, 180). Insoweit ist feststellen, dass der Wortlaut der betreffenden SMS-Nachrichten keinen maßgebenden Informationswert für die Öffentlichkeit hatte und zwar weder im Zusammenhang mit den ursprünglich gegen den Kläger erhobenen strafrechtlichen Vorwürfen noch mit Rücksicht auf die Bekanntheit des Klägers in der Öffentlichkeit und seiner damit verbundenen Leitbild- und Kontrastfunktion. Vielmehr diente die Wiedergabe der SMS-Nachrichten des Klägers an Frau X allein der Befriedigung der Neugier der Öffentlichkeit.
60(2) Soweit zu den Aufgaben der Medien auch die öffentliche Berichterstattung über Straftaten sowie innerhalb der Grenzen zulässiger Verdachtsberichterstattung (vgl. BGH, NJW 2000, 1036) auch die Berichterstattung über ein nur mögliches Fehlverhalten (vgl. KG Berlin, Urt. v. 18.4.2011 – 10 U 149/10, juris) gehört, muss der Kläger auch unter diesem Aspekt die Veröffentlichung der SMS-Nachrichten nicht dulden. Denn diese Aufgaben haben die Beklagten mit der streitgegenständlichen Berichterstattung nicht wahrgenommen, da es sich nicht um eine zulässige Verdachtsberichterstattung handelt.
61Die Beklagten äußern in den betreffenden Beiträgen keinen Verdacht hinsichtlich einer Täterschaft des Klägers in Bezug auf die angebliche Vergewaltigung, sondern sie machen in Form der Wiedergabe von wahren Tatsachen Teile einer privaten Kommunikation öffentlich. Insofern basiert der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch nicht darauf, dass die Beklagten einen Verdacht ohne hinreichende Anhaltspunkte bzw. Recherche geäußert haben, sondern darauf, dass sie seine Privatsphäre durch wortwörtliche Veröffentlichung privater Nachrichten verletzt haben. Auch soweit die Beklagten geltend machen, dass in beiden Beiträgen Frau X mit der Äußerung zitiert wird: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein so charmanter und liebevoller Mann wie L eine Frau vergewaltigt haben soll“ und diese Einschätzung durch Wiedergabe der betreffenden SMS-Nachrichten untermauert werden sollte, handelt es sich auch damit nicht um die Äußerung eines Verdachtes im Hinblick auf das laufende Strafverfahren. Kern des klägerischen Vorwurfs ist auch unter Berücksichtigung des laufenden Ermittlungsverfahrens nicht, dass die Beklagten ihn als möglichen Täter einer Vergewaltigung darstellen, sondern dass sie Einzelheiten seiner privaten Kommunikation mit einer in das Strafverfahren nicht involvierten Frau veröffentlichen.
62Als Verdachtsberichterstattung wäre die wörtliche Wiedergabe der betreffenden SMS-Nachrichten aber auch nicht zulässig. Denn entgegen der Ansicht der Beklagten war Grundlage der streitgegenständlichen Berichterstattung nicht eine sittlich und rechtlich zu beanstandende Verhaltensweise, die dem Kläger im Rahmen eines Strafverfahrens vorgeworfen wurden. Der Kläger hat die veröffentliche SMS-Kommunikation zeitlich vor der angeblichen Tat mit einer Frau geführt, die in keinerlei Beziehung zur Nebenklägerin bzw. zum Gegenstand des Ermittlungsverfahrens stand und steht. Das Ermittlungs- bzw. das Strafverfahren hatten auch – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht neben dem Vergewaltigungsvorwurf noch das Beziehungsleben des Klägers mit seinen (zahlreichen) Ex-Freundinnen zum Gegenstand. Kern des strafrechtlichen Vorwurfs waren vielmehr die Geschehnisse zwischen dem Kläger und der Nebenklägerin in der Nacht des 9.2.2010. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das Landgericht Mannheim einige der (ehemaligen) Freundinnen des Klägers durch Vernehmung als Zeuginnen in der Hauptverhandlung Angaben zum Beziehungsverhalten des Klägers hat machen lassen. Denn auch insoweit ging es nicht um einen den Kläger treffenden strafrechtlichen Vorwurf, sondern allenfalls um die Abklärung einer möglichen Gewaltbereitschaft bzw. des psychischen Zustands des Klägers, also um Gesichtspunkte, zu deren Klärung die streitgegenständlichen SMS-Nachrichten überhaupt keinen Anhaltspunkt bieten.
63Im Zeitpunkt der Veröffentlichung der betreffenden Beiträge dauerte das Ermittlungsverfahren noch an, so dass die im Laufe der Hauptverhandlung erörterte und dann auch in der Öffentlichkeit diskutierte Frage, welche Beziehungen der Kläger auf welche Art und Weise parallel zu der mit der Nebenklägerin geführt hat, noch nicht virulent geworden war. Selbst wenn man in diesem Zusammenhang entsprechend dem Vortrag der Beklagten unterstellt, dass die öffentliche Diskussion zum Treueverhalten des Klägers bereits im Zeitpunkt der Veröffentlichung der streitgegenständlichen SMS-Nachrichten im Gange war, so rechtfertigt auch dies nicht die betreffende Berichterstattung durch die Beklagten. Denn gegenüber dem Interesse der Öffentlichkeit an der Beantwortung der Frage, mit welcher konkreten Wortwahl der Kläger in einem bestimmten Fall versucht hat, eine Beziehung mit einer Frau zu beginnen, verdient seine Privatsphäre jedenfalls den Vorzug. Vom öffentlichen Informationsinteresse wird die Angabe, mit welchem genauen Wortlaut dies geschehen ist, nicht umfasst.
643. Soweit die Beklagten rügen, das angefochtene Urteil sei widersprüchlich, weil die Kammer die Frage einer Verletzung der Geheimsphäre zunächst offen lasse, eine solche bei der Interessenabwägung jedoch bejahe, greift dies im Ergebnis ebenfalls nicht durch: Schon aus dem Obersatz auf S. 11 UA sowie weiter durch den ersten Satz unter Ziffer 2.b (S. 11 UA) wird deutlich, dass die Kammer eine Verletzung der Geheimsphäre durch die Beklagten offen lassen wollte, weil sie einen Eingriff in die Privatsphäre bejaht hat. Insofern mag es sich bei der Verwendung des Begriffes „Geheimsphäre“ auf S. 12 und 13 UA um ein Versehen oder eine sprachliche Ungenauigkeit handeln. Entscheidend ist jedoch, dass das Urteil nicht auf dieser fälschlichen Verwendung eines Begriffes aus der Sphärentheorie beruht, sondern die Ausführungen gleichermaßen gelten, wenn stattdessen der Begriff „Privatsphäre“ verwendet wird.
654. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs; vielmehr hat der Senat im Einzelfall über die Zulässigkeit der Veröffentlichung unter Abwägung der Belange der Parteien entschieden.
66Streitwert: 100.000 Euro
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 09.07.2014 (28 O 487/13) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor in Ziffer 3. des angefochtenen Urteils ‑ wie folgt - nach § 319 ZPO berichtigt wird:
Der Beklagten zu 2) wird es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft insgesamt nicht 2 Jahre übersteigen darf,
v e r b o t e n,
folgende Nachricht mit persönlichem Inhalt, die der Kläger unter dem Pseudonym „E“ im Blog „T“ der Bloggerin „L2“ gepostet hat, unter Aufdeckung seines tatsächlichen Namens zu verbreiten, wie nachstehend wiedergegeben in der C vom 30.5.2010 auf Seite 14 im Artikel „Du wirst meist allein und unglücklich sein, während er überall unterwegs ist…“ geschehen:
„Die Homepage fand sie mit einer Internet-Suchmaschine, weil L einen der Beiträge seiner neuen Freundin kommentiert hatte. Zwar unter Pseudonym (,E‘) - aber er benutzte in seinem Kommentar eine ungewöhnliche Redewendung: ,von vorauseilendem Priapismus gebeutelt‘.“
Die Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten je zur Hälfte zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e
2I.
3Der Kläger ist Journalist und betreibt ein Unternehmen, welches sich mit der Erhebung und Vermittlung meteorologischer Daten befasst. Im März 2010 wurde er wegen des Verdachts einer Vergewaltigung verhaftet. Die Verhaftung des in der Öffentlichkeit wegen seines Auftretens als Fernsehmoderator und in der Werbung bekannten Klägers, der gegen ihn vorgebrachte Tatvorwurf sowie sein bis zu diesem Zeitpunkt der breiten Öffentlichkeit unbekanntes Privatleben, namentlich seine Beziehungen mit mehreren Frauen, waren ebenso Gegenstand intensiver Medienberichterstattung wie das gegen den Kläger wegen schwerer Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung geführte Ermittlungsverfahren sowie der anschließende Strafprozess, in dem der Kläger mit rechtskräftig gewordenem Urteil des Landgerichts Mannheim vom 31.05.2011 schließlich freigesprochen wurde.
4Im zeitlichen Zusammenhang mit der Haftentlassung gewährte der Kläger den Medien mehrere Interviews. Im Oktober 2012 erschien ein Buch des Klägers mit dem Titel „Recht und Gerechtigkeit - ein Märchen aus der Provinz“, in welchem der Kläger das Ermittlungs- und Strafverfahren kritisch beleuchtet sowie über nach seiner Auffassung bestehende Missstände in der Justiz und den Medien aufklären möchte.
5Die Beklagte zu 1) ist inhaltlich für das Angebot der Webseite C2.de, der Online-Ausgabe der bundesweiten Tageszeitungen „C2“ und „C“, verantwortlich. Die Beklagte zu 2) verlegt die Zeitung „C“.
6Die Beklagte zu 1) veröffentlichte am 30.5.2010 - während der Kläger sich in Untersuchungshaft befand und noch bevor die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen war - auf C2.de einen Artikel mit der Überschrift „Du wirst allein und unglücklich sein…“. In diesem zitiert sie auszugsweise einen Blog-Eintrag, den der Kläger am 19.2.2007 um 0:21 Uhr unter dem Pseudonym „E“ im Blog „T“ der Bloggerin „L2“ gepostet und an die Inhaberin des Blogs gerichtet hatte. Der Artikel wird nach der Überschrift - wie folgt - eingeleitet:
7„Eine Ex-Freundin hatte offenbar schon früh versucht, andere Frauen vor L zu warnen. In einer Mail, die C vorliegt, schreibt sie schon im Jahr 2008 einer neuen Freundin des wechselhaften Wetterexperten: ,Er wird nie Zeit für Dich haben. Du wirst meist allein und unglücklich sein, während er überall unterwegs ist, nur nicht am Abend daheim.‘ Dann die Bitte: ,Wir Frauen sollten zusammenhalten.“
8Weiter heißt es in dem Artikel u.a.:
9„Später suchte sie im Internet nach anderen L-Frauen, fand die Homepage einer neuen Eroberung.
10[…]
11Die Homepage fand sie mit einer Internet-Suchmaschine, weil L einen der Beiträge seiner neuen Freundin kommentiert hatte. Zwar unter Pseudonym (,E‘) - aber er benutzte in seinem Kommentar eine ungewöhnliche Redewendung: ,von vorauseilendem Priapismus gebeutelt‘. Das soll der Moderator häufiger im Scherz gesagt haben. Priapismus bezeichnet eine schmerzhafte Dauererektion.“
12Die Beklagte zu 2) veröffentlichte am 30.5.2010 auf der Seite 14 in der „C“ ebenfalls einen Artikel mit der Überschrift „Du wirst meist allein und unglücklich sein, während er überall unterwegs ist…“ Der Artikel ist inhaltlich identisch mit dem Artikel der Beklagten zu 1) und enthält ebenfalls auszugsweise den vorbenannten Blog-Eintrag des Klägers.
13Mit Schreiben vom 31.5.2010 forderten die klägerischen Prozessbevollmächtigten die Beklagten auf, eine öffentliche Zugänglichmachung anonymer Blog-Einträge des Klägers unter Aufdeckung seines Namens zu unterlassen sowie eine strafbewehrte Unterlassungs-/Verpflichtungserklärung abzugeben. Das Landgericht Köln erließ in der Folge vom Kläger beantragte einstweilige Verfügungen gegen die Beklagten im Hinblick auf die streitgegenständlichen Berichterstattungen (Beschl. v. 4.06.2010, Az. 28 O 368/10 und 28 O 369/10). Die einstweiligen Verfügungen wurden vollzogen. Mit Schreiben vom 17.8.2010 sowie vom 24.10.2013 wurden die Beklagten zur Abgabe einer Abschlusserklärung sowie zur Kostentragung aufgefordert.
14Der Kläger begehrt nunmehr Unterlassung in der Hauptsache sowie die Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
15Der Kläger hat in erster Instanz die Ansicht vertreten, er sei durch die streitgegenständliche Berichterstattung in seinem Recht auf gewählte Anonymität und in seiner Intimsphäre verletzt. Dem Kontext des Blog-Eintrags sei zu entnehmen, dass die streitgegenständliche Äußerung auf ihn zu beziehen sei. Der von den Beklagten verbreitete Blog-Eintrag betreffe nicht das gegen den Kläger geführte Strafverfahren, sondern Einzelheiten seiner Intimsphäre, weil sie sein Sexualleben berührten. Hierdurch werde er stigmatisiert und in schwerer Weise als krankhaft sexgetriebener Mensch dargestellt.
16Die Grenzen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung seien überschritten. Ebenso wenig sei die Berichterstattung unter dem Gesichtspunkt einer in Bezug auf eine prominente Person geäußerte Kritik an der privaten Lebensführung gerechtfertigt. Durch die Berichterstattung werde das ohnehin beeinträchtigte C2 des Klägers in der Öffentlichkeit nachhaltig massiv beeinträchtigt, so dass der zwischenzeitlich erfolgte Freispruch diesen Makel nicht mehr beseitigen könne. Sein Werdegang sowie seine Medienpräsenz könnten zur Rechtfertigung der Berichterstattung nicht herangezogen werden.
17Der Kläger hat beantragt,
181. es der Beklagten zu 1) bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen,
19folgende Nachricht mit persönlichem Inhalt, die der Kläger unter dem Pseudonym „E“ im Blog „T“ der Bloggerin „L2“ gepostet hat unter Aufdeckung seines tatsächlichen Namens zu verbreiten, wie nachstehend wiedergegeben unter der Domain C2.de im Artikel vom 30.5.2010 mit der Überschrift „Du wirst allein und unglücklich sein…“ geschehen:
20„Die Homepage fand sie mit einer Internet-Suchmaschine, weil L einen der Beiträge seiner neuen Freundin kommentiert hatte. Zwar unter Pseudonym (,E‘) - aber er benutzte in seinem Kommentar eine ungewöhnliche Redewendung: ,von vorauseilendem Priapismus gebeutelt‘.“
212. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an den Kläger 450,05 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
223. es der Beklagten zu 2) bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen,
23folgende Nachricht mit persönlichem Inhalt, die der Kläger unter dem Pseudonym „E“ im Blog „T“ der Bloggerin „L2“ gepostet hat unter Aufdeckung seines tatsächlichen Namens zu verbreiten, wie nachstehend wiedergegeben unter der Domain C2.de im Artikel vom 30.5.2010 mit der Überschrift „Du wirst meist allein und unglücklich sein, während er überall unterwegs ist…“ geschehen:
24„Die Homepage fand sie mit einer Internet-Suchmaschine, weil L einen der Beiträge seiner neuen Freundin kommentiert hatte. Zwar unter Pseudonym (,E‘) - aber er benutzte in seinem Kommentar eine ungewöhnliche Redewendung: ,von vorauseilendem Priapismus gebeutelt‘.“
254. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an den Kläger 450,05 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
26Hilfsweise,
271. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, den Kläger von der Forderung der Höcker Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft für die außergerichtliche Rechtsverfolgung in Höhe von 450,05 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
282. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, den Kläger von der Forderung der Höcker Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft für die außergerichtliche Rechtsverfolgung in Höhe von 450,05 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
29Die Beklagten haben beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, der Kläger werde durch die streitgegenständliche Berichterstattung nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger in den Medien besondere öffentliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen und sich als Träger sozialer und politischer Botschaften präsentiert habe; unstreitig hatte er in den Jahren 2009 und 2010 an einer öffentlichen Kampagne unter dem Motto „Gewalt gegen Kinder ist eine Schande“ mitgewirkt. Die Beklagten haben gemeint, der Kläger sei daher eine Person der Zeitgeschichte, die besondere Integrität für sich in Anspruch genommen habe.
32Die streitgegenständliche Berichterstattung sei zudem Bestandteil der Verdachtsberichterstattung über den gegen den Kläger erhobenen Strafvorwurf. Sie sei wahrheitsgemäß und damit zulässig, da dem Strafvorwurf zugrunde liegende Sachverhalte mitgeteilt werden dürften. Hierzu zählten auch die Beziehung zwischen dem Kläger und der Nebenklägerin des Strafprozesses, die weiteren Beziehungen und das Verhalten des Klägers gegenüber den Frauen; die Beziehungen seien auch durch die Kommunikation über das Internet sowie durch Kurznachrichten charakterisiert gewesen.
33Zudem sei zu berücksichtigen, dass sich der Kläger persönlich unter gleichzeitiger Zulassung von Fotografien und Videoaufnahmen gegenüber den Medien zu den Vorwürfen geäußert und seine Unschuld beteuert habe. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Berichterstattung nicht zu entnehmen sei, auf welche Person sich die Äußerung beziehe. Die Äußerung sei nicht geeignet, das Ansehen des Klägers in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen. Es habe sich eine öffentliche Diskussion über das moralisch höchst verwerfliche Verhalten des Klägers gegenüber seinen Partnerinnen sowie dessen Bedeutung für das Ermittlungsverfahren entwickelt. In diese öffentliche Debatte habe sich die streitgegenständliche Berichterstattung eingereiht.
34Die Beklagten haben mit Nichtwissen bestritten, dass der Kläger davon ausgegangen sei, Dritte würden keine Kenntnis von seiner Äußerung in dem „Blog“ und der Identität der an der Kommunikation beteiligten Personen erlangen. Die Beklagten haben zudem mit Nichtwissen bestritten, dass der Kläger die außergerichtlichen Tätigkeiten seiner Bevollmächtigten tatsächlich vergütet habe.
35Mit dem angegriffenen Urteil hat das Landgericht Köln der Klage stattgegeben. Der Kläger habe gegen die Beklagten Anspruch auf Unterlassung nach §§ 1004 analog, 823 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 GG, weil die Berichterstattung weder unter dem Gesichtspunkt einer Verdachtsberichterstattung noch aus anderen Gründen gerechtfertigt sei.
36Die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung bei den Tatvorwurf nicht unmittelbar betreffenden Umständen seien nicht erfüllt. Zwar sei es im Hinblick auf die in der Öffentlichkeit stehende Person des Klägers zulässig, über das gegen ihn geführte Straf- und Ermittlungsverfahren identifizierend zu berichten. Jedoch stehe die Berichterstattung über den Blog-Eintrag des Klägers nicht im Zusammenhang mit dem gegen diesen geführten Straf- und Ermittlungsverfahren; eine Bedeutung für das Strafverfahren sei nicht ersichtlich, auch nicht im Hinblick auf nach Meinung der Beklagten zum Gegenstand im Strafverfahren gemachter intimer SMS-Nachrichten, E-Mails und Chat-Verläufe. Eine solche Bedeutung wäre nur dann anzunehmen, wenn die Berichterstattung geeignet wäre, über die Persönlichkeitsstruktur des Klägers Aufschluss zu geben, und daher auch für die Überzeugungsbildung des Gerichts von Bedeutung sein könnte. Inhaltlich leiste die wörtliche Wiedergabe des Blog-Eintrags jedoch keinen Beitrag, der für die Überzeugungsbildung des Gerichts relevant sein könne. Vielmehr berge die wörtliche Wiedergabe der Äußerung die Gefahr der Vorverurteilung des Klägers, in dem sie diesen als einen sexgetriebenen Menschen darstelle. Die Berichterstattung sei geeignet, das Bild des Klägers nachhaltig und massiv zu beeinträchtigen, ohne einen für das Straf- und Ermittlungsverfahren relevanten Beitrag zu leisten.
37Die streitgegenständliche Berichterstattung sei auch unter keinem anderen rechtlichen Gesichtspunkt zulässig. Vielmehr verletze sie den Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Aufgrund des Inhalts der Äußerung („von vorauseilendem Priapismus gebeutelt“) sei die Intimsphäre des Klägers betroffen, welche unter dem absoluten Schutz vor den Einblicken der Öffentlichkeit stehe. Die Bezeichnung Priapismus umschreibe den pathologischen Zustand einer schmerzhaften Dauererektion. In dem hier verwendeten umgangssprachlichen Sinne werde der starke Sexualtrieb des Klägers durch die Äußerung verdeutlicht. Die Frage der Betroffenheit der Intimsphäre könne jedoch letztlich dahinstehen, da jedenfalls der Kernbereich der Privatsphäre des Klägers in rechtswidriger Weise betroffen sei. Der Schutz der vorliegend thematisierten Intim- bzw. Privatsphäre sei erst dann abzusprechen, wenn der Betroffene sein Sexualleben selbst öffentlich ausgebreitet habe, was indes zu verneinen sei. Zum einen sei der Geheimhaltungswille des Klägers im Hinblick auf den Blog-Eintrag erkennbar, insbesondere die streitgegenständliche Äußerung unter dem Pseudonym „E“ gepostet worden. Im Übrigen sei der Kläger zwar in der Öffentlichkeit aufgetreten und habe der Presse mehrere Interviews gegeben. Der Kläger habe aber weder seine Intimsphäre thematisiert noch sich im Hinblick auf sein Privatleben und seine Beziehungen in einer Weise geäußert, die die vorliegende Berichterstattung rechtfertigen könne.
38Der Einwand der Beklagten, die Wiedergabe der Äußerung sei aufgrund der öffentlichen Diskussion über das moralisch höchst verwerfliche Verhalten des Klägers gegenüber seinen Partnerinnen entwickelt worden, sei unerheblich. Zum einen könne die öffentliche Erörterung seines Privatlebens nur insofern gerechtfertigt sein, als dieses eine Bedeutung für das Ermittlungs- und Strafverfahren habe. Zum anderen trage die angegriffene Äußerung auch nicht zu dieser öffentlichen Diskussion bei, sondern stelle, insbesondere auch aufgrund der wörtlichen Wiedergabe, einen besonders schweren Eingriff jedenfalls in den Kernbereich der Privatsphäre des Klägers dar, ohne einen besonderen Informationswert zu enthalten. Die sprachliche Fassung eines bestimmten Gedankeninhalts sei Ausfluss der Persönlichkeit des Verfassers. Grundsätzlich stehe daher allein dem Verfasser die Befugnis zu, darüber zu entscheiden, ob und in welcher Form seine Aufzeichnungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würden.
39Schließlich beziehe sich die streitgegenständliche Äußerung erkennbar auf den Kläger. Zwar werde in der Berichterstattung nicht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Kläger die Redewendung auf sich selbst bezogen habe. Ausreichend sei jedoch, dass der unbefangene Durchschnittsleser die streitgegenständliche Äußerung zumindest auch dahingehend verstehen könne, der Kläger umschreibe mit der Redewendung seine eigene Situation. Dies sei vorliegend unzweifelhaft zu bejahen. Denn in dem Beitrag werde deutlich, dass die Äußerung gegenüber einer seiner Freundinnen gefallen sei.
40Zuletzt könne der Kläger (mit Erfolg) die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangen.
41Wegen der weiteren Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung wird ergänzend auf das angegriffene Urteil (Bl. 343 ff. d.A.) Bezug genommen.
42Mit ihrer Berufung verfolgen die Beklagten ihre Klageabweisungsbegehren weiter.
43Sie sind der Auffassung, die streitgegenständlichen Berichterstattungen wiesen einen unmittelbaren Bezug zu dem Ermittlungs- und Strafverfahren auf. Insbesondere der Umstand der (mehrfachen) Untreue des Klägers habe in unmittelbarem Zusammenhang mit dem erhobenen Strafvorwurf gestanden. Das Landgericht Mannheim habe sich im Strafurteil ausführlich mit der elektronischen Kommunikation zwischen dem Kläger und der Nebenklägerin (des Strafverfahrens) bzw. zwischen dem Kläger und den weiteren (im Strafverfahren vernommenen) Zeuginnen auseinandergesetzt und unter Würdigung des Wortlauts der Mitteilungen des Klägers dessen Verhalten bei der Beziehungsanbahnung untersucht, dieses als „initiativ“ und „offensiv“ bewertet, was wiederum für die Glaubwürdigkeit der Einlassung des Klägers von Relevanz gewesen sei.
44Die Beklagten meinen, das Landgericht habe den Sinngehalt der streitgegenständlichen Äußerung verkannt. Denn wiedergegeben werde die Äußerung als Kommentar des Klägers, ohne dass mitgeteilt werde, auf welche Person und auf welchen Sachverhalt der Kläger den Kommentar bezogen habe; der Bericht beinhalte keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger seinen Kommentar auf sich bezogen habe. Hinzu komme, dass ausdrücklich aufgeführt sei, dass der Kläger die Äußerung im Scherz gesagt, also nicht ernst gemeint habe. Die streitgegenständliche Äußerung sei eindeutig und bestehe bloß in der Wiedergabe eines Zitats.
45Scheide aber ein Eingriff in die Privat- oder Intimsphäre des Klägers aus, mangele es an einer äußerungsrechtlichen Betroffenheit des Klägers durch das wahrheitsgemäße Zitat, weil dieses keinerlei Eingriffscharakter habe.
46Benutzer eines Blogs könnten aufgrund deren Rahmenbedingungen nicht davon ausgehen, dass die Vertraulichkeit ihrer Äußerung gewahrt bleibe. Schon gar nicht sei der Adressat einer Äußerung verpflichtet, die Vertraulichkeit der Äußerung eines Dritten zu wahren. Die Beklagten hätten bloß die zuvor öffentlich bekannt gewordene Erklärung der Adressatin der Äußerung des Klägers zitiert.
47Schließlich betreffe die Berichterstattung moralisch verwerfliche Verhaltensweisen einer prominenten Person, nämlich die Untreue im Verhältnis zu mehreren Frauen, zu denen der Kläger parallel intime Beziehungen unterhalten habe, ohne sie über diesen Umstand aufzuklären. Die wahrheitsgemäße Berichterstattung belege eine Episode dieser Verhaltensweisen. Dem Zitat selbst (dessen Wortlaut) komme in diesem Zusammenhang keine eigenständige Eingriffseignung zu; die scherzhafte Verwendung des Begriffs „vorauseilender Priapismus“ sei nicht geeignet, den Zitierten in der Öffentlichkeit herabzuwürdigen oder verächtlich zu machen. Jedenfalls sei ein Bericht hierüber angesichts des Informationsinteresses über eine moralisch verwerfliche Verhaltensweise zulässig.
48Die Beklagten beantragen,
49unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 9.07.2014 - 28 O 487/13 - die Klage insgesamt abzuweisen.
50Der Kläger beantragt,
51die Berufung zurückzuweisen.
52Er ist der Auffassung, aus dem Kontext der Berichterstattung ergebe sich, dass er die streitgegenständliche Redewendung auf sich selbst bezogen habe; jedenfalls sei die Darstellung in den Artikeln mehrdeutig. Aufgrund der Verwendung eines Pseudonyms habe der Kläger davon ausgehen dürfen, dass Dritte ihn nicht mit den betreffenden Äußerungen in Verbindung bringen können.
53Der Kläger habe in der Öffentlichkeit nicht vorgegeben, eine bestimmte Art von Beziehungsleben zu führen; aufgetreten sei er lediglich in beruflicher Funktion. Deswegen habe auch kein Berichterstattungsinteresse mit Blick auf eine Leitbild- und Kontrastfunktion bestanden.
54II.
55Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Allerdings war der Tenor des angefochtenen Urteils im Wege der Berichtigung nach § 319 ZPO zu ändern.
561.
57Gemäß § 319 ZPO hatte eine Berichtigung des Tenors zu erfolgen, die der Senat im Berufungsverfahren vornehmen kann (vgl. BGHZ 133, 191). Denn der Kläger hatte mit seinem dem Wortlaut nach ebenfalls auf die Berichterstattung unter C2.de bezogenen Antrag zu 3. begehrt, die Berichterstattung wie in der C geschehen zu verbieten, was seinem Antrag im Wege der Auslegung zu entnehmen und vom Landgericht übersehen worden ist. Jedenfalls hat der Kläger aber im Berufungsverfahren seinen Antrag insoweit in zulässiger Weise geändert, ohne dass die Beklagten dem entgegengetreten sind.
582.
59Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers auf Unterlassung aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK bejaht. Die Beklagten haben in rechtswidriger Weise in das Recht des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens eingegriffen, indem sie über einen von ihm anonym und im Vertrauen auf die Wahrung der Anonymität abgegebenen Kommentar mindestens aus seiner Privatsphäre berichtet haben (a), ohne dass dieser Eingriff gerechtfertigt wäre (b), und zwar auch nicht im Rahmen einer Verdachtsberichterstattung (c).
60a) Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass die Beklagten in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers eingegriffen haben.
61aa) Dass und insbesondere mit welchem Wortlaut der Kläger in einem Blog einer Freundin einen Eintrag dieser unter einem Pseudonym kommentiert, betrifft seine Vertraulichkeitssphäre sowie sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. BGH, Urt. v. 30.09.2014 - VI ZR 490/12, AfP 2014, 534), nämlich unabhängig von Aussagewert der diesbezüglichen Berichterstattung schon unter dem Aspekt der Preisgabe von nicht für die breite Öffentlichkeit bestimmter Kommunikation.
62Die gilt auch unter der Prämisse, dass der Blog öffentlich einsehbar war. Denn da der Kläger seinen Kommentar auf einem privat betriebenen, nicht in der breiten Öffentlichkeit bekannten Blog unter einem Pseudonym abgegeben hat, und deswegen grundsätzlich davon ausgehen durfte, von anderen Personen als der Blogbetreiberin nicht ohne weiteres erkannt zu werden, handelte es sich letztlich um eine private Kommunikation zwischen ihm und der Blogbetreiberin. Vom Schutz der Privatsphäre wird auch der Geheimhaltungswille in Bezug auf solche Mitteilungen umfasst, die über die Person des sich Äußernden selbst nichts aussagen, die aber einem Vertrauten in der Erwartung gemacht werden, dass er sie für sich behalten werde (vgl. BGH, Urt. v. 10.03.1987 - VI ZR 244/85 -, NJW 1987, 2667), was hier jedenfalls für die Weitergabe an eine breite Öffentlichkeit unter Preisgabe der Identität des Klägers gilt. Die Privatheit der Kommunikation erschließt sich im Übrigen aus deren - nicht in der Berichterstattung wiedergegebenen - Inhalt, nämlich soweit der Kläger hiernach seinen Kommentar in Bezug auf ein Foto der Klägerin abgegeben und die beanstandete Redewendung ersichtlich auf sich bezogen hat. Angesichts dessen, dass der Kläger sich auf einem privaten Blog unter Verwendung eines Pseudonyms geäußert hat, kann ihm auch keine Einwilligung in die Veröffentlichung unterstellt werden, die hier vielmehr gegen seinen Willen erfolgt ist. Der Kläger musste auch nicht von vorneherein damit rechnen, dass sein Kommentar in die Öffentlichkeit gelangt; die Gefahr einer Identifizierung durch eine ihm vertraute Person war jedenfalls nicht wesentlich höher als im Falle einer Versendung einer E-Mail an einen einzelnen Adressaten (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 30.09.2014 - VI ZR 490/12, AfP 2014, 534).
63bb) Darüber hinaus ist angesichts der mit der Wortberichterstattung über den Kommentar verbundenen Aussage mindestens die Privatsphäre des Klägers betroffen.
64Nach dem gleichlautenden Inhalt der Berichte kann der Leser nur den Schluss ziehen, dass der Kläger seinen Kommentar auf sich bezogen hat. Wenn der Kläger - wie berichtet wurde - einen Beitrag „seiner neuen Freundin“ mit der beanstandeten Redewendung kommentiert, können sich der Kommentar und die darin enthaltene Redewendung nur auf ihn selbst beziehen (auf wen auch sonst?). Hinzu kommt, dass später noch über das den Kommentar auslösende Foto der neuen Freundin berichtet wird, woraus ein verständiger Leser wiederum nur schließen kann, dass sich der Kommentar auf eben dieses Foto bezieht und damit erkennbar die Reaktion des Klägers auf das Foto betrifft. Jedenfalls ist aber ein solches Verständnis des Berichts nicht fernliegend und daher unter Berücksichtigung der Stolpe-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 114, 339) im Hinblick auf den streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch zugrunde zu legen.
65Sind die Berichte der Beklagten in dieser Weise zu verstehen, geht ihr Aussagewert aber noch in das Persönlichkeitsrecht des Klägers betreffender Weise hierüber hinaus, und zwar auch dann, wenn man berücksichtigt, dass die Berichte einen Hinweis darauf enthalten, dass der Kläger die Redewendung häufiger „im Scherz“ benutzt hat. Denn Letzteres schließt allenfalls aus, dass der Kläger tatsächlich eine „vorauseilende Dauererektion“ hatte, nicht aber, dass er sich bereits vom Foto seiner Freundin sexuell erregt fühlte und eben dies gegenüber ihr andeuten wollte. Ein Bericht über eine private Kommunikation des Klägers mit derartigen Andeutungen über eine sexuelle Erregung betrifft mindestens die Privatsphäre des Klägers.
66b) Die Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts des Klägers sind rechtswidrig.
67aa) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt. Im Streitfall ist das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen (vgl. BGH, Urt. v. 30.09.2014 - VI ZR 490/12, AfP 2014, 534).
68bb) Das Interesse des Klägers an der Geheimhaltung seines den Kernbereich privater Lebensgestaltung betreffenden Verhaltens überwiegt das Interesse der Beklagten an einer Berichterstattung, insbesondere im Hinblick auf den von den Beklagten wörtlich wiedergegebenen Kommentar.
69(1) Zwar erfolgte der (erste) Einbruch in die Vertraulichkeitssphäre nicht durch die Beklagten, weil nicht sie den Kläger identifiziert, sondern die Identifizierung des Klägers durch eine andere Person ausgenutzt haben. Die Beklagten haben den Einbruch in die Vertraulichkeitssphäre des Klägers jedoch vertieft, weil sie dessen anonym abgegebenen, seine Privatsphäre betreffenden Kommentar in die Öffentlichkeit getragen haben.
70(2) Dem steht kein hinreichendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegenüber; erst Recht haben die Informationen keinen hohen "Öffentlichkeitswert" (vgl. BGH, Urt. v. 30.09.2014 - VI ZR 490/12, AfP 2014, 534).
71Zwar ist das Informationsinteresse der Öffentlichkeit durch die prominente Stellung des Klägers erhöht (vgl. BGH, Urt. v. 19.03.2013 - VI ZR 93/12 -, NJW 2013, 1681) und darf über diesen als prominente Person in größerem Umfang berichtet werden, wenn die Information einen hinreichenden Nachrichtenwert mit Orientierungsfunktion im Hinblick auf eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte hat und die Abwägung keine schwerwiegenden Interessen des Betroffenen ergibt, die einer Veröffentlichung entgegenstehen (vgl. BGH, Urt. v. 01.07.2008 - VI ZR 243/06 -, NJW 2008, 3138).
72Es ist jedoch nicht ersichtlich, welches Interesse an einer Berichterstattung über die Einzelheiten der privaten Kommunikation des Klägers mit der Blogbetreiberin bestehen sollte, zumal die Beklagten darüber, dass der Kläger Beziehungen zu mehreren Frauen hatte, über den von den Beklagten in den Vordergrund gerückten Untreuevorwurf sowie letztlich auch über die Kontaktanbahnung über das Internet, ja sogar über die Art und Weise des Auffindens der neuen Freundin durch die - vom Kläger betrogene - frühere Freundin des Klägers auch hätten berichten können, ohne die Einzelheiten der privaten Kommunikation wörtlich wiederzugeben.
73Dabei verkennt der Senat nicht, dass es den Medien selbst obliegt, nach publizistischen Kriterien über Gegenstand und Inhalt ihrer Berichterstattung sowie darüber zu entscheiden, was öffentliches Interesse beansprucht (vgl. BGHZ 178, 213; BVerfGE 120, 180). Die Gewichtung des Informationsinteresses zum Zweck der Abwägung mit gegenläufigen Interessen der Betroffenen obliegt im Fall eines Rechtsstreits jedoch den Gerichten (vgl. BGHZ 178, 213; BVerfGE 120, 180).
74Insbesondere der Wortlaut des Kommentars hatte indes keinen maßgebenden Informationswert für die Öffentlichkeit, weder im Zusammenhang mit den ursprünglich gegen den Kläger erhobenen strafrechtlichen Vorwürfen noch mit Rücksicht auf die Bekanntheit des Klägers in der Öffentlichkeit und seiner damit verbundenen Leitbild- und Kontrastfunktion. Dem wörtlichen Zitat kommt daher weder ein besonderer Dokumentationswert im Rahmen der Berichterstattung zu noch dient es dem Beleg und der Verstärkung des Aussagegehalts; es hat deswegen weder besondere Überzeugungskraft noch kommt ihm erhebliche Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung zu (vgl. BGH, Urt. v. 30.09.2014 - VI ZR 490/12, AfP 2014, 534).
75Vielmehr dient ein Bericht über die (häufige) Verwendung der nicht alltäglichen Redewendung durch den Kläger allein der Befriedigung der Neugier der Öffentlichkeit. Zugleich geht es in der Sache um mehr als eine bloße Indiskretion der Adressatin des vom Kläger verfassten Kommentars, weil eben nicht nur die Privatheit und Vertraulichkeit der Kommunikation des Klägers mit der Blogbetreiberin betroffen ist (vgl. BGH, Urt. v. 10.03.1987 - VI ZR 244/85 -, NJW 1987, 2667), sondern angesichts dessen, dass der wiedergegebene Kommentar sich auf den Kläger bezieht und die Andeutung einer sexuellen Erregung enthält, über den Kernbereich des Privatlebens des Klägers berichtet wird. Mit dem Landgericht ist der Senat dabei der Auffassung, dass die wörtliche Wiedergabe des Zitats einen eigenständigen Eingriff begründet. Nicht nur wegen der wörtlichen Wiedergabe des vom Kläger verfassten, allein an seine „neue Freundin“ gerichteten Gedankeninhalts selbst, sondern auch wegen dessen Inhalts, nämlich der Andeutung einer sexuellen Erregung des Klägers gegenüber der Blogbetreiberin, haben die Berichte einen anderen Aussagewert und waren auch und insbesondere angesichts des gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwurfs geeignet, das Bild des Klägers in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen, nämlich ihm einen - starken und rücksichtslosen - Sexualtrieb zu unterstellen.
76cc) Die Berichterstattung ist auch nicht aufgrund einer - sich auf den Gegenstand der streitgegenständlichen Berichterstattung beziehenden - „Selbstöffnung“ des Klägers durch dessen Auftreten in der Öffentlichkeit vor und nach dem Strafverfahren sowie währenddessen gerechtfertigt. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Erwägungen des Landgerichts verwiesen werden; der Kläger hat sich jedenfalls nicht im Hinblick auf seine privaten Beziehungen und schon gar nicht hinsichtlich privater Kommunikation mit sexuellen Andeutungen geöffnet.
77c) Schließlich stellen die streitgegenständlichen Veröffentlichungen keine zulässigen Verdachtsberichterstattungen dar. Vielmehr steht der persönliche Blog-Eintrag des Klägers in keinem (hinreichenden) Zusammenhang mit dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren, was aber Voraussetzung einer zulässigen Verdachtsberichterstattung ist (vgl. BGH, Urt. v. 19.03.2013 - VI ZR 93/12 -, NJW 2013, 168; Senat, Urt. v. 15.11.2011 ‑ 15 U 60/11 -, AfP 2012, 66).
78Ob der Kläger in einer privaten Kommunikation mit einer Freundin Andeutungen über seine sexuelle Erregung unter Verwendung einer bestimmten Redewendung macht, ist für den im Ermittlungs- und Strafverfahren ursprünglich erhobenen Vorwurf der Vergewaltigung ohne Belang. Zwar versuchen die Beklagten einen Bezug zum Strafverfahren herzustellen, indem sie auf private Kommunikation zwischen dem Kläger und der dortigen Nebenklägerin sowie weiteren Frauen in Bezug nehmende Erwägungen des Landgerichts Mannheim dazu verweisen, wie der Kläger die Anbahnung und den weiteren Verlauf seiner Beziehung zur Nebenklägerin im Strafverfahren dargestellt hat. Dass überhaupt und - wenn ja - welchen Wert die wörtliche Wiedergabe des Kommentars des Klägers für den Vorwurf der Vergewaltigung oder auch nur die in Bezug genommenen Erwägungen des Landgerichts im Strafurteil haben sollte, ist jedoch weder von den Beklagten dargetan noch anderweit ersichtlich. Hinzu kommt, dass zum Zeitpunkt der Berichterstattung nicht einmal die Hauptverhandlung eröffnet und damit auch nicht abzusehen war, in welchem Umfang die Strafkammer die private Kommunikation des Klägers mit der Nebenklägerin und seinen weiteren Partnerinnen in den Strafprozess oder gar in das Urteil überhaupt einbeziehen werden würde. Schließlich wurde unstreitig die von den Beklagten in Bezug genommene Kommunikation tatsächlich nicht öffentlich verhandelt und das den Kläger freisprechende Urteil (insoweit) nicht veröffentlicht.
793.
80Wegen der vom Landgericht zugesprochenen Kosten der anwaltlichen Abmahnungen kann zuletzt auf zutreffenden und nicht ergänzungsbedürftigen Erwägungen des Landgerichts verwiesen werden.
814.
82Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
835.
84Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Weder kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs; vielmehr hat der Senat im Einzelfall über Veröffentlichung unter Abwägung zwischen den Belangen der Parteien entschieden.
85Berufungsstreitwert: 100.000,00 €.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
1
Der Berichtigungsbeschluss vom 30. September 2014 ist bereits eingearbeitet.Tatbestand:
- 1
- Der Kläger nimmt die Beklagten zu 1 und 3, soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, auf Unterlassung angeblich persönlichkeitsrechtsverletzender Veröffentlichungen und auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren in Anspruch. Die Beklagte zu 1 ist die Verlegerin der BILD-Zeitung. Die frühere Beklagte zu 2 betreibt das Internet Portal www.bild.de. Die Beklagte zu 3 ist Verlegerin der "B.Z.".
- 2
- Der Kläger war von 1994 bis 1999 Staatssekretär im Umweltministerium eines deutschen Bundeslandes. 1999 wurde er Chef der Staatskanzlei. Von Oktober 2004 bis November 2009 war er Finanzminister. Im November 2009 wurde er zum Innenminister ernannt. Zugleich war er Mitglied des Landtags. Mitte der 90er Jahre unterhielt er zu einer Mitarbeiterin, Frau G., eine außereheliche Beziehung, aus der im Jahre 1997 die gemeinsame Tochter E. hervorging. Bis auf geringfügige Zahlungen leistete der Kläger für diese keinen Unterhalt. Auf Antrag von Frau G. erhielt E. bis Oktober 2003 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Den Vater des Kindes benannte Frau G. der zuständigen Behörde nicht. Im Jahre 2009 kam der private Laptop des Klägers abhanden. Die darauf befindliche E-Mail-Korrespondenz zwischen ihm und Frau G. wurde der Beklagten zu 1 zugespielt. Am 31. August 2010 führten drei Redakteure der Beklagten zu 1 ein Interview mit dem Kläger. Sie hielten ihm vor, dass sich aus an ihn gerichteten E-Mails der Frau G. ergebe, dass er der Vater von E. sei und für sie keinen regelmäßigen Unterhalt gezahlt habe. Es bestehe der Verdacht des Sozialbetrugs. Außerdem teilten sie dem Kläger mit, dass sie mit der Veröffentlichung einer Berichterstattung über diesen Sachverhalt zwei Tage warten würden; in der Zwischenzeit könne der Kläger seine Verhältnisse ordnen. Der Kläger erwirkte daraufhin eine einstweilige Verfügung, durch die der Beklagten zu 1 untersagt wurde, vier E-Mails wörtlich oder sinngemäß publizis- tisch zu nutzen, und die Fragen, ob der Kläger private oder intime Kontakte mit Frau G. hatte und ob er sich an einem Sozialleistungsbetrug beteiligt hatte, öffentlich zu erörtern. Am 20. September 2010 veröffentlichte die Beklagte zu 2 unter voller Namensnennung des Klägers auf ihrem Internetauftritt "bild.de" unter der Überschrift "Innenminister unter Druck/Sozialbetrug? Minister S. wehrt sich gegen Vorwürfe" einen Beitrag, der sich mit der Beziehung des Klägers mit Frau G., der Geburt der Tochter sowie der möglichen Erschleichung von Sozialleistungen befasst. In der Zeit zwischen dem 21. und dem 25. September 2010 erschienen in den Printmedien der Beklagten zu 1 und 3 sowie in dem Internetportal der Beklagten zu 2 ähnliche Berichte über den Vorgang. Am 23. September 2010 trat der Kläger von seinem Ministeramt zurück. Er gab in einem Zeitungsinterview bekannt, dass er der Vater von E. sei und die Unterhaltszahlungen für sie nachgeholt habe.
- 3
- Der Kläger hält die Verwertung der privaten E-Mails zum Zwecke der Berichterstattung für rechtswidrig. Er macht geltend, dass die E-Mails von seinem Laptop stammten, der ihm gestohlen worden sei. Das Landgericht hat die Beklagte zu 1 verurteilt, es zu unterlassen, den Inhalt folgender E-Mails in direkter oder indirekter Rede zu verbreiten oder verbreiten zu lassen (Klageantrag zu 13): - E-Mail vom 28. Oktober 1997 des Klägers an Frau G.: "Ich stehe als Vater nicht zur Verfügung". - E-Mail vom 29. November 2002 von Frau G. an den Kläger: "Ich habe totalen Horror was werden soll, ab dem nächsten Jahr, da geht das zu Ende mit dem Betrug mit dem Vorschuss (nicht die Strafrelevanz dessen für mich). Einerseits bin ich froh, andererseits hab ich dann gar nichts mehr, mit dem ich mich mit meinem Gewissen vor E. rausreden kann. Diese Bettelhaltung ist jedenfalls auch ein zusätzlicher absolut unhaltbarer Zustand (die 100 €, ab Oktober nächstes Jahr 150 €, sind Peanuts für Dich, ich brauche das inzwischen wirklich, symbolisch und auch materiell)". - E-Mail vom 25. Juni 2008 von Frau G. an den Kläger: "War gerade bei der Bank, sieht ganz und gar nicht gut aus und ich brauch jetzt zumindest eine Teilsumme, die du mir schuldest. Offen war der Stand Ende 2005, du wolltest mal meine Mails checken, ansonsten legen wir mal was fest gelegentlich. 2006 ist komplett offen, 2007 hast du mir 800 gegeben, 2008 auch offen. Ich glaub nicht, dass ich zu viel verlange, so eher im Gegenteil. Wie wollen wir das zukünftig handeln ? Will nicht mehr betteln müssen". - E-Mail vom 21. April 2004 von Frau G. an den Kläger: "Hallo R., bitte teile mir mit, wann ich den besprochenen Unterhaltbeitrag für E. bekomme. Mit Stand April sind es im Moment 1.850 €, die du schuldest, du Finanzminister".
- 4
- Das Landgericht hat die Beklagte zu 1 weiter zur Freistellung des Klägers von einer Forderung seines Rechtsanwalts in Höhe von 1.376,83 € verurteilt und festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich des Klageantrags zu 4 in der Hauptsache erledigt ist. Mit dem am 9. September 2010 eingereichten Klageantrag zu 4 hatte der Kläger beantragt, die Beklagte zu 1 zu verurteilen, es zu unterlassen, die Frage der Vaterschaft des Klägers hinsichtlich des Kindes E., die Frage privater oder intimer Kontakte des Klägers zu Frau G., die Frage, ob diese zu Unrecht Sozialleistungen in Anspruch genommen hat und/oder "Sozialleistungsbetrug" begangen hat, sowie die Frage von Unterhaltsleistungen für das Kind E. im Zusammenhang mit dem Kläger öffentlich zu erörtern.
- 5
- Das Landgericht hat die Beklagte zu 3 verurteilt, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß über den Kläger zu äußern oder zu verbreiten (Klageantrag zu 12): aa. "Du hast wieder den Geburtstag vergessen ... Du schuldest uns 1.150 Euro ... Es ist ein Bruchteil dessen, was ihr zustehen würde von Dir, bitte verweigere ihr das nicht und bring mich nicht weiterhin in die Situation, betteln zu müssen, bitte". (22. Oktober 2003) "Bitte tue mir das nicht weiterhin an, lass mich nicht soo unglaublich hängen". (24. November 2003); bb. "Ich habe das ganze Jahr 2003 über keinen Pfennig von dir gesehen , Du weißt, dass ich seit geraumer Zeit keinerlei staatlichen Unterhalt mehr für sie bekomme". (25. November 2003); cc. Der Kläger soll darauf geantwortet haben: "Ich bring auch ein paar Euro vorbei" (2. Dezember 2003); dd. "Da ist das Geld von dir fest eingeplant und entspricht dem was ihr von einem an unterster Einkommensstufe befindlichen bzw. arbeitslosen Mann an Mindestunterhalt zustände". (16. Dezember 2003); ee. "Ist jetzt ziemlich genau 8 Jahre her, als Du aus meiner Wohnung gegangen, bist ... Im Juni wären es 2.700 Euro, im Juli 2.900 Euro, steck es einfach in den Briefkasten ..." (19. Mai 2005), wie in der "B.Z." vom 23.09.2010 "Wollte also nur mal an Deinen Schuldenstand erinnern, Herr Finanzminister: 2.100 Euro" geschehen; ff. "Wollte also nur mal an Deinen Schuldenstand erinnern, Herr Finanzminister : 2.100 Euro" (6. März 2005); wie in der "B.Z." vom 23.09.2010 "Wollte also nur mal an Deinen Schuldenstand erinnern, Herr Finanzminister: 2.100 Euro" und/oder wie in "http://www.bz- berlin.de/archiv/um-15-01-uhr-zog-s.-sich-aus-seiner-affaerearticle986907.html" geschehen.
- 6
- Das Landgericht hat die Beklagte zu 3 außerdem zur Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.999,32 € verurteilt. Im Übrigen hat es die - unter anderem auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 150.000 € - gerichtete Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Berufungen der Beklagten zu 1 und 3 blieben ohne Erfolg. Auf die Berufung des Klägers hat das Kammergericht die Beklagte zu 1 zur Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.633,87 € und die Beklagte zu 3 zur Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.419,19 € verurteilt. Die weiterge- hende Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit den vom Senat zugelassenen Revisionen verfolgen die Beklagten zu 1 und 3 ihre Anträge auf vollständige Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
A.
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- Das Berufungsgericht hat angenommen, dass sich der Klageantrag zu 4 durch den Rücktritt des Klägers vom Amt des Innenministers am 23. September 2010 erledigt habe. Der Unterlassungsantrag sei ursprünglich begründet gewesen und erst durch den nach Rechtshängigkeit erfolgten Rücktritt des Klägers von seinem Ministeramt unbegründet geworden. Erst der Rücktritt habe ein die Belange des Klägers überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit begründet. Bis zum Rücktritt komme dagegen dem Interesse des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit der Vorrang gegenüber dem Interesse der Beklagten zu 1 an einer Information der Öffentlichkeit zu. Die Berichterstattung stütze sich auf den Inhalt der zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails. Die in den E-Mails erörterten Angelegenheiten beträfen die Privatsphäre des Klägers. Thematisch gehe es um seine Vaterschaft zu dem Kind E., um Unterhaltsforderungen und darauf erfolgte Zahlungen. Dies sei ein Bereich, zu dem andere nur Zugang hätten, soweit er ihnen gestattet würde. Verstärkt werde der Schutz der Privatsphäre durch den Umstand, dass die E-Mails erkennbar hätten geheim bleiben sollen und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen seien. Zu berücksichtigen sei weiter die rechtswidrige Informationsbeschaffung. Die E-Mails seien auf der Festplatte des im Oktober 2009 gestohlenen Laptops des Klägers gespeichert gewesen. Die vom Kläger gestellte Strafanzeige spreche dafür, dass der Laptop tatsächlich gestohlen worden sei. Aber auch wenn der Kläger das Gerät verloren habe, ändere sich an der Beurteilung nichts. Denn dann hätten Dritte den Datenträger unterschlagen. Auch wenn der Zugriff auf die Daten über ein "gehacktes" Passwort erfolgt sei, liege ein Vergehen des Ausspähens von Daten vor. Es seien zwar keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Mitarbeiter der Antragsgegnerin an diesen Straftaten beteiligt gewesen seien oder im Zusammenhang mit der Beschaffung der Daten eine rechtswidrige Handlung begangen hätten. Die Redakteure der Beklagten zu 1 hätten aber aufgrund der Umstände erkannt, dass der Zugriff auf die Mails durch eine Straftat erfolgt sein müsse. Zwar falle auch die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG. Die widerrechtliche Beschaffung einer Information indiziere aber einen nicht unerheblichen Eingriff in den Bereich eines anderen, besonders dann, wenn dieser Bereich wegen seiner Vertraulichkeit geschützt sei. In einer solchen Situation habe die Veröffentlichung grundsätzlich zu unterbleiben. Eine Ausnahme komme nur dann in Betracht, wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiege, welche der Rechtsbruch für den Betroffenen und die tat- sächliche Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehe. Dies sei in der Regel dann nicht der Fall, wenn die widerrechtlich beschaffte Information Zustände oder Verhaltensweisen offenbare, die ihrerseits nicht rechtswidrig seien.
- 8
- Nach diesen Grundsätzen liege ein überwiegendes Publikationsinteresse nicht vor. Allerdings ergebe sich aus den E-Mails, dass Frau G. den Kläger für den Vater ihrer Tochter gehalten und Unterhaltszahlungen gefordert habe. Ersichtlich sei auch, dass Frau G. angenommen habe, durch die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz einen Betrug zu begehen. Auch habe der Kläger spätestens im November 2002 angenommen, Vater des Kindes zu sein. Auf der Grundlage dieses Sachverhalts stehe aber weder fest, dass der Kläger eine Straftat begangen habe, noch liege ein Mindestbestand an Beweistatsachen vor, der Voraussetzung für eine zulässige Verdachtsberichterstattung sei. Die Beweistatsachen sprächen nur dafür, dass Frau G. einen Betrug begangen habe. Denn sie habe trotz ihrer sich aus dem Unterhaltsvorschussgesetz ergebenden Verpflichtung den Kläger nicht als Vater benannt. Hinreichende Beweistatsachen, die auf eine Täterschaft oder Teilnahme des Klägers schließen ließen, lägen hingegen nicht vor. Auch wenn an dem Vorgang ein öffentliches Informationsinteresse bestehe, weil der Kläger jedenfalls ab November 2002 die Begehung eines Betrugs zum Nachteil der öffentlichen Hand geduldet habe, gebühre dem Schutzinteresse des Klägers der Vorrang. Er habe lediglich einen Rechtsverstoß geduldet, selbst aber keine Rechtsvorschriften verletzt. In besonderem Maße zu berücksichtigen sei auch, dass die E-Mails durch eine Straftat beschafft worden seien und der Eingriff wegen des erkennbaren Geheimhaltungsinteresses an der privaten Korrespondenz besonders intensiv sei.
- 9
- Mit dem Rücktritt des Klägers vom Amt des Innenministers sei die Berichterstattung jedoch zulässig geworden. Denn bei dem Rücktritt handle es sich um ein Ereignis, an dem ein hohes öffentliches Informationsinteresse bestehe. Das Informationsinteresse erstrecke sich dabei auch auf die Frage, welche Gründe zu dem Rücktritt geführt hätten und welche Vorwürfe gegen den Kläger erhoben worden seien. Ohne die Mitteilung der aus den E-Mails zu entnehmenden Informationen bliebe eine Berichterstattung über die Gründe des Rücktritts unvollständig und nicht verständlich.
- 10
- Die Beklagte zu 1 wende sich auch ohne Erfolg gegen ihre Verurteilung, die Wiedergabe von Zitaten aus den zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails gemäß Klageantrag zu 13 zu unterlassen. Die sprachliche Fassung eines bestimmten Gedankeninhalts sei Ausdruck der Persönlichkeit des Verfassers. Soweit die E-Mails von Frau G. verfasst worden seien, ließen sie Rückschlüsse auf die persönliche Beziehung zum Kläger zu, weshalb auch sein Persönlichkeitsrecht betroffen sei. Den E-Mails sei ein rechtswidriges Verhalten des Klägers nicht zu entnehmen. Dies deute darauf hin, dass es sich nicht um Missstände von erheblichem Gewicht handle, an deren Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse bestehe. Aus diesen Gründen wende sich auch die Beklagte zu 3 ohne Erfolg gegen ihre Verurteilung zur Unterlassung der Wiedergabe von Zitaten aus den zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails gemäß Klageantrag zu 12. Aufgrund der erlittenen Persönlichkeitsrechtsverletzung stehe dem Kläger gegen die Beklagten zu 1 und 3 weiterhin ein Anspruch auf Freistellung von den Gebührenforderungen seiner Rechtsanwälte zu.
B.
- 11
- Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Klageantrag zu 4 hat sich nicht in der Hauptsache erledigt; der den Gegenstand dieses Antrags bildende vorbeugende Unterlassungsantrag war zu keinem Zeitpunkt begründet. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Unterlassung der mit den Anträgen zu 12 und 13 angegriffenen Äußerungen gegen die Beklagten zu 1 und 3 zu. Aus diesem Grund kann er nicht die Freistellung von den Gebührenforderungen seiner Rechtsanwälte verlangen. I. Revision der Beklagten zu 1 1. Ursprünglicher Klageantrag zu 4
- 12
- Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die auf Feststellung der Erledigung des Klageantrags zu 4 gerichtete Klage unbegründet. Die Feststellung der Erledigung der Hauptsache setzt voraus, dass eine ursprünglich zulässige und begründete Klage durch ein nach Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist (vgl. BGH, Urteile vom 15. Januar 1982 - V ZR 50/81, BGHZ 83, 12, 13; vom 8. März 1990 - I ZR 116/88, NJW 1990, 3147, 3148). An diesen Voraussetzungen fehlt es vorliegend. Die Revision macht mit Erfolg geltend, dass dem Kläger zu keinem Zeitpunkt ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1 zustand, es zu unterlassen, die Frage seiner Vaterschaft hinsichtlich E., die Frage privater oder intimer Kontakte zu Frau G., die Frage, ob diese zu Unrecht Sozialleistungen in Anspruch genommen und/oder "Sozialleistungsbetrug" begangen hat, oder die Frage von Unterhaltsleistungen für das Kind E. im Zusammenhang mit ihm öffentlich zu erörtern.
- 13
- a) Allerdings greift eine Berichterstattung, die sich auf den Inhalt der zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails stützt und die vorbezeichneten Fragen thematisiert, in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers ein.
- 14
- aa) Betroffen sind zum einen die Ehre und soziale Anerkennung des Klägers. Denn die Bekanntgabe des Umstands, dass der Kläger für seine nichteheliche Tochter nur geringfügige Zahlungen erbracht hat, ist geeignet, sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken.
- 15
- bb) Betroffen sind zum anderen die Vertraulichkeitssphäre und das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung. Beide genannten Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schützen auch das Interesse des Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt privater E-Mails nicht an die Öffentlichkeit gelangt (vgl. zur Vertraulichkeits- bzw. Geheimsphäre : Senatsurteile vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73,120, 121, 124 f.; vom 10. März 1987 - VI ZR 244/85, AfP 1987, 508, 509 f.; BVerfGE 54, 148, 153 f. mwN - Eppler-Zitat; zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung: BVerfGE 115, 166, 83 f., 187 ff.; EGMR, EuGRZ 2007, 415 Rn. 41, 43 f.). So umfasst das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht nur die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden , ob, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. Senatsurteile vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 6; vom 5. November 2013 - VI ZR 304/12, BGHZ 198, 346 Rn. 11 = AfP 2014, 58; BVerfGE 84, 192, 194; BVerfG, VersR 2006, 1669 Rn. 31 f.; BVerfG, VersR 2013, 1425, 1427, jeweils mwN). Vielmehr erstreckt sich der Schutzbereich dieses Rechts auch auf Telekommunikationsverbindungsdaten einschließlich der jeweiligen Kommunikationsinhalte, soweit sie nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeichert werden. Insoweit ergänzt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung den Schutz des Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 115, 166, 183 f., 187 ff.). Damit wird der besonderen Schutzwürdigkeit der Telekommunikationsumstände Rechnung getragen und die Vertraulichkeit räumlich distanzierter Kommunikation auch nach Beendigung des Übertragungsvorgangs gewahrt. Vom Schutz umfasst ist dabei zum einen das Interesse des Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt der Kommunikation nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Geschützt wird aber auch sein Interesse daran, dass die Kommunikationsinhalte nicht in verkörperter Form für die Öffentlichkeit verfügbar werden und damit über den Kommunikationsinhalt hinaus auch die persönliche Ausdrucksweise des Kommunikationsteilnehmers nach außen dringt (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 121 ff.). Denn jede sprachliche Festlegung eines bestimmten Gedankeninhalts lässt Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Verfassers zu (BGH, Urteil vom 25. Mai 1954 - I ZR 211/53, BGHZ 13, 334, 338).
- 16
- Weder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch die Vertraulichkeitssphäre gewähren aber einen absoluten Schutz; sie finden ihre Grenze vielmehr in den Rechten Dritter - beispielsweise auf Meinungs- und Medienfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK (vgl. Senatsurteile vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 6 mwN; vom 10. März 1987 - VI ZR 244/85, AfP 1987, 508, 510; vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 124).
- 17
- cc) Die absolut geschützte Intimsphäre des Klägers ist dagegen nicht betroffen (vgl. zur Intimsphäre: Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, AfP 2012, 47 Rn. 11; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25 f.). Die bloße Bekanntgabe der wahren Tatsache, dass der Kläger eine intime Beziehung mit Frau G. hatte, aus der ein Kind hervorgegangen ist, tangiert den unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung nicht. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn im Zeitpunkt der Einreichung des auf eine Erstbegehungsgefahr gestützten vorbeugenden Klageantrags zu 4 zu befürchten gewesen wäre, dass diesbezügliche Einzelheiten preisgegeben werden (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 66 = AfP 2014, 135; vom 29. Juni 1999 - VI ZR 264/98, AfP 1999, 350, 351; vom 5. Mai 1964 - VI ZR 64/63, NJW 1964, 1471, 1472; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wortund Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 49). Dies ist weder ersichtlich noch dargetan.
- 18
- b) Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers ist aber nicht rechtswidrig. Das von der Beklagten zu 1 verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit überwiegen das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit.
- 19
- aa) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 29. April 2014 - VI ZR 137/13, AfP 2014, 325 Rn. 8; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 22 = AfP 2014, 135).
- 20
- bb) Im Streitfall ist das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht der Beklagten zu 1 auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen. Dabei ist zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass die Informationen, deren Veröffentlichung er mit dem vorbeugenden Unterlassungsantrag verhindern wollte, von einem Dritten in rechtswidriger Weise beschafft worden sind. Zwar wird auch die Ver- öffentlichung rechtswidrig beschaffter oder erlangter Informationen vom Schutz der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) umfasst. Andernfalls wäre die Funktion der Presse als "Wachhund der Öffentlichkeit" beeinträchtigt, zu der es gehört, auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen (vgl. Senatsurteile vom 10. März 1987 - VI ZR 244/85, AfP 1987, 508, 510; vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 124 ff.; BVerfGE 66, 116, 137 f.). Um der besonderen Schutzwürdigkeit der im Endgerät des Betroffenen gespeicherten Kommunikationsdaten und des insoweit bestehenden Ergänzungsverhältnisses von Art. 10 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG ausreichend Rechnung zu tragen, kommt es in diesen Fällen bei der Abwägung maßgeblich auf den Zweck der beanstandeten Äußerung und auf das Mittel an, mit dem der Zweck verfolgt wird. Dem Grundrecht der Meinungsfreiheit kommt umso größeres Gewicht zu, je mehr es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt. Der Gewährleistung des Art. 5 Abs. 1 GG kommt dagegen umso geringeres Gewicht zu, je mehr sich die Äußerung unmittelbar gegen ein privates Rechtsgut richtet und im privaten Verkehr in Verfolgung eigennütziger Ziele abgegeben wird (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 127 ff.; BVerfGE 66, 116, 138 f.).
- 21
- Bei der Bewertung des Mittels, mit dem der Äußerungszweck verfolgt wird, ist zu berücksichtigen, dass es im Hinblick auf die Art der Erlangung der Information verschiedene Stufungen geben kann, einerseits etwa den vorsätzlichen Rechtsbruch, um die auf diese Weise verschaffte Information zu publizieren oder gegen hohes Entgelt weiterzugeben, andererseits die bloße Kenntniserlangung von einer rechtswidrig beschafften Information, bei der die Rechtswidrigkeit der Beschaffung möglicherweise auch bei Wahrung der publizistischen Sorgfaltspflicht nicht einmal erkennbar ist. In Fällen, in denen der Publizierende sich die Informationen widerrechtlich durch Täuschung in der Ab- sicht verschafft hat, sie gegen den Getäuschten zu verwerten, hat die Veröffentlichung grundsätzlich zu unterbleiben. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nur in Betracht, wenn die Bedeutung der Information für die Unterrichtung der Öffentlichkeit und für die öffentliche Meinungsbildung eindeutig die Nachteile überwiegt, die der Rechtsbruch für den Betroffenen und die Geltung der Rechtsordnung nach sich ziehen muss. Das wird in der Regel dann nicht der Fall sein, wenn die in der dargelegten Weise widerrechtlich beschaffte und verwertete Information Zustände oder Verhaltensweisen offenbart, die ihrerseits nicht rechtswidrig sind; denn dies deutet darauf hin, dass es sich nicht um Missstände von erheblichem Gewicht handelt, an deren Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht (BVerfGE 66, 116, 139).
- 22
- cc) Nach diesen Grundsätzen hat das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit gegenüber dem Recht der Beklagten zu 1 auf Meinungsund Medienfreiheit zurückzutreten.
- 23
- (1) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist keine Fallgestaltung gegeben, in der bereits im Hinblick auf die Art der Erlangung der Information von der grundsätzlichen Unzulässigkeit ihrer publizistischen Verwertung auszugehen wäre. Nach den getroffenen Feststellungen haben sich die Beklagten zu 1 und 3 die E-Mails nicht durch vorsätzlichen Rechtsbruch verschafft, um sie zu publizieren. Sie haben sich an dem Einbruch in die Vertraulichkeitssphäre des Klägers nicht beteiligt, auch wenn ihnen die Rechtswidrigkeit der Informationsbeschaffung nicht verborgen geblieben ist. Es begründet aber einen nicht unerheblichen Unterschied im Unrechtsgehalt, ob der Publizierende sich die Informationen widerrechtlich in der Absicht verschafft, sie gegen den Getäuschten zu verwerten, oder ob er, wie im Streitfall, aus dem erkannten Bruch der Vertraulichkeit lediglich Nutzen zieht. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands , dass die grundsätzliche Bereitschaft der Presse, rechtswidrig erlangte Informationen zu verwerten, Dritte zu Einbrüchen in die Vertraulichkeitssphäre ermuntern kann (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 1978 - VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120, 127).
- 24
- (2) Abgesehen davon haben die Informationen, deren Verbreitung der Kläger mit seinem vorbeugenden Unterlassungsantrag verhindern wollte und deren Wahrheit er nicht in Frage stellt, einen hohen "Öffentlichkeitswert". Sie offenbaren einen Missstand von erheblichem Gewicht, an dessen Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht. Die der Beklagten zu 1 zugespielte E-Mail-Korrespondenz zwischen dem Kläger und Frau G. belegt, dass sich der Kläger, der von 1994 bis zu seinem Rücktritt im Jahre 2010 herausgehobene öffentliche Ämter bekleidete, über viele Jahre der wirtschaftlichen Verantwortung für seine Tochter E. entzogen hat. Er hat seine ehemalige Geliebte dadurch in die Situation gebracht, für die gemeinsame Tochter Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Anspruch zu nehmen, und es im eigenen persönlichen, wirtschaftlichen und politischen Interesse hingenommen, dass sie Leistungen bezog, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben waren.
- 25
- Gemäß § 1 Abs. 3 des Gesetzes zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfallleistungen (nachfolgend: Unterhaltsvorschussgesetz) besteht ein Anspruch auf Unterhaltsleistung nach diesem Gesetz u.a. dann nicht, wenn sich der Elternteil , bei dem das Kind lebt, weigert, die Auskünfte, die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlich sind, zu erteilen oder bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des anderen Elternteils mitzuwirken. Zur Mitwirkung bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts des anderen Elternteils gehören grundsätzlich auch Angaben zur Bestimmung der Person des Vaters. Denn sie sind erforderlich, damit das Land Unterhaltsansprüche gegen den Vater nach § 7 UhVorschG auf sich überleiten und auf diesem Wege die Erstattung der vorgeleisteten Gelder von ihm verlangen kann (vgl. BVerwGE 89, 192, 195; BVerwG, NJW 2013, 2775 Rn. 11). Die Unterhaltsleistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz soll "ausbleibende Zahlungen" der Unterhaltsverpflichteten aus öffentlichen Mitteln übernehmen, um sie sodann von Amts wegen beim säumigen zahlungsverpflichteten Elternteil wieder einzuziehen. Die Gewährung von Unterhalt als Ausfallleistung für den Fall, dass ein Rückgriff auf den anderen Elternteil nicht möglich oder erfolgreich ist, soll die Ausnahme bleiben. Dies ergibt sich auch aus dem in § 7 UhVorschG normierten gesetzlichen Forderungsübergang, der den Nachrang der Unterhaltsleistung dadurch sichern soll, dass Unterhaltsansprüche des berechtigten Kindes "für die Zeit, für die ihm die Unterhaltsleistung nach diesem Gesetz gezahlt wird", auf das Land übergehen (BVerwG, NJW 2013, 2775 Rn. 22).
- 26
- Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat Frau G. ihren danach bestehenden Mitwirkungspflichten nicht genügt. Sie hat der für die Bewilligung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zuständigen Behörde den Kläger nicht als Vater von E. benannt, obwohl sie dessen Vaterschaft für gegeben hielt. Ihr war auch bekannt, dass deshalb die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz nicht vorlagen. Wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt, ergibt sich aus der an den Kläger gerichteten E-Mail der Frau G. vom 29. November 2002, dass sie ihre unvollständigen Angaben gegenüber der Behörde als Betrug wertete, deren Strafrelevanz nach Ablauf der maximalen Bezugsdauer von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz - anders als die Leistungen - nicht "zuende" gehe.
- 27
- Die Informationen, deren Verbreitung der Kläger mit seinem vorbeugenden Unterlassungsantrag verhindern wollte, offenbaren damit, dass der Kläger aus Eigeninteresse die wirtschaftliche Verantwortung für sein nichteheliches Kind auf den Steuerzahler abgewälzt hat. Ein derartiges Verhalten ist für die Beurteilung der persönlichen Eignung des Klägers als Finanz- und Innenminister und Landtagsabgeordneter von maßgeblicher Bedeutung. Als Minister und als Landtagsabgeordneter gehörte der Kläger zu den Personen des politischen Lebens, an deren Verhalten unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle ein gesteigertes Informationsinteresse besteht. Sein Verhalten ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht seiner Privatsphäre zuzurechnen, zu der "Andere nur Zugang haben, soweit er ihnen gestattet wird". Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob dem Kläger selbst ein Strafvorwurf gemacht werden kann. Die Kontroll- und Überwachungsfunktion der Presse ist nicht auf die Aufdeckung von Straftaten beschränkt. 2. Klageantrag zu 13:
- 28
- Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , die Beklagte zu 1 sei verpflichtet, es zu unterlassen, den Inhalt der vier im Tatbestand dieses Urteils im Einzelnen aufgeführten E-Mails in direkter oder indirekter Rede zu verbreiten.
- 29
- a) Durch die Veröffentlichung der vier E-Mails in direkter oder indirekter Rede werden der soziale Geltungsanspruch des Klägers und sein Interesse daran beeinträchtigt, den Inhalt seiner privaten Kommunikation mit Frau G. nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Durch die Veröffentlichung der E-Mail des Klägers vom 28. Oktober 1997, wonach er als Vater nicht zur Verfügung stehe, ist darüber hinaus sein Interesse betroffen, dass die Kommunikationsinhalte nicht in verkörperter Form für die Öffentlichkeit verfügbar werden und damit über den Kommunikationsinhalt hinaus auch seine persönliche Ausdrucksweise nach außen dringt (vgl. die Ausführungen unter Ziffer 1. a) bb)).
- 30
- b) Die darin liegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers ist jedoch auch unter Berücksichtigung der Art und Weise der Informationserlangung nicht rechtswidrig. An der Wiedergabe der vier E-Mails, insbesondere der des Klägers vom 28. Oktober 1997, in direkter oder indirekter Rede besteht ein hohes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, hinter dem das Schutzinteresse des Klägers zurückzutreten hat. Auch wörtliche Zitate, die - wie im Streitfall - geeignet sind, zu einer Bewertung des Zitierten beizutragen, fallen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, AfP 2010, 145 Rn. 21). Dem wörtlichen Zitat kommt wegen seiner Belegfunktion ein besonderer Dokumentationswert im Rahmen einer Berichterstattung zu. Es dient als Tatsachenbehauptung dem Beleg und der Verstärkung des Aussagegehalts (vgl. BVerfG, AfP 2001, 295, 298) und hat deshalb eine besondere Überzeugungskraft (vgl. BVerfGE 54, 208, 217 f.). Aus diesem Grund kommt ihm eine erhebliche Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung zu.
- 31
- Dies gilt vorliegend in besonderem Maße. Der Kläger stand aufgrund der von ihm im maßgeblichen Zeitraum ausgeübten öffentlichen Ämter in sozialer Verantwortung für das Gemeinwesen. Die Aussage in seiner E-Mail vom 28. Oktober 1997 "Ich stehe als Vater nicht zur Verfügung" dokumentiert mit besonderer Klarheit, wie er mit der Verantwortung gegenüber seiner nichtehelichen Tochter und der Mutter seines Kindes - und damit mittelbar gegenüber der Allgemeinheit, die jedenfalls bis zur Veröffentlichung der streitgegenständlichen Informationen die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen tragen musste - umgegangen ist. Durch die Wiedergabe dieser E-Mail in direkter oder indirekter Rede wird die zulässige Berichterstattung über das Verhalten des Klägers unterstrichen , ohne dass seine Persönlichkeit durch die Bekanntgabe seiner persönlichen Ausdrucksweise in unzulässiger Weise "preisgegeben" würde.
- 32
- Die wörtlichen Zitate aus den drei E-Mails der Kindesmutter sind ebenfalls vom überwiegenden Informationsinteresse der Öffentlichkeit gedeckt. Das Zitat der E-Mail vom 29. November 2002 beweist, dass der Kläger von der Inanspruchnahme der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz durch die Kindesmutter und dem Umstand wusste, dass diese ihr Verhalten für strafrechtlich relevant hielt. Die E-Mails vom 21. April 2004 und 25. Juni 2008 dokumentieren eindrucksvoll, mit welcher Intensität und Nachhaltigkeit der Kläger an seiner Haltung festgehalten hat. 3. Rechtsanwaltskosten
- 33
- Da die Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte zu 1 unbegründet sind, stehen dem Kläger auch keine Ansprüche auf Freistellung von Gebührenforderungen seiner Rechtsanwälte zu. II. Revision der Beklagten zu 3 1. Klageantrag zu 12
- 34
- Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts , die Beklagte zu 3 sei verpflichtet, es zu unterlassen, die im Tatbestand dieses Urteils im Einzelnen aufgeführten Zitate aus den zwischen dem Kläger und Frau G. gewechselten E-Mails wörtlich oder sinngemäß zu verbreiten. Die in der publizistischen Verwertung der E-Mails liegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers ist nicht rechtswidrig, da das von der Beklagten zu 1 verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit überwiegen. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer I. 1. und 2. verwiesen. Das Interesse des Klägers, dass die Kommunikationsinhalte nicht in verkörperter Form für die Öffentlichkeit verfügbar werden und über den Kommunikationsinhalt hinaus auch seine persönliche Ausdrucksweise nach außen dringt, ist nur durch Wiedergabe seines wörtlichen Zitats vom 2. Dezember 2003 betroffen, wonach er auch ein paar Euro vorbeibringen werde. Im Übrigen handelt es sich um wörtliche Zitate der Kindesmutter. Sämtliche Zitate dienen als eindrucksvoller Beleg für die nachhaltige Weigerung des Klägers , die wirtschaftliche Verantwortung für sein nichteheliches Kind zu übernehmen und die Kosten stattdessen der Allgemeinheit aufzubürden. 2. Rechtsanwaltskosten
- 35
- Da der Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu 3 unbegründet ist, steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Freistellung von Gebührenforderungen seiner Rechtsanwälte zu.
III.
- 36
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 2, § 97 Abs. 1, § 565 Satz 1, § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Galke Wellner Diederichsen von Pentz Offenloch
LG Berlin, Entscheidung vom 28.06.2011 - 27 O 719/10 -
KG Berlin, Entscheidung vom 05.11.2012 - 10 U 118/11 -
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 19.2.2014 (28 O 433/12) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, in Bezug auf den Kläger zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten,
„bis er nach einem ärztlichen Test belehrt wurde, dass er nicht zeugungsfähig sei“
wenn dies geschieht wie auf „X.de“ in dem nachfolgend wiedergegebenen Artikel vom 13.9.2010 unter der Überschrift „Der nette Wettermann und die SM-Spiele mit Peitsche“.
(Bild/Grafik nur in Originalentscheidung ersichtlich)
Die Beklagte wird weiter verurteilt, den Kläger von der Forderung der Höcker Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft für die außergerichtliche Rechtsverfolgung in Höhe von 399,72 Euro freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Beklagte zu ¼ und der Kläger zu ¾.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 Euro, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Die Parteien streiten um die Zulässigkeit einer Wortberichterstattung.
4Der Kläger ist ein bekannter Wettermoderator und moderierte u.a. die von ihm produzierte Sendung „Das Wetter im Ersten“. Ab Frühjahr 2010 wurde gegen ihn wegen des Verdachts der Vergewaltigung ermittelt. Vom 20.3.2010 bis zum 29.7.2010 befand sich der Kläger in Untersuchungshaft. Die Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim begann am 6.9.2010. Am 31.5.2011 wurde der Kläger vom Vorwurf der schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil von Claudia Dinkel freigesprochen. Das Urteil ist seit dem 7.10.2011 rechtskräftig. Im Ermittlungs- und Strafverfahren stellte sich heraus, dass der Kläger gleichzeitig intime Beziehungen zu mehreren Frauen unterhalten hatte, ohne dass diese voneinander wussten. Die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe fanden in der Öffentlichkeit große Beachtung und waren Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen in verschiedenen Medien.
5Nachdem der Kläger in der Hauptverhandlung von seinem Recht zum Schweigen Gebrauch gemacht hatte, wurde am 13.9.2010 das Protokoll der Vernehmung des Klägers durch den Ermittlungsrichter mit seiner Einlassung zu den Geschehnissen in der Tatnacht verlesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Am selben Tage veröffentlichte die Beklagte auf der von ihr betriebenen Internetseite www.X.de den streitgegenständlichen Artikel unter der Überschrift „Der nette Wettermann und die SM-Spiele mit Peitsche“ (Anlage K 2). Darin heißt es unter anderem:
6„Der nette Wettermann und die SM-Spiele mit Peitsche“, „Er habe zwei Kinder, hatte er bei seiner Vernehmung dem Amtsrichter erklärt, und er dachte lange, es seien die eigenen – bis er nach einem ärztlichen Test belehrt wurde, dass er nicht zeugungsfähig sei“, „Im Schlafzimmer, nackt oder dürftig bekleidet, lag seine Geliebte schon bereit zum Sex, gern auch mal mit Handschelle oder bereit gelegter Reitpeitsche“, „Das Kuschelbärchen aus den Schweizer Bergen soll dunkle Triebe mit SM-Spielchen und multiplen Liebschaften ausgelebt haben?“.
7Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 19.04.2011 ab und beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Landgericht Köln, die am 16.5.2011 antragsgemäß erlassen wurde. Soweit durch diese einstweilige Verfügung der Beklagten aufgegeben wurde, es zu unterlassen, über den Kläger zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten
8„Er habe zwei Kinder, hatte er bei seiner Vernehmung dem Amtsrichter erklärt, und er dachte lange, es seien die eigenen“,
9hat der Kläger mit Schreiben vom 9.6.2011 auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung verzichtet.
10Im vorliegenden Hauptsacheverfahren auf Unterlassung und Freistellung von den außergerichtlichen Anwaltskosten hat der Kläger die Ansicht vertreten, er werde durch die Mitteilung von Einzelheiten aus seinem Intim-und Sexualleben durch die Beklagte in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Die angegriffenen Äußerungen über sadomasochistische sexuelle Handlungen griffen in seine absolut geschützte Intimsphäre ein. Darüber hinaus bestünde hinsichtlich dieser Einzelheiten auch kein öffentliches Berichterstattungsinteresse im Hinblick auf das Strafverfahren. Soweit er bzw. sein damaliger Verteidiger während des Strafverfahrens Einzelheiten aus der Ermittlungsakte an ausgewählte Pressevertreter mitgeteilt hätten, sei dies unter der Prämisse der Vertraulichkeit geschehen und nicht zur ungenehmigten Weiterverbreitung mitgeteilt worden. Auch die Mitteilung von Details seines Gesundheitszustandes (Zeugungsunfähigkeit) sei unzulässig, weil dadurch neben seinem Persönlichkeitsrecht auch die verfassungsrechtlich geschützte Eltern-Kind-Beziehung zu seinen Söhnen betroffen sei.
11Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, der streitgegenständliche Artikel enthalte lediglich Äußerungen, die in der im Hauptverhandlungstermin vom 13.9.2010 verlesenen Einlassung des Klägers enthalten seien. Darüber hinaus hätten der Kläger bzw. sein Strafverteidiger den Medien bewusst Einzelheiten aus der Ermittlungsakte mitgeteilt, um so die öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Alle im streitgegenständlichen Beitrag wiedergegebenen Details wiesen einen Bezug zur Tat auf, weil sie bei der Frage der Glaubwürdigkeit des Klägers, den Feststellungen zu den Geschehnissen in der Tatnacht sowie bei der Frage einer möglichen Tatneigung des Klägers von Belang seien. Schon bei Verlesung der Einlassung des Klägers am 13.9.2010, spätestens aber bei Erhebung der vorliegenden Klage seien die streitgegenständlichen Äußerungen allgemein bekannt gewesen. Darüber hinaus bestehe ein öffentliches Berichterstattungsinteresse, weil die Angaben einen unmittelbaren Bezug zum Strafverfahren gegen den Kläger aufwiesen. Da die Einlassung in öffentlicher Verhandlung verlesen worden sei und der Kläger keinen Ausschluss der Öffentlichkeit beantragt habe, seien die teilnehmenden Medien berechtigt, über diesen Vorgang in der mündlichen Verhandlung wahrheitsgemäß zu berichten.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes, des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien sowie der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
13Mit Urteil vom 19.2.2014 hat die Kammer die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers durch die Beklagte sei nicht rechtswidrig. Angesichts des im Zeitpunkt der Berichterstattung eingeleiteten Hauptverfahrens gegen den Kläger wegen des Vorwurfs der schweren Vergewaltigung und gefährlichen Körperverletzung sowie seiner Prominenz sei ein öffentliches Interesse an der individualisierenden Berichterstattung gegeben, so dass – obwohl Details der sexuellen Betätigungen des Klägers sowie das Ergebnis einer medizinischen Untersuchung über seine Zeugungsfähigkeit Gegenstand der Berichterstattung gewesen seien – der absolut geschützte Kernbereich seines Persönlichkeitsrechts nicht betroffen sei. Eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers einerseits und dem Recht der Beklagten auf Pressefreiheit bzw. dem Informationsinteresse andererseits führe zu dem Ergebnis, dass das Berichterstattungsinteresse der Beklagten höher zu bewerten sei, denn nach Verlesung des Protokolls über seine haftrichterliche Vernehmung in der öffentlichen Hauptverhandlung sei eine aktuelle Prozessberichterstattung unter Einbeziehung der beanstandeten Äußerungen zulässig. Es handele sich um eine aktuelle Gerichtsberichterstattung, da sich die streitgegenständlichen Äußerungen in einem Artikel befänden, der am Tage der Hauptverhandlung vom 13.9.2010, in welcher die Verlesung der Aussage des Klägers stattfand, erschienen sei. Die Beklagte sei angesichts der gemeinschaftswichtigen Bedeutung der Gerichtsberichterstattung berechtigt, objektiv und sachlich über alle Gerichtsverfahren zu berichten. Da die Medienöffentlichkeit ein aliud gegenüber der Saalöffentlichkeit sei, müsse dem Interesse der unbegrenzten Öffentlichkeit das Persönlichkeitsrecht der Verfahrensbeteiligten und ihr Anspruch auf ein faires Verfahren gegenübergestellt werden. Diesen Anforderungen genügten die streitgegenständlichen Äußerungen.
14Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge in vollem Umfang weiter. Er macht geltend, das Landgericht habe zu Unrecht einen Straftatbezug der streitgegenständlichen Äußerungen bejaht und sei deshalb in eine Abwägung eingetreten, die nicht habe stattfinden dürfen. Ein Ausnahmefall, wonach eine Berichterstattung über Umstände aus der Intimsphäre zulässig sei, sei vorliegend nicht gegeben, weil die beanstandeten Äußerungen nicht in unmittelbarer Beziehung zur Tat stünden, keine Aufschlüsse über Motive oder andere Tatvoraussetzungen gäben und für die Bewertung der Schuld des Klägers auch nicht wesentlich erschienen. Vielmehr dienten die Angaben zur Zeugungsunfähigkeit des Klägers und zu seinen sexuellen Vorlieben lediglich zur Befriedigung der Sensationslust der Nutzer. Die Entscheidung des BGH vom 19.3.2013 (VI ZR 93/12) sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da die Beklagte mit den streitgegenständlichen Äußerungen keine Gerichtsberichterstattung im Sinne einer nüchternen und objektiven Darstellung des Prozesstages vornehme, sondern vielmehr mit „süffisanten Seitenhieben“ und „herablassenden rhetorischen Fragen“ arbeite. Daneben sei das Landgericht rechtsfehlerhaft der vom BGH aufgestellten Prämisse gefolgt, dass alles, was in einer Hauptverhandlung geäußert wurde, im Rahmen einer aktuellen Gerichtsberichterstattung mitgeteilt werden dürfe. Die darin liegende faktische Gleichsetzung von Saal- und Medienöffentlichkeit verletze den Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht.
15Der Kläger beantragt,
16unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Köln vom 19.2.2014 (28 O 433/12) die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren zu unterlassen, in Bezug auf den Kläger zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten,
17a. Der nette Wettermann und die SM-Spiele mit Peitsche
18und/oder
19b. bis er nach einem ärztlichem Test belehrt wurde, dass er nicht zeugungsfähig sei
20und/oder
21c. zu den üblichen sexuellen Handlungen zwischen der Anzeigenerstatterin und dem Kläger habe der Gebrauch von Handschellen und/oder Reitgerte gehört, wie nachstehend wiedergegeben:
22(…) gern auch mal mit Handschelle oder bereit gelegter Reitpeitsche.
23und/oder
24d. Das Kuschelbärchen aus den Schweizer Bergen soll dunkle Triebe mit SM-Spielchen und multiplen Liebschaften ausgelebt haben?
25wenn dies geschieht wie auf „X.de“ im Artikel vom 13.9.2010 unter der Überschrift „Der nette Wettermann und die SM-Spiele mit Peitsche“.
26Die Beklagte weiter zu verurteilen, den Kläger von der Forderung der I Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft für die außergerichtliche Rechtsverfolgung in Höhe von 606,30 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
27Die Beklagte beantragt,
28die Berufung zurückzuweisen.
29Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt die angefochtene Entscheidung.
30II.
31Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet und führt in diesem Umfang zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils, da ihm hinsichtlich der Wiedergabe von Details über seine Zeugungsfähigkeit ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG sowie ein entsprechender Anspruch auf Freistellung von den außergerichtlichen Anwaltskosten zusteht. Die weitergehende Berufung des Klägers ist dagegen unbegründet.
32Im Einzelnen:
331. Die vom Kläger beanstandeten Äußerungen im streitgegenständlichen Beitrag der Beklagten betreffen die Intimsphäre des Klägers, da es um seinen Gesundheitszustand (Angabe über Zeugungsfähigkeit) sowie sein Sexualleben (Aussagen über Verwendung von Handschellen bzw. Reitgerte und Vorliegen von „SM-Spielchen“ sowie multiplen Liebschaften) geht. Ist damit zunächst der Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt, in dem eine öffentliche Erörterung unzulässig ist, gilt dies im vorliegenden Fall allerdings nicht ausnahmslos: Der Bereich der Sexualität kann von dem gegenüber einer Berichterstattung in den Medien unter dem Gesichtspunkt der Menschenwürde absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung ausgenommen sein, wenn eine Sexualstraftat als Ausdrucksform der Sexualität eines Menschen im Raume steht. Die aktuelle Berichterstattung über eine solche Straftat rechtfertigt unter dem Gesichtspunkt des Informationsinteresses nicht allein die identifizierende Veröffentlichung des Tatvorwurfs, sondern unter Umständen auch Berichte über das persönliche Leben des Täters, wenn der Inhalt der Berichte in einer unmittelbaren Beziehung zur Tat steht, Aufschlüsse über Motive oder andere Tatvoraussetzungen gibt und für die Bewertung der Schuld wesentlich erscheint (BVerfG, Beschl. v. 10.6.2009 – 1 BvR 1107/09, NJW 2009, 3357). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die im Beitrag der Beklagten enthaltenen Informationen nicht sämtlich der Intimsphäre des Klägers zuzuordnen:
34a. Dass zu den Ausdrucksformen der Sexualität des Klägers (auch) die Benutzung von Handschellen und Reitpeitsche und damit – wie von der Beklagten in pointierter Form ausgedrückt – die Durchführung von „SM-Spielen/Spielchen“ gehörte, ist für die Würdigung der Einlassung des Klägers zum Tatgeschehen bzw. die Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit von Bedeutung, so dass ein hinreichender Tatbezug zu bejahen ist (vgl. BGH, Urt. v. 19.3.2013 – VI ZR 93/12) und die betreffende Äußerung der Beklagten daher nicht mehr die Intimsphäre des Klägers betrifft.
35b. Gleiches gilt für die Wiedergabe des Umstandes, dass der Kläger mit einer Vielzahl von Frauen sexuell verkehrte („multiple Liebschaften“). Zwar betrifft auch diese Angabe zunächst die Intimsphäre des Klägers, da es sich um eine Ausdrucksform seiner Sexualität handelt. Sie weist jedoch – unabhängig von dem Umstand, dass es keine Tatbestandsvoraussetzung der angeklagten Vergewaltigung ist, ob der Kläger vor, nach oder zeitgleich mit seinem Verhältnis zur Nebenklägerin noch Verhältnisse mit weiteren Frauen gehabt hat – einen hinreichenden Bezug zu dem Strafverfahren auf, über deren Verlauf die Beklagte in dem streitgegenständlichen Beitrag berichtete. Denn der damalige Verteidiger des Klägers selbst hat – was auch der Kläger nicht in Abrede stellt – im Verlauf des Strafverfahrens die zuständige Strafkammer des Landgerichts Mannheim aufgrund der Reihenfolge der Zeugenvernehmung scharf kritisiert und bemängelt, dass es unüblich sei, zunächst eine Vielzahl von (ehemaligen) Freundinnen des Klägers und erst im Anschluss mit der Nebenklägerin die eigentliche Belastungszeugin zu vernehmen. Insoweit haben der Kläger bzw. sein damaliger Verteidiger das Ausmaß der vom Kläger nacheinander bzw. zeitgleich unterhaltenen sexuellen Beziehungen zu verschiedenen Frauen selbst zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, über das die Beklagte berichten wollte. Eine sachgerechte Berichterstattung über das vom Verteidiger kritisierte Vorgehen der Strafkammer konnte nicht darauf verzichten, das Vorbringen des Verteidigers des Klägers und dessen Kritik an der Prozessführung durch die Strafkammer erwähnen.
36c. Abweichend davon ist jedoch die Frage einer Zeugungsfähigkeit des Klägers seiner Intimsphäre zuzurechnen, hinsichtlich derer eine Berichterstattung schlechthin unzulässig ist. Denn dieses medizinische Detail steht weder in unmittelbarer Beziehung zur Tat, noch gibt es Aufschlüsse über Motive oder andere Tatvoraussetzungen oder erscheint es für die Bewertung der Schuld wesentlich.
37Die Beantwortung der Frage, ob der Kläger zeugungsunfähig ist oder nicht, lässt keine Aufschlüsse über mögliche Motive oder andere Tatvoraussetzungen der angeklagten schweren Vergewaltigung zu. Weder die angeklagte Vergewaltigung noch die Beziehung des Klägers zur Nebenklägerin bzw. das von ihm nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen gegenüber Frauen im Allgemeinen gezeigte Dominanzverhalten weisen einen Bezug zu der medizinischen Angabe auf, dass der Kläger zeugungsunfähig sein soll. Der Kläger hat zwar im Rahmen seiner richterlichen Vernehmung vor dem Ermittlungsrichter angegeben, dass die Mitteilung, seine Kinder seien nicht seine leiblichen Kinder, und die nachfolgende Feststellung seiner Zeugungsunfähigkeit mittels Spermatogramm bei ihm ein tiefes Misstrauen gegen feste Beziehungen ausgelöst und dazu geführt hätten, dass er (bei einer Vielzahl von Frauen) auf die Suche nach Bestätigung gegangen sei. Die Zeugungsunfähigkeit war jedoch – nach der insoweit zu unterstellenden Einlassung des Klägers – nicht der Grund für diese Bindungsangst und das Misstrauen gegenüber langfristigen Bindungen, ungeachtet der Tatsache, dass auch diese Gefühle des Klägers keinen Bezug zu der angeklagten schweren Vergewaltigung aufweisen. Grund für die angegebene Bindungsangst war vielmehr der Umstand, dass der Kläger erfahren hat, dass seine beiden Kinder nicht seine leiblichen Kinder sind. Dies ist jedoch weder ein Motiv noch ein Tatbestandsmerkmal der angeklagten Tat und auch für die Schuldfrage nicht von Bedeutung. Des Weiteren spielt die Zeugungsfähigkeit des Klägers weder beim möglichen Geschehensablaufs in der Tatnacht noch bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Beteiligten eine Rolle, sondern dient allein der Sensationslust der Leser, die weitere intime Details aus dem Privatleben des Klägers erfahren wollen. Es entspricht insoweit den übereinstimmenden Angaben des Klägers und der Nebenklägerin im Strafverfahren, dass es im Vorfeld der angeblichen Vergewaltigung zwischen den beiden zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr ohne Kondom gekommen ist, was das Auffinden von DNS am Tatort erklärt. Der konkrete Grund für die Nichtbenutzung eines Kondoms ist für das mögliche Tatgeschehen dagegen unerheblich. Die Berichterstattung über den Prozesstag und die Angaben des Klägers zum Ablauf der Tatnacht hätten auch ohne Nennung dieses Details zum Gesundheitszustand des Klägers vollständig erfolgen können.
38Der Kläger hat dieses Detail seines Gesundheitszustandes auch nicht selbst öffentlich gemacht, so dass mangels Geheimhaltung durch ihn eine Zuordnung zum Intimbereich ausscheiden würde. Denn in den öffentlichen Äußerungen des Klägers – namentlich im Interview für die Zeitschrift „Die Zeit“ vom 9.6.2011 (Anl. B 20) – ist lediglich davon die Rede, dass seine beiden Söhne keine leiblichen Kinder sind. Dagegen wird die Zeugungsunfähigkeit des Klägers weder von ihm selbst angesprochen, noch ergibt sie sich zwingend aus diesem Umstand.
39Der einzige objektive Bezugspunkt zwischen der Zeugungsunfähigkeit des Klägers und der vor dem Landgericht Mannheim seinerzeit angeklagten Straftat ist die fehlende Verwendung eines Kondoms durch den Kläger (nach seinen Angaben im Einvernehmen mit der Nebenklägerin, die von seiner Zeugungsunfähigkeit wusste), die zwar bei den gerichtlichen Feststellungen erwähnt wurde, aber weder für den von der Nebenklägerin geschilderten Tatverlauf noch für Tatbestand, Motiv oder Schuldfrage eine Rolle spielt.
402. Soweit die beanstandeten Äußerungen der Beklagten nicht wegen Eingriffs in die Intimsphäre des Klägers schlechthin unzulässig sind, sondern lediglich dessen Privatsphäre betreffen (Anträge zu 2a, 2c, 2d), hängt die Zulässigkeit der Berichterstattung durch die Beklagte von der Abwägung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit einerseits und den schutzwürdigen Belangen des Klägers andererseits ab. Diese Abwägung führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass die Berichterstattung der Beklagten im Hinblick auf die mit den Anträgen zu 2a, 2c und 2d gerügten Äußerungen nicht zu beanstanden ist.
41Im Einzelnen:
42a. Die Beklagte kann sich zunächst nicht darauf berufen, dass aufgrund der Verlesung des Vernehmungsprotokolls im Hauptverhandlungstermin vor dem Landgericht Mannheim vom 13.9.2010 sämtliche dort genannten Umstände aus der Einlassung des Klägers vor dem Ermittlungsrichter einer Gerichtsberichterstattung zugänglich seien. Eine solche grundsätzliche Zulässigkeit der Berichterstattung scheidet nach Ansicht des Senates aus und lässt sich – entgegen der Ansicht der Beklagten – auch der Entscheidung des BGH vom 19.3.2013 (VI ZR 93/12) nicht entnehmen.
43aa. Der BGH hatte sich in der vorgenannten Entscheidung mit einer Berichterstattung zu befassen, die schon vor Verlesung des haftrichterlichen Vernehmungsprotokolls am 13.9.2010 über Details aus dieser Einlassung des Klägers berichtet hat. Der VI. Zivilsenat hat einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers bejaht, der rechtswidrig sei, weil das Informations- und Berichterstattungsinteresse die für den Kläger sprechenden Umstände nicht überwiege. Er hat jedoch trotzdem einen Unterlassungsanspruch des Klägers verneint, weil nach der etwa drei Monate später erfolgten Verlesung des Vernehmungsprotokolls die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen sei. Die künftige Veröffentlichung der beanstandeten Aussage würde nur in anderer Form in die Öffentlichkeit tragen, was die Presse aus Anlass der Verlesung des fraglichen Vernehmungsprotokolls in der öffentlichen Hauptverhandlung zulässigerweise berichtet habe. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte allerdings über Details aus der klägerischen Einlassung nicht vor deren Verlesung am 13.9.2010, sondern erst danach berichtet, indem sie diese zum Gegenstand der Prozessberichterstattung des betreffenden Tages gemacht hat. Insofern weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass es vorliegend nicht um die Frage einer Wiederholungsgefahr, sondern darum geht, ob der Berichterstattung überhaupt eine Eingriffseignung zukommt bzw. ob das Schutzinteresse des Klägers nicht schon deshalb zurücktreten muss, weil die Medien berechtigt sind, über die in öffentlicher Verhandlung wiedergegebene Einlassung des Klägers in vollem Umfang zu berichten.
44bb. Soweit der VI. Zivilsenat in der vorgenannten Entscheidung eine Wiederholungsgefahr verneint, wenn „die künftige Veröffentlichung der beanstandeten Aussage nur in anderer Form in die Öffentlichkeit tragen würde, was die Presse aus Anlass der Verlesung des fraglichen Vernehmungsprotokolls in der öffentlichen Hauptverhandlung zulässigerweise berichtete“, bedeutet dies jedoch nicht, dass sämtliche Details aus der Einlassung des Angeklagten von der Presse veröffentlicht oder in sonstiger Weise verbreitet werden dürfen. Denn auch wenn ein Angeklagter sich in öffentlicher Hauptverhandlung zur Tat äußert, stellt dies keine Einwilligung seinerseits dar, sämtliche Details dieser Einlassung unabhängig davon zu veröffentlichen, ob im konkreten Fall das Persönlichkeitsrecht des Angeklagten eine Wiedergabe der fraglichen Details verbietet oder ob dagegen das öffentliche Berichterstattungsinteresse überwiegt. Eine solche Abwägung muss vielmehr für jedes wiedergegebene Detail der Einlassung gesondert durchgeführt werden. Zwar ist die Einlassung von zentraler Bedeutung für die Berichterstattung und für die öffentliche Meinungsbildung hinsichtlich eines möglichen Geschehensablaufs in der Tatnacht und die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Beteiligten. Allerdings kann sich diese zentrale Bedeutung für Berichterstattung und öffentliche Meinungsbildung auch nur auf solche Angaben des Betroffenen beziehen, die gerade den möglichen Geschehensablauf in der Tatnacht sowie die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Beteiligten zum Inhalt haben. Nicht in diesem Sinne von zentraler Bedeutung sind dagegen andere persönliche Umstände, die der Angeklagte im Rahmen seiner Vernehmung bzw. der Verlesung eines Vernehmungsprotokolls preisgibt und die eine derartige Verbindung zum Tatgeschehen bzw. zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit nicht aufweisen.
45cc. Soweit sich die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf beruft, der Kläger habe wie jeder Angeklagte selbst entscheiden können, welche Details seiner privaten Lebensumstände er in öffentlicher Hauptverhandlung preisgibt bzw. durch Verlesung des richterlichen Vernehmungsprotokolls preisgeben lässt, geht diese Argumentation fehl: Der Kläger hat sich zunächst in nichtöffentlicher Vernehmung vor dem Haftrichter geäußert und dabei – unabhängig davon, ob er überhaupt das Bewusstsein hatte, dass eine Veröffentlichung seiner Angaben in Zukunft bevorstand – als Betroffener eines Strafverfahrens agiert, was auf die Art und den Umfang der Einlassung Einfluss gehabt hat. Er hatte sodann in der öffentlichen Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim die Wahl, sich nach § 243 Abs. 5 StPO selbst zur Sache zu äußern oder aber die Verlesung des Vernehmungsprotokolls nach § 254 Abs. 1 StPO zu dulden. Bei keiner dieser beiden Alternativen kann jedoch ein (ggf. konkludent geäußerter) Willen festgestellt werden, eine Öffentlichkeit, die über die Saalöffentlichkeit hinausgeht, an Details seines Sexuallebens teilhaben zu lassen. Auch wenn dem Kläger bereits im Rahmen der richterlichen Vernehmung vor dem Haftrichter am 24.3.2010 (Anl. B 21) aufgrund der vorangegangenen Belehrung klar gewesen sein dürfte, dass es ihm freistand, sich zur Sache zu äußern, sind seine dann folgenden Äußerungen nicht darauf angelegt gewesen, die Öffentlichkeit zu informieren, sondern dienten der ihm als Beschuldigten zustehenden Darstellung der Tatnacht. Würde in solchen Fällen eine generelle Berechtigung der Presse bejaht werden, die Einlassung vollumfänglich zum Gegenstand einer öffentlichen Berichterstattung zu machen, wäre es unzulässigerweise der Kläger selbst, der – den Fragen der Prozessbeteiligten bzw. zuvor der nichtöffentlichen Vernehmung durch den Ermittlungsrichter ausgesetzt – im Rahmen der einzelnen Antwort abzuwägen hätte, welche Details aus seinem Privatleben er noch preiszugeben bereit ist, gleichzeitig aber auch im Auge behalten müsste, dass es ihm in erster Linie darum geht, seine Sicht der Dinge im Hinblick auf den Tatvorwurf darzulegen.
46dd. Soweit die Entscheidung des BGH vom 19.3.2013 (VI ZR 93/12) schließlich unter Hinweis auf die Entscheidung vom 19.10.2004 (VI ZR 292/03) sowie deren verfassungsrechtliche Billigung (BVerfG, Beschl. v. 21.8.2006 – 1 BvR 2606/04) darauf verweist, dass die Veränderung tatsächlicher Umstände eine ursprünglich rechtswidrige Berichterstattung für die Zukunft rechtmäßig erscheinen lassen könne, treffen diese Erwägungen auf den vorliegenden Fall schon nicht zu. Denn dem Urteil vom 19.10.2004 (VI ZR 292/03) lag ein Sachverhalt zugrunde, in welchem die Klägerin mit ihrem prominenten Partner eine öffentliche Veranstaltung (Verleihung eines Film- und Videopreises) aufgesucht und dort die persönliche Beziehung – von der zuvor und anschließend in der Presse berichtet worden war – sowie Details aus ihrem Privatleben offen gelegt hatte. Mit einer solchen Entscheidung, sich gemeinsam bei einer Preisverleihung mit bekanntermaßen hohem Presseaufkommen der medialen Öffentlichkeit zu zeigen und damit willentlich bestimmte private Angelegenheiten öffentlich zu machen, ist die nicht-öffentliche Vernehmung als Beschuldigter durch den Ermittlungsrichter nicht vergleichbar.
47b. Eine danach trotz öffentlicher Verlesung der Einlassung erforderliche Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers sowie dem Berichterstattungsinteresse der Öffentlichkeit führt jedoch im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die von der Beklagten im streitgegenständlichen Beitrag wiedergegebenen Details, wie sie in den Anträgen zu 2a, 2c und 2d angeführt werden, als zulässige Gerichtsberichterstattung einzustufen sind.
48aa. Soweit der Kläger geltend macht, dass die Unzulässigkeit der Berichterstattung sich schon daraus ergebe, dass die Beklagte überhaupt keine Gerichtsberichterstattung im Sinne einer sachlichen und objektiven Wiedergabe des Prozesstages vorgenommen habe, sondern es sich lediglich um herablassende Äußerungen und süffisante Seitenhiebe handele (Bl. 434 GA), greift dieser Einwand im Ergebnis nicht durch. Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, dass der Beitrag der Beklagten sich nicht auf eine reine Wiedergabe des Prozessgeschehens vor dem Landgericht Mannheim am 13.9.2010 beschränkt. Dadurch ist er aber nicht schon per se aus dem Geltungsbereich „gerichtliche Berichterstattung“ auszuscheiden. Die Beklagte hat wertende, teilweise sehr pointierte Formulierungen verwendet, um die ihr im Rahmen des Hauptverhandlungstermins bekannt gewordenen (wahren) Tatsachen für den Leser aufzubereiten. Mit diesen Werturteilen („Kuschelbärchen“, „SM-Spielchen“, „dunkle Triebe“) überschreitet sie zum einen jedoch nicht die Grenzen der Schmähkritik. Zum anderen darf es auch einer Gerichtsberichterstattung nicht verwehrt sein, die Geschehnisse im Rahmen der geltenden Grenzen einem Werturteil zu unterziehen bzw. sprachlich zugespitzt auszudrücken. Letztlich ist auch nicht in Abrede zu stellen, dass die Beklagte in dem fraglichen Artikel keine Vorverurteilung des Klägers vornimmt, sondern gerade diese Vorverurteilung durch die Öffentlichkeit kritisch kommentiert und nach Gründen dafür sucht („Es scheint, als habe die Causa Kachelmann ganz tief im deutschen (und Schweizer) Befinden etwas durcheinandergewirbelt, das die Öffentlichkeit auf irgendeine Weise wieder gerade gerückt haben will. Nur so lässt sich das überbordende Interesse erklären, das der Prozess auf sich zieht“).
49bb. Im Rahmen der damit vorliegenden Gerichtsberichterstattung ist die mit dem Antrag zu 2a gerügte Äußerung der Beklagten „Der nette Wettermann und die SM-Spiele mit Peitsche“ nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass diese Äußerung insofern als sachliche Wiedergabe anzusehen ist, als der Kläger in seiner richterlichen Vernehmung ausgeführt hatte „In ihrem Besitz und zu ihrem Haushalt gehörten auch Handschellen, die sie in diesem Fall schon in der Hand hatte und auch eine Reitgerte, die auch zu ihrem Haushalt gehörte, die immer bei ihr war und die sie dann jeweils, wenn sie Lust darauf hatte, bereitlegte“. Aufgrund dieser Angaben des Klägers handelt es sich bei der Überschrift um eine zusammengefasste und wertend pointierte Kommentierung, die zu dem vor dem Strafverfahren in der Öffentlichkeit bestehenden Bild des Klägers in Bezug gesetzt worden ist.
50Gleiches gilt für die mit dem Antrag zu 2c beanstandete Äußerung „gern auch mal mit Handschelle oder bereit gelegter Reitpeitsche“. Auch hier besteht der Tatsachenkern in der Wiedergabe der klägerischen Einlassung, dass im Rahmen seiner Sexualbeziehung zur Nebenklägerin Handschellen und Reitpeitsche eine Rolle gespielt haben. Die Formulierung „gern auch mal“ greift, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, die Einlassung des Klägers auf, die betreffenden Utensilien würden nicht immer, sondern lediglich dann verwandt, „wenn sie Lust darauf hatte“.
51cc. Gleiches gilt schließlich auch für die mit dem Antrag zu 2d gerügte Formulierung „Das Kuschelbärchen aus den Schweizer Bergen soll dunkle Triebe mit SM-Spielchen und multiplen Liebschaften ausgelebt haben?“. Auch hier hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass es sich bei der fraglichen Äußerung um eine echte und nicht lediglich um eine rhetorische Frage handele, die unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit einem Werturteil gleichsteht und als solches zulässig ist. Mit den Formulierungen „Kuschelbärchen aus den Schweizer Bergen“, „dunkle Triebe“ und „SM-Spielchen“ wird in pointierter Form das bis zum Beginn des Strafverfahrens vorherrschende Bild des Klägers in der Öffentlichkeit mit denjenigen Erkenntnissen in Beziehung gesetzt, die die Beklagte zulässigerweise aus der verlesenen Einlassung des Klägers im Strafverfahren gewonnen hat, nämlich die vom Kläger bestätigte gelegentliche Verwendung von Handschellen und Reitgerte als Ausformung seines Sexuallebens mit der Nebenklägerin. Die weiter in der Äußerung enthaltene Angabe der wahren Tatsache, dass der Kläger mit einer Vielzahl von Frauen nacheinander bzw. zeitlich parallel verkehrt hat („multiple Liebschaften“) ist zwar für das unmittelbare Tatgeschehen, nämlich die angeklagte schwere Vergewaltigung als solche unbeachtlich. Allerdings überwiegt auch insoweit das Berichterstattungsinteresse der Beklagten das Persönlichkeitsrecht des Klägers, weil dieser selbst bzw. sein damaliger Verteidiger diese Tatsache zum Gegenstand des Verfahrens gemacht haben, indem das prozessuale Vorgehen des Gerichtes, zunächst die als Zeuginnen auftretenden (ehemaligen) Freundinnen des Klägers und erst dann die Nebenklägerin als Zeugin zu vernehmen, von der Verteidigung kritisiert wurde. Im Rahmen einer Berichterstattung über den Verlauf des dies betreffenden Teils des Prozesstages konnte dieser Umstand nicht ausgespart werden.
523. Soweit der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der betreffenden Äußerung über seine Zeugungsfähigkeit hat, ist diese gemäß § 257 S. 1 BGB auch zur Freistellung des Klägers von den Anwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten verpflichtet. Die erstattungsfähigen Anwaltskosten berechnen sich im Hinblick auf die zu unterlassende Äußerung nach einem Streitwert von 10.000 Euro, so dass sich bei dem vom Kläger geltend gemachten Ansatz der nicht anzurechnenden 0,65-Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) nebst Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) und Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) ein Gesamtbetrag in Höhe von 399,72 Euro ergibt. Die beantragten Zinsen auf den Freistellungsanspruch können dagegen nicht nach §§ 288 Abs. 1 S. 1, 291 S. 1 BGB zuerkannt werden, da ein Freistellungsanspruch keine zu verzinsende Geldschuld darstellt. Es ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger bereits einen konkreten Schaden durch die bisherige Nichtzahlung der Anwaltsgebühren erlitten hätte.
53III.
54Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
55Die Revision ist nicht entsprechend der Anregung der Beklagten zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, da die Beurteilung des Rechtsstreits auf der Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und im Übrigen auf den Einzelfallumständen beruht. Höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.
56Streitwert: 40.000 Euro
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger wendet sich mit seinem Unterlassungsbegehren gegen eine ihn betreffende Online-Berichterstattung auf dem von der Beklagten betriebenen Internetportal "www.bild.de" während eines gegen ihn geführten Strafverfahrens.
- 2
- Der Kläger war bis zu seiner Verhaftung im März 2010 als Fernsehmoderator und Journalist tätig. Er betrieb außerdem ein Unternehmen, das meteorologische Daten erfasst und vertreibt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen ihn wegen des Verdachts der Vergewaltigung in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Ihm wurde vorgeworfen, am 9. Februar 2010 seine damalige Freundin zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Vom 20. März 2010 bis zum 29. Juli 2010 befand er sich in dieser Sache in Untersuchungshaft. In der vom 6. September 2010 bis zum 31. Mai 2011 dauernden Hauptverhandlung wurde er freigesprochen.
- 3
- Nach Anklageerhebung, aber vor Eröffnung des Hauptverfahrens berichtete die Beklagte am 13. Juni 2010 auf ihrem Internetportal unter der Überschrift "Der K….-Krimi: Neue Indizien aus der Tatnacht?" unter anderem wie folgt: "Der Fall K…. (51) wird immer pikanter: Laut dem Nachrichtenmagazin ‚Focus‘ soll jetzt auch ein sichergestellter Tampon die angebliche Verge- waltigung beweisen! Das Magazin veröffentlichte jetzt neue intime Details über die angebliche Tatnacht. So heißt es in Bezug auf das Treffen zwischen Jörg K… und Sabine W. (37) unter anderem: Die Ex-Freundin des Wettermoderators habe ‚auf ihn gewartet mit hochgezogenem Strickkleid‘. Und weiter: ‚wie üblich habe sie Handschellen und eine Reitgerte bereitgelegt ‘."
- 4
- Diese Informationen stammen aus der Einlassung des Klägers in seiner ersten richterlichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren. Das Protokoll über diese Vernehmung, das unter anderem folgende Passage enthält, wurde in der öffentlich geführten Hauptverhandlung am 13. September 2010 zu Beweiszwecken verlesen: "Es war dann so, das war das übliche Verfahren bei den Treffen, dass ich geklingelt habe, langsam die Treppe hoch ging, ich die Türe aufmachte , die angelehnt war, und sie wartete dann schon ausgezogen oder in diesem Fall mit schon hochgezogenem Strickkleidchen. In ihrem Besitz und zu ihrem Haushalt gehörten auch Handschellen, die sie in diesem Fall schon in der einen Hand hatte auch eine Reitgerte, die auch zu ihrem Haushalt gehörte, die immer bei ihr war und die sie dann jeweils , wenn sie Lust darauf hatte, bereitlegte."
- 5
- Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen , zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten: Die Ex-Freundin des Wet- termoderators habe ‚auf ihn gewartet mit hochgezogenem Strickkleid‘, ‚wieüblich habe sie Handschellen und eine Reitgerte bereitgelegt‘, wenn dies ge- schieht wie auf bild.de im Artikel vom 13.06.2010 mit der Überschrift "Der K….Krimi : Neue Indizien aus der Tatnacht?". Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 6
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil u.a. in ZUM 2012, 330 veröffentlicht ist, hat die Klage als zulässig angesehen. Grundsätzlich müsse die klagende Partei gemäß § 253 Abs. 2, 4, § 130 Nr. 1 ZPO ihre ladungsfähige Anschrift in der Klageschrift angeben. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass der Kläger unter der von ihm angegebenen Anschrift im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht hätte geladen werden können. Dass in einer anderen Rechtssache eine Zustel- lung unter dieser Anschrift fehlgeschlagen sei, lasse nicht darauf schließen, ob zur Zeit der Klageerhebung eine Zustellung hätte bewirkt werden können. Ebenso unerheblich sei, dass der Kläger bereits längere Zeit nicht mehr unter der angegebenen Anschrift amtlich gemeldet gewesen sei.
- 7
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu. Die beanstandeten Äußerungen beträfen zwar nicht den absolut geschützten Kernbereich seines Persönlichkeitsrechts, weil sie Gegenstand einer gegen ihn erhobenen Anklage seien und einen Bezug zu der vorgeworfenen Tat aufwiesen. Bei der vorzunehmenden Abwägung sei aber das Persönlichkeitsrecht des Klägers höher zu bewerten als das Berichterstattungsinteresse der Beklagten. Zu Gunsten des Klägers falle besonders ins Gewicht, dass es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren handele und ihm die Unschuldsvermutung zu Gute komme, die eine zurückhaltende, jedenfalls aber ausgewogene Berichterstattung verlange. Den beanstandeten Äußerungen komme für das Strafverfahren nur eine geringe Bedeutung zu. Zu dem eigentlichen Tatgeschehen wiesen sie keinen konkreten Bezug auf. Ein Hinweis auf die Bedeutung der beanstandeten Äußerung für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit gehe aus dem Artikel nicht hervor. Dagegen greife die Berichterstattung über praktizierte sexuelle Vorlieben des Klägers erheblich in dessen Persönlichkeitsrecht ein, weil diese einem Großteil der Leser in Erinnerung blieben. Der Kläger werde als eine Person mit sadomasochistischen Neigungen beschrieben. Die dadurch begründete "Prangerwirkung" werde durch den Freispruch nicht beseitigt. Während des laufenden Ermittlungsverfahrens bestehe kein derart weitgehendes Berichterstattungs- und Informationsinteresse.
- 8
- Eine abweichende Beurteilung sei nicht deshalb geboten, weil die Sexualpraktiken des Klägers in anderen Medien ebenfalls thematisiert und dadurch einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht worden seien. Die streitgegenständliche Veröffentlichung habe den Kreis der "Rezipienten" wesentlich erweitert und sei Anlass für verschiedene Medien gewesen, die dort mitgeteilten Tatsachen zum Sexualleben des Klägers nachfolgend aufzugreifen.
- 9
- Auch nach Verlesung des Protokolls der klägerischen Einlassung vor dem Haftrichter in der öffentlichen Hauptverhandlung sei die Berichterstattung über die einvernehmlich praktizierten sexuellen Vorlieben nicht zulässig geworden. Die Verlesung selbst habe Details aus dem Sexualverhalten des Klägers nur den im Gerichtssaal anwesenden Personen offenbart. Eine Breitenwirkung habe erst die auf die Verlesung erfolgte Medienberichterstattung erzielt. Diese habe jedoch nicht dazu geführt, dass die frühere streitgegenständliche Berichterstattung über das Sexualleben des Klägers nicht mehr in rechtswidriger Weise in das Persönlichkeitsrecht eingreife und eine Wiederholungsgefahr entfallen sei. Die Medien hätten auch über die öffentliche Hauptverhandlung nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung nur zurückhaltend und maßvoll berichten dürfen. Aus dem in § 169 GVG normierten Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen folge kein Recht der Presse, über sämtliche in der öffentlichen Verhandlung erörterten Inhalte zu berichten. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger keinen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 171b GVG gestellt habe.
II.
- 10
- Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG nicht zu.
- 11
- 1. Zu Recht hat allerdings das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision die Zulässigkeit der Klage bejaht.
- 12
- a) Der Kläger muss in der Klageschrift grundsätzlich eine ladungsfähige Anschrift angeben, weil hierdurch seine Bereitschaft dokumentiert wird, auf Anordnung des Gerichts persönlich zu erscheinen, und gewährleistet ist, dass er den Prozess nicht aus dem Verborgenen führt, um sich eventueller nachteiliger Folgen, insbesondere der Kostenpflicht im Fall des Unterliegens, zu entziehen (BGH, Urteile vom 9. Dezember 1987 - IVb ZR 4/87, BGHZ 102, 332, 335 f.; vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02, NJW-RR 2004, 1503; Beschluss vom 1. April 2009 - XII ZB 46/08, NJW-RR 2009, 1009 Rn. 11).
- 13
- b) Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei keinen Mangel der Klageschrift angenommen, der zur Unzulässigkeit der Klage führt. Es hat ausgeführt, es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass gerichtliche Schriftstücke, insbesondere Ladungen, den Kläger unter der angegebenen Anschrift nicht erreicht hätten. Aus dem Schreiben des Kantonsgerichts A. A. vom 2. Dezember 2011 ergebe sich zwar, dass der Kläger unter der angegebenen Anschrift nicht mehr gemeldet sei, und ein Zustellungsersuchen in einer anderen Sache deshalb nicht habe erledigt werden können. Es sei aber nicht erwiesen, dass Zustellungen im Zeitpunkt der Klageerhebung dort nicht möglich gewesen seien. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Für die Möglichkeit einer Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO kommt es nicht auf die Anmeldung eines Wohnsitzes an, sondern auf die tatsächliche Benutzung der Wohnung zum Aufenthalt. Nicht jede vorübergehende Abwesenheit , selbst wenn sie länger dauert, hebt die Eigenschaft jener Räume als einer Wohnung im Sinne der Zustellungsvorschriften auf. Diese Eigenschaft geht vielmehr erst verloren, wenn sich während der Abwesenheit des Zustellungsempfängers auch der räumliche Mittelpunkt seines Lebens an den neuen Aufenthaltsort verlagert (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1993 - XII ZR 120/92, NJW-RR 1994, 564 f.). Dass eine Zustellung am 2. Dezember 2011 nicht ausführbar war, besagt nicht, dass dies auch schon zum Zeitpunkt der früher erfolgten Zustellung der Klage der Fall gewesen wäre. Die ordnungsgemäße Klageerhebung ist eine Prozessvoraussetzung, die ihrer Natur nach nur bei der Einleitung des Verfahrens vorliegen muss. Deshalb bleibt die Klage zulässig, wenn erst im Lauf des Prozesses die ladungsfähige Anschrift entfällt (BGH, Urteil vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02, aaO; Beschluss vom 1. April 2009 - XII ZB 46/08, aaO Rn. 12). Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Kläger seine Anschrift verbergen wollte, um sich negativen prozessualen Folgen zu entziehen.
- 14
- 2. Die Klage ist aber nicht begründet, weil dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zusteht.
- 15
- a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die angegriffenen Äußerungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtigen. Die Berichterstattung über Sexualpraktiken, die der Kläger in seiner Beziehung zur Anzeigeerstatterin angewandt haben soll, berührt das Persönlichkeitsrecht.
- 16
- b) Im Ausgangspunkt zutreffend sind auch die rechtlichen Grundsätze, welche das Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat.
- 17
- aa) Das Berufungsgericht hat es zu Recht für geboten erachtet, über den Unterlassungsantrag aufgrund einer Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 35; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, VersR 2013, 63 Rn. 10; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, VersR 2013, 321 Rn. 11).
- 18
- Geht es um eine Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat, so ist zu berücksichtigen, dass Straftaten zum Zeitgeschehen gehören, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen , begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 204; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 14; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, aaO Rn. 38; BVerfGE 35, 202, 230 f.; BVerfG NJW 2009, 3357 Rn. 18).
- 19
- Handelt es sich um die Berichterstattung über ein noch nicht abgeschlossenes Strafverfahren, so ist im Rahmen der Abwägung allerdings auch die zugunsten des Betroffenen sprechende, aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende und in Art. 6 Abs. 2 EMRK anerkannte Unschuldsvermutung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, VersR 2013, 63 Rn. 14; BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14; NJW 2009, 3357 Rn. 20). Diese gebietet eine entsprechende Zurückhaltung , mindestens aber eine ausgewogene Berichterstattung (vgl. BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14). Außerdem ist eine mögliche Prangerwirkung zu berücksichtigen, die durch die Medienberichterstattung bewirkt werden kann (vgl. BVerfGE 119, 309, 323; BVerfG, aaO). Im Hinblick darauf kann bis zu einem erstinstanzlichen Freispruch oftmals das Recht auf Schutz der Persönlichkeit und Achtung des Privatlebens gegenüber der Freiheit der Berichterstattung überwiegen (BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 20; Senatsurteil vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, BGHZ 190, 52 Rn. 25).
- 20
- bb) Zutreffend hat das Berufungsgericht die Berichterstattung im Zeitpunkt der Veröffentlichung als rechtswidrig beurteilt.
- 21
- (1) Mit Recht hat das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung die in Rede stehenden Äußerungen der Privatsphäre des Klägers zugeordnet.
- 22
- Auch wenn die Voraussetzungen der Verdachtsberichterstattung (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO 203 f.; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, aaO Rn. 26) erfüllt sind, dürfen die Medien über die Person des Verdächtigen nicht schrankenlos berichten. Vielmehr ist für jeden einzelnen Umstand aus dem persönlichen Lebensbereich, der Gegenstand der angegriffenen Medienberichterstattung ist, aufgrund einer Abwägung zu entscheiden, ob das Schutzinteresse des Betroffenen das Interesse an einer Berichterstattung überwiegt. Bei der Beurteilung des dem Persönlichkeitsrecht dabei zukommenden Gewichts ist - wie auch sonst bei der Medienberichterstattung über personenbezogene Umstände (vgl. Senatsurteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 13) - von entscheidender Bedeutung , ob das Thema der Berichterstattung der Intimsphäre, der Privatsphäre oder der Sozialsphäre zuzuordnen ist.
- 23
- Ob ein Sachverhalt dem Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung angehört, hängt davon ab, ob der Betroffene ihn geheim halten will, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 11; BVerfGE 80, 367, 374; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 25). Ob ein Vorgang die Intim- oder die Privatsphäre betrifft, hängt auch davon ab, in welchem Umfang Einzelheiten berichtet werden (vgl. Senatsurteil vom 29. Juni 1999 - VI ZR 264/98, VersR 1999, 1250, 1251; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 49). Dem unantastbaren Kernbereich gehören grundsätzlich Ausdrucksformen der Sexualität an (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, aaO; BVerfGE 119, 1, 29 f.; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 25 f.).
- 24
- Sexualstraftaten gehören aber, weil sie einen gewalttätigen Übergriff in das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und zumeist auch in das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Opfers beinhalten, nicht der absolut geschützten Intimsphäre des Tatverdächtigen an (BVerfG, aaO Rn. 26).
- 25
- Danach fallen die berichteten Umstände nicht in den absolut geschützten Kernbereich des Persönlichkeitsrechts.
- 26
- (2) Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit wird, was das Berufungsgericht nicht verkannt hat, durch die prominente Stellung des Klägers erhöht. Schon die prominente Stellung des Klägers kann ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit an seinem Alltagsleben begründen, selbst wenn sich sein Verhalten weder in skandalösen noch in rechtlich oder sittlich zu beanstandenden Verhaltensweisen äußert (BVerfG, BVerfGE 120, 180, 203 f.). Wegen seiner Prominienz berührt das Verhalten des Klägers die Belange der Gemeinschaft noch stärker, wenn der Vorwurf der Begehung einer Straftat im Raum steht, als dies bei nicht prominenten Personen der Fall wäre (vgl. BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 28).
- 27
- (3) Zu Gunsten des Klägers fällt aber ins Gewicht, dass die streitgegenständliche Äußerung aus seiner Einlassung bei der nicht öffentlichen Vernehmung anlässlich der Eröffnung des Haftbefehls stammt. Richterliche Vernehmungen außerhalb der Hauptverhandlung sind nicht nur nichtöffentlich; es ist grundsätzlich auch unzulässig, Medienvertretern die Anwesenheit bei solchen Vernehmungen zu gestatten (Erb in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 168c Rn. 25).
- 28
- (4) Da die Berichterstattung während eines laufenden Strafverfahrens erfolgte , ist zu Gunsten des Klägers im Rahmen der Abwägung die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 14; BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, aaO Rn. 20). Dies gebietet Zurückhaltung bei der Mitteilung von Einzelheiten aus dem privaten Lebensbereich, deren Kenntnis zur Befriedigung des berechtigten Informationsinteresses nicht zwingend erforderlich ist. Der Unschuldsvermutung kommt hier besonderes Gewicht zu, weil die streitgegenständliche Veröffentlichung noch vor Beginn der Hauptverhandlung, mithin in einem frühen Stadium des Strafverfahrens erfolgte.
- 29
- Dass es sich bei den in Rede stehenden Äußerungen nicht um die dem Kläger vorgeworfene Straftat selbst handelt, sondern um wahre Tatsachenbehauptungen aus seiner Einlassung zum Tatvorwurf, steht der Berücksichtigung der Unschuldsvermutung im Rahmen der Abwägung nicht entgegen. Denn auch eine wahre Tatsachenbehauptung kann das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussage geeignet ist, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden droht (Senatsurteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 20; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197 Rn. 37 mwN). Deshalb hat das Berufungsgericht bei der Abwägung zu Gunsten des Klägers zu Recht berücksichtigt, dass er als Person mit sadomasochistischen Neigungen dargestellt wird und dies seinem Ansehen in der Öffentlichkeit abträglich sein kann. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht garantiert grundsätzlich, die eigenen Ausdrucksformen der Sexualität für sich zu behalten und sie in einem dem Zugriff anderer entzogenen Freiraum zu erleben (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 12; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 26).
- 30
- c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist allerdings das Unterlassungsbegehren des Klägers gleichwohl nicht begründet. Ein Unterlassungsanspruch besteht nicht, weil nach Verlesung des Protokolls über die haftrichterliche Vernehmung des Klägers in der öffentlichen Hauptverhandlung vom 13. September 2010 die gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen ist.
- 31
- aa) Die Wiederholungsgefahr ist eine materielle Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs. Wenn sie entfällt, erlischt auch der zukunftsgerichtete Unterlassungsanspruch (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, VersR 2005, 84, 85 mwN; vom 21. Juni 2005 - VI ZR 122/04, VersR 2005, 1403; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, VersR 2009, 1417 Rn. 28; siehe auch BVerfG VersR 2007, 849 Rn. 34). Eine rechtswidrige Beeinträchtigung in der Vergangenheit begründet in der Regel die tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr (Senatsurteile vom 27. Mai 1986 - VI ZR 169/85, VersR 1986, 1075, 1077; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 29 mwN). Die Wiederholungsgefahr kann allerdings dann nicht ohne weiteres aufgrund einer bereits geschehenen Rechtsverletzung vermutet werden, wenn durch die Veränderung tatsächlicher Umstände nunmehr die Berichterstattung als rechtlich zulässig zu beurteilen ist (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 18). Wer in der Vergangenheit in seinen Rechten verletzt wurde, hat keinen Anspruch darauf, dass ein Verhalten unterlassen wird, das sich inzwischen als nicht mehr rechtswidrig darstellt (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 17). Das kommt hier in Betracht, weil die künftige Veröffentlichung der beanstandeten Aussage nur in anderer Form in die Öffentlichkeit tragen würde, was die Presse aus Anlass der Verlesung des fraglichen Vernehmungsprotokolls in der öffentlichen Hauptverhandlung zulässigerweise berichtete (vgl. BVerfG, aaO Rn. 32).
- 32
- bb) Da die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nach der Verlesung des Vernehmungsprotokolls erfolgte Berichterstattung in den Medien noch während der laufenden Hauptverhandlung erfolgte, ist zu Gunsten des Klägers im Rahmen der Abwägung auch hier insbesondere die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen, welche eine entsprechende Zurückhaltung bei der Berichterstattung gebot. Zu beachten ist wiederum, dass auch eine wahre Tatsachenbehauptung das Persönlich- keitsrecht des Betroffenen verletzen kann, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind (vgl. Senatsurteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 20; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197 Rn. 37, jeweils mwN). Hier wurde mit wenigen Sätzen berichtet, dass nach der Schilderung des Klägers sein Treffen mit der Anzeigeerstatterin auf einvernehmlichen geschlechtlichen Verkehr - auch in sadomasochistischer Form - angelegt war. Es kann unterstellt werden, dass den Beschwerdeführer durch die Berichterstattung eine erhebliche soziale Missbilligung treffen kann. Allein von der tagesaktuellen Berichterstattung, die mit dem Abschluss des Verfahrens ein Ende findet, geht indes keine derart schwerwiegende Stigmatisierung in einer solchen Breitenwirkung aus, dass eine dauerhafte oder lang anhaltende soziale Ausgrenzung zu befürchten wäre, die hier in der Abwägung das Berichterstattungsinteresse überwiegen müsste (vgl. BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 29).
- 33
- Auf Seiten der Beklagten ist das große Interesse der Öffentlichkeit an dem Strafverfahren und vor allem an der Hauptverhandlung gegen den prominenten und als Fernsehmoderator sehr bekannten Kläger zu berücksichtigen, welches die intensive Berichterstattung in den Medien widerspiegelt. Bei einem Strafverfahren ist regelmäßig die Kenntnis der Einlassung des Angeklagten für die Beurteilung des weiteren Verfahrensverlaufs und das Verständnis der Beweiserhebungen sowie die Würdigung der Beweisergebnisse in der Hauptverhandlung von erheblicher Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 1983 - 4 StR 550/83, juris Rn. 5; Urteil vom 30. September 2010 - 4 StR 150/10, juris Rn. 23 mwN, insoweit in NStZ-RR 2011, 82 nicht abgedruckt). Eine ausgewogene Prozessberichterstattung kann deshalb kaum auf die Wiedergabe der Einlassung verzichten. Insbesondere bei dem hier erhobenen Vorwurf der schweren Vergewaltigung war die Einlassung von zentraler Bedeutung für die Berichterstattung und für die öffentliche Meinungsbildung hinsichtlich eines möglichen Geschehensablaufs in der Tatnacht und die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Beteiligten, so dass ein enger Bezug zu dem eigentlichen Tatvorwurf besteht. Unter diesen Umständen ist die Wiederholungsgefahr nicht mehr gegeben, weil ein überwiegendes Schutzinteresse des Klägers einer aktuellen Berichterstattung hinsichtlich der angegriffenen, seiner Einlassung entstammenden Aussagen nach deren Verlesung in der Hauptverhandlung nicht mehr entgegenstände, nachdem sie durch die Verlesung des Vernehmungsprotokolls in öffentlicher Hauptverhandlung einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden sind. Damit bestand ab diesem Zeitpunkt der Unterlassungsanspruch nicht mehr.
- 34
- cc) Soweit der Kläger begehrt, der Beklagten eine zukünftige Veröffentlichung wie in dem Artikel vom 13. Juni 2013 zu untersagen, scheitert ein Unterlassungsanspruch am Fehlen einer Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr, die eine - vom Kläger darzulegende - Anspruchsvoraussetzung ist (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 17 und vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 28 ff.). Insoweit kann die Gefahr einer drohenden Rechtsverletzung neu entstehen, nachdem zuvor der Anspruch erloschen ist. Dafür reicht jedoch die bloße Möglichkeit eines erneuten Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Klägers durch die Beklagte ohne konkrete Hinweise darauf nicht aus. Die drohende Verletzungshandlung müsste sich vielmehr in tatsächlicher Hinsicht so konkret abzeichnen, dass eine zuverlässige Beurteilung unter rechtlichen Gesichtspunkten möglich wäre (vgl. Senatsurteil vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 30 mwN). Eine dafür erforderliche drohende Rechtsverletzung seitens der Beklagten hat der Kläger nicht dargelegt. Sie ist auch nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass der Kläger in dem Strafverfahren freigesprochen worden ist, vermag die für den Unterlassungsanspruch er- forderliche konkrete Gefahr einer Rechtsverletzung durch die Beklagte jedenfalls noch nicht zu begründen. Galke Wellner Diederichsen Pauge Stöhr
LG Köln, Entscheidung vom 22.06.2011 - 28 O 956/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 14.02.2012 - 15 U 123/11 -
Tenor
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Die Revisionen gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 14. Mai 2014 werden zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
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Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen unzulässiger Veröffentlichung eines Fotos in Anspruch, das sie in Badekleidung (Bikini) auf einer Liege am Strand von El Arenal auf Mallorca zeigt.
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-
Die Print-Ausgabe der Zeitung "BILD", deren Herausgeberin die Beklagte zu 1 ist, berichtete am 10. Mai 2012 über einen Raubüberfall auf den Profifußballer A. in El Arenal ("Am Ballermann"). Darin heißt es u.a.:
- 3
-
"Sonne, Strand, Strauchdiebe. Gestern sahen wir ... - Star A. (25) in pikanter Frauen-Begleitung am Ballermann. Jetzt wurde er Opfer einer Straftat."
- 4
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Diesem Artikel war das beanstandete Foto beigefügt, das im Vordergrund A. am Strand von El Arenal vor einer Mülltonne zeigt, in die er einen Eimer leert. In dem Bildabschnitt, der die Mülltonne zeigt, findet sich der Text:
- 5
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"Strohhut, dunkle Sonnenbrille: A. am Strand von El Arenal. Vorbildlich entsorgt er seinen Abfall".
- 6
-
Im Hintergrund sind mehrere Personen auf Strandliegen zu sehen. Am rechten Bildrand, auf der Liege unmittelbar hinter A., ist die Klägerin in einem Bikini zu erkennen.
- 7
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Ein Artikel mit demselben Berichtsgegenstand und einem größeren Ausschnitt desselben Fotos wurde bis zum 9. Mai 2013 im Internet-Portal www.bild.de veröffentlicht, das von der Beklagten zu 2 betrieben wird.
- 8
-
Die Klägerin nahm zuletzt die Beklagte zu 1 wegen des in der Print-Ausgabe veröffentlichten Fotos auf Unterlassung und wegen der Veröffentlichung des Fotos im Internet-Portal der Beklagten zu 2 beide Beklagten auf Unterlassung und Entfernung von der Webseite in Anspruch. Ferner begehrte sie von der Beklagten zu 1 wegen der Veröffentlichung in der Print-Ausgabe und von der Beklagten zu 2 wegen der Veröffentlichung im Internet die Zahlung einer angemessenen Entschädigung.
- 9
-
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht dem Unterlassungsbegehren stattgegeben, hinsichtlich des im Internet veröffentlichten Fotos jedoch nur gegenüber der Beklagten zu 2. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren gegen die Beklagte zu 1 sowie ihr Begehren auf Zahlung einer Entschädigung gegen beide Beklagten weiter. Die Beklagten erstreben mit ihren Revisionen die Wiederherstellung des die Klage insgesamt abweisenden Urteils des Landgerichts.
Entscheidungsgründe
-
I.
- 10
-
Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 wegen der Veröffentlichung des Fotos in der Print-Ausgabe der Zeitung "BILD" vom 10. Mai 2012 gemäß § 1004 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, § 22 KUG bejaht. Es hat sich die Überzeugung gebildet, dass die Klägerin auf dem Foto identifizierbar abgebildet ist. Da die Klägerin weder ausdrücklich noch konkludent in die Veröffentlichung des Fotos eingewilligt habe, sei die Zulässigkeit der Veröffentlichung nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen. Danach komme eine Ausnahme vom Erfordernis der Einwilligung grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Berichterstattung ein Ereignis von zeitgeschichtlicher Bedeutung betreffe. Davon könne im Hinblick auf die Klägerin nicht ausgegangen werden. Auch wenn man annehme, dass die Abbildung des Fußballprofis nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG im Kontext des Berichts zulässig gewesen sei, sei damit noch nichts darüber ausgesagt, ob auch die von der Klägerin beanstandete identifizierbare Abbildung ihrer Person rechtmäßig sei. Da die Klägerin in keinerlei Beziehung zu dem Fußballspieler gestanden habe, lasse sich das öffentliche Interesse hiermit nicht begründen. Selbst wenn man mit der Beklagten davon ausginge, dass sich der Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auch auf unbekannte Personen beziehe, die zufällig mit relativen oder absoluten Personen der Zeitgeschichte abgebildet würden, wäre - das zeitgeschichtliche Ereignis unterstellt - jedenfalls bei der erforderlichen Interessenabwägung dem Recht der Klägerin am eigenen Bild gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit der Vorrang einzuräumen. Das unterstellte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an einer Nachricht, dass der im Vordergrund abgebildete Fußballprofi, der gestern noch am Strand gewesen sei und dort vorbildlich seinen Abfall entsorgt habe, jetzt Opfer einer Straftat geworden sei, sei nicht von einem solchen Gewicht, dass dahinter der Schutz der Persönlichkeit der Klägerin zurücktreten müsse. Die Aufnahme zeige die Klägerin im Urlaub, der selbst bei Prominenten zum regelmäßig zu schützenden Kernbereich der Privatsphäre gehöre. Insbesondere sei es für die Information der Allgemeinheit nicht erforderlich gewesen, dass die völlig außerhalb des Geschehens stehende Klägerin identifizierbar abgebildet worden sei. Es sei der Beklagten zu 1 als Presseunternehmen ohne Weiteres möglich gewesen, die Klägerin durch Verpixelung oder Augenbalken unkenntlich zu machen. Was dies an der Aussagekraft des Berichts im Sinne ihres Anliegens, die Urlaubsgestaltung des Fußballprofis zu illustrieren, geändert hätte, sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Dabei falle auch ins Gewicht, dass die nur mit einem Bikini bekleidete Klägerin den Blicken des Publikums in einer deutlich intensiveren Weise preisgegeben werde als in anderen Situationen. Teile der Leserschaft hätten die Veröffentlichung auch zum Anlass für Spekulationen darüber nehmen können, ob es sich bei der Klägerin um die in dem Artikel genannte "pikante Frauenbegleitung" gehandelt habe. Die Bildveröffentlichung sei auch nicht - wie das Landgericht angenommen habe - aufgrund einer analogen Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG gerechtfertigt. Eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift scheitere bereits daran, dass nicht die Abbildung einer Örtlichkeit im Vordergrund gestanden habe, sondern die Person des Fußballers A. Der teilweise vertretenen Auffassung, wonach auch Personen, die im zufälligen Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis abgebildet würden, sofern sie dadurch nicht schon selbst Teil des zeitgeschichtlichen Ereignisses geworden seien, § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG in analoger Anwendung unterfielen, sei nicht zu folgen. Denn damit würden Personen, die rein zufällig mit einer prominenten Person abgebildet würden, ohne diese zu begleiten, schlechter gestellt als Begleitpersonen von prominenten Personen, bei denen eine alltägliche Begleitsituation nicht ohne Weiteres die Veröffentlichung des Begleiterfotos rechtfertige. Da bereits die Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zu interessengerechten Ergebnissen führe, liege insoweit auch keine Lücke vor. Die Klägerin habe auch gegen die Beklagte zu 2 aus § 1004 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB, § 22 KUG einen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung des auf der von der Beklagten zu 2 betriebenen Webseite seit dem 10. Mai 2012 verbreiteten Fotos. Das Persönlichkeitsrecht der Klägerin sei hier noch in stärkerer Weise betroffen als durch die Veröffentlichung der Print-Ausgabe. Bei dem in der Print-Ausgabe abgedruckten Foto handele es sich lediglich um einen Ausschnitt des auf der Internetseite der Beklagten zu 2 vollständig veröffentlichten Fotos, welches auch die unbekleideten Beine der Klägerin zeige. Da der dazu veröffentlichte Text sich nicht erheblich von dem der Print-Ausgabe unterscheide, könne die Abwägung zu keinem anderen Ergebnis führen als bei der Print-Ausgabe der Beklagten zu 1. Der hinsichtlich der Internetveröffentlichung geltend gemachte Anspruch bestehe nicht gegen die Beklagte zu 1. Diese sei unstreitig nicht Betreiberin der Internetseite. Eine Haftung ergebe sich auch nicht - wie die Klägerin meine - aus Rechtsscheinsgesichtspunkten. Störer sei lediglich, wer willentlich und adäquat kausal zur Persönlichkeitsrechtsverletzung beitrage. Davon könne hier nicht ausgegangen werden. Die Beklagten hätten unwidersprochen vorgetragen, dass weder die Beklagte zu 2 entscheiden könne, welche Publikation in den Medien der Beklagten zu 1 erschienen, noch dass dies umgekehrt der Fall sei. Ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen der beanstandeten Bildveröffentlichungen stehe der Klägerin nicht zu, da es sich nicht um einen so schwerwiegenden Eingriff handele, dass eine Geldentschädigung gerechtfertigt sei.
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II.
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Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
- 12
-
A) Revisionen der Beklagten:
- 13
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Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler einen Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 aus § 1004 und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 22, 23 KUG bejaht.
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1. Dabei ist es zutreffend davon ausgegangen, dass die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen ist (vgl. grundlegend Senatsurteile vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 9 ff.; vom 18. Oktober 2011 - VI ZR 5/10, VersR 2012, 116 Rn. 8 f.; vom 22. November 2011 - VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 23 f.; vom 18. September 2012 - VI ZR 291/10, VersR 2012, 1403 Rn. 26, vom 28. Mai 2013 - VI ZR 125/12, VersR 2013, 1178 Rn. 10, und vom 8. April 2014 - VI ZR 197/13, VersR 2014, 890 Rn. 8; jeweils mwN), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfGE 120, 180, 210) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang steht (vgl. EGMR NJW 2004, 2647 Rn. 57 ff.; 2006, 591 Rn. 37 ff., sowie NJW 2012, 1053 Rn. 95 ff., und 1058 Rn. 75 ff.). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Die Veröffentlichung des Bildes von einer Person begründet grundsätzlich eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. BVerfG NJW 2011, 740 Rn. 52 mwN). Die nicht von der Einwilligung des Abgebildeten gedeckte Verbreitung seines Bildes ist nur zulässig, wenn dieses Bild dem Bereich der Zeitgeschichte oder einem der weiteren Ausnahmetatbestände des § 23 Abs. 1 KUG positiv zuzuordnen ist und berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG). Dabei ist schon bei der Beurteilung, ob ein Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist, eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK andererseits vorzunehmen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, VersR 2007, 1135 Rn. 17; ausführlich dazu v. Pentz, AfP 2013, 20, 23 f.).
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a) Nach den von den Revisionen nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin in die Veröffentlichung der Fotos nicht eingewilligt (§ 22 Satz 1 KUG).
- 16
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b) Das Foto ist auch nicht dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) zuzuordnen. Maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des Zeitgeschehens.
- 17
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aa) Der Begriff des Zeitgeschehens darf nicht zu eng verstanden werden. Im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst er nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Zeitgeschehen, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Er wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt. Zum Kern der Presse- und der Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht, und dass sich im Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist, wobei unterhaltende Beiträge davon nicht ausgenommen sind (vgl. BVerfGE 101, 361, 389 ff.; BVerfG, AfP 2008, 163, 166 f. Nr. 61 ff.; Senatsurteile vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, aaO; vom 3. Juli 2007 - VI ZR 164/06, aaO und vom 24. Juni 2008 - VI ZR 156/06, BGHZ 177, 123 Rn. 15 ff.; jeweils mwN).
- 18
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bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Veröffentlichung eines Fotos, das einem Millionenpublikum die - identifizierbar abgebildete - Klägerin im Bikini zeigt, sei durch den Anlass der Berichterstattung nicht gerechtfertigt, nicht zu beanstanden. Die veröffentlichten Bilder zeigen die Klägerin in einer erkennbar privaten Situation, die in keinem Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis steht (vgl. - zu einer ähnlichen Fallgestaltung - Senatsurteil vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, VersR 2007, 1135 Rn. 26).
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cc) Soweit die Revisionen meinen, das Berufungsgericht habe nicht geprüft, wie der Leser den Bericht interpretiere, sondern ausschließlich auf das Foto abgestellt und den Zusammenhang zum zugehörigen Text ignoriert, aus welchem sich ergebe, dass sich die Abbildung allein auf den Fußballer A. beziehe, kann dem nicht gefolgt werden. Das Bildnis zeigt auch die Klägerin, wie sie sich mit dem Betrachter halb zugewandtem Gesicht auf der Strandliege sonnt.
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dd) Entgegen der Auffassung der Revisionen der Beklagten hat das Berufungsgericht auch nicht den Begriff des zeitgeschichtlichen Ereignisses im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG verkannt und diesen Begriff zu eng gefasst. Das beanstandete Foto als solches hatte mit dem Umstand, dass der bekannte Fußball-Star A. am "Ballermann" überfallen und ausgeraubt wurde, ersichtlich nichts zu tun. Das Berufungsgericht hat gleichwohl zugunsten der Beklagten unterstellt, dass die Veröffentlichung des Bildnisses von Herrn A. im Kontext des Berichts zulässig war und für die Entscheidung des Streitfalles zutreffend darauf abgestellt, ob der Gegenstand dieses Berichts auch die Veröffentlichung einer Abbildung der Klägerin rechtfertigt. Dies hat es mit Recht verneint. Denn es besteht außer dem zufälligen Zugegensein keine Verknüpfung zwischen der als "Urlauberin" gezeigten Klägerin und dem - unterstellt - als Ereignis der Zeitgeschichte zu qualifizierenden Raubüberfall auf den Nationalspieler A.
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ee) Der Revisionen der Beklagten ist weiter nicht darin zu folgen, dass im Hinblick auf das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an einem Bericht über ein zeitgeschichtliches Ereignis die Interessen von unbekannten Personen, die zufällig mit abgebildet werden, stets zurücktreten müssen. Vielmehr ist auch in solchen Fällen grundsätzlich eine Interessenabwägung erforderlich, bei der insbesondere der Informationswert für die Öffentlichkeit, die berechtigten Erwartungen des Betroffenen und die Möglichkeiten einer das Persönlichkeitsrecht wahrenden Modifikation des Fotos zu berücksichtigen sind. Dies steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats, nach der selbst die Abbildung von Begleitpersonen nicht ohne Weiteres zulässig ist. Wollte man dies anders sehen, würde dies zu dem (widersinnigen) Ergebnis führen, dass Begleitpersonen, die in einem gewissen Zusammenhang mit dem Gegenstand der Berichterstattung stehen (vgl. etwa Senatsurteil vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, VersR 2007, 1135 Rn. 28), vor einer Veröffentlichung eher geschützt wären, als Personen, die ohne jeden Zusammenhang Gegenstand einer "zufälligen" Bildaufnahme geworden sind.
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c) Entgegen der Auffassung der Revisionen der Beklagten hat das Berufungsgericht auch ohne Rechtsfehler im Streitfall eine unmittelbare oder analoge Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG verneint.
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aa) Nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG ist die Veröffentlichung eines Bildnisses ohne Einwilligung der abgebildeten Person grundsätzlich zulässig, wenn diese Person nur als "Beiwerk" neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheint. Hiervon kann nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nur dann ausgegangen werden, wenn die Abbildung einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit das Bild prägt und nicht selbst "Beiwerk" ist. Im Streitfall bezog sich die Abbildung indes - wovon die Revisionen der Beklagten selbst ausgehen - in erster Linie auf Herrn A. Das Strandleben am "Ballermann" bildete lediglich den Hintergrund des Fotos.
- 24
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Die Erwägungen der Revisionen der Beklagten zu der Frage, ob eine Abbildung von Badegästen im Zusammenhang mit einer Schilderung des Strandlebens zulässig wäre, sind im Streitfall unerheblich. Im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG kann ein Interesse an der Wiedergabe einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit zwar unabhängig von einem konkreten Ereignis der Zeitgeschichte bestehen. Die Revisionen der Beklagten gehen jedoch selbst davon aus, dass Zweck des Bildes die Berichterstattung über den Fußballer A. im Zusammenhang mit dem auf diesen erfolgten Überfall gewesen sei.
- 25
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bb) Entgegen der Auffassung der Revisionen kommt eine entsprechende Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG nicht in Betracht. Es fehlt bereits an einer Gesetzeslücke als Voraussetzung einer analogen Anwendung dieser Vorschrift. Denn dem von den Revisionen der Beklagten angeführten Interesse an der Berichterstattung über eine bestimmte Person unter Einbeziehung von Abbildungen anderer "zufällig" anwesender Personen wird bereits durch § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG und die dort erforderliche Interessenabwägung hinreichend Rechnung getragen.
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d) Selbst wenn eine entsprechende Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG in Betracht käme, erstreckte sich die Befugnis nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird (§ 23 Abs. 2 KUG).
- 27
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Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung mit Recht nicht nur auf das Foto, sondern auch auf den dazugehörigen Text abgestellt und dabei angenommen, dass die Erwähnung einer "pikanten Frauenbegleitung" zumindest bei einem Teil der Leserschaft zum Anlass für Spekulationen in Bezug auf die Klägerin genommen werden könnte. Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Hinblick auf die Formulierung geboten: "Gestern sahen wir ... - Star A. (25) in pikanter Frauen-Begleitung am Ballermann. Jetzt wurde er Opfer einer Straftat." Denn die Revisionen der Beklagten zeigen keinen (übergangenen) Sachvortrag dazu auf, dass das Foto vom Folgetag stamme und dies für den Leser ersichtlich gewesen sei.
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e) Das Berufungsgericht hat auch zutreffend die Unkenntlichmachung der Klägerin durch Verpixelung oder Augenbalken für möglich und den Beklagten zumutbar erachtet. Die Revisionen berufen sich demgegenüber ohne Erfolg auf angebliche Redaktionsabläufe und die Gefahr der Verhinderung einer atmosphärischen Illustration. Eine Verpixelung hätte an der Aussagekraft des Berichts im Hinblick auf das Anliegen der Beklagten, die Urlaubsgestaltung des Fußballprofis zu illustrieren, nichts geändert. Darüber hinaus hat die Beklagte zu 2 nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei den im Internet im Zusammenhang mit der vorliegenden Berichterstattung veröffentlichten Bildern die Gesichter anderer dort mit dem Fußballprofi abgebildeter Frauen gepixelt, was dagegen spricht, dass ihr eine entsprechende Vorgehensweise im Hinblick auf die Abbildung der Klägerin nicht möglich oder unzumutbar gewesen wäre.
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B) Revision der Klägerin:
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Die Revision der Klägerin ist ebenfalls unbegründet.
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1. Das Berufungsgericht hat mit Recht eine Haftung der Beklagten zu 1 hinsichtlich der Veröffentlichung der beanstandeten Bilder im Internet abgelehnt, weil nicht ersichtlich sei, dass die Beklagte zu 1 willentlich und adäquat kausal durch die Veröffentlichung der - rechtlich selbständigen - Beklagten zu 2 im Internet zu einer Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin beigetragen hätte. Allein die Tatsache, dass beiden Beklagten dieselben Lichtbilder zugänglich waren, vermag noch keine wechselseitige Haftung hinsichtlich der Veröffentlichung der Fotos zu begründen. Die Revision der Klägerin zeigt keinen vom Berufungsgericht übergangenen Sachvortrag auf, wonach die Beklagte zu 1 der Beklagten zu 2 die Lichtbilder zur Verfügung gestellt hat. Die von der Revision der Klägerin in Bezug genommene Entscheidung des I. Zivilsenats vom 11. März 2009 (I ZR 114/06, BGHZ 180, 134 Rn. 16 ff.) betrifft eine andere Fallgestaltung (Verletzung von Schutzrechten durch Pflichtverletzung des Kontoinhabers bei der Verwahrung von Zugangsdaten).
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2. Entgegen der Auffassung der Revision der Klägerin hat das Berufungsgericht auch ohne Rechtsfehler den Antrag der Klägerin auf Zahlung einer Geldentschädigung für unbegründet erachtet.
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats begründet eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 12; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 27; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 306; vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 38 ff.; vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, VersR 1985, 391, 393; vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87 - VersR 1988, 405; vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94, VersR 1996, 341 f.; vgl. auch BVerfG, NJW 2004, 591, 592). Ob ein derart schwerer Eingriff anzunehmen und die dadurch verursachte nicht vermögensmäßige Einbuße auf andere Weise nicht hinreichend ausgleichbar ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, aaO, 13; vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, aaO; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO Rn. 38; vom 17. März 1970 - VI ZR 151/68, VersR 1970, 675, 676; vom 25. Mai 1971 - VI ZR 26/70, VersR 1971, 845, 846; Senatsbeschluss vom 30. Juni 2009 - VI ZR 340/08, juris Rn. 3). Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen, weil dieser und die damit zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen können (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 1971 - VI ZR 26/70, DB 1971, 1660, 1661; Senatsbeschluss vom 30. Juni 2009 - VI ZR 340/08, aaO). Die Gewährung einer Geldentschädigung hängt demnach nicht nur von der Schwere des Eingriffs ab, es kommt vielmehr auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an, nach denen zu beurteilen ist, ob ein anderweitiger befriedigender Ausgleich für die Persönlichkeitsrechtsverletzung fehlt (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, aaO, 12 ff.; vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, aaO; Senatsbeschluss vom 30. Juni 2009 - VI ZR 340/08, aaO).
- 34
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b) Eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin hat das Berufungsgericht unter Würdigung der besonderen Umstände des Streitfalles mit Recht verneint. Selbst wenn man - was das Berufungsgericht offengelassen hat - zugunsten der Klägerin ihre Behauptung, sie sei im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von mehreren Personen angesprochen und ihr sei von "mehreren Männern" Geld für ein Treffen angeboten worden, als richtig unterstellt, vermag dies keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Denn das Berufungsgericht weist insoweit zutreffend darauf hin, dass die beanstandete Veröffentlichung des Strandbildes mit der Klägerin keine Veranlassung zu der Annahme gab, dass die Klägerin käuflich sei.
-
Galke Wellner Diederichsen
-
v. Pentz Offenloch
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 10.07.2013 - 28 O 439/12 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Diese Entscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e:
2I.
3Die Parteien streiten über die Zulässigkeit einer Wortberichterstattung der Beklagten über den Kläger.
4Der als Moderator, Journalist und Unternehmer bekannte Kläger war Angeklagter in einem vor dem Landgericht Mannheim verhandelten Strafverfahren wegen des Verdachts der schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Er wurde wegen des Verdachts der schweren Vergewaltigung am 20.03.2010 verhaftet und blieb bis zum 29.07.2010 in Untersuchungshaft. Die Hauptverhandlung begann am 06.09.2010. Im Ermittlungs- und Strafverfahren wurde festgestellt, dass der Kläger gleichzeitig intime Beziehungen zu mehreren Frauen unterhalten hatte, ohne dass diese voneinander wussten. Während der Hauptverhandlung fand ein Telefonat zwischen der Staatsanwaltschaft und einer Sexualpartnerin des Klägers statt, das zu einem Aktenvermerk des Staatsanwalts vom 29.11.2010 führte. Die Zeugin wurde am 15.2.2011 im Wege der Rechtshilfe vernommen. Am 31.5.2011 wurde der Kläger freigesprochen. Das Urteil ist rechtskräftig.
5Am 05.12.2010 veröffentlichte die Beklagte in der von ihr bundesweit verlegten Zeitung „C“ einen Artikel, in dem es über eine im Rahmen des Ermittlungsverfahrens vorgenommene Untersuchung des Mobiltelefons des Klägers u.a. heißt:
6„In monatelanger Kleinarbeit rekonstruierten Ermittler die gelöschten Daten und fanden Hinweise auf ein möglicherweise neues Opfer“
7und weiter
8„Laut „G“ kamen die Ermittler einer neuen Zeugin auf die Spur, deren Aussage ihn schwer belastet. Die Frau soll behaupten, dass (der Kläger) sie beim Liebesspiel am 17. Januar plötzlich brutal behandelt habe. Er sei für kurze Zeit ein anderer Mensch geworden.“.
9Der Kläger hat die Berichterstattung als persönlichkeitsrechtsverletzend abgemahnt und ist gegen sie erfolgreich mit einer einstweiligen Verfügung vorgegangen. Der vorliegende Rechtsstreit betrifft das Hauptverfahren. Der Kläger hat gemeint, die Äußerungen behaupteten ein strafbares Verhalten, ohne dass die Voraussetzungen der zulässigen Verdachtsberichterstattung durch die Presse erfüllt seien. Es habe zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ein Mindestbestand an Beweistatsachen gefehlt, die Mitteilung betreffe das Intimleben des Klägers, das er zu keiner Zeit bereitwillig öffentlich gemacht habe; die Äußerungen seien einseitig und tendenziös. Ein aktueller Berichtsanlass habe gefehlt, weil die Existenz der Zeugin bereits seit September 2010 bekannt gewesen sei. Die Äußerung sei vorverurteilend, sie verstoße gegen die Unschuldsvermutung und erzeuge eine Prangerwirkung. Da die zugrundeliegenden Informationen aus Ermittlungsakten stammten, die zum fraglichen Zeitpunkt noch nicht Bestandteil der Gerichtsakten waren, gelte im Rahmen der Abwägung zwischen Persönlichkeitsinteressen und Berichtsfreiheit der Grundsatz des § 353d Nr. 3 StGB. Schließlich hat der Kläger gemeint, dass die Wiederholungsgefahr hinsichtlich der vorliegend in Rede stehenden Äußerungen nicht durch die Verlesung des Protokolls über die Vernehmung des Klägers durch den Ermittlungsrichter in der öffentlichen Hauptverhandlung des Strafverfahrens – wie der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 19.3.2013 (VI ZR 93/12) angenommen hat – entfallen sei.
10Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger seinen Unterlassungsanspruch in der Hauptsache weiter und begehrt zudem Freistellung von den vorgerichtlich entstandenen Abmahnkosten.
11Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Unzulässigkeit der Klage gerügt. Ferner hat sie die Auffassung vertreten, dass der angegriffene Artikel ausschließlich wahrheitsgemäße Angaben enthalte, deren Darstellung im Rahmen einer Verdachtsberichterstattung zulässig gewesen sei, da angesichts der großen Bekanntheit und medialen Omnipräsenz des Klägers ein außerordentliches öffentliches Interesse an dem gegen ihn gerichteten Ermittlungs- und Strafverfahren bestanden habe, der Kläger durch Preisgabe von Ermittlungsdetails selbst in die Öffentlichkeit getreten sei und in dem Artikel auch die Stellungnahme des Klägers wiedergegeben wurde. Die Angaben der neuen Zeugin seien als mögliche Hinweise auf eine Tatneigung des Klägers relevant und als solche in dem freisprechenden Urteil gewürdigt worden.
12Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat die vom BGH in der Entscheidung NJW 2000, 1036 formulierten Grundsätze zur Verdachtsberichterstattung geprüft, aber für nicht erfüllt erachtet. Die Äußerung, dass Ermittler „Hinweise auf ein mögliches neues Opfer (fanden)“ verstehe der Durchschnittsleser nach dem Gesamtzusammenhang der Berichterstattung dahingehend, dass ein neues Vergewaltigungsopfer aufgetaucht sei. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung hätte es diesbezüglich allerdings nur einen Telefonvermerk gegeben, so dass es an einem Mindestbestand an Beweistatsachen gefehlt habe. Die spätere Vernehmung habe den Verdacht nicht bestätigt, zumal die Zeugin zwar von einem brutalen und deftigen Verhalten, nicht aber von einem Verhalten berichtet habe, dem sie Widerstand entgegengesetzt habe, das die Zeugin also als „Opfer“ eines strafbaren Verhaltens erscheinen lasse. Die Berichterstattung sei einseitig und vorverurteilend. Dies treffe auch für die weitere Äußerung zu, wonach der Kläger „die Frau … plötzlich brutal behandelt habe“ und er „für kurze Zeit ein anderer Mensch geworden“ sei. Auch diese Äußerung sei vorverurteilend, weil sie als Vorwurf eines strafbaren Verhaltens verstanden werde, ohne dass es zum Zeitpunkt der Berichterstattung oder später hierfür einschlägige Beweistatsachen gegeben habe. Die Vermutung der Wiederholungsgefahr sei nicht widerlegt, könne auch vorliegend nur durch eine Unterwerfung widerlegt werden, die vorgerichtliche Abmahnung sei daher berechtigt gewesen.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem Urteil vom 10.7.2013 (Bl. 373 ff. GA) Bezug genommen.
14Die Beklagte greift das Urteil mit ihrer Berufung an. Insgesamt hält sie die Berichterstattung für durch die Pressefreiheit gedeckt, da die Berichtsfreiheit in einem die Öffentlichkeit wesentlich interessierenden Gerichtsverfahren sowohl nach verfassungsrechtlichen als auch den Maßstäben des EGMR besonders großzügig ausgestaltet sei. Der Kläger sei nicht nur eine sehr bekannte Person des öffentlichen Lebens, seine Prominenz habe sich auch im Verlauf des Ermittlungs- und Gerichtsverfahrens erheblich gesteigert. Der Kläger habe insbesondere durch eigene Pressearbeit die öffentliche Meinung mit eigenen Informationen zu beeinflussen gesucht. Dabei seien auch Informationen über das Privat- und Beziehungsleben in die Öffentlichkeit gegeben worden und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits allgemein bekannt gewesen. Das Landgericht habe es versäumt, zu dem Status des Klägers als prominenter Person Feststellungen zu treffen. Die dem Artikel vom 5.12.2010 zugrundeliegende Berichterstattung sei wahrheitsgemäß, soweit behauptet werde, dass die Zeugin behauptet habe, der Kläger habe sie beim Liebesspiel ihrem Eindruck nach brutal behandelt. Sowohl die Ermittlungsergebnisse als auch die Äußerungen der Zeugin entsprächen der Wahrheit und zeigten, dass der Kläger in seinem Sexualverhalten gewaltgeneigt sei, ein Umstand, der im Rahmen des damaligen Ermittlungsverfahrens zum Verständnis des Geschehens und zur Unterrichtung der Öffentlichkeit von Bedeutung gewesen sei. Das Landgericht habe die streitgegenständlichen Äußerungen aus dem Zusammenhang gelöst und fehlerhaft gedeutet. Es habe die Reichweite der Begriffe Vorverurteilung, Unschuldsvermutung und Stigmatisierung fehlerhaft bestimmt. Insbesondere die Äußerung, dass die Aussage der im Presseartikel erwähnten Zeugin den Kläger „schwer belastet“, sei als Werturteil anzusehen. Die Deutung, dass die Zeugin Opfer einer Straftat sei, sei unrichtig. Zum einen werde sie nur als „mutmaßliches Opfer“ bezeichnet. Zum anderen bezeichne sie der Artikel lediglich als Opfer einer brutalen Behandlung beim Liebesspiel. Daraus müsse weder der Verdacht einer Vergewaltigung noch einer anderen Straftat folgen, das Landgericht habe sich mit anderen Deutungen nicht auseinandergesetzt. Auch sei der Kläger durchaus zu Wort gekommen, denn der Artikel schließe mit der Einschätzung seines Prozessbevollmächtigten, dass die Vorwürfe unwahr und leicht widerlegbar seien. An einer Vorverurteilung, die der Unschuldsvermutung zuwiderlaufe, fehle es, weil nicht die Schuld oder Verurteilung des Klägers fest behauptet worden sei. Da die Berichterstattung zulässig gewesen sei, sei auch die vorprozessuale Abmahnung nicht erforderlich und daher unberechtigt gewesen.
15Die Beklagte beantragt,
16das Urteil des Landgerichts Köln vom 10.7.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
17Der Kläger beantragt,
18die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
19Er verteidigt das angegriffene Urteil. Weder der Umstand, dass die in dem Bericht selbst geäußerten Fakten wahr sein mögen, was der Kläger bestreitet, noch die am Ende des Artikels wiedergegebene Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten des Klägers rechtfertigten die Berichterstattung. Auf die von der Beklagten hervorgehobenen Umstände komme es im Ergebnis nicht an, weil es für das vom Landgericht festgestellte Verständnis einer Verdachtsberichterstattung an Belegtatsachen fehlte. Das Verständnis, dass der Verdacht einer Straftat geäußert werde, müsse nicht gewiss, sondern nur wahrscheinlich sein. Zu berücksichtigen sei auch, dass es in dem berichteten Fall nicht um ein eigenständiges Gerichts- oder Ermittlungsverfahren gegangen sei.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom 28.1.2014 verwiesen.
21II.
22Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog zu Recht für begründet gehalten. Daher war auch die vorgerichtliche Geltendmachung dieses Anspruchs erforderlich, so dass Freistellung von diesen Kosten verlangt werden kann.
231. Unterlassungsanspruch
24Der Anspruch des Klägers auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerung ist wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts gem. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB begründet.
25a) Das Landgericht hat den Artikel zutreffend nach dem durchschnittlichen Leserverständnis, auf das es ankommt (vgl. BGH NJW 2009, 1872, 1873; NJW 2006, 601 ‚Tz. 14), ausgelegt.
26Für die Auslegung sind der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu berücksichtigen, soweit diese für die Leser, Hörer oder Zuschauer erkennbar sind (BGH NJW 2006, 601 Tz. 14). Insbesondere darf der umstrittene Äußerungsteil nicht isoliert betrachtet werden (vgl. BGH, MDR 2004, 393 f. m.w.N.)
27Das Landgericht kommt zu der Deutung, dass durch beide angegriffene Äußerungen dem Kläger eine weitere Straftat, begangen gegenüber der im Artikel genannten Zeugin, vorgeworfen wird. Diese Deutung ist naheliegend. Es wird von einem „neuen Opfer“, einer „schweren Belastung“ des Klägers gesprochen und auf eine Brutalität beim Liebesspiel hingewiesen. Diese Behauptungen erfolgen im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen den Kläger wegen des damals öffentlich bekannten Vorwurfs der Vergewaltigung. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass der durchschnittliche Rezipient den Eindruck erhält, dass auch in diesem Fall eine Vergewaltigung oder jedenfalls eine Körperverletzung stattgefunden haben könnte. Damit aber wird der Verdacht einer Straftat geäußert. Verstärkt wird diese Deutung durch die Äußerungen „Sprengstoff für das Verfahren“ sowie „kam das BKA zu einem brisanten Ergebnis“. Diese Formulierungen stellen den Zusammenhang zwischen dem in der Öffentlichkeit zum damaligen Zeitpunkt präsenten Verdacht und einem behaupteten weiteren Fall „brutaler Behandlung“ her und verstärken den Eindruck, dass der Zusammenhang auch hier ein strafrechtlich relevanter sein kann. Die Auslegung betrifft beide angegriffenen Äußerungen. Auch wenn nur die erste Äußerung untersagt würde, bleibt angesichts des Gesamtzusammenhangs der Aussagen in dem Bericht sowie des Berichtsumfeldes der Verdachtscharakter auch dieser Meldung erhalten.
28Die von der Beklagten dagegen angeführte Deutung, in dem Bericht werde lediglich wahrheitsgemäß über Einzelheiten der Ermittlungstätigkeit sowie ein zur damaligen Zeit bereits allgemein bekanntes Sexualverhalten des Klägers berichtet, erschöpft den Gehalt des Presseartikels nicht. Selbst wenn die inhaltlich behaupteten Vorfälle zuträfen, so entnimmt der das Prozessgeschehen auch nur beiläufig verfolgende typische Leser schon der prominenten Erwähnung eines „möglicherweise neuen Opfers“ in der Unterzeile der Überschrift, dass es nicht nur um einverständliche Liebespraktiken geht. Wer von einem „Opfer“ im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren liest, geht von einer weiteren Straftat, nicht nur von einer opferhaften Rolle in einer Beziehung aus, mag die Straftat auch noch nicht genau benannt sein. Diese Deutung wird durch das „möglicherweise“ nicht entkräftet, denn hieraus entnimmt der Leser allenfalls, dass es vorläufig noch um einen Verdacht geht. Der Artikel befasst sich auch im Kern nicht mit einem behaupteten gewaltbetonten Sexualverhalten des Klägers, sondern er berichtet ausschließlich über ein „brisantes Ereignis“ im Rahmen des bereits in der Hauptsache laufenden Ermittlungsverfahrens. Es geht damit – anders als die Beklagte meint - nicht nur um Fakten, die der öffentlichen Debatte um eine bekannte Person dienen, sondern um einen diese Person betreffenden Aspekt, der nicht neutral berichtender, sondern verdächtigender Natur ist.
29b) Der in dem Artikel angesprochene Verdacht bestand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung (und auch später) unstreitig nicht. Das Landgericht hat die von der Rechtsprechung zur Verdachtsberichterstattung entwickelten Kriterien zutreffend angewendet.
30aa) Das Landgericht hat gesehen, dass eine Straftat zum Zeitgeschehen gehört, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist und dass der Umstand einer Verletzung der Rechtsordnung und der Beeinträchtigung von Rechtsgütern der betroffenen Bürger oder der Gemeinschaft ein anzuerkennendes Interesse an näherer Information über Tat und Täter begründet (BGH NJW 2013, 229 Tz. 13; ferner BGHZ 143, 199, 204 = NJW 2000, 1036; gebilligt durch BVerfG, NJW 2009, 3357 Tz. 18; EGMR, NJW 2012, 1058 Rn. 96).
31Daraus folgt aber nicht, dass auch über weitere Tatvorwürfe, die nicht Gegenstand des hauptsächlich in Rede stehenden Verfahrens waren, grenzenlos berichtet werden durfte. Wenn in einer Weise berichtet wird, die den Eindruck des Verdachts einer weiteren strafbaren Handlung erzeugt, so gelten hierfür die Grenzen der Verdachtsberichterstattung und sie gelten nicht in verkürzter Weise, weil es bereits ein Verfahren in anderer Angelegenheit gibt.
32bb) Zu berücksichtigen ist dabei, dass die öffentliche Berichterstattung über eine Straftat den Beschuldigten erheblich in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, weil sie sein (mögliches) Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und damit seine Person in den Augen der Adressaten von vornherein negativ qualifiziert wird (BGH NJW 2000, 1036; mit Hinweis auf BVerfGE 35, 202, 226 = NJW 1973, 1226). Dieser Umstand spielt eine Rolle, wenn die Gefahr droht, dass gerade wegen der Begleitberichterstattung selbst dann „etwas hängen bleiben“ kann, wenn im Hauptverfahren später ein Freispruch erfolgt.
33cc) Zwar dürfen die Anforderungen an die pressemäßige Sorgfalt und die Wahrheitspflicht nicht überspannt und insbesondere nicht so bemessen werden, dass darunter die Funktion der Meinungsfreiheit leidet (BGH NJW 2000, 1036, 1037; bestätigt in BGHZ 183, 353 = NJW 2010, 757 Tz. 14 und BGH NJW 2009, 350 – Holzklotz-Fall Tz. 11). Diesen Konflikt hat das Landgericht aber gesehen und daher im Wege einer Abwägung die gegenläufigen Gesichtspunkte einander gegenübergestellt.
34Voraussetzung für eine zulässige Verdachtsberichterstattung ist (1) ein Mindestbestand an Beweistatsachen. (2) Die Anforderungen an die pressemäßige Sorgfalt sind umso höher je schwerer das Ansehen des Betroffenen durch die Veröffentlichung beeinträchtigt wird. (3) Durch die Art der Berichterstattung darf es zu keiner Vorverurteilung kommen. (4) Entlastungsmomente sind zu berücksichtigen. (5) Regelmäßig ist eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen und es muss – insbesondere bei identifizierender Berichterstattung - um (6) einen Vorgang von gravierendem Gewicht gehen, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (BGHZ 143, 199 = NJW 2000, 1036; G. Müller, VersR 2000, 797, 801; vgl. auch bereits BGHZ 68, 331 = NJW 1977, 1268). Sämtliche genannten Umstände betreffen die in solchen Fällen anzuwendende publizistische Sorgfalt (B. Peters, NJW 1997, 1334, 1338).
35Das Landgericht hat zu Recht bereits auf das erste der genannten Kriterien abgestellt. Wenn für eine zulässige Verdachtsberichterstattung jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen vorliegen muss (BGHZ 68, 331 = NJW 1977, 1288, 1289; NJW 1997, 1148, 1149), so hat die Presse nähere Umstände vorzutragen, aus denen auf die Richtigkeit der Information, vorliegend also auf den Verdacht einer Straftat, geschlossen werden kann (vgl. Senat, Urt. v. 23.10.2001 – 15 U 43/01, AfP 2001, 524, 525). Diese Last dient nicht nur dazu, den Wahrheitsgehalt der Äußerung, sondern auch ihren Öffentlichkeitswert zu untermauern (BGHZ 68, 331 = NJW 1977, 1288, 1289).
36Für beide angegriffenen Äußerungen fehlt eine Darlegung dahingehend, in welchem Stadium sich die Verdachtsmeldung befindet, ob sie auf Basis einer Vernehmung oder – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – nur auf Basis eines Telefonvermerks stattgefunden hat, der im Zeitpunkt der Berichterstattung die einzige Grundlage war. Es fehlt auch eine Einschätzung dazu, inwieweit die angegebenen brutalen Praktiken den Verdacht einer Straftat begründen.
37Hinzu kommt, dass in einer den Verdacht strafbaren Verhaltens nährenden Berichterstattung auch Entlastungsmomente anzugeben sind (BGH NJW 2000, 1036), also ausgewogen zu berichten ist (BVerfG NJW 2009, 350 – Holzklotz-Fall, Tz. 14). Daran fehlt es. Der Artikel erwähnt nicht, ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die beschriebenen Liebesspiele gegen den Willen der genannten Zeugin erfolgten. Selbst wenn die Beklagte für sich geltend machen könnte, dass ein Interesse an einer näheren Kenntnis von weiteren Beziehungen des Klägers bestand, so hätte sie doch klarstellen müssen und können, dass der berichtete Vorfall nicht notwendig Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten gibt. Im Ergebnis bleibt daher der Verdacht stehen, ohne dass ausgleichend berichtet wird. Die Nichterfüllung dieser Pflicht wird nicht dadurch ersetzt, dass ein wenig aussagekräftiges Dementi des Prozessbevollmächtigten des Klägers an das Ende des Artikels gesetzt und dieses Dementi fett hervorgehoben wird. Durch die Stellung am Ende wird keineswegs ein Kontrapunkt gesetzt, sondern die Stellungnahme erscheint beziehungslos zu den wesentlich ausführlicheren und brisanteren Details im Kopf des Textes. Gerade die Allgemeinheit der Stellungnahme erzeugt eine nur schwache klarstellende Wirkung und erweckt den Eindruck einer routinemäßigen anwaltlichen Abwiegelung.
38Da bereits Recherche und Berichterstattung die Grenzen der zulässigen Verdachtsberichterstattung verlassen, kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger eine derart bekannte Person war, dass über sein Privatleben in der geschilderten Weise berichtet werden durfte. Das Landgericht musste hierzu – entgegen der Darstellung der Beklagten – keine Erhebungen anstellen, denn die vorstehenden Grundsätze gelten unabhängig davon, ob der Kläger eine in jeder Hinsicht prominente oder eine bisher unbekannte Persönlichkeit ist. Unerheblich ist im Ergebnis auch, ob die Berichterstattung bereits die Grenzen der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK überschreitet und zu einer Vorverurteilung in der Öffentlichkeit führt. Die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung werden durch diese Rechtsprinzipien zwar beeinflusst, sie gelten aber auch unterhalb der möglicherweise engeren Grenzen der strafprozessualen Grundsätze.
39c) Zu Recht hat das Landgericht die Vermutung der Wiederholungsgefahr für nicht widerlegt angesehen. Die Beklagte hat keine Unterwerfungserklärung abgegeben. In dem streitgegenständlichen Vorfall hat es kein weiteres Ermittlungsverfahren gegeben. Die schon damals missverständliche Berichterstattung ist auch aus heutiger Sicht nicht zulässig. Schon der Umstand, dass der Fall des Klägers erhebliche Aufmerksamkeit erregt hat, lässt die Wahrscheinlichkeit einer wiederholten Berichterstattung nicht entfallen. Selbst wenn die Aussagen der Zeugin auch später Teil der Ermittlung im Verfahren gegen den Kläger geworden und auch in den Urteilsgründen niedergelegt worden sind, so trifft dies nicht für die aus dem streitgegenständlichen Artikel folgende Verdachtsberichterstattung zu. Ein Verdacht dieser Art ist gerade nicht substantiiert oder bestätigt worden.
402. Kostenfreistellungsanspruch
41Das Landgericht hat dem Kläger zu Recht einen Anspruch auf Freistellung von den vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten zugesprochen.
42Zum einen besteht insoweit wegen der rechtswidrigen Berichterstattung der Beklagten ein deliktischer Schadensersatz- bzw. Freistellungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 257 BGB, da der Schadensersatzanspruch nach §§ 249 ff. BGB grundsätzlich auch die Kosten der Rechtsverfolgung, insbesondere Anwaltsgebühren, umfasst (vgl. dazu: Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 70. Auflage 2011, § 249 BGB Rn 56 ff.; vgl. auch BGH, Urteil vom 27.7.2010 – VI ZR 261/09, in: MDR 2010, 1156 f. zur Höhe des Gegenstandswertes ohne Beanstandung der Bejahung eines Anspruchs dem Grunde nach).
43Zum anderen ergibt sich ein solcher Anspruch bei einer berechtigten Abmahnung auch aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 683 Satz 1 BGB). Bei der Abmahnung handelt es sich jedenfalls um ein sog. auch-fremdes Geschäft, das der Abmahnende nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch im Interesse des Abgemahnten vornimmt, um diesem Gelegenheit zu geben, den Unterlassungsanspruch ohne Notwendigkeit der Durchführung eines gerichtlichen Verfahren mit den damit verbundenen (höheren) Kosten zu akzeptieren. Die (zwischenzeitlich erfolgte) gesetzliche Kodifikation entsprechender Erstattungsansprüche in anderen Rechtsgebieten (z.B. Wettbewerbs- oder Urheberrecht) spricht nicht dagegen, diese Grundsätze im Äußerungsrecht weiterhin anzuwenden (vgl. auch BGH, Urteil vom 12.12.2006 – VI ZR 175/05, in: NJW-RR 2007, 856 f.).
443. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.
45III.
46Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
47Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
48Berufungsstreitwert: 40.000,- €)
49(entsprechend der für richtig erachteten erstinstanzlichen Festsetzung, gegen die von den Parteien keine Einwendungen erhoben wurden)
50Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 10.6.2015 (28 O 564/14) abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Der Kläger nimmt die Beklagten auf Unterlassung von Äußerungen in Anspruch, die die Beklagte zu 3) in einem von den Beklagten zu 1) und 2) jeweils am 25.3.2011 veröffentlichten Artikel in der Rubrik „B T kommentiert“ mit der Überschrift „K L Anwalt wettert gegen unliebsame Zeuginnen“ getätigt hat. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 118 ff. d.A.) Bezug genommen.
4Mit Urteil vom 10.6.2015 hat das Landgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die betreffenden Äußerungen verletzten den Kläger rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Bei der Äußerung „all diese Frauen, denen L meist von Liebe und einer gemeinsamen Zukunft vorgeschwärmt haben soll, ist eines gemein: Sie werfen ihm vor, er sei in ihrer Beziehung gewalttätig gewesen“, würden die Voraussetzungen für eine zulässige Verdachtsberichterstattung nicht eingehalten. Es fehle an einem Mindestmaß an Beweistatsachen, weil sich der Bericht der Beklagten lediglich auf die Aussagen von vier Zeuginnen (E, D, M und Q) beziehe. Auch wenn man die Äußerung der Beklagten nicht als Verdachtsberichterstattung, sondern als Teil einer Gerichtsberichterstattung ansehe, sei sie unzulässig, weil die Abwägung der widerstreitenden Interessen zugunsten des Klägers ausfalle. Es sei nicht zulässig, sämtliche Details aus einer Zeugenvernehmung in der Presse zu veröffentlichen. Da die betreffenden Aussagen von Zeuginnen stammten, die nicht zum eigentlichen Tatgeschehen vernommen worden seien, sei dem Interesse des Klägers an der Wahrung seiner Privatsphäre im Hinblick auf die von ihm geführten Beziehungen der Vorrang einzuräumen. Soweit der Bundesgerichtshof die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr verneine, wenn Aussagen in mündlicher Verhandlung verlesen oder gewürdigt würden, sei diese Entscheidung auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Denn vorliegend gehe es zum einen nicht um Aussagen mit unmittelbarem Tatbezug und zum anderen seien die Aussagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit gemacht worden.
5Hinsichtlich der weiteren Äußerung „Nämlich darum, dass mehrere Ex-Freundinnen über einen Zeitraum von zehn Jahren alle das Gleiche sagen: Dass L in der Beziehung gewalttätig geworden sein soll. Die Behauptung der Ex-Freundin aus T2, er habe sie vergewaltigt, ist also denkbar. Denn stimmen die Aussagen der anderen Ex-Freundinnen, hätte L sich in dieser Nacht nicht zum ersten Mal gewalttätig verhalten“ liege zwar in der zweiten Passage eine Meinungsäußerung vor. Diese sei bei Abwägung der widerstreitenden Interessen jedoch unzulässig, weil sie die zuvor dargestellten Aussagen der Zeuginnen D, M und Q bewerte, deren Wiedergabe jedoch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers unzulässig sei.
6Schließlich habe der Kläger auch hinsichtlich der Äußerung „Ach ja, und neuerdings spielt er auch mit seinem iPad. Während der Verhandlung“ einen Unterlassungsanspruch, weil es sich insoweit um eine zumindest mehrdeutige und in einer nicht fernliegenden Deutungsvariante unwahre Tatsachenbehauptung handele.
7Mit der Berufung verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Klageabweisung weiter und machen geltend, bei Beurteilung der Äußerung „all diese Frauen, denen L meist von Liebe und einer gemeinsamen Zukunft vorgeschwärmt haben soll, ist eines gemein: Sie werfen ihm vor, er sei in ihrer Beziehung gewalttätig gewesen“ seien die Grundsätze für Verdachtsberichterstattung nicht anwendbar. Denn in dem Beitrag finde sich keine Behauptung dahingehend, dass der Kläger eine Straftat zum Nachteil der Zeuginnen D, M oder Q begangen habe. Soweit das Landgericht hilfsweise geprüft habe, ob die Berichterstattung – wenn nicht als Verdachtsberichterstattung – so denn als Gerichtsberichterstattung zulässig gewesen sei und dies verneint habe, sei auch dies unzutreffend. Die Aussagen der Zeuginnen über eine Gewaltbereitschaft des Klägers seien für die Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit im Strafverfahren von Bedeutung, weil er sich ausweislich der Anklage dahingehend eingelassen habe, zu einer Tat wie der angeklagten nicht in der Lage zu sein. Eine Abwägung danach, ob die Aussagen der Zeuginnen von „zentraler Bedeutung“ für das Strafverfahren gegen den Kläger gewesen seien, stehe dem Gericht auch nicht zu. Die Presse habe vielmehr das Recht, über alle Einzelheiten eines Strafverfahrens zu berichten. Darüber hinaus befasse sich der Bericht nicht nur allgemein mit dem Strafverfahren, sondern speziell mit der Frage von möglichen Grenzen der Verteidigung, da der Verteidiger nach Auffassung der Beklagten zu 3) die Zeuginnen persönlich angegriffen und versucht habe, sie mit unangemessenen Mitteln unglaubwürdig zu machen, was einer öffentlichen Diskussion zugeführt werden müsse. Ohne die – zumindest summarische – Mitteilung der Zeugenaussagen sei für die Leserschaft die Kritik der Beklagten zu 3) an dieser Verteidigungsstrategie nicht verständlich. Schließlich sei im Rahmen der Abwägung der Meinungsfreiheit der Beklagten mit dem Persönlichkeitsrecht des Klägers auch zu berücksichtigen, dass keine Details der Aussagen der Zeuginnen mitgeteilt, sondern diese nur ihrem wesentlichen Inhalt nach wiedergegeben worden seien. Die sadistischen Neigungen des Klägers seien bereits Monate vor der angegriffenen Berichterstattung in der Öffentlichkeit diskutiert worden.
8Bei der weiter angegriffenen Äußerung: „Nämlich darum, dass mehrere Ex-Freundinnen über einen Zeitraum von zehn Jahren alle das Gleiche sagen: Dass L in der Beziehung gewalttätig geworden sein soll. Die Behauptung der Ex-Freundin aus T2, er habe sie vergewaltigt, ist also denkbar. Denn stimmen die Aussagen der anderen Ex-Freundinnen, hätte L sich in dieser Nacht nicht zum ersten Mal gewalttätig verhalten“ handele es sich um ein Werturteil, das nicht deshalb verboten werden könne, weil die zugrunde liegenden Tatsachen – nach Ansicht des Landgerichts – nicht berichtet werden dürften. Vielmehr seien Werturteile durchweg geschützt, ohne dass es auf ihre „Werthaltigkeit“ ankäme.
9Hinsichtlich der Äußerung „Ach ja, und neuerdings spielt er auch mit seinem iPad. Während der Verhandlung“ habe das Landgericht die von den Beklagten vorgetragene Deutungsalternative verkannt, wonach es sich um eine Bewertung des (unstreitigen) Umstandes handele, dass der Kläger das iPad während der Verhandlung in die Hand genommen und sich hiermit beschäftigt habe. Das Verb „spielen“ sei zur kritischen Unterstreichung dieses aus Sicht der Beklagten zu 3) unangemessenen Verhaltens benutzt worden.
10Die Beklagten beantragen,
11unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 10.6.2015 (28 O 564/14) die Klage abzuweisen.
12Der Kläger beantragt,
13die Berufung zurückzuweisen.
14Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertieft seine erstinstanzlichen Ausführungen. Entgegen der Ansicht der Beklagten seien einzelne Zeugenaussagen, die von den Ermittlungsbehörden noch nicht einmal zum Anlass für Anklagen genommen worden seien, keine ausreichende Tatsachengrundlage für eine Berichterstattung. Zudem seien die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung nicht nur dann anwendbar, wenn sich der Verdacht auf eine Straftat beziehe, sondern bereits dann, wenn der im Raum stehende Vorwurf geeignet sei, sich abträglich auf das Bild des Betroffenen in der Öffentlichkeit auszuwirken. Wenn zudem schon das Landgericht Mannheim im Strafverfahren entschieden habe, die Öffentlichkeit bei der Vernehmung der Zeuginnen auszuschließen, dürfe erst Recht nicht über den Inhalt dieses Teils der Hauptverhandlung in der Presse berichtet werden.
15Hinsichtlich des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
16II.
17Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, so dass die angefochtene Entscheidung entsprechend abzuändern ist. Dem Kläger steht hinsichtlich der angegriffenen Äußerungen kein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu.
18Im Einzelnen:
191. Die Äußerung der Beklagten „all diese Frauen, denen L meist von Liebe und einer gemeinsamen Zukunft vorgeschwärmt haben soll, ist eines gemein: Sie werfen ihm vor, er sei in ihrer Beziehung gewalttätig gewesen“ hat das Landgericht zutreffend als Tatsachenbehauptung eingestuft. Der genaue Inhalt dieser Äußerung ist durch Auslegung unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes der Wortberichterstattung zu ermitteln.
20a. Abweichend von der Bewertung des Landgerichts ist nach dem maßgeblichen Verständnis des unvoreingenommenen Durchschnittslesers nicht festzustellen, dass die Beklagten durch diese zusammenfassende Äußerung in Verbindung mit dem sonstigen Artikel einen Verdacht dahingehend geäußert haben, dass der Kläger tatsächlich eine als Körperverletzung, sexuelle Nötigung oder eine sonstige strafrechtlich zu missbilligende gewalttätige Handlung zu Lasten der Zeuginnen D, M oder Q begangen habe. Gegen einen von den Beklagten aufgestellten dahingehenden Verdacht spricht zum einen die Art der Darstellung der Wortberichterstattung, in welcher unmittelbar im Anschluss an die im Konjunktiv wiedergegebenen Aussagen der Zeuginnen das Vorgehen des Verteidigers des Klägers geschildert wird. Dadurch erfährt der Rezipient unmittelbar im Anschluss an die Schilderung der jeweiligen Zeugin, dass hinsichtlich der inhaltlichen Wahrheit der jeweiligen Zeugenaussage durchaus auch Zweifel bestehen und im Strafverfahren gegen den Kläger geäußert worden sind. Zum anderen wird durch die von den Beklagten verwendete Formulierung „Denn stimmen die Aussagen der anderen Ex-Freundinnen...“ deutlich, dass sie diese Aussagen der Zeuginnen nicht ohne weiteres als inhaltlich zutreffend zugrunde legen oder sich zu eigen machen wollen. Vielmehr erkennt der Leser, dass die Wortberichterstattung dazu dienen soll, ein mögliches Szenario darzustellen, wie es sich bei einer unterstellen Wahrheit dieser Aussagen im weiteren Verlauf des Strafverfahrens gegen den Kläger bzw. bei der Urteilsfindung ergeben könnte.
21b. Zugunsten des Klägers kann in diesem Zusammenhang auch nicht festgestellt werden, dass die Beklagten mit der Verwendung des Wortes „gewalttätig“ eine mehrdeutige Äußerung vorgenommen haben, welche in einer nicht fernliegenden Auslegungsvariante unwahr und deshalb zu unterlassen ist. Bei der vorliegenden Wortberichterstattung der Beklagten ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Aussage, der Kläger sei in den Beziehungen mit den Zeuginnen „gewalttätig“ gewesen, nicht isoliert verwendet wird, sondern nur im Zusammenhang mit der inhaltlichen Wiedergabe von Details der Zeugenaussagen. Aus den im streitgegenständlichen Beitrag enthaltenen Angaben der Zeugen D, Q und M, deren Wiedergabe der Kläger mit seiner Klage nicht angegriffen hat, ergibt sich für den durchschnittlichen Rezipienten mit hinreichender Deutlichkeit, welche jeweilige Begebenheit im Zusammentreffen mit dem Kläger die Zeuginnen geschildert haben. Werden diese von den Zeuginnen geschilderten Ereignisse und das Verhalten des Klägers sodann von den Beklagten im Rahmen einer Zusammenfassung mit dem Begriff „gewalttätig“ umschrieben, so liegt darin aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten nicht die Behauptung, dass der Kläger ein über die Schilderung der Zeuginnen hinausgehendes Verhalten gezeigt hat, sondern vielmehr eine zusammenfassende Wertung dieser Geschehnisse bzw. das gegenüber den Zeuginnen durch den Kläger nach deren Angaben gezeigten Verhaltens. Im Hinblick darauf kommt es auf die vom Kläger im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 5.2.2016 angestellten Erwägungen zur Auslegung von umgangssprachlichen Begriffen hier nicht an. Denn entscheidend ist nicht der Aussagegehalt des isoliert verwendeten Formulierung „gewalttätig“, sondern vielmehr der im Gesamtkontext des streitgegenständlichen Beitrags für den durchschnittlichen Rezipienten erkennbare Äußerungsgehalt von Seiten der Beklagten.
22c. Haben die Beklagten damit nicht den Verdacht geäußert, dass der Kläger gegenüber der jeweiligen Zeugin in einer Art und Weise gewalttätig geworden ist, wie sie über die im Rahmen der Zeugenaussage geschilderten und damit dem Leser bekannten Einzelheiten hinausgeht, sondern haben sie lediglich diese – vom Kläger nicht angegriffenen – Schilderungen in wertender Art und Weise als „gewalttätig“ zusammengefasst, dann ist diese Äußerung an den Grundsätzen für die Zulässigkeit einer Gerichtsberichterstattung zu überprüfen, die vorliegend erfüllt sind. Ist nämlich nach den unangegriffenen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung davon auszugehen, dass die Zeuginnen in ihren Vernehmungen tatsächlich die jeweiligen Verhaltensweisen des Klägers ihnen gegenüber bekundet haben und wird damit von den Beklagten eine wahre Tatsache wiedergegeben, hängt die Zulässigkeit der beanstandeten Äußerung, welche diese Tatsachenschilderung wertend zusammenfasst, allein davon ab, ob der Kläger in unzulässiger Art und Weise stigmatisiert bzw. an den Pranger gestellt wird. Dies kann vorliegend nicht angenommen werden, so dass hier dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit der Vorrang vor den persönlichkeitsrechtlichen Belangen des Klägers gebührt.
23aa. Die streitgegenständliche Äußerung betrifft die Privat- und nicht die Intimsphäre des Klägers. Zwar sind Äußerungen über das Verhalten des Klägers bei einem sexuellen Kontakt mit den Zeuginnen seinem Sexualleben und damit eigentlich seiner Intimsphäre zuzuordnen, die als Kernbereich privater Lebensgestaltung einer öffentlichen Erörterung entzogen ist. Vorliegend greift dieser Schutz allerdings nicht ein. Der Bereich der Sexualität kann von dem gegenüber einer Berichterstattung in den Medien absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung ausgenommen sein, wenn eine Sexualstraftat als Ausdrucksform der Sexualität im Raume steht. Die aktuelle Berichterstattung über eine solche Straftat rechtfertigt unter dem Gesichtspunkt des Informationsinteresses nicht allein die identifizierende Veröffentlichung des Tatvorwurfs, sondern unter Umständen auch Berichte über das persönliche Leben des Täters, wenn der Inhalt der Berichte in einer unmittelbaren Beziehung zur Tat steht, Aufschlüsse über Motive oder andere Tatvoraussetzungen gibt und für die Bewertung der Schuld wesentlich erscheint (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.6.2009 – 1 BvR 1107/09, NJW 2009, 3357). Auch vorliegend sind die von den Zeuginnen geschilderten Vorkommnisse, die von den Beklagten zusammenfassend als gewalttätiges Verhalten bezeichnet werden, der Privatsphäre des Klägers zuzuordnen, weil die von den Zeuginnen geschilderten Begebenheiten als Teil des Strafverfahrens gegen den Kläger, nämlich als Randgeschehen der angeklagten Vergewaltigung anzusehen sind, da die Verhaltensweise des Klägers gegenüber den Zeuginnen im Strafverfahren indiziell verdeutlichen sollte, wie er sich im sexuellen Verkehr mit Frauen „üblicherweise“ verhält und ob er insofern Gewalttätigkeiten zeigte.
24bb. Unter Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen hat der Kläger die beanstandete Äußerung der Beklagten trotz der Tatsache hinzunehmen, dass die Zeuginnen ihre Aussage in nichtöffentlicher Verhandlung gemacht haben: Zum einen hat der Kläger die Wiedergabe der Zeugenaussagen als solche mit seiner Klage nicht angegriffen, so dass aus der hier allein beanstandeten Zusammenfassung des bekundeten Verhaltens durch die Beklagten als „gewalttätig“ unter gleichzeitiger Wiedergabe des Inhalts der Zeugenaussagen nur eine geringe eigenständige Beeinträchtigung resultiert. Zum anderen werden die Aussagen der Zeuginnen, die nur wenig detaillierte und eher pauschal gehaltene Angaben zu den sexuellen Kontakten des Klägers enthalten, nicht primär zu dem Zweck geschildert, ein Verhalten des Klägers – als mögliches Indiz für seine Täterschaft hinsichtlich der angeklagten Vergewaltigung – darzustellen. Vielmehr liegt die Zielrichtung der Wortberichterstattung in erster Linie darin, die Art und Weise der Verteidigung des Angeklagten kritisch zu beleuchten. Wie Zeuginnen in einem wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung geführten Strafverfahren vom Verteidiger des Angeklagten behandelt werden, ist ein Thema von erheblichem öffentlichem Interesse, zumal in einem Strafverfahren wie dem gegen den Kläger geführten, in welchem aufgrund der entgegenstehenden Aussagen von Angeklagtem und Anzeigenerstatterin diesen Zeugenaussagen möglicherweise entscheidende Bedeutung hätte zukommen können. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Vorgehensweise des Verteidigers war jedoch nicht möglich, ohne die kursorisch dargestellten Angaben der Zeuginnen, die dem Leser ein Bild davon vermitteln, mit welchen Angaben sich die Verteidigung konfrontiert sah, mit einem Schlagwort („gewalttätig“) zusammenzufassen, um kritisch zu erörtern, welche Auswirkungen diese Aussagen möglicherweise auf die Urteilsfindung haben könnten und wie der Verteidiger des Angeklagten auf diese reagiert hat.
252. Bei der zweiten Äußerung: „(Denn eigentlich geht es um etwas sehr Ernstes.) Nämlich darum, dass mehrere Ex-Freundinnen über einen Zeitraum von zehn Jahren alle das Gleiche sagen: Dass L in der Beziehung gewalttätig geworden sein soll. Die Behauptung der Ex-Freundin aus T2, er habe sie vergewaltigt, ist also denkbar. Denn stimmen die Aussagen der anderen Ex-Freundinnen, hätte L sich in dieser Nacht nicht zum ersten Mal gewalttätig verhalten“) handelt es sich im ersten Teil um eine Tatsachenbehauptung, die die oben dargelegte Beurteilung teilt. Der zweite Teil stellt eine Meinungsäußerung der Beklagten zu 3) hinsichtlich der Möglichkeit dar, dass der Kläger die ihm im Strafverfahren zur Last gelegt Tat tatsächlich begangen hat. Das Landgericht hat diese Meinungsäußerung als unzulässig eingestuft, weil sie auf die Aussagen der Zeuginnen zurückgreife, über die nicht hätten berichtet werden dürfen. Ist aber – wie vorstehend dargelegt – die Äußerung der Beklagten über eine von den Zeuginnen bekundete Gewaltanwendung des Klägers in ihren Beziehungen zulässig, dann kann auch die nachfolgend vorgenommene Wertung der Beklagten zum möglichen Ausgang des Strafverfahrens, die sich weder als Formalbeleidigung noch als Schmähkritik darstellt, nicht untersagt werden.
263. Schließlich hat die Berufung der Beklagten auch insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Unterlassungsverpflichtung im Hinblick auf die Äußerung: „Ach ja, und neuerdings spielt er auch mit seinem iPad. Während der Verhandlung“ wenden. Dabei kann dahinstehen, ob es – wie die Beklagten geltend machen – auch möglich ist, das von ihnen verwendete Verb „spielen“ im Rahmen einer mehrdeutigen Äußerung als eine kritische Bewertung des unstreitigen Umstandes anzusehen, dass der Kläger während der Verhandlung sein iPad in die Hand nahm und sich damit beschäftigte. Denn selbst wenn davon ausgegangen wird, dass die Äußerung „spielte“ von einem nicht unerheblichen Teil der Rezipienten auch so verstanden werden könnte, dass der Kläger (unterhaltende) Spiele oder sonstige verfahrensfremde Inhalte auf dem iPad aufgerufen hatte, steht ihm der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten nicht zu. Eine solche Tatsachenbehauptung der Beklagten ist zwar unstreitig unwahr und durch sie wird der Kläger auch beeinträchtigt, weil es sich um ein in einem Gerichtsverfahren – speziell in einem Strafprozess – völlig unangemessenes Verhalten handelt. Jedoch liegt insofern keine Wiederholungsgefahr vor: Die Beklagten haben die streitgegenständliche Äußerung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 13.5.2015 dahingehend klargestellt, dass der Kläger nicht ein Spiel auf dem iPad gespielt, sondern mit dem iPad „hantiert“ habe (vgl. Bl. 101 d.A.). Abweichend von den Ausführungen des Landgerichts liegt in einer solchen künftigen Behauptung keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers. Denn der durchschnittliche Rezipient verbindet mit dem Begriff „hantieren“ lediglich den Umstand, dass eine Person den betreffenden Gegenstand in die Hand nimmt. Dass der Angeklagte eines Strafverfahrens sein iPad während der Verhandlung in die Hand nimmt, ist jedoch nicht zu beanstanden, da es durchaus billigenswerte Anlässe gibt, auch während einer solchen Verhandlung notwendige Informationen von diesem Gerät abzurufen bzw. sich Notizen zu machen. Eine verfahrensfremde Beschäftigung des Klägers mit seinem iPad wird durch diese Formulierung dagegen nicht behauptet, womit das Verhalten des Klägers auch nicht in persönlichkeitsrechtsverletzender Weise herabgewürdigt wird. Denn der Formulierung ist aus Sicht eines durchschnittlichen Rezipienten nicht zu entnehmen, zu welchem konkreten Zweck der Gegenstand in die Hand genommen wird, vielmehr ist sie insofern völlig neutral und inhaltlich unbestimmt. Da der Kläger während der Strafverhandlung vor dem Landgericht Mannheim unstreitig sein iPad zur Hand genommen hat, liegt in der (klargestellten) Äußerung der Beklagten eine wahre Tatsachenbehauptung. Haben die Beklagten damit ihrer Äußerung jedoch einen eindeutigen und im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht zu beanstandenden Inhalt gegeben, kommt eine Verurteilung zur Unterlassung nicht mehr in Betracht. Denn eine solche kann bei sog. mehrdeutigen Äußerungen nicht erfolgen, wenn der Äußernde eine ernsthafte und inhaltlich ausreichende Erklärung abgibt, die mehrdeutige Äußerung, der eine Aussage mit dem persönlichkeitsverletzenden Inhalt entnommen werden kann, nicht oder nur mit geeigneten Klarstellungen zu wiederholen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, juris Rn. 35 m.w.N.). Da es bei mehrdeutigen Äußerungen dem Presseorgan bzw. dem sich Äußernden obliegt und auch zusteht, künftig für eine eindeutige Formulierung seiner Berichterstattung Sorge zu tragen, kann vor dem Hintergrund dieser Stellungnahme der Beklagten nicht davon ausgegangen werden, dass sie die vom Kläger beanstandete Äußerung künftig in dieser Art und Weise nochmal veröffentlicht.
274. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich hinsichtlich der Kosten aus § 91 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, da die Beurteilung des Rechtsstreits auf der Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und im Übrigen auf den Einzelfallumständen beruht. Höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.
28Streitwert: 150.000 Euro (2 x 3 x 25.000 Euro)
Tenor
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Die Revisionen gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 14. Mai 2014 werden zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
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Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen unzulässiger Veröffentlichung eines Fotos in Anspruch, das sie in Badekleidung (Bikini) auf einer Liege am Strand von El Arenal auf Mallorca zeigt.
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Die Print-Ausgabe der Zeitung "BILD", deren Herausgeberin die Beklagte zu 1 ist, berichtete am 10. Mai 2012 über einen Raubüberfall auf den Profifußballer A. in El Arenal ("Am Ballermann"). Darin heißt es u.a.:
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"Sonne, Strand, Strauchdiebe. Gestern sahen wir ... - Star A. (25) in pikanter Frauen-Begleitung am Ballermann. Jetzt wurde er Opfer einer Straftat."
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Diesem Artikel war das beanstandete Foto beigefügt, das im Vordergrund A. am Strand von El Arenal vor einer Mülltonne zeigt, in die er einen Eimer leert. In dem Bildabschnitt, der die Mülltonne zeigt, findet sich der Text:
- 5
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"Strohhut, dunkle Sonnenbrille: A. am Strand von El Arenal. Vorbildlich entsorgt er seinen Abfall".
- 6
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Im Hintergrund sind mehrere Personen auf Strandliegen zu sehen. Am rechten Bildrand, auf der Liege unmittelbar hinter A., ist die Klägerin in einem Bikini zu erkennen.
- 7
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Ein Artikel mit demselben Berichtsgegenstand und einem größeren Ausschnitt desselben Fotos wurde bis zum 9. Mai 2013 im Internet-Portal www.bild.de veröffentlicht, das von der Beklagten zu 2 betrieben wird.
- 8
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Die Klägerin nahm zuletzt die Beklagte zu 1 wegen des in der Print-Ausgabe veröffentlichten Fotos auf Unterlassung und wegen der Veröffentlichung des Fotos im Internet-Portal der Beklagten zu 2 beide Beklagten auf Unterlassung und Entfernung von der Webseite in Anspruch. Ferner begehrte sie von der Beklagten zu 1 wegen der Veröffentlichung in der Print-Ausgabe und von der Beklagten zu 2 wegen der Veröffentlichung im Internet die Zahlung einer angemessenen Entschädigung.
- 9
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht dem Unterlassungsbegehren stattgegeben, hinsichtlich des im Internet veröffentlichten Fotos jedoch nur gegenüber der Beklagten zu 2. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren gegen die Beklagte zu 1 sowie ihr Begehren auf Zahlung einer Entschädigung gegen beide Beklagten weiter. Die Beklagten erstreben mit ihren Revisionen die Wiederherstellung des die Klage insgesamt abweisenden Urteils des Landgerichts.
Entscheidungsgründe
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I.
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Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 wegen der Veröffentlichung des Fotos in der Print-Ausgabe der Zeitung "BILD" vom 10. Mai 2012 gemäß § 1004 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, § 22 KUG bejaht. Es hat sich die Überzeugung gebildet, dass die Klägerin auf dem Foto identifizierbar abgebildet ist. Da die Klägerin weder ausdrücklich noch konkludent in die Veröffentlichung des Fotos eingewilligt habe, sei die Zulässigkeit der Veröffentlichung nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen. Danach komme eine Ausnahme vom Erfordernis der Einwilligung grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Berichterstattung ein Ereignis von zeitgeschichtlicher Bedeutung betreffe. Davon könne im Hinblick auf die Klägerin nicht ausgegangen werden. Auch wenn man annehme, dass die Abbildung des Fußballprofis nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG im Kontext des Berichts zulässig gewesen sei, sei damit noch nichts darüber ausgesagt, ob auch die von der Klägerin beanstandete identifizierbare Abbildung ihrer Person rechtmäßig sei. Da die Klägerin in keinerlei Beziehung zu dem Fußballspieler gestanden habe, lasse sich das öffentliche Interesse hiermit nicht begründen. Selbst wenn man mit der Beklagten davon ausginge, dass sich der Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auch auf unbekannte Personen beziehe, die zufällig mit relativen oder absoluten Personen der Zeitgeschichte abgebildet würden, wäre - das zeitgeschichtliche Ereignis unterstellt - jedenfalls bei der erforderlichen Interessenabwägung dem Recht der Klägerin am eigenen Bild gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit der Vorrang einzuräumen. Das unterstellte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an einer Nachricht, dass der im Vordergrund abgebildete Fußballprofi, der gestern noch am Strand gewesen sei und dort vorbildlich seinen Abfall entsorgt habe, jetzt Opfer einer Straftat geworden sei, sei nicht von einem solchen Gewicht, dass dahinter der Schutz der Persönlichkeit der Klägerin zurücktreten müsse. Die Aufnahme zeige die Klägerin im Urlaub, der selbst bei Prominenten zum regelmäßig zu schützenden Kernbereich der Privatsphäre gehöre. Insbesondere sei es für die Information der Allgemeinheit nicht erforderlich gewesen, dass die völlig außerhalb des Geschehens stehende Klägerin identifizierbar abgebildet worden sei. Es sei der Beklagten zu 1 als Presseunternehmen ohne Weiteres möglich gewesen, die Klägerin durch Verpixelung oder Augenbalken unkenntlich zu machen. Was dies an der Aussagekraft des Berichts im Sinne ihres Anliegens, die Urlaubsgestaltung des Fußballprofis zu illustrieren, geändert hätte, sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Dabei falle auch ins Gewicht, dass die nur mit einem Bikini bekleidete Klägerin den Blicken des Publikums in einer deutlich intensiveren Weise preisgegeben werde als in anderen Situationen. Teile der Leserschaft hätten die Veröffentlichung auch zum Anlass für Spekulationen darüber nehmen können, ob es sich bei der Klägerin um die in dem Artikel genannte "pikante Frauenbegleitung" gehandelt habe. Die Bildveröffentlichung sei auch nicht - wie das Landgericht angenommen habe - aufgrund einer analogen Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG gerechtfertigt. Eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift scheitere bereits daran, dass nicht die Abbildung einer Örtlichkeit im Vordergrund gestanden habe, sondern die Person des Fußballers A. Der teilweise vertretenen Auffassung, wonach auch Personen, die im zufälligen Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis abgebildet würden, sofern sie dadurch nicht schon selbst Teil des zeitgeschichtlichen Ereignisses geworden seien, § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG in analoger Anwendung unterfielen, sei nicht zu folgen. Denn damit würden Personen, die rein zufällig mit einer prominenten Person abgebildet würden, ohne diese zu begleiten, schlechter gestellt als Begleitpersonen von prominenten Personen, bei denen eine alltägliche Begleitsituation nicht ohne Weiteres die Veröffentlichung des Begleiterfotos rechtfertige. Da bereits die Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zu interessengerechten Ergebnissen führe, liege insoweit auch keine Lücke vor. Die Klägerin habe auch gegen die Beklagte zu 2 aus § 1004 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB, § 22 KUG einen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung des auf der von der Beklagten zu 2 betriebenen Webseite seit dem 10. Mai 2012 verbreiteten Fotos. Das Persönlichkeitsrecht der Klägerin sei hier noch in stärkerer Weise betroffen als durch die Veröffentlichung der Print-Ausgabe. Bei dem in der Print-Ausgabe abgedruckten Foto handele es sich lediglich um einen Ausschnitt des auf der Internetseite der Beklagten zu 2 vollständig veröffentlichten Fotos, welches auch die unbekleideten Beine der Klägerin zeige. Da der dazu veröffentlichte Text sich nicht erheblich von dem der Print-Ausgabe unterscheide, könne die Abwägung zu keinem anderen Ergebnis führen als bei der Print-Ausgabe der Beklagten zu 1. Der hinsichtlich der Internetveröffentlichung geltend gemachte Anspruch bestehe nicht gegen die Beklagte zu 1. Diese sei unstreitig nicht Betreiberin der Internetseite. Eine Haftung ergebe sich auch nicht - wie die Klägerin meine - aus Rechtsscheinsgesichtspunkten. Störer sei lediglich, wer willentlich und adäquat kausal zur Persönlichkeitsrechtsverletzung beitrage. Davon könne hier nicht ausgegangen werden. Die Beklagten hätten unwidersprochen vorgetragen, dass weder die Beklagte zu 2 entscheiden könne, welche Publikation in den Medien der Beklagten zu 1 erschienen, noch dass dies umgekehrt der Fall sei. Ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen der beanstandeten Bildveröffentlichungen stehe der Klägerin nicht zu, da es sich nicht um einen so schwerwiegenden Eingriff handele, dass eine Geldentschädigung gerechtfertigt sei.
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II.
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Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
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A) Revisionen der Beklagten:
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Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler einen Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 aus § 1004 und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 22, 23 KUG bejaht.
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1. Dabei ist es zutreffend davon ausgegangen, dass die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen ist (vgl. grundlegend Senatsurteile vom 6. März 2007 - VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 9 ff.; vom 18. Oktober 2011 - VI ZR 5/10, VersR 2012, 116 Rn. 8 f.; vom 22. November 2011 - VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 23 f.; vom 18. September 2012 - VI ZR 291/10, VersR 2012, 1403 Rn. 26, vom 28. Mai 2013 - VI ZR 125/12, VersR 2013, 1178 Rn. 10, und vom 8. April 2014 - VI ZR 197/13, VersR 2014, 890 Rn. 8; jeweils mwN), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfGE 120, 180, 210) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang steht (vgl. EGMR NJW 2004, 2647 Rn. 57 ff.; 2006, 591 Rn. 37 ff., sowie NJW 2012, 1053 Rn. 95 ff., und 1058 Rn. 75 ff.). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Die Veröffentlichung des Bildes von einer Person begründet grundsätzlich eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. BVerfG NJW 2011, 740 Rn. 52 mwN). Die nicht von der Einwilligung des Abgebildeten gedeckte Verbreitung seines Bildes ist nur zulässig, wenn dieses Bild dem Bereich der Zeitgeschichte oder einem der weiteren Ausnahmetatbestände des § 23 Abs. 1 KUG positiv zuzuordnen ist und berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG). Dabei ist schon bei der Beurteilung, ob ein Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist, eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK andererseits vorzunehmen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, VersR 2007, 1135 Rn. 17; ausführlich dazu v. Pentz, AfP 2013, 20, 23 f.).
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a) Nach den von den Revisionen nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin in die Veröffentlichung der Fotos nicht eingewilligt (§ 22 Satz 1 KUG).
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b) Das Foto ist auch nicht dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) zuzuordnen. Maßgebend für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, ist der Begriff des Zeitgeschehens.
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aa) Der Begriff des Zeitgeschehens darf nicht zu eng verstanden werden. Im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasst er nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Zeitgeschehen, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Er wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt. Zum Kern der Presse- und der Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht, und dass sich im Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist, wobei unterhaltende Beiträge davon nicht ausgenommen sind (vgl. BVerfGE 101, 361, 389 ff.; BVerfG, AfP 2008, 163, 166 f. Nr. 61 ff.; Senatsurteile vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, aaO; vom 3. Juli 2007 - VI ZR 164/06, aaO und vom 24. Juni 2008 - VI ZR 156/06, BGHZ 177, 123 Rn. 15 ff.; jeweils mwN).
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bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Veröffentlichung eines Fotos, das einem Millionenpublikum die - identifizierbar abgebildete - Klägerin im Bikini zeigt, sei durch den Anlass der Berichterstattung nicht gerechtfertigt, nicht zu beanstanden. Die veröffentlichten Bilder zeigen die Klägerin in einer erkennbar privaten Situation, die in keinem Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis steht (vgl. - zu einer ähnlichen Fallgestaltung - Senatsurteil vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, VersR 2007, 1135 Rn. 26).
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cc) Soweit die Revisionen meinen, das Berufungsgericht habe nicht geprüft, wie der Leser den Bericht interpretiere, sondern ausschließlich auf das Foto abgestellt und den Zusammenhang zum zugehörigen Text ignoriert, aus welchem sich ergebe, dass sich die Abbildung allein auf den Fußballer A. beziehe, kann dem nicht gefolgt werden. Das Bildnis zeigt auch die Klägerin, wie sie sich mit dem Betrachter halb zugewandtem Gesicht auf der Strandliege sonnt.
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dd) Entgegen der Auffassung der Revisionen der Beklagten hat das Berufungsgericht auch nicht den Begriff des zeitgeschichtlichen Ereignisses im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG verkannt und diesen Begriff zu eng gefasst. Das beanstandete Foto als solches hatte mit dem Umstand, dass der bekannte Fußball-Star A. am "Ballermann" überfallen und ausgeraubt wurde, ersichtlich nichts zu tun. Das Berufungsgericht hat gleichwohl zugunsten der Beklagten unterstellt, dass die Veröffentlichung des Bildnisses von Herrn A. im Kontext des Berichts zulässig war und für die Entscheidung des Streitfalles zutreffend darauf abgestellt, ob der Gegenstand dieses Berichts auch die Veröffentlichung einer Abbildung der Klägerin rechtfertigt. Dies hat es mit Recht verneint. Denn es besteht außer dem zufälligen Zugegensein keine Verknüpfung zwischen der als "Urlauberin" gezeigten Klägerin und dem - unterstellt - als Ereignis der Zeitgeschichte zu qualifizierenden Raubüberfall auf den Nationalspieler A.
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ee) Der Revisionen der Beklagten ist weiter nicht darin zu folgen, dass im Hinblick auf das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an einem Bericht über ein zeitgeschichtliches Ereignis die Interessen von unbekannten Personen, die zufällig mit abgebildet werden, stets zurücktreten müssen. Vielmehr ist auch in solchen Fällen grundsätzlich eine Interessenabwägung erforderlich, bei der insbesondere der Informationswert für die Öffentlichkeit, die berechtigten Erwartungen des Betroffenen und die Möglichkeiten einer das Persönlichkeitsrecht wahrenden Modifikation des Fotos zu berücksichtigen sind. Dies steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats, nach der selbst die Abbildung von Begleitpersonen nicht ohne Weiteres zulässig ist. Wollte man dies anders sehen, würde dies zu dem (widersinnigen) Ergebnis führen, dass Begleitpersonen, die in einem gewissen Zusammenhang mit dem Gegenstand der Berichterstattung stehen (vgl. etwa Senatsurteil vom 19. Juni 2007 - VI ZR 12/06, VersR 2007, 1135 Rn. 28), vor einer Veröffentlichung eher geschützt wären, als Personen, die ohne jeden Zusammenhang Gegenstand einer "zufälligen" Bildaufnahme geworden sind.
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c) Entgegen der Auffassung der Revisionen der Beklagten hat das Berufungsgericht auch ohne Rechtsfehler im Streitfall eine unmittelbare oder analoge Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG verneint.
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aa) Nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG ist die Veröffentlichung eines Bildnisses ohne Einwilligung der abgebildeten Person grundsätzlich zulässig, wenn diese Person nur als "Beiwerk" neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheint. Hiervon kann nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nur dann ausgegangen werden, wenn die Abbildung einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit das Bild prägt und nicht selbst "Beiwerk" ist. Im Streitfall bezog sich die Abbildung indes - wovon die Revisionen der Beklagten selbst ausgehen - in erster Linie auf Herrn A. Das Strandleben am "Ballermann" bildete lediglich den Hintergrund des Fotos.
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Die Erwägungen der Revisionen der Beklagten zu der Frage, ob eine Abbildung von Badegästen im Zusammenhang mit einer Schilderung des Strandlebens zulässig wäre, sind im Streitfall unerheblich. Im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG kann ein Interesse an der Wiedergabe einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit zwar unabhängig von einem konkreten Ereignis der Zeitgeschichte bestehen. Die Revisionen der Beklagten gehen jedoch selbst davon aus, dass Zweck des Bildes die Berichterstattung über den Fußballer A. im Zusammenhang mit dem auf diesen erfolgten Überfall gewesen sei.
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bb) Entgegen der Auffassung der Revisionen kommt eine entsprechende Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG nicht in Betracht. Es fehlt bereits an einer Gesetzeslücke als Voraussetzung einer analogen Anwendung dieser Vorschrift. Denn dem von den Revisionen der Beklagten angeführten Interesse an der Berichterstattung über eine bestimmte Person unter Einbeziehung von Abbildungen anderer "zufällig" anwesender Personen wird bereits durch § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG und die dort erforderliche Interessenabwägung hinreichend Rechnung getragen.
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d) Selbst wenn eine entsprechende Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG in Betracht käme, erstreckte sich die Befugnis nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird (§ 23 Abs. 2 KUG).
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Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung mit Recht nicht nur auf das Foto, sondern auch auf den dazugehörigen Text abgestellt und dabei angenommen, dass die Erwähnung einer "pikanten Frauenbegleitung" zumindest bei einem Teil der Leserschaft zum Anlass für Spekulationen in Bezug auf die Klägerin genommen werden könnte. Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Hinblick auf die Formulierung geboten: "Gestern sahen wir ... - Star A. (25) in pikanter Frauen-Begleitung am Ballermann. Jetzt wurde er Opfer einer Straftat." Denn die Revisionen der Beklagten zeigen keinen (übergangenen) Sachvortrag dazu auf, dass das Foto vom Folgetag stamme und dies für den Leser ersichtlich gewesen sei.
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e) Das Berufungsgericht hat auch zutreffend die Unkenntlichmachung der Klägerin durch Verpixelung oder Augenbalken für möglich und den Beklagten zumutbar erachtet. Die Revisionen berufen sich demgegenüber ohne Erfolg auf angebliche Redaktionsabläufe und die Gefahr der Verhinderung einer atmosphärischen Illustration. Eine Verpixelung hätte an der Aussagekraft des Berichts im Hinblick auf das Anliegen der Beklagten, die Urlaubsgestaltung des Fußballprofis zu illustrieren, nichts geändert. Darüber hinaus hat die Beklagte zu 2 nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei den im Internet im Zusammenhang mit der vorliegenden Berichterstattung veröffentlichten Bildern die Gesichter anderer dort mit dem Fußballprofi abgebildeter Frauen gepixelt, was dagegen spricht, dass ihr eine entsprechende Vorgehensweise im Hinblick auf die Abbildung der Klägerin nicht möglich oder unzumutbar gewesen wäre.
- 29
-
B) Revision der Klägerin:
- 30
-
Die Revision der Klägerin ist ebenfalls unbegründet.
- 31
-
1. Das Berufungsgericht hat mit Recht eine Haftung der Beklagten zu 1 hinsichtlich der Veröffentlichung der beanstandeten Bilder im Internet abgelehnt, weil nicht ersichtlich sei, dass die Beklagte zu 1 willentlich und adäquat kausal durch die Veröffentlichung der - rechtlich selbständigen - Beklagten zu 2 im Internet zu einer Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin beigetragen hätte. Allein die Tatsache, dass beiden Beklagten dieselben Lichtbilder zugänglich waren, vermag noch keine wechselseitige Haftung hinsichtlich der Veröffentlichung der Fotos zu begründen. Die Revision der Klägerin zeigt keinen vom Berufungsgericht übergangenen Sachvortrag auf, wonach die Beklagte zu 1 der Beklagten zu 2 die Lichtbilder zur Verfügung gestellt hat. Die von der Revision der Klägerin in Bezug genommene Entscheidung des I. Zivilsenats vom 11. März 2009 (I ZR 114/06, BGHZ 180, 134 Rn. 16 ff.) betrifft eine andere Fallgestaltung (Verletzung von Schutzrechten durch Pflichtverletzung des Kontoinhabers bei der Verwahrung von Zugangsdaten).
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2. Entgegen der Auffassung der Revision der Klägerin hat das Berufungsgericht auch ohne Rechtsfehler den Antrag der Klägerin auf Zahlung einer Geldentschädigung für unbegründet erachtet.
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats begründet eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 12; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 27; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 306; vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 38 ff.; vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, VersR 1985, 391, 393; vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87 - VersR 1988, 405; vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94, VersR 1996, 341 f.; vgl. auch BVerfG, NJW 2004, 591, 592). Ob ein derart schwerer Eingriff anzunehmen und die dadurch verursachte nicht vermögensmäßige Einbuße auf andere Weise nicht hinreichend ausgleichbar ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, aaO, 13; vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, aaO; vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, aaO Rn. 38; vom 17. März 1970 - VI ZR 151/68, VersR 1970, 675, 676; vom 25. Mai 1971 - VI ZR 26/70, VersR 1971, 845, 846; Senatsbeschluss vom 30. Juni 2009 - VI ZR 340/08, juris Rn. 3). Bei der gebotenen Gesamtwürdigung ist ein erwirkter Unterlassungstitel zu berücksichtigen, weil dieser und die damit zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen den Geldentschädigungsanspruch beeinflussen und im Zweifel sogar ausschließen können (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 1971 - VI ZR 26/70, DB 1971, 1660, 1661; Senatsbeschluss vom 30. Juni 2009 - VI ZR 340/08, aaO). Die Gewährung einer Geldentschädigung hängt demnach nicht nur von der Schwere des Eingriffs ab, es kommt vielmehr auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an, nach denen zu beurteilen ist, ob ein anderweitiger befriedigender Ausgleich für die Persönlichkeitsrechtsverletzung fehlt (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, aaO, 12 ff.; vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, aaO; Senatsbeschluss vom 30. Juni 2009 - VI ZR 340/08, aaO).
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-
b) Eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin hat das Berufungsgericht unter Würdigung der besonderen Umstände des Streitfalles mit Recht verneint. Selbst wenn man - was das Berufungsgericht offengelassen hat - zugunsten der Klägerin ihre Behauptung, sie sei im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von mehreren Personen angesprochen und ihr sei von "mehreren Männern" Geld für ein Treffen angeboten worden, als richtig unterstellt, vermag dies keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Denn das Berufungsgericht weist insoweit zutreffend darauf hin, dass die beanstandete Veröffentlichung des Strandbildes mit der Klägerin keine Veranlassung zu der Annahme gab, dass die Klägerin käuflich sei.
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Galke Wellner Diederichsen
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v. Pentz Offenloch
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger wendet sich mit seinem Unterlassungsbegehren gegen eine ihn betreffende Online-Berichterstattung auf dem von der Beklagten betriebenen Internetportal "www.bild.de" während eines gegen ihn geführten Strafverfahrens.
- 2
- Der Kläger war bis zu seiner Verhaftung im März 2010 als Fernsehmoderator und Journalist tätig. Er betrieb außerdem ein Unternehmen, das meteorologische Daten erfasst und vertreibt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen ihn wegen des Verdachts der Vergewaltigung in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Ihm wurde vorgeworfen, am 9. Februar 2010 seine damalige Freundin zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Vom 20. März 2010 bis zum 29. Juli 2010 befand er sich in dieser Sache in Untersuchungshaft. In der vom 6. September 2010 bis zum 31. Mai 2011 dauernden Hauptverhandlung wurde er freigesprochen.
- 3
- Nach Anklageerhebung, aber vor Eröffnung des Hauptverfahrens berichtete die Beklagte am 13. Juni 2010 auf ihrem Internetportal unter der Überschrift "Der K….-Krimi: Neue Indizien aus der Tatnacht?" unter anderem wie folgt: "Der Fall K…. (51) wird immer pikanter: Laut dem Nachrichtenmagazin ‚Focus‘ soll jetzt auch ein sichergestellter Tampon die angebliche Verge- waltigung beweisen! Das Magazin veröffentlichte jetzt neue intime Details über die angebliche Tatnacht. So heißt es in Bezug auf das Treffen zwischen Jörg K… und Sabine W. (37) unter anderem: Die Ex-Freundin des Wettermoderators habe ‚auf ihn gewartet mit hochgezogenem Strickkleid‘. Und weiter: ‚wie üblich habe sie Handschellen und eine Reitgerte bereitgelegt ‘."
- 4
- Diese Informationen stammen aus der Einlassung des Klägers in seiner ersten richterlichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren. Das Protokoll über diese Vernehmung, das unter anderem folgende Passage enthält, wurde in der öffentlich geführten Hauptverhandlung am 13. September 2010 zu Beweiszwecken verlesen: "Es war dann so, das war das übliche Verfahren bei den Treffen, dass ich geklingelt habe, langsam die Treppe hoch ging, ich die Türe aufmachte , die angelehnt war, und sie wartete dann schon ausgezogen oder in diesem Fall mit schon hochgezogenem Strickkleidchen. In ihrem Besitz und zu ihrem Haushalt gehörten auch Handschellen, die sie in diesem Fall schon in der einen Hand hatte auch eine Reitgerte, die auch zu ihrem Haushalt gehörte, die immer bei ihr war und die sie dann jeweils , wenn sie Lust darauf hatte, bereitlegte."
- 5
- Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen , zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten: Die Ex-Freundin des Wet- termoderators habe ‚auf ihn gewartet mit hochgezogenem Strickkleid‘, ‚wieüblich habe sie Handschellen und eine Reitgerte bereitgelegt‘, wenn dies ge- schieht wie auf bild.de im Artikel vom 13.06.2010 mit der Überschrift "Der K….Krimi : Neue Indizien aus der Tatnacht?". Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 6
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil u.a. in ZUM 2012, 330 veröffentlicht ist, hat die Klage als zulässig angesehen. Grundsätzlich müsse die klagende Partei gemäß § 253 Abs. 2, 4, § 130 Nr. 1 ZPO ihre ladungsfähige Anschrift in der Klageschrift angeben. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass der Kläger unter der von ihm angegebenen Anschrift im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht hätte geladen werden können. Dass in einer anderen Rechtssache eine Zustel- lung unter dieser Anschrift fehlgeschlagen sei, lasse nicht darauf schließen, ob zur Zeit der Klageerhebung eine Zustellung hätte bewirkt werden können. Ebenso unerheblich sei, dass der Kläger bereits längere Zeit nicht mehr unter der angegebenen Anschrift amtlich gemeldet gewesen sei.
- 7
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu. Die beanstandeten Äußerungen beträfen zwar nicht den absolut geschützten Kernbereich seines Persönlichkeitsrechts, weil sie Gegenstand einer gegen ihn erhobenen Anklage seien und einen Bezug zu der vorgeworfenen Tat aufwiesen. Bei der vorzunehmenden Abwägung sei aber das Persönlichkeitsrecht des Klägers höher zu bewerten als das Berichterstattungsinteresse der Beklagten. Zu Gunsten des Klägers falle besonders ins Gewicht, dass es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren handele und ihm die Unschuldsvermutung zu Gute komme, die eine zurückhaltende, jedenfalls aber ausgewogene Berichterstattung verlange. Den beanstandeten Äußerungen komme für das Strafverfahren nur eine geringe Bedeutung zu. Zu dem eigentlichen Tatgeschehen wiesen sie keinen konkreten Bezug auf. Ein Hinweis auf die Bedeutung der beanstandeten Äußerung für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit gehe aus dem Artikel nicht hervor. Dagegen greife die Berichterstattung über praktizierte sexuelle Vorlieben des Klägers erheblich in dessen Persönlichkeitsrecht ein, weil diese einem Großteil der Leser in Erinnerung blieben. Der Kläger werde als eine Person mit sadomasochistischen Neigungen beschrieben. Die dadurch begründete "Prangerwirkung" werde durch den Freispruch nicht beseitigt. Während des laufenden Ermittlungsverfahrens bestehe kein derart weitgehendes Berichterstattungs- und Informationsinteresse.
- 8
- Eine abweichende Beurteilung sei nicht deshalb geboten, weil die Sexualpraktiken des Klägers in anderen Medien ebenfalls thematisiert und dadurch einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht worden seien. Die streitgegenständliche Veröffentlichung habe den Kreis der "Rezipienten" wesentlich erweitert und sei Anlass für verschiedene Medien gewesen, die dort mitgeteilten Tatsachen zum Sexualleben des Klägers nachfolgend aufzugreifen.
- 9
- Auch nach Verlesung des Protokolls der klägerischen Einlassung vor dem Haftrichter in der öffentlichen Hauptverhandlung sei die Berichterstattung über die einvernehmlich praktizierten sexuellen Vorlieben nicht zulässig geworden. Die Verlesung selbst habe Details aus dem Sexualverhalten des Klägers nur den im Gerichtssaal anwesenden Personen offenbart. Eine Breitenwirkung habe erst die auf die Verlesung erfolgte Medienberichterstattung erzielt. Diese habe jedoch nicht dazu geführt, dass die frühere streitgegenständliche Berichterstattung über das Sexualleben des Klägers nicht mehr in rechtswidriger Weise in das Persönlichkeitsrecht eingreife und eine Wiederholungsgefahr entfallen sei. Die Medien hätten auch über die öffentliche Hauptverhandlung nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung nur zurückhaltend und maßvoll berichten dürfen. Aus dem in § 169 GVG normierten Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen folge kein Recht der Presse, über sämtliche in der öffentlichen Verhandlung erörterten Inhalte zu berichten. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger keinen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 171b GVG gestellt habe.
II.
- 10
- Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG nicht zu.
- 11
- 1. Zu Recht hat allerdings das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision die Zulässigkeit der Klage bejaht.
- 12
- a) Der Kläger muss in der Klageschrift grundsätzlich eine ladungsfähige Anschrift angeben, weil hierdurch seine Bereitschaft dokumentiert wird, auf Anordnung des Gerichts persönlich zu erscheinen, und gewährleistet ist, dass er den Prozess nicht aus dem Verborgenen führt, um sich eventueller nachteiliger Folgen, insbesondere der Kostenpflicht im Fall des Unterliegens, zu entziehen (BGH, Urteile vom 9. Dezember 1987 - IVb ZR 4/87, BGHZ 102, 332, 335 f.; vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02, NJW-RR 2004, 1503; Beschluss vom 1. April 2009 - XII ZB 46/08, NJW-RR 2009, 1009 Rn. 11).
- 13
- b) Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei keinen Mangel der Klageschrift angenommen, der zur Unzulässigkeit der Klage führt. Es hat ausgeführt, es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass gerichtliche Schriftstücke, insbesondere Ladungen, den Kläger unter der angegebenen Anschrift nicht erreicht hätten. Aus dem Schreiben des Kantonsgerichts A. A. vom 2. Dezember 2011 ergebe sich zwar, dass der Kläger unter der angegebenen Anschrift nicht mehr gemeldet sei, und ein Zustellungsersuchen in einer anderen Sache deshalb nicht habe erledigt werden können. Es sei aber nicht erwiesen, dass Zustellungen im Zeitpunkt der Klageerhebung dort nicht möglich gewesen seien. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Für die Möglichkeit einer Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO kommt es nicht auf die Anmeldung eines Wohnsitzes an, sondern auf die tatsächliche Benutzung der Wohnung zum Aufenthalt. Nicht jede vorübergehende Abwesenheit , selbst wenn sie länger dauert, hebt die Eigenschaft jener Räume als einer Wohnung im Sinne der Zustellungsvorschriften auf. Diese Eigenschaft geht vielmehr erst verloren, wenn sich während der Abwesenheit des Zustellungsempfängers auch der räumliche Mittelpunkt seines Lebens an den neuen Aufenthaltsort verlagert (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1993 - XII ZR 120/92, NJW-RR 1994, 564 f.). Dass eine Zustellung am 2. Dezember 2011 nicht ausführbar war, besagt nicht, dass dies auch schon zum Zeitpunkt der früher erfolgten Zustellung der Klage der Fall gewesen wäre. Die ordnungsgemäße Klageerhebung ist eine Prozessvoraussetzung, die ihrer Natur nach nur bei der Einleitung des Verfahrens vorliegen muss. Deshalb bleibt die Klage zulässig, wenn erst im Lauf des Prozesses die ladungsfähige Anschrift entfällt (BGH, Urteil vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02, aaO; Beschluss vom 1. April 2009 - XII ZB 46/08, aaO Rn. 12). Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Kläger seine Anschrift verbergen wollte, um sich negativen prozessualen Folgen zu entziehen.
- 14
- 2. Die Klage ist aber nicht begründet, weil dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zusteht.
- 15
- a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die angegriffenen Äußerungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtigen. Die Berichterstattung über Sexualpraktiken, die der Kläger in seiner Beziehung zur Anzeigeerstatterin angewandt haben soll, berührt das Persönlichkeitsrecht.
- 16
- b) Im Ausgangspunkt zutreffend sind auch die rechtlichen Grundsätze, welche das Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat.
- 17
- aa) Das Berufungsgericht hat es zu Recht für geboten erachtet, über den Unterlassungsantrag aufgrund einer Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 35; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, VersR 2013, 63 Rn. 10; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, VersR 2013, 321 Rn. 11).
- 18
- Geht es um eine Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat, so ist zu berücksichtigen, dass Straftaten zum Zeitgeschehen gehören, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen , begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 204; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 14; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, aaO Rn. 38; BVerfGE 35, 202, 230 f.; BVerfG NJW 2009, 3357 Rn. 18).
- 19
- Handelt es sich um die Berichterstattung über ein noch nicht abgeschlossenes Strafverfahren, so ist im Rahmen der Abwägung allerdings auch die zugunsten des Betroffenen sprechende, aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende und in Art. 6 Abs. 2 EMRK anerkannte Unschuldsvermutung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, VersR 2013, 63 Rn. 14; BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14; NJW 2009, 3357 Rn. 20). Diese gebietet eine entsprechende Zurückhaltung , mindestens aber eine ausgewogene Berichterstattung (vgl. BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14). Außerdem ist eine mögliche Prangerwirkung zu berücksichtigen, die durch die Medienberichterstattung bewirkt werden kann (vgl. BVerfGE 119, 309, 323; BVerfG, aaO). Im Hinblick darauf kann bis zu einem erstinstanzlichen Freispruch oftmals das Recht auf Schutz der Persönlichkeit und Achtung des Privatlebens gegenüber der Freiheit der Berichterstattung überwiegen (BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 20; Senatsurteil vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, BGHZ 190, 52 Rn. 25).
- 20
- bb) Zutreffend hat das Berufungsgericht die Berichterstattung im Zeitpunkt der Veröffentlichung als rechtswidrig beurteilt.
- 21
- (1) Mit Recht hat das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung die in Rede stehenden Äußerungen der Privatsphäre des Klägers zugeordnet.
- 22
- Auch wenn die Voraussetzungen der Verdachtsberichterstattung (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO 203 f.; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, aaO Rn. 26) erfüllt sind, dürfen die Medien über die Person des Verdächtigen nicht schrankenlos berichten. Vielmehr ist für jeden einzelnen Umstand aus dem persönlichen Lebensbereich, der Gegenstand der angegriffenen Medienberichterstattung ist, aufgrund einer Abwägung zu entscheiden, ob das Schutzinteresse des Betroffenen das Interesse an einer Berichterstattung überwiegt. Bei der Beurteilung des dem Persönlichkeitsrecht dabei zukommenden Gewichts ist - wie auch sonst bei der Medienberichterstattung über personenbezogene Umstände (vgl. Senatsurteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 13) - von entscheidender Bedeutung , ob das Thema der Berichterstattung der Intimsphäre, der Privatsphäre oder der Sozialsphäre zuzuordnen ist.
- 23
- Ob ein Sachverhalt dem Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung angehört, hängt davon ab, ob der Betroffene ihn geheim halten will, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 11; BVerfGE 80, 367, 374; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 25). Ob ein Vorgang die Intim- oder die Privatsphäre betrifft, hängt auch davon ab, in welchem Umfang Einzelheiten berichtet werden (vgl. Senatsurteil vom 29. Juni 1999 - VI ZR 264/98, VersR 1999, 1250, 1251; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 49). Dem unantastbaren Kernbereich gehören grundsätzlich Ausdrucksformen der Sexualität an (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, aaO; BVerfGE 119, 1, 29 f.; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 25 f.).
- 24
- Sexualstraftaten gehören aber, weil sie einen gewalttätigen Übergriff in das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und zumeist auch in das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Opfers beinhalten, nicht der absolut geschützten Intimsphäre des Tatverdächtigen an (BVerfG, aaO Rn. 26).
- 25
- Danach fallen die berichteten Umstände nicht in den absolut geschützten Kernbereich des Persönlichkeitsrechts.
- 26
- (2) Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit wird, was das Berufungsgericht nicht verkannt hat, durch die prominente Stellung des Klägers erhöht. Schon die prominente Stellung des Klägers kann ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit an seinem Alltagsleben begründen, selbst wenn sich sein Verhalten weder in skandalösen noch in rechtlich oder sittlich zu beanstandenden Verhaltensweisen äußert (BVerfG, BVerfGE 120, 180, 203 f.). Wegen seiner Prominienz berührt das Verhalten des Klägers die Belange der Gemeinschaft noch stärker, wenn der Vorwurf der Begehung einer Straftat im Raum steht, als dies bei nicht prominenten Personen der Fall wäre (vgl. BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 28).
- 27
- (3) Zu Gunsten des Klägers fällt aber ins Gewicht, dass die streitgegenständliche Äußerung aus seiner Einlassung bei der nicht öffentlichen Vernehmung anlässlich der Eröffnung des Haftbefehls stammt. Richterliche Vernehmungen außerhalb der Hauptverhandlung sind nicht nur nichtöffentlich; es ist grundsätzlich auch unzulässig, Medienvertretern die Anwesenheit bei solchen Vernehmungen zu gestatten (Erb in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 168c Rn. 25).
- 28
- (4) Da die Berichterstattung während eines laufenden Strafverfahrens erfolgte , ist zu Gunsten des Klägers im Rahmen der Abwägung die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 14; BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, aaO Rn. 20). Dies gebietet Zurückhaltung bei der Mitteilung von Einzelheiten aus dem privaten Lebensbereich, deren Kenntnis zur Befriedigung des berechtigten Informationsinteresses nicht zwingend erforderlich ist. Der Unschuldsvermutung kommt hier besonderes Gewicht zu, weil die streitgegenständliche Veröffentlichung noch vor Beginn der Hauptverhandlung, mithin in einem frühen Stadium des Strafverfahrens erfolgte.
- 29
- Dass es sich bei den in Rede stehenden Äußerungen nicht um die dem Kläger vorgeworfene Straftat selbst handelt, sondern um wahre Tatsachenbehauptungen aus seiner Einlassung zum Tatvorwurf, steht der Berücksichtigung der Unschuldsvermutung im Rahmen der Abwägung nicht entgegen. Denn auch eine wahre Tatsachenbehauptung kann das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussage geeignet ist, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden droht (Senatsurteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 20; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197 Rn. 37 mwN). Deshalb hat das Berufungsgericht bei der Abwägung zu Gunsten des Klägers zu Recht berücksichtigt, dass er als Person mit sadomasochistischen Neigungen dargestellt wird und dies seinem Ansehen in der Öffentlichkeit abträglich sein kann. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht garantiert grundsätzlich, die eigenen Ausdrucksformen der Sexualität für sich zu behalten und sie in einem dem Zugriff anderer entzogenen Freiraum zu erleben (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 12; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 26).
- 30
- c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist allerdings das Unterlassungsbegehren des Klägers gleichwohl nicht begründet. Ein Unterlassungsanspruch besteht nicht, weil nach Verlesung des Protokolls über die haftrichterliche Vernehmung des Klägers in der öffentlichen Hauptverhandlung vom 13. September 2010 die gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen ist.
- 31
- aa) Die Wiederholungsgefahr ist eine materielle Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs. Wenn sie entfällt, erlischt auch der zukunftsgerichtete Unterlassungsanspruch (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, VersR 2005, 84, 85 mwN; vom 21. Juni 2005 - VI ZR 122/04, VersR 2005, 1403; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, VersR 2009, 1417 Rn. 28; siehe auch BVerfG VersR 2007, 849 Rn. 34). Eine rechtswidrige Beeinträchtigung in der Vergangenheit begründet in der Regel die tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr (Senatsurteile vom 27. Mai 1986 - VI ZR 169/85, VersR 1986, 1075, 1077; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 29 mwN). Die Wiederholungsgefahr kann allerdings dann nicht ohne weiteres aufgrund einer bereits geschehenen Rechtsverletzung vermutet werden, wenn durch die Veränderung tatsächlicher Umstände nunmehr die Berichterstattung als rechtlich zulässig zu beurteilen ist (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 18). Wer in der Vergangenheit in seinen Rechten verletzt wurde, hat keinen Anspruch darauf, dass ein Verhalten unterlassen wird, das sich inzwischen als nicht mehr rechtswidrig darstellt (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 17). Das kommt hier in Betracht, weil die künftige Veröffentlichung der beanstandeten Aussage nur in anderer Form in die Öffentlichkeit tragen würde, was die Presse aus Anlass der Verlesung des fraglichen Vernehmungsprotokolls in der öffentlichen Hauptverhandlung zulässigerweise berichtete (vgl. BVerfG, aaO Rn. 32).
- 32
- bb) Da die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nach der Verlesung des Vernehmungsprotokolls erfolgte Berichterstattung in den Medien noch während der laufenden Hauptverhandlung erfolgte, ist zu Gunsten des Klägers im Rahmen der Abwägung auch hier insbesondere die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen, welche eine entsprechende Zurückhaltung bei der Berichterstattung gebot. Zu beachten ist wiederum, dass auch eine wahre Tatsachenbehauptung das Persönlich- keitsrecht des Betroffenen verletzen kann, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind (vgl. Senatsurteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 20; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197 Rn. 37, jeweils mwN). Hier wurde mit wenigen Sätzen berichtet, dass nach der Schilderung des Klägers sein Treffen mit der Anzeigeerstatterin auf einvernehmlichen geschlechtlichen Verkehr - auch in sadomasochistischer Form - angelegt war. Es kann unterstellt werden, dass den Beschwerdeführer durch die Berichterstattung eine erhebliche soziale Missbilligung treffen kann. Allein von der tagesaktuellen Berichterstattung, die mit dem Abschluss des Verfahrens ein Ende findet, geht indes keine derart schwerwiegende Stigmatisierung in einer solchen Breitenwirkung aus, dass eine dauerhafte oder lang anhaltende soziale Ausgrenzung zu befürchten wäre, die hier in der Abwägung das Berichterstattungsinteresse überwiegen müsste (vgl. BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 29).
- 33
- Auf Seiten der Beklagten ist das große Interesse der Öffentlichkeit an dem Strafverfahren und vor allem an der Hauptverhandlung gegen den prominenten und als Fernsehmoderator sehr bekannten Kläger zu berücksichtigen, welches die intensive Berichterstattung in den Medien widerspiegelt. Bei einem Strafverfahren ist regelmäßig die Kenntnis der Einlassung des Angeklagten für die Beurteilung des weiteren Verfahrensverlaufs und das Verständnis der Beweiserhebungen sowie die Würdigung der Beweisergebnisse in der Hauptverhandlung von erheblicher Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 1983 - 4 StR 550/83, juris Rn. 5; Urteil vom 30. September 2010 - 4 StR 150/10, juris Rn. 23 mwN, insoweit in NStZ-RR 2011, 82 nicht abgedruckt). Eine ausgewogene Prozessberichterstattung kann deshalb kaum auf die Wiedergabe der Einlassung verzichten. Insbesondere bei dem hier erhobenen Vorwurf der schweren Vergewaltigung war die Einlassung von zentraler Bedeutung für die Berichterstattung und für die öffentliche Meinungsbildung hinsichtlich eines möglichen Geschehensablaufs in der Tatnacht und die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Beteiligten, so dass ein enger Bezug zu dem eigentlichen Tatvorwurf besteht. Unter diesen Umständen ist die Wiederholungsgefahr nicht mehr gegeben, weil ein überwiegendes Schutzinteresse des Klägers einer aktuellen Berichterstattung hinsichtlich der angegriffenen, seiner Einlassung entstammenden Aussagen nach deren Verlesung in der Hauptverhandlung nicht mehr entgegenstände, nachdem sie durch die Verlesung des Vernehmungsprotokolls in öffentlicher Hauptverhandlung einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden sind. Damit bestand ab diesem Zeitpunkt der Unterlassungsanspruch nicht mehr.
- 34
- cc) Soweit der Kläger begehrt, der Beklagten eine zukünftige Veröffentlichung wie in dem Artikel vom 13. Juni 2013 zu untersagen, scheitert ein Unterlassungsanspruch am Fehlen einer Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr, die eine - vom Kläger darzulegende - Anspruchsvoraussetzung ist (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 17 und vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 28 ff.). Insoweit kann die Gefahr einer drohenden Rechtsverletzung neu entstehen, nachdem zuvor der Anspruch erloschen ist. Dafür reicht jedoch die bloße Möglichkeit eines erneuten Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Klägers durch die Beklagte ohne konkrete Hinweise darauf nicht aus. Die drohende Verletzungshandlung müsste sich vielmehr in tatsächlicher Hinsicht so konkret abzeichnen, dass eine zuverlässige Beurteilung unter rechtlichen Gesichtspunkten möglich wäre (vgl. Senatsurteil vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 30 mwN). Eine dafür erforderliche drohende Rechtsverletzung seitens der Beklagten hat der Kläger nicht dargelegt. Sie ist auch nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass der Kläger in dem Strafverfahren freigesprochen worden ist, vermag die für den Unterlassungsanspruch er- forderliche konkrete Gefahr einer Rechtsverletzung durch die Beklagte jedenfalls noch nicht zu begründen. Galke Wellner Diederichsen Pauge Stöhr
LG Köln, Entscheidung vom 22.06.2011 - 28 O 956/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 14.02.2012 - 15 U 123/11 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Kläger, ein katholisches Erzbistum, dessen Kardinal und ein Prälat, nehmen den Beklagten, einen Journalisten, auf Unterlassung wörtlicher oder sinngemäßer Tatsachenbehauptungen dahingehend in Anspruch, den Klägern sei es aufgrund eines an sie gerichteten Briefes einer Frau D. vom 18. September 1996 möglich gewesen, den Schwangerschaftsabbruch einer angeblich von einem Pfarrer geschwängerten Minderjährigen zu verhindern, außerdem hätten sie den Pfarrer, der die angebliche Sexualbeziehung zu der Minderjährigen erpresst habe, aus seinem Amt entfernen können. Sie behaupten, der Beklagte habe diese Tatsachenbehauptungen versteckt in zwei Zeitungsartikeln und einem Rundfunkbeitrag, die alle Ende 1996 erschienen sind, aufgestellt.
- 2
- Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das in NJW-RR 1998, 1175 veröffentlichte Berufungsurteil, mit dem die Berufung des Beklagten nur hinsichtlich des Klägers zu 3 wegen fehlender Aktivlegitimation erfolgreich gewesen , im übrigen jedoch zurückgewiesen worden war, ist vom Bundesverfassungsgericht (NJW 2004, 1942) wegen Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen worden. Die Kläger haben den Beklagten nunmehr auf Unterlassung verschiedener Äußerungen in Anspruch genommen, aus denen sie die versteckten Aussagen im Sinne des ursprünglichen Antrages herleiten. Die Berufung ist weitgehend ohne Erfolg geblieben; das Berufungsgericht hat der Unterlassungsklage stattgegeben mit der Einschränkung, dass dem Beklagten die Verbreitung der beanstandeten verdeckten Tatsachenbehauptungen, wie in den zwei 1996 erschienenen Artikeln und dem am 24. November 1996 gesendeten Rundfunkbeitrag geschehen, verboten werde ohne den klarstellenden Zusatz, dass den Klägern weder der Name des betroffenen Mädchens noch der des Pfarrers bekannt gewesen, weil von Frau D. nicht mitgeteilt worden sei. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Klageabweisung auch gegenüber den Klägern zu 1, 2 und 4.
Entscheidungsgründe:
I.
- 3
- Das Berufungsgericht bejaht einen Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 1004 BGB, § 186 StGB, da der Beklagte in den zwei 1996 veröffentlichten Artikeln und dem am 24. November 1996 ausgestrahlten Rundfunkbeitrag in verdeckter Form unrichtige Tatsachenbehauptungen aufgestellt habe, welche geeignet seien, das Ansehen der Kläger in der Öffentlichkeit herabzuwürdigen.
- 4
- So habe der Kläger im Radiobeitrag die verdeckten und unrichtigen Tatsachenbehauptungen aufgestellt, die Kläger hätten aufgrund eines Schreibens von Frau D. vom 18. September 1996, in dem diese das Bistum darüber informierte , dass eine Jugendliche aufgrund einer erpressten Sexualbeziehung zu einem katholischen Pfarrer schwanger geworden sei und nach Beratung diese Schwangerschaft in den nächsten Tagen abbrechen werde, die Möglichkeit gehabt , unmittelbar Kontakt mit der Betroffenen aufzunehmen und den Schwangerschaftsabbruch zu verhindern, sowie, den Klägern sei der Name des beschuldigten Pfarrers bekannt gewesen, so dass sie ihn aus dem Amt hätten entfernen können.
- 5
- In dem Artikel für die Zeitschrift "Die Woche" seien die beiden verdeckten Behauptungen ebenfalls aufgestellt worden, während im Artikel in der Zeitschrift "Kirche intern" nur die erste (bezüglich der Kontaktaufnahmemöglichkeit) aufgestellt worden sei.
- 6
- Der Beklagte habe dabei verschwiegen, dass der Kläger zu 4 unstreitig in einem dem Schreiben vorangegangenen Telefonat mit Frau D. nach dem Namen des Pfarrers und der betroffenen Minderjährigen gefragt und keine Antwort erhalten hatte und dass der Brief diese Informationen unstreitig ebenfalls nicht enthielt. Das Verschweigen wesentlicher Umstände und damit die unvollständige Darstellung des Sachverhalts begründe eine verdeckte Tatsachenbehauptung , die dadurch unrichtig sei.
II.
- 7
- Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand. Den Klägern steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 1004 BGB, § 186 StGB mit der im Tenor des Berufungsgerichts erfolgten Einschränkung zu.
- 8
- 1. Die Revision rügt erfolglos die Aktivlegitimation des Klägers zu 2 (Erzbistum K.).
- 9
- a) Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass auch juristische Personen des öffentlichen Rechts wie das klagende Bistum zivilrechtlichen Ehrenschutz gegenüber Angriffen in Anspruch nehmen können, durch die ihr Ruf in der Öffentlichkeit in unzulässiger Weise herabgesetzt wird. Zwar haben sie weder eine "persönliche" Ehre noch können sie wie eine natürliche Person Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sein; sie genießen jedoch, wie § 194 Abs. 3 StGB zeigt, im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben - hier im Bereich der Seelsorge und der Verbreitung und Vertretung von Glaubensinhalten - strafrechtlichen Ehrenschutz , der über §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 185 ff. StGB zivilrechtliche Unterlassungsansprüche begründen kann (vgl. Senatsurteile vom 22. Juni 1982 - VI ZR 251/80 - NJW 1982, 2246 und vom 16. November 1982 - VI ZR 122/80 - NJW 1983, 1183, jeweils m.w.N.; BVerfGE 93, 266, 291).
- 10
- b) Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist weiterhin die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Kläger zu 2 durch die Berichterstattung selbst betroffen ist.
- 11
- Wenn die Revision meint, dass nur Mitarbeiter einer juristischen Person von einer Äußerung betroffen sein könnten, trifft dies für den vorliegenden Sachverhalt nicht zu. Auch wenn die juristische Person durch ihre Mitarbeiter bzw. gesetzlichen Vertreter handelt, kann sie doch - wie soeben ausgeführt - selbst Rechtsträger sein und deshalb Unterlassungsansprüche geltend machen , wenn sie in ihrer Rechtsstellung beeinträchtigt wird. Dies gilt im vorliegenden Fall bereits deshalb, weil das Erzbistum als Institution mehrfach direkt benannt bzw. angesprochen ist.
- 12
- Soweit die Revision mit der Unterscheidung zwischen Erzbistum und Erzdiözese in Zweifel zieht, ob das Erzbistum eine juristische Person sei, kann zur Beseitigung dieser Zweifel auf BGHZ 124, 173, 174 f. verwiesen werden, wonach im Bereich der katholischen Kirche dem Bistum als der maßgeblichen Territorialgliederung die grundgesetzlich geschützte Rechtsstellung (Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 WRV) als Körperschaft öffentlichen Rechts zukommt (vgl. auch Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz , 10. Auflage, Art. 140, Rn. 12).
- 13
- 2. Ohne Erfolg rügt die Revision, dass das Berufungsgericht bei Ermittlung des Aussagegehalts der drei Presseberichte deren Gesamtzusammenhang außer Acht gelassen und deshalb ihren Sinn nicht zutreffend erfasst habe.
- 14
- a) Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Sie unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. Senatsurteile BGHZ 78, 9, 16; 132, 13, 21; vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99 - VersR 2000, 327, 330; vom 30. Mai 2000 - VI ZR 276/99 - VersR 2000, 1162, 1163; vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02 - VersR 2004, 343, 344). Ziel der Deutung ist stets, den objektiven Sinngehalt zu ermitteln. Dabei ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden maßgeblich noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern das Verständnis eines unvoreingenomme- nen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, sind bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu berücksichtigen, soweit diese für die Leser, Hörer oder Zuschauer erkennbar sind. Hingegen wird die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (vgl. BVerfGE 93, 266, 295; Senatsurteile vom 25. März 1997 - VI ZR 102/96 - VersR 1997, 842, 843 m.w.N.; vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02 - VersR 2004, 343, 344).
- 15
- b) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist diese revisionsrechtliche Überprüfung auch im Streitfall vorzunehmen und nicht etwa durch das Bundesverfassungsgericht (NJW 2004, 1942) abschließend erfolgt. Vielmehr erstreckt sich die Bindungswirkung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts nur auf den Umfang der Feststellung nach § 95 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Feststellung im Sinne dieser Vorschriften ist jedenfalls die Entscheidungsformel, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergänzt um die tragenden Gründe der Entscheidung (BVerfGE 1, 14, 37; 19, 377, 392; 20, 56, 87; 40, 88, 93; 96, 375, 404; 104, 151, 197; Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. A., § 31 Rn. 58). Jedoch erfasst die Bindungswirkung nur die Auslegung der Verfassung, nicht die einfachrechtlicher Normen (Umbach/Clemens/Dollinger aaO, Rn. 60). Hierzu ist dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts lediglich zu entnehmen, dass die Rechtsprechung der Fachgerichte, wonach bei der Annahme von verdeckten Aussagen eine besondere Zurückhaltung geboten sei und deshalb die dem Leser nahe gelegte Schlussfolgerung unabweislich sein müsse, von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden sei.
- 16
- c) Mit Recht hat sich das Berufungsgericht bei der Ermittlung des Aussagegehalts nicht auf "offene" Behauptungen beschränkt, sondern die Prüfung auf ehrenkränkende Beschuldigungen erstreckt, die im Gesamtzusammenhang der offenen Einzelaussagen "versteckt" bzw. "zwischen den Zeilen" stehen könnten (vgl. Senatsurteile BGHZ 78, 9, 14; vom 28. Juni 1994 - VI ZR 273/93 - VersR 1994, 1123, 1124; vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02 - VersR 2004, 343, 344). Das Berufungsgericht gibt auch die Grundsätze zur Nachprüfung solcher verdeckter Aussagen zutreffend wieder.
- 17
- Danach ist bei der Ermittlung so genannter verdeckter Aussagen zu unterscheiden zwischen der Mitteilung einzelner Fakten, aus denen der Leser eigene Schlüsse ziehen kann und soll, und der erst eigentlich "verdeckten" Aussage , mit der der Autor durch das Zusammenspiel offener Äußerungen eine zusätzliche Sachaussage macht bzw. sie dem Leser als unabweisliche Schlussfolgerung nahe legt. Unter dem Blickpunkt des Art. 5 Abs. 1 GG kann nur im zweiten Fall die "verdeckte" Aussage einer "offenen" Behauptung des Äußernden gleichgestellt werden. Denn der Betroffene kann sich in aller Regel nicht dagegen wehren, dass der Leser aus den ihm "offen" mitgeteilten Fakten eigene Schlüsse auf einen Sachverhalt zieht, für den die offenen Aussagen Anhaltspunkte bieten, der von dem sich Äußernden so aber weder offen noch verdeckt behauptet worden ist (vgl. Senatsurteile vom 28. Juni 1994 - VI ZR 273/93 - aaO und vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02 aaO).
- 18
- d) Ob das Berufungsgericht im Streitfall mit Recht die dem Leser nahegelegten Schlussfolgerungen für so unabweislich gehalten hat, dass sie eine verdeckte Äußerung beinhalten, kann letztlich dahinstehen. Denn jedenfalls liegt eine bewusst unvollständige Berichterstattung vor, die ebenfalls unzulässig ist. Wenn nämlich - wie die Revision geltend macht - dem Leser Tatsachen mitgeteilt worden sind, aus denen er erkennbar eigene Schlussfolgerungen ziehen soll, so durften hierbei keine wesentlichen Tatsachen verschwiegen werden, die dem Vorgang ein anderes Gewicht geben könnten (vgl. BVerfGE 12, 113, 130; Senatsurteile BGHZ 31, 308, 318; vom 26. Oktober 1999 - VI ZR 322/98 - VersR 2000, 193) und deren Kenntnis für den Leser unerlässlich ist, der sich im Kernpunkt ein zutreffendes Urteil bilden will (vgl. Senatsurteile vom 20. Juni 1961 - VI ZR 222/60 - VersR 1961, 980, 982; vom 9. November 1965 - VI ZR 276/64 - VersR 1966, 85, 87; vom 30. Januar 1979 - VI ZR 163/77 - VersR 1979, 520, 521; vom 26. Oktober 1999 - VI ZR 322/98 - VersR 2000, 193; ebenso Soehring, Presserecht, 3. A., Rn. 16.44b; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. A., Kap. 5 Rn. 81). Liegt es - wie im Streitfall auch von der Revision nicht in Abrede gestellt - nahe, aus mehreren unstreitigen Tatsachen eine bestimmte (ehrverletzende) Schlussfolgerung zu ziehen, so ist jedenfalls eine bewusst unvollständige Berichterstattung rechtlich wie eine unwahre Tatsachenbehauptung zu behandeln, wenn die Schlussfolgerung bei Mitteilung der verschwiegenen Tatsache weniger nahe liegend erscheint und deshalb durch das Verschweigen dieser Tatsache beim unbefangenen Durchschnittsleser ein falscher Eindruck entstehen kann (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 1999 - VI ZR 322/98 - VersR 2000, 193). Eine Tatsachenbehauptung , die nur Teilwahrheiten vermittelt und dadurch beim Adressaten der Äußerung zu einer Fehleinschätzung des Angegriffenen führt, ist schon aus diesem Grund rechtswidrig (vgl. Senatsurteile BGHZ 31, 308, 316; vom 18. Juni 1974 - VI ZR 16/73 - NJW 1974, 1762, 1763 und vom 26. Oktober 1999 - VI ZR 322/98 - VersR 2000, 193, 195 m.w.N.). Es dürfen also nicht solche Fakten verschwiegen werden, deren Mitteilung beim Adressaten zu einer dem Betroffenen günstigeren Beurteilung des Gesamtvorgangs hätte führen können (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02 - aaO).
- 19
- Insoweit gelten für die Vollständigkeit einer solchen Berichterstattung die gleichen Grundsätze wie für die Verdachtsberichterstattung. Auch hier ist näm- lich eine vollständige Berichterstattung erforderlich, so dass dem Leser auch die entlastenden Umstände mitgeteilt werden müssen (vgl. Senatsurteil vom 26. November 1996 - VI ZR 323/95 - VersR 1997, 325, 327). So darf bei einem Bericht, der sich mit einer namentlich genannten Person besonders beschäftigt, die Kürzung des mitgeteilten Sachverhalts nicht so weit gehen, dass der Zuschauer oder Leser ein nach der negativen Seite entstelltes Bild dieser Person erhält, weil ihm nur einseitige Ausschnitte mitgeteilt werden (vgl. Senatsurteile BGHZ 31, 308, 316 und vom 26. Oktober 1999 - VI ZR 322/98 - VersR 2000, 193, 195).
- 20
- e) Um solche Umstände handelt es sich hier. Es liegt auf der Hand, dass die Tatsache, dass den Klägern weder der Name des Mädchens noch der Name des Pfarrers mitgeteilt worden waren, geeignet ist, die mitgeteilten Vorgänge und insbesondere den Vorwurf verspäteten Handelns bzw. der Untätigkeit in den Augen des unbefangenen Durchschnittslesers in einem anderen, den Klägern günstigeren Licht erscheinen zu lassen. Denn während es bei Bekanntheit der Personalien aller an dem Vorfall beteiligten Personen beim Durchschnittsleser auf Unverständnis stoßen dürfte, dass weder der Minderjährigen umgehend Hilfe angeboten noch gegen den Pfarrer vorgegangen wurde, erscheint eine entsprechende Schlussfolgerung bei Wissen darum, dass die Namen und Personalien der Beteiligten den Klägern nicht bekannt waren, wesentlich ferner liegend. Deshalb durften hier diese Umstände, die eine Entlastung bewirken konnten , im Rahmen der konkreten Berichterstattung nicht verschwiegen werden.
- 21
- Unstreitig sind den Klägern weder durch den Brief noch durch das vorausgegangene Telefonat die Namen des betroffenen Mädchens und des Pfarrers mitgeteilt worden. Das reicht unter den gegebenen Umständen für die Annahme einer bewusst unvollständigen Berichterstattung aus, weil der Beklagte nach den tatrichterlichen Feststellungen keinen Anhaltspunkt für eine Kenntnis der Kläger hatte, die unstreitig auch nicht vorhanden war.
- 22
- f) Ist mithin diese bewusst unvollständige Berichterstattung der Verbreitung einer unwahren Tatsachenbehauptung gleichzustellen, greift der Grundsatz ein, dass an solchen Äußerungen kein berechtigtes Interesse besteht (vgl. BVerfGE 61, 1, 8 f.; 85, 1, 15); der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB steht dem Beklagten nicht zur Seite. Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob der Beklagte bei seinen Recherchen hinsichtlich der Frage der nachfolgenden Informationsmöglichkeiten der Kläger über Frau D. die publizistische Sorgfalt gewahrt hat oder nicht. Dem durch Art. 5 GG geschützten Anliegen des Beklagten , durch seine Berichterstattung aufzuzeigen, dass die Kläger von sich aus keinen Versuch unternommen hätten, mit dem betroffenen Mädchen in Kontakt zu treten oder die Identität des Pfarrers in Erfahrung zu bringen, wird durch die jetzige Tenorierung des Berufungsurteils ausreichend Rechnung getragen , die auch im übrigen nicht zu beanstanden ist.
Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 11.06.1997 - 28 O 44/97 -
OLG Köln, Entscheidung vom 01.07.2004 - 15 U 126/97 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger nimmt die Beklagten auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens wegen ihn betreffender Äußerungen in einem Beitrag in Anspruch, der von dem Beklagten zu 1 verfasst wurde, sich maßgeblich auf die Aussagen der Beklagten zu 3 stützt und in der Zeit vom 22. Juni 2007 bis jedenfalls 5. Juli 2007 auf dem von der Beklagten zu 2 betriebenen Internetportal www.stern.de abrufbar war.
- 2
- Der Kläger war in der Zeit von Juni 1994 bis 31. Oktober 2009 Leiter der Rechtsabteilung der L. W. Am 17. Oktober 1994 wurde auf ihn ein Attentat verübt , wodurch er lebensgefährlich verletzt wurde. Die Attentäter hatten im Auftrag von Hintermännern gehandelt, die mit Immobiliengeschäften im Zusammenhang standen. Das Attentat und seine Hintergründe waren in den neunziger Jahren Gegenstand umfangreicher Berichterstattungen in der Presse. Ab Mai 2007 wurde aufgrund öffentlich gewordener Beobachtungen des Sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz unter dem Titel "Sächsische Korruptionsaffäre" deutschlandweit über den Verdacht berichtet, dass namhafte Personen aus Sachsen mit dem Rotlichtmilieu verquickt seien, ein Kinderbordell besucht und auf Immobilientransaktionen, Justiz und Verwaltung unzulässig Einfluss genommen hätten. Am 11. Juni 2007 strahlte der Mitteldeutsche Rundfunk die Sendung "FAKT" aus, in der sich die Beklagte zu 3, die ehemalige Sekretärin des Klägers zu diesem wie folgt äußerte: "Im Dezember des Jahres 2004 kam ein ca. 14-jähriges Mädchen in mein Büro und wollte Herrn X (Anmerkung des Senats: Kläger) sprechen. Sie nannte ihn dann sofort beim Vornamen und vermittelte mir, sie sei sehr verliebt. Er sei ihr Freund und sie hätte ihn über eine Woche nicht erreicht und mache sich Sorgen, weil er ihr sagte, er würde gern mit ihr auswandern. Meine Gedanken waren sofort: Und das mit einem 14jährigen Mädchen". Weiter heißt es in diesem Fernsehbericht: "Y (Anmerkung des Senats: Beklagte zu 3) wurde aus dem Unternehmen herausgemobbt und danach noch verschiedentlich per Telefon und SMS terrorisiert und wollte sich gegenüber der Polizei offenbaren. O-Ton Y: "Ich bin Anfang diesen Jahres zur Polizei zur Zeugenvernehmung in Sachen X geladen worden, habe aber in der Nacht vor der Zeugenvernehmung meine Katze auf dem Grundstück misshandelt vorgefunden, indem sie gefesselt worden ist, und war über diese Tatsache dermaßen erschüttert und ängstlich, so dass ich die Aussage bei der Polizei nicht gemacht habe.""Am 13. Juni 2007 erschienen sowohl in der Lokalausgabe der Bildzeitung unter der Überschrift "Wie halten Sie das aus Herr X? Kindersexvorwurf gegen L. W. Manager" als auch in der Leipziger Volkszeitung unter der Überschrift "Ehemalige Sekretärin erhebt schwere Vorwürfe gegen L. W. - Abteilungsleiter, der weist alle Anschuldigungen zurück" Artikel, die sich u.a. mit den von der Beklagten zu 3 gegen den Kläger erhobenen Vorwürfen befassten. In einem Beitrag der Tagesschau vom 15. Juni 2007 wurde berichtet, dass die Beklagte zu 3 den Kläger öffentlich der Pädophilie verdächtige.
- 3
- Mit E-Mail vom 3. Juni 2007 an den Pressesprecher der L. W. und vom 10. Juni 2007 an den Kläger persönlich bat der Beklagte zu 1 um ein Interview mit dem Kläger, um ihm die Gelegenheit zu geben, "sich zu alten und neuen Vorwürfen im Zusammenhang mit dem sog. "Sächsischen und Leipziger Sumpf" zu äußern", die laut Veröffentlichungen in der Presse ihn beträfen. Mit E-Mail vom 11. Juni 2007 teilte der Kläger dem Beklagten zu 1 mit, kein Gespräch mit ihm führen zu wollen. Die Tatsache, dass er Opfer eines Überfalls gewesen sei, befähige ihn nicht, sich qualifiziert zu einer angeblichen Affärein Justiz- oder Politikerkreisen zu äußern. In der Presse hätten so gut wie keine Tatsachen benannt werden können, die strafbar seien. Er kenne keine Tatsachen , die den Beklagten zu 1 bei seinen Recherchen weiterbringen könnten und er wolle sich auch nicht an dem Verbreiten von Gerüchten beteiligen. Der Beklagte zu 1 teilte daraufhin mit, dass er seine Aufgabe nicht in erster Linie darin sehe, strafbare Tatsachen zu benennen. Die Rolle des Klägers habe aber immer wieder Anlass zu Spekulationen und Beschuldigungen gegeben, weshalb er gern in einem persönlichen Gespräch noch einige Punkte klären wolle. Er wolle dem Kläger außerdem Gelegenheit geben, sich zu Vorwürfen seiner ehemaligen Sekretärin zu äußern, die nicht nur arbeitsrechtlicher Natur seien.
- 4
- Am 22. Juni 2007 veröffentlichte die Beklagte zu 2 in ihrem Internetportal einen vom Beklagten zu 1 verfassten und sich maßgeblich auf die Angaben der Beklagten zu 3 stützenden Beitrag mit dem Titel "Sächsische Korruptionsaffäre Ein Krimi aus dem Leipziger Sumpf". Darin heißt es unter voller Namensnennung der Betroffenen u.a.: "Y (Anmerkung des Senats: Beklagte zu 3) ahnte lange nicht, warum sie 2005 aus ihrem Job gemobbt und bedroht wurde. Erst als Einzelheiten der Sächsischen Korruptionsaffäre ans Licht kamen, wurde der Sekretärin klar: Sie wusste zu viel - ohne es zu wissen. ... Y wollte nie Kronzeugin sein, Interviews geben oder den Dreck zurückwerfen, mit dem man sie selbst beinahe zur Verzweiflung trieb. Aus lauter Loyalität hat sie sich nicht einmal vor Gericht gegen ihre abgekartete Kündigung gewehrt. ... Y hielt die Rechtsabteilung zusammen. Ihr Chef konnte all die Jahre gar nicht oft genug sagen, was er ohne sie machen sollte; sie war engste Vertraute, Ratgeberin in allen Lebenslagen und verteidigte ihn "wie eine Löwenmutter" gegen alle Anfeindungen aus dem Unternehmen. "Egal was die Kollegen hinter seinem Rücken sagten, ob sie X (Anmerkung des Senats: Kläger) als Faulpelz verleumdeten oder als einen, der sowieso die Hand aufhält" - sie hat ihm immer alles gesteckt , auch als ihn seine eigenen Juristenkollegen "als pädophilen Arsch" bezeichnen. Damals fand sie das unglaublich. ... Es ist ihr unangenehm, als er sie bittet, kindische Vergleichslisten zwischen seiner Ehefrau und einer Geliebten zu beurteilen,… Und als sei dies selbstverständlich, bewahrt sie sogar Diskreti- on, als einmal ein Mädchen, "vielleicht 14 Jahre alt", im Büro auftaucht und "nach X" fragt, der ihr angeblich versprochen hätte, mit ihr nach Sardinien abzuhauen. "Das Mädchen nannte sich Lissy, hat geweint und gebettelt, ich möge X nichts von dem Besuch sagen, denn das hätte er ihr verboten." Und tatsächlich sagt Y ihrem Chef diesmal nichts. Ein paar Wochen später schlägt die Stimmung plötzlich um. "Er redete kein Wort mehr mit mir, ließ meine Urlaubsscheine verschwinden, und an einem Tag im März bekam ich auf einmal zwei völlig konstruierte Abmahnungen". ... Nach der Kündigung zum 30.9.2005 geht sie zu Hause durch die Hölle: "Ich konnte mir einfach keinen Reim darauf machen und zermarterte mir mein Hirn, was ich falsch gemacht habe." … Wie zum Hohn treffen regelmäßig schmähende SMS bei ihr ein. "Bin ich froh, dass ich Sie los bin." Sie weiß nicht, warum das jetzt auch noch sein muss, hebt alles auf, frisst es in sich hinein, bis sie plötzlich von drei Motorradfahrern im Straßenverkehr brutal abgedrängt wird. Sie erinnert sich zwar, dass X mal von solchen Spielchen mit Motorradkumpels geschwärmt hat, ihre Anzeige aber stellt sie gegen Unbekannt. … Bei Weihnachtseinkäufen im Dezember trifft sie zufäl- lig Lissy wieder. Das Mädchen teilte freudig mit, es sei alles wieder gut: Sie hätte X den Bürobesuch gebeichtet, er sei nicht weiter sauer gewesen. Plötzlich wird Y alles klar - das war es also: "Weil ich ihm nichts davon erzählt hatte", schließt sie, "muss er angenommen haben, ich würde ihn hintergehen und wusste womöglich noch mehr". ... Vier Monate später kommt die Korruptionsaffäre ins Rollen. In geheimen Akten des Verfassungsschutzes füllt der Name ihres Chefs mehrere Seiten: Als Opfer eines Anschlages, dessen wahre Hintergründe offenbar nie richtig aufgeklärt werden sollten; als Verdächtiger im Zusammenhang mit Kinderprostitution; als eine zentrale Figur im Leipziger Sumpf. Erst jetzt fügen sich für Y immer mehr Puzzleteile zusammen. Das Mädchen, die Andeutungen der Kollegen, "seine Empörung im Büro, nachdem ihm sein Schwager angeblich mit einer Anzeige droht, weil X dessen Tochter im Urlaub zu nahe gekommen sei." Y überwindet ihre Scham, auch diese Dinge zu benennen und geht an die Öffentlichkeit. Ihre Anwälte haben ihr das auch als Schutz empfohlen. Niemand weiß besser als sie, wozu die Leipziger Immobilienmafia fähig ist. ... "Alles, was seine Neigungen betrifft, ist mir dagegen erst im Nachhinein klar geworden". Das ist ihr wichtig: "Denn wer denkt denn an so was?!"
- 5
- Die Behauptung der Beklagten zu 3, ein 14-jähriges Mädchen namens "Lissy" habe nach dem Kläger im Büro gefragt und angegeben, mit diesem befreundet zu sein, führte zur Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger wegen des Vorwurfs sexuellen Missbrauchs einer nicht bekannten weiblichen Jugendlichen. Die Staatsanwaltschaft Dresden stellte dieses Verfahren mit Verfügung vom 7. April 2008 gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Ein weiteres, im Zusammenhang mit der sog. "Sächsischen Korruptionsaffäre" gegen den Kläger geführtes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern wurde mit Verfügung vom 28. April 2008 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Der Kläger erwirkte gegen die Beklagten einstweilige Verfügungen des Landgerichts Hamburg vom 4. September 2007 und 1. August 2007, mit welchen den Beklagten die Verbreitung der im angegriffenen Beitrag mitgeteilten Äußerungen verboten wurde. Die Beklagten akzeptierten diese Unterlassungsverfügungen als endgültige Regelungen und verzichteten auf die Rechtsbehelfe der §§ 924, 926, 927 ZPO.
- 6
- Mit der Behauptung, durch die im angegriffenen Beitrag enthaltenen unwahren Tatsachenbehauptungen sei er sowohl sozial als auch wirtschaftlich vernichtet worden, begehrt der Kläger die Zahlung einer Geldentschädigung wegen schwerwiegender Persönlichkeitsrechtsverletzung sowie den Ersatz von Anwaltskosten. Darüber hinaus begehrt er die Feststellung der Ersatzverpflichtung der Beklagten in Bezug auf alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden.
- 7
- Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 25.000 € und die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner zur Zahlung einer weiteren Geldentschädigung in Höhe von 50.000 € verurteilt. Darüber hinaus hat es dem Feststellungsbegehren gegen die Beklagten zu 1 und 2 entsprochen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Auf die Berufungen der Beklagten zu 1 und 2 hat das Oberlandesgericht die von ihnen zu zahlende Geldentschädigung auf insgesamt 50.000 € reduziert. Die weitergehenden Berufungen der Beklagten zu 1 und 2 hat das Oberlandesgericht ebenso wie die Berufung der Beklagten zu 3 und die auf Erhöhung der Geldentschädigung gerichtete Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen. Auf die Anschlussberufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte zu 3 verurteilt, den Kläger von einer Gebührenforderung der Rechtsanwälte H & M in Höhe von 1.195,95 € freizustellen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger von den Beklagten zu 1 und 2 eine weitere Geldentschädigung in Höhe von 50.000 €. Die Beklagten verfolgen mit ihren Revisionen ihre Klageabweisungsanträge weiter. Mit der gegen die Beklagte zu 3 gerichteten Anschlussrevision begehrt der Kläger die Freistellung von der Gebührenforderung seiner Anwälte in Höhe von weiteren 3.712,90 €.
Entscheidungsgründe:
A.
- 8
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil in juris veröffentlicht ist, hat ausgeführt , dass der Kläger von den Beklagten gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG die Zahlung einer Geldentschädigung verlangen könne. Die Beklagten hätten das Persönlichkeitsrecht des Klägers in schwerwiegender Weise dadurch verletzt, dass sie - teils offen, teils verdeckt - die Behauptungen aufgestellt hätten, der Kläger sei pädophil veranlagt, er habe ein sexuelles Verhältnis mit einem minderjährigen Mädchen namens Lissy gehabt, er sei korrupt, Teil eines kriminellen Leipziger Netzwerkes (sog. Sächsische Korruptionsaffäre), habe seine Dienstpflichten nicht erfüllt und die Beklagte zu 3 bedroht, in dem er ihr SMS geschrieben habe, ihre Katze habe strangulieren lassen und sie von drei ihm bekannten Motorradfahrern im Straßenverkehr habe abdrängen lassen. Die Wiedergabe von angeblichen Kollegenäußerungen, wonach der Kläger als "pädophiler Arsch" bezeichnet worden sei, lasse in Verbindung mit seiner Benennung als "Verdächtiger im Zusammenhang mit Kinderprostitution" und dem Bericht der Beklagten zu 3 über den Besuch des Mädchens Lissy für den verständigen Durchschnittsleser nur die Schlussfolgerung zu, der Kläger habe auch zu diesem eine pädophile Beziehung unterhalten. Diese unabweisliche Schlussfolgerung werde dem Leser insbesondere durch die Passage nahegelegt, in der es heißt: "Erst jetzt fügen sich für Y immer mehr Puzzleteile zusammen. Das Mädchen, die Andeutungen der Kollegen, "seine Empörung im Büro, nachdem ihm sein Schwager angeblich mit einer Anzeige droht, weil X dessen Tochter im Urlaub zu nahe gekommen sei.""Diese Schlussfolgerung werde durch die Aussage bestärkt: "Alles, was seine Neigungen betrifft, ist mir dagegen erst im Nachhinein klar geworden" …"Denn wer denkt denn an so was?!". Auch wenn der streitgegenständliche Beitrag überwiegend Bezug auf Äußerungen der Beklagten zu 3 nehme, hätten die Beklagten zu 1 und 2 sich diese Äußerungen zu Eigen gemacht. Durch deren nahtlose Einbindung in den Text, die nahezu bruchlose Verschmelzung von Interviewabschnitten mit Passagen in indirekter Rede, die hergestellte Verbindung zur sog. Sächsischen Korruptionsaffäre bereits im Einleitungstext sowie durch zustimmende und bewertende Kommentierungen bringe der Beklagte zu 1 deutlich zum Ausdruck, dass er die Auffassung der Beklagten zu 3 teile. Die Beklagten hätten nicht den Beweis erbracht, dass die erhobenen Vorwürfe wahr seien. Die Beklagten könnten sich auch nicht auf die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung stützen. Die übernommenen Behauptungen beschränkten sich an keiner Stelle auf die Äußerung eines bloßen Verdachts, sondern würden als unumstößliche Tatsachen dargestellt. In dem Beitrag würden auch keine den Kläger entlastenden Umstände wiedergegeben. Darüber hinaus fehle es an dem erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der berichteten Informationen sprächen. Die Beklagten zu 1 und 2 hätten dem Kläger auch nicht in ausreichendem Maße Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die bloße Kontaktaufnahme per E-Mail ohne eine konkrete Darlegung des Gegenstandes, zu dem eine Stellungnahme erbeten werde, reiche hierfür nicht aus.
- 9
- Die durch die Berichterstattung hervorgerufene schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers könne auch nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden. Die vom Kläger gegen die Beklagten erwirkten Unterlassungsverfügungen bewirkten keinen anderweitigen Ausgleich der Rechtsverletzung. Denn gegenüber Veröffentlichungen im Internet sei die Gel- tendmachung eines Unterlassungsanspruchs im Ergebnis faktisch wirkungslos, weil die Primärmitteilung durch Dritte im Rahmen von Kopien, Blogs oder Verlinkungen weiter verbreitet werde. Der Kläger könne auch nicht auf die Geltendmachung eines Widerrufsanspruchs verwiesen werden, da ihn die Beweislast für die Unwahrheit der behaupteten Tatsachen treffe. Eine Gegendarstellung bewirke keine Genugtuung. Bei der Bemessung der Höhe des Geldentschädigungsanspruchs sei zu berücksichtigen, dass die verdeckte Behauptung, der Kläger habe eine sexuelle Beziehung zu einer Minderjährigen unterhalten und sei pädophil veranlagt, nicht allein in dem streitgegenständlichen Artikel enthalten, sondern bereits am 13. Juni 2007 in der Bildzeitung veröffentlicht worden sei. In gleicher Weise habe sich die Beklagte zu 3 zuvor im MDRMagazin FAKT am 11. Juni 2007 geäußert. Es könne nicht außer Betracht bleiben , dass eine Tatsache bereits einer größeren Öffentlichkeit bekannt sei und deren Sicht auf die betroffene Person schon wesentlich mitpräge. Auf der anderen Seite sei die erhebliche Rufschädigung zu berücksichtigen, die der Vorwurf der Pädophilie nach sich ziehe. Es sei auch davon auszugehen, dass die streitgegenständliche Berichterstattung zumindest mitursächlich für die durch Vorlage diverser Befundberichte belegte depressive Störung des Klägers sei. Sowohl der streitgegenständliche Beitrag als auch die parallel erfolgten Pädophilievorwürfe in anderen Medien seien für sich genommen geeignet, schwerwiegende psychische Folgeschäden, zumindest aber eine längerfristige depressive Verstimmung hervorzurufen. Es liege damit eine Doppelkausalität vor, die für eine Haftungsbegründung ausreiche. Der Entschädigungsanspruch sei auch nicht im Hinblick auf sämtliche, im Zeitraum ab Mai 2007 erschienenen Veröffentlichungen über den Kläger zu mindern. Denn nur die Beiträge im MDR-Magazin FAKT und in der Bildzeitung befassten sich mit der Behauptung, der Kläger unterhalte eine sexuelle Beziehung zu einer Minderjährigen. Es sei auch kein Grundsatz anzuerkennen, wonach die Geldentschädigung bei einer Internetveröffentli- chung stets höher anzusetzen sei als bei einer persönlichkeitsrechtsverletzenden Veröffentlichung in den Printmedien. Eine solche Betrachtung lasse außer Acht, dass die Verlinkung auf den angegriffenen Beitrag im Internet und die sonstige Weiterverbreitung in anderen Portalen nicht vom Willen des Verletzers abhängig sei und diesem nicht zugerechnet werden könne. Auch bei einer gedruckten Zeitung sei für die Höhe der Geldentschädigung nicht maßgeblich, ob die belastende Darstellung von anderen Zeitungen, etwa im Rahmen eines Pressespiegels, übernommen werde. Auf der anderen Seite sei die Geldentschädigung bei einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch eine Internetveröffentlichung auch nicht generell niedriger anzusetzen als bei einer solchen durch eine Printveröffentlichung. In Fällen, in denen der Schädiger - wie im Streitfall - die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen als Mittel zur Reichweitensteigerung eingesetzt habe, sei die Erzielung von Gewinnen als Bemessungsfaktor in die Entscheidung über die Höhe der Geldentschädigung mit einzubeziehen. Nach einer Pressemitteilung der Beklagten zu 2 habe das von ihr betriebene Portal im August 2007 durchschnittlich 2,58 Millionen Nutzer gehabt, was in der Gesamtabwägung die Verurteilung der Beklagten zu 1 und 2 in Höhe von 50.000 € rechtfertige. Der gegen die Beklagten zu 1 und 2 gerichtete Feststellungsantrag sei zulässig und begründet. Die Beklagten zu 1 und 2 stellten ihre Schadensersatzpflicht in Abrede, die Höhe des Schadens stehe derzeit noch nicht fest und es drohe eine Verjährung des Anspruchs.
- 10
- Die Beklagte zu 3 sei zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 25.000 € verpflichtet. Sie müsse sich den streitgegenständlichen Beitrag als Informantin zurechnen lassen. Sie habe gewusst, welche Schlussfolgerungen der Beklagte zu 1 aus ihren Informationen ziehen würde. Ihre Behauptungen ließen im Gesamtzusammenhang die alleinige Schlussfolgerung zu, der Kläger sei pädophil und habe ein sexuelles Verhältnis mit einem minderjährigen Mädchen. Die Beklagte zu 3 habe die Wirkungen ihrer Behauptungen aus Rache gegenüber dem Kläger, dem sie den Verlust ihres Arbeitsplatzes zugeschrieben habe, in Kauf genommen.
- 11
- Die Anschlussberufung des Klägers sei unbegründet, soweit er die Verurteilung der Beklagten zu 1 und 2 zu einer höheren Geldentschädigung begehre. Er könne indes von der Beklagten zu 3 aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 186, 187 StGB die Freistellung von der Gebührenforderung seiner Anwälte in Höhe von 1.195,95 € verlangen, die durch seine Verteidigung in dem auf Initiative der Beklagten zu 3 eingeleiteten Ermittlungsverfahren entstanden sei.
B.
I. Revisionen der Beklagten zu 1 und 2- 12
- Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revisionen der Beklagten zu 1 und 2 nicht in jeder Hinsicht stand.
- 13
- 1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass dem Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB gegen die Beklagten zu 1 und 2 zusteht.
- 14
- a) Die Revisionen wenden sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die angegriffenen Äußerungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzen.
- 15
- aa) Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht dem beanstandeten Beitrag die - teils offenen, teils verdeckten - Aussagen entnommen, der Kläger sei pädophil veranlagt, er habe ein sexuelles Verhältnis mit einem minderjährigen Mädchen namens Lissy gehabt, er sei kor- rupt, Teil eines kriminellen Leipziger Netzwerkes (sog. Sächsische Korruptionsaffäre ), habe seine Dienstpflichten nicht erfüllt und die Beklagte zu 3 bedroht, indem er ihr SMS geschrieben habe, ihre Katze habe strangulieren lassen und sie von drei ihm bekannten Motorradfahrern im Straßenverkehr habe abdrängen lassen (vgl. zur Ermittlung verdeckter Aussagen: Senatsurteil vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02, AfP 2004, 56, 57 f.). Das Berufungsgericht hat die Äußerungen auch zu Recht als Tatsachenbehauptungen eingestuft. Gegen diese Würdigung wendet sich die Revision nicht.
- 16
- bb) Die vorbezeichneten Aussagen greifen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers ein. Sie beeinträchtigen ihn in erheblichem Maße in seiner Ehre und sozialen Anerkennung. Die Äußerungen sind geeignet, sich abträglich auf sein Ansehen, insbesondere sein Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wird der Kläger in dem Beitrag als gewissen- und skrupelloser pädophiler Täter dargestellt, der weder vor der Zerstörung der beruflichen Existenz einer langjährigen loyalen Mitarbeiterin noch vor der Ankündigung von Straftaten zurückschreckt.
- 17
- Anders als das Berufungsgericht beiläufig meint, ist die absolut geschützte Intimsphäre des Klägers dagegen nicht betroffen (vgl. zur Intimsphäre: Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, AfP 2012, 47 Rn. 11; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25 f.). Denn sexuelle Verhältnisse mit Kindern oder Jugendlichen sind in § 182 StGB unter Strafe gestellt. Die Begehung von Sexualstraftaten fällt aber nicht in den unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung. Mit ihnen geht ein Übergriff in die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers einher, so dass ihre Begehung nicht als Ausdruck der von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit des Täters ange- sehen werden kann (vgl. Senatsurteil vom 19. März 2013 - VI ZR 93/12, AfP 2013, 250 Rn. 24; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 26).
- 18
- cc) Die Beklagten zu 1 und 2 sind für die beanstandeten Aussagen uneingeschränkt verantwortlich. Entgegen der Auffassung der Revisionen haben die Beklagten zu 1 und 2 insoweit nicht lediglich fremde Äußerungen - solche der Beklagten zu 3 - verbreitet (vgl. zur Verbreiterhaftung: Senatsurteil vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rn. 13; BVerfG AfP 2009, 480 Rn. 69, jeweils mwN). Sie sind nicht als bloße Vermittler der Äußerungen der Beklagten zu 3 aufgetreten, sondern haben sich diese zu Eigen gemacht und damit eigene Behauptungen aufgestellt.
- 19
- (1) Der Verbreiter macht sich eine fremde Äußerung regelmäßig dann zu eigen, wenn er sich mit ihr identifiziert und sie so in den eigenen Gedankengang einfügt, dass sie als seine eigene erscheint. Ob dies der Fall ist, ist mit der im Interesse der Meinungsfreiheit und zum Schutz der Presse gebotenen Zurückhaltung zu prüfen (Senatsurteile vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, AfP 2009, 494 Rn. 19; vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rn. 11; vom 27. März 2012 - VI ZR 144/11, AfP 2012, 264 Rn. 11). So genügt es für die Annahme eines Zu-Eigen-Machens nicht, dass ein Presseorgan die ehrenrührige Äußerung eines Dritten in einem Interview verbreitet, ohne sich ausdrücklich von ihr zu distanzieren (Senatsurteil vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rn. 11 mwN; BVerfGK 10, 485, 492; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 69; EGMR, Urteile vom 29. März 2001 - 38432/97 Rn. 64 - Thoma/Luxemburg; vom 30. März 2004 - 53984/00 Rn. 37 ff. - Radio France/Frankreich; vom 14. Dezember 2006 - 76918/01 Rn. 33 ff. - Verlagsgruppe News GmbH/Österreich). Auch kann sich schon aus der äußeren Form der Veröffentlichung ergeben, dass lediglich eine fremde Äußerung ohne eigene Wertung oder Stellungnahme mitgeteilt wird. Dies ist beispielsweise bei dem Abdruck einer Presseschau der Fall (vgl. BVerfG NJW 2004, 590, 591; AfP 2009, 480 Rn. 67; Senatsurteil vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 11 mwN).
- 20
- (2) Nach diesen Grundsätzen haben sich die Beklagten zu 1 und 2 die Aussagen der Beklagten zu 3 zu Eigen gemacht. Zwar wird in dem angegriffenen Beitrag ausdrücklich Bezug auf Äußerungen der Beklagten zu 3 in einem zwischen ihr und dem Beklagten zu 1 geführten Gespräch genommen. Auch werden verschiedene ihrer Aussagen als wörtliche Zitate wiedergegeben und als solche kenntlich gemacht. Entgegen der Auffassung der Revisionen wird in dem Beitrag aber nicht lediglich ein Sachverhalt referiert, ohne dessen Richtigkeit zu unterstellen; es werden nicht nur die Äußerungen eines Dritten berichtet. Vielmehr nimmt der Beklagte zu 1 in dem Beitrag eine eigene Bewertung der Vorgänge vor und identifiziert sich mit der Darstellung der Beklagten zu 3. Er unterstreicht die von ihr erhobenen Vorwürfe, stellt sie als Opfer dar und ergreift zu ihren Gunsten Partei. Dies kommt beispielsweise durch die Bewertung des Verhaltens des Klägers als "Mobbing", der von ihm ausgehenden Anzüglichkeiten als "armselig" und der Kündigung der Beklagten zu 3 als "abgekartet" zum Ausdruck ebenso wie durch die wertende Zusammenfassung "Y wurde ihre eigene Diskretion zum Verhängnis" und die Aussage, sie "wollte nie … den Dreck zurückwerfen, mit dem man sie selbst beinahe zur Verzweiflung trieb".
- 21
- dd) Die Revisionen wenden sich auch ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers sei rechtswidrig.
- 22
- (1) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rn. 10; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 11, jeweils mwN).
- 23
- Im Streitfall sind das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten zu 1 und 2 auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen. Bei Tatsachenbehauptungen wie im vorliegenden Fall hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 12; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62 mwN; NJW 2012, 1500 Rn. 39). Außerhalb des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG liegen aber nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung feststeht. Alle übrigen Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen den Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen (vgl. Senatsurteile vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 34; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 12; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62, jeweils mwN).
- 24
- (2) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die angegriffenen Behauptungen nicht (erweislich) wahr. Gemäß der über § 823 Abs. 2 BGB in das Zivilrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB wäre es Sache der auf Zahlung einer Geldentschädigung in Anspruch genommenen Beklagten als Äußernden gewesen, die Wahrheit der Behauptung nachzuweisen (vgl. Senatsurteil vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 23; Katzenmeier in Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl., § 823 Abs. 2 Rn. 9 mwN). Diesen Beweis haben sie nicht geführt.
- 25
- (3) Entgegen der Auffassung der Revisionen sind die angegriffenen Äußerungen auch nicht nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung zulässig.
- 26
- (a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats und des Bundesverfassungsgerichts darf eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (Art. 5 GG, § 193 StGB). Eine Berufung hierauf setzt voraus, dass der auf Unterlassung in Anspruch Genommene vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt hat. Die Pflichten zur sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt richten sich dabei nach den Aufklärungsmöglichkeiten. Sie sind für die Medien grundsätzlich strenger als für Privatleute. An die Wahrheitspflicht dürfen im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen und so den freien Kommunikationsprozess einschnüren. Andererseits ist aber auch zu berücksichtigen , dass die Wahrheitspflicht Ausdruck der Schutzpflicht ist, die aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt. Je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, umso höhere Anforderungen sind deshalb an die Erfüllung der Sorgfaltspflichten zu stellen. Allerdings ist auch das Interesse der Öffentlichkeit an derartigen Äußerungen zu berücksichtigen (vgl.
- 27
- (b) Nach diesen Grundsätzen war die angegriffene Berichterstattung unzulässig. Die Beklagten zu 1 und 2 sind ihren publizistischen Sorgfaltspflichten nicht im gebotenen Umfang nachgekommen.
- 28
- (aa) Es fehlt bereits an dem erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt es einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die persönliche Ehre des Klägers dar, wenn er als gewissen- und skrupelloser pädophiler Täter dargestellt wird, der ein sexuelles Verhältnis mit einem "vielleicht 14 Jahre" alten Mädchen hatte und weder vor der Zerstörung der beruflichen Existenz einer langjährigen loyalen Mitarbeiterin noch vor der Ankündigung von Straftaten zurückschreckt. Dieser Vorwurf trifft den Kläger im Kern seiner Persönlichkeit. Angesichts der Schwere dieses Vorwurfs waren die Beklagten zu 1 und 2 in besonderem Maße zu sorgfältigem Vorgehen verpflichtet (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 24).
- 29
- Vor diesem Hintergrund hat das Berufungsgericht unter zutreffender Würdigung aller Indizien zu Recht angenommen, dass weder die Angaben der Beklagten zu 3 noch die den Beklagten zu 1 und 2 vorliegenden Unterlagen eine ausreichende Tatsachengrundlage für die Verbreitung der den Kläger schwer belastenden Vorwürfe abzugeben vermochten. Wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, gab es für die (verdeckte) Aussage, der Kläger habe ein sexuelles Verhältnis mit einem "vielleicht 14 Jahre" alten Mädchen namens "Lissy" gehabt, nur einen Anhaltspunkt, nämlich die Angaben der Beklagten zu 3. Diese verfügte insoweit aber weder über eigene Erkenntnisse noch über in tatsächlicher Hinsicht konkrete anderweitige Hinweise. Vielmehr konnte sie lediglich aus ihrer Sicht auffällige Begebenheiten schildern, aus denen sie auf entsprechende sexuelle Kontakte schloss. Eine derartige bloße Schlussfolgerung ohne hinreichende Tatsachengrundlage rechtfertigt es aber nicht, den Betroffenen mit einem derart schweren, ihn im Kern seiner Persönlichkeit treffenden Vorwurf zu überziehen. Unabhängig von der unzureichenden Tatsachengrundlage hätten sich die Beklagten zu 1 und 2 die Schlussfolgerungen der Beklagten zu 3 aber auch deshalb nicht ohne weiteres zu eigen machen dürfen, weil sich die Beklagte zu 3 ausweislich des von den Beklagten zu 1 und 2 vorgelegten Aktenvermerks der Polizeidirektion Leipzig vom 12. Dezember 2006 in psychologischer Behandlung befand, sich vom Kläger gemobbt fühlte und bei ihren Schilderungen "kein gutes Haar an diesem ließ". Bei dieser Sachlage hätten die Beklagten zu 1 und 2 in Rechnung stellen müssen, dass die Angaben der Beklagten zu 3 von einem übermäßigen Belastungseifer getragen sein könnten.
- 30
- Dem als "geheim" gekennzeichneten Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 14. Juli 2006 ist hinsichtlich eines Verhältnisses des Klägers zu einem "vielleicht 14 Jahre" alten Mädchen namens "Lissy" nichts zu entnehmen. Er beschränkt sich auch im Übrigen auf vage, nicht konkretisierte Mutmaßungen und beruht überwiegend auf anonymen Quellen. Entgegen der Auffassung der Revisionen stellt dieser Bericht auch keine privilegierte Quelle dar, auf deren Richtigkeit der Beklagte zu 1 hätte vertrauen dürfen. Zwar ist es in der Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannt, dass den Verlautbarungen amtlicher Stellen ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden darf (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 29 ff.; BVerfG, NJW-RR 2010, 1195 Rn. 35 jeweils mwN; Hoene in Soehring /Hoene, Presserrecht, 5. Aufl., § 2 Rn. 21c). Dies beruht auf der Erwägung, dass Behörden in ihrer Informationspolitik unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind und Amtsträger, wenn sie vor der Frage stehen, ob die Presse über amtliche Vorgänge informiert werden soll, die erforderliche Abwägung zwischen dem Informationsrecht der Presse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vorzunehmen haben (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 30; BGH, Urteil vom 17. März 1994 - III ZR 15/93, NJW 1994, 1950, 1951; BVerfG, NJW-RR 2010, 1195 Rn. 35; BeckOK GG/Huster/Rux, Art. 20 GG Rn. 169 ff. [Stand: 1. November 2013]). Verletzen sie ihre Amtspflichten, kann ein Schadensersatzanspruch des Betroffenen wegen einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen die zuständige Gebietskörperschaft als Träger der Behörde gegeben sein (vgl. BGH, Urteile vom 17. März 1994 - III ZR 15/93, aaO S. 1951 f.; vom 23. Oktober 2003 - III ZR 9/03, NJW 2003, 3693, 3697; OLG Hamburg, Ufita 70 (1974), 305, 309 ff.; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 6 Rn. 136; Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 19 Rn. 38). Um eine derartige für die Öffentlichkeit bestimmte Verlautbarung han- delt es sich bei dem Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz aber gerade nicht. Er war ausdrücklich als "geheim" gekennzeichnet.
- 31
- Gleiches gilt für die Protokolle über die polizeiliche Vernehmung verschiedener Zeugen aus den Jahren 1999 und 2000. Auch sie sind in tatsächlicher Hinsicht unergiebig. Ausweislich des Protokolls über die Vernehmung der Zeugin I. vom 7. Juni 2000 hat diese eine nicht näher identifizierte Person auf einem ihr vorgelegten Lichtbild als Freier des Kinderbordells Jasmin erkannt. Die übrigen Protokolle enthalten bloße Gerüchte oder Vermutungen ohne belastbare tatsächliche Grundlage. Derartige Gerüchte können aber nicht die Basis für eine den Betroffenen im Kern seiner Persönlichkeit treffenden Berichterstattung in der Presse abgeben (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405). Abgesehen davon lagen die Zeugenaussagen im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels bereits sechseinhalb Jahre zurück , ohne dass die Strafverfolgungsbehörden zu Lasten des Klägers hieraus Konsequenzen gezogen hatten.
- 32
- Auch das an die Geschäftsführung der L.W. gerichtete anonyme Schreiben des angeblichen L.W.-Kollegiums vom 14. Mai 2007 vermag die angegriffene Berichterstattung nicht zu rechtfertigen. Abgesehen davon, dass es allein als Beleg für die Behauptung dienen könnte, der Kläger sei korrupt, kommt ihm aufgrund seines vage gehaltenen Inhalts und seiner Diktion nur ein sehr geringer Beweiswert zu. Hinzu kommt, dass sich der Beklagte zu 1 ausweislich der tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, vor der Veröffentlichung des Beitrags nicht in der erforderlichen Weise vergewissert hat, ob das Schreiben der Geschäftsführung überhaupt zugegangen ist.
- 33
- Beruht eine mit einer so erheblichen Ehrenkränkung verbundene Behauptung auf einer derart dürftigen Tatsachen- und Recherchegrundlage, wie dies vorliegend der Fall ist, gebietet eine an den verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern beider Seiten ausgerichtete Abwägung der Interessen, die betroffene Person, hier den Kläger, nicht unter voller Namensnennung "an den Pranger zu stellen".
- 34
- (bb) Das Berufungsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass der angegriffene Beitrag unausgewogen und ihm nicht hinreichend zu entnehmen ist, dass lediglich über einen nicht bewiesenen Verdacht gegen den Kläger berichtet werden sollte. Wie bereits ausgeführt identifiziert sich der Beklagte zu 1 in dem Beitrag mit der Darstellung der Beklagten zu 3. Er unterstreicht die von ihr erhobenen Vorwürfe, stellt sie als Opfer dar und ergreift zu ihren Gunsten Partei. Die Berichterstattung ist nicht nur bewusst einseitig, sondern erweckt in unzulässiger Weise den Eindruck, die aufgestellten Behauptungen seien inhaltlich zutreffend und der Kläger sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt.
- 35
- (cc) Die Revisionen wenden sich auch ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte zu 1 habe dem Kläger vor der Veröffentlichung nicht in ausreichendem Maße Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Entgegen der Auffassung der Revisionen durfte sich der Beklagte zu 1 unter den Umständen des Streitfalles nicht darauf beschränken, den Kläger um ein Interview zu bitten und in den "zunächst nur einleitenden Bitten um ein Gespräch" lediglich den groben Kontext und die Zielrichtung seiner Recherchen zu bezeichnen. Angesichts der besonderen Tragweite, die die Verbreitung der angegriffenen Äußerungen für den Kläger erkennbar haben konnte, war der Beklagte zu 1 vielmehr gehalten, dem Kläger die Vorwürfe, die Gegenstand des Beitrags werden sollten, konkret zur Kenntnis zu bringen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme auf ihm beliebige Weise zu geben, ohne ihn auf die Möglichkeit der Erörterung der Vorwürfe in einem persönlichen Gespräch zu beschränken (vgl. zur Anhörung des Betroffenen vor der Berichterstattung: Senatsurteile vom 25. Mai 1965 - VI ZR 19/64, VersR 1965, 879, 881; vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 25 f.). Das Interesse der Medien, den Betroffenen erstmals in einem Interview mit den konkreten Vorwürfen zu konfrontieren, um eine spontane Reaktion des Betroffenen zu erfahren, ist in diesem Zusammenhang nicht schutzwürdig. Es muss vielmehr grundsätzlich dem Betroffenen überlassen bleiben, wie er sich äußern will. Aus diesem Grund ist es auch unerheblich , dass der Kläger ein persönliches Gespräch mit dem Beklagten zu 1 abgelehnt hat. Hierin liegt insbesondere kein Verzicht auf die Möglichkeit der Stellungnahme. Wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, kommt die Annahme eines Verzichts nur dann in Betracht, wenn der Betroffene weiß, was ihm konkret vorgeworfen wird.
- 36
- Die Revisionen rügen in diesem Zusammenhang ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe übersehen, dass der E-Mail des Beklagten zu 1 vom 10. Juni 2007 ein Telefonat mit der Schwester des Klägers vorangegangen sei, das offensichtlich die streitgegenständlichen Äußerungen zum Gegenstand gehabt habe. Dies ergibt sich aus der E-Mail gerade nicht. Danach hat es der Beklagte zu 1 vielmehr abgelehnt, der Schwester des Klägers Fragen zukommen zu lassen , da sie "erklärtermaßen" nicht mandatierte Vertreterin des Klägers sei und er nicht wisse, ob sie tatsächlich seine Schwester sei.
- 37
- b) Das Berufungsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass der Kläger wegen der Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die beanstandete Berichterstattung von den Beklagten zu 1 und 2 die Zahlung einer Geldentschädigung verlangen kann.
- 38
- aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats begründet die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212 214 f.; vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 20. März 2012 - VI ZR 123/11, AfP 2012, 260 Rn. 15, jeweils mwN; vgl. auch BVerfG NJW 2004, 591, 592). Die Zubilligung einer Geldentschädigung kommt auch in Betracht, wenn das Persönlichkeitsrecht, wie im Streitfall, durch eine nicht erweislich wahre rufschädigende Tatsachenbehauptung verletzt wird. In diesem Fall ist aber bei der Gewichtung der Schwere des Eingriffs die offen bleibende Möglichkeit mit zu berücksichtigen, dass die inkriminierte Behauptung wahr sein kann (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 27). Außerdem ist der besonderen Funktion der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen Rechnung zu tragen, die sowohl in einer Genugtuung des Verletzten für den erlittenen Eingriff besteht als auch ihre sachliche Berechtigung in dem Gedanken findet, dass das Persönlichkeitsrecht gegenüber erheblichen Beeinträchtigungen anderenfalls ohne ausreichenden Schutz bliebe (vgl. Senatsurteile vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, AfP 1985, 110, 113; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215). Zudem soll die Geldentschädigung der Prävention dienen (vgl. Senatsurteil vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302 mwN). In jedem Fall ist zu berücksichtigen, dass die Geldentschädigung nicht eine Höhe erreichen darf, die die Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 16; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137, 138; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 307; BVerfGE 34, 269, 285).
- 39
- bb) Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht einen hinreichend schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers zu Recht bejaht. Der angegriffene Beitrag, in dem der Kläger als gewissen- und skrupelloser pädophiler Täter dargestellt wird, der ein sexuelles Verhältnis mit einem "vielleicht 14 Jahre" alten Mädchen hatte und weder vor der Zerstörung der beruflichen Existenz einer langjährigen loyalen Mitarbeiterin noch vor der Ankündigung von Straftaten zurückschreckt, ist in einem außerordentlich erheblichen Maße herabsetzend und mindert das Ansehen des Klägers besonders nachhaltig. Die darin enthaltenen Vorwürfe treffen den Kläger in den Grundlagen seiner Persönlichkeit und sind geeignet, ihn gesellschaftlich zu vernichten. Die Beklagten zu 1 und 2 handelten auch in erheblichem Maße schuldhaft. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Beklagten zu 1 und 2 ihre publizistischen Sorgfaltspflichten in hohem Maße verletzt haben. Wie unter Ziffer a) dd) (3) (b) ausgeführt, haben sie die den Kläger schwer belastenden Aussagen der Beklagten zu 3, die sich ausweislich des von den Beklagten vorgelegten Aktenvermerks der Polizeidirektion Leipzig vom 12. Dezember 2006 in psychologischer Behandlung befand und einen arbeitsrechtlichen Konflikt mit dem Kläger austrug, kritiklos übernommen und den Kläger in einem äußerst einseitigen und präjudizierenden Beitrag unter voller Namensnennung "an den Pranger" gestellt, ohne diesem zuvor in dem gebotenen Maß Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
- 40
- Die gegen diese Beurteilung vorgebrachten Einwendungen der Revisionen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Die Zubilligung einer Geldentschädigung setzt insbesondere nicht voraus, dass der Kläger - wie von ihm behauptet - aufgrund der streitgegenständlichen Berichterstattung eine schwere Depression erlitten hat. Denn bei der Entschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich nicht um ein Schmerzensgeld gemäß § 253 Abs. 2 BGB, sondern um einen Rechtsbehelf, der auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG zurückgeht. Er findet seine sachliche Berechtigung in dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 15 f.; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302; vom 6. Dezember 2005 - VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 204 f.; BVerfGE 34, 269, 282, 292; BVerfG NJW 2000, 2187 f.; Müller, VersR 2008, 1141, 1150).
- 41
- Entgegen der Auffassung der Revisionen wirkt sich auch nicht der Umstand mindernd auf das Gewicht der durch die angegriffenen Äußerungen bewirkten Persönlichkeitsrechtsverletzung aus, dass bereits vor dem angegriffenen Beitrag in verschiedenen Veröffentlichungen über den Kläger berichtet wurde. Denn weder werden unbewiesene Tatsachenbehauptungen herabsetzenden Charakters deswegen zulässig, weil sie auch von anderen aufgestellt worden sind (vgl. BVerfGE 85, 1, 22; BVerfG, NJW-RR 2000, 1209, 1211; AfP 2009, 480 Rn. 64), noch verliert der Betroffene durch die erste belastende Berichterstattung seine Ehre und soziale Anerkennung in dem Sinne, dass diese Schutzgüter nicht erneut oder nur mit geringerer Intensität verletzt werden könnten. Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, stellen die Veröffentlichungen durch andere Verlage jeweils eigenständige Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar, die einer selbständigen Beurteilung unterliegen. Eine andere Betrachtung würde weder dem Wesen der genannten Schutzgüter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts noch der Funktion der Entschädigung als Rechtsbehelf zu ihrem Schutz gerecht (vgl. Senatsurteile vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, AfP 1985, 110, 113; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 307 f.; aA OLG Stuttgart, AfP 1981, 362). Die Vorveröffentlichungen könnten sich allenfalls mindernd auf die Höhe der zuzubilligenden Geldentschädigung auswirken, wenn und soweit das Interesse der von dem streitgegenständlichen Beitrag angesprochenen Personen durch sie bereits verringert war (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 536; vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, AfP 1985, 110, 113; Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 32 Rn. 37).
- 42
- Aus den von den Revisionen herangezogenen Entscheidungen des Senats vom 29. Juni 1999 (VI ZR 264/98, AfP 1999, 350) und vom 5. November 2013 (VI ZR 304/12, juris), des Bundesverfassungsgerichts (NJW-RR 2010, 1195 Rn. 33) sowie des EGMR (NJW 1999, 1315) folgt nichts anderes. Sie betrafen andere Fallkonstellationen, weshalb die dort maßgebenden Erwägungen vorliegend nicht herangezogen werden können. In den genannten Entscheidungen ging es jeweils um die dem Willen des Betroffenen widersprechende Offenbarung wahrer Tatsachen, die vor der jeweils angegriffenen Veröffentlichung bereits von anderen Medien mitgeteilt worden und damit schon einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden waren mit der Folge, dass der Betroffene bereits zuvor seine Anonymität verloren hatte bzw. seine persönlichen Daten nicht mehr geheim waren. So wandte sich die Klägerin im Verfahren VI ZR 304/12 gegen die unter Beeinträchtigung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung erfolgte Preisgabe des Abstammungsverhältnisses zu ihrem Vater. Der Kläger im Verfahren VI ZR 264/98 beanstandete als Eingriff in seine Privatsphäre, dass der Grund für die Scheidung von seiner Ehefrau - Ehe- bruch - bekanntgeben worden war. Der Streitfall dagegen ist anders gelagert. Hier steht der Schutz vor unbewiesenen Tatsachenbehauptungen herabsetzenden Charakters in Rede. Es kann dahingestellt bleiben, ob Vorveröffentlichungen angesichts des Umstands, dass es sich bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht um eine statische, für alle Zeiten feststehende Größe handelt, sondern sein Bestand in gewissem Umfang auch von der tatsächlichen Anerkennung durch die Öffentlichkeit abhängt (vgl. BVerfG, NJW-RR 2010, 1195 Rn. 33), nach Ablauf einer gewissen Zeit zu einem "Negativ-Image" des Betroffenen führen können (so OLG Stuttgart, AfP 1981, 362). Dies kommt jedenfalls nicht in Betracht, wenn die angegriffene Berichterstattung und die Vorveröffentlichungen - wie im Streitfall - in einem engen zeitlichen Zusammenhang stehen.
- 43
- cc) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beeinträchtigung des Klägers nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Die gegen die Beklagten erwirkten Unterlassungstitel schließen den Geldentschädigungsanspruch unter den Umständen des Streitfalls nicht aus. Auch unter Berücksichtigung der mit ihnen zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen können sie die weitere Abrufbarkeit des angegriffenen Beitrags oder Teilen desselben nicht zuverlässig verhindern. Es ist allgemein bekannt, dass eine in das Internet gestellte Meldung, auch wenn sie von ihrem Urheber gelöscht wurde, jedenfalls für gewisse Zeit weiter zugänglich bleiben kann, weil sie in der Zwischenzeit von Dritten kopiert und auf einer neuen Webseite eingestellt oder von Bloggern zum Gegenstand eines eigenen Beitrags gemacht wurde. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass zahlreiche Nutzer im Internet die Löschung von Inhalten infolge von Unterlassungsansprüchen als Zensur interpretieren und für die Verbreitung "AusweichRouten" finden. Abgesehen davon vermag ein Unterlassungstitel in Fällen derart schwerer Angriffe, die sich gegen die Grundlagen der Persönlichkeit richten, die Beeinträchtigung des Betroffenen nicht hinreichend auszugleichen (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 13 f.).
- 44
- Die Zubilligung einer Geldentschädigung ist im Streitfall auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger keinen Widerrufsanspruch geltend gemacht hat. Zum einen sind die Voraussetzungen dieses Anspruchs nicht erfüllt, weil der Kläger nicht beweisen kann, kein Verhältnis mit einem 14 Jahre alten Mädchen (gehabt) zu haben. Zum anderen ist auch ein Widerruf nicht geeignet, die erlittene Beeinträchtigung hinreichend auszugleichen (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 13 f.).
- 45
- 2. Die Revisionen wenden sich aber mit Erfolg gegen die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Höhe der dem Kläger zustehenden Geldentschädigung.
- 46
- a) Allerdings ist die Bemessung der Höhe der Geldentschädigung in erster Linie Sache des Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar , ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Bemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 16; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 29; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 307).
- 47
- b) Vor diesem Hintergrund ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht unter dem Gesichtspunkt der Verringerung des Interesses der angesprochenen Leser an der streitgegenständlichen Berichterstattung nur die Vorveröffentlichungen im MDR-Magazin "FAKT", in der Bildzeitung und in der Online-Ausgabe der Leipziger Volkszeitung mindernd berücksichtigt, den anderen Beiträgen hingegen keine Bedeutung beigemessen hat (vgl. zur Minderung des Informationsinteresses durch Vorveröffentlichungen: Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 536; vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, AfP 1985, 110, 113; Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht , 5. Aufl., § 32 Rn. 37). Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts befassten sich die übrigen Vorveröffentlichungen weder mit der Behauptung, der Kläger unterhalte eine sexuelle Beziehung zu einer Minderjährigen , noch mit den weiteren von der Beklagten zu 3 erhobenen Vorwürfen im Zusammenhang mit der Arbeitseinstellung des Klägers, seinem Verhalten am Arbeitsplatz, den Umständen ihrer Kündigung und der angeblichen Bedrohung.
- 48
- c) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet demgegenüber die Annahme des Berufungsgerichts, wonach der Anzahl der Aufrufe des angegriffenen Beitrags für die Bemessung der Höhe der Entschädigung keine Bedeutung zukomme. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung auch das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung als Bemessungsfaktor zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 55/62, BGHZ 39, 124, 133 f.; vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 535 f.; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137; Müller in Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, 2008, § 51 Rn. 23, 30). Aus diesem Grund kann die Anzahl der Personen, die die beanstandeten Äußerungen zur Kenntnis genommen haben, nicht unbeachtet bleiben.
- 49
- d) Wie die Revisionen zu Recht rügen, tragen die Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht die Annahme, die Beklagten zu 1 und 2 hätten die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers als Mittel zur Reichweitensteigerung und zur Verfolgung eigener kommerzieller Interessen eingesetzt, weshalb von der Höhe der Geldentschädigung ein echter Hemmungseffekt ausgehen müsse. Die vom Berufungsgericht für einschlägig gehaltene Fallgruppe der rücksichtslosen Zwangskommerzialisierung einer Persönlichkeit, in der die Präventionsfunktion der Geldentschädigung im Vordergrund steht, ist dadurch gekennzeichnet, dass der Einbruch in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vorsätzlich zum Zwecke der Gewinnerzielung erfolgt (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 15 f.; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137, 138; vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94, AfP 1996, 138, 139; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 306 f.; BVerfG, VersR 2000, 897 898; Müller, aaO, § 51 Rn. 10, jeweils mwN). Feststellungen zu einem entsprechenden Vorsatz des Beklagten hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
- 50
- e) Die Revisionen beanstanden auch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht die angegriffenen Äußerungen als (mit)ursächlich für die beim Kläger aufgetretene depressive Störung angesehen hat, ohne über die umstrittene Frage Beweis zu erheben, ob diese Störung nicht bereits durch die Berichterstattung in der BILD-Zeitung vom 13. Juni 2007 und im MDR-Magazin "FAKT" vom 11. Juni 2007 ausgelöst worden ist. Der Ursachenzusammenhang lässt sich insbesondere nicht mit Hilfe der vom Berufungsgericht herangezogenen Grundsätze der Doppelkausalität bejahen. Doppelkausalität liegt vor, wenn ein bestimmter Schaden durch verschiedene gleichzeitig oder nebeneinander wirkende Umstände verursacht worden ist, aber jede dieser Ursachen allein ausgereicht hätte, um den ganzen Schaden herbeizuführen. In einem solchen Fall sind sämtliche Umstände als rechtlich ursächlich für den Schadenseintritt zu behandeln, obwohl keiner der Umstände als "conditio sine qua non" für den Schadenseintritt beurteilt werden kann (vgl. BGH, Urteile vom 13. März 2012 - II ZR 50/09, NJW-RR 2012, 728 Rn. 25; vom 20. Februar 2013 - VIII ZR 339/11, NJW 2013, 2018 Rn. 27). Eine derartige Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor. Es steht gerade nicht fest, dass die Veröffentlichungen in der BILDZeitung und im MDR-Magazin "FAKT" einerseits und die streitgegenständliche Berichterstattung andererseits gleichzeitig oder nebeneinander gewirkt und die depressive Störung des Klägers verursacht haben.
- 51
- Für eine Anwendung des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB ist ebenfalls kein Raum. Die Vorschrift setzt voraus, dass eine Ungewissheit hinsichtlich des Verursachers besteht, d.h. nicht feststellbar ist, welcher der Beteiligten den Schaden verursacht hat (vgl. Senatsurteil vom 23. März 1999 - VI ZR 53/98, VersR 1999, 1375). Nach dem mangels gegenteiliger Feststellungen revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag der Beklagten wurde die depressive Störung des Klägers aber bereits durch die Vorveröffentlichungen bewirkt.
- 52
- Die gegen die Beklagten zu 1 und 2 gerichtete Revision des Klägersist zulässig und begründet. Sie beanstandet zu Recht die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Höhe der dem Kläger zuzubilligenden Geldentschädigung.
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- 1. Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, eine Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine Internetveröffentlichung sei wegen der Besonderheiten des Internets generell höher zu bemessen als eine Entschädigung wegen eines Artikels in den PrintMedien. Sowohl die Frage, ob die Verletzung des Persönlichkeitsrechts so schwerwiegend ist, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, als auch deren Höhe können nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. Senatsurteile vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 20. März 2012 - VI ZR 123/11, AfP 2012, 260 Rn. 15; Müller, aaO, § 51 Rn. 23, 30). Ein rufschädigender Artikel - beispielsweise auf der Titelseite - einer weit verbreiteten Tageszeitung mit hoher Auflage kann das Ansehen des Betroffenen wesentlich nachhaltiger schädigen als eine Internetmeldung in einem wenig bekannten Portal, das nur begrenzte Nutzerkreise anspricht. Auch der Umstand, dass die üblicherweise erfolgende Verlinkung der in Rede stehenden Meldung in Suchmaschinen die Einholung von Informationen über den Betroffenen ermöglicht, rechtfertigt keine generelle Anhebung der Geldentschädigung. Denn eine solche Informationsbeschaffung setzt die aktive Suche des bereits an dem Betroffenen interessierten Nutzers voraus. Demgegenüber werden durch einen Artikel einer weit verbreiteten Tageszeitung oder durch die Bekanntgabe der Nachricht zu einer beliebten Tageszeit im Fernsehen u.U. Millionen von Personen von dem (angeblichen) Fehlverhalten des Betroffenen in Kenntnis gesetzt.
- 54
- 2. Die Revision rügt aber zu Recht, dass das Berufungsgericht den - durch Vorlage des Berichts der auf "Online Reputation Management" spezialisierten R. GmbH konkretisierten - Vortrag des Klägers nicht für erheblich gehalten hat, wonach der angegriffene Bericht im Internet zahlreich verlinkt, kopiert und - auch noch nach der Löschung des Ursprungsbeitrags - umfangreich abgerufen worden sei. Wie bereits ausgeführt, ist das Ausmaß der Verbreitung der angegriffenen Veröffentlichung als Bemessungsfaktor bei der Festsetzung der Höhe der Geldentschädigung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 55/62, BGHZ 39, 124, 133 f.; vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 535 f.; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137; Müller, aaO, § 51 Rn. 23, 30). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist den Beklagten zu 1 und 2 die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers auch insoweit zuzurechnen, als sie erst durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags durch Dritte im Internet entstanden ist. Da Meldungen im Internet typischerweise von Dritten verlinkt und kopiert werden, ist die durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags verursachte Rechtsverletzung sowohl äquivalent als auch adäquat kausal auf die Erstveröffentlichung zurückzuführen. Der Zurechnungszusammenhang ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Persönlichkeitsrechtsverletzung insoweit erst durch das selbstständige Dazwischentreten Dritter verursacht worden ist.
- 55
- a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird die haftungsrechtliche Zurechnung nicht schlechthin dadurch ausgeschlossen, dass außer der in Rede stehenden Verletzungshandlung noch weitere Ursachen zur Rechtsgutsverletzung beigetragen haben. Dies gilt auch dann, wenn die Rechtsgutsverletzung erst durch das (rechtmäßige oder rechtswidrige) Dazwischentreten eines Dritten verursacht wird. Der Zurechnungszusammenhang fehlt in derartigen Fällen allerdings, wenn die zweite Ursache - das Eingreifen des Dritten - den Geschehensablauf so verändert hat, dass die Rechtsgutsverletzung bei wertender Betrachtung nur noch in einem "äußerlichen", gleichsam "zufälligen" Zusammenhang zu der durch die erste Ursache geschaffenen Gefahrenlage steht. Wirken in der Rechtsgutsverletzung dagegen die besonderen Gefahren fort, die durch die erste Ursache gesetzt wurden, kann der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang nicht verneint werden (vgl. Senatsurteile vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 286/09, VersR 2010, 1662 Rn. 20; vom 26. Februar 2013 - VI ZR 116/12, VersR 2013, 599 Rn. 10; BGH, Urteile vom 28. April 1955 - III ZR 161/53, BGHZ 17, 153, 159; vom 15. November 2007 - IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205 Rn. 11 ff.; vgl. auch MünchKomm/BGB/Oetker, 6. Aufl., § 249 Rn. 141 ff., 157 ff.; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearbeitung 2005, § 249 Rn. 35, 58 ff.; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Auflage, Vorb. v. § 249 Rn. 33 ff.).
- 56
b) So verhält es sich im Streitfall. Durch die Veröffentlichung des Ursprungsbeitrags auf dem von der Beklagten zu 2 betriebenen Internet-Portal ist die internettypische besondere Gefahr geschaffen worden, dass an einer umfassenden Kommunikation und Diskussion im Internet interessierte Nutzer den Beitrag verlinken oder kopieren und auf anderen Webseiten zum Abruf bereit halten. Die auf die "Vervielfältigung" der Abrufbarkeit des Beitrags durch Dritte zurückzuführende Ehrkränkung des Klägers steht in einem inneren Zusammenhang zu der durch die Veröffentlichung des Ursprungsbeitrags geschaffenen Gefahrenlage. Erst hierdurch hat sich die spezifische Gelegenheit zum Tätigwerden der Dritten ergeben. Ihr Einschreiten ist nicht als bloß "zufällig" zu qualifizieren.
- 57
- c) Die von der Revision darüber hinaus als übergangen gerügten, angeblich noch im Jahr 2012 gegebenen "Hinweise auf die Veröffentlichung im Internet" sind nur dann erhöhend bei der Bemessung der Entschädigung zu berücksichtigen , wenn auch sie die im angegriffenen Beitrag aufgestellten (verdeckten ) Sachaussagen enthalten.
- 58
- 1. Die Revision der Beklagten zu 3 ist zulässig, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung einer Geldentschädigung richtet. Im Übrigen ist sie nicht statthaft und damit unzulässig. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision wirksam auf die Frage beschränkt, ob dem Kläger wegen der streitgegenständlichen Berichterstattung Ansprüche auf Zahlung einer Geldentschädigung zustehen. Die Beschränkung der Revisionszulassung hat zur Folge, dass der Streitstoff, soweit er von der Zulassung nicht erfasst wird, nicht der Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts unterliegt (vgl. Senatsbeschluss vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, AfP 2012, 371 Rn. 2).
- 59
- a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selbständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 237/09, NJW 2011, 155 Rn. 7; Senatsbeschluss vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, AfP 2012, 371 Rn. 3; BGH, Urteil vom 30. März 2007 - V ZR 179/06, VersR 2007, 1230 Rn. 6, jeweils mwN).
- 60
- b) Von einer derartigen beschränkten Revisionszulassung ist vorliegend auszugehen. Zwar enthält die Entscheidungsformel des Berufungsurteils keinen Zusatz, der die dort ausgesprochene Zulassung der Revision einschränkt. Die Beschränkung der Rechtsmittelzulassung kann sich aber auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Tenor im Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen der Beschränkung klar ergibt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt (vgl. etwa Senatsurteil vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 237/09, NJW 2011, 155 Rn. 8; Senatsbeschluss vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, AfP 2012, 371 Rn. 4; BGH, Urteile vom 30. März 2007 - V ZR 179/06, VersR 2007, 1230 Rn. 7; vom 21. Januar 2010 - I ZR 215/07, NJW-RR 2010, 909 Rn. 13 f., jeweils mwN).
- 61
- Dies ist hier der Fall. Aus den Gründen des Berufungsurteils ergibt sich zweifelsfrei, dass das Berufungsgericht eine die Anrufung des Revisionsgerichts rechtfertigende Rechtsfrage nur darin gesehen hat, ob und wie sich eine ausschließlich auf einer Internetseite erfolgte Veröffentlichung auf Grund und Höhe eines Geldentschädigungsanspruchs auswirkt. Diese Rechtsfrage ist aber nur für die vom Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche von Bedeutung. Sie berührt hingegen nicht den davon zu trennenden - und einen selbständigen Streitgegenstand begründenden - Anspruch des Klägers auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren, die ihm durch Beauftragung eines Anwalts zu seiner Verteidigung in dem gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen entstanden sind.
- 62
- 2. Soweit die Revision der Beklagten zu 3 zulässig ist, hat sie in der Sache Erfolg.
- 63
- a) Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass dem Kläger auch gegen die Beklagte zu 3 dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB zusteht. Denn sie hat die in schwerwiegendem Maße persönlichkeitsrechtsverletzende Berichterstattung der Beklagten zu 1 und 2 durch ihre nicht erweislich wahren Informationen veranlasst (vgl. zur Haftung des Informanten: BGH, Urteile vom 11. Mai 1973 - I ZR 123/71, VersR 1973, 764 - Kollo-Schlager; vom 18. Februar 1993 - I ZR 14/91, AfP 1993, 566, 567 - Produktinformation I; vom 19. September 1996 - I ZR 130/94, AfP 1997, 524, 525 - Orangenhaut mwN; Löffler/Steffen, Presserecht , 5. Aufl., § 6 LPG Rn. 229; Soehring in Soehring/Hoene, aaO, § 7 Rn. 32 ff.; Wenzel/von Strobl-Albeg, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 381 ff.)
- 64
- aa) Die Revision beanstandet in diesem Zusammenhang ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe nicht festgestellt, welche Informationen die Beklagte zu 3 dem Beklagten zu 1 genau erteilt habe. Ausweislich der Feststellungen im Berufungsurteil stützt sich der streitgegenständliche Beitrag maßgeblich auf die Aussagen der Beklagten zu 3 und gibt ihren Bericht über den Besuch des Mädchens "Lissy" sowie ihre Aussagen in Interviewabschnitten und Zitaten wieder. In seinem Beschluss vom 5. April 2012, auf den es in seinem Urteil ausdrücklich Bezug genommen hat, hat das Berufungsgericht darüber hinaus festgestellt , dass die angebliche Verleumdung des Klägers durch seine Arbeitskollegen von der Beklagten zu 3 "kolportiert" worden sei und insbesondere die Passagen, wonach sich für die Beklagte zu 3 immer mehr "Puzzleteile" zusammenfügten , sie ihre "Scham" überwinde und ihr die "Neigungen" des Klägers erst im Nachhinein klar geworden seien, unmittelbar auf ihren Erklärungen beruhten. Die Beklagte zu 3 habe auch gewusst, welche Schlussfolgerungen der Beklagte zu 1 aus ihren Informationen ziehen würde. Gegen diese Feststellungen wendet sich die Revision nicht. Sie macht insbesondere nicht geltend, die Beklagte zu 3 sei in dem angegriffenen Beitrag - beispielsweise bei der Beschreibung von "Lissy" mit den Worten "vielleicht 14 Jahre alt" - falsch zitiert worden. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass bereits die Äußerungen der Beklagten zu 3 gegenüber dem Beklagten zu 1 die - teils offenen, teils verdeckten - Sachaussagen enthalten, welche der angegriffenen Berichterstattung zu entnehmen sind. Auf die Frage, welche Angaben die Beklagte zu 3 gegenüber den Strafverfolgungsbehörden gemacht hat, kommt es bei dieser Sachlage entgegen der Auffassung der Revision nicht an.
- 65
- bb) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht auch eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers bejaht, die nicht in anderer Weise als durch Zahlung einer Geldentschädigung befriedigend aufgefangen werden kann.
- 66
- (1) Zwar kann insoweit nicht darauf abgestellt werden, dass durch den angegriffenen Beitrag die absolut geschützte Intimsphäre des Klägers verletzt wurde. Denn wie unter I. 1. a) bb) ausgeführt, fällt die Begehung von Sexualstraftaten nicht in den unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung. Auch durch die Bekanntgabe der wahren Tatsachen, dass der Kläger eine Geliebte hatte und eine Vergleichsliste über seine Ehefrau und seine Geliebte erstellt hat, haben die Beklagten nicht in diesen Kernbereich eingegriffen. Die bloße Mitteilung ehebrecherischer Beziehungen ohne die Bekanntgabe diesbezüglicher Einzelheiten tangiert die Intimsphäre nicht (vgl. Senatsurteile vom 5. Mai 1964 - VI ZR 64/63, NJW 1964, 1471, 1472; vom 29. Juni 1999 - VI ZR 264/98, AfP 1999, 350, 351; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 49). Ob eine andere Beurteilung geboten wäre, wenn der Inhalt der Vergleichsliste zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht worden wäre, kann offen bleiben, da eine derartige Fallkonstellation nicht vorliegt.
- 67
- (2) Die durch die Äußerungen der Beklagten zu 3 bewirkte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers wiegt aber besonders schwer. Die Berichterstattung ist in einem außerordentlich erheblichen Maße herabsetzend und mindert das Ansehen des Klägers besonders nachhaltig. Die darin enthaltenen Vorwürfe treffen den Kläger im Kern seiner Persönlichkeit und sind geeignet, ihn gesellschaftlich zu vernichten. Hinzu kommt, dass die Beklagte zu 3 vorsätzlich handelte. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen war der Beklagten zu 3 bei der Informationserteilung in vollem Umfang bewusst, wie ihre Äußerungen im Gesamtkontext des von dem Beklagten zu 1 beabsichtigten Beitrags wirken würden; sie nahm dies aus Rache ge- genüber dem Kläger, dem sie den Verlust ihres Arbeitsplatzes zuschrieb, billigend in Kauf.
- 68
- b) Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Bemessung der Höhe der dem Kläger zustehenden Geldentschädigung.
- 69
- aa) Das Berufungsgericht hat in seine Erwägungen zur Höhe der Entschädigung allerdings zu Recht mit einfließen lassen, dass die Beklagte zu 3 - wie oben ausgeführt - vorsätzlich handelte.
- 70
- bb) Ohne Erfolg macht die Revision auch geltend, die gegen die Beklagte zu 3 festgesetzte Geldentschädigung müsse bereits deshalb reduziert werden , weil Veröffentlichungen in elektronischen Medien wegen ihrer "Flüchtigkeit" generell mit geringeren Beeinträchtigungen verbunden seien als solche in den Printmedien. Soweit die Revision darauf abhebt, dass ein Beitrag im Internet nach seiner Löschung - anders als ein Zeitungsartikel - nicht mehr "stofflich" existent und reproduzierbar sei, übersieht sie, dass der Beitrag vor der Löschung von Nutzern kopiert und auf anderen Webseiten abgelegt oder ausgedruckt worden sein kann. Wie bereits unter Ziffer II. 1. ausgeführt, kann die Frage , wie hoch die Geldentschädigung sein muss, um ihrer spezifischen Zweckbestimmung gerecht zu werden, vielmehr nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. Senatsurteile vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 20. März 2012 - VI ZR 123/11, AfP 2012, 260 Rn. 15; Müller, aaO, § 51 Rn. 23, 30).
- 71
- cc) Die Revision rügt aber zu Recht, dass das Berufungsgericht der Anzahl der Aufrufe des angegriffenen Beitrags für die Bemessung der Höhe der Entschädigung keine Bedeutung beigemessen hat. Wie bereits unter Ziffer I. 2.
c) ausgeführt, ist im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung auch das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung als Bemessungsfaktor zu berück- sichtigen (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 55/62, BGHZ 39, 124, 133 f.; vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 535 f.; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137; Müller, aaO, § 51 Rn. 23, 30). Aus diesem Grund kann die Anzahl der Personen, die die beanstandeten Äußerungen zur Kenntnis genommen haben, nicht unbeachtet bleiben.
- 72
- dd) Da der angegriffene Beitrag nicht in die Intimsphäre des Klägers eingreift , kann sich dieser Gesichtspunkt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht erhöhend bei der Bemessung der Geldentschädigung auswirken.
- 73
- Die Anschlussrevision des Klägers ist unzulässig. Gemäß § 554 Abs. 1 ZPO kann sich der Revisionsbeklagte zwar grundsätzlich der Revision anschließen. Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an den Voraussetzungen für eine wirksame Anschließung.
- 74
- 1. Zwar setzt die Statthaftigkeit der Anschließung gemäß § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) abweichend von dem bis dahin geltenden Recht nicht mehr voraus, dass auch für den Anschlussrevisionskläger die Revision zugelassen worden ist. Daher kann eine Anschlussrevision bei beschränkter Zulassung der Revision auch dann wirksam eingelegt werden, wenn die Anschlussrevision nicht den Streitstoff betrifft, auf den sich die Zulassung bezieht (vgl. BGH, Urteile vom 24. Juni 2003 - KZR 32/02, NJW 2003, 2525; vom 26. Juli 2004 - VIII ZR 281/03, NJW 2004, 3174, 3176; vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 39).
- 75
- 2. Auch nach neuem Recht erfordert die Statthaftigkeit der Anschließung allerdings, dass zwischen dem Streitgegenstand der Anschlussrevision und dem der - statthaften - Revision ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Denn die Neuregelung der Anschlussrevision in § 554 ZPO ändert nichts daran, dass sie als unselbständiges Rechtsmittel akzessorischer Natur ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, aaO Rn. 40). Hinzu kommt, dass eine unbeschränkte Statthaftigkeit der Anschlussrevision in Fällen, in denen die Hauptrevision - wie im Streitfall - zu Gunsten einer Partei nur teilweise zugelassen wurde, zu einer Benachteiligung des Revisionsklägers führte und somit über den Gesetzeszweck der Schaffung einer Art Waffengleichheit zwischen den Parteien hinausginge. Der Revisionskläger müsste die Entscheidung des Berufungsgerichts im Umfang der Nichtzulassung hinnehmen , während der Revisionsbeklagte das Urteil in vollem Umfang seines Unterliegens anfechten könnte (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 41; Saenger/Kayser/Koch, ZPO, 5. Aufl. 2013, § 554 Rn. 5; MünchKomm/ZPO/Krüger, 4. Aufl., § 554 Rn. 6; Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 554 Rn. 7 a; Prütting/Gehrlein/Ackermann, ZPO, 5. Aufl., § 554 Rn. 4; Gehrlein, NJW 2008, 896 ff.; aA Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 554 Rn. 4).
- 76
- 3. Im Streitfall fehlt es an dem erforderlichen rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Streitgegenstand der Anschlussrevision und dem der statthaften Revision. Während sich die Revision, soweit sie zugelassen wurde, gegen die Verurteilung der Beklagten zu 3 zur Zahlung einer Geldentschädigung richtet, betrifft die Anschlussrevision einen Anspruch des Klägers auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren, die ihm durch Beauftra- gung eines Anwalts zu seiner Verteidigung in dem gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren entstanden sind.
- 77
- V. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben, soweit die Beklagten zur Zahlung einer Geldentschädigung verurteilt worden sind und die Klage gegen die Beklagten zu 1 und 2 auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von weiteren 50.000 € abgewiesen worden ist. Insoweit war die Sache zur neu- en Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird dabei Gelegenheit haben, sich auch mit den weiteren Einwänden der Parteien in den Rechtsmittelschriften zu befassen. Bei der Bemessung der Geldentschädigung wird es zu berücksichtigen haben, dass die Entschädigung nicht eine Höhe er- reichen darf, die die Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 16; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137, 138; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 307; BVerfGE 34, 269, 285). Galke Wellner Stöhr von Pentz Offenloch
LG Leipzig, Entscheidung vom 11.11.2011 - 8 O 4330/08 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 03.05.2012 - 4 U 1883/11 -
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.