Oberlandesgericht München Beschluss, 01. Juni 2017 - 1 AR 209/17-1 AR 222/17

bei uns veröffentlicht am01.06.2017

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

Der Antrag des Rechtsanwalts W. D. auf Gewährung eines Vorschusses wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Antragsteller vertritt die 15 Nebenklageberechtigten im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren des Generalstaatsanwalts wegen des „Oktoberfestattentats“ vom … Beschlüssen der Ermittlungsrichterin beim Bundesgerichtshof vom 08./09.02.2016 als Verletztenbeistand beigeordnet, §§ 406g Abs. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 1StPO (a.F.), 397a Abs. 1 StPO. Für die Entscheidung über den Antrag des Beistandes vom 28.04./25.05.2016 auf Gewährung einer Pauschalvergütung hat sich die Ermittlungsrichterin des Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 08.06.2016 für nicht zuständig erklärt.

Der Generalbundesanwalt beantragte mit Schreiben vom 07.12.2016 den Antrag des Beistandes zurückzuweisen.

Die Bezirksrevisorin hat in ihrer Stellungnahme vom 06.02.2017 die Gewährung eines Vorschusses in Höhe des Doppelten der Höchstgebühren eines Wahlbeistandes (also 2x 1830.- €) für angemessen gehalten und die Entscheidung im übrigen in das Ermessen des Senats gestellt.

Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 09.03.2017 Stellung genommen. Er hält an seinem Antrag auf Gewährung eines Vorschusses in Hohe von 88.000,- € bis 110.000,- € fest.

Der Einzelrichter hat die Sache mit Beschluss vom 17.05.2017 dem Senat in der Besetzung mit 3 Richtern zur Entscheidung übertragen, §§ 51 Abs. 2 S. 4. 42 Abs. 3 S. 2 RVG.

II.

Der Antrag war aus folgenden Gründen zurückzuweisen.

1. Die Zahlung einer Pauschalgebühr ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats erst mit dem Abschluss des Verfahrens für das der Antragsteller bestellt ist, fällig (so auch OLG Braunschweig, B.v. 25.04.16, KG Berlin B. v. 15.04.15, OLG Celle B. 16.6.16, 1 Ars 34/16 P, juris -).

2. Der somit (nur) in Betracht kommende Vorschuss setzt nach dem Wortlaut des § 51 Abs. 1 S. 5 RVG voraus, dass dem Rechtsanwalt „insbesondere wegen der langen Dauer des Verfahrens und der Höhe der zu erwartenden Pauschgebühr nicht zugemutet werden kann, die Festsetzung der Pauschalgebühr abzuwarten“ (Hiervon OLG). Daran fehlt es.

a) Vorliegend ist der Antragsteller seit knapp 35 Jahren für Geschädigte des Oktoberfestattentats tätig. Für seine Tätigkeit im vorliegenden Verfahren werde er im Jahre 2008 – mithin vor 9 Jahren (erneut) mandatiert. Nach eigenen Angaben hat er für seine Tätigkeit während des gesamten Zeitraumes keine Zahlungen erhalten. Bereits aus diesem Grund erscheint es für ihn nicht unzumutbar, die – nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens allerdings naheliegende – Festsetzung einer Pauschgebühr abzuwarten.

b) Ein Vorschuss ist ein Ausgleich dafür, dass der Pflichtverteidiger während er das Pflichtverteidigermandat bearbeiten muss, keine oder nur unbedeutende Umsätze erzielen kann (zit. BverfG, B. v. vom 01. Juni 2011 – 1 BvR 3171/10 – dort Rn. 37, juris) und dadurch in eine wirtschaftlich existenzgefährdete Lage gerät. Der Staat darf den hoheitlich in Anspruch genommenen Pflichtverteidiger nicht sehenden Auges in eine existenzgefährdete Situation bringen, indem er ihm den Vorschuss auf die mit Sicherheit zu erwartende Pauschvergütung vorenthält und ihn auf eigene Anstrengungen zur Beseitigung der Existenzgefährdung verweist (zit. BverfG a.a.O. Rn 39). Der Senat hält daher – unabhängig davon, ob eine reale „Existenzgefährdung“ verlangt werden kann – jedenfalls Angaben des Antragstellers zu erheblichen Einschränkungen seiner wirtschaftschaftlichen Tätigkeit als Rechtsanwalt, die er durch die Ausübung seines Pflichtmandates erlitten hat, für geboten. Trotz eines entsprechenden Hinweises an den Antragsteller vom 08.02.2017 fehlt es daran vorliegend jedoch vollständig. Aus den vom Antragsteller vorgetragenen und glaubhaft gemachten bisherigen Tätigkeiten (mindestens 880 Stunden), entsprechend 110 Arbeitstage in 34 Jahren) ergibt sich jedenfalls keine Belastung, die ihn währenddessen an der Übernahme und Bearbeitung anderer Mandate nachhaltig und auf Dauer gehindert hätte.

c) Auch die Höhe des beantragten hohen Vorschusses geht im Übrigen fehl, da dieser die letztlich zu erwartende Pauschgebühr nicht überschreiten darf.

Eine solche ist zwar angesichts des exorbitanten Umfanges des überaus bedeutsamen Verfahrens und des glaubhaft gemachten, hohen Aufwandes des Antragstellers zu erwarten. Eine Pauschgebühr wird wegen der Vorschrift des § 42 Abs. 1 S. 4 RVG jedoch in der Regel das Doppelte der dem Wahlbestand zustehenden Höchstgebühren nicht überschreiten können. Der Senat ist der Auffassung, dass die gesetzlich vorgesehene Höchstgrenze einer Pauschgebührenfestsetzung für Wahlverteidiger – nämlich ohne Verdoppelung der Höchstgebühren – für Pflichtverteidiger (und –beistände) grundsätzlich nicht überschritten werden kann. Immerhin ist die Bestellung zum Pflichtverteidiger eine besondere Form der Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken. Dass der Vergütungsanspruch des Pflichtverteidigers unter den Rahmengebühren des Wahlverteidigers liegt, ist durch einen gemeinwohlorientierten Interessenausgleich gerechtfertigt, sofern die Grenze der Zumutbarkeit für den Pflichtverteidiger gewahrt ist. (vgl. BverfG, 06.11.1984, 2 BvL16/83, BverfGE 66, 237 253 ff. Hervorh. OLG). Daraus folgt nach Auffassung des Senats, dass der Pflichtverteidiger und der bestellte Beistand jedenfalls besser als Wahlverteidiger (anders als Pflichtverteidiger) gem. § 3a RVG eine höhere Vergütung vereinbaren können (Burhoff in Gerold/Schmitt, Komm. zum RVG, 22. Aufl., Rn. 41 zu § 51 m.w.N.), bei außergewöhnlich umfangreichen Verfahren auch vereinbaren werden und notfalls ein wirtschaftlich unzumutbares Wahlmandat beenden können. Vorliegend hat der Antragsteller jedoch – obwohl er vor seiner erst im Jahr 2016 erfolgten Bestellung über Jahrzehnte für eine Vielzahl von Mandaten tätig war – von einer solchen Vergütungsvereinbarung abgesehen und damit zu erkennen gegeben, dass ihm – jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt – die durch § 42 Abs. 1 S. 1 RVG beschränkten Maximalgebühren ausreichen.

Soweit der Antragsteller - wie bereits oben erwähnt - in seinem Antrag vom 28.04.2016 Berechnungen über geleistete Arbeitsstunden anstellt und daraus (fiktive) Verhandlungs- bzw. Arbeitstage ableitet, die er in Anlehnung an die Gebührenordnung abrechnet und zum Ausgangspunkt seiner Forderung macht, ist auf folgendes hinzuweisen: Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kommt bei der Festsetzung von Pauschgebühren eine Abrechnung nach aufgewendeter Arbeitszeit, die von zahlreichen Unwägbarkeiten und individuellen Faktoren beeinflusst sein kann nicht in Betracht. Die Arbeitszeit kann vielmehr nur Indiz für Umfang und Schwierigkeit des Verfahrens sein, nicht aber unmittelbarer Maßstab für die Entscheidung über die Bewilligung einer Pauschvergütung (BGH Rpfleger 1996, 169 Rdn. 9 nach juris) Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz will zwar im Gegensatz zur Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung den Zeitaufwand des Rechtsanwalts stärker berücksichtigen. Es hat aber nicht Zeithonorare eingeführt, sondern es grundsätzlich bei Betragsrahmengebühren belassen (vgl. OLG Hamm Beschluss vom 13.03.2013 – 5 RVGs 108/12, Rdn. 19 nach juris) und lediglich bei den Terminsgebühren hinsichtlich der Zeitdauer der Hauptverhandlungstermine Abstufungen eingeführt (zit. OLG Nürnberg, Beschluss vom 30. Dezember 2014 – 2 AR 36/14 – juris).

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht München Beschluss, 01. Juni 2017 - 1 AR 209/17-1 AR 222/17

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Referenzen - Gesetze

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 51 Festsetzung einer Pauschgebühr


(1) In Strafsachen, gerichtlichen Bußgeldsachen, Verfahren nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, in Verfahren nach dem IStGH-Gesetz, in Freiheitsentziehungs- und Unterbringungssachen sowie in Verfahren nach § 151 Nummer

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 3a Vergütungsvereinbarung


(1) Eine Vereinbarung über die Vergütung bedarf der Textform. Sie muss als Vergütungsvereinbarung oder in vergleichbarer Weise bezeichnet werden, von anderen Vereinbarungen mit Ausnahme der Auftragserteilung deutlich abgesetzt sein und darf nicht in

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 42 Feststellung einer Pauschgebühr


(1) In Strafsachen, gerichtlichen Bußgeldsachen, Verfahren nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, in Verfahren nach dem IStGH-Gesetz, in Freiheitsentziehungs- und Unterbringungssachen sowie in Verfahren nach § 151 Nummer
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Tenor 1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 28. Oktober 2010 - 1 ARs 40/10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Be

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(1) In Strafsachen, gerichtlichen Bußgeldsachen, Verfahren nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, in Verfahren nach dem IStGH-Gesetz, in Freiheitsentziehungs- und Unterbringungssachen sowie in Verfahren nach § 151 Nummer 6 und 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist dem gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte auf Antrag eine Pauschgebühr zu bewilligen, die über die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis hinausgeht, wenn die in den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit nicht zumutbar sind. Dies gilt nicht, soweit Wertgebühren entstehen. Beschränkt sich die Bewilligung auf einzelne Verfahrensabschnitte, sind die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis, an deren Stelle die Pauschgebühr treten soll, zu bezeichnen. Eine Pauschgebühr kann auch für solche Tätigkeiten gewährt werden, für die ein Anspruch nach § 48 Absatz 6 besteht. Auf Antrag ist dem Rechtsanwalt ein angemessener Vorschuss zu bewilligen, wenn ihm insbesondere wegen der langen Dauer des Verfahrens und der Höhe der zu erwartenden Pauschgebühr nicht zugemutet werden kann, die Festsetzung der Pauschgebühr abzuwarten.

(2) Über die Anträge entscheidet das Oberlandesgericht, zu dessen Bezirk das Gericht des ersten Rechtszugs gehört, und im Fall der Beiordnung einer Kontaktperson (§ 34a des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz) das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk die Justizvollzugsanstalt liegt, durch unanfechtbaren Beschluss. Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung zuständig, soweit er den Rechtsanwalt bestellt hat. In dem Verfahren ist die Staatskasse zu hören. § 42 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Absatz 1 gilt im Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde entsprechend. Über den Antrag nach Absatz 1 Satz 1 bis 3 entscheidet die Verwaltungsbehörde gleichzeitig mit der Festsetzung der Vergütung.

Tenor

1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 28. Oktober 2010 - 1 ARs 40/10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

2. ...

3. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 16.000 € (in Worten: sechzehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, wendet sich gegen einen Beschluss, mit dem das Oberlandesgericht ihm die Bewilligung eines Vorschusses auf die zu erwartende Pauschgebühr für seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger in einem Strafverfahren vor dem Amtsgericht versagt hat.

2

1. a) Einem als Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalt ist gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte auf Antrag eine Pauschgebühr zu bewilligen, die über die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis (RVG-VV) hinausgeht, wenn die in den Teilen 4 bis 6 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit nicht zumutbar sind. Auf Antrag ist außerdem ein angemessener Vorschuss zu bewilligen, wenn dem Pflichtverteidiger insbesondere wegen der langen Dauer des Verfahrens und der Höhe der zu erwartenden Pauschgebühr nicht zugemutet werden kann, die Festsetzung der Pauschgebühr abzuwarten (§ 51 Abs. 1 Satz 5 RVG).

3

b) Der Beschwerdeführer war in zwei umfangreichen Strafverfahren als Pflichtverteidiger tätig.

4

aa) Am 8. April 2009 ordnete das Landgericht den Beschwerdeführer in einem Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung einem von mehreren Angeklagten als Pflichtverteidiger bei. Sein Mandant befand sich in Untersuchungshaft und war der deutschen Sprache nur eingeschränkt mächtig. Der Beschwerdeführer nahm Akteneinsicht in die Ermittlungsakte und die Beiakten; diese waren ihm auf Datenträgern übermittelt worden und mussten zunächst in das PDF-Format konvertiert werden, was etwa vier Stunden dauerte. Um die Ermittlungsakte, die nach der Konvertierung 7.732 Seiten umfasste, durchzuarbeiten, benötigte der Beschwerdeführer überschlägig etwa 129 Stunden. Während des Ermittlungsverfahrens stellte er außerdem eigene Ermittlungen zum Verbleib entlastender Unterlagen an und hielt mehrere telefonische und persönliche Besprechungen mit seinem Mandanten und dessen Ehefrau sowie mit den Verteidigern anderer Mitbeschuldigter ab. Außerdem beantragte er Telefon- und Besuchserlaubnisse und eine Haftprüfung, nahm an Haftprüfungsterminen teil, führte das Haftbeschwerdeverfahren durch und besuchte seinen Mandanten mindestens viermal in der Justizvollzugsanstalt. Aufgrund der Ermittlungsakte, die inzwischen aus vier Postkisten mit Aktenbänden und aus drei Umzugskisten mit Telekommunikationsüberwachungsprotokollen - insgesamt 55 Leitzordnern, Akten, Beiakten und Heften mit einem Gesamtumfang von 16.587 Seiten - bestand, hat die Staatsanwaltschaft im Dezember 2009 eine 124 Seiten umfassende Anklage zum Landgericht erhoben. Der Beschwerdeführer ließ, nachdem er nochmals die Akte eingesehen hatte, insgesamt 16.587 Kopien herstellen. Der Beschwerdeführer benötigte nach eigenen Angaben etwa 216 Stunden, um die Akte durchzuarbeiten. Während des Eröffnungsverfahrens arbeitete er die Anklageschrift durch, korrespondierte mit Verteidigern der Mitangeklagten und hielt mehrere Besprechungen mit seinem Mandanten.

5

Neben einer Auslagen- und Dokumentenpauschale von 2.427,66 € erhielt er einen Vorschuss auf seine für das Ermittlungsverfahren gesetzlich vorgesehene Pflichtverteidigervergütung in Höhe von 952,72 €. Sein Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung in Höhe von 5.000 € für das vorbereitende Verfahren und auf Bewilligung eines Vorschusses auf die Pauschvergütung in Höhe von 8.000 € ist bislang noch nicht beschieden worden.

6

bb) Am 11. Mai 2010 hat zudem das Amtsgericht den Beschwerdeführer in einem weiteren Strafverfahren einem von mehreren Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet, nachdem gegen sie eine 28 Seiten umfassende Anklage wegen gemeinschaftlicher Begehung der Straftat des Vorenthaltens und der Veruntreuung von Arbeitsentgelt zugestellt worden war. Der Beschwerdeführer nahm daraufhin Akteneinsicht in die Ermittlungsakte nebst Beiakten, die aus acht Umzugskartons mit 65 Leitzordnern besteht, und ließ hiervon 25.142 Kopien fertigen. Hierfür erhielt er eine Dokumentenpauschale von 4.059,92 €. Für die Lektüre der Akten benötigte der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben überschlägig etwa 410 Stunden. Weitere Arbeitszeit fiel an, als er die Anklageschrift durcharbeitete und Besprechungen mit dem Angeklagten durchführte. Am 30. August 2010 hat er die Bewilligung eines Vorschusses auf die zu erwartende Pauschvergütung für das Verfahren in Höhe von 16.000 € beantragt. Die Bezirksrevisorin ist der Ansicht, ihm sei allenfalls ein Vorschuss in Höhe von 396 € zu bewilligen. Ein Hauptverhandlungstermin ist in dem Verfahren noch nicht bestimmt worden.

7

cc) Der große Umfang der beiden Pflichtverteidigermandate brachte es mit sich, dass der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben nur etwas mehr als die Hälfte der von ihm erbrachten wöchentlichen durchschnittlichen Arbeitszeit von 50 Stunden aufwenden konnte, um andere Mandate zu bearbeiten und um seinen Kanzleibetrieb aufrecht zu erhalten. In seiner übrigen Arbeitszeit und darüber hinaus auch in seiner Freizeit, an Wochenenden und an Feiertagen bearbeitete er die Pflichtverteidigermandate.

8

dd) Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kanzlei des Beschwerdeführers entwickelten sich wie folgt: Von Januar bis August 2010 erwirtschaftete er einen Umsatz von 101.593 €, das Betriebsergebnis betrug 30.400 €. Seine Einnahmen und sein Betriebsergebnis in den Vorjahren waren höher: Im gleichen Zeitraum im Jahr 2009 hatte er einen Umsatz von 124.579 € und ein Betriebsergebnis von 58.411 € erwirtschaftet, im gesamten Jahr 2009 einen Umsatz von 187.405 € und ein Betriebsergebnis von 106.330 €. Im Jahr 2008 erzielte der Beschwerdeführer einen Gesamtumsatz von 182.130 € und ein Betriebsergebnis von 77.134 €; von Januar bis August 2008 betrugen der Umsatz 126.598 € und das Betriebsergebnis 55.490 €. Von Januar bis August 2007 erzielte er einen Umsatz von 102.732 € und ein Betriebsergebnis von 34.739 €. Im gesamten Jahr 2007 erzielte er einen Umsatz von 161.772 € und ein Betriebsergebnis von 56.178 €. Der Umsatz im Jahr 2006, seinem ersten Betriebsjahr, betrug 198.637 €, das Betriebsergebnis 94.855 €. Von Januar bis August 2006 erwirtschaftete der Beschwerdeführer einen Umsatz von 137.672 € und ein Betriebsergebnis von 73.633 €.

9

Dem Beschwerdeführer gelang es nicht, die finanziellen Einbußen zu überbrücken. Eine entsprechende Darlehensanfrage bei einer Bank wurde mit Blick auf die derzeit rückläufige Entwicklung der wirtschaftlichen Situation seiner Kanzlei abschlägig beschieden. Eine weitere Darlehensanfrage blieb ebenfalls erfolglos, obwohl eine andere Bank ihm - gegen Einräumung umfassender, die Kreditsumme um mehr als 100% übersteigender Sicherheiten - die Übernahme einer Bürgschaft in Aussicht gestellt hatte. Der Beschwerdeführer konnte fällige Steuern zunächst nur verspätet und zuletzt gar nicht mehr zahlen. Bei Einlegung der Verfassungsbeschwerde im November 2010 belief sich die Höhe der ausstehenden Steuerschulden einschließlich Säumniszuschlägen und sonstiger Nebenkosten auf nahezu 10.000 €. Das Finanzamt hat wegen der Steuerschulden bereits seine Ansprüche auf Zahlung der Pauschvergütung in den beiden Strafverfahren gepfändet. Der Beschwerdeführer musste außerdem inzwischen das Angestelltenverhältnis mit seiner Ehefrau aus betriebsbedingten Gründen kündigen.

10

c) Durch Beschluss vom 28. Oktober 2010 hat das Oberlandesgericht den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung eines Vorschusses auf die zu erwartende Pauschvergütung für seine Pflichtverteidigung im Verfahren vor dem Amtsgericht zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dem Antrag könne zur Zeit nicht entsprochen werden. Zwar sei der Aktenumfang mit weit über 24.000 Blatt außerordentlich umfangreich. Jedoch sei zu einer besonderen Schwierigkeit der Sache nicht ausreichend vorgetragen. Allerdings sei grundsätzlich die Gewährung einer Pauschgebühr bereits wegen des besonderen Umfangs des Verfahrens möglich. Bislang habe außer der Zustellung der Anklage und der Beiordnung des Beschwerdeführers nichts Verfahrensförderndes geschehen können; insbesondere seien noch keine Hauptverhandlungstermine bestimmt oder abgesprochen worden. Es gebe keinerlei Hinweise darauf, wie viele Hauptverhandlungstermine zur Urteilsfindung notwendig werden könnten. Der Umfang einer etwaigen Pauschvergütung für die erste Instanz lasse sich zur Zeit in keiner Weise abschätzen. Nachdem das Verfahren bisher nicht weiter habe gefördert werden können, habe der Beschwerdeführer, der nach eigenem Vortrag regelmäßig mindestens 50 Stunden pro Woche arbeite, ausreichend Zeit gehabt, auch andere Mandate zu übernehmen und zu bearbeiten. Damit sei es ihm zumutbar, die Festsetzung der Pauschgebühr abzuwarten. Mit weiterem Verfahrensfortgang sei sein tatsächlicher Aufwand besser zu überblicken. Ein Ausscheiden des Beschwerdeführers als Pflichtverteidiger, das eine Abrechnung erforderlich erscheinen ließe, stehe nicht in Rede.

11

2. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Der Beschluss verletze ihn in seiner Berufsfreiheit, weil seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger, die er aufgrund hoheitlicher Indienstnahme erbringe, nicht angemessen vergütet werde. Die Annahme des Oberlandesgerichts, er hätte die als Pflichtverteidiger zu erbringenden Leistungen neben seiner sonstigen beruflichen Tätigkeit erbringen können, gehe fehl. Er persönlich und seine Kanzleikräfte seien erheblich durch die Pflichtverteidigermandate beansprucht worden. Die hierdurch eingeschränkte Möglichkeit, andere Mandate zu übernehmen und weitere Einkünfte zu erzielen, habe zu erheblichen finanziellen Einbußen geführt und sich auch nachhaltig auf die existenziellen Lebensgrundlagen seiner gesamten Familie einschließlich seiner drei minderjährigen Kinder ausgewirkt. Falls die zu erwartende Pauschvergütung nicht festgesetzt und zur Auszahlung gebracht werde, sei er in seiner Existenz bedroht und müsse sogar mit einem Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft rechnen, weil ihm in diesem Falle Vermögensverfall drohe. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass der Stundensatz von etwa 40 €, den er angesetzt habe, nicht einmal ansatzweise kostendeckend sei.

12

3. Das Sächsische Staatsministerium hat von der Möglichkeit, eine Stellungnahme abzugeben, keinen Gebrauch gemacht. Sowohl die Bundesrechtsanwaltskammer als auch der Deutsche Anwaltverein e.V. halten die Verfassungsbeschwerde für begründet.

13

4. Die Akte des Verfahrens vor dem Amtsgericht lag vor.

II.

14

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b in Verbindung mit § 93b Satz 1 BVerfGG zur Entscheidung an und gibt ihr gemäß § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG statt. Ihre Annahme ist zur Durchsetzung der Berufsfreiheit des Beschwerdeführers (Art. 12 Abs. 1 GG) angezeigt.

15

1. Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Der Beschluss des Oberlandesgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seiner Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG.

16

a) Auslegung und Anwendung der Bestimmungen des einfachen Rechts durch die Fachgerichte können vom Bundesverfassungsgericht - abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot - nur darauf überprüft werden, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der betroffenen Grundrechte, insbesondere vom Umfang ihres Schutzbereichs, beruhen (stRspr; vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>).

17

b) Das Oberlandesgericht hat bei seiner Auslegung des § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG Bedeutung und Tragweite der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) des Beschwerdeführers verkannt. Es enthält ihm die von Verfassungs wegen gebotene Vergütung für seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger vor und schränkt dadurch seine Berufsausübungsfreiheit unverhältnismäßig ein.

18

aa) Die Bestellung eines Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger ist eine besondere Form der Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken. In Strafsachen besonderen Umfangs, die die Arbeitskraft des Pflichtverteidigers für längere Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch nehmen, ohne dass er sich dieser Belastung entziehen könnte, gewinnt die Höhe des Entgelts für den betroffenen Rechtsanwalt existenzielle Bedeutung. Das Grundrecht auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) gebietet in besonders umfangreichen oder besonders schwierigen Verfahren, der Inanspruchnahme des Pflichtverteidigers Rechnung zu tragen und ihn entsprechend zu vergüten (vgl. BVerfGE 47, 285 <321 f.>; 68, 237 <255>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. August 2005 - 2 BvR 896/05 -, NJW 2005, S. 3699). Die Grenze der Zumutbarkeit muss gewahrt bleiben, wenn der Anspruch des Pflichtverteidigers auf Auslagenerstattung im Interesse des Gemeinwohls an einer Einschränkung des Kostenrisikos begrenzt wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Oktober 2008 - 2 BvR 1173/08 -, juris, Rn. 9).

19

Art. 12 Abs. 1 GG gebietet weiter, dem Pflichtverteidiger einen (angemessenen) Vorschuss zu zahlen, wenn das Strafverfahren lange dauert, die höhere Pauschgebühr mit Sicherheit zu erwarten ist und es für den Verteidiger unzumutbar ist, die Festsetzung der endgültigen Pauschgebühr abzuwarten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. August 2005 - 2 BvR 896/05 -, a.a.O.).

20

bb) Die Bewilligung eines Vorschusses auf die Pauschgebühr für den Beschwerdeführer ist - gemessen an diesen Kriterien - verfassungsrechtlich geboten. Das Strafverfahren wird voraussichtlich lange Zeit dauern, die höhere Pauschgebühr ist mit Sicherheit zu erwarten, und dem Beschwerdeführer ist nicht zuzumuten, die Festsetzung der endgültigen Pauschgebühr abzuwarten.

21

(1) Es ist davon auszugehen, dass das Verfahren lange dauern wird. Nach dem Beschwerdevorbringen ist noch kein Hauptverhandlungstermin bestimmt worden. Die Zahl der Verhandlungstage ist ebenfalls ungewiss.

22

Diese Ungewissheiten dürfen sich entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts nicht zuungunsten des Beschwerdeführers auswirken. Denn es kann nicht zu seinen Lasten gehen, wenn das Verfahren über einen nicht unerheblichen Zeitraum - hier seit Zustellung der Anklage im Mai 2010 - keinen Fortgang nimmt und der weitere Verfahrensablauf nicht im Einzelnen prognostizierbar ist. Der Staat darf sich - wie zu Art. 19 Abs. 4 GG anerkannt ist - nicht zu Lasten des Beschwerdeführers auf Umstände berufen, die - wie die unterlassene Förderung des Verfahrens - im staatlichen Verantwortungsbereich liegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 -, juris, Rn. 11; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Oktober 2003 - 1 BvR 901/03 -, NVwZ 2004, S. 334 <335>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. September 2009 - 1 BvR 1304/09 -, juris, Rn. 14).

23

(2) Es ist mit Sicherheit zu erwarten, dass der Beschwerdeführer eine Pauschvergütung erhalten wird.

24

Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ist einem Pflichtverteidiger eine Pauschvergütung zu bewilligen, wenn ihm die gesetzlichen Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder - alternativ - der besonderen Schwierigkeit des Verfahrens nicht zumutbar sind.

25

Würde der Beschwerdeführer die gesetzlichen Gebühren bekommen, erhielte er für seine bisherige Tätigkeit von etwa 410 Stunden für das Verfahren vor dem Amtsgericht lediglich eine Grundgebühr in Höhe von 132 € (Nr. 4100 RVG-VV) und eine Verfahrensgebühr in Höhe von 112 € (Nr. 4106 RVG-VV), insgesamt 244 €. Da die Grundgebühr und die Verfahrensgebühr des beigeordneten Rechtsanwalts als Festgebühren ausgestaltet sind, kann die besonders umfangreiche Tätigkeit des Beschwerdeführers nicht durch eine Erhöhung der gesetzlichen Gebühren berücksichtigt werden. Darüber hinaus könnte er noch für jeden Verhandlungstag eine Terminsgebühr in Höhe von 184 € beanspruchen (Nr. 4108 RVG-VV).

26

Dies ist ihm nicht zumutbar, da diese Vergütung in keinem Verhältnis zu seinen bis jetzt erbrachten umfangreichen Leistungen steht.

27

Für die Beantwortung der Frage, ob dem Beschwerdeführer zuzumuten ist, seine bislang erbrachten Leistungen nach den gesetzlichen Gebühren zu vergüten, kommt es nicht darauf an, wie viele Verhandlungstage zu erwarten sind und wie viele Terminsgebühren zu jeweils 184 € (Nr. 4108 RVG-VV) der Beschwerdeführer verdienen wird. Die Terminsgebühr soll nur die - noch zu erbringende - Tätigkeit des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung vergüten, nicht aber seine bereits erbrachten Leistungen außerhalb der Hauptverhandlung. Der Beschwerdeführer verlangt aber lediglich einen Vorschuss auf seine Pauschvergütung für die bereits erbrachten Leistungen; er verlangt keinen Vorschuss auf die Terminsgebühr.

28

Da die Prognose schon jetzt möglich ist, dass die gesetzlichen Gebühren die bisherige Tätigkeit des Beschwerdeführers in unzumutbarer Weise vergüten würden und er deshalb eine Pauschvergütung erhalten wird, kommt es entgegen der Argumentation des Oberlandesgerichts auch nicht darauf an, ob die Höhe der zu erwartenden Pauschgebühr zu einem späteren Zeitpunkt einfacher zu prognostizieren sein wird, weil sich dann die zu erwartende Höhe der Pauschvergütung insgesamt - einschließlich der Terminsgebühren - besser überblicken lasse. Bereits jetzt ist eine Schätzung möglich, weil der Umfang der bereits erbrachten Leistungen schon feststeht und als Schätzungsgrundlage dienen kann.

29

(3) Dem Beschwerdeführer ist nicht zuzumuten, abzuwarten, bis die Pauschvergütung nach Abschluss des Verfahrens festgesetzt wird.

30

Ob sich die Unzumutbarkeit allein schon daraus ergibt, dass der Beschwerdeführer zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung seines Pflichtmandats in dem Verfahren vor dem Amtsgericht gezwungen war, umfangreiche Vorleistungen (ca. 410 Arbeitsstunden) zu erbringen, kann dahinstehen. Die Unzumutbarkeit ergibt sich jedenfalls daraus, dass die Zahlung eines angemessenen Vorschusses auf die Pauschvergütung erforderlich ist, um die durch die Übernahme des Pflichtverteidigermandats verursachte Existenzgefährdung abzuwenden; denn der Beschwerdeführer kann diese nicht in absehbarer Zeit aus eigener Kraft abwenden, ohne dass ihm dies vorzuwerfen wäre.

31

(a) Der Beschwerdeführer hat durch die ausgesprochen große Arbeitsbelastung aufgrund des Pflichtverteidigermandats erhebliche finanzielle Einbußen erlitten. Er hat detailliert dargelegt, dass sich seine Umsätze und sein Betriebsergebnis im Vergleich zu entsprechenden Zeiträumen in den Vorjahren deutlich verringert haben, seit er das Pflichtverteidigermandat übernommen hatte. Seine Ausführungen genügen den Anforderungen an die für diese Prüfung erforderliche konkrete Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben seines Kanzleibetriebs (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 10. Januar 2007 - 2 BvR 2592/06 -, NJW 2007, S. 1445).

32

Diese Verschlechterung der finanziellen Situation ist - was das Oberlandesgericht nicht berücksichtigt hat - für den Beschwerdeführer existenzgefährdend. Ihm drohen, wenn er den beantragten Vorschuss auf die Pauschvergütung nicht erhält, nicht nur gravierende finanzielle Nachteile, sondern auch der Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 der Bundesrechtsanwaltsordnung). Darüber hinaus sind seine Lebensgrundlagen und die seiner Familie gefährdet, wenn er den Vorschuss nicht erhält.

33

(b) Der Beschwerdeführer konnte diese finanziellen Einbußen nicht aus eigener Kraft abmildern. Zwei Kreditanfragen blieben erfolglos, die zweite sogar, obwohl eine andere Bank ihm die Übernahme einer Bürgschaft in Aussicht gestellt hatte.

34

Er konnte seine finanzielle Situation auch nicht mittels eines Vorschusses auf seine Pauschvergütung in dem umfangreichen Verfahren vor dem Landgericht verbessern, in dem er ebenfalls als Pflichtverteidiger beigeordnet ist. Auch insoweit hat der Beschwerdeführer noch keinen Vorschuss auf seine Pauschvergütung erhalten; sein Antrag ist noch nicht beschieden worden. Er hat lediglich eine Dokumentenpauschale und einen Vorschuss auf die gesetzliche Vergütung erhalten.

35

(c) Dem Beschwerdeführer ist nicht vorzuwerfen, dass er in eine existenzgefährdende Lage geraten ist. Anhaltspunkte dafür, dass die geringeren Einnahmen auch durch ein schlechtes Kanzleimanagement bedingt sind, liegen nicht vor. Seine Einnahmen haben sich nur deshalb verringert, weil er in der Zeit, als er die Pflichtverteidigermandate bearbeiten musste, weniger Mandate übernehmen und führen konnte als zuvor. Dagegen hatte er nach wie vor Ausgaben, da er weiterhin seinen Kanzleibetrieb aufrechterhalten musste.

36

(d) Nicht zu folgen ist der Ansicht des Oberlandesgerichts, der Beschwerdeführer könne sich jetzt, wenn das Verfahren ohnehin nicht betrieben werde, um neue Mandate bemühen und dadurch wieder Einnahmen erzielen.

37

Zwar kann der Beschwerdeführer dies in der Tat. Darauf kommt es indessen nicht an. Entscheidend ist, dass der Beschwerdeführer in der Zeit, in der er die Pflichtverteidigermandate bearbeiten musste, weniger Mandate als sonst bearbeiten und dadurch auch nur weniger Einnahmen erzielen konnte. Der Vorschuss ist ein Ausgleich dafür, dass der Pflichtverteidiger, während er das Pflichtverteidigermandat bearbeiten muss, keine oder nur unbedeutende Umsätze erzielen kann. Die Zeit, in der er die Pflichtverteidigermandate bearbeitete und deshalb weniger Mandate als sonst übernehmen und bearbeiten konnte, ist nicht nachholbar.

38

(e) Die Unzumutbarkeit, die Festsetzung der Pauschvergütung nach Abschluss des Verfahrens abzuwarten, ergibt sich des Weiteren daraus, dass ungewiss ist, wann das Verfahren vor dem Amtsgericht endet und wann die Pauschvergütung festgesetzt wird, der Beschwerdeführer sich aber jetzt schon in einer unverschuldeten existenzgefährdenden Lage befindet.

39

(f) Nach allem erscheint die Verweigerung eines Vorschusses auf eine zu erwartende Pauschgebühr für das Verfahren vor dem Amtsgericht im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG nicht mehr vertretbar. Der aus der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) folgende Grundsatz der angemessenen Vergütung der hoheitlich in Anspruch genommenen Privatperson gebietet es, dass der Staat durch die Zahlung eines Vorschusses auf die Pauschvergütung eine drohende Existenzgefährdung eines Pflichtverteidigers abwendet und ihn nicht auf eigene Anstrengungen verweist, wenn die Existenzgefährdung allein durch seine hohe Arbeitsbelastung als Pflichtverteidiger verursacht worden war. Der Staat darf den hoheitlich in Anspruch genommenen Pflichtverteidiger nicht sehenden Auges in eine existenzgefährdende Situation bringen, indem er ihm den Vorschuss auf die mit Sicherheit zu erwartende Pauschvergütung vorenthält und ihn auf eigene Anstrengungen zur Beseitigung der Existenzgefährdung verweist.

40

2. Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 28. Oktober 2010 ist gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben, ohne dass es noch auf die weiter erhobenen Rügen ankommt. Die Sache ist an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.

41

3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

42

4. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 16.000 € festgesetzt (§ 37 Abs. 2 RVG).

(1) In Strafsachen, gerichtlichen Bußgeldsachen, Verfahren nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, in Verfahren nach dem IStGH-Gesetz, in Freiheitsentziehungs- und Unterbringungssachen sowie in Verfahren nach § 151 Nummer 6 und 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit stellt das Oberlandesgericht, zu dessen Bezirk das Gericht des ersten Rechtszugs gehört, auf Antrag des Rechtsanwalts eine Pauschgebühr für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte durch unanfechtbaren Beschluss fest, wenn die in den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses bestimmten Gebühren eines Wahlanwalts wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit nicht zumutbar sind. Dies gilt nicht, soweit Wertgebühren entstehen. Beschränkt sich die Feststellung auf einzelne Verfahrensabschnitte, sind die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis, an deren Stelle die Pauschgebühr treten soll, zu bezeichnen. Die Pauschgebühr darf das Doppelte der für die Gebühren eines Wahlanwalts geltenden Höchstbeträge nach den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses nicht übersteigen. Für den Rechtszug, in dem der Bundesgerichtshof für das Verfahren zuständig ist, ist er auch für die Entscheidung über den Antrag zuständig.

(2) Der Antrag ist zulässig, wenn die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens rechtskräftig ist. Der gerichtlich bestellte oder beigeordnete Rechtsanwalt kann den Antrag nur unter den Voraussetzungen des § 52 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2, auch in Verbindung mit § 53 Absatz 1, stellen. Der Auftraggeber, in den Fällen des § 52 Absatz 1 Satz 1 der Beschuldigte, ferner die Staatskasse und andere Beteiligte, wenn ihnen die Kosten des Verfahrens ganz oder zum Teil auferlegt worden sind, sind zu hören.

(3) Der Senat des Oberlandesgerichts ist mit einem Richter besetzt. Der Richter überträgt die Sache dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern, wenn es zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.

(4) Die Feststellung ist für das Kostenfestsetzungsverfahren, das Vergütungsfestsetzungsverfahren (§ 11) und für einen Rechtsstreit des Rechtsanwalts auf Zahlung der Vergütung bindend.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten im Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde entsprechend. Über den Antrag entscheidet die Verwaltungsbehörde. Gegen die Entscheidung kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Für das Verfahren gilt § 62 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten.

(1) Eine Vereinbarung über die Vergütung bedarf der Textform. Sie muss als Vergütungsvereinbarung oder in vergleichbarer Weise bezeichnet werden, von anderen Vereinbarungen mit Ausnahme der Auftragserteilung deutlich abgesetzt sein und darf nicht in der Vollmacht enthalten sein. Sie hat einen Hinweis darauf zu enthalten, dass die gegnerische Partei, ein Verfahrensbeteiligter oder die Staatskasse im Falle der Kostenerstattung regelmäßig nicht mehr als die gesetzliche Vergütung erstatten muss. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für eine Gebührenvereinbarung nach § 34.

(2) In der Vereinbarung kann es dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer überlassen werden, die Vergütung nach billigem Ermessen festzusetzen. Ist die Festsetzung der Vergütung dem Ermessen eines Vertragsteils überlassen, so gilt die gesetzliche Vergütung als vereinbart.

(3) Ist eine vereinbarte, eine nach Absatz 2 Satz 1 von dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer festgesetzte oder eine nach § 4a für den Erfolgsfall vereinbarte Vergütung unter Berücksichtigung aller Umstände unangemessen hoch, kann sie im Rechtsstreit auf den angemessenen Betrag bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung herabgesetzt werden. Vor der Herabsetzung hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen; dies gilt nicht, wenn der Vorstand der Rechtsanwaltskammer die Vergütung nach Absatz 2 Satz 1 festgesetzt hat. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.

(4) Eine Vereinbarung, nach der ein im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt für die von der Beiordnung erfasste Tätigkeit eine höhere als die gesetzliche Vergütung erhalten soll, ist nichtig. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die ungerechtfertigte Bereicherung bleiben unberührt.

(1) In Strafsachen, gerichtlichen Bußgeldsachen, Verfahren nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, in Verfahren nach dem IStGH-Gesetz, in Freiheitsentziehungs- und Unterbringungssachen sowie in Verfahren nach § 151 Nummer 6 und 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit stellt das Oberlandesgericht, zu dessen Bezirk das Gericht des ersten Rechtszugs gehört, auf Antrag des Rechtsanwalts eine Pauschgebühr für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte durch unanfechtbaren Beschluss fest, wenn die in den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses bestimmten Gebühren eines Wahlanwalts wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit nicht zumutbar sind. Dies gilt nicht, soweit Wertgebühren entstehen. Beschränkt sich die Feststellung auf einzelne Verfahrensabschnitte, sind die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis, an deren Stelle die Pauschgebühr treten soll, zu bezeichnen. Die Pauschgebühr darf das Doppelte der für die Gebühren eines Wahlanwalts geltenden Höchstbeträge nach den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses nicht übersteigen. Für den Rechtszug, in dem der Bundesgerichtshof für das Verfahren zuständig ist, ist er auch für die Entscheidung über den Antrag zuständig.

(2) Der Antrag ist zulässig, wenn die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens rechtskräftig ist. Der gerichtlich bestellte oder beigeordnete Rechtsanwalt kann den Antrag nur unter den Voraussetzungen des § 52 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2, auch in Verbindung mit § 53 Absatz 1, stellen. Der Auftraggeber, in den Fällen des § 52 Absatz 1 Satz 1 der Beschuldigte, ferner die Staatskasse und andere Beteiligte, wenn ihnen die Kosten des Verfahrens ganz oder zum Teil auferlegt worden sind, sind zu hören.

(3) Der Senat des Oberlandesgerichts ist mit einem Richter besetzt. Der Richter überträgt die Sache dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern, wenn es zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.

(4) Die Feststellung ist für das Kostenfestsetzungsverfahren, das Vergütungsfestsetzungsverfahren (§ 11) und für einen Rechtsstreit des Rechtsanwalts auf Zahlung der Vergütung bindend.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten im Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde entsprechend. Über den Antrag entscheidet die Verwaltungsbehörde. Gegen die Entscheidung kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Für das Verfahren gilt § 62 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten.

Tenor

Herrn Rechtsanwalt M … wird für seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger des Angeklagten H … im Hauptverfahren vor dem Landgericht Amberg (Az.: 11 KLs 106 Js 11453/11) eine Pauschgebühr in Höhe von 9.700 € bewilligt.

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Antragsteller war zunächst aufgrund Vollmacht vom 04.03.2013 als Wahlverteidiger des seit 31.08.2012 in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten H … in einem gegen insgesamt drei Angeklagte wegen Einfuhr von bzw. unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vor dem Landgericht Amberg erstinstanzlich geführten Strafverfahren tätig.

Das Landgericht Amberg hat mit Beschlüssen vom 08.07.2013 die gegen den Angeklagten H … und die beiden Mitangeklagten getrennt erhobenen Anklagen der Staatsanwaltschaft Amberg zur Hauptverhandlung zugelassen, das Hauptverfahren eröffnet und die Verfahren gegen alle drei Angeklagten zur gemeinsamen Hauptverhandlung verbunden.

Der Antragsteller trat für den Angeklagten als Wahlverteidiger in der am 16.07.2013 begonnenen und sogleich wieder ausgesetzten Hauptverhandlung auf.

Am 17.10.2013 wurde er dem Angeklagten als weiterer Pflichtverteidiger bestellt und nahm als solcher an der am 22.10.2013 neu begonnenen und sogleich wieder ausgesetzten sowie am 23.10.2104 neu begonnenen und bis 04.02.2014 dauernden Hauptverhandlung an insgesamt 15 weiteren Hauptverhandlungstagen (nämlich am 22.10., 23.10., 11.11., 13.11., 20.11., 26.11., 03.12., 11.12., 17.12., 18.12.2013, 14.01., 15.01., 21.01., 28.01. und 04.02.2014) teil.

Daneben war dem Angeklagten H … Rechtsanwalt Dr. G … als weiterer Pflichtverteidiger beigeordnet. Die anderen beiden Angeklagten wurden ebenfalls durch je zwei Pflichtverteidiger verteidigt.

Bis zum Beginn der Hauptverhandlung betrug der Umfang der den Angeklagten H … betreffenden Hauptakten rund 2.000 Seiten, der die beiden Mitangeklagten betreffenden Hauptakten sowie Beiakten und Sonderbände weitere rund 15.000 Seiten. Hinzu kommen fast 34.000 Seiten Verschriftungen der Telekommunikationsüberwachung.

Die Strafkammer hatte ursprünglich 48 Verhandlungstage, beginnend mit dem 22.10.2013 angesetzt. Aufgrund einer Verfahrensabsprache konnte das Verfahren am 16. Hauptverhandlungstag nach Wiederbeginn am 23.10.2013 abgeschlossen werden.

Mit Schreiben vom 20.06.2014 beantragte der Antragsteller wegen des besonderen Umfangs und der besonderen Schwierigkeit des Verfahrens über die üblichen Gebühren hinaus (diese betragen ohne Auslagen und Umsatzsteuer 6.132 €, siehe unten II.2.a) gemäß § 51 Abs. 1 RVG eine Pauschvergütung von 25.000 € (ohne Auslagen und Umsatzsteuer). Er begründete dies mit dem Umfang der Verfahrens- und TKÜ-Akten. Den Angeklagten seien in der Justizvollzugsanstalt Computer zur Verfügung gestellt worden, um die umfangreichen Audiodateien der zumeist in russischer Sprache geführten Gespräche auszuwerten. Der Antragsteller habe die Resultate mit dem Angeklagten H … außerhalb der Hauptverhandlung in zeitraubender Weise erörtert und bearbeitet. Während des Verfahrens sei durch die Staatsanwaltschaft eine weitere Audio-CD mit Daten aus niederländischer Telekommunikationsüberwachung vorgelegt worden. Durch die Sichtung der TKÜ-Verschriftungen seien durch die Verteidigung und die Angeklagten selbst Verfahrensverstöße bei der Telekommunikationsüberwachung aufgedeckt worden, da z. B. Kernbereichsgespräche sowie Anwalts- und Verteidigergespräche abgehört und aufgezeichnet worden seien. Dies habe dazu geführt, dass eine verfahrensverkürzende Absprache getroffen werden konnte, durch die letztlich die Hauptverhandlung erheblich abgekürzt worden sei.

Die zu der beantragten Erhöhung der Gebühren angehörte Bezirksrevisorin bei dem Oberlandesgericht Nürnberg hat mit Schreiben vom 31.07.2014 beantragt, dem Antragsteller eine Pauschgebühr von nicht mehr als 6.700 € zu gewähren. Zur Begründung führt sie aus, dass aufgrund des Umfangs und der Schwierigkeit des Verfahrens die Festsetzung der Grundgebühr gemäß Nr. 4101 VV RVG auf 450 € und der Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4113 VV RVG auf 400 € - also jeweils in Höhe der Wahlverteidigerhöchstgebühr mit Zuschlag - angemessen aber auch ausreichend sei. Eine Erhöhung der Terminsgebühren sei nicht veranlasst, da sich der Umfang und die Schwierigkeit der Sache hierauf nicht auswirke. Die Dauer der Hauptverhandlungstermine werde durch die gesetzlichen Längenzuschläge ausgeglichen.

Der Antragsteller hat hierzu mit Schreiben vom 24.08.2014 Stellung genommen. Er führte unter anderem aus, seine Arbeitskraft sei während der Hauptverhandlung vom 22.10.2013 bis 04.02.2014 nahezu durchgängig an zwei Hauptverhandlungstagen pro Woche durch dieses Strafverfahren gebunden gewesen. Er habe darüber hinaus am Tag der Anreise, die etwa fünfeinhalb Stunden beansprucht habe, für andere Tätigkeiten nur halbtags zur Verfügung gestanden. Damit habe in etwa die Hälfte des monatlichen Umsatzes durch dieses Verfahren bestritten werden müssen, wofür die gesetzlichen Gebühren bei Weitem nicht ausgereicht hätten. Bei einem durchschnittlichen Monatsumsatz von 10.000 €, die erforderlich seien, um die Kosten und den Lebensstandard zu sichern, liege die erforderliche Nettovergütung in der Größenordnung von 17.500 €.

Zudem sei das Verfahren rechtlich schwierig gewesen und habe der äußerst umfangreichen Vorbereitung bedurft. Es sei eine sehr intensive Sockelverteidigung mit den Verteidigern aller Angeklagten geboten gewesen. Dies habe Besprechungen nach im Grunde jedem Hauptverhandlungstag zur Folge gehabt. Insgesamt habe die Vorbereitung der Hauptverhandlung etwa 20 Arbeitstage beansprucht, wobei diese wegen der zweimaligen Aussetzung zweimal habe vorbereitet werden müssen (nämlich vor dem 16.07.2014 und vor dem 22.10.2014). Für das Vorverfahren reiche aus diesem Grund die Höchstgebühr nicht aus. Die Besuche in der Justizvollzugsanstalt im Vorfeld der Hauptverhandlung, die Besprechungen mit dem Mitverteidiger und die unentbehrliche Auswertung der Telefonüberwachung rechtfertigten eine Gebühr in der Größenordnung von 7.500 €. Nur durch die rechtlich und tatsächlich intensive Beschäftigung der Verteidigung mit den aus der TK-Überwachung gewonnenen Beweisergebnissen habe letztlich eine weitgehend einvernehmliche und vor allem zeitige Beendigung des Verfahrens erreicht werden können. Auch sei zu bedenken, dass durch die Berücksichtigung der durch die Verteidigung hierbei nachgewiesenen Kernbereichsverletzung juristisches Neuland betreten worden sei. Mit einer Überschreitung der Regelgebühren um ca. 600 € sei es daher nicht getan.

Im Einzelnen wird auf die genannten Schreiben und die Stellungnahme der Bezirksrevisorin verwiesen.

Der Einzelrichter hat die Sache gemäß § 51 Abs. 2 Satz 4, § 42 Abs. 3 Satz 2 RVG auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, weil dies zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.

II.

Auf seinen nach § 51 Abs. 1 RVG statthaften und auch im Übrigen zulässigen Antrag ist dem Antragsteller eine Pauschgebühr von 9.700 € zu gewähren.

1. Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVG ist dem gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte auf Antrag eine Pauschgebühr zu bewilligen, die über die in den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Gebühren hinausgeht, wenn diese wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit nicht zumutbar sind.

Die Bewilligung einer Pauschgebühr soll nach dem Willen des Gesetzgebers, der mit dem am 01.07.2004 in Kraft getretenen Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vom 05.05.2004 (BGBl. I S. 718) die Vergütung der Rechtsanwälte insbesondere für den Bereich der Pflichtverteidigung erheblich verbessert hat, Ausnahmecharakter haben (BT-Drucks. 15/1971, S. 201, 202; OLG Frankfurt NStZ-RR 2009, 296 Rdn. 3 nach juris; OLG Hamm Beschlüsse vom 23.07.2012 - 5 RVGs 65/12, Rdn. 4 nach juris, und vom 13.03.2013 - 5 RVGs 108/12, Rdn. 47 nach juris; OLG Rostock NStZ-RR 2010, 326 Rdn. 13 nach juris m. w. N.; Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl., § 51 Rdn. 1, 10). Sinn und Zweck der Pauschgebühr nach neuem Recht ist es nicht, dem Verteidiger einen zusätzlichen Gewinn zu verschaffen; mit ihr soll nur eine unzumutbare Benachteiligung verhindert werden (Mayer/Kroiß, RVG 6. Aufl. § 51 Rdn. 2). Die anwaltliche Mühewaltung muss sich von sonstigen - auch überdurchschnittlichen Sachen - in exorbitanter Weise abheben (BGH StRR 2013, 39 Rdn. 5 nach juris; BGH StRR 2014, 198 Rdn. 5 nach juris). Allein der besondere Umfang und die besondere Schwierigkeit des Verfahrens rechtfertigen die Zubilligung einer Pauschgebühr noch nicht. Vielmehr ist nach dem Wortlaut des § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG zusätzlich erforderlich, dass dem Verteidiger die gesetzlichen Gebühren deshalb nicht zumutbar sind. Hierbei handelt es sich um eine inhaltliche Änderung der früheren Regelung des § 99 BRAGO. Danach konnte eine Pauschvergütung schon dann bewilligt werden, wenn der Pflichtverteidiger in einem „besonders schwierigen“ oder „besonders umfangreichen“ Verfahren tätig geworden war. Das zusätzliche Erfordernis der Unzumutbarkeit entspricht dem Willen des Gesetzgebers und ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (BVerfG NJW 2007, 3420 Rdn. 5 nach juris). Nach der Begründung zum Entwurf des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes sollte § 51 Abs. 1 RVG zwar im Wesentlichen der Vorgängernorm des § 99 Abs. 1 BRAGO entsprechen. Das neu aufgenommene Kriterium der Unzumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren sollte aber den praktischen Anwendungsbereich der Vorschrift einschränken und den Ausnahmecharakter der Regelung zum Ausdruck bringen (vgl. BT-Drucks. 15/1971 S. 201). Gerechtfertigt sollte dies deshalb sein, weil in das Gebührenverzeichnis neue Gebührentatbestände aufgenommen wurden, bei denen die zugrunde liegenden Tätigkeiten in der Vergangenheit häufig bei der Bewilligung der Pauschvergütung berücksichtigt worden seien. Als Beispiele nennt die Begründung (a. a. O. S. 201) die nunmehr neu geschaffenen Gebührentatbestände für die Teilnahme an Vernehmungen im Ermittlungsverfahren (Nr. 4102 Nr. 2 VV RVG) oder für die Teilnahme an Haftprüfungsterminen (Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG) - eine Vorverfahrensgebühr wurde bisher nur gewährt, wenn der Verteidiger an der Hauptverhandlung nicht teilnahm oder keine solche stattfand (§ 84 Abs. 1 BRAGO) - und die Zuschläge zur Terminsgebühr für mehr als fünf bzw. mehr als acht Stunden dauernde Hauptverhandlungstermine (vgl. etwa Nrn. 4116, 4117 VV RVG). Schließlich ist hier auch zu berücksichtigen, dass dem Pflichtverteidiger nach Nr. 4100 VV RVG neben der Verfahrensgebühr eine gesonderte Grundgebühr für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall zusteht, unabhängig davon, in welchem Verfahrensabschnitt sie erfolgt (vgl. OLG Saarbrücken, StRR 2012, 121 Rdn. 12 nach juris).

Gebührenanhebungen für Haftsachen und Erstattungen für Mandantenbesuche in der Justizvollzugsanstalt waren bereits nach altem Recht vorgesehen (vgl. § 97 Abs. 1 und 2 i. V. m. § 83 Abs. 3, § 28 Abs. 1 und 3 BRAGO). Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz gewährt für den Verteidiger eines nicht auf freiem Fuß befindlichen Beschuldigen Zuschläge zur Grundgebühr (Nr. 4101 VV RVG), Verfahrensgebühr (vgl. etwa Nr. 4113 VV RVG) und Terminsgebühr (vgl. etwa Nr. 4115 VV RVG) sowie für Besuche des Mandanten durch den Verteidiger in der Justizvollzugsanstalt einen Aufwandsersatz durch Fahrtkostenerstattung gemäß Nr. 7003 VV RVG und Abwesenheitsgeld gemäß Nr. 7005 VV RVG (vgl. OLG Saarbrücken StRR 2011, 121 Rdn. 18 nach juris). Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, in diesen Zuschlägen und Aufwandserstattungen einen angemessenen Ausgleich für den Umstand zu sehen, dass sich der Mandant des Pflichtverteidigers in Untersuchungshaft befindet (vgl. BVerfG NJW 2007, 3420 Rdn. 9 nach juris).

Der Gesetzgeber hält die Pauschvergütungsregelung des § 51 RVG trotz des eingeschränkten praktischen Anwendungsbereichs für erforderlich, weil sich nicht alle von den Oberlandesgerichten bei der Gewährung einer Pauschgebühr herangezogenen Umstände durch entsprechende gesetzliche Regelungen berücksichtigen lassen. § 51 RVG erfasse insbesondere noch die Fälle, in denen der Pflichtverteidiger im Ermittlungsverfahren in weit überdurchschnittlichem Ausmaß tätig geworden ist, so z. B. beim Studium besonders umfangreicher Akten und Beiakten oder bei umfangreichen sonstigen Tätigkeiten, die im Vergütungsverzeichnis nicht im Einzelnen geregelt werden können (BT-Drucks. 15/1971, S. 201).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verstößt eine den Ausnahmecharakter dieser Vorschrift betonende Auslegung nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG, weil auch bei ihr sichergestellt ist, dass der Pflichtverteidiger bei einem erbrachten „Sonderopfer“ eine zusätzliche Vergütung erhält (vgl. BVerfG NJW 2007, 3420 Rdn. 6 nach juris; so auch OLG Saarbrücken, StRR 2011, 121, Rdn. 7 nach juris).

2. Die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschvergütung nach § 51 RVG liegen vor.

Da erst der Vergleich der Erschwerung der Verteidigertätigkeit mit seinem gesetzlichen Gebührenanspruch die Bewertung zulässt, ob dem Verteidiger eine zusätzliche Vergütung gewährt werden muss (OLG Stuttgart Rpfleger 2014, 692 Rdn. 8 nach juris), sind zunächst die gesetzlichen Gebühren festzustellen.

a) Dem Antragsteller stehen für seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger gesetzliche Gebühren in Höhe von 6.132 € zu.

Für die Frage der anwendbaren Gebührensätze der Pflichtverteidigervergütung ist gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG der Stichtag der Bestellung maßgeblich (vgl. auch BVerfG AGS 2009, 66 Rdn. 15 nach juris). Die Bestellung des Antragstellers erfolgte am 17.10.2013, also nach Inkrafttreten der durch Art. 8 des am 23.07.2013 verkündeten Zweiten Kostenmodernisierungsgesetzes am 01.08.2013 (vgl. dort Art. 50) bewirkten Änderungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes. Demgemäß richten sich die Gebühren nach der geänderten Fassung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Antragsteller bereits vor der Gesetzesänderung als Wahlverteidiger tätig war. Nach § 48 Abs. 6 Satz 1 RVG erhält der im ersten Rechtszug als Pflichtverteidiger bestellte Rechtsanwalt die (Pflichtverteidiger-) Gebühren auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt der Bestellung einschließlich seiner Tätigkeit vor Erhebung der öffentlichen Klage. Für die Frage der Anwendung des § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG auf derartige Fälle hat sich der Senat der in Übereinstimmung mit der Gesetzesbegründung stehenden (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 203 zu § 60), in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und in der Literatur nahezu einhellig vertretenen Meinung (vgl. die Nachweise bei Volpert, in: Burhoff RVG a. a. O. Teil A Rdn. 1941) angeschlossen, wonach es auch hier entscheidend auf den Zeitpunkt der Bestellung als Pflichtverteidiger ankommt (vgl. Beschluss vom 11.10.2014 - 2 Ws 526/14; anders noch - zur Frage der Weitergeltung der BRAGO gemäß § 61 Abs. 1 RVG - Oberlandesgericht Nürnberg, Beschluss vom 31.05.2005 - 1 Ws 321/05, NStZ-RR 2005, 328). Die gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren errechnen sich somit gemäß den zutreffenden Ausführungen der Bezirksrevisorin wie folgt:

Nr. 4101 VV RVG: Grundgebühr mit Zuschlag gemäß Vorbem. 4 Abs. 4

192,00 €

Nr. 4113 VV RVG: Verfahrensgebühr mit Zuschlag gemäß Vorbem. 4 Abs. 4

180,00 €

Nr. 4115 VV RVG: Terminsgebühr mit Zuschlag gemäß Vorbem. 4 Abs. 4 (16 Termine a´ 312,00 €)

4.992,00 €

Nr. 4116 VV RVG: Teilnahme an Hauptverhandlung mehr als 5 bis 8 Stunden (6 Termine a´ 128,00 €)

768,00 € _________

Summe:

6.132,00 €

b) Gemessen am besonderen Umfang des Verfahrens ist eine Vergütung von 6.132,00 € für den Antragsteller nicht zumutbar.

aa) Bei der Prüfung, ob die gesetzlichen Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache nicht zumutbar sind, sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Die Tätigkeit des Verteidigers muss insgesamt das Durchschnittsmaß erheblich überschritten haben (Mayer/Kroiß, a. a. O. § 51 Rdn. 14) und sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch von überdurchschnittlichen Verfahren in exorbitanter Weise abheben (BGH StRR 2013, 39 Rdn. 5 nach juris; StRR 2014, 198 Rdn. 5 nach juris).

(1) Dies ist im Hinblick auf den besonderen Umfang der Fall, wenn der vom Verteidiger erbrachte Aufwand erheblich über dem Zeitaufwand liegt, den er in einer „normalen“ Sache zu erbringen hat, wobei als Vergleichsmaßstab gleichartige Verfahren heranzuziehen sind, die den Durchschnittsfall der vor dem jeweiligen Spruchkörper verhandelten Sachen darstellen (vgl. BGH Rpfleger 1996, 169 Rdn. 10 nach juris; OLG Celle, JurBüro 2013, 301, Rdn. 9 nach juris; OLG Hamm, JurBüro 1999, 194 Rdn. 3 nach juris; JurBüro 2003, 24 Rdn. 11 nach juris; OLG Saarbrücken, StRR 2011, 121, Rdn. 9 nach juris). Allerdings kann bei der Entscheidung über eine Pauschvergütung nicht ohne weiteres von der aufgewendeten Arbeitszeit des Verteidigers ausgegangen werden, die von individuellen Faktoren beeinflusst sein kann, die keinen Bezug zu Umfang oder Schwierigkeit der Sache aufweisen. Diese kann also nur Indiz für Umfang und Schwierigkeit des Verfahrens sein, nicht aber unmittelbarer Maßstab für die Entscheidung über die Bewilligung einer Pauschvergütung (BGH Rpfleger 1996, 169 Rdn. 9 nach juris). Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz will zwar im Gegensatz zur Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung den Zeitaufwand des Rechtsanwalts stärker berücksichtigen. Es hat aber nicht Zeithonorare eingeführt, sondern es grundsätzlich bei Betragsrahmengebühren belassen (vgl. OLG Hamm Beschluss vom 13.03.2013 - 5 RVGs 108/12, Rdn. 19 nach juris) und lediglich bei den Terminsgebühren hinsichtlich der Zeitdauer der Hauptverhandlungstermine Abstufungen eingeführt. Maßgebend für die Höhe ist vielmehr das aufgrund objektiver Umstände zu beurteilende Gesamtgepräge des Verfahrens, das von Kriterien wie dem Umfang der Gerichtsakte, der Anzahl der vernommenen Zeugen und Sachverständigen, der Anzahl und Dauer von Vorbesprechungen mit dem Mandanten, dem sonstigen Vorbereitungsaufwand sowie der Anzahl und dem Umfang gefertigter Schriftsätze (vgl. OLG Celle StRR 2011, 240 Rdn. 11 nach juris; JurBüro 2013, 301, Rdn. 11 nach juris) bestimmt wird (vgl. auch BVerfG AGS 2009, 66 Rdn. 11 nach juris).

Demgegenüber hat die Frage, welcher anwaltliche Stundensatz üblich oder zur Kostendeckung erforderlich ist, für die Beurteilung, ob dem Verteidiger die gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren im Sinne von § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG zumutbar sind, keine erhebliche Bedeutung (vgl. OLG Stuttgart Rpfleger 2014, 692 Rdn. 14 nach juris). Demgemäß kann die pauschalierte Vergütung auch nicht auf der Grundlage eines fiktiven Stundenlohns festgesetzt werden (KG NStZ-RR 2013, 232 Rdn. 6 nach juris; OLG München, Beschluss vom 09.09.2013 - 6 St (K) 1/13, [Volltext in www.burhoff.de]; OLG Stuttgart Rpfleger 2014, 692 Rdn. 14 nach juris).

(2) Eine besondere Schwierigkeit liegt vor, wenn eine Sache aus besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen über das Normalmaß hinaus erheblich verwickelt ist (vgl. etwa OLG Celle, JurBüro 2013, 301, Rdn. 9 nach juris; OLG Saarbrücken, StRR 2011, 121, Rdn. 9 nach juris).

(3) Bei der Beurteilung, ob eine Sache besonders umfangreich oder besonders schwierig ist, kann die Erschwerung der Verteidigertätigkeit in einer Hinsicht (etwa wegen des Aktenumfangs und kurzer Einarbeitungszeit) durch ihre Erleichterung in anderer Hinsicht (z. B. durch die geringe Terminsdichte und eine unterdurchschnittliche Terminsdauer) ganz oder teilweise kompensiert werden (vgl. OLG Frankfurt, NStZ-RR 2009, 296 Rdn. 4 nach juris; OLG Köln, StraFo 2006, 130 Rdn. 8 nach juris; OLG Saarbrücken, StRR 2011, 121, Rdn. 9 und 14 nach juris; OLG Stuttgart Rpfleger 2014, 692 Rdn. 8 nach juris; kritisch Burhoff, RVG, a. a. O., § 51, Rdn. 53: nur innerhalb desselben Verfahrensabschnitts).

bb) Nach diesen Maßstäben liegt ein besonders umfangreiches Verfahren vor.

Bei dem gegenständlichen Strafverfahren handelt es sich im Vergleich mit anderen, in die erstinstanzliche Zuständigkeit der großen Strafkammer beim Landgericht fallenden Strafsachen im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität - wovon auch die Bezirksrevisorin in deren Stellungnahme ausgeht - um eine besonders umfangreiche Sache, die auch überdurchschnittlich umfangreiche Strafverfahren im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität noch exorbitant übersteigt. Das Strafverfahren wurde gegen drei Angeklagte geführt, die von insgesamt sechs Verteidigern verteidigt wurden. Bis zum Beginn der Hauptverhandlung betrug der Umfang der den Angeklagten H … betreffenden Hauptakten rund 2.000 Seiten, der die beiden Mitangeklagten betreffenden Hauptakten sowie Beiakten und Sonderbände weitere rund 15.000 Seiten. Hinzu kommen fast 34.000 Seiten Verschriftungen der Telekommunikationsüberwachung. Nicht nur der durchschnittliche, sondern auch der überdurchschnittliche Aktenumfang eines vor der großen Strafkammer geführten Strafverfahrens wurde hier deutlich überschritten. Die Strafkammer hat dem Umfang der Akten und des Verfahrens entsprechend ursprünglich 48 Verhandlungstage angesetzt.

cc) Eine besondere Schwierigkeit des Verfahrens im Sinne des § 51 RVG ist hingegen nicht erkennbar.

Der Umstand, dass erst durch die Sichtung der umfangreichen, fast 34.000 Seiten umfassenden TKÜ-Verschriftungen durch die Verteidiger der drei Angeklagten und auch durch letztere selbst mittels Abhören der Audiodateien (teilweise in russischer Sprache) Verfahrensverstöße gemäß § 160a StPO aufgedeckt wurden, begründet eine solche besondere Schwierigkeit nicht. Die Prüfung des Vorliegens eines Beweisverwertungsverbots hinsichtlich abgehörter Telefongespräche rechtfertigt noch nicht die Annahme, das Verfahren hebe sich nach seiner Schwierigkeit im besonderen Maße von einem vergleichbaren Verfahren ab. Denn eine derartige Rechtsfrage ist für eine Strafkammersache nicht außergewöhnlich (vgl. zur Prüfung von Beweisverwertungsverboten auch OLG Saarbrücken StRR 2011, 121 Rdn. 13 nach juris).

Nicht ausreichend zur Begründung einer besonderen Schwierigkeit der Sache gemäß § 51 RVG ist auch der Umstand, dass die Strafkammer gemäß Nr. 5 des Eröffnungsbeschlusses „wegen des Umfangs/der Schwierigkeit der Strafsache“ gemäß § 76 Abs. 2 GVG mit drei Berufsrichtern besetzt wurde.

dd) Der besondere Umfang des Verfahrens führt dazu, dass die Gewährung der gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren für den Antragsteller unzumutbar ist.

(1) Allein der immense Aktenumfang erforderte objektiv einen hohen Zeitaufwand für die Einarbeitung in das Verfahren und die Vorbereitung der Verteidigungsstrategie, dessen Vergütung mit den Pflichtverteidigergebühren von 192,00 € (Grundgebühr) und 180,00 € (Verfahrensgebühr) ersichtlich für den Antragsteller unzumutbar ist (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall auch BVerfG NJW 2011, 3079 Rdn. 25 ff. nach juris). Dieser bringt nachvollziehbar vor, die Vorbereitung der Hauptverhandlung habe insgesamt etwa 20 Arbeitstage beansprucht. Der Umstand, dass dieser Zeitraum offensichtlich jedenfalls teilweise vor seiner Bestellung zum Pflichtverteidiger lag, ändert nichts daran, dass der gesamte Zeitaufwand bei der Prüfung der Unzumutbarkeit heranzuziehen ist, da der Pflichtverteidiger bei der Bestellung im ersten Rechtszug gemäß § 48 Abs. 6 Satz 1 RVG die Vergütung auch für seine Tätigkeit in Verfahrensabschnitten einschließlich des Ermittlungsverfahrens vor seiner Bestellung erhält (vgl. OLG Hamm StraFo 2012, 161 Rdn. 3 nach juris; s. auch Thüringer OLG StRR 2008, 479 Rdn. 8 f. nach juris).

(2) Demgegenüber liegt eine (weitere) Erschwerung der Verteidigertätigkeit nicht darin, dass ab Bestellung des Antragstellers zum Pflichtverteidiger am 17.10.2013 bis zum Beginn der Hauptverhandlung am 22.10.2013 nur fünf Tage lagen. Die Länge der einem Pflichtverteidiger zur Verfügung stehenden Einarbeitungszeit ist zwar bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Pflichtverteidigergebühren ein zu berücksichtigender Umstand (vgl. OLG Celle, JurBüro 2013, 301, Rdn. 11 nach juris), der vor allem dann zum Tragen kommt, wenn aufgrund der späten Bestellung eine komprimierte Einarbeitung in das umfangreiche Verfahren kurz vor der Hauptverhandlung erforderlich ist (so OLG Hamm JurBüro 1999, 134 Rdn. 5 nach juris; OLG Saarbrücken, StRR 2011, 121, Rdn. 12 nach juris) und der Verteidiger während der zur Verfügung stehenden Zeit keine anderen Anwaltsmandate hat annehmen und führen können (vgl. etwa OLG Hamm NStZ 2000, 555 Rdn. 16 und 19 nach juris: gut sechs Wochen Einarbeitungszeit in einen insgesamt äußerst umfangreichen Verfahrensstoff). Vorliegend ist aber (nicht zuletzt wegen der Rückwirkung der Bestellung nach § 48 Abs. 6 Satz 1 RVG) darauf abzustellen, dass der Antragsteller bereits im März 2013 mandatiert wurde und ihm somit ausreichend Zeit zur Verfügung stand, sich in das Verfahren einzuarbeiten.

(3) Die Unzumutbarkeit der Pflichtverteidigervergütung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass für den Angeklagten H … neben dem Antragsteller mit Rechtsanwalt Dr. G … ein weiterer Verteidiger tätig war.

Die Tätigkeit mehrerer Verteidiger für einen Angeklagten kann durch eine entsprechende Arbeitsteilung, die ein arbeitsökonomisches Vorgehen unter den Verteidigern ermöglicht (vgl. Fromm NJW 2013, 357, 358), zu einer Kompensation sowohl hinsichtlich der Schwierigkeit der Sache als auch hinsichtlich des Umfangs führen (vgl. OLG Hamm Beschluss vom 13.03.2013 - 5 RVGs 108/12, Rdn. 19 nach juris; OLG Rostock NStZ-RR 2010, 326 Rdn. 15 ff. nach juris; Burhoff, RVG a. a. O. § 51 Rdn. 162 m. w. N.). Deshalb wird die Mehrzahl von Pflichtverteidigern zwar nicht stets (OLG Hamm AGS 1998, 138 Rdn. 5 nach juris; Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl., § 51 RVG Rdn. 21 „Wahlverteidiger“), aber in der Regel den Umfang oder die Schwierigkeit für den jeweils bestellten Anwalt verringern (OLG Hamburg JurBüro 1990, 354 Rdn. 6 nach juris; OLG Hamm JurBüro 1999, 134 Rdn. 5 nach juris; Hartmann, Kostengesetze a. a. O. § 51 RVG Rdn. 11 „Mehrzahl von Pflichtverteidigern“; einschränkend Schneider, in: Schneider/Wolf RVG 7. Aufl. § 51 Rdn. 49, 51: „unter Umständen“). Vertreten zwei Verteidiger einen Angeklagten in der Hauptverhandlung, ist die Belastung für jeden der beiden Verteidiger regelmäßig geringer, als wenn - wie sonst durchaus auch in größeren Verfahren üblich - nur ein Verteidiger allein einen Angeklagten verteidigt, weil diese sich etwa die während der Hauptverhandlung an Zeugen zu richtenden Fragen und die Notierung der Antworten aufteilen können (so zutreffend OLG Stuttgart Rpfleger 2014, 692 Rdn. 10 nach juris). Darüber hinaus kann der Umstand, dass für mehrere Angeklagte insgesamt mehrere Verteidiger tätig waren, die Tätigkeit des einzelnen Verteidigers in der Hauptverhandlung ebenfalls erleichtern, weil nicht jeder Verteidiger an alle Zeugen die gleichen Fragen richten muss (vgl. OLG Stuttgart a. a. O., Rdn. 9 nach juris).

So liegt es im Grundsatz hier, da der Angeklagte H … von zwei Rechtsanwälten verteidigt wurde, die sich sowohl das Aktenstudium bei der Einarbeitung in das Verfahren aufteilen als auch bei der Vertretung des Angeklagten in der Hauptverhandlung gegenseitig unterstützen konnten. Allerdings führt die mögliche Arbeitsteilung zwischen den beiden Verteidigern des Angeklagten H … bei der Einarbeitung in die Verfahrensakten und der Vorbereitung der Hauptverhandlung oder die faktische Arbeitsteilung mit den Verteidigern der weiteren Angeklagten innerhalb der Hauptverhandlung noch nicht dazu, die Voraussetzungen des § 51 RVG zu verneinen. Vielmehr weist trotz dieser Kompensationsmöglichkeiten das Verfahren - vor allem hinsichtlich des außerordentlichen Umfangs der Verfahrensakten - einen besonderen Umfang auf, der die Zuerkennung lediglich der gesetzlichen Pflichtverteidigervergütung für den Antragsteller unzumutbar macht und somit jeweils eine Pauschgebühr rechtfertigt. Allerdings ist die Möglichkeit einer ökonomischen Arbeitsteilung bei der Bemessung der Höhe der Pauschgebühr zu berücksichtigen.

(4) Die geltend gemachten Fahrtzeiten vom Kanzleisitz in B … zur Hauptverhandlung nach Amberg sind nach wohl überwiegender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur bei der Prüfung, ob dem Pflichtverteidiger überhaupt eine Pauschgebühr nach § 51 RVG zu bewilligen ist, nicht zu berücksichtigen (OLG Hamm NJW 2007, 311 Rdn. 6 nach juris; OLG Düsseldorf Rpfleger 2009, 644 Rdn. 11 nach juris; OLG Saarbrücken StRR 2011, 121 Rdn. 18 nach juris; so auch Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG 21. Aufl. § 51 Rdn. 22; Hartmann, Kostengesetze a. a. O. § 51 RVG Rdn. 7; Baumgärtel/Hergenröder/Houben RVG 16. Aufl. § 51 Rdn. 5). Dies wird damit begründet, dass bei der Beurteilung des Umfangs des Strafverfahrens, in dem der Pflichtverteidiger tätig war, ein objektiver Maßstab zugrunde zu legen ist. Bei den vom Ort des Kanzleisitzes des Pflichtverteidigers abhängigen Fahrtzeiten handelt es sich hingegen nicht um einen verfahrensbezogenen, sondern um einen verteidigerbezogenen persönlichen Umstand (OLG Hamm NJW 2007, 311 Rdn. 6 nach juris; ähnlich OLG Saarbrücken StRR 2011, 121 Rdn. 18 nach juris; so auch zu § 99 BRAGO OLG Nürnberg StV 2000, 441 Rdn. 7 nach juris). Nach der Rechtsprechung des OLG Hamm werden aber die Fahrtzeiten, wenn aus anderen Gründen eine Pauschgebühr zu gewähren ist, bei deren Bemessung herangezogen (OLG Hamm NJW 2007, 311 Rdn. 7 nach juris; s. a. NJW 2007, 857 Rdn. 13 nach juris; Beschluss vom 17.01.2012 - 5 RVGs 38/11 Rdn. 12 nach juris; so auch Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG a. a. O. § 51 Rdn. 22).

Auch das OLG Köln (StraFo 2006, 130 Rdn. 19 f. nach juris) vertritt die Auffassung, dass die Zeiten für An- und Abreise zur Hauptverhandlung im Regelfall die Bewilligung einer Pauschgebühr nicht zu rechtfertigen vermögen. Der Gesetzgeber hat bei der Bemessung der gesetzlichen Gebühren ausdrücklich auf die Dauer der Hauptverhandlung abgestellt. Daraus entnimmt das OLG Köln, dass An- und Abreisezeiten, die notwendigerweise immer anfallen, grundsätzlich für die Vergütung des Verteidigers ohne Bedeutung sein sollen. Etwas anderes gelte allenfalls dann, wenn diese Zeiten im Verhältnis zur Hauptverhandlungsdauer besonders ins Gewicht fallen. Ein Missverhältnis zwischen Fahrtzeiten und Verhandlungsdauer könne bei Verteidigern, die ihren Kanzleisitz im Bezirk des jeweiligen Gerichts haben, grundsätzlich ausgeschlossen werden. Die Grenze des Zumutbaren sei aber auch bei Verteidigern mit Kanzleisitz außerhalb des Gerichtsbezirks dann noch nicht überschritten, wenn bei einer Verhandlungsdauer von überwiegend mehr als fünf Stunden pro Verhandlungstag der Verteidiger Fahrtzeiten von eineinhalb Stunden aufwenden müsse. Dieser Aufwand gehe nicht wesentlich über das hinaus, was einem Verteidiger auch bei Fahrtzeiten innerhalb eines Gerichtsbezirks an zeitlicher Belastung entstehen könne.

Teilweise wird von den Oberlandesgerichten die Berücksichtigung der Fahrtzeiten generell abgelehnt, da es sich insoweit um notwendige Auslagen handele, die für die Bemessung der Höhe der zu bewilligenden Pauschgebühr ohne Bedeutung sind (vgl. OLG Celle JurBüro 2013, 301 Rdn. 11 nach juris; OLG Saarbrücken StRR 2011, 121 Rdn. 18 nach juris).

Die Oberlandesgerichte Karlsruhe (StV 2006, 205 Rdn. 6 nach juris) und Stuttgart (Rpfleger 2014, 692 Rdn. 10 nach juris) beziehen hingegen bei der Bemessung des Zeitaufwands als besonders umfangreich die Fahrtzeiten zwischen Kanzlei und Verhandlungsort mit ein.

Das Bundesverfassungsgericht konnte aufgrund der Umstände des Einzelfalls offen lassen, ob allein die Nichtberücksichtigung des erforderlichen Zeitaufwands für die Anreise zum Gerichtsort bei der Bemessung des Umfangs der Sache nach § 99 BRAGO zu einer Überschreitung der von Verfassungs wegen zu beachtenden Zumutbarkeitsgrenze führen kann und unter welchen Voraussetzungen dies im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung anzunehmen wäre. Denn die durch Reisezeiten bedingte zusätzliche Belastung des Pflichtverteidigers fiel schon aufgrund der nicht außergewöhnlichen Fahrtzeit von höchstens einer Stunde nicht erheblich ins Gewicht, zumal seine durchschnittliche Inanspruchnahme pro Verhandlungstag auch bei Einrechnung der An- und Abreise das übliche Maß noch nicht überschritt und die Kompensation mit der höheren Anzahl der Verhandlungstage nicht ausgeschlossen war (NJW 2005, 1264 Rdn. 9 nach juris).

Der Meinungsstreit, ob die Fahrtzeiten des Antragstellers bereits bei der Prüfung des besonderen Umfangs des Verfahrens zu berücksichtigen sind, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, da der besondere Umfang schon aufgrund des Aktenumfangs zu bejahen ist und damit in der Gesamtschau Umstände vorliegen, die den Schluss darauf zulassen, dass die gesetzliche Pflichtverteidigervergütung von 6.132 € wegen des besonderen Umfangs für den Antragsteller nicht zumutbar ist.

3. Der Senat hält eine Pauschgebühr von 9.700 € für angemessen aber auch ausreichend, um das Sonderopfer in einer dem Antragsteller zumutbaren Weise auszugleichen.

a) Für die Bemessung der dem Antragsteller zuzuerkennenden Pauschgebühr ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:

Da die Wahlverteidigergebühren regelmäßig eine angemessene Vergütung für die Tätigkeit des Verteidigers gewährleisten, sind diese als Maßstab für die Bemessung der Pauschgebühr heranzuziehen. Die jeweilige Wahlverteidigerhöchstgebühr bildet somit grundsätzlich auch die Obergrenze für die Pauschgebühr. Sie kann jedoch in Ausnahmefällen überschritten werden. Hierbei ist § 42 Abs. 1 Satz 4 RVG, der die Obergrenze für die Pauschgebühr des Wahlverteidigers regelt, nicht entsprechend auf die Pauschgebühr des Pflichtverteidigers anwendbar.

aa) Nach der überwiegenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte sind die gesetzlichen Gebühren eines Wahlverteidigers grundsätzlich Maßstab und Rahmen für die Höhe der Pauschvergütung (vgl. etwa KG NStZ-RR 2013, 232 Rdn. 4 nach juris; OLG Hamm NJW 2007, 311 Rdn. 11 nach juris; OLG Karlsruhe Rpfleger 2005, 694 Rdn. 8 nach juris; OLG Saarbrücken StRR 2011, 121 Rdn. 20 nach juris). Dem ist beizupflichten, da die dem Wahlverteidiger gesetzlich zustehenden Gebühren - wovon auch die Begründung zum Entwurf des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ausgeht - regelmäßig eine leistungsorientierte Vergütung gewährleisten (BT-Drucks. 15/1971, S. 2, 146) und die Aufteilung der Gebühren auf die verschiedenen Tätigkeiten eine aufwandsangemessene und für den Auftraggeber transparente Abrechnung der Anwaltsvergütung zulässt (BT-Drucks. 15/1971, Seite 146). Darüber hinaus sind durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz und nochmals durch das am 23.07.2013 verkündete Zweite Kostenmodernisierungsgesetz Anpassungen der Gebühren an die wirtschaftliche Entwicklung erfolgt (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 144, 149; 17/11471, Seite 133 und 281 f.).

Die mit dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz erstmals eingeführte Regelung des § 42 RVG ermöglicht es, auch für den Wahlanwalt auf Antrag eine Pauschgebühr für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte gerichtlich festzustellen, wenn die in den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses bestimmten Wahlverteidigergebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit nicht zumutbar sind. Die Vorschrift erlaubt es somit, den erhöhten Arbeitsaufwand des Verteidigers angemessen zu berücksichtigen (vgl. BT-Drucks. 15/1971, Seite 198). Die Pauschgebühr darf jedoch gemäß § 42 Abs. 1 Satz 4 RVG das Doppelte der Höchstbeträge nach Teil 4 VV RVG nicht übersteigen. Darüber hinausgehende Vergütungen muss der Verteidiger mit seinem Mandanten vereinbaren (so die Begründung des Gesetzgebers, BT-Drucks. 15/1971, Seite 198).

Wird dem Pflichtverteidiger eine Pauschgebühr in Höhe der dem Wahlverteidiger zustehenden gesetzlichen Vergütung zuerkannt, führt dies wegen der im Grunde leistungsorientierten und erst jüngst an die wirtschaftliche Entwicklung angepassten Wahlverteidigergebühren grundsätzlich dazu, dass von einem unzumutbaren Sonderopfer nicht mehr gesprochen werden kann. Hierbei ist immer im Auge zu behalten, dass der Pflichtverteidiger durch die Gewährung einer Pauschgebühr nicht etwa einem Wahlverteidiger gleichgestellt, sondern lediglich außergewöhnliche und unzumutbare Belastungen des Pflichtverteidigers vermieden werden sollen (OLG Hamm JurBüro 1994, 101, 102). Demgemäß wird nach ständiger Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Nürnberg (vgl. etwa die unveröffentlichten Beschlüsse vom 03.07.2009 - 1 ARs 22/09, und vom 10.05.2011 - 1 ARs 15/11) die Anhebung der Pflichtverteidigergebühren der Höhe nach grundsätzlich durch die einem Wahlverteidiger gesetzlich zustehenden Höchstgebühren begrenzt (so auch OLG Bamberg JurBüro 1980, 1043; 1982, 90, 92; Hartmann, Kostengesetze a. a. O. § 51 RVG Rdn. 11 „Höchstgebühr“).

bb) Im Hinblick auf den dargestellten Charakter der Wahlverteidigergebühr als leistungsorientierte und der wirtschaftlichen Entwicklung angepasste Vergütung kann diese Grenze nur in extremen Ausnahmefällen überschritten werden. Ein solcher Fall wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn die Arbeitskraft des Verteidigers über einen längeren Zeitraum hinweg nahezu ausschließlich für seine Pflichtverteidigertätigkeit in Anspruch genommen wird oder eine Beschränkung selbst auf die Rahmenhöchstgebühr des Wahlverteidigers in einem grob unbilligen Missverhältnis zu der Inanspruchnahme des Rechtsanwalts stehen und diesem ein unzumutbares Sonderopfer abverlangen würde (vgl. KG NStZ-RR 2013, 232 Rdn. 4 nach juris; OLG Bremen StraFo 2012, 39 Rdn. 6 nach juris; OLG Hamm NJW 2007, 311 Rdn. 12 nach juris; JurBüro 1999, 134 Rdn. 5 nach juris; JurBüro 1999, 134 Rdn. 8 nach juris; OLG Rostock NStZ-RR 2010, 326 Rdn. 12 f. nach juris; OLG Saarbrücken StRR 2011, 121 Rdn. 20 nach juris).

(1) Unter der Geltung der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung nahm das OLG Koblenz einen solchen Ausnahmefall an, wenn die Höchstgebühren eines Wahlverteidigers in einem derart groben Missverhältnis zur Inanspruchnahme des Pflichtverteidigers stehen, dass auch der Wahlverteidiger nur für ein über den gesetzlichen Höchstgebühren liegendes Honorar tätig wird. Dies sei der Fall, wenn die Dauer des Verfahrens den Pflichtverteidiger über Jahre hinweg mit der Sache befasst hat, die Einarbeitung in die Materie und die Vorbereitung der Hauptverhandlung seinen ganzen Einsatz erforderten, so dass auch seine übrige Praxistätigkeit erheblich unter diesem überdurchschnittlichen langen Arbeitseinsatz gelitten haben dürfte (Rpfleger 1992, 268).

Das OLG Hamm bejahte einen solchen Ausnahmefall, der zu einer Angleichung an die Wahlverteidigerhöchstgebühr oder zu deren geringfügigen Überschreitung führen kann, bei einem außergewöhnlich umfangreichen Strafverfahren (Wirtschaftsstrafverfahren) mit einer Reihe besonders schwieriger tatsächlicher und rechtlicher Fragen, außergewöhnlichem Aktenumfang, einer Verfahrensdauer von fast zwei Jahren mit einer besonders komplexen Beweisaufnahme (Vernehmung von 105 Zeugen und 22 Sachverständigen), der Stellung einer großen Zahl von Befangenheitsanträgen und einem Urteilsumfang von 559 Seiten (OLG Hamm JurBüro 1994, 101, 102).

Auch wenn das Verfahren den Verteidiger nicht über einen sehr langen Zeitraum von vielen Monaten oder gar mehreren Jahren nahezu ausschließlich in Anspruch genommen hat, kann eine Pauschgebühr in der Nähe der Wahlverteidigerhöchstgebühren in Betracht kommen, wenn aufgrund der enormen Fülle des Aktenmaterials und aufgrund des Umfangs der Vorbereitung auf die Hauptverhandlung der Anwalt nachvollziehbar jedenfalls in diesem Zeitabschnitt andere anwaltliche Verpflichtungen kaum übernehmen und wahrnehmen konnte (OLG Hamm JurBüro 1998, 413, 414 JurBüro 1997, 84, 85).

(2) Unter der Geltung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes wurden Überschreitungen der Wahlverteidigerhöchstgebühr teilweise bereits bei weniger gravierenden Einschnitten in die Berufsausübungsfreiheit des Verteidigers bzw. beigeordneten Rechtsanwalts zugelassen. So nahm das Kammergericht (NStZ-RR 2013, 232 Rdn. 5 nach juris) einen zur Überschreitung der Wahlverteidigerhöchstgebühr führenden Ausnahmefall bei einem Zeugenbeistand an, wenn dieser an sieben Sitzungstagen insgesamt etwa 24 1/2 Stunden in Anspruch genommen wurde und das erforderliche Vorgespräch unter erschwerten Bedingungen (Zeugenschutzprogramm) abgehalten werden musste.

Das OLG Bremen hielt eine Überschreitung der Höchstgebühr des Wahlverteidigers in einem Fall für vertretbar, in dem der Verteidiger sich zunächst in eine Akte von 11 Bänden mit einem Umfang von ca. 12.000 Seiten einarbeiten musste, wobei er auf den Aktenauszug eines weiteren Verteidigers zurückgreifen konnte, außerhalb der Hauptverhandlung eine umfangreiche Tätigkeit entfaltete, indem er eine umfangreiche Stellungnahme zur sehr umfangreichen Anklageschrift übersandte, weitere, teils mehrseitige Schriftsätze verfasste und dem Gericht weiteres Material zukommen ließ, bei zeitaufwändigen Verhandlungen und Abstimmungen über eine Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO mitwirkte, wobei der Mandant wegen des bundesweiten öffentlichen Interesses an dem Verfahren einem zusätzlichen hohen emotionalen Druck ausgesetzt war, was sich auch auf die Zusammenarbeit mit seinem Verteidiger ausgewirkt habe (StraFo 2012, 39 Rdn. 23 nach juris).

cc) Demgegenüber betrachten Teile der Rechtsprechung und die wohl überwiegende Kommentarliteratur die Wahlverteidigergebühren allenfalls als Anhaltspunkt und gehen davon aus, die Pauschvergütung dürfe die gesetzlichen Höchstbeträge der Wahlverteidigervergütung ohne Weiteres übersteigen (OLG Köln RVGreport 2006, 147 Rdn. 4 nach juris; Burhoff, RVG a. a. O. § 51 Rdn. 60 ff.; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG a. a. O. § 51 Rdn. 40; Rehberg, in: Göttlich/Mümmler, RVG 5. Aufl. „Pflichtverteidiger“ Anm. 13.3.1; Schneider, in: Schneider/Wolf RVG 7. Aufl. § 51 Rdn. 113) bzw. gewähren eine solche, ohne dies zu problematisieren (vgl. OLG Celle JurBüro 2013, 301 Rdn. 11 nach juris). Dies wird unter anderem wie folgt begründet: Während die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung bislang Sinn und Zweck des früheren § 99 BRAGO eher darin gesehen habe, unzumutbare Belastungen zu vermeiden, sei in Anbetracht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durchaus mehr Gewicht auf die angemessene Honorierung des Pflichtverteidigers zu legen. Demgemäß sei eine Zurückhaltung bei der Bewilligung von Pauschgebühren nicht mehr angebracht. Eine gesetzliche Grundlage für eine Begrenzung auf die Höchstgebühr des Wahlverteidigers gebe es nicht. Letztere könne ohnehin kein Kriterium sein, da auch der Wahlverteidiger gemäß § 42 RVG über die Höchstgebühr hinaus eine Pauschgebühr bewilligt erhalten könne (vgl. Schneider, in: Schneider/Wolf RVG a. a. O. § 51 Rdn. 114).

dd) Ungeachtet dieser Gegenmeinung hält der Senat aus den unter aa) genannten Gründen mit der bisher überwiegenden Auffassung der Oberlandesgerichte an seiner Rechtsprechung fest, wonach die Wahlverteidigerhöchstgebühr nur in Ausnahmefällen überschritten werden kann.

Dies steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Danach ist die Bestellung eines Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger eine besondere Form der Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken. Sinn der Pflichtverteidigung ist es nicht, dem Anwalt zu seinem eigenen Nutzen und Vorteil eine zusätzliche Gelegenheit beruflicher Betätigung zu verschaffen. Vielmehr besteht ihr Zweck ausschließlich darin, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass der Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen (§ 140 StPO) rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird. Angesichts der umfassenden Inanspruchnahme des Pflichtverteidigers für Aufgaben, deren ordentliche Wahrnehmung im öffentlichen Interesse liegt, hat der Gesetzgeber die Pflichtverteidigung nicht als eine vergütungsfrei zu erbringende Ehrenpflicht des Anwaltsstandes angesehen, sondern den Pflichtverteidiger honoriert. Der Vergütungsanspruch des Pflichtverteidigers liegt indessen erheblich unter den als angemessen geltenden Rahmengebühren des Wahlverteidigers. Diese Begrenzung ist durch einen vom Gesetzgeber im Sinne des Gemeinwohls vorgenommenen Interessenausgleich, der auch das Interesse an einer Einschränkung des Kostenrisikos berücksichtigt, gerechtfertigt, sofern die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist. In Strafsachen besonderen Umfangs, die die Arbeitskraft des Pflichtverteidigers für längere Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch nehmen, ohne dass er sich dieser Belastung entziehen könnte, gewinnt die Höhe des Entgelts für ihn existenzielle Bedeutung. Eine Verteidigung zu den verkürzten Gebühren des § 45 RVG könnte dann dem Pflichtverteidiger ein unzumutbares Opfer abverlangen. Schon das Grundrecht auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) gebietet für solch besondere Fallgestaltungen besonders umfangreicher oder besonders schwieriger Verfahren eine Regelung, die es, wie § 51 RVG, ermöglicht, der aufgezeigten Inanspruchnahme des Pflichtverteidigers Rechnung zu tragen und ihn entsprechend zu vergüten (vgl. BVerfGE 68, 237 Rdn. 42 f. nach juris; BVerfG NJW 2005, 3699 Rdn. 3 nach juris; NJW 2007, 3420 Rdn. 3 nach juris; NJW 2011, 3079 Rdn. 18 nach juris). Die Grenze der Zumutbarkeit muss gewahrt bleiben, wenn der Anspruch des Pflichtverteidigers auf Auslagenerstattung im Interesse des Gemeinwohls an einer Einschränkung des Kostenrisikos begrenzt wird (vgl. BVerfG, AGS 2009, 66, Rdn. 9 nach juris; NJW 2011, 3079 Rdn. 18 nach juris).

Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich umgekehrt nicht ableiten, dass die Heranziehung der gesetzlichen Höchstvergütung des Wahlverteidigers als Maßstab und grundsätzliche Obergrenze für die Bemessung der Pauschvergütung ebenfalls verfassungsrechtlich bedenklich wäre. Dieses hat ausgeführt, der bloße Hinweis eines Verteidigers darauf, die Unzumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren ergebe sich aus einem Vergleich mit der Gebühr, die ein Wahlverteidiger für die gleiche Tätigkeit hätte verlangen können, würde die Besonderheiten der Pflichtverteidigerbestellung verkennen. Dass diese deutlich unter der Vergütung eines Wahlverteidigers liegt bzw. liegen kann, sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und ergebe sich aus dem der Vergütung des Pflichtverteidigers zugrunde liegenden Interessenausgleich (vgl. BVerfGE 68, 237, 253 ff. = Rdn. 42 f. nach juris; BVerfG NJW 2007, 3420 Rdn. 11 nach juris). Auch die pauschale Heranziehung der Wahlverteidigerhöchstgebühr als Vergleichsmaßstab sei nicht veranlasst, da die entsprechenden Gebührentatbestände (Nrn. 4101, 4100; 4103, 4102; 4105, 4104; 4107; 4106; 4109, 4108 VV RVG) als Rahmengebühren ausgestaltet sind, so dass die genaue Höhe nach Maßgabe der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG zu ermitteln ist (vgl. BVerfG NJW 2007, 3420 Rdn. 11 nach juris).

Somit ist es immer eine Frage des Einzelfalls, ob auch die Gewährung einer Pauschgebühr in Höhe der gesetzlichen Höchstvergütung des Wahlverteidigers für den jeweiligen Verfahrensabschnitt angesichts des Aufwands und der Belastung des Pflichtverteidigers für diesen ein unzumutbares Sonderopfer darstellt. Dies wird nicht generell, kann aber in Ausnahmefällen der Fall sein.

ee) Liegt ein solcher Ausnahmefall vor, der ein Überschreiten der Wahlverteidigerhöchstgebühr rechtfertigt, dann ist allerdings § 42 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht analog anwendbar. Diese für die Pauschgebühr des Wahlverteidigers geltende Beschränkung auf das Doppelte der Höchstgebühr eines Wahlverteidigers gilt nicht entsprechend für die Pauschgebühr des Pflichtverteidigers (vgl. OLG München Beschluss vom 09.09.2013 - 6 St (K) 1/13 [Volltext in www.burhoff.de]; OLG Stuttgart Rpfleger 2008, 441, Rdn. 8 nach juris; Thüringer OLG BeckRS 2009 Nr. 86298; Burhoff, RVG, a. a. O., § 51 Rdn. 40; Schneider, in: Schneider/Wolf RVG a. a. O., § 51 Rdn. 115; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG a. a. O. § 51 Rdn. 40; a. A. - ohne Begründung - Hartmann, Kostengesetze a. a. O. § 51 RVG, Rdn. 33). § 51 RVG enthält keine Obergrenze des Pauschvergütungsanspruchs. Insoweit handelt es sich nicht um eine planwidrige Regelungslücke; der Gesetzgeber hat die Pauschvergütungsregelungen der §§ 42 und 51 RVG zeitgleich und in bewusst gleicher Terminologie geregelt (vgl. BT-Drucks. 15/1971 S. 198). Beide Regelungen unterschieden sich zudem darin, dass bei einer Pauschvergütung nach § 42 RVG die Gesichtspunkte des § 14 RVG - und damit auch die Bedeutung der Sache und die Einkommens-/Vermögensverhältnisse des Auftraggebers - zum Tragen kommen; dies spielt bei der Bemessung der Pauschvergütung nach § 51 RVG keine Rolle (Thüringer OLG NJW 2006, 933 OLG Stuttgart, Rpfleger 2008, 441 Rdn. 8 nach juris). Der Pflichtverteidiger hat auch nicht die Möglichkeit, eine über das Doppelte der Wahlanwaltshöchstgebühr hinausgehende Vergütung zu vereinbaren. Dies war aber - wie sich aus der Gesetzesbegründung entnehmen lässt (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 198) - der mitentscheidende Grund für den Gesetzgeber, die Höhe der Pauschgebühr für den Wahlanwalt nach § 42 RVG zu begrenzen (OLG Stuttgart, Rpfleger 2008, 441 Rdn. 8 nach juris; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG a. a. O. § 51 Rdn. 40).

b) Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, in welchem Maße in Ausnahmefällen die Höchstgebühr des Wahlanwalts überschritten werden kann, ist - den Umständen des jeweiligen Einzelfalls geschuldet - uneinheitlich.

aa) Unter der Geltung der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung hat das Oberlandesgericht Nürnberg (AnwBl. 2000, 56 Rdn. 1 nach juris) eine Pauschgebühr in Höhe des Doppelten der gesetzlichen Gebühren zuerkannt, wobei mangels näherer Ausführungen nicht nachvollziehbar ist, in welchem Verhältnis diese Erhöhung zur Wahlverteidigerhöchstgebühr steht. Wegen der in § 97 Abs. 1 Satz 1 BRAGO auf die Hälfte des Höchstbetrages begrenzten gesetzlichen Gebühren des Pflichtverteidigers dürfte die Pauschgebühr jedoch allenfalls die Wahlverteidigerhöchstgebühr erreicht haben.

Teilweise wurde eine Pauschvergütung leicht über der Wahlverteidigerhöchstgebühr bewilligt [vgl. die oben unter 3. a) bb) (1) zitierte Entscheidung des OLG Hamm JurBüro 1994, 101, 102; s. a. OLG Hamm NStZ 2000, 555 Rdn. 18 nach juris: besonders schwieriges und besonders umfangreiches Verfahren; 1.000 Seiten Hauptakten; rund 600.000 Seiten Beiakten; nur gut sechs Wochen Einarbeitungszeit; 22 Hauptverhandlungstage von durchschnittlich 5 1/2 Stunden].

Zum Teil lag die Pauschvergütung im Bereich des Doppelten der Wahlverteidigergebühren [vgl. OLG Köln JurBüro 2003, 81 (über 2 Jahre andauerndes Strafverfahren mit außerordentlichem Aktenumfang - ca. 4.500 Blatt Hauptakten bis zur Anklageerhebung; weit über einhundert Beweismittelordner sowie Bände mit Telefonüberwachungsprotokollen - und erheblichen rechtlichen Schwierigkeiten; 104 Tage dauernde Hauptverhandlung; Teilnahme des Verteidigers an 4 Rechtshilfevernehmungen im Ausland mit insgesamt 21 Tagen Ortsabwesenheit; Beiordnung erst verhältnismäßig kurz vor Hauptverhandlungsbeginn; Schwierigkeiten hinsichtlich der teils ungenau übersetzten TKÜ-Protokolle. Verständigung mit im persönlichen Umgang schwierigen Mandanten auch außerhalb der Hauptverhandlung nur mit Dolmetscher möglich; 36 Besprechungstermine in der JVA zur Vorbereitung sowie während der Hauptverhandlung); OLG München JurBüro 1982, 93 f. (Verfahren ungewöhnlich umfangreich und schwierig, Teilnahme an 38 Hauptverhandlungstagen; Beanspruchung der Verteidiger auch außerhalb der einzelnen Verhandlungstage weit über den Rahmen des Üblichen hinaus, etwa durch umfangreiche Besprechungen mit den Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt)].

Andere Oberlandesgerichte lassen im Ausnahmefall weitere Erhöhungen zu (allgemein OLG Karlsruhe AnwBl. 1989, 113). Das OLG München hat das rund Vierfache der Wahlverteidigerhöchstgebühr zuerkannt, was dem rund Siebeneinhalbfachen der gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren entsprach (AnwBl. 1977, 118, 119 f.). Dies betraf ein Verfahren allergrößten Ausmaßes mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten (Aktenumfang zu Beginn der Hauptverhandlung 30 umfangreiche Bände, 20 weitere Straf-, Ermittlungs- und Zivilakten sowie außerdem umfangreiche Steuerstrafakten; 109 Hauptverhandlungstage über mehr als eineinviertel Jahre; Sitzungsniederschrift 1.300 sehr eng beschriebene Seiten, was normalerweise rund 2.000 Seiten entsprechen würde; Urteil 383 Seiten; Vielzahl von Anträgen und Beschwerden; Antragsteller war insgesamt drei Jahre mit Pflichtmandat betraut; äußerst schwierige Beweiswürdigung etc.).

Das OLG Bamberg (JurBüro 1980, 1043) hat in einem außergewöhnlichen Sonderfall, in dem die Höchstgebühr des Wahlverteidigers für die Abgeltung der Tätigkeit des Pflichtverteidigers ersichtlich nicht ausreichte, das Fünffache der Wahlverteidigerhöchstgebühr zuerkannt.

Soweit in der Kommentarliteratur (s. Hartmann, Kostengesetze a. a. O. § 51 RVG Rdn. 11 „Höchstgebühr“) weitere Beispiele aus der Rechtsprechung für eine mehrfache Überschreitung der Wahlverteidigerhöchstgebühr genannt werden, finden diese in den zitierten Entscheidungen keine Stütze. Der als Beleg für eine dreifache Überschreitung zitierten Entscheidung des OLG Hamm (JurBüro 1997, 84, 85) lässt sich lediglich entnehmen, dass die Antragsteller mindestens das Dreifache der Wahlverteidigerhöchstgebühr begehrt haben. Hierbei handelte es sich - so das OLG Hamm - um ein sehr umfangreiches Verfahren, in dem eine Reihe besonders schwieriger tatsächlicher und rechtlicher Fragen zu klären war. Der Aktenumfang mit rund 30 Bänden Strafakten und zahlreichen Bänden Nebenakten als auch die Verhandlungsdauer mit 120 Hauptverhandlungstagen in rund eineinhalb Jahren mit der Vernehmung von mehr als 200 Zeugen und von mehreren Sachverständigen an 39 Hauptverhandlungstagen und die Haftfrage hatten das Verfahren geprägt und es gerechtfertigt, diese Sache innerhalb der besonders umfangreichen und besonders schwierigen Verfahren im oberen Bereich anzusiedeln. Gleichwohl habe es - so das OLG Hamm - noch nicht einen solchen Umfang aufgewiesen, dass die Gewährung einer Pauschvergütung in Höhe der Wahlverteidigerhöchstgebühr oder sogar der dreifachen Höchstgebühr eines Wahlanwalts gerechtfertigt gewesen wäre. Die Zubilligung einer Pauschgebühr in Höhe oder gar über der Höchstgebühr für einen Wahlverteidiger komme nur in Betracht, wenn das Verfahren, in dem der Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger beigeordnet wurde, seine Arbeitskraft über eine sehr lange Zeit hindurch ausschließlich oder fast ganz ausschließlich in Anspruch genommen hat. Das sei dann nicht der Fall, wenn die Hauptverhandlung mit etwa ein bis zwei Hauptverhandlungstagen in der Woche nicht sehr dicht terminiert war. Das OLG Hamm hielt in diesem Fall eine Pauschvergütung angemessen, die die Wahlverteidigerhöchstgebühr nur mäßig unterschreitet (JurBüro 1997, 84, 85).

In der als Beleg für eine fünffache Überschreitung zitierten Entscheidung bezeichnet das OLG Koblenz die Forderung nach einer Pauschvergütung in Höhe von mindestens dem Fünffachen als weit übersetzt (Rpfleger 1992, 268, 269). Soweit das OLG Hamm (JurBüro 1994, 102) als Beleg dafür herangezogen wird, über das Sechsfache der Wahlverteidigerhöchstgebühr hinaus sei gewährt worden, trifft dies ebenfalls nicht zu. Dieses hat eine über die Höchstverteidigergebühr (72.740 DM) geringfügig hinausgehende Pauschvergütung (75.000 DM) bewilligt, wobei die Anwälte mehr als das Sechsfache der ihnen jeweils zustehenden gesetzlichen (Pflichtverteidiger-) Gebühren forderten und hierbei die Höchstgebühren eines Wahlanwalts, die etwa dem Doppelten der gesetzlichen Gebühren entsprachen, noch ganz erheblich überschritten wurden (JurBüro 1994, 101, 102).

bb) Unabhängig hiervon können die zu § 99 BRAGO ergangenen Entscheidungen nur bedingt als Grundlage für § 51 RVG herangezogen werden, soweit es um die wegen des besonderen Umfangs des Verfahrens zuerkannte Pauschgebühr und deren konkrete Höhe geht (vgl. auch Burhoff, RVG a. a. O., § 51 Rdn. 15). Soweit die Rechtsprechung zu § 99 BRAGO eine Anhebung der Pauschgebühr auf die Wahlverteidigerhöchstgebühr vornahm, erfasste diese regelmäßig auch die Terminsgebühr nach § 83 BRAGO. Demgegenüber trägt das am 01.07.2004 in Kraft getretene Rechtsanwaltsvergütungsgesetz dem erhöhten Zeitaufwand des Pflichtverteidigers bereits im Bereich der diesem zustehenden gesetzlichen Terminsgebühren durch die Längenzuschläge Rechnung. Dies hat zur Folge, dass eine Erhöhung der gesetzlichen Terminsgebühren für den Pflichtverteidiger auf die Wahlverteidigerhöchstgebühr eher selten in Betracht kommt [vgl. unten c) bb) (2)]. Somit hat eine Erhöhung der Vergütung nach § 51 RVG auf die Wahlverteidigerhöchstgebühr - weil sie in der Regel nur die Grund- und Verfahrensgebühren betrifft (zu einer Ausnahme siehe sogleich unter cc) - betragsmäßig wesentlich geringere Auswirkungen als unter der Geltung der BRAGO.

cc) Unter Geltung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes geht das OLG Celle davon aus, nur soweit eine Gesamtschau verschiedener Kriterien dem Verfahren das Gepräge gibt, dass die Arbeitskraft des Verteidigers in besonderer Weise gebunden war, sei eine Pauschvergütung im Bereich der Wahlverteidigerhöchstgebühr veranlasst, wobei es im Hinblick auf den überdurchschnittlichen zusätzlichen Arbeitsaufwand für die Einarbeitung des Verteidigers, der zehn Terminstagen entsprach, zehn zusätzliche Terminsgebühren eines Pflichtverteidigers ansetzte und für jeden der ersten 40 Sitzungstage wegen des erhöhten Arbeitsaufwands für die Vor- und Nachbereitung der Sitzungen überschlägig eine zusätzliche Gebühr in Höhe der Differenz zwischen der bewilligten Pflichtverteidigergebühr und der entsprechenden Wahlverteidigerhöchstgebühr zuerkannte (StRR 2011, 240 Rdn. 11 f. nach juris).

Das Thüringer Oberlandesgericht erhöhte in einem Strafverfahren vor dem Jugendschöffengericht wegen des besonderen Umfangs der Sache die gesetzliche Grundgebühr (Nr. 4101 VV RVG) und die gesetzliche Verfahrensgebühr (Nr. 4107 VV RVG) des Pflichtverteidigers jeweils auf das Dreifache (StV 2006, 204 Rdn. 16 f. nach juris), was einen Betrag von 486 € bzw. 411 € ergab und somit (nach den damals geltenden Vergütungssätzen) zu einer Überschreitung der Wahlverteidigerhöchstgebühr von 375 € bzw. 312,50 € um rund das 1,3fache führte. Außerdem gewährte es einen Zuschlag zu den Terminsgebühren des Pflichtverteidigers von pauschal 500 € für den erhöhten Vorbereitungsaufwand auf später zusätzliche anberaumte Hauptverhandlungstermine (StV 2006, 204 Rdn. 18 nach juris).

Das OLG Köln hat in einer sehr zeitaufwändigen und schwierigen Auslieferungssache eine Pauschvergütung bewilligt, welche bei einer Vervielfachung der gesetzlichen Gebühren deutlich über der Höchstgebühr eines Wahlverteidigers lag (OLG Köln RVGreport 2006, 147 Rdn. 4 nach juris).

Das OLG Stuttgart hat in einem besonders umfangreichen und schwierigen Verfahren, bei dem der Umfang der Ermittlungsakten als auch die Dauer des Verfahrens von üblichen Ermittlungsverfahren gravierend nach oben abwichen, der vom Beistand betriebene Aufwand erheblich war, da über Jahre hinweg eine mehrfache Einarbeitung in den Sachverhalt und die Beweismittel nötig war, und der Verfahrensstoff komplex und schwierig war, dem Pflichtverteidiger für den Einarbeitungsaufwand vier (Pflichtverteidiger-) Grundgebühren gemäß Nr. 4100 VV RVG sowie für die im Verfahren entfalteten Tätigkeiten 12 (Pflichtverteidiger-) Verfahrensgebühren gemäß Nr. 4104 VV RVG bewilligt (Rpfleger 2008, 229). Dies blieb bei der Grundgebühr unter dem Zweifachen (rund 1,77) der Wahlverteidigerhöchstgebühr, während bei der Verfahrensgebühr die Wahlverteidigerhöchstgebühr um mehr als das Fünffache (rund 5,5) überschritten wurde. In einem anderen äußerst umfangreichen Verfahren hat das OLG Stuttgart zehn zusätzliche Verfahrensgebühren zuerkannt (vgl. OLG Stuttgart Rpfleger 2014, 692 Rdn. 11 nach juris).

Das OLG Bremen nahm in einem besonders umfangreichen und rechtlich besonders schwierigen Strafverfahren Erhöhungen der Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG auf das Siebenfache (924 €) der gesetzlichen Pflichtverteidigergebühr (132 €) und der Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV RVG auf das Zehnfache (1.240 €) der gesetzlichen Pflichtverteidigergebühr (124 €) vor (StraFo 2012, 39 Rdn. 6, 10 nach juris). Dies führte (nach den damals geltenden Vergütungssätzen) zu einer Überschreitung der Wahlverteidigerhöchstgebühr um rund das Dreifache bei der Grundgebühr und um rund das 4,6fache bei der Verfahrensgebühr.

Das OLG München setzte im NSU-Prozess einen Vorschuss für die zu erwartende Pauschgebühr für das Vorverfahren fest, der die gesetzlichen Höchstgebühren des Wahlverteidigers um das 7,3-fache übersteigt [Beschluss vom 09.09.2013 - 6 St (K) 1/13, Volltext in www.burhof.de].

c) Vorliegend sind wegen des besonderen Umfangs des Verfahrens die dem Antragsteller zustehende gesetzliche Grundgebühr (Nr. 4101 VV RVG) um das Fünffache und die Verfahrensgebühr (Nr. 4113 VV RVG) um das Achtfache zu erhöhen. Bei der Terminsgebühr ist eine Anhebung um 12 mal 128 € geboten. Insgesamt wird mit der für das gesamte Verfahren auf 9.700 € festzusetzenden Pauschgebühr die Wahlverteidigerhöchstgebühr (unter Einbeziehung der Terminsgebühren) nicht überschritten.

aa) Mit der Grundgebühr wird gemäß Anmerkung (1) zu Nr. 4100 VV RVG die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall abgegolten, unabhängig davon, in welchem Verfahrensabschnitt sie erfolgt. Nach der Gesetzesbegründung betrifft dies das erste Gespräch mit dem Mandanten und die erste Beschaffung der erforderlichen Informationen (BT-Drucks. 15/1971 S. 222 zu Nr. 4100 VV); dies erfasst alle in zeitlich nahem Zusammenhang mit der Übernahme des Mandats stehenden Tätigkeiten, die notwendig für die ordnungsgemäße Erstbearbeitung des Rechtsfalles sind, also auch die erste Akteneinsicht (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG a. a. O., VV 4100, 4101 Rdn. 1 und 10; Burhoff, RVG, a. a. O., Nr.4100 VV Rdn. 20 ff.).

Spätere sich anschließende Gespräche, die z. B. dem konkreten Aufbau der Verteidigungsstrategie dienen, werden nicht mehr von der Grundgebühr, sondern von der daneben gemäß Vorbemerkung 4 Abs. 2 VV RVG für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information entstehenden Verfahrensgebühr umfasst (Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG a. a. O. VV 4100 Rdn. 11; zum Ganzen OLG München Rpfleger 2014, 445 Rdn. 19 nach juris). Diese entsteht für die Tätigkeit in jedem gerichtlichen Verfahren als Ausgangsgebühr, durch die bereits die Information als Bestandteil des „Betreibens des Geschäfts“ entgolten wird, während die Grundgebühr den zusätzlichen Aufwand entgelten soll, der für die erstmalige Einarbeitung anfällt. Sie hat daher den Charakter einer Zusatzgebühr, die den Rahmen der Verfahrensgebühr erweitert (BT-Drucks. 17/11471, Seite 281). Durch die Verfahrensgebühr wird somit die gesamte Tätigkeit des Pflichtverteidigers im Strafverfahren des ersten Rechtszuges nach Abschluss des vorbereitenden Verfahrens außerhalb der Hauptverhandlung abgegolten (Mayer/Kroiß, a. a. O. VV RVG Nrn. 4106-4123 Rdn. 3).

bb) Mit der Terminsgebühr - hier nach Nr. 4114 - 4117 VV RVG - wird die Teilnahme an jedem Hauptverhandlungstermin abgegolten (Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 1 VV RVG). Erfasst wird auch die Vor- und Nachbereitung des konkreten Hauptverhandlungstermins, nicht jedoch die allgemeine Vorbereitung der Hauptverhandlung. Die insoweit erbrachten Tätigkeiten werden - wie oben dargelegt - von der Verfahrensgebühr abgegolten (Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG a. a. O., VV 4108-4111 Rdn. 10).

(1) Bei der Bemessung der Terminsgebühr ist nach ständiger Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Nürnberg eine Sitzungsunterbrechung während der Mittagszeit grundsätzlich in der üblichen Länge von etwa einer Stunde als Mittagspause abzuziehen und nicht als Teilnahme an der Hauptverhandlung anzusehen (so auch Thüringer OLG StRR 2008, 479 Rdn. 14 nach juris; weitergehend - unabhängig von der Länge der Mittagspause - OLG Celle JurBüro 2014, 301 Rdn. 8 nach juris m. w. N.). Hieran ändert der Vortrag des Pflichtverteidigers nichts, er habe die Verhandlungspausen in der Regel für Besprechungen mit dem Mandanten bzw. zur Vorbereitung von Anträgen genutzt.

(2) Eine Erhöhung der dem Pflichtverteidiger zustehenden gesetzlichen Terminsgebühr durch eine Pauschgebühr kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Die Dauer der Hauptverhandlungstermine kann wegen der Einführung der Längenzuschläge - hier nach Nr. 4117, 4118 VV RVG - bei der Frage des besonderen Umfangs des Verfahrens im Sinne von § 51 Abs. 1 RVG nicht mehr berücksichtigt werden (vgl. BGH StRR 2013, 39 Rdn. 6 nach juris; BGH StRR 2014, 198 Rdn. 6 nach juris; OLG Karlsruhe Rpfleger 2005, 694 Rdn. 5 nach juris; Thüringer OLG NJW 2006, 933 Rdn. 16 nach juris [zu § 42 RVG]; Mayer/Kroiß, a. a. O. § 51 Rdn. 2; s. auch Burhoff, RVG a. a. O. § 51 Rdn. 15; wohl auch OLG Hamm NJW 2007, 311 Rdn. 15 nach juris). Dies entspricht der Begründung zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, wonach aufgrund der an die Dauer des Hauptverhandlungstermins gebundenen Gebührenstaffelung das Zeitmoment, das bislang von den Oberlandesgerichten als wesentlich für die Bewilligung einer Pauschgebühr angesehen wurde, nur noch in Ausnahmefällen zur Verfügung steht (BT-Drucks. 15/1971, S. 201).

Grundsätzlich ist auch die erforderliche Vor- und Nachbereitung der einzelnen Hauptverhandlungstermine mit der jeweiligen Terminsgebühr abgegolten (vgl. OLG Hamm AGS 2006, 408 Rdn. 16 nach juris; StRR 2009, 438 Rdn. 15 nach juris; OLG Karlsruhe StraFo 2008, 439 Rdn. 7 nach juris; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG a. a. O., VV 4118 - 4123 Rdn. 5 m. w. N..; Burhoff, RVG, a. a. O. Vorbemerkung 4 Rdn. 62 mit zahlreichen Nachweisen zur oberlandesgerichtlichen Rspr.). Auch der Bundesgerichtshof sieht in seiner jüngsten Rechtsprechung die Vor- und Nachbesprechungen des Verteidigers mit seinem Mandanten als durch die gesetzlichen Terminsgebühren abgegolten an (BGH StRR 2014, 39 Rdn. 6 nach juris; StRR 2014, 198 Rdn. 6 nach juris). Demgegenüber vertritt das OLG Bremen als - soweit ersichtlich - bisher einziges Oberlandesgericht zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz die Ansicht, die anwaltlichen Tätigkeiten, die der Vor- und Nachbereitung eines Hauptverhandlungstermins dienen (etwa das Verfassen von Beweisanträgen zu Beginn oder am Ende eines Tages, an dem ein Hauptverhandlungstermin stattgefunden hat), würden als Tätigkeit außerhalb der Terminsteilnahme durch die Verfahrensgebühr abgegolten (StraFo 2012, 39, Rdn. 11 nach juris). Dies steht jedoch nicht im Einklang mit der Gesetzesbegründung zur Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG (so auch Burhoff, RVG, a. a. O., Vorbemerkung 4 Rdn. 62), wonach der Verteidiger die Terminsgebühr grundsätzlich auch dann erhält, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet. Nach der Begründung „ist kein Grund ersichtlich, warum der Verteidiger, der zur Hauptverhandlung erscheint, hierfür keine Gebühr erhalten soll. Er erbringt unter Umständen einen nicht unerheblichen Zeitaufwand schon zur Vorbereitung des Termins. Soweit dieser wegen des Nichtstattfindens der Hauptverhandlung gering ist, lässt sich dies ohne weiteres bei der Bemessung der Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens berücksichtigen“ (BT-Drucks. 15/1971, Seite 221). Der Senat schließt sich demgemäß der überwiegenden oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung an, wonach die Vor- und Nachbereitung der Hauptverhandlung von der Terminsgebühr umfasst wird.

Allerdings können die Vorschriften des Vergütungsverzeichnisses, die auf die jeweilige Verhandlungsdauer abstellen, nicht in allen denkbaren Fällen die jeweils zugehörige Vor- und Nacharbeit berücksichtigen (vgl. Burhoff, RVG a. a. O. § 51 Rdn. 143; Hartmann, Kostengesetze a. a. O. § 51 RVG Rdn. 17 „Verfahrensdauer“), so dass in der Rechtsprechung zu § 99 BRAGO teilweise die Pauschgebühr für die Hauptverhandlung auf die Wahlverteidigerhöchstgebühr erhöht wurde, wenn ein ganz erheblicher Zeitaufwand der Verteidiger erforderlich war, um die Hauptverhandlung bzw. die umfangreiche Beweisaufnahme vor- bzw. nachzubereiten (vgl. OLG Hamm JurBüro 1999, 134 Rdn. 4 nach juris; OLG Bamberg JurBüro 1988, 1347). Auch unter Geltung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ist nach Ansicht des Senats in Ausnahmefällen im Rahmen der Bemessung der Pauschgebühr eine Anhebung der dem Pflichtverteidiger gesetzlich zustehenden Terminsgebühr möglich (so auch Thüringer OLG StV 2006, 204 Rdn. 18 nach juris; StRR 2008, 479 Rdn. 17 nach juris). Dies kommt in Betracht, wenn an sich in die Hauptverhandlung fallende Vorgänge - etwa das Verlesen von Urkunden durch Anordnung des Selbstleseverfahrens - nach außen verlagert werden oder im Rahmen der Hauptverhandlung neue Unterlagen (etwa umfangreiche Gutachten) bekannt werden, die eine intensive Vor- oder Nachbereitung erfordern (vgl. Burhoff, RVG a. a. O. § 51 Rdn. 174). Beides rechtfertigt aber nur dann eine Gebührenanhebung, wenn hierdurch ein überproportionaler Arbeits- und Zeitaufwand entsteht, dessen Abgeltung durch die gesetzlichen Gebühren für den Pflichtverteidiger ein unzumutbares Sonderopfer darstellen würde. Hierbei ist etwa zu prüfen, ob der Zeitaufwand für das „Selbstlesen“ von Urkunden, die nach § 249 Abs. 2 StPO zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht werden, nicht bereits von der Verfahrensgebühr erfasst wird. Sind diese in den Akten enthalten, gehört das Lesen derselben zur allgemeinen Vorbereitung der (gesamten) Hauptverhandlung (vgl. KG JurBüro 2013, 361 Rdn. 4 nach juris).

Ein überproportionaler Zeitaufwand, der eine Erhöhung der Terminsgebühren rechtfertigt, kann auch durch Fahrtzeiten des Verteidigers vom Kanzleisitz zum Gerichtsort hervorgerufen werden. Solche können bei der Bemessung der Pauschgebühr berücksichtigt werden (vgl. OLG Hamm NJW 2007, 311 Rdn. 7 nach juris; s. a. NJW 2007, 857 Rdn. 13 nach juris; Beschluss vom 17.01.2012 - 5 RVGs 38/11 Rdn. 12 nach juris; so auch Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG a. a. O. § 51 Rdn. 22). Der durch die Fahrten erbrachte Zeitaufwand wird zwar grundsätzlich durch Fahrtkostenersatz und Tagegeld (RVG-VV Nr. 7003 bis 7006) abgegolten (ständige Rechtsprechung des OLG Nürnberg, vgl. Senatsbeschlüsse vom 05.10.2010 - 2 ARs 338/10; vom 28.11.2014 - 2 AR 56/14; Beschluss des 1. Strafsenats vom 21.08.2014 - 1 AR 15/14; so auch OLG Frankfurt a.M., NStZ-RR 2003, 128). Die dort ausgeworfenen Sätze sind jedoch für Verteidiger, die eine längere An- und Abreise zu bewältigen haben, gegebenenfalls nur unzureichend bemessen. Im Einzelfall kann es somit aus Billigkeitsgründen angezeigt sein, einen angemessenen Ausgleich im Rahmen der Bemessung der Pauschgebühr vorzunehmen, um auswärtigen Verteidigern im Vergleich zu (gerichts-) ortsansässigen oder ortsnah tätigen Rechtsanwälten kein ungerechtfertigtes Sonderopfer abzuverlangen (OLG Hamm NJW 2007, 311 Rdn. 7 nach juris). Dies gilt vor allem dann, wenn die Fahrtzeiten im Vergleich zur Dauer der Hauptverhandlung besonders ins Gewicht fallen (OLG Köln StraFo 2006, 130 Rdn. 19 nach juris).

Dies entspricht auch der bisherigen (unveröffentlichten) Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Nürnberg. So haben beide Strafsenate eine Berücksichtigung von Fahrtzeiten bei Besuchen des Mandanten in der Justizvollzugsanstalt abgelehnt, da derartige Besuche grundsätzlich zu den Aufgaben eines Pflichtverteidigers gehören, die durch die gesetzlichen Gebühren, nämlich die Haftzuschläge gemäß Vorbemerkung 4 Abs. 4 VV RVG, abgegolten sind (Beschlüsse vom 27.06.2011 - 1 ARs 22/11; vom 31.10.2007 - 2 ARs 69/07) und im konkreten Fall die Entfernung nicht so erheblich war, dass überobligatorische Zeiten oder Kosten angefallen wären und die Besuche mit Hin- und Rückfahrt am selben Tag erledigt werden konnten (Beschluss vom 13.09.2010 - 1 ARs 33/10). Gleichwohl können die Besuche in der Haft in einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung des Aktenumfanges dazu führen, von einem besonderen Umfang des Verfahrens auszugehen (Beschluss vom 31.10.2007 - 2 ARs 69/07). Demgemäß haben die Senate in Einzelfällen - etwa bei der Anreise des Verteidigers aus Berlin zu drei Anhörungen - beim zeitlichen Aufwand auch die Fahrtzeiten berücksichtigt (vgl. Beschluss vom 27.04.2010 - 1 ARs 20/10; s. a. Beschluss vom 08.12.2014 - 2 AR 64/14).

Eine eventuell gebotene Anhebung der Terminsgebühren kann in geeigneten Fällen durch den Ansatz von Längenzuschlägen (etwa gemäß Nrn. 4116, 4117 VV RVG) oder durch einen pauschalen Zuschlag zur gesetzlichen Terminsgebühr des Pflichtverteidigers erfolgen (vgl. Thüringer OLG StV 2006, 204 Rdn. 18 nach juris; StRR 2008, 479 Rdn. 17 nach juris).

cc) Der besondere Umfang des vorliegenden Verfahrens führt dazu, dass das Sonderopfer des Antragstellers durch die eingangs unter c) genannten Zuschläge auszugleichen ist.

(1) Der besondere Umfang kommt im außerordentlichen Umfang der Verfahrensakten, der Beiakten, der Audiodateien aus der Telefonüberwachung und deren Verschriftungen zum Ausdruck. Diesbezüglich waren Anhörungen der Audiodateien unter Beiziehung eines Dolmetschers, teilweise zusammen mit dem Angeklagten erforderlich. Der Verteidiger trägt nachvollziehbar vor, für die Einarbeitung und für die Vorbereitung der Hauptverhandlung rund 20 Arbeitstage benötigt zu haben. Dieser Zeitaufwand ist angesichts der Seitenzahl von rund 17.000 Blatt, auch wenn die Akten der hinzuverbundenen Verfahren der beiden Mitangeklagten zum Teil - etwa hinsichtlich der Vernehmungsprotokolle - identisch waren, und fast 34.000 Blatt TKÜ-Verschriftungen auch unter Berücksichtigung einer Arbeitsteilung mit dem weiteren Verteidiger des Angeklagten H … ohne weiteres nachvollziehbar.

Ein gewisser Zusatzaufwand bestand darin, dass der Antragsteller sich zweimal auf die Hauptverhandlung vorbereiten musste, nachdem diese zunächst am 16.07.2014 begann und sogleich wieder ausgesetzt wurde, um dann am 22.10. bzw. 23.10.2014 erneut anzufangen.

Ein weiterer besonderer Aufwand des Pflichtverteidigers liegt in dem Umstand begründet, dass er sowohl vor Beginn der Hauptverhandlung zu Besprechungen mit dem Angeklagten in die Justizvollzugsanstalt Weiden i. d. OPf. als auch zur Hauptverhandlung selbst von B … nach Amberg anreisen musste.

Der Angeklagte H … wurde vom Antragsteller und einem weiteren Pflichtverteidiger verteidigt. Hierdurch war eine ökonomische Arbeitsteilung möglich, die den Arbeitsaufwand für beide Verteidiger jeweils teilweise minderte. Da beide Verteidiger jedoch verschiedenen, noch dazu örtlich weit auseinanderliegenden Kanzleien angehören (B … und M …), wirken sich die Synergieeffekte nicht derart günstig aus als bei einem der Mitangeklagten, dessen Verteidiger etwa derselben Sozietät oder Bürogemeinschaft angehören.

Die von der Bezirksrevisorin vorgeschlagene jeweilige Anhebung der Grundgebühr (Nr. 4101 VV RVG) von 192 € und der Verfahrensgebühr (Nr. 4113 VV RVG) von 180 € auf die Wahlverteidigerhöchstgebühr (also auf 450 € und 400 €) reicht angesichts des hohen Zeitaufwands des Antragstellers ersichtlich nicht aus, um die Unzumutbarkeit des Sonderopfers des Pflichtverteidigers zu beseitigen.

(2) Da der Zeitaufwand für die Einarbeitung in den Fall, die Besprechung mit dem Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt Weiden i. d. OPf. und die Vorbereitung der Hauptverhandlung die Verfahrensabschnitte betrifft, die durch die Grundgebühr nach Nr. 4101 VV RVG und die Verfahrensgebühr nach Nr. 4113 VV RVG vergütet werden, sind für die Bemessung der Pauschgebühr zunächst diese beiden Gebührentatbestände angemessen anzuheben, wobei mit Rücksicht auf die Mitwirkung des Antragstellers bei der verfahrensverkürzenden Absprache die Verfahrensgebühr in einem größeren Umfang anzuheben ist. Dies beruht auf folgender Überlegung:

Der Umstand, dass die Hauptverhandlung ursprünglich auf insgesamt 48 Tage terminiert war und aufgrund der verfahrensbeendenden Absprache mindestens 31 bereits festgesetzte Hauptverhandlungstermine vom 05.02.2014 bis 25.06.2014 entfallen sind, rechtfertigt keine Anhebung der gesetzlichen Terminsgebühren. Allerdings wären bei Durchführung aller angesetzten Termine mindestens 9.627 € (312 € je 31 Termine) an weiteren Terminsgebühren entstanden, wobei unter der Annahme, dass rund die Hälfte der Termine über fünf Stunden (128 € x 15 Termine) und vielleicht zehn Prozent sogar über acht Stunden (256 € x 3 Termine) gedauert hätten, die hierfür anfallenden Zusatzgebühren je Pflichtverteidiger überschlägig rund 11.000 € betragen hätten. Gleichwohl ist durch den Wegfall der Termine kein vergütungsfähiger Mehraufwand im Verfahrensabschnitt „Hauptverhandlung“ entstanden. Die Pauschgebühr soll lediglich den tatsächlich entstandenen Aufwand für die Tätigkeit des Verteidigers abdecken (OLG Celle JurBüro 2013, 301 Rdn. 11 nach juris), darf aber grundsätzlich keinen Ausgleich im Sinne eines Verdienstausfalls bei den Pflichtverteidigerterminsgebühren selbst schaffen, zumal der Pflichtverteidiger durch die vorzeitige Verfahrensbeendigung grundsätzlich wieder die Möglichkeit hat, seine Arbeitskraft als Rechtsanwalt anderweitig einzusetzen.

Allerdings liegt es im Interesse einer effektiven, zeit- und kostensparenden Rechtspflege, wenn ein ungewöhnlich umfangreiches Verfahren aufgrund der intensiven Verfahrensvorbereitung durch den Pflichtverteidiger zügig erledigt wird (OLG Hamm JurBüro 1997, 85, 86; Burhoff, RVG a. a. O. § 51 Rdn. 192) oder durch die aktive Mitarbeit des Verteidigers letztlich erheblich abgekürzt werden kann (OLG Hamm JurBüro 2006, 29 Rdn. 11 nach juris; Baumgärtel/Hergenröder/Houben RVG a. a. O. § 51 Rdn. 6). Demgemäß entspricht es auch dem Interesse an einer effektiven Justiz, den Verteidiger trotz der damit in aller Regel verbundenen eher unterdurchschnittlichen Hauptverhandlungsdauer hierfür angemessen im Sinne einer Pauschvergütung zu entlohnen (OLG Hamm JurBüro 1997, 85, 86; Rehberg, in: Göttlich/Mümmler, RVG a. a. O. „Pflichtverteidiger“ Anm. 13.1). Dies steht im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers, der in der Begründung zum Entwurf des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes folgendes ausgeführt hat (BT-Drucks. 15/1971, S. 219 f.):

„Die Verteidigertätigkeit beginnt heute in der Regel nicht erst mit der Hauptverhandlung, sondern setzt meist bereits im Rahmen des Ermittlungsverfahrens ein. So erfordert eine sachgerechte Verteidigung ggf. eine Teilnahme des Rechtsanwalts an Vernehmungen seines Mandanten bzw. von Zeugen im Ermittlungsverfahren. Häufig ist diese Teilnahme im Interesse des weiteren Verfahrens, insbesondere im Hinblick auf die Verwertbarkeit von Angaben des Beschuldigten bzw. von Zeugen (richtige Belehrung usw.), auch wünschenswert. Denn durch eine möglichst frühzeitige Einbindung des Rechtsanwalts in das Ermittlungsverfahren und eine damit sichergestellte kompetente Verteidigung des Beschuldigten kann das Hauptverfahren entbehrlich oder eine Hauptverhandlung erheblich abgekürzt werden. Die rechtzeitige Einbindung des Verteidigers ermöglicht ggf. eine frühzeitige (verfahrensbeendende) Absprache, was im Interesse der schnelleren Erledigung, insbesondere schwieriger Verfahren, zu begrüßen wäre. Die Neuregelungen sehen deshalb ein strukturell wesentlich geändertes Gebührensystem vor, das besser als bisher die BRAGO an die einzelnen Verfahrensabschnitte angepasst ist und vor allem die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Ermittlungsverfahren stärker berücksichtigt.“

Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die zur zügigen Verfahrensbeendigung führende Tätigkeit des Verteidigers somit grundsätzlich im Rahmen desjenigen Verfahrensabschnitts honoriert werden, in dem die Tätigkeit entfaltet wird. Die verfahrensbeendende Absprache wurde zwar erst während des Endes der Hauptverhandlung getroffen. Sie beruhte aber im Wesentlichen auf der Herausarbeitung von Fehlern bei der Telekommunikationsüberwachung, die zu Beweisverwertungsverboten führten, im Rahmen der Durchsicht der TKÜ-Verschriftungen bzw. des Abhörens der Audiodateien. Dies erfolgte im Stadium der allgemeinen Vorbereitung der Hauptverhandlung, also in dem durch die Verfahrensgebühr honorierten Verfahrensabschnitt.

Der vor allem durch die Herausarbeitung der Verfahrensverstöße verursachte erhebliche Zeitaufwand des Pflichtverteidigers wäre jedenfalls teilweise durch die langdauernde, auf 48 Tage terminierte Hauptverhandlung und die hierfür anfallenden Terminsgebühren kompensiert worden. Diese Kompensationsmöglichkeit entfiel dadurch, dass aufgrund der intensiven Verfahrensvorbereitung der Verteidiger eine verfahrensbeendende Absprache zustande kam und die Hauptverhandlung erheblich abgekürzt wurde. In diesem Fall hält es der Senat über die gebotene gleichmäßige Anhebung der Grund- und Verfahrensgebühr hinaus für erforderlich, den intensiven Einsatz der Verteidiger - hierunter des Antragstellers - durch eine gegenüber der Erhöhung der Grundgebühr nochmalige Erhöhung der Verfahrensgebühr auszugleichen.

Insgesamt erachtet der Senat somit eine Erhöhung der dem Pflichtverteidiger gesetzlich zustehenden Grundgebühr nach Nr. 4101 VV RVG von 192,00 € um das Fünffache (also auf 960,00 €) und der Verfahrensgebühr nach Nr. 4113 VV RVG von 180,00 € um das Achtfache (also auf 1.440,00 €) für angemessen aber auch ausreichend.

(3) Der Umfang des Verfahrens rechtfertigt grundsätzlich keine Anhebung der dem Pflichtverteidiger zustehenden Terminsgebühr, zumal die Anzahl der Hauptverhandlungstermine (17 Verhandlungstage in der Zeit vom 22.10.2013 bis 04.02.2014) für eine erstinstanzliche Strafkammersache nicht außergewöhnlich (exorbitant) groß und deren Dichte eher gering war; in der Zeit vom 22.10.2013 bis 04.02.2014 fanden maximal zwei Termine pro Woche statt, wobei bereits die zweite Woche und auch die Zeit zwischen 19.12.2013 und 13.01.2014 terminfrei war. Auch ist nicht ersichtlich, dass eine auf einzelne Termine bezogene besondere Vor- und Nachbereitung erforderlich gewesen wäre, deren Abgeltung durch die gesetzliche Pflichtverteidigervergütung als unzumutbar anzusehen wäre.

Allerdings führt der Zeitaufwand für die Anreise vom Kanzleisitz in B … zum Ansatz von Längenzuschlägen bei den Terminsgebühren. Dies beruht darauf, dass der Antragsteller nachvollziehbar für die Anreise zu den Hauptverhandlungsterminen je Kalenderwoche, in denen solche stattfanden, rund fünfeinhalb Stunden benötigte. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass er die Zeit der Anreise mit der Bahn jedenfalls auf der Strecke B … - N … bei einer Fahrtzeit von rund vier Stunden im ICE auch zur Erledigung von verfahrensbezogenen oder anderweitigen Arbeiten nutzen konnte. Der Senat hält demgemäß für die Anreise in den 12 Sitzungswochen, in denen der Antragsteller an der Hauptverhandlung teilnahm, in entsprechender Anwendung von Nr. 4116 VV RVG jeweils eine Gebühr von 128 € für angemessen.

(3) Somit ergibt sich folgende Berechnung:

Nr. 4101 VV RVG Grundgebühr mit Zuschlag fünffach (192,00 € x 5)

960,00 €

Nr. 4113 VV RVG Verfahrensgebühr mit Zuschlag achtfach (180,00 € x 8)

1.440,00 €

Nr. 4115 VV RVG: Terminsgebühr mit Zuschlag (16 Termine a´ 312,00 €)

4.992,00 €

Nr. 4116 VV RVG: Teilnahme an Hauptverhandlung mehr als 5 bis 8 Stunden (6 Termine a´ 128,00 €)

768,00 €

Zuschlag wegen Fahrtzeiten Nr. 4116 VV RVG analog: 12 mal 128,00 €

1.536,00 € _________

Summe

9.696,00 €

aufgerundet

9.700,00 €

Hierauf sind die bereits auf die gesetzliche Pflichtverteidigervergütung ausgezahlten Beträge anzurechnen.

Durch die Anhebung der Grund- und Verfahrensgebühr werden zwar die Wahlverteidigerhöchstgebühren, die gemäß Nr. 4101 VV RVG 450,00 € sowie gemäß Nr. 4113 VV RVG 400,00 € betragen, um das 2,1 bzw. 3,6 fache überschritten. Insgesamt reicht die Vergütung von 9.700 € an die dem Wahlverteidiger zustehende Höchstvergütung (ohne Berücksichtigung von § 42 RVG) für das gesamte Verfahren jedoch nicht heran, da diese 12.050 € (450,00 € gemäß Nr. 4101 VV RVG; 400,00 € gemäß Nr. 4113 VV RVG; 16 Verhandlungstage a´ 700,00 € = 11.200 € gemäß Nr. 4115 VV RVG) betragen würde.

Da dem weitergehenden Antrag nicht stattgegeben wird, ist dieser im Übrigen zurückzuweisen.