Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 28. Sept. 2015 - 5 - 3 StE 6/10

bei uns veröffentlicht am28.09.2015

Tenor

Der Angeklagte Dr. M. wird wegen Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Beihilfe zu vier Kriegsverbrechen zu der Freiheitsstrafe von

13 Jahren

verurteilt.

Der Angeklagte M. wird wegen Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu der Freiheitsstrafe von

8 Jahren

verurteilt.

Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens.

Angewendete Vorschriften:

Angeklagter Dr. M.: §§ 129b Abs. 1, 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 StGB, 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 Nr. 2, 9 Abs. 1, 1. und 2. Var. VStGB, 27, 52 StGB

Angeklagter M.: §§ 129b Abs. 1, 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 StGB

Gründe

  Die Angeklagten stammen beide aus Ruanda, leben aber bereits seit über 20 Jahren in Deutschland. Bis zu ihrer jeweiligen Inhaftierung am 17. November 2009 waren der Angeklagte Dr. M. als Präsident und der Angeklagte M. als 1. Vizepräsident der terroristischen Vereinigung FDLR (Forces Démocratiques de Libération du Rwanda = Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) tätig.
Es handelt sich bei dieser Organisation um eine Rebellengruppierung, die überwiegend aus Mitgliedern der Bevölkerungsgruppe der Hutu besteht und deren Ziel der Sturz des in Ruanda derzeit herrschenden, von der Bevölkerungsgruppe der Tutsi geprägten Regimes ist. Sie ist hierarchisch gegliedert und besteht aus einem politischen Arm, an dessen Spitze die beiden Angeklagten stehen, und einer armeeähnlich aufgestellten, bewaffneten Miliz (FOCA) mit einer vierstelligen Anzahl von Kämpfern. Diese beteiligen sich seit vielen Jahren an den im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo bzw. DRC) in den Kivu-Provinzen stattfindenden, bewaffneten Konflikten, an denen verschiedene Gruppierungen, darunter auch die kongolesische Armee (FARDC), beteiligt sind. Zur Erhaltung ihrer dortigen Machtposition und als Mittel ihres Kampfes zur Erreichung des oben genannten Ziels beging die FDLR vor allem im Tatzeitraum der Jahre 2008/2009 gewalttätige Übergriffe auf die an den Auseinandersetzungen unbeteiligte kongolesische Zivilbevölkerung. Dies erfolgte zum einen in Form von organisierten Plünderungen bei diesen Zivilisten, den sogenannten Verpflegungsoperationen. Da sie die Zivilisten, welche während der Militäroperationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ aus ihrer Sicht mit dem Feind, also der FARDC, zusammenarbeiteten und sei es auch nur durch ein Zusammenleben, ebenfalls als Feinde betrachtete, beging sie gezielte Vergeltungsangriffe auf die kongolesischen Siedlungen Kipopo am 13. Februar 2009, Mianga am 12. April 2009, Busurungi am 10. Mai 2009, Chiriba zwischen dem 25. und 27. Mai 2009 und Manje in der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 2009, bei denen zahlreiche Zivilisten getötet sowie eine Vielzahl von Häusern in diesen Dörfern durch Brandlegung zerstört wurden.
Beide Angeklagten hatten nicht nur durch ihre hochrangige politische Stellung in der Organisation und deren Gremien, sondern auch durch ihre Tätigkeiten maßgeblichen Einfluss auf die FDLR, deren Ziel sie billigten und unterstützten.
Der Angeklagte Dr. M. trat als ihr politischer Führer und höchster Repräsentant auf internationaler Ebene auf, wandte sich unter anderem mit Botschaften an die Kämpfer im Ost-Kongo, verfasste Presseerklärungen und gab den Medien Interviews, mit denen Kriegsverbrechen der FDLR entgegen seinem besseren Wissen geleugnet oder verschleiert wurden. Durch seine Aktivitäten förderte er, wie er wusste und zumindest in vier Fällen auch billigend in Kauf nahm, die bei den oben genannten Angriffen auf kongolesische Siedlungen begangenen Kriegsverbrechen der FOCA.
Der Angeklagte M. arbeitete als dessen Vertreter eng mit dem Mitangeklagten zusammen, insbesondere bei der Erstellung der oben genannten Pressekommuniqués, bei denen er die gemeinsame Linie, sämtliche Vorwürfe von Kriegsverbrechen, die gegen die FDLR erhoben wurden, stets, unverzüglich und auch wider besseres Wissen zu bestreiten, verfolgte. Auch wirkte er beispielsweise bei der Vorbereitung und Durchführung der Versammlung des Comité Directeur (CD) im Januar 2009 mit.
Hinsichtlich der Anklagepunkte III. 1., 2., 4., 6., 7., 9. (soweit dort andere Orte als der Ort Chiriba genannt sind), 10. - 12. und 14. - 16. wurde das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts vorläufig eingestellt. Bezüglich des Angeklagten M. wurde die Verfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf den Vorwurf der Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung beschränkt.
Eine Verständigung zwischen den Verfahrensbeteiligten hat nicht stattgefunden.
Teil 1: Feststellungen zur Person
[…]
Teil 2: Feststellungen zur Sache
A. Die Vereinigung FDLR
I. Entstehung und Entwicklung der Organisation
1. Geschichtlicher Hintergrund
a) Massenexodus ruandischer Hutu-Flüchtlinge in die Kivu-Gebiete der Republik Zaire im Jahr 1994
Die Entstehung der von Hutu-Exil-Ruandern dominierten Rebellenbewegung FDLR ist eng verschränkt mit den Verhältnissen und geschichtlichen Ereignissen in Ruanda in den Jahren 1990 bis 1994, die zur Flucht Hunderttausender ruandischer Hutu in die Kivu-Gebiete von Zaire, der heutigen Demokratischen Republik Kongo, führten.
In dem mehrheitlich von Hutu und den Minderheiten der Tutsi und Twa bewohnten Ruanda herrschte seit dem Jahr 1990 ein Bürgerkrieg zwischen dem Regime des ruandischen Präsidenten Juvenal Habyarimana und den militärischen Verbänden der Rebellenbewegung „Ruandische Patriotische Front“ (RPF), die unter exilierten ruandischen Tutsi in Uganda entstanden war und von der ugandischen Regierung unterstützt wurde. Ziel der aus Uganda nach Ruanda vorgerückten, von Tutsi dominierten RPF war es, die hauptsächlich aus Hutus bestehende Regierung in Ruanda zu stürzen. In Folge des Bürgerkriegs setzte in Ruanda eine zunehmende Radikalisierung ein. Vertreter einer extremistischen Hutu-Ideologie wie die von der Regierungspartei MRND gegründete milizartige Jugendorganisation „Interahamwe“ erhoben die Tutsi zum Feindbild. Zwar kam es auf internationalen Druck im Jahr 1993 in Arusha zu einem Friedensabkommen zwischen den Kriegsparteien, das eine Machtteilung vorsah. Dieses wurde aber in der Folgezeit nur schleppend umgesetzt. Als am 6. April 1994 das mit dem burundischen und dem ruandischen Staatspräsidenten besetzte Flugzeug bei dem Anflug auf den Flughafen Kigali abgeschossen und hierbei beide Präsidenten getötet wurden, wurde vielerorts in Ruanda die Verantwortung hierfür bei der RPF gesehen. In der Folge kam es von Seiten der ruandischen Machthaber zu einer systematischen Tötung von mindestens 500.000 in Ruanda lebenden Tutsi und ca. 10.000 oppositionellen Hutu, die das Arusha-Abkommen und die Machtteilung unterstützt hatten. Maßgeblich beteiligt an dem in der Zeit zwischen April und Juni 2004 erfolgten Völkermord an den Tutsi waren hierbei die ruandische Armee FAR, die „Präsidentengarde“ und die Interahamwe, aber auch Teile der gegen die Tutsi aufgehetzten Zivilbevölkerung. Die Massentötungen endeten erst, als es den Streitkräften der RPF unter der Führung des Exilruanders und Tutsis Paul Kagame, des heutigen Präsidenten Ruandas, gelang, größere Gebiete Ruandas zu besetzen, die staatliche Armee FAR sowie die Interahamwe-Miliz zu besiegen und schließlich im Juli 1994 die Macht in Ruanda zu übernehmen.
Angesichts der erlittenen militärischen Niederlage kam es aus Furcht vor Verfolgung und Vergeltungsschlägen durch die neuen Machthaber zu der Flucht und einem Massenexodus der Mitglieder der ruandischen Regierung, der Soldaten der ruandischen Armee FAR und der Angehörigen der Interahamwe sowie weiterer Milizen, aber auch Hunderttausender ziviler Hutu ins Ausland. Zu den Flüchtlingen gehörten damit neben Inhabern hoher Ämter innerhalb des ruandischen Machtapparats, die zu den Planern des Genozids zählten, eine größere Anzahl an Personen, die an dem Genozid teilgenommen hatten, aber auch viele Zivilisten, bei denen keines von beidem der Fall war. Insgesamt verließen weit mehr als eine Million Ruander ihr Heimatland.Ein Großteil der geflohenen Ruander suchte Zuflucht in den an Ruanda angrenzenden Kivu-Gebieten der damaligen Republik Zaire, der heutigen DR Kongo. Neben großen Teilen des Personals des bisherigen ruandischen Staatsgefüges gelangten damit 1994 auch wesentliche Teile des Waffenarsenals, der Geldreserven und der sonstigen Ausstattung des bisherigen ruandischen Regimes auf den Boden von Zaire. Hier bildeten sich in unmittelbarer Nähe zur Grenze Ruandas große Flüchtlingslager. Dies führte zu einer erheblichen Destabilisierung und dem Verlust des Gewaltmonopols der kongolesischen Regierung in dieser Region.
b) Reorganisation der Exil-Ruander in den Flüchtlingslagern
In den Lagern in den Kivu-Gebieten reorganisierten sich die ruandischen Flüchtlinge rasch. Begünstigt durch die Tatsache, dass in den von internationalen humanitären Organisationen betreuten Flüchtlingslagern weder eine systematische Entwaffnung der ca. 20.000 bis 25.000 ehemaligen FAR-Militärs und der ca. 30.000 bis 40.000 Angehörigen der Interahamwe-Milizen stattfand, noch diese systematisch von der geflüchteten Zivilbevölkerung getrennt wurden, gelang es den bewaffneten Kräften, die Flüchtlingslager und deren Bewohner unter ihre Kontrolle zu bringen. Hier formierten sie sich in der Folge neu mit dem Ziel, sich der neuen ruandischen Regierung gewaltsam zu widersetzen und die Macht im Heimatland wiederzuerlangen. Zum Aufbau gemeinsamer Strukturen kam es hierbei vor allem zwischen den Soldaten der ehemaligen ruandischen Armee, den Ex-FAR, wie sie sich im Exil nannten, und den Angehörigen der ehemaligen ruandischen Gendarmerie. Diesen schlossen sich aber auch Milizionäre der Interahamwe an. Da die aus Ruanda geflohene Zivilbevölkerung ein großes Potenzial an Kämpfern bot, gelang es den bewaffneten Kräften, in den Flüchtlingslagern neue Kämpfer zu rekrutieren und Ausbildungsstätten für diese einzurichten. Gleichzeitig wurden Repressalien und Drohungen eingesetzt, um zivile Flüchtlinge von einer Rückkehr nach Ruanda abzuhalten und sich so deren Unterstützung zu sichern.
Von den Flüchtlingslagern aus organisierten die Militärkommandeure in der Folge Expeditionen und Angriffe auf ruandisches Gebiet und versuchten mit Hilfe von Guerillataktiken die neue RPF-geführte Regierung zu destabilisieren. So gab es in der zweiten Jahreshälfte 1995 etwa 10 bis 30 Angriffe monatlich auf ruandisches Territorium. Darüber hinaus fanden gezielte Übergriffe aus den Flüchtlingslagern auf kongolesische Tutsi im Nord- und Süd-Kivu statt, deren Vorfahren in früheren Jahrhunderten zusammen mit ruandischen Hutu Ruanda verlassen und in den Kongo ausgewandert waren. Insbesondere im Süd-Kivu bestanden die aus Ruanda ausgewanderten und Kinyarwanda sprechenden Bevölkerungsteile fast ausschließlich aus Tutsi (sog. Banyamulenge). Die Angriffe waren eine Ausdehnung der innerruandischen Auseinandersetzungen zwischen Hutu und Tutsi. Bis Ende 1995 sollen so mehrere Hundert Tutsi ihr Leben verloren haben. Damit wurde der ruandische Konflikt faktisch nach Zaire hineingetragen. In dem aus einer ethnisch stark gemischten Bevölkerung bestehenden Staat, in dem die Polarisierung zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen bereits weit vorangeschritten war, führte dies zu neuen Spannungen. Insbesondere in den Kivu-Gebieten, in denen es seit der Unabhängigkeit des Kongo eher Konflikte zwischen den „ruandophonen“ und den zumeist Swahili sprechenden „autochthonen“ Bevölkerungsteilen gegeben hatte und sich die kongolesischen Hutu und Tutsi oftmals gegen die anderen Ethnien verbündet hatten, kam es jetzt auch zu Konflikten zwischen diesen beiden Gruppen.
Eine Reorganisation der Flüchtlinge erfolgte aber nicht nur in militärischer, sondern auch in politischer Hinsicht. Große Teile der Ex-FAR und der Interahamwe-Milizen begannen bereits in den Flüchtlingslagern, sich zusammen mit zivilen Flüchtlingen in politischen Bewegungen zu organisieren, um ihre Interessen wirksam vertreten zu können. Als bedeutendste Organisation der Flüchtlinge bildete sich hierbei zunächst die im Jahr 1995 gegründete politische Organisation „Rassemblement pour la Démocratie et le Retour des Réfugies“, abgekürzt RDR (übersetzt: „Vereinigung für die Demokratie und die Rückkehr der Flüchtlinge“) heraus. Ziel der Bewegung war es, den Zusammenhalt der im Exil lebenden Hutu-Flüchtlinge zu festigen, deren Aktivitäten zu steuern und vornehmlich durch eine gezielte Werbung im politischen Raum und in der Öffentlichkeit die Grundlagen für eine Rückkehr der Flüchtlinge nach Ruanda zu legen.
Im Jahr 1996 entstand in den Flüchtlingslagern im Nord-und Süd-Kivu zusätzlich die politische Bewegung „Peuple Armé de Libération du Rwanda“, abgekürzt PALIR (Bewaffnetes Volk zur Befreiung Ruandas). Zur Gründung der neuen Organisation war es gekommen, weil Teile der Militärs eine bessere Verknüpfung der politischen mit militärischen Aspekten anstrebten und dies im Rahmen der RDR nicht möglich schien. Dies sollte nun in der neuen Organisation erfolgen.
Beide Organisationen blieben in der Folge selbständig nebeneinander bestehen.
c) Zerstörung der Flüchtlingslager in den Kivu-Gebieten in den Jahren 1996/1997
Nach den wiederholten Operationen der bewaffneten Kämpfer aus den Flüchtlingslagern im Osten Zaires auf ruandisches Gebiet, sah sich die Regierung in Kigali gefordert, den von den ruandischen Flüchtlingen ausgehenden sicherheitspolitischen Bedrohungen zu begegnen. Sie entschloss sich deshalb zu einer Invasion Ostkongos und zur Zerschlagung der Flüchtlingslager im Nord- und Süd-Kivu. Angola, Burundi und Uganda, die ebenfalls von Rebellen auf zairischem Territorium bedroht wurden, schlossen sich Ruanda im Bestreben nach einem Sturz der zairischen Regierung an. Um den Eindruck einer ausschließlich externen Invasion zu vermeiden, unterstützten Ruanda und Uganda die durch Tutsi erfolgte Gründung der kongolesischen Rebellenorganisation „Alliance des Force Démocratiques pour la Libération du Congo“ (abgekürzt AFDL), die sich ebenfalls den Sturz des Regimes des zairischen Präsidenten Mobutu Sese Seko zum Ziel gesetzt hatte. In Unterstützung des Aufstandes der AFDL überschritten Ende Oktober 1996 ruandische Truppen die Grenze zu Zaire. Zusammen mit der AFDL und den ugandischen und burundischen Alliierten zerstörten sie im Laufe des sieben Monate dauernden Bürgerkriegs in Zaire die Lager der ruandischen Flüchtlinge im Nord- und Süd-Kivu. Im Mai 1997 erreichte die Rebellenallianz die Hauptstadt Kinshasa. Mobutu floh ins Exil. Nach dem Sturz Mobutus wurde Laurent-Desire Kabila neuer Staatspräsident des nun von Zaire in Demokratische Republik Kongo (DR Kongo) umbenannten Landes.
Als Folge der Zerstörung der Flüchtlingslager kehrten Hunderttausende ziviler ruandischer Flüchtlinge in ihr Heimatland zurück. Bei den Angriffen auf die Lager kamen aber auch zigtausende ruandische Zivilisten - deren genaue Zahl lässt sich nicht sicher bestimmen - ums Leben. Es kam zu zahlreichen Massakern an ruandischen Flüchtlingen durch die AFDL/RDF. Viele Flüchtlinge fanden auf ihrer Flucht ins Innere der DR Kongo bzw. in Drittländer den Tod. Familien wurden auseinander gerissen und Tausende Zivilisten irrten ohne Schutz durch das Land. Verfolgt und getrieben wurden sie hierbei oftmals getötet oder kamen infolge der dramatischen humanitären Bedingungen ums Leben.
Mit der Zerstörung der Flüchtlingslager schien die unmittelbare Bedrohung Ruandas zunächst beseitigt. Die als Operationsbasen und Rekrutierungsstätten genutzten Lager und ihre Strukturen existierten nicht mehr. Die bewaffneten Kämpfer, die die Angriffe überlebten, zerstreuten sich in unterschiedliche Richtungen. Mehrere Tausend Kombattanten zogen sich in die dichten Wälder im Osten Kongos zurück. Ein weiterer Teil kämpfte an der Seite des Präsidenten Mobutu gegen die ruandischen Streitkräfte sowie die AFDL und floh nach der Niederlage der kongolesischen Armee in die Nachbarländer Zaires wie die Zentralafrikanische Republik, Kamerun und Kongo Brazzaville oder nach Angola. Andere zerstreuten sich innerhalb Zaires. Eine endgültige Zerschlagung des Widerstands der aus Ruanda geflohenen Kräfte gegen das ruandische Regime war damit jedoch nicht verbunden. Den ruandischen Flüchtlingen gelang es in der Folge, sich zu reorganisieren und den politischen und bewaffneten Kampf gegen die ruandische Regierung weiterzuführen.
d) Entwicklung der Organisation PALIR/ALIR und der Beginn des 2. Kongo-Kriegs
aa) Entstehung des bewaffneten Arms ALIR
Nach der Zerschlagung der Flüchtlingslager in den Jahren 1996 und 1997 existierten die politischen Bewegungen RDR und PALIR weiter allerdings mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Da sich die RDR weigerte, auf militärischer Ebene in Form eines bewaffneten Zusammenschlusses mit den ehemaligen ruandischen Militärs zu agieren, wirkte sie in der Folgezeit im Wesentlichen als Plattform für die Flüchtlinge und war vornehmlich außerhalb der DR Kongo, vor allem in Europa, tätig.
Im Gegensatz hierzu wurde PALIR hauptsächlich in der DR Kongo tätig und schuf sich in den Kivu-Gebieten durch die Gründung eines militärischen Flügels einen organisatorischen Rahmen, unter dem sich die bereits in den Flüchtlingslagern unter dem Namen Ex-FAR organisierten ehemaligen Angehörigen der früheren ruandischen Armee, der Gendarmerie und Interahamwe sowie die in den Flüchtlingslagern zusätzlich rekrutierten Kämpfer neu versammeln und formieren konnten. Unter der Bezeichnung „Armée de Libération du Rwanda“, abgekürzt ALIR (übersetzt: Armee zur Befreiung Ruandas) entstand in der Folge eine hierarchisch strukturierte Miliz mit vielen Tausenden Kämpfern, die nach dem Vorbild der bis zum Genozid in Ruanda bestehenden Armee aufgebaut war und über Operationsbasen im Nord- und Süd-Kivu verfügte. Die ranghöchsten der in den Kivu-Provinzen verbliebenen Offiziere der Ex-FAR wurden zu Führern der ALIR. Neben dem Schutz der ruandischen Flüchtlinge in der DR Kongo sah es die Organisation vor allem als ihr Ziel, das in Ruanda herrschende Regime mit militärischen Mitteln zu stürzen, die Macht in Ruanda wieder zu übernehmen und damit auch eine sichere Rückkehr der ruandischen Flüchtlinge in ihr Heimatland zu ermöglichen.
Die ALIR agierte in der Folgezeit als Guerilla-Truppe in der Osthälfte der DR Kongo. Als solche entfaltete sie vielfältige militärische Aktivitäten sowohl in der DR Kongo als auch in Ruanda. Von ihren Rückzugsbasen im Nord- und Süd-Kivu infiltrierten die ALIR-Truppen immer wieder auf ruandisches Staatsgebiet und destabilisierten die Grenzregionen durch Operationen in Guerilla-Manier. Im Jahr 1997 drangen die ALIR-Milizionäre schließlich massiv in den Nordwesten Ruandas ein, wo sie einen Aufstand gegen das neue ruandische Regime entfachten. Hierbei gingen sie auch gegen solche Personen vor, die sie als Kollaborateure des neuen Regimes betrachteten. Als der Aufstand aufgrund der militärischen Überlegenheit der ruandischen Streitkräfte scheiterte, zogen sich die geschlagenen ALIR-Einheiten im Jahr 1998 wieder in ihre Basen im Nord- und Süd-Kivu zurück.
bb) Beginn des 2. Kongo-Kriegs
Nach dem Sturz des Diktators Mobutu im Jahr 1997 wurden die in der DR Kongo anwesenden ausländischen Truppen der früheren Alliierten Kabilas aufgrund ihrer Übergriffe und Plünderungen von der kongolesischen Bevölkerung immer stärker als Besatzungsmächte empfunden, was schließlich zur Forderung Kabilas an seine früheren Verbündeten führte, ihre Armeen aus dem Kongo abzuziehen. Die endgültige Beendigung der militärischen Kooperation mit Ruanda durch Kabila im Juli 1998 war dann auch der Auslöser des 2. Kongo-Kriegs, der im August 1998 mit dem Vordringen ruandischer Truppen auf kongolesisches Staatsgebiet begann und erst im Jahr 2002 endete. Mit Beginn des 2. Kongo-Kriegs entstand für die ruandischen Rebellen eine neue Situation, da der kongolesische Präsident Kabila, der sie als Rebellenführer der AFDL noch 1996 bekämpft hatte, nun ihre Hilfe als Bündnispartner suchte. Als Alliierter der kongolesischen Regierung mussten sie nicht mehr um ihren weiteren Verbleib in der DR Kongo fürchten und konnten auf logistische und militärische Unterstützung bauen.
Auch beim 2. Kongo-Krieg bildete sich wieder eine militärische Koalition zwischen Ruanda, Uganda und Burundi, die den Krieg gegen die kongolesische Regierung erneut damit begründete, diese unterstütze Rebellen, die von der DR Kongo aus ihre Länder bedrohten. Auch dieses Mal ging dies einher mit der Gründung einer von diesen Ländern unterstützten neuen kongolesischen Rebellenorganisation, der „Rassemblement Congolais pour la Démocratie“, abgekürzt RCD (übersetzt: Kongolesische Sammlung für Demokratie), deren Existenz wiederum dem Anschein einer ausschließlich externen Intervention entgegenwirken sollte. Mit Unterstützung ihrer Alliierten gewann die RCD in der Folge die Kontrolle über weite Gebiete im Ostkongo. Mit dem Ziel, Kabila zu stürzen, wurde neben der RCD noch eine weitere neugebildete kongolesische Rebellenbewegung, das „Mouvement pour la Libération du Congo“, abgekürzt MLC (Bewegung zur Befreiung des Kongo) in der DR Kongo tätig, die mit Unterstützung Ugandas im Norden des Landes vorrückte. In dieser Situation wurden die ruandischen Rebellen zu einem wichtigen Bündnispartner Kabilas, der daneben maßgeblich von Angola, Namibia und Simbabwe militärisch unterstützt wurde.
So führten die in den Kivu-Gebieten angesiedelten ruandischen Kämpfer, die sich ab dem Jahr 1998 ALIR I nannten, im Osten Kongos einen Guerillakrieg gegen die RCD und die ruandische Armee und bildeten dort einen wichtigen Verteidigungsring. Geführt wurden sie von ihrem militärischen Kommandeur und dem Präsidenten von PALIR General P.R.. Gleichzeitig kehrten auf Aufforderung des kongolesischen Präsidenten Kabila Tausende ruandischer Kämpfer, die zunächst in die Nachbarländer der DR Kongo geflohen waren, in die DR Kongo zurück. Hier schlossen sie sich entweder in den westlichen Teilen der DR Kongo der kongolesischen Armee an und wurden in deren Streitkräfte integriert oder verstärkten im Ostkongo die ALIR I-Truppen. Zusammen mit den Armeekontingenten aus Angola, Namibia und Simbabwe kämpften die in die kongolesische Armee eingegliederten Milizionäre vor allem in den Provinzen Katanga und Kasai. Die als Teil der kongolesischen Armee agierenden und nicht in einer gemeinsamen Struktur mit den ruandischen Kämpfern im Osten der DR Kongo verbundenen Milizionäre wurden in der Folge von den in den Kivu-Gebieten angesiedelten ALIR I-Militärs als ALIR II bezeichnet, nannten sich selbst aufgrund ihres Status innerhalb der kongolesischen Armee aber auch „Forces Spéciales“. Das Kommando über die im Westen der DR Kongo kämpfenden Truppen hatte Generalmajor A.N. inne.
Als Bündnispartner bzw. Teil der kongolesischen Armee wurden die ruandischen Milizionäre von Kabila und dessen Alliierten mit Logistik und Waffen versorgt. Insbesondere die Kämpfer von ALIR II, die in die kongolesische Armee eingegliedert waren, profitierten von der von der kongolesischen Seite gelieferten militärischen Ausrüstung sowie regelmäßigen Soldleistungen, mit denen sie zum Teil auch die ALIR I -Einheiten im Osten Kongos unterstützten.
Da keine der beiden Militärallianzen den Krieg für sich entscheiden konnte und eine militärische Pattsituation entstand, begannen zwischen den am Krieg beteiligten Staaten sowie der RCD und der MLC Friedensverhandlungen, die in dem am 10. Juli 1999 vereinbarten Waffenstillstandsabkommen von Lusaka mündeten. Hierin wurde ein innerkongolesischer Dialog vereinbart, der zu einer politischen Neuordnung unter Einbeziehung der RCD und der MLC führen sollte. Zwar wurden die „Ex-FAR/Interahamwe“ in dem Waffenstillstandsabkommen als „negative Kräfte“ und damit als illegitim und als zu entwaffnende Gruppierung bezeichnet, dies hatte aber für die ALIR I- und ALIR II-Kämpfer zunächst keine gravierenden Folgen. Das Waffenstillstandsabkommen scheiterte nämlich und die militärischen Auseinandersetzungen gingen unverändert weiter. Damit blieb auch die Unterstützung der ruandischen Rebellen durch die kongolesische Regierung bestehen; ihre vereinbarte Entwaffnung fand nicht statt. Mit dem Abkommen einher ging allerdings die Errichtung der Mission der Vereinten Nationen in der DR Kongo (MONUC) durch den Sicherheitsrat der UN, die in den folgenden Jahren bis zum Jahr 2009 schrittweise auf ein Kontingent von 20.500 Soldaten erweitert wurde und deren Mandat zusätzlich auf die Entwaffnung, freiwillige Demobilisierung und Reintegrierung der Mitglieder bewaffneter Gruppierungen und die Überwachung der Einhaltung der Menschenrechte ausgedehnt wurde. Damit erhielt die UN-Mission die Aufgabe, Kämpfern, die zur Demobilisierung bereit waren, die Rückkehr nach Ruanda zu erleichtern bzw. deren Bereitschaft zur Demobilisierung mithilfe von „Sensibilisierungskampagnen“ in Form von Aufklärungssendungen in Radiosendern, Verteilung von Informationsbroschüren oder durch direkte Kontakte zu erhöhen. Dies beinhaltete einen neuen Ansatz zur Bekämpfung und Schwächung bewaffneter Gruppierungen, der in den folgenden Jahren auch Auswirkungen für die in der DR Kongo ansässige bewaffnete Bewegung der Hutu-Exil-Ruander zeitigen sollte. Damit wurden nämlich neben zusätzlichen Informationskanälen für die Rebellen die Möglichkeiten zur Desertion und freiwilligen Rückkehr nach Ruanda erleichtert.
2. Gründung der FDLR
In das Jahr 2000, also die Zeit des 2. Kongo-Kriegs, fällt die Gründung der im vorliegenden Verfahren relevanten Vereinigung „Forces Démocratiques de Libération du Rwanda“ (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), abgekürzt FDLR. Dem vorausgegangen war im Jahr 1999 die Ermordung britischer und amerikanischer Touristen im ugandischen Bwindi-Nationalpark, die Milizionären der ALIR zugerechnet wurde. Daraufhin hatte die USA die ALIR auf die Liste ausländischer terroristischer Gruppierungen gesetzt. Damit unterlagen die Mitglieder von PALIR/ALIR nicht nur Reisebeschränkungen in die USA, vor allem war die Organisation mit einem Stigma versehen, das ihr die Möglichkeit nahm, als legitimer Verhandlungspartner auf internationaler Ebene aufzutreten. In dieser Situation suchten die Führer der im Westen der DR Kongo agierenden ALIR II-Einheiten, General A.N. und dessen Stellvertreter T.R., nach einem organisatorischen Rahmen, unter dem sich die ruandischen Milizionäre neu formieren und ihren Kampf für einen Machtwechsel in Ruanda auch auf politischer Ebene effektiv weiterverfolgen konnten. Dies wurde von der kongolesischen Regierung unterstützt. Auch sie hatte ein Interesse daran, dass sich die mit ihr zu dieser Zeit kooperierenden und von ihr unterstützten ruandischen Milizionäre für ihr militärisches Agieren in der DR Kongo sowie ihren bewaffneten und politischen Kampf einen neuen organisatorischen Rahmen gaben, um nicht in Verbindung mit einer Organisation gebracht zu werden, die zum einen im Verdacht stand, Genozidtäter zu beherbergen, und der nun zusätzlich terroristische Aktivitäten vorgeworfen wurden. Dies konnte nämlich deren Beziehungen zu den USA gefährden. Unter Mithilfe des früheren ruandischen Politikers HR.N. initiierten A.N. und T.R. daraufhin die Gründung der FDLR als einer noch „unbelasteten“ Organisation. Hierbei war es den militärischen Führern wichtig, solche Politiker als Funktionäre für die Organisation zu gewinnen, die beim ruandischen Völkermord keine Rolle gespielt hatten und die Organisation auf internationaler Ebene deshalb ohne Einschränkungen vertreten konnten. Auf der Suche nach solchen Personen wurde auch der Angeklagte Dr. M. angesprochen.
Gegründet wurde die neue Vereinigung schließlich am 1. Mai 2000 in Lubumbashi in der Provinz Katanga in der DR Kongo. Soweit im offiziellen Protokoll der FDLR als Gründungsort der Organisation der Ort Nasho in Ruanda genannt wird, handelt es sich um eine gezielte Fehlinformation. So fürchtete man, dass der Gründungsort in der DR Kongo im Falle möglicher Verhandlungen mit der ruandischen Regierung zu Problemen führen könnte. Bei der Gründungsversammlung anwesend waren neben führenden ALIR II-Militärs aus dem Westen der DR Kongo Politiker und Zivilisten aus verschiedenen Ländern Europas, Afrikas und Amerikas. Auch die Angeklagten Dr. M. und M. nahmen an der Gründungsversammlung teil. Die ALIR I-Einheiten waren beim Gründungsakt zwar nicht personell vertreten, deren Kommandeur General P.R. wurde aber durch Generalmajor 3A.N. per Funk über den Ablauf der Versammlung informiert und akzeptierte die in der Versammlung getroffenen Entscheidungen. Als militärischem Arm unterstellten sich der Autorität der FDLR bei deren Gründung die Armeeteile aus ruandischen Kämpfern, die in den westlichen Gebieten der DR Kongo agierten oder in Kongo Brazzaville wirkten sowie diejenigen, die in der Osthälfte der DR Kongo verblieben waren.
Als wesentliche Themen wurden in der Gründungsversammlung die Arbeitsweise der Befreiungsbewegung sowie das aktuelle und künftige Umfeld der Organisation besprochen. Auch wurden grundlegende Gründungsdokumente wie das Manifest, die Satzung und das Organigramm der FDLR sowie ein inneres Reglement der Organisation verabschiedet. In gemeinsamen Entscheidungen verurteilte die Versammlung die politischen Morde, Massaker und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die seit dem Kriegsausbruch am 1. Oktober 1990 seitens der FPR-Inkotanyi gegen die unschuldige Zivilbevölkerung verübt worden seien. Bemängelt wurde zudem das einseitige Vorgehen des Internationalen Gerichtshofs für Ruanda gegen die Hutu als die „Schlechten“ und das Untätigbleiben gegenüber den Tutsi der RPF als die weiterhin „Guten“. Gleichzeitig rief die Versammlung alle demokratischen und republikanischen Kräfte auf, ihre Bemühungen mit der FDLR zu vereinen, um eine Alternative zur aktuellen Regierung in Kigali zu präsentieren. Die Teilnehmer der Versammlung beschlossen deshalb auch, alle Ruander für einen Kampf zu sensibilisieren, zu versammeln und zu mobilisieren, dessen Ziel es war, „die blutrünstige und unpopuläre Staatsgewalt, die von FPR-Inkotanyi, die Quelle der Bösartigkeit für Ruanda und für alle Länder der Region der großen afrikanischen Seen, errichtet wurde“, durch eine demokratische und pluralistische Staatsgewalt zu ersetzen. Auch wurde die Einführung eines kurz- und langfristigen Arbeitsprogramms im politischen Bereich beschlossen.
Als Personen, die die neue Organisation sowohl in militärischer als auch politischer Hinsicht führen sollten, wurden der Kommandant und der Vizekommandant der ALIR II-Truppen im Westen der DR Kongo Generalmajor 3A.N. und dessen Stellvertreter Oberst T.R. bestimmt. 3A.N. wurde damit der erste Präsident der FDLR und gleichzeitig der Führer des militärischen Arms, T.R. erhielt das Amt des Exekutivsekretärs der FDLR und wurde gleichzeitig Generalstabschef.
3. Entwicklung der Organisation bis zum Zusammenschluss der Armeeteile unter der einheitlichen Bezeichnung FOCA
a) Verwaltungsmäßiger Zusammenschluss der Truppen der FDLR im Jahr 2001
Nach der Gründung der Organisation in Lubumbashi trat die FDLR zunächst nicht offen nach außen in Erscheinung. Vielmehr wurden die Mitglieder angehalten, die politischen Aktivitäten der Organisation geheim zu halten. Auch gab es zwar Verbindungen auf der Führungsebene der Armeeteile, die sich in den örtlich getrennten Regionen der FDLR unterstellt hatten, eine Vereinigung der Truppen in einheitliche Strukturen oder unter einer einheitlichen Bezeichnung fand aber nicht statt. Während die Milizionäre im Westen der DR Kongo damit weiterhin als Teil der kongolesischen Armee im 2. Kongo-Krieg kämpften und sich intern bereits FDLR nannten, erfolgten die Aktivitäten der ruandischen Milizionäre im Osten noch immer unter der Bezeichnung und in den Strukturen von PALIR/ALIR unter ihrem Präsidenten und militärischen Führer General 2P.R..
Als ALIR/PALIR unternahmen die im Osten der DR Kongo stationierten Streitkräfte während des 2. Kongo-Kriegs auch einen weiteren größeren Angriff auf Ruanda. Hierbei erhoffte man sich, durch eine erfolgreiche Operation in Ruanda die eigene Position bei einem künftigen Zusammenschluss der Armeeteile aus dem Osten und Westen zu stärken. Unter der Bezeichnung „Oracle du Seigneur“ („Weissagung des Herrn“), drangen im Mai 2001 über 5.000 ruandische Kämpfer großflächig auf ruandisches Staatsgebiet vor. Da der Angriff schlecht vorbereitet war, scheiterte er kläglich und führte zu schweren Verlusten bei den angreifenden Truppen. Diese mussten daraufhin geschlagen, demoralisiert und stark geschwächt in die Kivu-Gebiete zurückkehren. So wurden von den 5.000 auf ruandischem Hoheitsgebiet eingesetzten Kämpfern ca. 1.000 von der ruandischen Armee getötet und 1.000 gefangen genommen. Waren bisher insbesondere die ALIR I-Milizionäre einer Fusion der Truppenteile aus dem Osten und dem Westen der DR Kongo skeptisch gegenübergestanden, zeigten auch diese nun Interesse an einem Zusammenschluss in der Hoffnung, dadurch ihre Position in den Kivu-Gebieten stärken zu können. Der Prozess des Übergangs von der ALIR zur FDLR erfolgte allerdings auch in der Folge fließend. So führte die neu erwachte Dynamik in den Beziehungen zwischen den beiden Armeeteilen zunächst lediglich dazu, dass die in den Kivu-Gebieten und im Westen der DR Kongo angesiedelten Strukturen noch im Jahr 2001 unter der einheitlichen Bezeichnung FDLR verwaltungsmäßig zusammengeführt wurden. Auch erhielten die Streitkräfte im Osten und Westen der DR Kongo einen einheitlichen Namen und nannten sich fortan „Forces Spéciales“.
b) Veränderungen an der Spitze der FDLR
Veränderungen gab es im Jahr 2001 auch an der Spitze der FDLR. Für die Organisation, die um politische Profilierung bemüht war, wurde es zunehmend bedeutsam, nach außen durch Personen repräsentiert zu werden, die nicht in Verbindung mit dem Völkermord gebracht werden konnten und über ausreichend Einflussmöglichkeiten verfügten. Dies war in Person der beiden bisher starken Männer der FDLR, 3A.N. und T.R., nicht gewährleistet. Dagegen erfüllte der Angeklagte Dr. M.,der bisher bereits als Beauftragter für auswärtige Angelegenheiten in der Organisation tätig war, diese Anforderungen. Im Juni 2001 wurde dieser zum Präsidenten der FDLR bestimmt und im Dezember 2001 in Wahlen bestätigt. Als Stellvertreter (Dr.) Ms. wurden Dr. H. als 1. Vizepräsident und 2P.R. als 2. Vizepräsident bestimmt. Damit war der Angeklagte Dr. M. zwar nominell Präsident der FDLR, führte die Organisation aber nur formell nach außen hin. Der wirklich starke Mann und „eigentliche Präsident“ der FDLR blieb weiterhin der militärische Führer der Einheiten im Westen, Generalmajor 3A.N.. Dessen Machtfülle wurde dadurch ebenso wenig beschnitten wie die von T.R..
Zu einer wirklichen Übernahme der Funktion des Präsidenten der FDLR durch den Angeklagten kam es erst im Jahr 2002 als Folge einer Veränderung der politischen Verhältnisse in der DR Kongo. So starb im Januar 2001 der kongolesische Staatspräsident Laurent-Désiré Kabila. Die Übernahme von dessen Amt durch seinen wesentlich kompromissbereiteren Sohn Joseph Kabila ermöglichte Friedensverhandlungen zwischen den Parteien des 2. Kongo-Kriegs und führte am 30. Juli 2002 zum ruandisch-kongolesischen Friedensabkommen von Pretoria, das den Krieg beendete. In diesem Friedensvertrag wurde neben dem Abzug der ruandischen Streitkräfte aus der DR Kongo auch die Verpflichtung der kongolesischen Regierung zur Entwaffnung und Rückführung der als „Ex-FAR“ und „Interahamwe“ bezeichneten ruandischen Milizionäre in ihr Heimatland vereinbart. Damit kündigte der kongolesische Staatspräsident Kabila offiziell seine Unterstützung der ruandischen Rebellen auf, deren Führer in der Folge zu unerwünschten Personen erklärt und mit Ausweisungsverfügungen belegt wurden. Dies führte Ende 2002 zur Flucht von 3A.N. ins Ausland und der Beendigung seiner Führungstätigkeit für die FDLR. Zuvor war bereits T.R. im September 2002 durch die kongolesischen Behörden unter dem Verdacht des Völkermordes festgenommen worden. Daraufhin blieb der Angeklagte Dr. M. als alleinige Führungsspitze der FDLR zurück und war nun auch intern als Führer der Organisation anerkannt.
c) Verschmelzung der Truppenteile der FDLR aus dem Osten und dem Westen
Die politischen Veränderungen in der DR Kongo beschleunigten den endgültigen Zusammenschluss der geographisch immer noch getrennten FDLR-Einheiten im Osten und Westen der DR Kongo. Mit den Friedensverhandlungen und dem Friedensvertrag einher ging nämlich der Versuch der kongolesischen Regierung, einen Teil der im Westen der DR Kongo agierenden FDLR-Milizionäre zu demobilisieren und nach Ruanda zu repatriieren. Zu diesem Zweck waren im Rahmen politischer Verhandlungen ab August 2001 über 2.500 FDLR-Kombattanten aus dem Westen der DR Kongo in einer Militärbasis in Kamina in der Provinz Katanga versammelt und entwaffnet worden. Als sich diese zu der geforderten freiwilligen Repatriierung nach Ruanda ohne entsprechende Ergebnisse des von ihnen verlangten innerruandischen Dialogs nicht bereit erklärten, wurden sie am 31. Oktober 2002 in Kamina von der kongolesischen Armee angegriffen. Hierbei wurden ihr Kommandant 3N. sowie viele ruandische Kämpfer und deren Familienangehörige getötet. Unter Führung von S.M., einem ehemaligen Mitglied der Garde des früheren ruandischen Präsidenten Habyarimana, brachen die Kämpfer daraufhin aus dem Militärlager aus und zogen mit weiteren Milizionären, die im Westen der DR Kongo für Kabila gekämpft hatten, in den Süd-Kivu, um sich mit den ihnen zahlenmäßig überlegenen FDLR-Truppen im Osten der DR Kongo zu vereinigen. Am 15. Februar 2003 empfing der militärische Führer im Ostkongo General 2P.R. die Kämpfer aus dem Westen in Kilembwe, wo es zur endgültigen Verschmelzung der Truppen aus dem Osten und Westen kam. Dieses Datum wird in der Organisation deshalb auch als „date de jonction“ (Tag der Verschmelzung) gefeiert.
Da die Armeeteile aus dem Osten und Westen über getrennte Führungsstrukturen verfügten, bedurfte es für deren effektiven Zusammenschluss der Bildung einer einheitlichen Führungsstruktur. Dies verlief nicht konfliktfrei, da die Führungspositionen zwischen den aus dem Westen kommenden Kämpfern und den im Osten der DR Kongo verbliebenen Kämpfern neu verteilt werden mussten und dies zu Spannungen zwischen den Einheiten aus dem Osten und Westen führte. Insbesondere Führungspersonen aus dem Osten beklagten ihre Benachteiligung bei der Verteilung der Ämter und Positionen. Militärischer Führer der vereinigten Armee wurde schließlich der Kommandeur aus dem Osten, General 2P.R.. Dieser behielt darüber hinaus weiterhin seine Funktion als 2. Vizepräsident der FDLR. Das Amt des stellvertretenden Kommandeurs der Truppen übernahm der Führer der Truppen aus Kamina S.M.. Der bisherige Stellvertreter von 2P.R., G.I., wechselte zum politischen Zweig. Auch die übrigen Führungspositionen vom Generalstab bis zu den Bataillonen wurden neu besetzt. Hierbei wurden als Kommandeur der im Nord-Kivu ansässigen 1. Division P.N. alias 1I. bzw. O. und als Kommandeur der 2. Division im Süd-Kivu 1L.M. alias 2L.M. ernannt. In einer im September 2003 abgehaltenen Versammlung des Oberkommandos, des wichtigsten militärischen Organs, wurde für die vereinten militärischen Kräfte der FDLR die neue einheitliche Bezeichnung „Forces Combattantes Abacunguzi“ (Streitkräfte der Befreier), abgekürzt FOCA, bestimmt.
Im Rahmen der Zusammenführung der Truppen wurde darüber hinaus beschlossen, in Ergänzung der Regelwerke der FDLR einheitliche Vorschriften für die vereinigte Armee einzuführen, in denen deren Organisation und Aufgaben näher definiert wurden. Hierzu wurden die bereits vorhandenen, zum Teil noch aus der Zeit von ALIR stammenden Regelungen überarbeitet und ergänzt. Nach Verabschiedung der neu verfassten Texte durch das FOCA-Oberkommando und deren Erlass durch den Präsidenten des FOCA-Oberkommandos traten im Jahr 2005 die entsprechenden Be-stimmungen in Kraft. Hierbei handelte es sich um die Regelwerke mit der Bezeichnung „Statuten Nr. 10 - Verordnung der Kampftruppen Abacunguzi“, die „Verordnung über die Arbeitsweise des FOCA Oberkommandos“, die „Disziplinarordnung“, den „militärischer Strafkodex der Kampftruppen Abacunguzi“ und die „Verordnung Nr. 13 - Gerichtliche Instanzen“ sowie die „Entscheidung der Armeeführung Nr. 003/05 vom 18. März 2005 bezüglich der Einführung des „Gacaca-Gerichts“. Mit Ausnahme des militärischen Strafkodexes galten diese Bestimmungen in den wesentlichen Grundzügen bis zur Verhaftung der Angeklagten im November 2009.
4. Entwicklung der FDLR bis zur Erklärung von Rom im März 2005
a) Festsetzen der FDLR in den Kivu-Gebieten
Der Zusammenschluss der zuvor getrennt agierenden FDLR-Einheiten führte zu einer Reorganisation und Stärkung der FDLR in den Kivu-Provinzen. Im Gegensatz zu den Kämpfern im Osten, die noch immer unter der im Rahmen der Operation „oracle du seigneur“ erlittenen Niederlage litten, waren die Truppen aus dem Westen militärisch gut ausgerüstet und befanden sich im Besitz schwerer Waffen. Durch die zahlen- und ausrüstungsmäßige Verstärkung gelang es der FDLR, sich in den Kivu-Gebieten neu zu konsolidieren. Hierbei profitierte sie davon, dass die kongolesische Regierung ihrer Verpflichtung aus dem Abkommen von Pretoria nur halbherzig nachkam und nicht entschieden gegen die FDLR vorging. So fehlte der kongolesischen Seite der politische Wille, der Entwaffnung der FDLR Priorität einzuräumen und die Armee damit zu beauftragen, so dass weder die Rückführung und Entwaffnung der FDLR-Kämpfer, noch die Auflösung der Gruppierung konsequent betrieben wurde.
Dies ermöglichte es der Miliz in der Folge, ihre Präsenz in den Kivu-Gebieten aus-zubauen und tief in die Kivu-Gebiete vorzudringen. Dabei gelang es den FDLR-Truppen, in weiten Teilen der aus den Territorien Beni, Lubero, Walikale, Rutshuru und Masisi bestehenden Provinz Nord-Kivu und dem in die Territorien Shabunda, Kabare, Walungu, Kalehe, Fizi und Idjwi unterteilten Provinz Süd-Kivu Fuß zu fassen. Hierbei errichteten sie in der Regel außerhalb der Siedlungen der kongolesischen Zivilbevölkerung Lager, die den Milizionären und dem dazugehörigen Truppenpersonal vorbehalten waren. Die häufig schwer erreichbaren und mit Holz- und Strohhütten errichteten Stützpunkte waren dabei so angelegt, dass sie sich in kurzer Zeit auf- und abbauen ließen, so dass die Miliz mobil war und auf Bedrohungen rasch reagieren konnte. In der Nähe der Lager ließen sich im Gefolge der Milizionäre häufig ruandische Flüchtlinge nieder, unter denen sich viele Familienangehörige der Kämpfer befanden. Da sich den FDLR-Truppen keine Staatsgewalt effektiv entgegenstellte und die kongolesische Armee sowie örtliche Verteidigungskräfte in den meisten Fällen nicht in der Lage waren, sie zu vertreiben, gelang es diesen, ganze Zonen unter ihre Kontrolle und insgesamt ungefähr die Hälfte der Fläche der Kivu-Gebiete unter ihren Einflussbereich zu bringen.
Dabei kam ihnen entgegen, dass die beiden Kivu-Provinzen im äußersten Osten des Kongos infrastrukturell vom Rest des Landes weitgehend isoliert waren und es nur wenige asphaltierte Verkehrswege gab, welche die Kivu-Provinzen mit dem Rest des Kongos und die meist kleineren Siedlungen innerhalb der Kivu-Gebiete untereinander verbanden. So waren Teile der Kivu-Gebiete ganzjährig nur zu Fuß erreichbar. In weiten Teilen bestanden nur unbefestigte Wege, die mit größeren Fahrzeugen nicht befahren werden konnten und in der Regenzeit motorisiert nicht passierbar waren. Auch fehlte es insbesondere in den überwiegend ländlichen Gebieten der Kivu-Gebiete an einer funktionierenden Stromversorgung und einem entsprechenden Stromnetz sowie einer ausgebauten Telekommunikationsinfrastruktur. Telefonverbindungen waren in weiten Teilen der Kivu-Provinzen nur mit Satellitentelefonen möglich. Zuverlässige Kommunikationsmittel, über welche die Bevölkerung Informationen rasch weiterleiten und Nachrichten ausgetauscht werden konnten, waren deshalb vielerorts nicht vorhanden. Die großteils bergigen und dicht bewaldeten Gebiete boten den Milizionären zudem gut geschützte und nur schwer angreifbare Rückzugsräume. Aufgrund weitgehend fehlender funktionierender staatlicher Strukturen stand die einheimische Bevölkerung den gut organisierten und schlagkräftigen FDLR-Truppen unter diesen Umständen weitgehend schutzlos gegenüber und war gezwungen, sich mit der Anwesenheit der ausländischen Miliz in ihren Gebieten abzufinden. Diese setzte sich in den Gebieten, die unter ihrer Kontrolle oder zumindest in ihrem Einflussbereich standen, in der Regel parasitär in der Art eines „Besatzungsregimes“ fest und sicherte die eigenen Existenzgrundlagen in großen Teilen auf Kosten der einheimischen Bevölkerung (siehe hierzu im Einzelnen unter Teil 2 A. IV.). Dabei profitierte sie vom natürlichen Reichtum und dem großen Wirtschaftspotenzial der Kivu-Gebiete. So verfügt die Region aufgrund ihrer klimatischen Bedingungen und der fruchtbaren vulkanischen Böden über günstige Bedingungen für Ackerwirtschaft und Viehzucht. Auch befinden sich in den Kivu-Gebieten große Rohstoffvorkommen. So gibt es in erheblichem Umfang Bodenschätze wie zum Beispiel Gold, Diamanten, Kassiterit, Wolframit und Coltan sowie wertvolle Edelhölzer.
b) Repatriierung des FOCA-Kommandeurs 2P.R. im November 2003
Zu einem organisationsinternen Rückschlag kam es im November 2003, als der militärische Führer der FOCA und 2. Vizepräsident der FDLR 2P.R. mit ca. 110 Soldaten, davon elf Offizieren, nach Ruanda repatriierte. Dem vorausgegangen waren Konflikte zwischen 2P.R. und seinem Stellvertreter S.M. über das weitere Vorgehen der Organisation. So hatte 2P.R. einseitig Kontakte mit Kigali geknüpft, mithilfe derer er eine Strategie für eine Rückkehr der FDLR-Mitglieder nach Ruanda und eine Beendigung der Auseinandersetzungen mit dem ruandischen Regime zu entwickeln suchte. Dies stand allerdings im Widerspruch zu Planungen und bereits weit gediehenen Aktivitäten der FDLR, unter Einsatz der vereinten Streitkräfte einen erneuten großen Angriff auf Ruanda zu führen. Im Gegensatz zum FOCA-Vizekommandanten S.M., der den Angriff befürwortete, war 2P.R. angesichts der bereits zuvor erfolglos verlaufenen Offensiven der ruandischen Milizionäre gegen den Angriff. Obwohl er wegen der Operation in engem Kontakt und Austausch mit dem Angeklagten Dr. M. stand, der als Präsident der FDLR den Angriff befürwortete und unterstützte, informierte er diesen über den bestehenden Dissens in der FOCA-Führung nicht und unternahm vielmehr ohne dessen Wissen Schritte, um den Angriff zu stoppen. Durch seine Rückkehr nach Ruanda machte 2P.R. eine weitere Verfolgung der Angriffsplanungen endgültig zunichte, da diese damit in Ruanda als bekannt galten und keinen Erfolg mehr versprachen.
c) Folgen der Repatriierung von 2P.R.
Obwohl die Repatriierung von 2P.R. für die FDLR eine Bewährungsprobe darstellte, führte der Verlust ihres militärischen Führers und eines Teils der Führungsoffiziere nicht zu einer dauerhaften Schwächung der FDLR. Vielmehr gelang es dem militärischen Arm der FDLR, sich rasch zu reorganisieren. Entgegen möglicher Erwartungen führte die freiwillige Rückkehr ihres militärischen Führers nämlich nicht zum Nachzug weiterer Teile der FOCA nach Ruanda. Als neuer Kommandant der FOCA wurde durch das FOCA-Oberkommando deren bisheriger Vizekommandant Generalmajor S.M. gewählt und übernahm diese Funktion. Als dessen Stellvertreter wurde Brigadegeneral 6K. gewählt. Im Gegensatz zur Zeit von 2P.R. wurde jetzt aber eine Trennung der Ämter des FOCA- Kommandeurs und des 2. Vizepräsidenten der Organisation vorgenommen. War die Nachfolgeregelung innerhalb des militärischen Arms problemlos verlaufen, so löste die Repatriierung 2P.R.s allerdings erhebliche Konflikte innerhalb des politischen Teils der Organisation aus. Diese führten noch im November 2003 zu einem Putschversuch gegen den Angeklagten Dr. M. und zu seiner zeitweisen Entmachtung als Präsident der FDLR sowie der Übernahme von dessen Funktion durch den bis dahin als 1. Vizepräsidenten tätigen Dr. H..
Nachdem sich der neugewählte FOCA-Kommandant S.M. alias 1B.M. (bzw. 17M.) ebenso wie die in der DR Kongo ansässigen politischen Führungspersonen der FDLR öffentlich für den Angeklagten Dr. M. als Präsidenten ausgesprochen hatten, ging dieser als Sieger aus dem internen Machtkampf hervor und nahm ab April 2004 seine frühere Funktion wieder wahr. Als Präsident der FDLR verkündete er am 4. Juni 2004 die Enthebung von Dr. H. und von F.K. sowie dreier weiterer Mitstreiter von ihren Ämtern zum 1. Juni 2004. Gleichzeitig gab er die Ernennung fünf neuer Führungsmitglieder, unter anderem die Ernennung des Angeklagten M. zum kommissarischen 1. Vizepräsidenten bekannt.
In der Folgezeit gründete Dr. H. zusammen mit F.K. und weiteren ehemaligen Führungspersönlichkeiten der FDLR eine neue Gruppierung namens „Ralliement pour L’Unité et la Démocratie“ (übersetzt: Zusammenschluss für Einheit und Demokratie), die sogenannte RUD-Urunana (abgekürzt RUD). Durch die Vorgänge innerhalb der FDLR war es damit zur ersten größeren Abspaltungsbewegung von der Organisation gekommen. Ebenso wie die FDLR verstand sich auch die RUD-Urunana als ruandische Befreiungsbewegung mit dem Ziel, eine Rückkehr der ruandischen Hutu-Flüchtlinge aus der DR Kongo nach Ruanda zu erreichen. In der Folge betätigte sie sich selbstständig neben der FDLR.
5. Konferenz von Rom im März 2005 und ihre Folgen
a) Verhandlungen von Rom
Der mit dem ruandisch-kongolesischen Friedensabkommen vom 31. Juli 2002 einhergehende Verlust der strategischen Bedeutung der ruandischen Milizionäre verstärkte das Bemühen der FDLR um eine politische Profilierung. Auch wuchs der internationale Druck auf die Organisation, nachdem die UNO, die Afrikanische Union und die übrigen an Stabilisierungsprogrammen in der DR Kongo beteiligten Länder zunehmend die Strategie einer Kombination aus „Sensibilisierungsaktivitäten“ und glaubwürdigem militärischen Druck verfolgten. So hatten bisher weder das durch Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 28. Juli 2003 gegen alle im Nord- und Süd-Kivu vorhandenen bewaffneten Gruppen und Milizen ausgesprochene generelle Waffenembargo und das Verbot technischer und finanzieller Hilfe im Zusammenhang mit militärischen Aktivitäten, noch die Aktionen zur freiwilligen Demobilisierung der FDLR-Kämpfer eine nachhaltige Wirkung gezeitigt.
Hoffnung auf eine politische Lösung des Problems der FDLR-Präsenz im Osten Kongos kam kurzfristig im März 2005 auf, als sich vor dem Hintergrund einer möglichen militärischen Intervention der Afrikanischen Union Regierungsvertreter der DR Kongo und Repräsentanten des politischen und militärischen Flügels der FDLR unter Leitung des Angeklagten Dr. M. in Rom zu Gesprächen trafen. Zur Verhandlungsdelegation auf Seiten der FDLR gehörten dabei neben dem Angeklagten Dr. M. der Angeklagte M. als 1. Vizepräsident der FDLR, die Kommissare R.H. (Informationskommissar) und 2C.H. (Auswärtige Angelegenheiten), der Exekutivsekretär 8B., der Kabinettsdirektor 2D.M. sowie vier Militärs, darunter auch der stellvertretende Kommandant der FOCA 6K.. Auf kongolesischer Seite nahmen Vertraute von Kabila an den Verhandlungen teil. Nicht beteiligt an den von der katholischen Gemeinschaft Sant‘ Egidio vermittelten Verhandlungen waren Vertreter der ruandischen Regierung. Diese lehnte direkte politische Gespräche mit der FDLR grundsätzlich ab, da für sie eine Anerkennung der FDLR als legitimer politischer Verhandlungspartner wegen der Beteiligung von einigen ihrer Mitglieder am Genozid in Ruanda im Jahr 1994 nicht in Betracht kam.
b) Erklärung der FDLR vom 31. März 2005 in Rom
Obwohl sich die Verhandlungen über die Bedingungen einer freiwilligen Demobilisierung der FDLR ohne Beteiligung Ruandas schwierig gestalteten und auch innerhalb der FDLR-Delegation keine Einigkeit über die Bedingungen einer freiwilligen Entwaffnung und Repatriierung der FDLR-Mitglieder bestand, wollte die FDLR-Führung die Gespräche nicht ohne jegliches Resultat beenden. Daraufhin unterzeichnete und verlas der Angeklagte Dr. M. am 31. März 2005 als Präsident der FDLR eine Erklärung für die Organisation, in der sich die FDLR „vor Gott, der Geschichte und dem ruandischen Volk“ zur Aufgabe des bewaffneten Kampfes und zur freiwilligen Entwaffnung und Rückkehr ihrer Truppen nach Ruanda verpflichtete, sofern „Begleitmaßnahmen“, die in der Erklärung nicht näher spezifiziert wurden, in Gang gesetzt würden. Vorgesehen war eine Repatriierung innerhalb von 90 Tagen. Außerdem erkannte die FDLR in der Erklärung den Völkermord in Ruanda im Jahr 1994 an, erklärte sich zur Zusammenarbeit mit der internationalen Justiz bereit und kündigte an, sich jeder offensiven Operation gegen Ruanda zu enthalten.
Trotz der öffentlichen Bekanntgabe der Erklärung durch den Angeklagten Dr. M. ließ es die FDLR in der Folge an der Implementierung der zur Durchführung der Vereinbarungen notwendigen Schritte fehlen. So war in den Verhandlungen die Einsetzung eines Komitees aus Vertretern der kongolesischen Regierung, der MONUC und der FDLR zur Koordinierung der Umsetzung der Repatriierung und zu deren Überwachung vereinbart worden. Eine Benennung entsprechender Vertreter durch die FDLR erfolgte aber nicht. Dass es bei der bloßen Erklärung vom 31. März 2005 durch die FDLR blieb, war mit auf die Ablehnung der in Rom ausgehandelten Bedingungen durch die führenden Militärs der FDLR in der DR Kongo zurückzuführen. Nach Abschluss der Verhandlungen hatte sich der Angeklagte Dr. M. in die DR Kongo begeben, um den dort ansässigen Mitgliedern des FOCA-Oberkommandos das Verhandlungsergebnis zu erläutern. Die Teilnehmer der Versammlung des Oberkommandos sprachen sich aber einhellig gegen eine Umsetzung der Erklärung von Rom aus, da das Verhandlungsergebnis für sie keine ausreichende Grundlage für eine freiwillige Entwaffnung und Repatriierung der FDLR-Mitglieder darstellte. So fehlte es ihnen zum einen an ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen und Begleitmaßnahmen für den Repatriierungsprozess. Auch sahen sie angesichts der von der Organisation verfolgten Ziele einer Beteiligung der FDLR-Mitglieder an der Macht in Ruanda die Voraussetzungen einer freiwilligen Entwaffnung der Miliz ohne entsprechende Verhandlungen mit Ruanda nicht als gegeben an. Gegen eine Umsetzung der Erklärung von Rom sprachen sich nach der Oberkommandoversammlung auch die anschließend tagenden Mitglieder des Comité Directeur (CD) der FDLR in der DR Kongo aus.
Unter Hinweis auf die in der Erklärung vom 31. März 2005 nicht näher bestimmten Begleitmaßnahmen für eine freiwillige Entwaffnung und Rückkehr der FDLR nach Ruanda - als solche benannte die FDLR in der Folge die Zustimmung Ruandas zu einem integrativen innerruandischen politischen Dialog und der Schaffung eines politischen Forums für den Führungskreis der Rebellengruppe - und deren Verweigerung durch die ruandische Regierung, lehnte die FDLR die Umsetzung der Erklärung von Rom daraufhin in öffentlichen Erklärungen ab. Für ein Scheitern der Abmachungen von Rom machte sie hierbei einseitig die ruandische Regierung, aber auch die internationale Gemeinschaft verantwortlich. Zur Deklaration der Erklärung von Rom bemerkte der Angeklagte Dr. M. später in einer SMS vom 3. Mai 2008 an den Kommandeur von SONOKI O. „wir halten an der Deklaration von Rom fest, weil wir in dieser Deklaration Kigali und der Weltgemeinschaft viele Fallen gestellt haben“. Im Hinblick auf die Bewertung des Prozesses von Rom äußerte sich der Angeklagte Dr. M. später intern dahingehend, dass es nicht der Prozess von Rom sei, der die FDLR mit Stolz in ihr Heimatland zurückzuführen werde. Dieser bleibe aber ein Sprungbrett, um das Regime von Kigali diplomatisch zu schwächen, indem damit dem internationalen Forum aufgezeigt werden könne, dass es das ruandische Regime sei, das jeglichen Kompromiss mit der FDLR zur Lösung des ruandischen Problems ablehne.
Im November 2005 wurden daraufhin gegen den FDLR-Präsidenten Dr. M. und den FOCA-Kommandanten S.M. Sanktionen durch den UN-Sicherheitsrat verhängt. In der Folge setzte die Europäische Union beide Personen am 9. November 2005 (Verordnung der Europäischen Union Nr. 1824/2005) auf die Liste der Personen, deren Gelder und wirtschaftliche Ressourcen wegen des Verstoßes gegen das Waffenembargo betreffend die DR Kongo eingefroren wurden. Durch die Verordnung der Europäischen Union Nr. 400/2007 vom 12. April 2007 wurde die Liste um den Angeklagten M. erweitert.
c) Turbulenzen und Abspaltungsbewegungen innerhalb der FDLR nach den gescheiterten Verhandlungen von Rom
Der gescheiterte Versuch einer Repatriierung und Entwaffnung der FDLR führte zu Turbulenzen innerhalb der Organisation. So rebellierte der stellvertretende Kommandant der Division Süd-Kivu, Oberst 2S.B., gegen den FOCA-Kommandanten wegen dessen mangelnder Unterstützung der Verhandlungen von Rom, gründete die Gruppierung FDLR-CMC und spaltete sich von der FDLR ab. Zusammen mit ca. 300 Kämpfern und deren Angehörigen repatriierte er später nach Ruanda.
Auch von politischer Seite formierte sich nach den gescheiterten Verhandlungen Widerstand. Zwar wurden bei der Wahl der Mitglieder der politischen Führung der FDLR die Angeklagten Dr. M. und M. am 25. Juni 2005 mit großen Mehrheiten (88,89 % und 81,48 % der Stimmen) als Präsident und 1. Vizepräsident der FDLR durch die Mitglieder des Comité Directeur gewählt. Im Anschluss hieran kam es aber zu einem weiteren Umsturzversuch gegen den FDLR-Präsidenten durch hohe politische Funktionäre der FDLR, unter anderem durch 2C.H., der bei den Wahlen im Juni 2005 gegen den Angeklagten Dr. M. als Präsidentschaftskandidat unterlegen war. Auch dieser Umsturzversuch scheiterte allerdings. Am 13. August 2005 schloss der Angeklagte Dr. M. daraufhin neben 2S.B., 2C.H., 1E.H. und 2J.N. auch den Mitbegründer der Organisation HR.N. wegen Hochverrats aus der FDLR aus.
Ruhe kehrte auch danach nicht in die Organisation ein. Vielmehr kam es im Jahr 2005/2006 zu einer weiteren Abspaltungsbewegung. Infolge von Unstimmigkeiten mit dem militärischen Führer der FOCA S.M. verließ der Brigadekommandeur aus dem Sektor Nord-Kivu Oberst 1J.N. alias 20M. mit Angehörigen seiner Brigade die FDLR und schloss sich in der Folge der RUD-Urunana als deren militärischer Flügel an. Trotz Verfolgung der abtrünnigen Einheiten durch FOCA-Truppen und Kampfhandlungen, die von Juni bis August 2006 andauerten, gelang es der FDLR nicht, einen entscheidenden Sieg über die Truppen 20M.s zu erringen. Vielmehr etablierte sich die RUD in der Folge als eine weitere politisch-militärische Bewegung mit ungefähr 300 bis 400 Kämpfern in den Kivu-Gebieten und baute sich dort eigene Strukturen in Regionen, vornehmlich im Hoheitsgebiet Lubero im Nord-Kivu, getrennt von den von FDLR-Milizionären beherrschten Gebieten auf. Ebenso wie die FDLR verfolgte sie seitdem das Ziel, durch militärischen Druck Verhandlungen mit der ruandischen Regierung zu ermöglichen, um so eine Rückkehr der ruandischen Hutu-Flüchtlinge aus dem Ostkongo nach Ruanda zu erreichen.
Neben den genannten größeren Abspaltungsbewegungen von der FDLR gab es auch immer wieder Absplitterungen von Einzelpersonen oder kleineren Gruppen, die dann selbständig in den Kivu-Gebieten agierten und sich hier neu formierten. Da hierbei oftmals wirtschaftliche Interessen im Vordergrund standen, hatten diese letztendlich aber keine nennenswerten Auswirkungen auf die Organisation. So hatte sich nach der Bildung von RUD beispielsweise auch ein niedrigrangiger Offizier namens 7S. von der FDLR getrennt und die sogenannte 7S.-Gruppe gegründet, die weniger als 100 Mitglieder umfasste und südlich des Albertsees und im nördlichen Rutshuru vor allem durch kriminelle Taten auffiel. Im Jahr 2008 rebellierte der Kommandeur des Bataillons Bahama, Oberstleutnant 4H, gegen die FOCA-Führung. Seiner Rebellion folgte allerdings nur ein kleiner Teil seiner Truppe. Auch fand er in der Folge keine wesentliche Verstärkung. Die Gruppierung agierte daraufhin mit etwa hundert Mann vor allem beidseitig der Straße von Goma nach Rutshuru.
6. Weitere Ereignisse von 2006 bis Anfang 2009
a) Erster ordentlicher Kongress der FDLR vom 24. bis 31. Januar 2006
Ein wichtiges Ereignis im Leben der Organisation stellte im Jahr 2006 die erstmalige und einzige Tagung des Nationalkongresses der FDLR und damit des höchsten politischen Entscheidungsgremiums der Organisation dar. Unter der Leitung des Angeklagten Dr. M. und in Anwesenheit des 2. Vizepräsidenten der FDLR, des stellvertretenden Exekutivsekretärs sowie des Kommandeurs der FOCA und dessen Stellvertreters versammelten sich in Kalongi im Nord-Kivu vom 24. bis 31. Januar 2006 ca. 200 bis 250 Vertreter aus der Verwaltung, der Politik und dem militärischen Bereich der FDLR und berieten und entschieden über aktuelle Themen der Organisation. Dabei ging es unter anderem um die Rekrutierung von neuen Kämpfern, die Eingliederung von Überläufern, die Teilnahme von Unteroffizieren an der Sitzung des Oberkommandos sowie um Dienstgrade der Soldaten, die Verteilung von Ämtern und den Umgang mit Disziplinarvergehen und Straftaten von FDLR-Milizionären, die Durchführung von mehr militärischen Aktionen, den Vorrang des militärischen Befreiungskampfes vor weiterführender Schulbildung und die Entrichtung von Beiträgen.
Bei der Tagung des Kongresses wurde darüber hinaus die Erneuerung des Vertrauens gegenüber dem FOCA-Kommandanten und dessen Stellvertreter durch die zwischen dem 11. und 18. Januar 2006 abgehaltene Versammlung des FOCA-Oberkommandos sowie der korrekte Ablauf der am 25. Juni 2005 erfolgten Wahlen des Präsidenten der FDLR, des 1. und 2. Vizepräsidenten, des Exekutivsekretärs und seines Stellvertreters bestätigt.
Ähnlich wie dies bei der Überarbeitung der FOCA-Regelwerke der Fall war, hatte es seit etwa dem Jahr 2004 auch umfangreiche Reformarbeiten zur Erneuerung der Bestimmungen und rechtlichen Regelungen, die die Gesamtorganisation betrafen, gegeben. Ein Tagungspunkt im Rahmen des Kongresses war deshalb auch die Verabschiedung der neu erarbeiteten Regelwerke der FDLR durch den Kongress. Diese traten dann mit deren Unterzeichnung durch den Angeklagten Dr. M. am 31. Januar 2006 in Kraft. Hierbei handelte es sich im Einzelnen um das „Manifest, Programm und Satzung der Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas-FDLR“, das „Reglement der inneren Ordnung der Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas-FDLR (ROI) sowie die „Disziplinarordnung der FDLR“ und „Finanzordnung der FDLR“. Aufgrund einer entsprechenden Entscheidung des Nationalkongresses wurde darüber hinaus der vom Oberkommando erlassene „militärische Strafkodex“, der nur Straftaten durch Mitglieder des militärischen Teils der FDLR regelte, noch im Jahr 2006 durch die „Strafgesetze der FDLR“ ersetzt, die Regelungen für alle Mitglieder der FDLR, also sowohl für die Zivilisten als auch die Militärs, enthielten.
b) Umstrukturierung der FOCA-Einheiten im Jahr 2006
Nach den im Jahr 2005 abgeschlossenen Reformarbeiten an den Regelwerken der FOCA gab es im Jahr 2006 innerhalb des militärischen Arms der FDLR mit der Umstrukturierung der FOCA-Einheiten und deren Umbenennung eine weitere Veränderung. Bis zu dieser Zeit hatte es im Nord-Kivu die 1. Division und im Süd-Kivu die 2. Division der FOCA gegeben, die jeweils in zwei Brigaden und diese wiederum in zwei oder drei Bataillone untergliedert waren. Im Rahmen der Umstrukturierung wurden die 1. Division in SONOKI (Secteur opérationel Nord-Kivu) und die 2. Division in SOSUKI (Secteur opérationel Süd-Kivu) umbenannt und daneben auf derselben organisatorischen Ebene die Reservebrigade mit drei Bataillonen angesiedelt. Innerhalb von SONOKI und SOSUKI wurden die Brigaden als Hierarchieebene abgeschafft und die beiden Divisionen in Bataillone, Kompanien, Züge etc. untergliedert. Mit der Neustrukturierung der Einheiten wurden für die neu geschaffenen Einheiten auch neue Bezeichnungen gewählt.
c) Operation „Amizeroim Jahr 2006
Seit der Operation „oracle du seigneur“ im Jahr 2001 hatte es durch die ruandischen Milizionäre keinen großen Angriff auf Ruanda mehr gegeben. Vielmehr blieb es nach dem gescheiterten Plan im Jahr 2003 bei örtlich begrenzten Operationen gegen den ruandischen Staat, wie zum Beispiel im Jahr 2004. Planungen für einen weiteren größeren Angriff auf Ruanda gab es erstmals wieder im Jahr 2006. Der Angriffsplan unter dem Operationsnamen „Amizero“hatte aber keine wirkliche Chance auf eine erfolgreiche Umsetzung und diente mehr der Motivation und Hebung der Moral der eigenen Truppen, denn angesichts der bisherigen entmutigenden Operationen und der militärischen Stärke Ruandas wusste man innerhalb der FOCA um die wenig erfolgversprechenden Aussichten eines solchen Unterfangens. Die Pläne wurden deshalb auch nicht verwirklicht. Ein großflächiger Angriff auf ruandisches Staatsgebiet wurde insgesamt bis zur Verhaftung der Angeklagten nicht mehr geführt.
d) Weitere Entwicklung der FDLR und politische Ereignisse bis Anfang des Jahres 2009
aa) Die FDLR als militärischer Akteur in den Kivu-Gebieten
Trotz der Abspaltungsbewegungen nach den gescheiterten Verhandlungen von Rom und der zunehmenden internationalen Isolierung der Bewegung blieb die FDLR eine der schlagkräftigsten bewaffneten Gruppierungen in den Kivu-Gebieten. Als eine Region, in der aufgrund ihrer geographischen Lage und ihres Rohstoffreichtums verschiedenste geopolitische und wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielten, war der Osten Kongos zum einen Schauplatz von Kampfhandlungen zwischen Armeen verschiedener nationaler Staaten. Daneben gab es aber auch ständig kleinere und größere militärische Auseinandersetzungen zwischen den unterschiedlichen, innerhalb des Landes agierenden bewaffneten Gruppierungen sowie zwischen der nationalen kongolesischen Armee und den einzelnen bewaffneten Milizen. Als eine auch zahlenmäßig bedeutende bewaffnete Gruppierung war die FDLR von Anfang vielfach an militärischen Auseinandersetzungen in den Kivu-Gebieten beteiligt. Hierbei ging sie wie andere Akteure je nach ihrer jeweiligen Interessenlage Allianzen mit anderen bewaffneten Gruppierungen ein, wobei die jeweiligen Bündnispartner oftmals diametral wechselten und sich Koalitionen änderten.
Neben Kampfhandlungen zwischen der kongolesischen Armee und der Miliz kam es so immer wieder zu militärischen Auseinandersetzungen mit weiteren bedeutenden bewaffneten Gruppierungen wie den bewaffneten Kräften der Mai-Mai-Milizen und den im Jahr 2007 gegründeten PARECO („Coalition des Patriotes Résistants Congolais“). Bei den Mai-Mai-Milizen handelte es sich um lokale, oftmals auf ethnischer Basis organisierte militante Gruppen, die die einheimische Bevölkerung als eine Art Bürgerwehr unter anderem gegen ausländische „Invasoren“ verteidigten und gegen sie vorgingen. Die PARECO ist aus einer Verschmelzung verschiedener früherer Mai-Mai-Gruppen entstanden. Ihre Mitglieder sind vor allem kongolesische Hutu ursprünglich ruandischer Herkunft sowie Angehörige des Volksstamms der Nande und Hunde. Neben militärischen Auseinandersetzungen mit diesen Gruppen beteiligte sich die FDLR insbesondere in den Jahren vor 2007 immer wieder an Kampfhandlungen gegen die sogenannten Rasta. Hierbei handelte es sich um marodierende, im Süd-Kivu in den Regionen Walungu und Kabare operierende Banden, die unter anderem aus desertierten früheren FDLR-Mitgliedern bestanden, und dort durch Raubüberfälle und sonstige kriminelle Übergriffe auffielen, sich aber im Laufe der Jahre auflösten und nach 2007 nicht mehr relevant in Erscheinung traten.
bb) Beteiligung der FDLR an kriegerischen Auseinandersetzungen ab Ende des Jahres 2006 und insbesondere in den Jahren 2007 und 2008
An größeren kriegerischen Auseinandersetzungen war die FDLR ab Ende des Jahres 2006 und vor allem im Jahr 2009 beteiligt (siehe zu letzterem unter Teil 2 A. V.). Die ausgedehnten Kampfhandlungen insbesondere in den Jahren 2007 und 2008 hatten ihren Ursprung in der Gründung einer neuen politischen Rebellenbewegung in den Kivu-Gebieten, dem CNDP („Congrès national pour la défense du peuple“, übersetzt „Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes“), einer mit einem militärischen Flügel ausgestatteten bewaffneten Gruppierung.
Der CNDP wurde im Jahr 2006 nach den Wahlen in der DR Kongo und der schweren Niederlage der zu einer politischen Partei gewandelten früheren Rebellenbewegung RCD zu einer wichtigen neuen Kraft in den Kivu-Gebieten. Die von Ruanda unterstützte Bewegung wurde von einem Offizier der ehemaligen RCD-Rebellen, General 1L.N., als Vorsitzendem gegründet und geleitet sowie im militärischen Flügel unter 1L.N.s Kommando von General B.N. geführt. Der Bewegung, die in ihren Stützpunkten in Masisi und Rutshuru quasi-staatliche Strukturen entwickelte, schlossen sich Hunderte ehemaliger RCD-Soldaten und eine Vielzahl neuer Rekruten aus allen ethnischen Lagern an, so dass Schätzungen von einer Stärke der Bewegung von 4.000 bis 7.000 Kämpfern bis Ende 2008 ausgehen. In den leitenden Funktionen im Wesentlichen mit Tutsi besetzt und gut organisiert, sah sich die neue Bewegung vor allem als Fürsprecher und Beschützer der kongolesischen Tutsi, die im Ostkongo oder als Flüchtlinge in Ruanda lebten, und machte deren Schutz und Verteidigung, aber auch deren politische Repräsentation zum Gegenstand ihres Kampfes. Zu ihren Zielen zählte deshalb auch, die FDLR zu neutralisieren, die sie mit zu ihrem Hauptfeind erklärte. 2L. 1L.N. war gleichzeitig aber auch einer der wichtigsten Widersacher des kongolesischen Präsidenten Kabila und rief als solcher zum Aufstand gegen die Macht in Kinshasa auf.
Im August 2006, vor allem aber gegen Ende 2006, führte der CNDP größere Angriffe gegen die nationale kongolesische Armee, die hierbei lokal von FOCA-Truppen unterstützt wurde, durch. Nachdem die militärischen Auseinandersetzungen zu keinem eindeutigen Sieger, aber zu erheblichen Verlusten bei den Kampfgegnern geführt hatten, kam es Anfang des Jahres 2007 zu Verhandlungen und zu einer gütlichen Einigung zwischen beiden Seiten. Hierbei akzeptierte der Führer des CNDP General 1L.N. eine begrenzte Form der Integration seiner CNDP-Truppen in die kongolesische Armee und die Bildung gemischter Brigaden, die sogenannte „Mixage“. Als Gegenleistung hierfür erklärte sich die kongolesische Regierung bereit, mit diesen Truppen militärische Operationen gegen die FDLR durchzuführen.
In der Folge kam es zu den vereinbarten militärischen Kampfhandlungen der gemischten Brigaden gegen die FDLR. Ab April 2007 wurden die Operationen gegen die FDLR intensiviert, ohne allerdings den erhofften Erfolg einer Zerschlagung der FDLR-Truppen zu zeitigen. Da die Integration der CNDP-Truppen in die kongolesische Armee nicht gut funktionierte und sich anstatt der erhofften Stabilisierung der Situation die Sicherheitslage für die kongolesische Bevölkerung weiter verschlechterte, fand die vereinbarte Zusammenlegung und Zusammenarbeit der Truppen des CNDP mit den kongolesischen Streitkräften im Sommer 2007 ein Ende. War der CNDP während der Zeit seiner Integration in die Armee der DR Kongo von kongolesischer Seite noch mit Waffen ausgerüstet worden, so flammten jetzt auch die Kämpfe zwischen ihm und der FARDC wieder auf. Diplomatische Bemühungen um einen Waffenstillstand im Oktober/November 2007 führten nicht zu einem Erfolg. Auch das auf internationalen Druck zwischen der kongolesischen und ruandischen Regierung verfasste gemeinsame Kommuniqué von Nairobi vom 9. November 2007, in dem sich die DR Kongo unter anderem zur Einstellung jeder Art von Unterstützung der FDLR sowie der Bekämpfung dieser Gruppierung verpflichtete und sich Ruanda im Gegenzug bereit erklärte, jegliche Unterstützung bewaffneter Gruppierungen im östlichen Kongo einschließlich des CNDP zu blockieren, beendete die militärischen Auseinandersetzungen nicht. Auch die FDLR war damit weiterhin in Kampfhandlungen involviert.
Im Dezember 2007 startete die kongolesische Armee mit logistischer Unterstützung der MONUC eine Großoffensive in Masisi gegen den CNDP. Hierzu nahm sie in großem Stil die Dienste der FDLR in Anspruch, die damit erneut vom Gegner zum Bündnispartner wurde und von der Zusammenarbeit in Form von Waffenlieferungen und Bereitstellung sonstiger militärischer Ausrüstung profitierte. In operationeller Hinsicht lagen die Hauptbereiche der gemeinsamen Einsätze gegen den CNDP in den Terrritorien Masisi und Rutshuru im Nord-Kivu auf den Achsen Ngungu-Mushaki, Katale-Mushaki, Kiwanja-Kinyandoni und Rugari-Kikumba. Die Offensive scheiterte allerdings und die Regierungstruppen wurden geschlagen.
Die kongolesische Regierung berief daraufhin eine Friedenskonferenz ein, die vom 6. bis 22. Januar 2008 tagte und an der neben der FARDC unter anderem 22 bewaffnete Gruppierungen, darunter auch der CNDP, teilnahmen. An der Konferenz wurde allerdings neben Ruanda auch die FDLR als bedeutende bewaffnete Gruppierung in den Kivu-Gebieten nicht beteiligt. Im Laufe des Jahres 2008 versuchte die kongolesische Regierung zwar, in gesonderten Kontakten mit der FDLR-Führung Verhandlungen über eine Entwaffnung der FDLR und Ansiedlung von deren Kämpfern in der DR Kongo im Rahmen des Kommuniqués von Nairobi zu erreichen. Auch kam es zum Zwecke einer friedlichen Lösung des Problems der militärischen Präsenz der FDLR in den Kivu-Gebieten im August 2008 zu einem Treffen einer Verhandlungsdelegation der FDLR mit Vertretern der evangelischen Kirche in der DR Kongo (EEC) in Nyabiondo. Nachdem von Seiten der FDLR eine Lösung des Konflikts aber weiterhin von der Führung eines innerruandischen Dialogs mit der ruandischen Regierung abhängig gemacht wurde, führten auch diese Befriedungsversuche nicht zu einem Erfolg.
Im „Goma Agreement“, einer am 23. Januar 2008 von allen beteiligten Konferenzteilnehmer unterzeichneten Erklärung, wurde ein sofortiger Waffenstillstand, der militärische Rückzug aus Frontpositionen sowie die Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration von Kombattanten in die kongolesische Armee vereinbart. Auch dieses Abkommen führte nicht zum erhofften Erfolg. Der vereinbarte Waffenstillstand hielt nicht lange. Zu heftigen militärischen Auseinandersetzungen kam es vor allem in den Monaten August bis November 2008. Im August 2008 hatte die kongolesische Armee eine erneute Militäroffensive gegen den CNDP initiiert. An mehreren Fronten in den Gebieten Masisi und Rutshuru kam es zu ausgedehnten Feinseligkeiten zwischen der FARDC und dem CNDP, bei denen sich auf der Seite der FARDC die FDLR, die PARECO und verschiedene Mai-Mai-Gruppen mit dem CNDP maßen, und die zu größeren Fluchtbewegungen der einheimischen Bevölkerung führten. Bis mindestens Ende November 2008 war die FDLR in Kampfhandlungen in den Kivu-Gebieten verwickelt. Trotz ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit verlor die FARDC rasch an Boden. Die Kämpfe erreichten im Oktober 2008 ihren Höhepunkt, als der CNDP eine Gegenoffensive startete und es ihr gelang, die Positionen der kongolesischen Armee zu überrennen und fast bis nach Goma vorzudringen. Hier konnte zunächst mit Hilfe der Truppen der Vereinten Nationen die Einnahme Gomas verhindert werden. Der CNDP kontrollierte damit aber ungefähr ein Drittel der Gebiete Masisi-Rutshuru.
Internationale diplomatische Bemühungen und internationaler Druck auf die Regierung Ruandas und der DR Kongo führten letztendlich dazu, dass ein weiteres Vordringen des CNDP auf Goma und der militärische Konflikt aufs Erste beendet werden konnten. So verkündete 1L.N. schließlich am 29. Oktober 2008 den Stopp der Offensive unter gleichzeitiger Forderung direkter Friedensgespräche mit Kabila.
cc) Vereinbarungen zwischen der DR Kongo und Ruanda zur Durchführung der gemeinsamen militärischen Operation „Umoja Wetu“
Nachdem es Kabila angesichts der weitgehenden Zerschlagung seiner Armee und der Überlegenheit der CNDP-Truppen nicht gelang, militärische Unterstützung zum Wiederaufbau seiner Armee von solchen afrikanischen Staaten zu gewinnen, die bereits einmal seine Verbündeten gewesen waren, und auch ansonsten von internationaler Seite keine sofortige militärische Unterstützung seiner Truppen gegen den CNDP zu erwarten war, änderte der kongolesische Präsident seine Strategie. Er versuchte nun in direkten Verhandlungen mit der ruandischen Regierung die anhaltende Instabilität in den Kivu-Gebieten zu beenden. Kabila und Kagame konnten sich auf einen Kompromiss verständigen, der die Beteiligung der ruandischen Verteidigungsstreitkräfte an einer Militäraktion gegen die FDLR im Gegenzug zu einer gemeinsamen Initiative zur Isolierung von 2L. 1L.N. und zum Angebot einer neuen politischen Rolle für den CNDP im Nord-Kivu vorsah. Am 5. Dezember 2008 verkündeten die Außenminister der DR Kongo und Ruandas die bevorstehende gemeinsame militärische Operation gegen die FDLR, bezeichnet als „Umoja Wetu“ („Unsere Einheit“). Es wurde angekündigt, dass die gemeinsame Offensive im Januar beginnen und unter „starker ruandischer Beteiligung“ stattfinden werde.
Anfang Januar 2009 verkündete 1L.N.s Militärkommandant B.N. die Absetzung von 1L.N. als Führer des CNDP, schloss ein Friedensabkommen mit der Regierung in Kinshasa ab und erklärte sich mit einer Integration der Truppen des CNDP in die nationale kongolesische Armee einverstanden. Wenig später, am 23. Januar 2009, wurde 1L.N. in Ruanda festgenommen. Daraufhin wurden die Kämpfer des CNDP noch im Januar 2009 in die kongolesische Armee FARDC integriert. Gleichzeitig wurden nach entsprechenden Vereinbarungen auch die Angehörigen eines Großteils der bewaffneten Mai-Mai-Milizen und der PARECO, von denen einzelne bewaffnete Gruppen zuvor mit der FDLR operiert hatten, ebenfalls in die kongolesische Armee aufgenommen. Fast alle im Osten der DR Kongo agierenden bewaffneten Gruppierungen unterwarfen sich damit der Autorität des kongolesischen Staates. Die FDLR verlor daher wesentlichen Rückhalt in den Kivu-Gebieten und war isoliert. Aufgrund der unerwarteten Annäherung zwischen Kabila und Kagame sowie der Integration der CNDP-Streitkräfte und der anderen bewaffneten Gruppierungen in die FARDC stand die Rebellengruppe einer für sie bedrohlichen Militärallianz gegenüber. Damit hatte sich die strategische Position der FDLR entscheidend verschlechtert.
dd) Versammlungen des Oberkommandos der FOCA und des Comité Directeur der FDLR im Januar 2009
Vor Beginn der Operation der ruandischen und kongolesischen Streitkräfte fand vom 12. bis 15. Januar 2009 zunächst eine Sitzung des Oberkommandos der FOCA und kurze Zeit später, nämlich vom 16. bis 19. Januar 2009, die Versammlung des Comité Directeur der FDLR statt. Auf der Tagesordnung der Oberkommando-Versammlung standen unter anderem eine Bewertung der einzelnen Bereiche der FOCA, die Texte des Strafgesetzbuches, Regelungen der LNC (siehe zur LNC unter Teil 2 A. IV. 2 b))sowie die künftig einzuschlagende militärische Strategie. Eine wichtige Entscheidung der Versammlung war die Erneuerung des Vertrauens gegenüber dem FOCA-Kommandeur S.M. am 14. Januar 2009. Vorherige Bestrebungen von Teilen der Oberkommando-Versammlung, an Stelle Ms. einen neuen FOCA-Kommandanten zu wählen und hierdurch auch die Ablösung des Angeklagten Dr. M. als Präsidenten der der FDLR auszulösen, schlugen fehl. Über die in der Versammlung des Oberkommandos getroffenen Entscheidungen und Empfehlungen wurde der Angeklagte Dr. M. als Präsident der FDLR über Satellitentelefon per SMS in Kenntnis gesetzt.
Gegenstand der CD-Versammlung waren zum einen die Bewertung der Richtlinien und Beschlüsse der letzten Versammlung, des Prozesses von Rom und der Zusammenarbeit innerhalb der ruandischen Diaspora sowie die Festlegung einer Strategie, um der aktuellen Bedrohung der FDLR/FOCA zu begegnen. Darüber hinaus waren Tagesordnungspunkte Probleme, die im Zusammenhang mit dem Abhalten der satzungsgemäßen Versammlungen der Entscheidungsgremien der Organisation auftraten, und die Verabschiedung und Abänderung der Texte der Regelwerke der FDLR. Als Ergebnis der Versammlung wurden vom Comité Directeur Empfehlungen zu den Bereichen politische Angelegenheiten der Organisation, Mobilisierung und Propaganda, soziale Angelegenheiten und Versöhnung, Dokumentation und Sicherheit, Finanzen und Vermögen, Rechtsangelegenheiten und Menschenrechte, Verteidigung und Außenbeziehungen der FDLR sowie zu den weiteren genannten Themenbereichen ausgesprochen. Zudem wurde durch Beschluss der Versammlung der Beitrag der Mitglieder des Comité Directeur und des Oberkommandos im Osten der DR Kongo auf einen Dollar pro Monat erhöht, beim Rest verblieb er bei 0,5 Dollar im Monat.
ee) Reaktionen der FDLR auf die angekündigte Militäroperation
In Erklärungen der Organisation und in Interviews verurteilte die FDLR den Krieg immer wieder und verwies darauf, dass die Probleme durch Verhandlungen der FDLR mit der Regierung Ruandas (sogenannter innerruandischer Dialog) gelöst werden müssten. Versuche der kongolesischen Regierung und der ECC ab April 2008, eine Lösung auf dem Verhandlungswege zu erreichen, waren zuvor allerdings gescheitert. So hatte es unter anderem Bemühungen der kongolesischen Seite gegeben, die Kontakte zur politischen Führung der FDLR unter Vermittlung der katholischen Gemeinschaft Sant‘ Egidio wieder aufzunehmen, um einen neuen Anlauf für eine Verhandlungslösung auf Basis der Eckpfeiler des Kommuniqués von Nairobi zu erreichen. Als Präsident der FDLR hatte der Angeklagte Dr. M. Verhandlungen und einem Treffen mit der kongolesischen Regierung zwar grundsätzlich zugestimmt, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Tagesordnung einer solchen Begegnung auf die Bewertung des Prozesses von Rom beschränkt bliebe. Versuche der kongolesischen Regierung sowie der ECC, die FDLR zur Abgabe einer Erklärung zu bewegen, mit der die Organisation offiziell die freiwillige Niederlegung der Waffen ohne Vorbedingungen verkünden sollte, scheiterten auch im weiteren Verlauf des Jahres 2008/Anfang 2009. Ein solches Vorgehen wurde von der politischen Führung der FDLR in Europa strikt abgelehnt. So beharrte der Angeklagte Dr. M. darauf, dass eine freiwillige Entwaffnung nur im Rahmen einer Einigung mit Ruanda über die von der FDLR geforderten Bedingungen für eine Rückkehr nach Ruanda und damit über direkte Verhandlungen mit der Regierung Ruandas erfolgen könne. Auf den Wunsch der kongolesischen Regierung, die FDLR möge ihren Verhandlungswillen gegenüber der Regierung der DR Kongo schriftlich dokumentieren, war sich die Führung in Europa einig, dass jegliche Aktivitäten zu vermeiden seien, die die „Abacunguzi“ demobilisieren oder den Eindruck vermitteln könnten, die FDLR kapituliere. Auch ein Treffen einzelner Vertreter der FDLR und der kongolesischen Regierung im Oktober 2008 in Nyabiondo im Nord-Kivu hatte zu keinem Ergebnis geführt. Der Angeklagte Dr. M. bezeichnete das Treffen nachträglich gegenüber dem Vizekommandanten der FOCA sogar als schädlich für die Glaubwürdigkeit der FDLR.
II. Aufbau, Struktur und Arbeitsweise der Organisation
Die FDLR ist eine politisch-militärische Organisation mit vielen Tausenden Mitgliedern. Der größte Teil davon hält sich in den Kivu-Gebieten in der DR Kongo auf, darunter sind aber auch Exil-Ruander in anderen Teilen Afrikas und der übrigen Welt. Zu den in der DR Kongo ansässigen Mitgliedern gehören neben den Funktionären und Militärs der Organisation Zigtausende zivile ruandische Flüchtlinge. Der weitaus überwiegende Teil der aktiven Kämpfer der Organisation besteht aus jungen Leuten, die mit den Ereignissen in Ruanda in der Zeit vor dem großen Exodus im Jahr 1994 nichts zu tun haben. Diese wurden vor allem unter der ruandischen Flüchtlingsbevölkerung in der DR Kongo rekrutiert, stammen teilweise aber auch aus der kongolesischen Zivilbevölkerung, aus Flüchtlingslagern in Nachbarländern Ruandas wie Uganda und Burundi oder gelangten mit Hilfe von Unterstützungs- und Rekrutierungsnetzwerken von Ruanda zur FOCA. Unter den aktiven Mitgliedern der FDLR in den Kivu-Gebieten befinden sich aber auch Personen, die am Völkermord 1994 in Ruanda beteiligt waren und die Organisation als eine Art Schutzraum nutzen.
Die Vereinigung ist hierarchisch aufgebaut und verfügt über einen hohen Regelungs- und Organisationsgrad. In umfangreichen Regelwerken werden das Fundament und die Zielsetzung der Organisation sowie deren Aufbau, Aufgaben und Ordnung detailliert aufgeführt. Die aus einem politischen Arm und dem militärischen Arm FOCA bestehende Organisation verfügt über eine eigene Gerichtsbarkeit und weist eine staatsähnliche Struktur auf, die weitgehend dem Aufbau des ruandischen Staatswesens, wie es im Jahr 1994 bestand, nachgebildet ist. Dies spiegelt ihre Zielsetzung wider, nach dem von ihr verfolgten Sturz des ruandischen Regimes mit ihren Strukturen, ihren Funktionären und ihren militärischen Einheiten die Staatsmacht in Ruanda zu übernehmen.
1. Regelwerke der Organisation und deren Umsetzung
In den Regelwerken der FDLR sind die Grundordnung und Funktionsweise der Organisation sowie Verhaltens- und Verbotsnormen für ihre Mitglieder normiert. Entsprechende Bestimmungen finden sich zum einen in Regelwerken, die die Gesamtorganisation betreffen und damit für alle FDLR Mitglieder gelten, sowie in ergänzenden Vorschriften, die die Aufgaben und Struktur der FOCA näher definieren.
a) Regelwerke der Gesamtorganisation
Bei den Normen der Gesamtorganisation handelt es sich im Wesentlichen um die im Jahr 2006 erlassenen und bis zur Verhaftung der Angeklagten in den wesentlichen Grundzügen weiterhin gültigen Regelwerke, nämlich insbesondere das „Manifest, Programm und Satzung der Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas-FDLR“, das „Reglement der inneren Ordnung der Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas-FDLR“ (ROI), die „Disziplinarordnung der FDLR“ und die „Strafgesetze der FDLR“. Das erstgenannte Regelwerk stellt dabei eine Art „Verfassung“ und „Grundsatzprogramm“ der Organisation dar und geht allen anderen Regelungen vor. Danach wird die FDLR unter anderem als eine auf unbefristete Zeit gegründete Vereinigung (Art. 4) beschrieben, die mit einem bewaffneten Zweig ausgestattet ist (Art. 5). In dem Regelwerk finden sich neben Ausführungen zu Gründung und Bezeichnung der Organisation sowie zu Leitprinzipien und Zielen der Vereinigung Bestimmungen zu Sitz, Devise, Emblem, Fahne, Laufzeit und Zusammensetzung der FDLR sowie Vorschriften, welche die Mitglieder, die Struktur und Funktionsweise, die Disziplin und das Vermögen der Organisation betreffen.
Die Regelungen in der Satzung der FDLR finden Ergänzung im ROI, einer Art Geschäftsordnung der FDLR. Dort werden der Leitspruch, das Wappen und die Fahne der FDLR näher konkretisiert, detaillierte Bestimmungen zum Erwerb und Verlust der FDLR-Mitgliedschaft, den Eigenschaften, Rechten und Pflichten der FDLR-Mitglieder und ihrer Kader getroffen sowie die Aufgaben der Organe der FDLR und deren Funktionsweise im Einzelnen festgelegt. Vollmitglied der FDLR oder „Umucunguzi“ (Befreier, Mehrzahl: „Abacunguzi“), kann danach nur werden, wer keinen Verrat an den Idealen der FDLR begangen hat und sich bei seiner Aufnahme verpflichtet, die Satzung und die Anordnungen der Organisation zu respektieren (Art. 8 der Satzung). Ein Umucunguzi ist eine Person, die der Ideologie der FDLR folgt sowie ihre Sache unterstützt und verteidigt (Art. 8 ROI). Gem. Art. 17 ROI besteht für Führungskader die Verpflichtung zur Leistung eines Eides, mit dem sie schwören, ihre Aufgaben loyal zu erfüllen, Treue zu den FDLR unter Einhaltung der Satzung und der Vorschriften zu wahren und die Interessen des ruandischen Volkes zu fördern. Unter der Überschrift „Allgemeines Prinzip“ wird ausdrücklich die hierarchische Gliederung und Ordnung der Organisation genannt (Art. 23 ROI). So ist dort unter anderem festgelegt, dass das übergeordnete Organ die Handlungen der untergeordneten Organe modifizieren oder annullieren kann und Entsprechendes für das Verhältnis zwischen den Mitgliedern der über- und untergeordneten Organe gilt. Auch wird die hierarchische Rangfolge vom Präsidenten der FDLR, über die Vizepräsidenten, den Exekutivsekretär und dessen Stellvertreter, die Kommissare und die Widerstandskomitees, die diesen nachgeordnet sind, im Einzelnen aufgeführt.
In der Disziplinarordnung der FDLR werden die wesentlichen Verhaltens- und Disziplinarregeln, welche die „Abacunguzi“ zu beachten haben, genannt. Hierzu gehören als Grundprinzipien, die Existenzberechtigung der FDLR niemals zu verraten und sich als engagierter Teil beim Kampf zur Befreiung des ruandischen Volkes zu fühlen, um dessen Rehabilitierung zu etablieren und ihm dessen Ehre zurückzugeben. An spezifischen Verhaltensregeln wird dem „Umucunguzi“ bei seinem täglichen Kampf unter anderem verboten, Leute brutal zu behandeln, sie zu schlagen oder ihnen Missbrauch oder Demütigungen hinzuzufügen, fremdes Eigentum in Anspruch zu nehmen, Unschuldige zu töten, Vergewaltigungen zu begehen oder Respektlosigkeit gegenüber der Hierarchie zu zeigen.
Die „Strafgesetze der FDLR“ regeln die Ahndung von „gemeinrechtlichen“ Straftaten, also Straftaten, die gleichermaßen von Zivil- und Militärangehörigen der Organisation verwirklicht werden können, sowie „militärischen“ Straftaten, die nur von den Militärangehörigen und den bei der FOCA tätigen Zivilangehörigen begangen werden können. Die „gemeinrechtlichen Straftaten“ befassen sich unter anderem mit Straftaten von FDLR-Angehörigen gegen die Verteidigung und Sicherheit der Organisation (beispielweise Bildung einer kriminellen Vereinigung, illegaler Besitz und Handel von Kriegswaffen oder Munition) sowie der Ordnung der Organisation (unter anderem Beleidigung oder Widerstand gegen Autoritätsträger), aber auch Straftaten gegen Personen, Eigentums- und Vermögensdelikte sowie „Güterzerstörungsdelikte“ (Brandstiftung, Zerstörung von fremdem Eigentum, illegaler Rohstoffabbau und -handel, Wilderei). Bei den „militärrechtlichen“ Straftaten geht es zum einen um Straftaten gegen die FOCA, also gegen den militärischen Auftrag und das Eigentum der FOCA, aber auch um Delikte gegen die Rechte und das Eigentum von Privatpersonen. Zu letzterem zählen Übergriffe gegen Zivilisten in Form von Erpressung, Grausamkeit und Plünderungen sowie die Verletzung der Freiheitsrechte von Zivilisten und Kriegsgefangenen sei es durch ihre Verwendung als menschliche Schutzschilde oder durch die Rekrutierung von Kindersoldaten und Misshandlung von Kriegsgefangenen.
b) Regelwerke der FOCA
Gestützt auf Art. 5 der Satzung der FDLR, wonach die Organisation und die Aufgaben der Armee durch Texte dieser Institution näher definiert werden, gibt es spezielle Regelwerke für die FOCA. Hierbei handelt es sich um die in den Jahren 2005 und 2006 erlassenen und bis zur Verhaftung der Angeklagten nur in unwesentlichen Details geänderten Regelwerke „Verordnung Nr. 10 - Statuten der Kampftruppen Abacunguzi“, die „Verordnung über die Arbeitsweise des FOCA Oberkommandos“, die „Disziplinarordnung“, die „Entscheidung der Armeeführung Nr. 003/05 vom 18. März 2005 bezüglich Einführung des „Gacaca“-Gerichts“, den „Militärischer Strafkodex der Kampftruppen Abacunguzi“ und die „Verordnung Nr. 13 - Gerichtliche Instanzen“.
Wie bei der Satzung der Gesamtorganisation ist in den Statuten der FOCA die Grundordnung des bewaffneten Arms der FDLR niedergelegt. Danach handelt es sich bei der FOCA um eine Berufsarmee ohne Vertragsverhältnis für die gesamte Dauer des Befreiungskampfes (Art. 1, 2), als deren Zielsetzung unter anderem die Rückeroberung Ruandas mit allen Mitteln, die Wiederherstellung und Wahrung des Friedens und der nationalen Einheit sowie die Schaffung von Machtstrukturen, die auf den universellen Prinzipien des Rechtsstaates und der Demokratie beruhen, angegeben wird (Art. 6). FOCA-Angehörige müssen mindestens 18 Jahre alt sein (Art. 10), vor Dienstantritt einen Eid leisten und werden je nach Dienstgrad bestimmten Laufbahngruppen zugeordnet. Für die unterschiedlichen Dienstgrade wie Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften sind spezielle Ausbildungszentren vorgesehen. Es gilt die für reguläre Armeen kennzeichnende Hierarchieordnung und das Prinzip von Befehl und Gehorsam. So hat nach Art. 50 der Statuten ein Militärangehöriger seinem Vorgesetzten unbedingten Gehorsam und den ihm erteilten Befehlen Folge zu leisten. In den FOCA-Statuten finden sich darüber hinaus detaillierte Bestimmungen zu den Rechten und Pflichten und dem Dienstalter von Soldaten, zu Laufbahnen, Dienstgraden, Beurteilungen, Beförderungen, Versetzungen etc., aber auch zu Urlaubsansprüchen und Fragen der Eheschließung der Militärangehörigen.
Ergänzend zu den FOCA-Statuten werden in den Vorschriften zur Arbeitsweise des FOCA-Oberkommandos die speziellen Kompetenzen und Aufgaben dieses Organs in der Hierarchie der FOCA, aber auch im Zusammenwirken mit anderen Organen beschrieben. Die Disziplinarordnung der FOCA enthält über den Disziplinarkodex der FDLR hinausgehende Regelungen für Fehlverhalten von Militärangehörigen, also insbesondere für Verstöße gegen die Pflicht zu absolutem Gehorsam gegenüber den Befehlen der militärischen Vorgesetzten und die Achtung der militärischen Hierarchie, und unterwirft die FOCA-Angehörigen einem eigens hierfür vorgesehenen Disziplinarverfahren. Die Regelwerke über die gerichtlichen Instanzen und das Gacaca-Gericht enthalten detaillierte Bestimmungen zur militärischen Gerichtsbarkeit/militärischen Staatsanwaltschaft.
c) Umsetzung der Regelwerke
Die Regelwerke der Organisation spielen im Leben der Vereinigung zwar eine nicht unerhebliche Rolle und wurden laufend aktualisiert sowie in Details geändert. Sie wurden unter den Bedingungen, unter denen die FDLR während ihres Befreiungskampfes von den Kivu-Gebieten aus wirkte, aber nur teilweise umgesetzt und befolgt.
So wurde die in den Regelwerken vorgeschriebene strukturelle Grundordnung der Organisation zwar größtenteils umgesetzt und auf eine formale Einhaltung der in den Bestimmungen der FDLR vorgesehenen Zuständigkeiten der verschiedenen Organe sowie der Hierarchieordnung geachtet. Allerdings waren insbesondere die Satzung und die ROI der FDLR maßgeblich unter dem Blickwinkel einer späteren Ordnung der Organisation nach einer erfolgreichen Rückkehr nach Ruanda und Machtübernahme abgefasst worden. Elemente, die unter den im Osten der DR Kongo herrschenden Bedingungen nicht praktikabel waren, wurden deshalb gar nicht oder zumindest nicht in vollem Umfang umgesetzt. Dies betraf die Installierung bestimmter politischer Organe, die Einberufung von Entscheidungsgremien der Organisation wie des Nationalkongresses und des Nationalen Widerstandskomitees sowie die Einhaltung vorgeschriebener Sitzungsperioden von Organen, aber auch die tatsächlichen Machtbefugnisse, die mit bestimmten nominellen Funktionen verbunden waren.
Die Arbeits- und Funktionsweise der Organisation erfolgten auch im Übrigen nicht strikt nach der kodifizierten Ordnung. Vielmehr bestimmten sich die Handlungsweise und das Vorgehen der FDLR/FOCA im Konfliktfall in erster Linie danach, was unter den aktuellen Lebensbedingungen in den Kivu-Gebieten der DR Kongo für das Überleben und Funktionieren der Rebellenbewegung und zum Erreichen der von ihr verfolgten Ziele für notwendig gehalten wurde. Ge- und Verbotsnormen, insbesondere aus den Strafgesetzen der FDLR oder dem humanitären Völkerrecht, die zum Inhalt der formalen Ausbildung der Kämpfer gehörten, wurden deshalb nur insoweit eingehalten, wie sie sich damit vereinbaren ließen. So erfolgten entgegen den Bestimmungen der Strafgesetze der FDLR durch die FOCA zumindest in den Jahren 2007 bis 2009 angeordnete Raub- und Plünderungsoperationen bei der kongolesischen Bevölkerung und im Jahr 2009 im Rahmen der bewaffneten Auseinandersetzungen Übergriffe im Sinne von Bestrafungsoperationen gegen kongolesische Zivilisten. Eine strikte Verfolgung und Ahndung von Verstößen von FDLR-Angehörigen gegen die Strafgesetze der Organisation fanden auch ansonsten nur teilweise statt. So wurden zwar Straftaten zwischen den FDLR-Kämpfern untereinander und gegenüber den ruandischen Zivilisten regelmäßig in Gerichtsverfahren verfolgt und bestraft. Eine konsequente Ahndung von Straftaten gegenüber kongolesischen Zivilisten fand dagegen nicht in gleichem Maße statt.
Entgegen den Regelungen in den FOCA-Statuten wurde zudem die Mindestaltersgrenze von 18 Jahren für FOCA-Kämpfer nicht strikt eingehalten. Vielmehr wurde die Auswahl im Rahmen von Rekrutierungsmaßnahmen insbesondere während bewaffneter Konflikte vor allem danach getroffen, ob eine Person die notwendigen körperlichen Voraussetzungen für einen FOCA-Kämpfer besaß, ohne dass in diesem Fall sein Alter konkret nachgeprüft wurde. Darüber hinaus gab es für die aktiven Mitglieder der FDLR in der DR Kongo entgegen der Satzung (siehe Art. 11 der Satzung) nicht die Möglichkeit des freiwilligen Austritts aus der Organisation. So wurden Genehmigungen, den Kontroll- und Wirkungsbereich der Organisation zu verlassen, nur in Ausnahmefällen wie Krankheitsfällen, Erreichen einer bestimmten Altersstufe etc. erteilt. Ansonsten wurde aber jeder Versuch, die Organisation aus eigenem Antrieb zu verlassen, als Desertion gewertet und mit strenger Bestrafung bis zur Todesstrafe bedroht und dies den Kämpfern entsprechend vermittelt. Um Desertionen zu verhindern, wurden die Kämpfer und politischen Funktionäre der FDLR deshalb auch einer strikten Kontrolle und Überwachung unterzogen. Gleichzeitig wurde versucht, diese von unabhängigen Informationen von außen fernzuhalten und durch gezielte Falschinformationen von einem Verlassen der FDLR und einer freiwilligen Rückkehr nach Ruanda abzuhalten.
2. Struktur und Aufbau der FDLR
Die nach den Regelwerken und im tatsächlichen Leben der Organisation sowohl im politischen als auch im militärischen Teil hierarchisch von oben nach unten gegliederte und mit klaren Führungs-, Entscheidungs- und Kommandostrukturen versehene Organisation stellt sich graphisch wie folgt dar:
a) Der politische Teil
Die FDLR verfügt über eine differenzierte politische Struktur mit einer relativ geringen Zahl von politischen Funktionären. Ein Großteil der politischen Organe und Strukturen befindet sich in der DR Kongo. Der höchste politische Repräsentant in den Kivu-Gebieten ist der 2. Vizepräsident der FDLR General G.I. alias 8R.. Daneben verfügt die Vereinigung über Organisationseinheiten, die sich in anderen Ländern Afrikas, in Europa und in Nordamerika befinden und größtenteils aus nur wenigen Personen bestehen. Vier der wichtigsten Führungspersonen, nämlich der Präsident, der 1. Vizepräsident, der Exekutivsekretär und der Kommissar für auswärtige Angelegenheiten lebten in den Jahren 2008 und 2009 in Europa. Diese internationale Vernetzung gewährleistet den notwendigen Zugang zu internationalen Medien und Institutionen, damit auf politischer Ebene eine entsprechende Propaganda- und Lobbyarbeit betrieben und die Wahrnehmung der FDLR durch die internationale Gemeinschaft in dem von der Organisation angestrebten Sinn beeinflusst werden können. Daneben dient sie aber auch der Verbreitung der Botschaft der FDLR in der Diaspora sowie der Anwerbung von neuen Mitgliedern und der Akquisition von Spenden. Vom Ausland aus wird auch die offizielle Präsentationsplattform und das wichtigste Verlautbarungsorgan der FDLR, die Website „www...org“ betrieben. Zur Ermöglichung der Kommunikation zwischen den Mitgliedern der FDLR verfügt die Organisation über moderne Telekommunikationsmittel, die eine elektronische und digitale Nachrichtenübermittlung ermöglichen.
Von der Organisationsstruktur aus gesehen weist die Vereinigung an der Spitze einen Präsidenten sowie zwei Vizepräsidenten auf. Nach den Regelwerken gibt es auf höchster Ebene drei Entscheidungsgremien, deren Direktiven und Beschlüsse von den ihnen untergeordneten Strukturen des politischen und militärischen Teils der Organisation umzusetzen und auszuführen sind. Beim politischen Teil sind für deren Ausführung das Exekutivkomitee und ihm nachgeordnete und auf verschiedenen Ebenen angesiedelte Widerstandskomitees zuständig.
aa) Präsident und Vizepräsidenten der FDLR
Nach Art. 41 der Satzung der FDLR (siehe auch Art. 24 ROI) ist der Präsident der FDLR der höchste Repräsentant und der gesetzliche Vertreter der Organisation auf nationaler und internationaler Ebene. Gemäß Art. 42 der Satzung der FDLR ist ihm gleichzeitig das Amt des Präsidenten des Comité Directeur der FDLR, des faktisch wichtigsten Entscheidungsgremiums der FDLR (siehe hierzu unter bb)), zugewiesen. In dieser Funktion wird er innerhalb des Aufgabenbereichs des Gremiums nach außen entsprechend dessen Entscheidungen tätig und ist damit beispielsweise in Akte wie die Ernennung des FOCA-Kommandanten und dessen Stellvertreters sowie von Generälen formal miteingebunden. Als Präsident der Organisation obliegt ihm zudem die Aufgabe, die Gesamtheit aller Aktivitäten der Organisation zu koordinieren, die Versammlungen der höchsten politischen Gremien der Organisation (Nationalkongress, Nationales Widerstandskomitee, Comité Directeur, Exekutivkomitee) einzuberufen und die Durchführung von deren Anordnungen zu leiten und zu überwachen (Art. 42 der Satzung). Entsprechend den Entscheidungen des Nationalen Widerstandskomitees ist er nach außen für den Einsatz und Abzug der Streitkräfte und den Abschluss und Abbruch von Allianzen sowie die Ernennung von Vertretern der FDLR zuständig (Art. 24 ROI). Gleichzeitig ist er für seine Aktivitäten und Handlungen insgesamt gegenüber dem Comité Directeur, dem Nationalen Widerstandskomitee und dem Nationalkongress der FDLR zur Rechenschaft verpflichtet (Art. 25 ROI). Nach Art. 24 ROI hat der Präsident der FDLR darüber hinaus nominell die oberste Führung der Streitkräfte inne. Im verfahrensrelevanten Zeitraum hatte der Angeklagte Dr. M. als Präsident der FDLR allerdings nur die faktische Macht, Anordnungen im politischen Bereich innerhalb der Organisation verbindlich durchzusetzen.
Dem Präsidenten zur Seite stehen ein 1. und 2. Vizepräsident, die den Präsidenten bei Abwesenheit in dieser Reihenfolge vertreten (Art. 26 und 27 ROI). Auch werden sie in der genannten Reihenfolge an seiner Stelle tätig, wenn satzungsmäßig beantragte Sondersitzungen der Gremien der FDLR nicht fristgemäß von ihm einberufen werden und leiten diese (Art. 50 der Satzung). Im Übrigen ist der 1. Vizepräsident, dessen Funktion seit dem Jahr 2004 vom Angeklagten M. wahrgenommen wurde, mit der Umsetzung des politischen Programms und der Überwachung der Aktivitäten, die mit Diplomatie, Finanzen und Verwaltung in Zusammenhang stehen, beauftragt (Art 42 der Satzung der FDLR und Art. 26 ROI). Der Zuständigkeitsbereich des 2. Vizepräsidenten betrifft die Umsetzung der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik der FDLR. Seit der Repatriierung von General 2P.R. wurde dieses Amt von Brigadegeneral G.I. alias 8R. alias V.B. bzw. B. wahrgenommen. Der Präsident und die Vizepräsidenten der FDLR können jederzeit Initiativen im Rahmen der beschlossenen Leitlinien zu Gunsten der Organisation ergreifen, haben aber das Comité Directeur davon schnellstmöglich in Kenntnis zu setzen (Art. 41 der Satzung der FDLR).
bb) Nationalkongress, Nationales Widerstandskomitee und Comité Directeur als oberste Entscheidungsgremien der Organisation
Als höchste Entscheidungsgremien der FDLR, die über den ausführenden Organen des politischen und militärischen Teils der Organisation stehen und deren Beschlüsse von Letzteren umzusetzen sind, werden in der Satzung der FDLRder Nationalkongress (Congrès National, abgekürzt CN), das Nationale Widerstandskomitee (Comité de Résistance National, abgekürzt CRN) und das Comité Directeur (abgekürzt CD) genannt. Deren Mitglieder treten nur in bestimmten, näher festgelegten Zeitabständen zusammen. Es handelt sich deshalb um keine ständigen Organe.
Der Nationalkongress, der sich aus den Mitgliedern des Nationalen Widerstandskomitees, den Präsidenten lokaler und kommunaler Widerstandskomitees sowie Armeevertretern zusammensetzt, stellt dabei das höchste Entscheidungsgremium dar (Art. 46 der Satzung der FDLR). Er ist nach der Satzung der FDLR als Gesetzgebungsorgan vorgesehen, entscheidet über die Auflösung der Organisation und über Allianzen mit anderen Organisationen, wählt den Präsidenten und die Vizepräsidenten des Comité Directeur sowie den Exekutivsekretär und dessen Stellvertreter und bestimmt die allgemeine Politik der FDLR (Art. 47). Im Verhinderungsfall werden für ihn stellvertretend das Nationale Widerstandskomitee und sollte auch dieses verhindert sein, das Comité Directeur tätig. Das Comité Directeur ist gemäß Art. 40 der Satzung der FDLR darüber hinaus für die Organisation der Finanzen, die Ausarbeitung der Richtlinien für die allgemeine Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie für die Bewertung der Disziplin in der Organisation zuständig und hat die Aufgabe, den Vorschlägen des Armeeoberkommandos bezüglich der Ernennung des Kommandeurs und Vizekommandeurs der Armee zuzustimmen, Disziplinarmaßnahmen gegen diese gemäß den geltenden Anordnungen zu ergreifen sowie Offiziere im Generalsrang auf Vorschlag des Armeeoberkommandos zu ernennen. Da in der instabilen Kriegsregion im Osten der DR Kongo größere Versammlungen von FDLR-Mitgliedern logistisch kaum möglich waren und der Nationalkongress lediglich im Januar 2006 tagte, war in der Lebenswirklichkeit der FDLR das Comité Directeur das faktisch oberste Entscheidungsgremium der Organisation. Es war damit das Gremium, das die wesentlichen Leitlinien und Entscheidungen für den politischen und militärischen Bereich der Organisation traf. Nach der Satzung der FDLR sind regelmäßige Sitzungen des Comité Directeur alle sechs Monate vorgesehen. Dem wurde allerdings nur dann Folge geleistet, wenn dies die Sicherheitslage in der DR Kongo zuließ.
Das Comité Directeur, das sich wie der Nationalkongress und das Nationale Widerstandskomitee jeweils zur Hälfte aus Personen aus dem politischen Bereich und Angehörigen der Armee zusammensetzt, ist damit gleichzeitig das wichtigste Bindeglied zwischen dem politischen und militärischen Teil der Organisation. Mitglieder aus dem politischen Bereich sind dabei die Personen, die auch zum Exekutivkomitee der Vereinigung gehören, also der Präsident der FDLR, die beiden Vizepräsidenten, der Exekutivsekretär und dessen Stellvertreter sowie die Exekutivkommissare. Bei den Vertretern aus dem militärischen Bereich handelt es sich um Mitglieder des FOCA-Oberkommandos, also in der Regel um den FOCA-Kommandanten und dessen Stellvertreter, den Generalstabschef und seine zwei dienstältesten Büroleiter im Generalstab, den Sekretär des Oberkommandos und die Kommandeure der größeren Einheiten bis zu den Bataillonen. Da mehrere Mitglieder des Comité Directeur aus dem politischen Bereich - wie dies zum Beispiel in den Jahren 2007 bis 2009 beim Präsidenten und 1. Vizepräsidenten der FDLR, dem Exekutivsekretär und dem Kommissar für auswärtige Angelegenheiten der Fall war - in Europa wohnten und sich der Rest der Mitglieder in den Kivu-Gebieten aufhielt, fanden die Sitzungen des Comité Directeur regelmäßig nicht an einem einheitlichen Tagungsort, sondern zeitgleich in Europa (sogenanntes CD-West) und in der DR Kongo (sogenanntes CD-Ost) statt. Dabei wurden die jeweiligen Ergebnisse über Telekommunikationsmittel ausgetauscht. Nach der Satzung der FDLR werden Entscheidungen im Comité Directeur grundsätzlich einverständlich getroffen (Art. 42 der Satzung der FDLR). Ist dies nicht möglich, so entscheidet die Dreiviertelmehrheit der teilnehmenden Mitglieder. In letzterem Fall war es insbesondere für die im Ausland wohnhaften Politiker im Comité Directeur schwierig, ihre Sichtweise gegen die Militärs durchzusetzen. So waren zum einen die Einflussmöglichkeiten auf die Entscheidungsfindung in der DR Kongo aufgrund der örtlichen Distanz begrenzt. Auch waren im verfahrensrelevanten Zeitraum die „reinen Politiker“ in dem Gremium in der Minderzahl, da ein Teil der in der DR Kongo ansässigen Mitglieder aus dem politischen Bereich regelmäßig ehemalige Militärs waren.
Zur Unterstützung bei der Erledigung seiner Aufgaben ist das Comité Directeur mit einem Kabinett, also einem Verwaltungsapparat, ausgestattet, das von einem Kabinettsdirektor geleitet wird (Art. 43 der Satzung). Dieses Amt wurde vor der Verhaftung der Angeklagten von JM.N. alias 2D.M. ausgeübt. Er lebte bis zum Jahr 2009 in der Nähe des FOCA-Kommandos in Kalongi in der Zone Ufamandu im Gebiet Masisi und stellte damit eine wichtige Verbindungsstelle zwischen der Führung des politischen und des militärischen Teils dar. In seiner Funktion als Kabinettsdirektor bereitete er Berichte vor, war in der DR Kongo ein wichtiger Ansprechpartner für den Angeklagten Dr. M. als Präsident des Comité Directeur und führte dessen Anweisungen aus.
cc) Exekutivkomitee und Widerstandskomitees
(1) Exekutivkomitee
Dem Nationalkongress, dem Nationalen Widerstandskomitee und dem Comité Directeur hierarchisch untergeordnet ist das Exekutivkomitee der FDLR (Comité Executif, abgekürzt CE). Es ist für die Vorbereitung der Versammlungen der oben genannten Entscheidungsgremien und die Ausführung von deren Entscheidungen und Resolutionen zuständig. Im Übrigen ist es vor allem für das Tagesgeschäft der Organisation verantwortlich und stellt daher gleichsam die „Regierung“ der FDLR dar. Es besteht aus dem Präsidenten, den beiden Vizepräsidenten, dem Exekutivsekretär und dessen Stellvertreter sowie zehn Exekutivkommissaren. Die Kommissare sind dabei ähnlich wie Minister in einer staatlichen Regierung für einen bestimmten Aufgabenbereich zuständig. So gibt es Kommissare für politische Angelegenheiten, für Verteidigung, für Dokumentation und Sicherheit, für auswärtige Angelegenheiten, für Mobilisierung und Propaganda, für Finanzen und Vermögen, für Informationswesen, für Rechtsangelegenheiten und Menschenrechte, für soziale Angelegenheiten und für Versöhnung sowie für die Lage der Frauen und Familienförderung. Diese entwerfen jeweils für ihren Bereich Strategien und organisieren die Kommissariate. Teil der Aufgabe des Verteidigungskommissars - Amtsinhaber war im relevanten Zeitraum zuletzt 2A.H. alias 2A. alias L.P. alias 5P. - ist dabei eine enge Zusammenarbeit mit dem FOCA-Oberkommando, wobei er insoweit allerdings nur beratend ohne Entscheidungskompetenz tätig werden kann. Eine wichtige Rolle innerhalb des Exekutivkomitees spielt der Exekutivsekretär. Als Leiter des Exekutivsekretariats, zu dem zusätzlich für einzelne Fachdienste zuständige Sekretäre und ein stellvertretender Exekutivsekretär gehören, ist er für die Koordination der Aktivitäten und die Gesamtschau der Arbeiten der Exekutivkommissare zuständig und nimmt die Funktion des Berichterstatters der Organisation ein. Wahrgenommen wurde diese Funktion seit dem Jahr 2005 von dem in Frankreich wohnhaften 2C.M.. In seiner Funktion als Exekutivsekretär veröffentlichte dieser größtenteils die Presseerklärungen der FDLR, die üblicherweise mit den beiden Angeklagten abgestimmt waren.
Wie beim Comité Directeur war die Mehrheit der Mitglieder des Exekutivkomitees in der DR Kongo ansässig. Dessen Sitz befand sich bis zum Jahr 2009 in Kibua im Territorium Masisi im Nord-Kivu. Hier lebten der 2. Vizepräsident Brigadegeneral G.I., der stellvertretende Exekutivsekretär Oberstleutnant 3L.N. alias W.I. bzw. 7R. und mit Ausnahme des Kommissars für auswärtige Angelegenheiten alle Exekutivkommissare und tagten regelmäßig einmal wöchentlich. Die im Ausland lebenden Mitglieder des Exekutivkomitees wie die Angeklagten als Präsident und 1. Vizepräsident der FDLR, der Exekutivsekretär 2C.M. und der Kommissar für auswärtige Angelegenheiten 1N.M. alias 2D. (J.) verkehrten in der Regel per E-Mail oder sonstigen Telekommunikationsmittel untereinander, ohne dass es unter ihnen regelmäßige Treffen wie bei den Mitgliedern in der DR Kongo gab. Neben der Vorbereitung von Treffen des Comité Directeur und deren Nachbereitung waren sie vor allem mit der Außendarstellung der FDLR, der damit verbundenen Pressearbeit und Eingaben an internationale Organisationen und politische Organe befasst.
(2) Widerstandskomitees
Unterhalb des Exekutivkomitees ist die Struktur der FDLR nach der Satzung der Organisation in präfektorale oder regionale, kommunale oder lokale, Bezirks- und als kleinste Organisationseinheit in Zellen-Widerstandskomitees untergliedert, die unter der Aufsicht des jeweils übergeordneten Komitees stehen und die Anordnungen und Entscheidungen der höhergestellten Gremien umsetzen. Dabei ist nach der Satzung der FDLR vorgesehen, dass sich solche Organisationseinheiten in der ganzen Welt bilden. Dies war für die Organisation von besonderer Bedeutung, da der Zustrom an Geldern vom Ausland an die Organisation auch davon abhängig war, wie gut diese in einzelnen Ländern vertreten war und wie effektiv von dort aus die Lobbyarbeit betrieben wurde. Zudem gewährleistete dies einen möglichst breiten Zugang zur Berichterstattung über die Organisation und schaffte damit die Basis, um den internationalen Diskurs und die Außendarstellung der FDLR beeinflussen zu können.
Soweit in der Satzung der FDLR von kommunalen, präfektorialen und Bezirkswiderstandskomitees die Rede ist, waren diese in Anlehnung an die aus dem Jahr 1994 aus Ruanda bekannten Strukturen ausschließlich für eine Machtübernahme und ein künftiges neues Staatsgebilde in Ruanda vorgesehen und existierten im maßgeblichen Zeitraum nicht. Zellen, lokale und regionale Widerstandskomitees gab es in der DR Kongo, aber auch in Europa und anderen Ländern Afrikas sowie in Nordamerika, wobei die lokalen bzw. regionalen Widerstandskomitees in der Regel für einen bestimmten ausländischen Staat bzw. eine größere Region wie beispielsweise Europa zuständig waren. Aufgrund der großen Anzahl der in der DR Kongo aufhältigen FDLR-Mitglieder galt dort die Besonderheit, dass der Begriff der Region enger gefasst wurde, so dass es allein in den Kivu-Gebieten vier verschiedene Regionalwiderstandskomitees gab. Diese deckten die Regionen Rutshuru (Präsident: 3H. alias S.M.), Masisi (Präsident: JB.N. alias R.I.), Walikale-Süd (Leiter: 4S.) und Kalehe (Präsident: T.N.) ab und waren im Wesentlichen für die Mobilisierung und Betreuung der Zivilbevölkerung verantwortlich. Zur Zuständigkeit des Exekutivkomitees und den ihm nachgeordneten Strukturen des politischen Teils gehörte auch die Verwaltung der „Résistance Civile“, des sogenannten zivilen Widerstands, der für den Erstschutz der ruandischen Flüchtlinge in den Zonen einzustehen hatte, für die die FDLR/FOCA verantwortlich war. Bei den Mitgliedern der Résistance civile handelt es sich um Zivilisten, die von der FDLR trainiert wurden, um Waffen bedienen und bei Angriffen von Feinden so weit wie möglich selbst für die eigene Sicherheit sorgen zu können. Auch wurden sie von der FDLR/FOCA bei Bedarf als ortskundige Führer eingesetzt.
b) Die FOCA als militärischer Arm der FDLR
Die FOCA ist wie eine reguläre Armee aufgebaut und verfügt über eine Kommandostruktur mit einem Oberkommando, dem FOCA-Kommando sowie Verbänden und Einheiten, speziellen Ausbildungsstätten, einer militärischen Gerichtsbarkeit sowie einem Netzwerk zur Rekrutierung von Kämpfern. Als Teil der Gesamtorganisation ist sie deren Entscheidungen und Leitlinien unterworfen und hat diese umzusetzen. Es besteht eine vertikale Befehlsstruktur von oben nach unten, die mit entsprechenden Informations- und Berichtspflichten von unten nach oben korrespondiert. Die Milizionäre unterliegen einer genau geregelten Disziplinargewalt mit hierarchisch strukturierten Disziplinarinstanzen. Die Rangordnung unter den Militärangehörigen ist durch Dienstgrade geregelt. Die Milizionäre sind je nach Dienstgrad bestimmten Laufbahngruppen zugeordnet und können die Einstufung in eine höhere Laufbahngruppe nur über entsprechende Ausbildungen erreichen. Die FOCA ist verwaltungsmäßig durchorganisiert. Es gelten strenge Dokumentations- und Registrierungspflichten. Der Bestand an Milizionären, an Waffen und militärischer Ausrüstung sowie an Finanzmitteln wird verwaltungsmäßig erfasst und ständig aktualisiert. So sind alle Angehörigen der FOCA mit Matrikelnummern versehen und in Listen registriert; jeder Neuzugang oder Abgang wird vermerkt. Über die Milizionäre werden Personalakten geführt und Berichte erstellt. Auch wird über den Bestand an Waffen und Munition, deren jeweiligen Besitzern sowie über den Umfang der vorhandenen Finanzmittel Buch geführt. Die Milizionäre sind in vielen Bereichen strengen Erlaubnis- und Bewilligungspflichten unterworfen. Um beispielweise selbständig von einem Ort zum anderen reisen, Urlaub nehmen oder heiraten zu können, bedarf es entsprechender Passierscheine, Urlaubserlaubnisse sowie Heiratsbewilligungen.
aa) Die Struktur der FOCA im Einzelnen
(1) Das FOCA-Oberkommando
Das höchste Organ auf militärischer Ebene ist das FOCA-Oberkommando, ein Gremium, das, soweit dies die Verhältnisse zulassen, alle 18 Monate zusammentritt. Es besteht ausschließlich aus Militärs. Zu dessen Mitgliedern gehören der FOCA-Kommandant, der Vizekommandant der FOCA, der Generalsekretär des FOCA- Oberkommandos, zwei Büroleiter des Generalstabs des FOCA-Kommandos, die Kommandanten größerer Einheiten (bis zu den Bataillonskommandanten) und der Ausbildungsstätten sowie der Generalstaatsanwalt oder sein Stellvertreter. Politiker können zu den Versammlungen eingeladen werden und haben wie der Verteidigungskommissar auch ein Recht hierauf, besitzen aber in der Versammlung kein Stimmrecht.
Das FOCA-Oberkommando trifft in Ausführung der durch das Comité Directeur vorgegebenen Leitlinien alle wichtigen Entscheidungen im militärischen Bereich, bestimmt die Organisation, Führung und Steuerung der FOCA und stellt das Strategie-, Lenkungs-, Kontroll- und Gesetzgebungsorgan der Miliz dar (siehe Art. 5 der Verordnung über die Arbeitsweise des FOCA-Oberkommandos). Es entscheidet unter anderem über die Rekrutierungs- und Ausbildungspolitik, kann große Einheiten einsetzen und auflösen, wählt den FOCA-Kommandanten und dessen Stellvertreter und schlägt diese sowie Generäle dem Präsidenten der FDLR zur Ernennung vor, unterbreitet Wege und Mittel zur Lösung der großen politisch-militärischen Probleme, lässt die Strafverfolgung gegen im Einzelnen näher bestimmte Führungspersonen der FOCA zu und spricht alle drei Jahre die Erneuerung des Vertrauens gegenüber dem FOCA-Kommandanten und Vizekommandanten aus (Art. 10 der Verordnung über die Arbeitsweise des FOCA-Oberkommandos). Die Entscheidungen und das Protokoll der Versammlung des Oberkommandos werden dem Generalstab des FOCA-Kommandos und den dem Kommando unterstellten Einheiten zugeleitet. Das FOCA-Oberkommando ist mit einem ständigen Generalsekretariat ausgestattet, das die Sitzungen des Oberkommandos vorbereitet und notwendige Arbeiten ausführt.
(2) Das FOCA-Kommando
An der Spitze der bewaffneten Milizionäre der FDLR stehen der FOCA-Kommandant und dessen Stellvertreter, die sich jeweils alle drei Jahre der Wiederwahl bzw. der Erneuerung des Vertrauens durch das Oberkommando stellen müssen. Der Kommandant der FOCA ist der Führer der Militärs im operativen Bereich und ist für die Umsetzung der strategischen Entscheidungen und Leitlinien des Oberkommandos zuständig. Auch gehört zu seinem Aufgabenbereich die Ernennung der Kommandeure der Divisionen, Brigaden und Bataillone etc.. Der FOCA-Kommandant und sein Stellvertreter sind gleichzeitig Präsident und Vizepräsident des Oberkommandos. Seit der Repatriierung von General 2P.R. Ende des Jahres 2003 nahm Generalmajor S.M. die Stelle des FOCA-Kommandanten ein. Der Vizekommandant der FOCA war ab dem Jahr 2007 bis zur Verhaftung der Angeklagten Brigadegeneral S.N. alias 2I.D. alias 9B..
Dem FOCA-Kommando zur Seite steht ein Generalstab mit fünf Büros, die für Verwaltung und Personalführung (G 1), Nachrichtengewinnung, Aufklärung und Beurteilung der Feindlage und militärische Sicherheit (G 2), für militärische Operationen und Ausbildung (G 3), für Logistik, also Ausrüstung und Versorgung der Soldaten (G 4) sowie für Propaganda vor Ort, Kontakte zur Zivilbevölkerung und politische Ausbildung (G 5) zuständig sind. Die Büros G 2, G 3 und G 5 bilden dabei die „operationelle Zelle“. Sie sind für die Planung und Analyse zuständig, bereiten für die Einheiten der FOCA Operationen vor und arbeiten Vorschläge für das FOCA-Kommando aus. Die Büros G 1 und G 4 bilden die für Administration und Logistik zuständige Zelle. Zur Ausführung ihrer Aufgaben sind den Büros jeweils mehrere Generalstabsoffiziere zugewiesen. Anfang des Jahres 2009 war Chef des Generalstabs beim FOCA-Kommando Brigadegeneral 1L.M. alias 2L.M.. Die Büros G 1 bis G 5 wurden von Oberst D.H. alias BR. alias 5A. (G 1), Oberstleutnant V.H. alias 9K (G 2), Oberst C.U. alias AV.M. alias 1A.K. alias TD. (G 3), Oberstleutnant S.R. alias 1S.M. (G 4) und Oberstleutnant 1S.B. alias S.KM. geleitet.
Das FOCA-Kommando verfügt darüber hinaus über ein eigenes Sekretariat, Informatikdienste und ein sogenanntes Übertragungsbüro (Centre de transmission, abgekürzt CTR). Letzteres wird von einem Offizier, dem OTR (Officier de transmission), geleitet und umfasst mehrere Funker. Das CTR des FOCA-Kommandos ist der Ort, an dem alle Funknachrichten an das Kommando eingehen und das für die ausgehenden Funknachrichten zuständig ist. Aufgabe des CTR ist es, die eingegangenen kodierten Funksprüche vor ihrer Weitergabe zu entschlüsseln und ausgehende Nachrichten entsprechend zu kodieren. Hierzu gab es beim CTR sogenannte mit der Bezeichnung „in“ und „out“ versehene Funkhefte, in die jeweils die eingegangenen und abgesandten Nachrichten aufgeschrieben werden und die nur von einem begrenzten Personenkreis eingesehen werden konnten. Zur Verschlüsselung benutzte das FOCA-Kommando im maßgeblichen Zeitraum vier verschiedene Codes (SOI), abhängig davon, ob die Nachrichten unter Umgehung der Divisionen direkt an die Bataillone geschickt werden sollten, ob sie für die Division und die Bataillone im Nord-Kivu oder im Süd-Kivu oder für beide gleichzeitig bestimmt waren.
Das Hauptquartier des FOCA-Kommandos befand sich bis zu den kriegerischen Auseinandersetzungen im Jahr 2009 in Kalongi in Masisi, wo auch der FOCA-Kommandant General S.M. stationiert war. Hier fanden bis dahin auch regelmäßig die Zusammenkünfte des Oberkommandos statt.
(3) Die Truppen der FOCA
Dem FOCA-Kommando direkt unterstellt sind das Bataillon FOCA-Hauptquartier (Bataillon Quartier General, abgekürzt Bataillon FOCA QG), die Divisionen SONOKI (Secteur opérationel Nord Kivu) und SOSUKI (Secteur opérationel Sud Kivu), die Reservebrigade, die FOCA Militärpolizei (Bataillon Police Militaire, abgekürzt Bataillon PM), und die Ausbildungsstätten (Ansammlung der Schulen). Dabei bildeten die beiden Divisionen SONOKI und SOSUKI sowie die - auf derselben organisatorischen Ebene angesiedelte - Reservebrigade die Kampftruppen der FOCA und waren jeweils für bestimmte Zonen zuständig. Hierbei konzentrierten sich die Truppen von SONOKI bis zum Jahr 2009 in den Gebieten Rutshuru, Masisi, Lubero und Walikale im Nord-Kivu, die von SOSUKI in Fizi, Mwenga, Shabunda, Walungu und Kabare im Süd-Kivu. Die Reservebrigade war in der Mitte beider Sektoren stationiert und hatte die meisten ihrer Einheiten im Nord-Kivu und wenige Einheiten im Süd-Kivu sowie das Kommando der Brigade in der Nähe von Kibua in Masisi. Im Gegensatz zu den oben genannten Truppen wurden das Bataillon FOCA QG, das Bataillon PM und die Ausbildungsstätten nur zu Unterstützungszwecken bei Kämpfen herangezogen, waren ansonsten aber für besondere Aufgaben und nicht für bestimmte Gebiete verantwortlich.
Wie bei konventionellen Armeen sind die Divisionen und die Reservebrigade in Bataillone gegliedert. Die Bataillone wiederum bestehen aus Kompanien, die weiter in Züge und Gruppen untergliedert sind. Zur Führung der Truppen verfügen die Verbände sowohl auf der Ebene der Division, der Brigade als auch der Bataillone über einen Stab, der wie beim Generalstab des FOCA-Kommandos für die fünf Bereiche Verwaltung, Nachrichtendienst, Operationen und Ausbildung, Logistik sowie Propaganda und Beziehungen zur Zivilbevölkerung zuständig war. Die Offiziere, die dem Divisionsstab zugeordnet waren, trugen dabei jeweils die Bezeichnung G 1 bis G 5, während sie beim Stab der Reservebrigade und der Bataillone als S 1 bis S 5 bezeichnet wurden. Die Sollstärke der einzelnen Truppenteile lag im Jahr 2009 deutlich unter der regulärer Verbände und Einheiten, wobei die Zahlen innerhalb der einzelnen Einheiten der FOCA unterschiedlich waren. In der Regel umfassten die Bataillone Anfang des Jahres 2009 mindestens 300 Kämpfer, die Kompanien mindestens 100, die Züge mindestens 30 und die Gruppen mindestens 5 Kämpfer.
Im Einzelnen waren die Truppenteile im relevanten Zeitraum für folgende Aufgaben zuständig:
(a) Das Bataillon FOCA QG
Das aus drei Kompanien bestehende Bataillon FOCA QG, das im Jahr 2009 unter der Führung von S.U. alias G.K. alias 14N. als Bataillonskommandant stand, ist für die Dienstleistungen und den Nahschutz des FOCA-Kommandos an dessen Standort verantwortlich und umfasst die Führungskräfte beim Kommando sowie Träger und Leibwächter. Neben der Kompanie Mirador, einer Spezialeinheit zum Schutz des FOCA-Kommandos (Kommandant: Major 1A.H.) gehört dazu auch eine Einheit, die sich am Sitz des Exekutivkomitees befindet und zu der die Leibwächter und Träger für die Politiker gehören.
(b) Das Bataillon PM
Das Bataillon PM hat die Aufgabe, das FOCA-Kommando aus der Distanz (protection eloignée) zu schützen und stellt zusätzlich eine Einheit zum Schutz des Exekutivkomitees. Es ist für die Kontrolle der Disziplin in der FOCA und damit auch für die Verhinderung von Desertionen sowie die Festnahme von undisziplinierten oder straffällig gewordenen Milizionären zuständig. Darüber hinaus leistet es auf Anforderung Unterstützung in Kämpfen. Es bestand Anfang des Jahres 2009 aus etwa 300 bis 400 Militärs, die in drei Kompanien und eine sogenannte CRAP-Einheit (Commando de recherche et d´action en profendeur, wörtlich übersetzt „Kommando zur Nachforschung und vertiefter Handlung“, abgekürzt CRAP) unter dem Befehl des Offiziers 5G. sowie auf der Kommandoebene mit einer Einheit EMS (Service d´état major, wörtlich übersetzt: Dienst des Führungsstabs) untergliedert waren. Bei der CRAP-Einheit handelt es sich um einen Zug mit ca. 30 bis 40 Kämpfern, über den regelmäßig jedes Bataillon der FOCA verfügt. Aufgabe der mobilen Einheit, die direkt dem Kommando des Bataillons untersteht, ist es, Aufklärung beim Feind zu betreiben und Operationen hinter der feindlichen Linie auszuführen. Zu diesem Zweck werden die Soldaten, die zu einem solchen Zug gehören, einer besonderen Ausbildung unterzogen und sind gegenüber anderen Einheiten regelmäßig mit mehr und besseren Waffen ausgestattet. Die Einheit EMS umfasst verschiedene Dienste wie das medizinische Personal, Funker etc. und ist unter anderem für die Aufbewahrung der schweren Waffen zuständig. Im Jahr 2009 wurde das Bataillon PM zunächst von Oberstleutnant 1D.M. alias 11K. und ab der 2. Jahreshälfte von Oberstleutnant J.B. alias 14B. befehligt.
(c) Die Ausbildungsstätten
Als Ausbildungsstätten unterhielt die FDLR Ausbildungslager, die für die Schulung neuer Rekruten zuständig waren, sowie zwei Schulen, nämlich die Militärhochschule für die Offiziere ESM (école militaire supérieure) und die Unteroffiziersschule ESO (école de sous-officiers), die jeweils mit einem Kommandanten und Vizekommandanten sowie Führungsstäben ausgestattet waren. Zusätzlich war den Schulen eine Schutzkompanie zugeordnet. Die beiden Schulen für Offiziere und Unteroffiziere befanden sich bis Anfang des Jahres 2009 in Bugoyi und Mibaraka im Territorium Walikale im Nord-Kivu und standen unter dem Kommando von Oberst B.B. alias B.. Dem Vorbild der früheren ruandischen Armee folgend waren diese Einrichtungen für die Ausbildung von Offiziers- und Unteroffiziersanwärtern und für die weitere Qualifizierung des Führungspersonals zuständig und arbeiteten nach genau festgelegten Lehrplänen und Ausbildungszeiten. Unter anderem wurden dort Nachrichtenübermittlung, die Methoden des nicht konventionellen Kriegs also Guerillataktik, Waffenkunde, Führungs- und Kommandopsychologie, aber auch Fächer wie das internationale humanitäre Völkerrecht gelehrt.
(d) Die Kampftruppen der FOCA
Der Operationssektor Nord-Kivu (SONOKI) wurde im Jahr 2009 von Oberst P.N. (alias 1I. alias O.) und Oberstleutnant E.G. als Kommandant und Vizekommandant geführt und hatte sein Hauptquartier in Matembe in Lubero im Nord-Kivu. Er untergliederte sich in das Bataillon Hauptquartier, dem wiederum eine Schutzkompanie unterstellt ist, sowie in die vier Bataillone Someca (Kommandeur: Oberstleutnant E.M. alias M.S.; Hauptquartier in Busharingwa), Montana (Kommandeur: Oberstleutnant E.K. alias 1S.S.; Hauptquartier Kashebere), Sabena (Kommandeur: Oberstleutnant 2M.H. alias 16N alias F.T.) und Bahama (Kommandeur: Oberstleutnant B.R. alias 3G. alias 3S.). Zu den Bataillonen gehörten jeweils drei Kompanien und die Kompanie EMS sowie die Kommandoeinheit CRAP.
Entsprechend aufgebaut war der Operationssektor Süd-Kivu (SOSUKI), der im Jahr 2009 von Oberst 3L.M. (alias 1M.A.) als Kommandant und Oberstleutnant 3H. alias 5H. bzw. 7B. als Vizekommandant geführt wurde und sein Hauptquartier in Gashindaba hatte. Auch er umfasste neben dem Bataillon Hauptquartier vier Bataillone mit jeweils drei Kompanien und einer Kompanie EMS sowie dem CRAP-Zug. Die Namen der vier Bataillone waren im Jahr 2009 Basque (Kommandeur: Oberstleutnant F.N. alias F.I.), Piston (Kommandeur: Oberstleutnant 2A.B. alias 2A.B.), Rotor (Kommandeur: Oberstleutnant 3J.N. alias I.) und Capot (Kommandeur: Oberstleutnant 3A.M. alias J.R.).
Bei der Reservebrigade handelt es sich um einen besonders schlagkräftigen und mobilen Truppenteil, der im Jahr 2009 unter dem Kommando von Oberst 2L.N. alias AK. alias 1C. oder 3C. stand und sich hauptsächlich aus Kämpfern und Kommandanten aus den ehemaligen Einheiten von ALIR II im Westen der DR Kongo zusammensetzte. Das Kommando der Brigade war bis Anfang des Jahres 2009 in Ngingu in der Nähe von Kibua in Masisi. Aufgabe der Reservebrigade ist es zum einen, neben den Bataillonen FOCA QG und PM für den großflächigen Schutz des FOCA-Kommandos zu sorgen. Darüber hinaus ist sie dafür zuständig, überall dort zu intervenieren, wo ein Sektor Probleme hat oder Unterstützung vor Ort in Kämpfen erforderlich ist. Ihre hierarchische Struktur einschließlich der Funktionen der Stabsoffiziere entspricht der der beiden Divisionen. Allerdings umfasst sie im Gegensatz zu den Divisionen neben dem Bataillon Hauptquartier, das das Kommando der Brigade schützt, nur drei weitere Bataillone. Dies waren im Jahr 2009 das Bataillon Zodiaque (Kommandeur: Oberstleutnant NW. bzw. 17N. alias 4C. alias 5C. 10B. alias 6S.), das Bataillon Mirage mit Einheiten im Süd-Kivu (Kommandeur: 2D.N. alias G.R. alias RR.) und das Bataillon Concorde (Kommandeur: Oberstleutnant 2J.N. alias J.R. alias B.C.). Darüber hinaus verfügt die Reservebrigade über eine sogenannte Spezialkompanie, die direkt dem Brigadekommando untersteht und im Jahr 2009 von Hauptmann F.M. alias V. als Kommandant und Oberleutnant 13M. alias 4S. als Vizekommandant geführt wurde. Zugführer waren unter anderem Oberleutnant 1P. und Hauptfeldwebel 6R.. Die Spezialkompanie umfasste ungefähr 150 Kämpfer und war zum einen für den Schutz des Kommandos der Reservebrigade verantwortlich. Darüber hinaus nahm sie die Aufgaben wahr, die bei den Bataillonen von CRAP-Zügen übernommen wurden. Vor allem aber galt sie aufgrund der besonderen Ausbildung ihrer Kämpfer und ihrer besseren Ausrüstung als Spezialwaffe in besonders schwierigen und riskanten Operationen, was ihr auch die Bezeichnung als „Selbstmordkompanie“ einbrachte. Sie wurde zu jeder Zeit und an jedem Ort eingesetzt, wenn es dringend der Unterstützung bedurfte.
(4) Militärgerichtsbarkeit
Die FDLR verfügt über ein eigenes Rechtssystem und eine eigene Gerichtsbarkeit, für die je nachdem ob davon zivile Mitglieder oder Kämpfer der FDLR betroffen sind, unterschiedliche Instanzen auf verschiedenen Ebenen des politischen und militärischen Bereichs zuständig sind. Die Militärgerichtsbarkeit ist hierarchisch aufgebaut mit einem „Kriegsgericht der Garnison“ auf der Ebene der Division, das für sämtliche Verstöße von subalternen Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaftsangehörigen zuständig ist, und dem „Allgemeinen Kriegsgericht“, das auf der Ebene des FOCA-Kommandos angesiedelt ist und in dessen Zuständigkeitsbereich Berufungen gegen Urteile des Garnisonskriegsgerichts und Straftaten der höheren Offiziere, des Kommandanten und des Vizekommandanten der FOCA, der Divisionen und Brigaden sowie der Ausbildungsstätten, der Dienstleiter des Generalsekretariats des FOCA-Oberkommandos und der Büroleiter des FOCA-Generalstabs fallen. Bei diesen eingerichtet sind jeweils das „militärische Auditorat“ (Staatsanwaltschaft) und das „allgemeine militärische Auditoriat“, deren Aufgaben die Ermittlung und Verfolgung der Straftaten der jeweils oben genannten Personenkreise sind. Richter und Staatsanwälte bei den einzelnen Gerichten werden vom FOCA-Kommandanten ernannt. Daneben gibt es die optionale zusätzliche Gerichtsbarkeit der „Gacaca-Gerichte“ für „schwere und empörende“ Straftaten, die rasch verhandelt werden müssen, um die Ordnung wiederherzustellen. Die Gacaca-Gerichte werden nur im Bedarfsfall einberufen und unterscheiden sich in der Besetzung je nachdem, ob sich das Verfahren gegen Truppenangehörige, Unteroffiziere, Offiziere oder Büroleiter eines Generalstabs etc. handelt. Bei beiden Gerichtsbarkeiten gibt es jeweils eine Berichtspflicht über die Verfahren an die vorgesetzten Stellen.
bb) Stärke und Erscheinungsbild der FOCA im Jahr 2009
Im Gegensatz zum nur wenige Mitglieder umfassenden politischen Flügel der FDLR bestand die FOCA als militärischer Arm der FDLR aus mehreren tausend Milizionären unter Waffen. Zur Zahl der Kombattanten gibt es keine sicheren Zahlen. Schätzungen, die auf dem Abgleich von Angaben der MONUC, kongolesischer und ausländischer Quellen basieren, gehen von 30.000 bis 40.000 Kombattanten im Jahr 2000 aus. Nach einer von der FOCA erstellten Liste umfasste die FOCA Anfang des Jahres 2009 ungefähr 8.900 Soldaten, darunter etwa 670 Offiziere. Die MONUC geht von mindesten 6.500 Milizionären zu diesem Zeitpunkt aus. Im Gegensatz zu einer regulären Armee tragen die FOCA-Milizionäre keine einheitliche Uniform. T-Shirts oder normale Hosen sind oftmals mit grünen Uniformhosen bzw. Uniformjacken der kongolesischen Armee kombiniert, die die Milizionäre von kongolesischen Soldaten erworben bzw. erbeutet haben oder noch aus der Zeit besitzen, in der sie für die kongolesische Armee kämpften. Die Kämpfer, die in den schwer zugänglichen Urwaldgebieten ausschließlich zu Fuß unterwegs sind, tragen in der Regel Gummistiefel. Auffallend gegenüber anderen bewaffneten Gruppierungen in der DR Kongo ist der relativ hohe Bildungsgrad der Offiziere der FDLR. Innerhalb der Organisation und nach außen werden die Angehörigen der FOCA mit Arbeits- oder Kampfnamen geführt. Oftmals werden für eine Person mehrere Alias-Namen gleichzeitig verwendet. Die Namen von Einheiten und Verbänden wurden immer wieder geändert.
cc) Bewaffnung der FOCA
Ein großer Teil der militärischen Ausrüstung der FOCA stammt aus Zeiten, in denen die ruandischen Milizionäre innerhalb der kongolesischen Armee oder als deren Bündnispartner kämpften und von dieser logistisch und militärisch unterstützt wurden und ist deshalb relativ alt. Waffenlieferungen aus Beständen der kongolesischen Armee erhielt die FOCA zwar auch noch nach der offiziellen Aufkündigung der Unterstützung der FDLR durch die kongolesische Regierung im Jahr 2002, sei es im Rahmen temporärer Bündnisse mit der kongolesischen Armee oder inoffiziell über lokale Kontakte der FOCA zu FARDC-Kommandanten. Durch das vom UN-Sicherheitsrat ausgesprochene Waffenembargo an bewaffnete Gruppierungen in der DR Kongo war ihr Zugang zu Waffen und Munition aber insgesamt stark eingeschränkt.
Die Truppen der FOCA verfügen über einer Basisinfanterieausrüstung, die von der Art und Weise, wenn auch nicht von der Anzahl der Waffen, der Ausrüstung der regulären kongolesischen Armee gleicht. Dazu gehören vor allem Maschinen- und Sturmgewehre, Mörser, Raketenwerfer, Kanonen und Handgranaten. Ein Großteil der Milizionäre ist mit dem Sturmgewehr AK-47 Kalaschnikow ausgestattet, wobei nicht jeder FOCA-Angehörige über eine Schusswaffe verfügt. Pistolen findet man höchstens bei höheren Kommandeuren. Angesichts der Ortsgegebenheiten und der häufig notwendigen Ortswechsel besitzt ein FOCA-Angehöriger gewöhnlich eine Machete oder ein Messer. Unterschiede zwischen den einzelnen Truppenteilen bestehen insoweit, als die Spezialeinheiten gegenüber den übrigen Truppenteilen in der Regel mengenmäßig sowie vom Modernisierungsgrad der Waffen her gesehen besser aufgestellt sind.
dd) Kommunikationsmittel der FOCA
Die FOCA besitzt verschiedene Kommunikationsmittel, die zur Informationsbeschaffung, zur Steuerung und Kontrolle der über weite Teile des Nord- und Süd-Kivus zerstreuten Truppen sowie zum Nachrichtenaustausch zwischen den einzelnen Truppenteilen und für die Verbindung mit der politischen Führung in Europa eingesetzt werden. So ist das FOCA-Kommando im Besitz eines Laptops und hat damit Zugang zum Internet sowie zur elektronischen Nachrichtenübermittlung. Der FOCA-Kommandant und sein Stellvertreter sowie die Kommandanten der größeren Einheiten verfügen darüber hinaus über Thuraya-Satellitentelefone, mit denen sie untereinander und mit ihren Vorgesetzten sowie mit dem Ausland Verbindung aufnehmen können. Daneben besitzen zahlreiche Militärs Mobiltelefone, die wegen der in den Kivu-Gebieten weitgehend fehlenden Netzstruktur aber nur sehr begrenzt Kommunikationsmöglichkeiten eröffnen.
Die militärische Kommunikation erfolgt innerhalb der FOCA, sofern nicht „Läufer“ eingesetzt werden, im Wesentlichen über Funk. Der Funkverkehr wird zur Übermittlung von Befehlen und Anordnungen an die untergeordneten Einheiten, aber auch zur Übersendung von Lageberichten, sogenannter sitreps (situation reports), an die übergeordneten Stellen benutzt. Dabei werden die Funksprüche, die sogenannten Telegramme, nach vorgegebenen Formvorschriften erstellt und sind in der Regel kodiert. Hierbei werden je nach Empfänger der Nachricht verschiedene Codes (SOI) verwendet, die laufend geändert werden, um eine möglichst große Geheimhaltung nach innen und außen zu gewährleisten. Zur Ermöglichung des Nachrichtenaustausches per Funk sind die Einheiten der FOCA mit verschiedenen Typen von stationären und mobilen Funkgeräten unter anderem der Marken Yaesu, ICOM, Kenwood, Codan und Motorola ausgerüstet, die je nach Art und Größe des Geräts unterschiedliche Reichweiten aufweisen. In der Regel verfügen die Verbände über größere Funkgeräte mit entsprechend großen Reichweiten, während die ihnen untergeordneten Einheiten, sofern sie überhaupt im Besitz eines solchen Geräts sind, lediglich kleinere mobile Geräte der Marke Motorola mit einer Reichweite von ca. 5 km besitzen. Zur Ermöglichung der Kommunikation gibt es zudem sogenannte „Antennen“, also Stützpunkte mit technischen Einheiten, die über leistungsstarke Funkanlagen verfügen, und damit als Kommunikationsbrücken für größere Entfernungen dienen. Die für den Betrieb der Funkgeräte notwendigen Batterien werden teilweise mit Stromgeneratoren, weitgehend aber mithilfe von Solarpanels aufgeladen. Durch die Abhängigkeit von der Sonnenenergie und die hierdurch begrenzte Einsatzfähigkeit der Funkgeräte ist eine durchgehende Erreichbarkeit der einzelnen Truppenteile nicht gewährleistet. Dies ist insbesondere in der Regenzeit und während bewaffneter Auseinandersetzungen infolge damit verbundener Ortswechsel ein Problem. In Kriegszeiten konnten zudem die Stromgeneratoren infolge Treibstoffmangels nur eingeschränkt eingesetzt werden.
III. Zielsetzung und Ideologie der FDLR
In ihrem Manifest-Programm und ihren öffentlichen Verlautbarungen stellt sich die FDLR als eine politisch-militärische Befreiungsbewegung dar, deren langfristiges Ziel es ist, Frieden in Ruanda und der Region wiederherzustellen, Demokratie und einen Rechtsstaat zu etablieren, für Versöhnung, Wiederaufbau, soziale und wirtschaftliche Entwicklung in Ruanda sowie für Versöhnung und nationale Einheit einzutreten und die Wahrheit über das Drama, das das Land erlebt hat, ans Licht sowie die Verantwortlichen hierfür vor Gericht zu bringen. Sie bezeichnet sich selbst als Antwort auf das in Ruanda herrschende Regime der RPF, das sie als blutig, diktatorisch, faschistisch und imperialistisch einstuft und dessen Sturz sie deshalb als primäres Ziel der Bewegung nennt. Hiermit verbunden ist die Forderung nach einer Neuordnung der politischen Verhältnisse unter ihrer Beteiligung und einer Rückkehr der Flüchtlinge in ihr Heimatland in Würde. Gleichzeitig betont sie für die Zwischenzeit ihre Rolle als Garant und einzige Schutzmacht für die ruandischen Flüchtlinge in der DR Kongo, die ohne Verteidigung seien und welche die internationale Gemeinschaft auch nach dem Massaker an Hunderttausenden ruandischer Flüchtlinge in den Jahren 1996/1997 ihrem eigenen Schicksal überlassen habe.
Die FDLR begründet ihr Dasein als Rebellenbewegung und das von ihr verfolgte Ziel eines Machtwechsels in Ruanda mit dem Vorgehen der RPF in Ruanda seit 1990 und den auf Terror und Unterdrückung gestützten Methoden, mit dem das seit 1994 an der Macht befindliche Regime in Ruanda herrsche. So wird argumentiert, die RPF habe mit dem von ihr begonnenen Bürgerkrieg die Ereignisse, die 1994 zum Genozid führten, erst ausgelöst. Hervorgehoben wird vor allem das Leid und Unrecht, das den ruandischen Hutu durch die RPF bzw. durch die nach der Machtübernahme daraus entstandenen ruandischen Verteidigungsstreitkräfte (abgekürzt RDF) widerfahren sei. Aufgeführt werden die Verantwortlichkeit der RPF für die Tötung zahlreicher Ruander im eigenen Land nach der Machtergreifung 1994, vor allem aber die Massaker an ruandischen Flüchtlingen durch die ruandischen Streitkräfte und die AFDL bei und nach der Zerstörung der Flüchtlingslager in den Kivu-Gebieten in den Jahren 1996 und 1997. Hierbei werden nicht näher belegte Zahlen von über 200.000 bzw. Hunderttausenden getöteter ruandischer Flüchtlinge genannt und der Vorwurf eines ethnisch motivierten Vorgehens erhoben. Das RPF-Regime wird als eine Regierung beschrieben, die durch die Gründung einer sich hauptsächlich aus Tutsi aus Uganda zusammengesetzten neuen Kaste gekennzeichnet sei, die sich als neue Herren eingesetzt und sich das Recht genommen hätten, über das Leben und den Tod ruandischer Bürger, die man „Leibeigene“ nennen könne, zu bestimmen. Deren Methoden erinnerten „an die der Gestapo des deutschen Nationalismus von Hitler oder die der Stasi der früheren DDR“. Auch habe sich das Regime massiver und selektiver Massaker sowie einer Politik der Ausgrenzung schuldig gemacht. Verwiesen wird auf die Unterdrückung und Terrorisierung Tausender aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit, den Tod vieler Gefangener in den Kerkern Ruandas ohne Verteidigung und Anklageschrift, die Beraubung von Zwangsrepatriierten ihrer Rechte und ihrer Habe sowie die Ausbeutung und Geiselnahme der Einwohner Ruandas durch die neuen Machthaber. Gesprochen wird sogar davon, dass das ruandische Volk durch das Regime der RPF von der Vernichtung bedroht sei.
Innerhalb der Organisation wird der Befreiungskampf zusätzlich religiös motiviert. So besteht ein wesentliches Element der Vereinigung im gemeinsamen christlichen Glauben, der die Kämpfer untereinander verbindet und sich in der Feier christlicher Feiertage sowie in der Bildung eigener Gebetsgruppen und Gebetspläne für die Kämpfer zeigt. Die Kämpfer bezeichneten sich deshalb anfangs auch als „Soldaten von Jesus“. Die Befreiung Ruandas wird als gottgegebener Auftrag gesehen bzw. als ein Kampf verstanden, der von Gott begleitet und geschützt wird. Führungspersonen der FDLR berichten von göttlichen Prophezeihungen, die die Fortsetzung des Kampfes und die Verheißung eines letztendlichen Erfolges verkündeten. Den Kämpfern wird unter Hinweis auf den göttlichen Willen der Glaube an den Sieg und ein gutes Leben nach der Rückkehr nach Ruanda vermittelt. Dies wird begleitet mit einer Informationspolitik innerhalb der Organisation, die den Kämpfern suggeriert, dass den ruandischen Flüchtlingen eine Rückkehr in Würde und ohne Gefahr in das von einer Tutsi-Regierung beherrschte Land nur im Rahmen eines gemeinsamen Kampfes möglich sei, im Falle einer Repatriierung als Einzelperson dagegen Gefängnis, Tod oder zumindest ein schlechtes Leben drohe.
Zur Erreichung der von ihr angestrebten Ziele verfolgte die Organisation seit ihrer Gründung unterschiedliche Ansätze. Bestand für die FDLR bei der Gründung zunächst noch eine realistische Option auf eine Rückeroberung der Macht in Ruanda durch unmittelbare militärische Gewalt, so wurde ein solches Szenario nach der schweren Niederlage der ruandischen Milizionäre bei ihrem Angriff auf Ruanda im Jahr 2001 und der sich zu Ungunsten der Miliz verändernden allgemeinen Lage in der Region immer unwahrscheinlicher. Die Organisation setzte deshalb in der Folge nach außen ganz auf den von ihr geforderten innerruandischen Dialog, ohne allerdings ihre militärische Ausrichtung aufzugeben. Damit verbunden war das Begehren, nach dem Vorbild des im Waffenstillstandsabkommen von Lusaka vereinbarten „innerkongolesischen Dialogs“ als direkter Verhandlungspartner der ruandischen Regierung anerkannt, im Rahmen einer politischen Neuordnung in Ruanda in den Entscheidungsprozess eingebunden und als Beteiligte einer Regierung in Ruanda akzeptiert zu werden. In Bekundungen erklärte die FDLR ihre bewaffnete Präsenz und ihr Auftreten mit Waffengewalt in den beiden Kivu-Provinzen deshalb lediglich als eine Etappe auf dem Weg zu einer Beteiligung an der verlorenen Macht in Ruanda, bis die ruandische Regierung zu einem innerruandischen Dialog und zu den geforderten politischen Konzessionen bereit sei. Während offiziell lediglich von einer Beteiligung an der Macht die Rede ist, wird intern die Übernahme der Macht in Ruanda als eigentliches Ziel genannt.
Ein solcher innerruandischer Dialog wird von der ruandischen Regierung allerdings strikt abgelehnt, die keinen Zweifel an der Planung des Völkermordes durch die vorherigen Machthaber in Ruanda hat und die FDLR aufgrund der Beteiligung einiger ihrer Mitglieder am Genozid nicht als legitimen politischen Verhandlungspartner anerkennt. Um eine Verhandlungsposition erringen zu können, in welcher der geforderte innerruandische Dialog von Ruanda erzwungen werden könnte, ist nach dem Verständnis der FDLR deshalb die Existenz einer eigenen militärischen Streitmacht zur Gewinnung einer entsprechenden Gebietshoheit in den Kivu-Gebieten, die so stark ist, dass sie in der Region eine wichtige Rolle spielen kann und nicht nur von den Regierungen der DR Kongo und Ruandas, sondern auch von der internationalen Gemeinschaft beachtet werden muss, lebensnotwendig. Das Überleben und den Erhalt einer solchen militärischen Streitmacht sowie entsprechender Militärbasen im Osten der DR Kongo versucht sie deshalb mit allen ihr möglichen Mitteln, auch wenn dies strafbare Übergriffe auf die wehrlose einheimische Bevölkerung in den Kivu-Gebieten - auch im Sinne von Kriegsverbrechen - beinhaltet, zu sichern. Ein konkreter Weg, wie sie die ruandische Regierung mit legalen Mitteln dazu bringen könnte, sie als Verhandlungspartnerin zu akzeptieren und einer Wiedereingliederung ihrer Mitglieder und aller im Ausland befindlicher ruandischer Flüchtlinge unter den von ihr genannten Bedingungen zuzustimmen, wird von der FDLR nicht aufgezeigt und ist auch nicht ersichtlich, zumal die ruandische Regierung auf ein den Forderungen der FDLR gegenläufiges unitaristisches und auf Stabilität und Entwicklung ausgerichtetes Organisationsprinzip setzt.
IV. Wirtschaftliche Grundlagen der FDLR
1. Situation nach der Gründung der FDLR
Bereits bei der Gründung der FDLR war klar, dass die Organisation, die aus Exil-Ruandern bestand und ihren Befreiungskampf gegen das ruandische Regime im Wesentlichen mit Hilfe der ruandischen Flüchtlinge in den Kivu-Gebieten in der DR Kongo und damit vom Ausland aus führte, nicht in der Lage sein würde, Sold und Gehälter an die Kämpfer und politischen Funktionäre der Organisation zu zahlen. Dies änderte sich auch später nicht. Zwar wurden für die Mitglieder der Vereinigung Beiträge angesetzt und soweit möglich auch erhoben, es war aber von vornherein ersichtlich, dass dies zur Sicherung einer ausreichenden Lebensgrundlage der aktiven Kämpfer der FDLR und zur Verfolgung der Ziele der Organisation nicht ausreichte. So waren die ruandischen Flüchtlinge in der DR Kongo und damit der Großteil der Mitglieder zunächst weitgehend mittellos und konnten sich kaum selbst unterhalten. Unterstützungsleistungen erfolgten auch später vornehmlich in Form von Naturalien, die die Flüchtlinge durch Landwirtschaft erzeugten. Dagegen fehlten ihnen weiterhin ausreichende finanzielle Mittel, um damit das Überleben der Miliz sichern zu können. Einkünfte in Form von Spenden oder Beiträgen aus der Diaspora, die direkt an die Organisation flossen, gab es darüber hinaus anfangs so gut wie nicht und auch später nur in kleinem Umfang. Lediglich im Jahr 2005 erhielt die FDLR in Form eines von der kongolesischen Regierung übergebenen Betrages von 250.000 US-Dollar einen größeren Geldbetrag, der überwiegend an die Militärs zum Kauf von Gummistiefeln verteilt wurde (siehe hierzu unter Teil 2 B.III.1. c) aa)). Seit dem Friedensabkommen von Pretoria im Jahr 2002 und der Einstellung der Unterstützung der Milizionäre durch die kongolesische Regierung und deren Verbündete war die Situation für die Miliz besonders schwierig, da die FDLR-Truppen nun ganz auf sich gestellt waren und nur noch beschränkten Zugang zu Logistik und Waffen sowie zu Finanzmitteln hatten.
Bei ihrem Vordringen in die Kivu-Gebiete gelang es den Milizionären zwar gelegentlich, Güter und Waffen im Kampf gegen feindliche Gruppen zu erbeuten. Auch gab es in den fruchtbaren Gegenden der Kivu-Gebiete wild wachsende Pflanzen wie beispielweise die Amateke-Pflanze, mit denen sich die Kämpfer zumindest teilweise ernähren konnten. Ohne eigene ökonomische Basis sicherten die FDLR-Truppen ihren Unterhalt und Lebensbedarf in den Gebieten, in denen sie Stützpunkte errichteten, aber im Wesentlichen auf Kosten der örtlichen kongolesischen Bevölkerung, die sich gegen die gut organisierten sowie schlagkräftigen Milizionäre in der Regel nicht wirksam wehren konnte und diesen weitgehend schutzlos ausgeliefert war. Dabei gingen die FDLR-Truppen in vielen Fällen gewaltsam gegen die kongolesischen Bürger vor, beschlagnahmten deren Land und Felder, besetzten Häuser der Ortsansässigen, stahlen deren Vieh und plünderten Felder sowie das private Eigentum der kongolesischen Bürger. Oftmals reichte allerdings auch bereits das Drohpotenzial der FDLR-Kämpfer als bewaffnete Miliz und die Angst der örtlichen Bevölkerung vor Gewaltakten aus, um diese gefügig zu machen. Diese beugte sich deren Diktat dann auch ohne direkte Gewalt und stellte von sich aus oder auf entsprechende Anforderung zur Verfügung, was von der Miliz gewünscht wurde.
2. Aufbau eigener Strukturen und einer ökonomischen Basis in den Kivu-Gebieten
Den FDLR-Milizionären gelang es in der Folge, in den von ihnen kontrollierten oder zumindest in ihren Einflussbereich gebrachten Gebieten eigene Machtstrukturen und eine eigene ökonomische Basis aufzubauen. Dabei wurden die örtlichen politischen und administrativen kongolesischen Institutionen in der Regel nicht abgeschafft, standen aber ganz unter dem Diktat der FDLR-Milizionäre. An welche Verhaltensregelungen sich die Bevölkerung zu halten und welche Leistungen sie für die Miliz zu erbringen hatte, wurde einseitig von den FDLR-Milizionären bestimmt. Willkürmaßnahmen von Seiten der Milizionäre konnten sich die Bewohner in der Regel nicht widersetzen und nur durch ein Verlassen der Siedlungen entziehen. Insgesamt variierten die Beziehungen, abhängig vom jeweiligen Kommandanten und von der ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung. So lebte die FDLR an manchen Orten in relativer Harmonie mit der einheimischen Bevölkerung, an anderen gestaltete sich das Verhältnis konfliktreich und von Gewalt geprägt. Zu Schwierigkeiten kam es insbesondere in solchen Regionen, in denen die autochthone, nicht ruandaphone Bevölkerung stark vertreten war. Allen gemeinsam war aber die rücksichtslose wirtschaftliche Ausbeutung der lokalen Bevölkerung durch die FDLR. So entwickelte die Organisation in ihrem Einflussbereich ein auf mehreren Standbeinen fußendes System der Finanzierung und Versorgung der Vereinigung, indem sie sich in vielfältiger Weise die natürlichen und menschlichen Ressourcen in den von ihnen kontrollierten Gebieten zunutze machte.
Dabei sorgte sie durch ein ausgeklügeltes Verteilungssystem innerhalb der Organisation dafür, die von den einzelnen Stützpunkten und Einheiten erwirtschafteten Mittel so auf die verschiedenen Teile der Organisation aufzuteilen, dass diese jeweils in die Lage versetzt wurden, ihre Aufgaben wahrzunehmen. So wurden die generierten Einkünfte und erlangten Güter zum einen prozentual von unten nach oben entsprechend einem genau festgelegten Schlüssel verteilt, also beispielsweise von der Ebene der Kompanie über die Ebene des Bataillons, der Division oder der Brigade bis hin zum FOCA-Kommando. Auch gab es ein internes Ausgleichssystem zwischen Teilen der Organisation, die aufgrund ihres Standorts und ihrer Funktion über reichlich Möglichkeiten zur Generierung von finanziellen Mitteln verfügten, und solchen, die hierzu kaum oder gar nicht in der Lage waren. Von diesem Ausgleich profitierten insbesondere die Einheiten, die keine eigenen Zonen verwalteten wie zum Beispiel das Bataillon PM, aber auch die Organe des politischen Flügels in der DR Kongo. Die generierten finanziellen Mittel wurden dazu benutzt, militärische Ausrüstung, Gegenstände des täglichen Lebensbedarfs, Medikamente, Schreibmaterial und alles, was für das Funktionieren der Organisation ansonsten wichtig war, zu erwerben. Hierzu wurden auf den verschiedenen Ebenen des militärischen und politischen Teils der FDLR in den Kivu-Gebieten Kassen geführt.
a) Steuer- und Abgabenerhebung durch die FDLR
Finanzielle Mittel für die Organisation wurden zum einen durch die Erhebung und zwangsweise Eintreibung illegaler Steuern, Abgaben und Zölle bei der lokalen Bevölkerung generiert. Üblich war die Besteuerung von Märkten im Einflussbereich der Miliz und die Erhebung von Abgaben auf Waren an den Zugangswegen sowie die verordnete Bezahlung von bestimmten Schutz- und Sicherheitsleistungen durch die Miliz. Auch wurden in manchen kongolesischen Siedlungen wöchentlich zu entrichtende Steuern von den Haushaltsvorständen erhoben. Wichtige Einnahmequellen waren des Weiteren die Wegezölle und Abgaben, die an eigens hierzu errichteten Straßensperren, an wichtigen Durchgangsstraßen sowie kommerziellen Transitrouten und Handelswegen erhoben wurden.
In den Kivu-Gebieten, die zu den rohstoffreichsten Regionen Afrikas gehören, waren insbesondere die Bergbaustandorte, die unter der Kontrolle der FDLR standen, für die Miliz lukrativ. So befanden sich bis zum Jahr 2009 mehrere Bergbauminen im Nord-Kivu, unter anderem im Dschungel gelegene Gruben westlich der Stadt Lubero, in denen nach Gold geschürft wurde, sowie wichtige Bergbaustandorte im Süd-Kivu, bei denen es sich zumeist um Kassiterit-, Gold- und Coltan-Minen handelte, in Zonen, die von der FDLR beherrscht wurden. Aus dem Abbau der Bodenschätze zog die Miliz zum einen indirekte Gewinne, indem sie den Zugang zu den Gruben in den von ihr kontrollierten Gebieten, den Abtransport der Erträge und Handelstätigkeiten mit Rohstoffen mit Abgaben belegte. Vielfach ließ sie sich auch für den Schutz der Minen finanziell mit Geld oder geschürften Bodenschätzen bezahlen. Auch baute sie im Bereich der Abbaustätten häufig eine Art „Zwangshandelsbeziehung“ auf, indem sie die erforderliche Versorgung der Grubenarbeiter mit Nutzgütern FDLR-Milizionären vorbehielt und hierfür im Austausch nach von ihr vorgegebenen Sätzen Mineralien verlangte, die sie dann auf Märkten verkaufte. Darüber hinaus gewann sie aus dem Geschäft mit Palmöl, Nutzhölzern und dem vornehmlich im Virunga-Nationalpark und dem Kahuzi-Biega-Nationalpark praktizierten illegalen Handel mit Holzkohle Einnahmen, indem sie Abgaben auf deren Herstellung, den Zugang zu den Verkaufsstellen sowie für Sicherheitsleistungen erhob. Bei der illegalen Besteuerung und Abgabenerhebung kooperierte sie teilweise mit anderen Rebellengruppierungen oder der kongolesischen Armee, um auch in Gebieten, die sie nicht allein beherrschte, zu profitieren.
b) Nicht-konventionelle Logistik (LNC)
Eine wichtige Geldquelle für die FDLR in den Kivu-Gebieten, aber auch für deren Führungskräfte sowie die einfachen Kämpfer, waren darüber hinaus Handelstätigkeiten, die innerhalb der FDLR unter den Begriff der „nicht-konventionellen Logistik“, abgekürzt LNC („logistique non conventionelle“) gefasst wurden. Handelstätigkeiten für die Organisation erfolgten dabei in der Weise, dass auf den verschiedenen Hierarchieebenen Personen mit der Durchführung des Handels betraut und ihnen hierfür die entsprechenden finanziellen Mittel aus den Kassen der FDLR in den Kivu-Gebieten zur Verfügung gestellt wurden. Der aus dem An- und Verkauf von Waren erwirtschaftete Gewinn wurde dann bis auf ein kleines Entgelt an die Organisation abgegeben und anschließend innerhalb der Bewegung entsprechend dem oben beschriebenen System aufgeteilt. Handel wurde dabei mit den unterschiedlichsten Waren getrieben, die von Landwirtschaftsprodukten, Tieren, Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens bis hin zu Bodenschätzen und sonstigen Rohstoffen reichten. Die damit erworbenen Finanzmittel wurden für den Erwerb des notwendigen Bedarfs der Organisation genutzt.
Über Handelstätigkeiten hinaus, die mit Mitteln und im Auftrag der Organisation erfolgten, war es üblich, dass höher gestellte Militärs und Funktionsträger Handelsgeschäfte durch ihnen unterstellte Personen, insbesondere durch ihre Leibwächter, ausführen ließen, diese aus privaten Mitteln vorfinanzierten und den erzielten Gewinn mit diesen nach einer zuvor getroffenen Vereinbarung teilten. Da sich die Kämpfer hierdurch die notwendigen finanziellen Mittel zum Erwerb lebensnotwendiger Gegenstände für das tägliche Leben verdienen konnten, stellten solche Handelstätigkeiten einen wichtigen Baustein im Überlebenskampf der Bewegung dar. Allerdings kam es hierdurch innerhalb der Organisation auch zu Konflikten. So führten die ungleichen Möglichkeiten zur Erzielung von Einkünften im Rahmen des privaten Handels und bei der Erhebung von Abgaben je nach Standort und Funktion des Einzelnen zu Missgunst und Neid unter den Führungspersonen, aber auch zu Unmut unter den rangniedrigeren Militärs, die sich angesichts der Profite ihrer Vorgesetzten ungerecht behandelt fühlten. Im Hinblick auf die ungleiche Verteilung der Gewinne und die damit verbundenen Probleme innerhalb der Organisation hatte deshalb auch der Angeklagte Dr. M. Ende 2005 in einer schriftlichen Nachricht um die Abschaffung der LNC gebeten, zumal er befürchtete, die Militärs würden dadurch ihre eigentlichen Aufgaben vernachlässigen. Dieser Vorschlag wurde von den FDLR-Mitgliedern in der DR Kongo aber abgelehnt, die klarmachten, dass LNC für das Überleben der FDLR-Mitglieder in den Kivu-Gebieten lebensnotwendig sei, weil sie keinen Sold erhielten.
Zur Sicherung ihres eigenen Lebensunterhalts betrieben die in der DR Kongo ansässigen Mitglieder der FDLR in Zeiten, in denen sie nicht in kämpferische Handlungen verwickelt waren, darüber hinaus Landwirtschaft und Viehzucht. Die hierdurch gewonnenen Produkte verwendeten sie zur eigenen Versorgung, trieben damit aber auch Handel.
3. Durchführung sogenannter Verpflegungsoperationen („opérations de ravitaillement“)
Ein wichtiges Instrument zur Sicherung der Existenzgrundlagen der Organisation und des Lebensbedarfs ihrer Mitglieder stellten für die Miliz in den Kivu-Gebieten die sogenannten Verpflegungsoperationen bzw. -missionen („operations de ravitaillement“ bzw. „missions des ravitaillement“) dar. Darauf griff die Rebellenbewegung vor allem in Zeiten bewaffneter Konflikte zurück, wenn die Milizionäre an Kampfhandlungen beteiligt waren und die Generierung finanzieller Mittel und die Versorgung der Truppen durch Handelstätigkeiten sowie Abgaben-, Steuer- und Wegezollerhebungen nicht möglich war. Da es sich bei der FDLR um einen wichtigen militärischen Akteur in den Kivu-Gebieten handelte und diese häufig an bewaffneten Auseinandersetzungen in der dortigen Region beteiligt war, stellten Verpflegungsoperationen ein wesentliches Mittel dar, um in solchen Zeiten die Versorgung der Truppen mit dem zum Leben notwendigen Bedarf sicherzustellen, aber auch um in den Besitz der zum Erhalt der Kampffähigkeit der Truppen notwendigen militärischen Ausrüstung zu gelangen.
Versorgungoperationen mit dem Ziel, sich Waffen, Munition, Uniformen oder sonstiges militärisches Material oder Medikamente zu besorgen, wurden dabei hauptsächlich bei der kongolesischen Armee, aber auch bei anderen bewaffneten Gruppierungen wie beispielsweise dem CNDP durchgeführt. Unter den Begriff der Verpflegungsoperationen wurde bei der FOCA aber vor allem das militärisch geplante und von der Armeeführung befohlene oder genehmigte Plündern bei der kongolesischen Zivilbevölkerung gefasst, um den wahren Charakter solcher Übergriffe zu verschleiern. Ziel solcher Aktionen war es, Nahrungsmittel und Vieh, das zum Eigenverzehr geschlachtet oder verkauft wurde, sowie Kleidung, Bedarfsgegenstände des täglichen Lebens, Medikamente und Geld zu erlangen. Hierzu wurden Angriffe auf Gehöfte und Geschäfte von Zivilisten oder ganze Siedlungen durchgeführt, aber auch Überfälle auf Fahrzeuge, insbesondere von Händlern, auf den größeren Verkehrswegen verübt.
Solche Versorgungsoperationen in Form von Raubzügen und Plünderungen bei der kongolesischen Bevölkerung kannten die Milizionäre in den Kivu-Gebieten bereits aus den Zeiten der ALIR. Die Durchführung solcher Aktionen bei der Zivilbevölkerung wurde zwar nach dem Zusammenschluss der Armeeteile aus dem Osten und Westen der DR Kongo im Jahr 2003 zunächst von den aus den westlichen Teilen der DR Kongo kommenden Einheiten nicht unterstützt, die an regelmäßige Soldzahlungen gewohnt waren und solcher Operationen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts bis dahin nicht bedurft hatten. Auch forderte der Angeklagte Dr. M. nach einer entsprechenden Entscheidung der in Europa ansässigen Mitglieder des CD-Gremiums im Jahr 2005 die Einstellung der „Versorgungoperationen“ bei der Zivilbevölkerung durch die FOCA, da sie der Außendarstellung der FDLR schadeten. Die Verpflegungsoperationen zulasten der kongolesischen Zivilbevölkerung gingen aber auch danach unverändert weiter. Zum einen waren zwischenzeitlich auch die Truppen aus dem Westen für die Versorgungsoperationen, nachdem sie selbst die Erfahrung gemacht hatten, dass Plünderungen bei der kongolesischen Zivilbevölkerung für die FOCA-Einheiten insbesondere in Zeiten militärischer Auseinandersetzungen die einzige Möglichkeit waren, das Überleben der Milizionäre in den Wäldern der Kivu-Provinzen zu sichern. Die Erforderlichkeit weiterer Versorgungoperationen bei der Bevölkerung zur Sicherung der Existenz der FDLR in den Kivu-Gebieten hatte zudem auch die FOCA-Führung in einer Mitteilung gegenüber dem Angeklagten Dr. M. deutlich gemacht und darauf hingewiesen, dass von diesen erst Abstand genommen werden könne, wenn ein entsprechender Ersatz hierfür durch das CD-West gefunden werde. Daraufhin verfolgten die europäischen Politiker ihre Forderung nicht weiter.
Die Plünderungsaktionen bei den kongolesischen Bürgern fanden bis zum Jahr 2009 regelmäßig in den von feindlichen Truppen kontrollierten Gebieten statt, um sich die Zivilbevölkerung in den eigenen Zonen nicht unnötig zum Feind zu machen und die Sicherheit der im Gefolge der FOCA-Einheiten lebenden Flüchtlinge nicht zu gefährden. Die Versorgungsoperationen führten dabei vornehmlich die CRAP-Einheiten der FOCA-Truppen aus, die für diese Aufgabe aufgrund ihrer Ausbildung und ihrer Aufgabenstellung als Aufklärungs- und Einsatztruppe hinter den feindlichen Linien besonders geeignet waren. Bei der Reservebrigade war hierfür die Spezialkompanie zuständig. Regionen, in denen solche Operationen vermehrt stattfanden, waren unter anderem Walikale und Kalehe. Überfälle auf Fahrzeuge wurden vor allem an den großen Verkehrsverbindungen zwischen Bukavu bzw. Goma und Walikale und im Waldgebiet des Nationalparks Kahuzi-Biega durchgeführt. Dabei kam es im Rahmen der Verpflegungsmissionen auch zum Tod zahlreicher Zivilisten sowie Milizionäre der FDLR. So war es nicht ungewöhnlich, dass die Übergriffe der FOCA-Truppen zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit den Soldaten der FARDC führten, die zum Schutz der Zivilisten eingriffen oder die plündernden Kämpfer verfolgten, und Zivilisten zwischen die Fronten gerieten oder im Rahmen des Überfalls getötet wurden.
Die Befehle zu Versorgungsmissionen bei der kongolesischen Bevölkerung kamen teilweise direkt vom FOCA-Kommando, in anderen Fällen erteilte die FOCA-Führung auf Ersuchen der ihr unterstellten Kommandeure eine entsprechende Erlaubnis hierfür. Auch konnten Versorgungsoperationen von den Divisionen und der Reservebrigade ohne ausdrückliche vorherige Erlaubnis des FOCA-Kommandos ausgeführt werden, wenn dem FOCA-Kommando danach umgehend von der Operation Bericht erstattet und ein Teil der Beute nach oben abgeführt wurde. Wie bei den Abgaben an Straßensperren oder den Einnahmen aus der LNC bestand auch im Rahmen der Verpflegungsmissionen die Verpflichtung, die Beute und die Erträge aus den Operationen anteilsmäßig von der ausführenden Einheit bis hoch zum FOCA-Kommando nach bestimmten Vorgaben abzuführen. So musste beim Diebstahl von Vieh regelmäßig ein Teil der erbeuteten Tiere an das FOCA-Kommando abgeliefert werden. Bestand die Beute aus Geld, wurde dieses nach einem festgelegten Schlüssel prozentual zwischen der Einheit, welche die Versorgungsoperation ausgeführt hatte, und den darüber befindlichen Ebenen bis zum FOCA-Kommando hinauf aufgeteilt. Solange die Beute ordnungsgemäß abgeführt wurde, wurden die Verpflegungsoperationen ungeachtet entgegenstehender Vorschriften in den Strafgesetzen der FDLR von der Führung der FOCA zugelassen und galten allgemein in der Organisation als erlaubt. Anders dagegen war die Lage bei solchen Operationen von FDLR-Milizionären, die ohne vorherige Erlaubnis ausgeführt und auch nicht nachträglich unter Abführung entsprechender Beuteanteile gemeldet wurden. Diese auf eigene Faust verübten Operationen galten bei der FOCA als verboten, wurden strafrechtlich verfolgt und entsprechend den Bestimmungen des FDLR-Strafgesetzbuchs bestraft, soweit sie innerhalb der Organisation bekannt wurden.
Verpflegungsoperationen im Sinne von Plünderungen bei der kongolesischen Bevölkerung wurden von der FDLR auch während der bewaffneten Auseinandersetzungen in den Jahren 2007 und 2008 zur Sicherung der Versorgung der Milizionäre und der Organisation durchgeführt. Solche erfolgten unter anderem Ende Januar und im Februar 2007 im Norden der Kivu-Gebiete, am 14. März 2007 an der Straße von Butembo nach Goma und am 25. und 26. September 2007 in den Dörfern Kafunzi und Tchiyumbu sowie Anfang Januar 2008 bei Ngungu. Bei einer Verpflegungsmission in der Nacht vom 8. auf den 9. August 2007 in Butogota kamen dabei beispielsweise drei Zivilisten zu Tode.
Die Beschaffung notwendiger Geldmittel und Güter zur Versorgung der Organisation und ihrer Mitglieder setzte sich im Jahr 2009 verstärkt in Form von Verpflegungsoperationen bei der kongolesischen Zivilbevölkerung fort, da die FDLR während der bewaffneten Auseinandersetzungen gehindert war, sich den notwendigen Lebensbedarf auf anderem Wege zu beschaffen. Dessen ungeachtet, dass sich die FOCA-Soldaten in Kriegszeiten der Ernte der kongolesischen Zivilbevölkerung bemächtigten, fanden solche Verpflegungsmissionen im Wesentlichen während der Operation „Kimia II“ statt. Im Rahmen der Operation „Umoja Wetu“ fehlte den FDLR-Truppen in der Regel die Gelegenheit zu solchen Aktionen, da der militärische Druck der Koalitionsarmee zu stark war und sie vorrangig damit beschäftigt waren, ihren Rückzug abzusichern. Mit der Rückkehr der ruandischen Soldaten nach Ruanda kam es allerdings wieder gehäuft zu solchen Raub- und Plünderungsaktionen. Im Unterschied zu den Verpflegungsoperationen vor dem Jahr 2009 fanden diese aber nicht mehr nur weit entfernt von den Stützpunkten der FDLR statt. Vielmehr wurden sie auch bei der Bevölkerung in von der FDLR kontrollierten Gebieten durchgeführt, vor allem wenn es sich hierbei um Zivilisten handelte, denen die FDLR Kollaboration mit dem Feind vorwarf.
V. Vorgehen der FDLR-Miliz im Jahr 2009
1. Situation und Strategie
a)Sensibilisierung“ der Bevölkerung im Vorfeld der Operation „Umoja Wetu“
Die Ankündigung der gemeinsamen militärischen Operation „Umoja Wetu“ der ruandischen und kongolesischen Streitkräfte gegen die FDLR führte bereits im Vorfeld der Operation zu verstärkten Aktivitäten der kongolesischen Seite und der FDLR in den Kivu-Gebieten und hatte Auswirkungen auf das Verhältnis der FDLR-Miliz zur kongolesischen Bevölkerung in den von ihr kontrollierten Zonen im Nord-Kivu. Neben der Integration der Angehörigen des CNDP, von PARECO- und Mai-Mai-Kämpfern in die kongolesische Armee startete die kongolesische Seite nämlich eine bis dahin nicht gekannte „Sensibilisierungskampagne“ bei der kongolesischen Bevölkerung. Mit dem Ziel, bei ihrem Kampf gegen die Rebellenmiliz auf die Unterstützung der einheimischen Bevölkerung zählen und sich deren auch bedienen zu können, warb sie bei den kongolesischen Bürgern massiv dafür, dass sich diese auf die Seite der Regierungsarmee stellen sollten. Darauf reagierten die Politiker und Militärs der FDLR in der DR Kongo, indem sie bei der kongolesischen Bevölkerung in den von ihnen beherrschten Zonen ebenfalls eine massive „Sensibilisierungsarbeit“ leisteten, da sie wussten, dass der Rückhalt der örtlichen Bevölkerung im Kampf von wesentlicher Bedeutung sowohl für die Moral der Truppe als auch in operationeller Hinsicht sein würde. Sie hielten deshalb Versammlungen bei der einheimischen Bevölkerung ab und schickten von politischer und militärischer Seite Personen zu den kongolesischen Bürgern, um diese für sich zu gewinnen und auf die eigene Seite zu ziehen. Gleichzeitig versuchten sie damit zu verhindern, dass die ortskundigen kongolesischen Zivilisten, die die Gewohnheiten und die Aufenthaltsorte der FDLR-Kämpfer aus dem langjährigen Zusammenleben kannten, von dem Feind gegen sie genutzt werden konnten. Dabei sprachen sie auch deutliche Warnungen und Drohungen an die Bevölkerung aus. So wurden die Zivilisten zum einen an das bisher insgesamt relativ friedliche Zusammenleben und die dabei entstandenen Eheschließungen und verwandtschaftlichen Beziehungen erinnert. Gleichzeitig warnte die FDLR die kongolesischen Bürger aber auch davor, sich auf die Seite der Koalitionsarmee zu begeben, mit dieser zusammenzuarbeiten oder dieser die Stützpunkte oder Aufenthaltsorte der Truppen der Miliz zu zeigen, und verband dies mit der Drohung, dass die Kongolesen in diesem Fall klare Konsequenzen zu erwarten hätten und sie von der FDLR als Feind betrachtet würden. Die Propaganda von beiden Seiten sowie die zu erwartenden Kämpfe führten zu Flucht- und Wanderungsbewegungen innerhalb der kongolesischen Bevölkerung. Insbesondere vor den unmittelbaren Kampfgeschehen verließen Tausende von Kongolesen ihre Siedlungen. Hierbei suchten vor allem autochthone Bevölkerungsteile den Schutz der kongolesischen Armee.
b) Strategie der „opérations punitives“
Am 20. Januar 2009 begann unter Beteiligung der ruandischen und kongolesischen Streitkräfte die Operation „Umoja Wetu“. Vorgesehen war, dass der Militäreinsatz zunächst in der Provinz Nord-Kivu stattfinden sollte, die Grenzen der DR Kongo nach Ruanda und Uganda gesichert, die Rebellenstrukturen der FDLR dort vernichtet und die Aktionen daraufhin in der restlichen Provinz fortgesetzt werden sollten. Hierzu überquerten mehrere tausend ruandische Soldaten die Grenze zur DR Kongo und drangen in die Provinz Nord-Kivu ein. In Kenntnis der herannahenden Kämpfe begann ein Großteil der örtlichen Zivilbevölkerung in den von Kämpfen bedrohten Gebieten unter Zurücklassung ihrer gesamten Lebensgrundlagen zu fliehen, so dass große Flüchtlingsströme entstanden. Die Operation endete am 25. Februar 2009 mit der offiziellen Rückkehr der ruandischen Truppen aus der DR Kongo in ihr Heimatland. Nach Abzug des größten Teils der ruandischen Streitkräfte setzte die kongolesische Armee, dieses Mal unterstützt durch die UN-Friedensmission MONUC, die militärischen Operationen gegen die FDLR in einer Folgeoffensive unter dem Namen „Kimia II“ fort, die vom 2. März 2009 bis Ende 2009 dauerte. Ziel der Operation war es, die FDLR weiter zurückzudrängen und zu schwächen, um so die durch die Gruppierung entstandene Instabilität in den Kivu-Gebieten langfristig zu beseitigen und die Zerschlagung der Miliz sowie eine Demobilisierung und Repatriierung der ruandischen FDLR-Rebellen zu erreichen.
Auf das militärische Vorgehen gegen sie reagierte die FDLR mit unterschiedlichen militärischen Taktiken und Strategien.
aa) Situation während „Umoja Wetu“
Bei der FOCA war man sich von vorneherein bewusst, dass der militärische Konflikt gegen die Koalitionsarmee im Rahmen von „Umoja Wetu“ aufgrund deren zahlenmäßiger Überlegenheit und insbesondere der Schlagkraft der ruandischen Streitkräfte nicht zu gewinnen war. Gleichzeitig sprachen die Umstände für einen zeitlich eng begrenzten Einsatz der ruandischen Truppen in der DR Kongo. So verkündete der kongolesische Präsident am 31. Januar 2009 ausdrücklich, dass die gemeinsame Operation bis Ende Februar 2009 abgeschlossen sein würde. Die FOCA-Führung gab deshalb die Taktik an die FDLR-Kämpfer aus, bei den zu erwartenden Kämpfen regelmäßig direkte Auseinandersetzungen mit der FARDC und den RDF-Streitkräften zu vermeiden und sich in kleine autonome Gruppen zu zerstreuen. So sollten die Stellungen der FDLR in den von ihr kontrollierten Gebieten weitgehend vor Ankunft des Feindes geräumt werden und sich die Truppen entweder in Gebiete jenseits der Kampfgebiete oder tief in die Wälder in der Nähe ihrer früheren Stellungen zurückziehen, in denen man sich gut auskannte und vor einer Verfolgung durch den Feind sicher war. Auch sollten Guerilla-Taktiken genutzt und unter anderem Überfälle aus Hinterhalten durchgeführt werden. Angesichts zu erwartender Nachschubschwierigkeiten wurden die FDLR-Kämpfer zudem angehalten, sparsam mit Munition umzugehen.
Entsprechend diesen Vorgaben ging die Miliz in der Folge vor, wich direkten Kämpfen so weit wie möglich aus und suchte den Rückzug. Sie geriet hierbei allerdings rasch unter massiven militärischen Druck durch die ruandischen Truppen, die nördlich und westlich entlang der Hauptachsen der Territorien Rutshuru und Masisi machtvoll in die Kivu-Gebiete vordrangen, von der FDLR kontrollierte Bastionen einnahmen sowie deren Stellungen in Brand setzten und ihren Vormarsch fortsetzten, während sich nachziehende kongolesische Truppen in den eingenommenen Siedlungen stationierten. Zu ersten Zusammenstößen zwischen Einheiten der Koalitionsarmee und der FDLR kam es bereits am 27. Januar 2009, als die Koalitionsarmee Kibua in Masisi angriff, wo das Exekutivkomitee der FDLR seinen Sitz hatte und im Rahmen der Evakuierung gerade noch die Festnahme des 2. Vizepräsidenten und des stellvertretenden Exekutivsekretärs vermieden werden konnte. Das Exekutivkomitee teilte sich daraufhin zu seinem eigenen Schutz in zwei Teile, die jeweils an getrennte Orte flüchteten. Auch die Reservebrigade der FDLR, die in der Nähe von Kibua ihr Hauptquartier hatte, ergriff sofort die Flucht. Mit dem Tod des stellvertretenden Brigadekommandanten Oberstleutnant 3A.H. alias 4K. und des S 4 der Reservebrigade erlitt die FDLR erste bedeutende Verluste. Zahlreiche Kämpfer zogen sich daraufhin in Richtung Westen in den Bereich Waloaluanda zurück. Kurze Zeit später wurde auch das etwa 7 bis 8 Stunden Fußmarsch von Kibua entfernte Hauptquartier des FOCA-Kommandos in Kalongi von der Koalitionsarmee angegriffen. Auch hier verließ die Armeeführung mit einem großen Teil der dort stationierten Soldaten den Standort und floh nach Bugoy, wo man sich aus Sicherheitsgründen ebenfalls in zwei Teile („Fraktionen“) trennte. Lediglich Teile des Bataillons PM blieben zurück und sicherten die Flucht. Die vom FOCA-Kommandeur S.M. geführte Fraktion begab sich in der Folge in die Wälder um Mukoberwa. Der vom FOCA-Vizekommandanten 2I.D. alias 9B. geleitete Teil zog sich in die Umgebung von Ntoto zurück. Um der Entdeckung durch den Feind zu entgehen, wurden auch hier ständig die Standorte gewechselt. Dadurch zerbrach der Zusammenhalt der FOCA-Einheiten in kürzester Zeit weitgehend. Die Desertionen nahmen zu. Ein koordinierter Rückzug war beim raschen Vordringen der ruandischen Truppen vielerorts nicht mehr möglich.
Trotz des massiven militärischen Drucks gelang es den FOCA-Truppen, größere Verluste zu vermeiden. Ein Teil der FDLR-Milizionäre flüchtete sich daraufhin an weiter entfernte Standorte zum Beispiel in das Innere des Nationalparks Virunga oder in Richtung Süd-Kivu. Viele Kämpfer aber blieben in der näheren Umgebung ihrer früheren Stellungen und zerstreuten sich tief in die Wälder, die ihnen vertraut waren. Um der Verfolgung durch die Koalitionsarmee zu entgehen, wechselten auch sie häufig ihre Standorte. Damit aber verlor die FDLR in weiten Bereichen den Zugang zu wesentlichen Kommunikationswegen. Eine Verständigung zwischen den einzelnen Teilen und nach außen, wie sie vor der Operation „Umoja Wetu“ möglich gewesen war, gab es vielerorts nicht mehr. So verlor unter anderem der Teil des Hauptquartiers des FOCA-Kommandos, der von dem stellvertretenden FOCA-Kommandanten 9B. geleitet werden sollte, für ca. eine Woche jeglichen Kontakt zu diesem, ohne dass man über dessen Verbleib Bescheid wusste. Auch war die FDLR damit in den Kampfgebieten vollkommen von ihren ursprünglichen Erwerbsquellen abgeschnitten.
Schon zu Beginn der Operation „Umoja Wetu“ veränderte sich die Haltung der FDLR-Miliz gegen die Teile der kongolesischen Bevölkerung, die auf die Seite der Koalitionsarmee flohen bzw. diese bei sich aufnahmen, massiv, da die von der einheimischen Bevölkerung vollzogene Hinwendung zum Feind von der FDLR in der schwierigen Situation, in der sie sich befand, als wichtiger strategischer Nachteil für die eigenen Truppen gesehen wurde. Als Reaktion hierauf ordnete der FOCA-Kommandeur noch während der laufenden Operation die Verteilung von Flugblättern in den umkämpften Gebieten und in solchen, in denen Konfrontationen in Kürze zu erwarten waren, an. In den - unter anderem in der Sprache Suaheli gehaltenen - Schreiben wurde die kongolesische Bevölkerung noch einmal eindringlich gewarnt, sich auf die Seite des Feindes zu begeben. Damit verbunden war wiederum die Drohung, die kongolesischen Bürger im Fall einer Zusammenarbeit mit den Truppen der Koalitionsarmee ebenso wie diese als Feind zu betrachten, wobei klar war, dass sie dann auch entsprechend behandelt würden, also getötet werden konnten. Trotz der Warnungen und Drohungen von Seiten der FDLR suchten weite Teile der kongolesischen Bevölkerung, insbesondere autochthone Stämme wie die Tembos, weiterhin den Schutz der kongolesischen Armee und entzogen sich dem Zugriff der Miliz.
Da sich die FDLR von der kongolesischen Seite bzw. der FARDC, mit der man noch im Jahr 2008 zusammen gekämpft hatte, durch deren Koalition mit den ruandischen Streitkräften ebenso verraten fühlte wie durch die Teile der kongolesischen Zivilbevölkerung, die sich von der FDLR Weg auf die Seite und unter den Schutz des Feindes gestellt hatten, wurde in dieser Situation vom FOCA-Kommando die Durchführung von „opérations punitives“, also Bestrafungsoperationen, als neue Strategie beschlossen. Darunter wurden Rache- und Vergeltungsangriffe der FOCA gegen solche Siedlungen verstanden, von denen aus FOCA-Stellungen oder ruandische Flüchtlinge von der FARDC oder verbündeten bewaffneten Gruppierungen angegriffen worden waren. Mit solchen Bestrafungsaktionen sollte in erster Linie gegenüber der FARDC und gegebenenfalls verbündeten Gruppierungen Rache geübt und diesen eine Lektion erteilt werden, um sie davon abzuhalten, weiter gegen die FDLR vorzugehen. Gleichzeitig wollte man damit aber auch die lokale Bevölkerung, welche die feindlichen Truppen bei sich aufgenommen hatte und diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützte, bestrafen und diese durch ein gewaltsames Vorgehen so abschrecken, dass sie es in Zukunft unterlassen würde, die FARDC und mit diesen verbündete Gruppierungen zu unterstützen und sei es nur, indem sie den Aufenthalt dieser gegnerischen Kräfte in den Siedlungen duldete und sich mit diesen - ggf. notgedrungen - arrangierte. Damit hoffte die FDLR zu verhindern, dass die kongolesischen Siedlungen nach dem Weiterzug der ruandischen Truppen von der kongolesischen Armee als Operations- und Versorgungsbasen gegen die FDLR-Truppen genutzt werden konnten. Anders als die FOCA-Milizionäre lebten die Soldaten der FARDC nämlich regelmäßig inmitten der kongolesischen Zivilbevölkerung, nahmen oftmals deren Häuser für sich in Anspruch und ließen sich durch diese mit allem, was zum Bestreiten des täglichen Unterhalts der Truppen erforderlich war, versorgen. Auch bedienten sich die kongolesischen Soldaten zum Auffinden des Gegners in der Regel ortskundiger Führer aus der Bevölkerung. Die Teile der Bevölkerung, die unter solchen Umständen zusammen mit den Soldaten der FARDC in den Dörfern blieben oder dort Schutz suchten, galten deshalb nach dem Verständnis der FOCA als Feind. Eine Unterscheidung zwischen Soldaten und Zivilisten war daher bei den von der FOCA durchzuführenden Bestrafungsangriffen auf kongolesische Siedlungen nicht vorgesehen. Zivilisten konnten deshalb, ohne dass es insoweit von Seiten der FOCA eine Strafverfolgung gegeben hätte, bei solchen Angriffen getötet und deren Häuser niedergebrannt werden. Dass mit den beabsichtigten Operationen der FOCA gegen Siedlungen der kongolesischen Bevölkerung weitergehende Ziele verfolgt worden wären, wie etwa die Auslösung einer humanitären Katastrophe bei der Zivilbevölkerung, um hierdurch Druck auf die internationale Gemeinschaft auszuüben und diese dadurch zu veranlassen, auf die ruandische Regierung Einfluss zu nehmen und diese zu Verhandlungen mit der FDLR zu bewegen, konnte nicht ausreichend sicher festgestellt werden.
Noch im Verlauf von „Umoja Wetu“ kam es zu einer Umsetzung der neuen Strategie in Form der Durchführung mindestens einer „Bestrafungsoperation“ gegen die Ortschaft Kipopo in Masisi am 13. Februar 2009, bei der Zivilisten getötet und Häuser in Brand gesetzt wurden.
bb) Situation während „Kimia II“
In der Folgeoffensive gegen die FDLR unter der Bezeichnung „Kimia II“ wurden die Operationen gegen die FDLR zunächst im Nord-Kivu fortgesetzt. Hier hielt die FARDC den militärischen Druck gegen die FDLR aufrecht, durchkämmte die Gebiete nach Rückzugsbasen der FDLR und griff Stellungen der FDLR an. So gab es Angriffe auf Shario, wohin sich das Hauptquartier der Reservebrigade der FDLR und zeitweise auch der 2. Vizepräsident der FDLR zurückgezogen hatten. Im Nord-Kivu standen die FDLR-Kämpfer vor allem den FARDC-Brigaden, die um ehemalige Angehörige der kongolesischen bewaffneten Gruppen verstärkt worden waren, gegenüber, während die MONUC vornehmlich logistische und taktische Unterstützung leistete. Offensive Operationen der FARDC erfolgten in dieser zweiten Phase der militärischen Angriffe vor allem durch Einheiten, denen ehemalige CNDP-Angehörige vorstanden. Diese waren teilweise von großer Gewalt und Aggression geprägt. Hierbei kam es unter anderem in Waloaluanda zu schwerwiegenden Übergriffen von Seiten der kongolesischen Streitkräfte auf ruandische Flüchtlinge, die sich in der Nähe der FDLR-Einheiten aufhielten.
Aufgrund der Operation „Umoja Wetu“ war die FDLR zwar aus vielen ihrer Basen vertrieben worden und militärisch geschwächt. Auch hatte sie den Zugang zu ihren Erwerbsquellen verloren. Durch ihre Taktik des Rückzugs und des Ausweichens vor direkten Kampfhandlungen hatte sie aber nicht solche personellen Verluste erlitten, dass ihre operativen Fähigkeiten und Kapazitäten dauerhaft geschwächt und sie zu Angriffen nicht mehr in der Lage gewesen wäre. Nach dem Rückzug der ruandischen Truppen leiteten die FDLR-Milizionäre, die sich in den Hügeln und Wäldern des Nord-Kivu versteckt hatten, deshalb die Neuformierung und Reorganisation der Truppen ein. In Gebieten, aus denen sich die ruandischen Truppen zurückgezogen hatten und nicht durch nachrückende kongolesische Truppen ersetzt worden waren, konnte die FOCA daraufhin ihre alte Stellungen zum Teil wieder einnehmen. Auch in dieser zweiten Phase der militärischen Operationen gegen die FDLR hielt die FOCA allerdings bei anhaltendem militärischen Druck an ihrer Taktik fest, sich bei Angriffen rechtzeitig zurückzuziehen und Stützpunkte zu räumen. Als sich die Operation „Kimia II“ im Juli 2009 auf den Süd-Kivu ausdehnte und dort heftige Angriffe gegen die FDLR begannen, zog sich deshalb das Hauptquartier der Division SOSUKI, das seinen Sitz in Gashindaba hatte, ebenfalls in die Wälder oberhalb des Ortes zurück und wechselte seinen Standort mehrmals. Auch in dieser zweiten Phase der Operationen stand die FDLR unter erheblichem Druck. Ihre Truppen waren nun auch in den Gebieten des Süd-Kivu von ihren Erwerbs- und Versorgungsquellen abgeschnitten. Die Kommunikationsstrukturen und der Zusammenhalt der Truppenteile funktionierte weiterhin nicht mehr in dem Maße wie dies vor den Operationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ der Fall gewesen war. Als im September 2009 die ordentliche Versammlung des Comité Directeur anstand, in der es auch um die Wiederwahl des Präsidenten und der Vizepräsidenten der FDLR gehen sollte, sah die Mehrheit der in der DR Kongo ansässigen Mitglieder die Voraussetzungen für eine Tagung des Gremiums deshalb aus Sicherheitsgründen nicht als gegeben an.
Anders als während der Operation „Umoja Wetu“, die vor allem durch die Kampfstärke der ruandischen Truppen geprägt war, hatte die FDLR-Miliz jetzt aber keine Angst mehr, sich in bestimmten Situationen Kämpfen mit der kongolesischen Armee zu stellen, da sie aufgrund früherer gemeinsamer Operationen um die Schwächen der kongolesischen Truppen hinsichtlich Disziplin, Geschlossenheit und Kampfeswillen wusste. Mit neu gewonnener Moral führte sie nun auch selbst Aufklärungsmissionen durch, griff Stellungen der FARDC an und gelangte so wieder in Besitz ehemaliger Basen, die sie während der Operation „Umoja Wetu“ verlassen musste. Dies wirkte sich bei der Zahl der Desertionen, die während „Umoja Wetu“ gestiegen war, positiv aus. Im März 2009 hatte die Miliz in den Gebieten Hombo, Pinga, Kibua, Kashebere und Ishasha bereits zahlreiche FARDC-Bastionen wiedereingenommen. Die FOCA-Miliz reagierte jetzt auch vermehrt mit gezielten Vergeltungsangriffen im Sinne des Konzepts der „opérations punitives“ auf Operationen der FARDC, die diese oder mit ihr verbündete Gruppierungen gegen die FDLR-Truppen oder ruandische Flüchtlinge ausführten. So attackierte die FOCA Siedlungen, von denen aus FARDC-Truppen oder einheimische Milizen gegen die FDLR oder ruandische Flüchtlinge vorgingen, und griff im Rahmen der Bestrafungsoperationen sowohl die feindlichen Einheiten als auch die Zivilbevölkerung, die diese aufgenommen und tatsächlich oder vermeintlich unterstützt hatte, gewaltsam an. Hierbei wurden Zivilisten, die nicht unmittelbar an den feindseligen Auseinandersetzungen beteiligt waren, ausgeplündert, verletzt und getötet sowie deren Häuser in Brand gesetzt. Dem gingen teilweise Drohschreiben der FDLR an die Bevölkerung voraus. In manchen Fällen wurden auch Schreiben nach Angriffen zurückgelassen und warnten vor weiterem Blutvergießen.
c) Versuche einer friedlichen Beendigung des Konflikts
Auch nach Beginn der militärischen Operationen gegen die FDLR gab es weitere Bemühungen, den Konflikt auf dem Verhandlungsweg zu lösen. So führte ein von Bischof 10K, einem Vertreter der evangelischen Kirche in der DR Kongo, und dem für die norwegische Nichtregierungsorganisation SIK tätigen Norweger K.L. eingeleitete Initiative nicht zum Erfolg, da von Seiten des Angeklagten Dr. M. Verhandlungen, die nicht unter Vermittlung der Gemeinschaft Sant’ Egidio erfolgten, abgelehnt wurden. Auch ein vom FOCA-Kommandeur S.M. initiiertes Vorgespräch mit der MONUC am 28. August 2009 und ein im Anschluss hierauf zunächst ohne Wissen des Angeklagten Dr. M. erfolgtes Treffen von Vertretern des politischen und militärischen Flügels der FDLR in der DR Kongo mit Vertretern der MONUC und der kongolesischen Regierung am 10. September 2009 in Ntoto brachte kein weiterführendes Ergebnis. Dem von Seiten des kongolesischen Vertreters geäußerten Wunsch nach einer schriftlichen Fixierung des Verhandlungswillens der FDLR gegenüber der kongolesischen Regierung kam der Angeklagte Dr. M. als Präsident der FDLR nicht nach. Vielmehr übersandte er lediglich ein Schreiben an die Gemeinschaft Sant’ Egidio, in dem er noch einmal die Verhandlungsbereitschaft der FDLR unter deren Schirmherrschaft betonte.
2. Taten der FDLR in Kipopo, Mianga, Busurungi, Chiriba und Manje
Während der Operationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ kam es im Rahmen von Bestrafungsangriffen der FDLR gegen kongolesische Siedlungen zu folgenden Einzeltaten, bei denen jeweils nicht an den Feindseligkeiten beteiligte kongolesische Zivilisten wie Feinde behandelt wurden:
a) Angriff auf Kipopo am 13. Februar 2009
Das Dorf Kipopo, das im Groupement Ufamandu im Territorium Masisi im Nord-Kivu etwa 10 km von Kibua entfernt liegt, gehörte vor den Angriffen der Koalitionsarmee im Jahr 2009 und der Vertreibung der FDLR aus diesem Gebiet zur Zone der Reservebrigade der FOCA. In der Siedlung lebten viele Angehörige des Volksstammes der Tembo. Anfang Februar 2009 hielten sich neben der verbliebenen kongolesischen Zivilbevölkerung und Mai-Mai-Kämpfern Soldaten der kongolesischen Regierungsarmee in Kipopo auf, von wo aus sie unter Beteiligung der Mai-Mai-Kämpfer Stellungen der FDLR angriffen und dabei auch ruandische Flüchtlinge töteten. Als Vergeltungsmaßnahme hierfür entschloss sich die FOCA, nun ihrerseits den Ort Kipopo anzugreifen. Dabei war es vorrangiges Ziel der FOCA-Truppen, gegen die dort stationierten FARDC-Streitkräfte und die Mai-Mai-Kämpfer vorzugehen, um für deren Operationen gegen die FDLR und die ruandischen Flüchtlinge Rache zu nehmen. Gleichzeitig sollte aber auch die örtliche Bevölkerung, die die feindlichen Soldaten mit den damit verbundenen Unterstützungsleistungen bei sich aufgenommen hatte, für dieses Verhalten zur Rechenschaft gezogen und bestraft werden.
Der Vergeltungsangriff der FOCA auf Kipopo fand am 13. Februar 2009 durch die Spezialkompanie des Bataillons Zodiaque der Reservebrigade statt. Dabei griffen die FOCA-Soldaten bei Nacht an, um von dem damit verbundenen Überraschungsmoment zu profitieren. Unter dem Kommando von Hauptmann M.V., dem Kommandeur der Spezialkompanie der Reservebrigade, und unter Leitung der Zugführer Leutnant 4S., Leutnant 1P. und Hauptfeldwebel 6R. drangen die FOCA-Soldaten in den Ort ein und setzten mindestens 100 der dort befindlichen Holz- und Strohhäuser in Brand, die dabei völlig zerstört wurden. Vor dem Anzünden der Häuser hatten die FOCA-Kämpfer einige Dorfbewohner in ihre Hütten eingesperrt, in denen sie bei lebendigem Leib verbrannten. Mindestens 13 Zivilisten wurden durch die FOCA-Soldaten getötet. Ob sich zum Zeitpunkt des Angriffs - wie von den FOCA-Soldaten erwartet - tatsächlich noch FARDC-Soldaten in der Siedlung befanden und oder diese kurz zuvor bereits abgezogen waren bzw. wie viele Soldaten noch dort waren, konnte nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Nach Beendigung der Operation wurden die am Angriff beteiligten Soldaten der Spezialkompanie vom FOCA-Kommando in einem Telegramm für ihre Aktion beglückwünscht.
b) Angriff auf Mianga am 12. April 2009
Einen weiteren Bestrafungs- und Vergeltungsangriff führten FOCA-Einheiten am 12. April 2009, also am Ostersonntag, auf das Dorf Mianga im Groupement Waloaluanda im Territorium Walikale, Nord-Kivu durch, das bis zur Operation „Umoja Wetu“ ebenfalls zur Zone der FDLR gehört hatte. Auch hierbei handelt es sich um eine Siedlung, in der Angehörige des Stammes der Tembo lebten. In Mianga hatte zu diesem Zeitpunkt das 202. Bataillon der FARDC Quartier bezogen. Vor dem Angriff der FDLR waren von den in der Siedlung stationierten kongolesischen Streitkräften Angriffe auf FOCA-Soldaten ausgegangen und dabei auch ruandische Flüchtlinge getötet worden. Um Vergeltung für diese Aktionen der FARDC zu üben, aber auch um sich an der aus Sicht der FDLR abtrünnigen örtlichen Bevölkerung dafür zu rächen, dass sie die ruandischen und kongolesischen Streitkräfte willkommen geheißen und unterstützt hatte, ordnete das FOCA-Kommando die Strafoperation auf Mianga an. Die Operation wurde vom Vizekommandanten der FOCA S.N. und seinem Stab organisiert und unter dem Kommando von Oberstleutnant 1D.M. alias K.A., dem Kommandanten des Bataillons PM, durchgeführt. An der Operation waren zwei Kompanien des Bataillons PM, die von den Hauptleuten 3T. und 1R. geführt wurden, sowie Soldaten der Reservebrigade und des Bataillons FOCA QG sowie einzelne Soldaten aus anderen Einheiten beteiligt.
Noch in der Nacht vom 12. April 2009 überquerten die FOCA-Einheiten den Fluss Nyabarongo in Richtung Mianga. Aufgrund von Aufklärungsmaßnahmen war der FOCA bekannt, dass sich neben den Soldaten der kongolesischen Armee auch Zivilisten in Mianga aufhielten und die FARDC ihr Quartier inmitten der Bevölkerung bezogen hatte. Neben dem Kommando der FARDC, das sich im Zentrum von Mianga befand, gab es Zeltlager der kongolesischen Soldaten an beiden Enden der Siedlung und auf einem Hügel, auf dem schwere Waffen stationiert waren. Geplant war deshalb, dass die FOCA-Kämpfer die Siedlung und den Hügel in zwei getrennten Gruppen attackieren sollten. Gegen 5:00 Uhr morgens drangen die FDLR-Milizionäre in die Ortschaft und zum Hügel vor, von wo aus sie die FARDC-Soldaten angriffen. Auch beschoss ein Teil der FDLR-Soldaten die Gegend um den Fluss Nyabarongo. Die kongolesische Armee konnte den für sie überraschenden Angriff der FOCA nicht abwehren. Soweit es den Soldaten noch möglich war, ergriffen sie die Flucht und ließen die Bevölkerung schutzlos zurück. Daraufhin gingen die FDLR-Milizionäre auch gezielt gegen die Zivilbevölkerung vor. So drangen Kämpfer gewaltsam in das Haus des Dorfvorstehers AB.L. ein und enthaupteten diesen in seinem Bett im Schlafzimmer mit einer Machete. Danach töteten sie drei weitere Männer der zivilen Dorfverwaltung. Ferner erschossen, erschlugen und zerstückelten sie insgesamt noch mindestens 41 weitere Zivilisten, darunter viele Frauen und Kinder, und brannten fast das ganze Dorf, mindestens aber 50 Häuser, völlig nieder. Da die FOCA-Kämpfer bei dem Angriff reiche Beute an militärischer Ausrüstung (Waffen, Munition, Uniformen, Motorola-Funkgeräte) erlangt hatten, wurden sie vom FOCA-Kommando hierzu beglückwünscht. Bei dem Angriff wurde auf Seiten der FOCA mindestens ein Milizionär verletzt, der später verstarb.
Für die Zivilisten, die sich aus dem Dorf in die Wälder flüchten konnten, begann eine Leidenszeit, da sie nichts zu essen hatten und nicht wussten, wo sie unterkommen sollten. Erst nach einer gewissen Zeit gestatteten die FOCA-Soldaten die Rückkehr der Bewohner, wobei sie jedoch zur Bedingung hierfür machten, dass diese einen Teil ihres Besitzes an Palmöl an sie abgaben.
c) Angriff auf Busurungi am 10. Mai 2009
Mit besonders gravierenden Übergriffen auf die Zivilbevölkerung war ein Angriff der FDLR auf den Ort Busurungi, die Hauptstadt des Groupements Waloaluanda im Südosten des Territoriums Walikale, Nord-Kivu, verbunden, der vom 9. auf den 10. Mai 2009 stattfand. Busurungi liegt wie die Ortschaft Mianga im Gebiet der kongolesischen Bevölkerungsgruppe der Tembo und hatte vor der Operation „Umoja Wetu“ ebenfalls zur Zone und dem Herrschaftsgebiet der FDLR gehört. Auch bei dem Überfall auf Busurungi handelte es sich um eine Bestrafungs- bzw. Vergeltungsoperation der FDLR.
Vor der Operation der FDLR hatten in Busurungi stationierte Streitkräfte der FARDC, unter denen sich viele ehemalige CNDP-Kämpfer befanden, das wenige Kilometer von Busurungi entfernte Shario angegriffen, wo sich das Hauptquartier der Reservebrigade der FOCA sowie in dessen Nähe ein Lager ruandischer Flüchtlinge befand. Viele von diesen waren Familienangehörige der FDLR-Kämpfer. Bei Angriffen im Zeitraum zwischen dem 25. und 29. April 2009 töteten die kongolesischen Streitkräfte zusammen mit Mai-Mai-Milizionären eine Vielzahl der ruandischen Flüchtlinge, die sich in den dortigen Wäldern aufhielten und zu diesem Zeitpunkt nur durch wenige FOCA-Soldaten geschützt waren. Unter den Opfern waren viele Frauen und Kinder, die erschossen, erstochen oder auf sonstige Art und Weise brutal umgebracht wurden und von denen einige wahrscheinlich auch vergewaltigt wurden. Es herrschte deshalb eine große Wut unter den FOCA-Soldaten. Von Seiten des FOCA-Kommandos wurde daraufhin der Befehl zur Durchführung einer Bestrafungsoperation gegen den Ort Busurungi erteilt. Damit sollte zum einen an den in der Siedlung stationierten FARDC-Soldaten und Mai-Mai-Kämpfern, die als Verantwortliche für die Angriffe auf die FDLR und die Flüchtlinge in Shario galten, Rache geübt und diese aus Busurungi vertrieben werden. Gleichzeitig richtete sich der Angriff aber auch gegen die in Busurungi verbliebene kongolesische Zivilbevölkerung, die für ihren Verrat und ihre Unterstützung der kongolesischen Streitkräfte bestraft werden sollte. So ging die FOCA davon aus, dass die Einwohner von Busurungi die gegnerischen Streitkräfte nicht nur bei sich aufgenommen hatten und versorgten, sondern einzelne Bürger die FARDC-Soldaten bei ihren Angriffen auf Shario auch zu den FDLR-Stellungen und den ruandischen Flüchtlingen geführt und sich zumindest an Übergriffen auf deren Hab und Gut beteiligt hatten.
Der unter der Leitung des Kommandos der Reservebrigade durchgeführte Angriff der FDLR auf die Siedlung wurde von der FOCA genauestens geplant und vorbereitet. So wurden zunächst die Positionen der gegnerischen Soldaten in Busurungi sowie die Verhältnisse vor Ort erkundet. Der FOCA war daher bekannt, dass sich neben FARDC-Soldaten in Bataillonsstärke Zivilisten in der Ortschaft aufhielten, die kongolesischen Streitkräfte über schwere Waffen verfügten und sich deren Soldaten im Wesentlichen auf fünf Positionen verteilten. Als Zeitpunkt für den als Überraschungsgriff geplanten Überfall auf die Siedlung wurde die Nacht vom 9. auf den 10. Mai 2009 bestimmt. Um die FOCA-Kämpfer entsprechend dem von der Reservebrigade erstellten Angriffsplan zu instruieren, wurden alle FDLR-Milizionäre, die sich an der Operation beteiligen sollten, an einen Versammlungsort in einiger Entfernung von Busurungi zusammengerufen. Neben Kämpfern der Reservebrigade, die hauptsächlich zum Bataillon Zodiaque und der Spezialeinheit der Reservebrigade gehörten, waren vor allem Soldaten des Bataillons PM, des Bataillons FOCA QG und aus dem Umfeld des Exekutivkomitees anwesend. Zum Versammlungsort waren darüber hinaus einige Mitglieder der Résistance Civile der FDLR und Zivilisten im Gefolge der Kämpfer gekommen sowie möglicherweise als Wegführer Milizionäre einer ursprünglich zu den PARECO gehörenden Gruppierung unter Leitung eines Oberst 2T.. Nach Erteilung der notwendigen Instruktionen und einer Ansprache durch den Kommandanten des Bataillons Zodiaque Oberstleutnant NW. alias 4C. bzw. 6S., unter dessen Kommando die Operation erfolgte, wurden die Kämpfer in fünf Mannschaften eingeteilt, die sich jeweils selbständig zu den für sie vorgesehenen Angriffspositionen begaben. Da die Stellungen der kongolesischen Armee in Busurungi im Wesentlichen auf den vier Hügeln am Rande der Siedlung verteilt waren und sich das Kommando mit den schweren Waffen im Zentrum der Siedlung befand, war vorgesehen, dass alle fünf Positionen gleichzeitig von verschiedenen Standorten aus attackiert werden sollten. Befehlshaber vor Ort war der S 3 des Bataillons Zodiaque Major F.U..
Wie vereinbart griffen mehrere Hundert FOCA-Soldaten um 2:00 Uhr nachts am 10. Mai 2009 zeitgleich die Stellungen der FARDC an. Dabei schossen die von allen Seiten in die Siedlung und auf die Hügel einfallenden FDLR-Kämpfer in der Dunkelheit wahllos auf Häuser und Menschen. Eine Unterscheidung danach, ob es sich dabei um Soldaten oder Zivilpersonen handelte, wurde nicht vorgenommen, war aber auch nicht vorgesehen. Den FOCA-Kämpfern gelang es, den militärischen Widerstand der kongolesischen Soldaten innerhalb relativ kurzer Zeit zu brechen. Die Soldaten des in Busurungi stationierten 203. Bataillons der FARDC flohen daraufhin aus dem Ort und ließen die Zivilbevölkerung ungeschützt zurück. Gegen diese gingen die FDLR- Milizionäre nun massiv vor. Mindestens 96 Zivilpersonen, darunter Kinder, Frauen und alte Menschen, wurden bei dem Angriff getötet, indem sie erschossen, mit Macheten, Messern, Hacken oder Knüppeln erstochen, zerstückelt oder erschlagen wurden, ihnen die Kehle durchgeschnitten wurde oder sie eingeschlossen in ihren Häusern verbrannten. Viele Dorfbewohner erlitten darüber hinaus Verletzungen. Auch drangen zwei FOCA-Kämpfer in das Haus der Zeugen Z 1 und Z 2 ein, zwangen die zusammen mit drei Kindern im Haus verbliebene Z 1 unter Drohungen, ihnen ihr Bargeld zu geben, und nahmen alles Stehlenswerte wie Kleidungsstücke und Haushaltsgegenstände an sich, um es für sich zu behalten. Anschließend schlug einer der beiden FDLR-Milizionäre der Zeugin Z 1 in Tötungsabsicht mit einer Machete gegen den Kopf. Nur durch Zufall traf der Hieb nicht richtig, weshalb die Zeugin mit einer Schnittwunde am Hinterkopf überlebte, aber auch noch vier Jahre danach unter den Folgen der Verletzung, insbesondere in Form von Kopfschmerzen, leidet. Ihre Kinder wurden von den FDLR-Soldaten mitgenommen, konnten aber später fliehen. Gemäß den ihnen erteilten Anordnungen setzten die FOCA-Kämpfer das ganze Dorf in Brand. Mindestens 700 Hütten und Häuser, darunter auch Schulen, Kirchen und Gesundheitszentren, wurden vollkommen zerstört.
Um 5:00 Uhr morgens war der Angriff schließlich beendet. Mit reicher Beute an militärischer Ausrüstung kehrten die FOCA-Truppen daraufhin zu einem vereinbarten Sammelplatz zurück, allerdings ohne Major F.U., der bei dem Angriff getötet worden war. Die Spezialeinheit der Reservebrigade blieb noch kurzzeitig in Busurungi zurück, um den Rückzug der Truppen abzusichern, kam dann aber auch nach. Der Sieg hob die Moral der FOCA-Truppen. Für die erfolgte Operation wurden die am Angriff beteiligten Soldaten vom FOCA-Kommando beglückwünscht.
Nach dem Angriff der FDLR war das Dorf Busurungi völlig unbewohnbar und wurde in den folgenden Jahren auch nicht mehr besiedelt. Die Einwohner, die aus Busurungi geflüchtet waren, waren dadurch ohne Heimat und Bleibe. Viele ehemalige Bewohner wurden durch das Geschehen stark traumatisiert.
d) Angriff auf Chiriba zwischen dem 25. und 27. Mai 2009
Zwischen dem 25. und 27. Mai 2009 fand ein Angriff der FDLR auf das Dorf Chiriba im Groupement Mubugu, Territorium Kalehe im Süd-Kivu statt, nachdem es bereits zuvor Warnungen und Drohschreiben der FDLR gegenüber der Bevölkerung in der Gegend gegeben hatte. So hatte der Kommandant der für die Gegend zuständigen Kompanie des Bataillons Mirage der Reservebrigade, Hauptmann 1P.R., am 22. März, 27. März und 22. Mai 2009 unter seinen Alias-Namen „3G.“ bzw. „SW.G.“ Schreiben an die Bevölkerung, den Dorfältesten der im Groupement Mubugu gelegenen Siedlung Karasi und Offiziere der FARDC in diesem Gebiet gerichtet, in denen er gezielt Warnungen und Drohungen gegen die Bevölkerung aussprach. Insbesondere im letzten Schreiben vom 22. Mai 2009 machte der Absender deutlich, dass die FDLR zu einem Vorgehen gegen die kongolesischen Streitkräfte und die Zivilbevölkerung, auf deren Boden sich diese aufhielten, bereit und willens war, sollten diese ihre Haltung gegenüber der FDLR nicht überdenken. Diese Drohung setzten FOCA-Kämpfer wenige Tage danach in die Tat um und überfielen das Dorf Chiriba. Bei dem Angriff zündeten die FDLR-Milizionäre mehr als 100 Häuser von Zivilisten an und töteten mindestens vier Zivilisten.
e) Angriff auf Manje am 20./21. Juli 2009
In der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 2009 attackierte die FDLR eine weitere Siedlung, die hauptsächlich von Tembos bewohnt war, nämlich das Dorf Manje im Territorium Walikale im Nord-Kivu, das ungefähr 20 km von Busurungi entfernt und nahe der Grenze zur Provinz Süd-Kivu liegt. Dort hielten sich zu diesem Zeitpunkt viele Flüchtlinge auf, die aus den umliegenden Dörfern geflohen waren und sich Sicherheit bei den in Manje stationierten kongolesischen Streitkräften erhofften. Ebenso wie dies in Mianga und Busurungi der Fall gewesen war, hatte die kongolesische Armee auch von Manje aus immer wieder FDLR-Stellungen angegriffen und dabei ruandische Flüchtlinge getötet. Bei dem Angriff auf Manje handelte es sich deshalb erneut um eine Bestrafungsoperation der FDLR.
Auch hier zielte das Vorgehen der FDLR in erster Linie darauf, den in der Siedlung stationierten Streitkräften der FARDC eine Lektion zu erteilen und sie zu vertreiben. Da den angreifenden Einheiten bekannt war, dass sich im Dorf neben den Soldaten auch Zivilisten aufhielten, richtete sich der Angriff aber auch gegen die im Dorf verbliebene zivile Bevölkerung, die durch ihre Hinwendung zu den kongolesischen Streitkräften und deren Unterstützung ebenfalls als Feind betrachtet wurde und zur Rechenschaft gezogen werden sollte.
Der Angriff wurde wiederum von Einheiten der Reservebrigade der FDLR, die in der Nähe des Ortes stationiert waren, als Überraschungsangriff durchgeführt. Nachdem der Widerstand der kongolesischen Soldaten gebrochen war und diese aus Manje geflüchtet waren, brannten die FDLR-Rebellen mindestens 182 Häuser in der Siedlung nieder. Außerdem töteten sie mindestens 16 Zivilisten. Teilweise wurden diese durch Macheten getötet, teilweise auch in ihren Häusern verbrannt.
f) Kenntnis der Angeklagten
Die Art und Weise des Vorgehens der FOCA gegen die kongolesische Zivilbevölkerung war den Angeklagten Dr. M. und M. spätestens nach dem Angriff auf das Dorf Kipopo bekannt; zumindest akzeptierten und billigten sie dieses.
B. Die Aktivitäten des Angeklagten Dr. M.
I. Tätigkeiten vor seiner Wahl zum Präsidenten der FDLR
Der Angeklagte Dr. M. ist seit Bestehen der FDLR deren Mitglied. Bereits an der Gründungsversammlung der FDLR am 1. Mai 2000 in Lubumbashi war er anwesend. Er hatte zuvor bereits an den Gründungsunterlagen der Organisation mitgearbeitet.
Er erhielt bei Gründung der FDLR sogleich das Amt eines Beauftragten für auswärtige Angelegenheiten und hatte in dieser Funktion unter anderem die Aufgabe, von Deutschland aus Öffentlichkeitsarbeit zu verrichten sowie internationale Kontakte herzustellen. Seit Gründung der FDLR war der Angeklagte Dr. M. Mitglied des Comité Directeur, ab seiner Wahl zum Präsidenten kraft Amtes auch Vorsitzender dieses Organs.
II. Wahl zum Präsidenten der FDLR
Wegen des internationalen Drucks auf die Regierung der DR Kongo, nicht mit Personen zusammenzuarbeiten, die für den Völkermord 1994 in Ruanda verantwortlich waren, beschloss die FDLR, eine Auswechslung ihrer politischen Führungspersonen gegen solche vorzunehmen, die mit dem Völkermord in Ruanda nicht in Verbindung gebracht werden konnten. Daher wurde im Dezember 2001 der zu diesem Zeitpunkt schon seit über zwölf Jahren in Deutschland lebende Angeklagte Dr. M. zum Präsidenten der FDLR gewählt. Seine Stellvertreter wurden Dr. H. als 1. Vizepräsident und 2P.R. als 2. Vizepräsident; zum Exekutivsekretär wurde 1A.N. bestimmt.
Zwar führte der Angeklagte Dr. M. zunächst die FDLR nur formell nach außen, während der Militärkommandeur 3A.N. der starke Mann hinter ihm und der eigentliche Führer der FDLR war. Nachdem allerdings 3A.N. 2002 nach Ende des 2. Kongo-Kriegs außer Landes geflohen war und damit faktisch die FDLR nicht mehr leiten konnte, gewann der Angeklagte Dr. M. auch intern an Einfluss in der FDLR.
Er war gemäß Art. 42 der Satzung der FDLR kraft Amtes Vorsitzender der wichtigsten Entscheidungsgremien der FDLR, insbesondere auch des Comité Directeur, und hatte nach Artikel 24 des Reglements der Inneren Ordnung der FDLR formal den Oberbefehl über die Streitkräfte inne.
Auch nach dem Zusammenschluss der Truppen aus dem Osten und Westen der DR Kongo am 15. Februar 2003 und personellen Veränderungen in der Führung der FOCA blieb der Angeklagte Dr. M. weiterhin Präsident der FDLR.
III. Tätigkeiten als Präsident der FDLR vor „Umoja Wetu“
Nach der Repatriierung des militärischen Führers der FOCA und 2. Vizepräsidenten 2P.R. nach Ruanda im November 2003 eskalierten die Konflikte um die Führungspositionen in der FDLR. Der Angeklagte Dr. M. wurde im November 2003 zeitweise entmachtet. Seine Position übernahm vorübergehend der 1. Vizepräsident Dr. H., der zusammen mit dem Exekutivsekretär F.K. dem Angeklagten Dr. M. auch finanzielle Unregelmäßigkeiten vorwarf. Der Angeklagte Dr. M. gewann jedoch den Machtkampf, nachdem General S.M. sich öffentlich auf die Seite des Angeklagten Dr. M. gestellt hatte. Dr. H. und weitere Führungspersonen der FDLR wurden zum 1. Juni 2004 ihrer Ämter enthoben. Der Angeklagte Dr. M. blieb Präsident der FDLR, zum neuen 1. Vizepräsidenten wurde der Angeklagte M. ernannt.
1. Ausgeübte Tätigkeiten im Einzelnen
Als Präsident der FDLR nahm der Angeklagte Dr. M. zahlreiche Aufgaben in der Verwaltung und Repräsentation der Organisation wahr:
- So war er der rechtliche Vertreter der FDLR auf nationaler und internationaler Ebene und oberste Autorität der FDLR (a)).
- Er war als Präsident Vorsitzender des Comité Directeur und leitete in dieser Funktion die Versammlungen des Comité Directeur, entweder unmittelbar vor Ort während seiner Besuche im Kongo oder mittels Kommunikationsmitteln von Deutschland aus. Des Weiteren erarbeitete er zusammen mit dem Angeklagten M. und dem Exekutivsekretär Tagesordnungspunkte dieser Versammlungen (b)).
- Er nahm an Verhandlungen der FDLR mit Regierungen und Organisationen teil bzw. legte die Verhandlungspositionen fest und bestimmte die Delegationsmitglieder (c)).
- Er bestimmte maßgeblich die Kommunikationswege innerhalb der Organisation und die Außenkontakte der FDLR zu offiziellen Stellen, Nichtregierungsorganisationen und Journalisten (d)).
- Er besuchte führende Politiker und Führungskräfte der FOCA sowie deren Einheiten (e)).
- Er war für die Ernennung von Führungspersonen der Organisation und zur Abnahme von deren Eiden auf die Organisation zuständig (f)).
- Er entschied über Gnadengesuche (g)).
- Er motivierte die Mitglieder der Organisation durch Ansprachen und Grußbotschaften (h)).
- Er wurde von den politischen und militärischen Verantwortlichen über die Ereignisse in den Kivu-Provinzen informiert (i)).
- Er war als Präsident maßgeblich für die Öffentlichkeits- und Propagandatätigkeit der Organisation verantwortlich (j)).
a) Satzungsgemäßer Vertreter und oberste Autorität
Der Angeklagte Dr. M. unterzeichnete als satzungsgemäßer Vertreter der FDLR Verträge und Erklärungen wie etwa die Erklärung der FDLR zu den Verhandlungen von Rom im März 2005, fertigte Gesetzestexte der FDLR aus und nahm die Zahlung von 250.000 US-Dollar der kongolesischen Regierung für geleistete militärische Hilfe entgegen.
Sowohl von den Führungspersonen der FDLR als auch von den Führungspersonen anderer Organisationen wurde der Angeklagte Dr. M. als höchste Autorität der FDLR anerkannt.
Der Angeklagte Dr. M. leitete als Präsident der FDLR den Nationalkongress. Dieses Organ trat allerdings nur einmal im Zeitraum vom 24. bis 31. Januar 2006 während des Aufenthalts des Angeklagten Dr. M. im Kongo zusammen.
b) Vorsitzender des Comité Directeur
Wesentlich bedeutender war die mit dem Präsidentenamt verbundene Funktion als Vorsitzender des Comité Directeur, das nach der Satzung der FDLR halbjährlich tagte.
Diese Versammlungen des Comité Directeur fanden abhängig von der Sicherheitslage in den Kivu-Provinzen für die dort lebenden Mitglieder bis zu Beginn der Militäroffensive „Umoja Wetu“ statt. Sofern die Versammlung des Comité Directeur während des Aufenthalts des Angeklagten Dr. M. in den Kivu-Provinzen stattfand, leitete er diese persönlich vor Ort.
Fand eine solche Versammlung zu einem Zeitpunkt statt, bei dem sich der Angeklagte Dr. M. in Europa aufhielt, leitete er die Versammlung mittels Telekommunikationsmitteln von Europa aus. Die nicht im Kongo lebenden Mitglieder des CD-West trafen sich bei der Versammlung des Comité Directeur an einem Ort in Europa, regelmäßig in Deutschland oder Frankreich und kommunizierten per E-Mail oder Telefon mit den Mitgliedern des CD-Ost, die sich zeitgleich an einem Ort in den Kivu-Provinzen versammelt hatten. Die Versammlung des CD-Ost wurde hierbei regelmäßig vom 2. Vizepräsidenten 8R. geleitet.
Die letzte Versammlung des Comité Directeur vor der Verhaftung der beiden Angeklagten hat am 19. Januar 2009, mithin wenige Tage vor Beginn von „Umoja Wetu“, stattgefunden.
Im Zeitraum vom 25. Dezember 2008 bis zum 7. Januar 2009 hatte der Angeklagte Dr. M. als Vorsitzender des Comité Directeur unter Einbindung des Exekutivsekretärs 16M. und des 1. Vizepräsidenten M. die Tagesordnung für die am 12. Januar 2009 stattfindende Versammlung der Angehörigen des FOCA-Oberkommandos sowie die Tagesordnung für die vom 16. bis 19. Januar 2009 stattfindende Versammlung des Comité Directeur erstellt und formulierte auch Beschlussentwürfe. Allerdings fehlt in der von Dr. M. und 16M. unterzeichneten Endfassung der Empfehlungen für die CD-Versammlung der im Entwurf zunächst noch vorgesehene Punkt „Vergewaltigungen und sonstige Verbrechen oder Straftaten dürfen niemals geduldet werden“.
Wegen der militärischen Bedrängnis konnte die für den Juli 2009 satzungsgemäß vorgesehene Versammlung des Comité Directeur nicht durchgeführt werden. Eine daraufhin für den September 2009 geplante Versammlung musste wegen der Gefährdung der im Kivu lebenden Mitglieder vom Angeklagten Dr. M. ebenfalls abgesagt werden. Aus diesem Grund hatten weder der Angeklagte Dr. M. als Vorsitzender noch die übrigen in Europa lebenden Mitglieder dieses FDLR-Organs die Möglichkeit, auf Entscheidungen des FOCA-Kommandos Einfluss zu nehmen.
c) Verhandlungstätigkeiten
Der Angeklagte Dr. M. nahm als Präsident der FDLR an Verhandlungen mit Vertretern der kongolesischen Regierung und internationalen Organisationen teil oder leitete Verhandlungsdelegationen der Organisation.
aa)
Vom 29. bis 31. März 2005 fanden auf Initiative des kongolesischen Präsidenten Kabila unter Vermittlung der katholischen Gemeinschaft Sant’ Egidio in Rom Verhandlungen zwischen der Regierung der DR Kongo und der FDLR statt, die Regierung Ruandas hatte eine Teilnahme an den Verhandlungen in Rom abgelehnt.
Die Verhandlungsdelegation der FDLR wurde von dem Anklagten Dr. M. angeführt, der Angeklagte M. war maßgeblich an den Vorbereitungen beteiligt und ebenfalls in Rom. Der Angeklagte Dr. M. war es auch, der für die FDLR-Führung am 31. März 2005 in Rom eine Erklärung, nach der sich die FDLR-Angehörigen u.a. zu einer Aufgabe des bewaffneten Kampfes und zur freiwilligen Rückkehr nach Ruanda innerhalb eines Zeitraums von 90 Tagen verpflichteten, unterzeichnete und verlas. Zudem gelang es dem Angeklagten Dr. M., die kongolesische Regierung zu einer Zahlung von 250.000 US-Dollar als Sold für die frühere Unterstützung der Regierung Kabila durch die „Forces speciales“ zu bewegen.
Im Anschluss an die Unterzeichnung reiste der Angeklagte Dr. M. vom 28. April bis zum 11. Juni 2005 in die Kivu-Provinzen. Er informierte die Führungsebene der FDLR im Ostkongo über die Ergebnisse der Verhandlungen von Rom und warb für deren Umsetzung. Es gelang ihm jedoch trotz seiner Autorität und der Position als Präsident der FDLR nicht, die FOCA-Führung für eine Umsetzung des Abkommens zu gewinnen, weil diese ihrer Entwaffnung als Bedingung für eine Rückkehr nicht zustimmte. Aufgrund der strikten Weigerung der Militärs wurde über die Umsetzung erst gar nicht im Comité Directeur abgestimmt. Damit war die Umsetzung des Abkommens von Rom bereits am Widerstand innerhalb der FDLR gescheitert.
Gleichwohl machten in der Folge die Angeklagten Dr. M. und M. die DR Kongo und die internationale Gemeinschaft für das Scheitern der Umsetzung der Friedensgespräche verantwortlich, da es diesen nicht gelungen sei, Ruandas Regierung von der Führung eines „innerruandischen Dialogs“ mit der FDLR zu überzeugen.
bb)
2006 erfolgte die Abspaltung einer Gruppe von der FDLR. Der Führer der Brigade der FDLR in der Walikale-Region, Oberst 1J.N. alias 20M., zerstritt sich mit dem FOCA-Kommandeur S.M. und es kam zu Gefechten zwischen Einheiten der FDLR und der Brigade von 20M.. Vermittlungsversuche des Angeklagten Dr. M. als Präsident scheiterten. Oberst 20M. gründete die AN-Imboneza, die nachfolgend zum militärischen Flügel der RUD-Urunana wurde.
cc)
Nach einer diplomatischen Annäherung zwischen Ruanda und der DR Kongo verpflichtete sich deren Regierung im gemeinsamen Kommuniqué von Nairobi vom 9. November 2007, die FDLR mit Hilfe der MONUC aktiv zu bekämpfen. Im April 2008 bemühte sich die kongolesische Regierung, die Kontakte zur Führung der FDLR unter Vermittlung der Gemeinschaft Sant’ Egidio zu erneuern, um Verhandlungen über eine Entwaffnung der FDLR und Ansiedlung derer Kämpfer in der DR Kongo - im Rahmen des Kommuniqués von Nairobi - zu erreichen. Der Angeklagte Dr. M. stimmte mit Erklärung vom 10. Mai 2008 einem Treffen mit einer kongolesischen Delegation zu, wenn - neben der Erfüllung mehrerer anderer Bedingungen - der einzige Gesprächspunkt die „Bewertung des Prozesses von Rom“ sei. Er wollte so die Verhandlungen davon abhängig machen, dass die DR Kongo die FDLR dabei unterstütze, die Regierung Ruandas dahin zu bringen, die Führung eines „innerruandischen Dialogs“ zu akzeptieren.
Auch später lehnte der Angeklagte Dr. M. eine Entwaffnung der FDLR und Verhandlungen hierüber mit Vertretern der Regierung der DR Kongo und der internationalen Gemeinschaft ab. Er erklärte sich ausschließlich bereit, mit diesen über die Lösung der Flüchtlingsfrage zu verhandeln. Ein endgültiger Verbleib der Soldaten der FDLR in der DR Kongo, wie von der kongolesischen Regierung vorgeschlagen, kam für ihn nicht in Betracht.
Am 19. Januar 2009 besprach der Angeklagte Dr. M. zunächst mit dem Mitangeklagten M. und dann telefonisch mit dem Exekutivsekretär 16M. die Reaktion der FDLR auf einen Erklärungsentwurf des Sondergesandten der DR Kongo 8K., in welchem sich die FDLR zur Niederlegung der Waffen ohne vorherige Verhandlungen verpflichten sollte. Die Beteiligten kamen überein, den Entwurf abzulehnen, weil sonst der Eindruck entstünde, die FDLR kapituliere.
dd)
Auch in der Folgezeit war der Angeklagte Dr. M. der Ansprechpartner für die Gemeinschaft Sant’ Egidio, die sich weiter um Verhandlungen zur Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzungen bemühte. Hauptansprechpartner für den Angeklagten war dabei Pater 14M. (15M. 2Z.).
d) Festlegung der Kommunikation der FDLR
Der Angeklagte Dr. M. traf als Präsident der FDLR die Entscheidungen, ob und gegebenenfalls welche Mitglieder der FDLR mit Journalisten, mit den Vereinten Nationen, mit kirchlichen Vertretern, Regierungsvertretern oder Vertretern von Nichtregierungsorganisationen kommunizieren durften. Selbst die Frage, wie innerhalb der FDLR zwischen den Organen zu kommunizieren sei, bestimmte der Präsident der FDLR.
e) Reisetätigkeit als Präsident
In seiner Funktion als Präsident der FDLR unternahm der Angeklagte Dr. M. mehrere Reisen in die Kivu-Provinzen.
aa)
Im Zeitraum von August bis Oktober 2003 besuchte der Angeklagte Dr. M. FDLR-Einheiten in Mushenge, Territorium Lubero, Nord-Kivu. Er wurde dort mit militärischen Ehren empfangen.
bb)
Vom 28. April bis zum 11. Juni 2005 reiste der Angeklagte Dr. M. erneut in die DR Kongo. Er hielt sich hierbei unter anderem im FOCA-Hauptquartier in Kalongi, bei Verbänden im Territorium Rutshuru und im Territorium Lubero auf. Als Präsident nahm er militärische Ehrenbezeugungen entgegen und schritt angetretene Formationen bewaffneter Soldaten ab. Aus dem von der kongolesischen Regierung empfangenen Betrag von 250.000 US-Dollar zahlte der Angeklagte Dr. M. über das FOCA-Kommando jedem FDLR-Soldaten, unabhängig von dessen Rang, 10 US-Dollar aus. Außerdem informierte er im Mai 2005 persönlich die Führungsebene der FDLR im Ostkongo über die Verhandlungen von Rom und warb - wie ausgeführt allerdings vergeblich - für deren Umsetzung. Gleichzeitig diente diese Reise der Festigung seiner Position als FDLR-Präsident nach seiner zeitweiligen Amtsenthebung und seiner bevorstehenden Wiederwahl.
Am 25. Juni 2005 wurde der Angeklagte Dr. M. dementsprechend als Präsident der FDLR wiedergewählt und der Angeklagte M. als 1. Vizepräsident der FDLR bestätigt.
cc)
Der Angeklagte Dr. M. hielt sich vom September 2005 bis April 2006 abermals in der DR Kongo auf. Während seines Aufenthalts besuchte er verschiedene Einheiten der FDLR und bemühte sich dabei insbesondere, seine Macht und seinen Einfluss in der FDLR nach den verschiedenen Abspaltungen und den vorherigen Auseinandersetzungen um seine Führung zu festigen. Er beschäftigte sich unter anderem mit der Abspaltung der RUD unter dem damaligen Oberst 20M., mit der Umbesetzung des Postens des G 2-Offiziers im Generalstab und mit der Verlagerung des FOCA-Hauptquartiers. Er besuchte das Bataillon Bahama der Division SONOKI im Raum Kibua und hielt dort am 31. Dezember 2005 eine Ansprache. Im Rahmen einer Versammlung des Generalstabs der FOCA sprach er mit den führenden Offizieren. Vom 24. bis zum 31. Januar 2006 leitete er außerdem einen Kongress der FDLR in Kalongi. Dort wurden unter anderem militärische Themen erörtert, wie beispielsweise der Vorrang des militärischen Befreiungskampfs vor weiterführender Schulbildung, die Bestätigung des FOCA-Kommandanten im Amt und Einzelheiten von 14 (Militär-)Gerichtsverfahren gegen FDLR-Angehörige wegen interner Regelverstöße.
f) Ernennung von Führungspersonen und Abnahme von Eiden
Als Präsident der FDLR oblag dem Angeklagten Dr. M. die Ernennung von Führungspersonen der Organisation und die Abnahme von Eidesleistungen. So nahm der Angeklagte Dr. M. am 23. April 2007 1I.N. alias 5T., der im Büro des 2. Vizepräsidenten arbeitete, telefonisch den Eid ab.
Am 15. Juli 2007 ernannte er drei Obristen der FOCA zu Brigadegenerälen.
g) Gerichtsmitglied und Entscheidung über Gnadengesuche
Als Präsident der FDLR war der Angeklagte Dr. M. nach Art. 25 des Reglements über die Gerichtsinstanzen auch Mitglied von FDLR-Gerichten sowie mit der Entscheidung über Gnadengesuche von durch FDLR-Gerichte Verurteilter befasst.
h) Motivation der FDLR-Mitglieder
Des Weiteren richtete der Angeklagte als Präsident und „oberster Führer“ regelmäßige Botschaften an die FDLR-Angehörigen in den Kivu-Provinzen, insbesondere zu Gedenktagen der Organisation und kirchlichen Feiertagen. Diese Botschaften wurden den FOCA-Soldaten von ihren Kommandeuren verlesen. In diesen Botschaften dankte der Angeklagte Dr. M. den FDLR-Angehörigen für ihre geleistete Arbeit für die Organisation und bestärkte sie bei der Bewältigung künftiger Aufgaben.
i) Entgegennahme von Berichten der Organisation aus dem Kivu
Als Präsident wurde der Angeklagte Dr. M. von politischen und militärischen Verantwortlichen über die Ereignisse in den Kivu-Provinzen informiert. So übermittelten in den Jahren 2007 und 2008 insbesondere 2M.M. alias 4L., der 2. Vizepräsident G.I. alias 8R. und der Kommandeur des Sektors SONOKI Oberst P.N. alias O. dem Angeklagten Dr. M. militärische Einzelheiten zu Kämpfen gegen den CNDP, die FARDC und andere militärische Gruppierungen.
j) Öffentlichkeits- und Propagandaarbeit
Die umfangreiche Öffentlichkeits- und Propagandaarbeit der FDLR wurde bereits vor „Umoja Wetu“ im Wesentlichen vom Angeklagten Dr. M. in enger Absprache mit dem Exekutivsekretär 16M. geleistet. Sie erfolgte ganz überwiegend über die Internetseite www...org sowie über BBC. Diese Propagandaarbeit motivierte die in den Kivu-Provinzen kämpfenden Einheiten der FDLR.
2. Keine Ausübung des Oberbefehls über die FDLR-Streitkräfte
Obwohl es nach Art. 24 des Reglements der Inneren Ordnung zu den Aufgaben des Präsidenten der FDLR gehörte, den Oberbefehl über die Streitkräfte auszuüben, hatte der Angeklagte Dr. M. jedoch faktisch keine Möglichkeit, auf Entscheidungen des Militärs Einfluss zu nehmen und gegebenenfalls seinen den Entscheidungen der Militärführung entgegenstehenden Willen durchzusetzen.
a) Keine Befehlsgebung durch den Angeklagten
Zu keiner Zeit hat der aus Deutschland agierende Angeklagte Dr. M. einen militärischen Befehl oder eine konkrete strategische Weisung an die FOCA-Führung erteilt, also Befehlsgewalt persönlich ausgeübt.
Obwohl der Angeklagte Dr. M. von Politikern der FDLR und den Führungsoffizieren der FOCA als politischer Führer geachtet und respektiert wurde, hat sich der Angeklagte als Präsident der FDLR in keinem Fall gegen die Praktiken und Wünsche des Militärs gestellt, selbst wenn sie ihm missfielen.
b) Keine Kontrollmöglichkeit des Angeklagten
Zudem hatte der in Deutschland lebende Angeklagte Dr. M. keine Möglichkeit, ausreichend Kontrolle über die FOCA auszuüben. So wurde er vor allem vom FOCA-Kommando nicht über deren geplante militärische Operationen informiert, sondern erst im Nachhinein über deren Durchführung. Regelmäßige und formalisierte Konsultationen mit dem FOCA-Kommando erfolgten nicht. Der letzte Besuch des Angeklagten Dr. M. in die Kivu-Provinzen war im Jahr 2006 erfolgt. Er verfügte somit weder im Jahr 2008 noch im Jahr 2009 über ausreichende und zuverlässige Vorort-Informationen, die ihm eine wirksame Kontrolle der FOCA-Einheiten ermöglicht hätten.
c) Keine tatsächliche Möglichkeit der Verbrechensverhinderung
Zudem besaß er nicht die tatsächlichen Möglichkeiten, Kriegsverbrechen der FOCA-Soldaten gegen den Willen von deren militärischer Führung zu verhindern, weil das Militär der mächtige und bestimmende Flügel der Organisation FDLR war und ist. Der Angeklagte Dr. M. hatte weder nach den Gesetzen der FDLR noch nach den tatsächlichen Machtverhältnissen innerhalb der Organisation die Möglichkeit, den FOCA-Kommandanten S.M. seines Amtes zu entheben. Hierüber entschied nämlich das FOCA-Oberkommando, dessen Vorsitzender Generalmajor S.M. war, der sich auf die von ihm im FOCA-Kommando sowie FOCA-Oberkommando platzierten Gefolgsleute und die ihm ergebenen Einheiten der Reservebrigade verlassen konnte.
IV. Tätigkeiten als Präsident der FDLR nach dem Beginn von „Umoja Wetu“
Der Angeklagte Dr. M. setzte seine Tätigkeiten als Präsident der FDLR auch nach dem Beginn der Militäroperation „Umoja Wetu“ Ende Januar 2009 unvermindert fort.
1. Entgegennahme von Berichten der FDLR aus dem Kivu
So wurde der Angeklagte Dr. M. auch während der gegen die FDLR gerichteten Militäroperationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ in seiner Funktion als Präsident von hohen FDLR-Politikern bzw. Militärs fortwährend über die militärische Lage und die Situation der ruandischen Flüchtlinge in den Kivu-Provinzen durch zahlreiche Berichte informiert. Zu seinen Informanten gehörten insbesondere der 2. Vizepräsident G.I. alias 8R., der Sektorenkommandeur Oberst P.N. alias O. und 2M.M. alias 4L., der sich in einer SMS vom 29. Dezember 2008 als Leiter einer Antenne bezeichnete.
2. Angeklagter als maßgeblicher politischer Entscheidungsträger
Auch während der Militäroperationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ war der Angeklagte Dr. M. für die politischen Entscheidungen der Organisation maßgeblich zuständig, obwohl während dieser Zeit die turnusmäßigen Versammlungen des Comité Directeur aus Furcht vor gezielten Angriffen und wegen der Kriegshandlungen nicht abgehalten werden konnten.
a)
Am 27. März 2009 fand in Paris ein Treffen von Vertretern der evangelischen Kirche im Kongo (ECC), der norwegischen Nichtregierungsorganisation SIK und der RUD statt, welches zur Aufnahme von Verhandlungen über eine friedliche Rückkehr der ruandischen Flüchtlinge dienen sollte. Über den Inhalt dieses Treffens wurde der Angeklagte Dr. M. vom Exekutivsekretär 16M. informiert. Im Rahmen dieser Vermittlungsversuche wandten sich K.L. (SIK) und Bischof 10K (ECC) auch an die FOCA-Führung im Kongo. Nach Rücksprache mit dem FOCA-Kommandeur S.M. und Exekutivsekretär 16M. forderte der Angeklagte Dr. M. K.L. auf, die Friedensvermittlungen einzustellen. Allein die Gemeinschaft Sant´ Egidio von Rom sei ein vertrauenswürdiger Vermittler zwischen der kongolesischen Regierung und der FDLR. Aus vielen Gründen könne die ECC zwischen der FDLR und den Behörden der DR Kongo und Ruanda nicht vermitteln.
b)
In einer SMS vom 15. Juni 2009 teilte Generalmajor S.M. dem Angeklagten Dr. M. mit, dass Vertreter der Vereinten Nationen das Massaker von Shario untersuchen würden und die FDLR um einen Beitrag ersuchten. Er fragte deshalb beim Angeklagten Dr. M. an, was er antworten solle.
c)
Am 9. Juli 2009 erhielt der Angeklagte Dr. M. vermittelt über Generalmajor S.M. eine Audiobotschaft des stellvertretenden FOCA-Kommandanten, in der dieser unter anderem wegen des prekären Zustands der FDLR eine Aufnahme von Verhandlungen mit der Regierung der DR Kongo und die Einberufung einer Versammlung des Comité Directeur vor September 2009 forderte.
d)
Am 24. August 2009 informierte 4L. in einer E-Mail den Angeklagten Dr. M. über eine bevorstehende Rebellion gegen den kongolesischen Staatspräsidenten Kabila. Die Rebellen würden bei der FDLR um eine Zusammenarbeit nachsuchen. 4L. fragte bei Dr. M. nach der Haltung der FDLR zu diesen Plänen. Dieser antwortete ihm in der E-Mail vom 25. August 2009, er habe den Kommandanten der Division SONOKI beauftragt, Leute zu der Delegation der Rebellen zu schicken. Es werde keine Zusammenarbeit der FDLR mit diesen Rebellen geben und die FDLR werde sich auch nicht in deren Organisation eingliedern.
e)
Am 10. September 2009 fand in Ntoto, Nord-Kivu, ein Treffen zwischen Politikern und Militärs der FDLR, Vertretern der MONUC und MW., der als Vertrauter der kongolesischen Regierung von der MONUC hinzugezogen worden war, statt. MW. erklärte dabei, dass die FDLR-Führung ihren Verhandlungswillen schriftlich gegenüber der Regierung der DR Kongo erklären solle. Der Angeklagte Dr. M. verweigerte jedoch in einem Gespräch mit Pater 15M. ein solches Schreiben mit der Begründung, Kabila habe den Krieg begonnen, also solle er ihn auch beenden. In einem weiteren Gespräch mit Pater 15M. begründete er die Weigerung damit, das Schreiben könne sonst so gedeutet werden, dass die FDLR kriegsmüde sei und die Waffen niederlegen wolle.
Über dieses Treffen tauschten sich der Angeklagte Dr. M. und der Angeklagte M. in einem Telefongespräch vom 17. September 2009 aus. Dr. M. erklärte hierbei, die Kongolesen würden das Treffen als ein Anzeichen der Kriegsmüdigkeit bei der FDLR deuten, jedoch sei das Gegenteil der Fall.
f)
Am 13. Oktober 2009 informierte der Angeklagte Dr. M. den FOCA-Kommandeur S.M. und den 2. Vizepräsidenten G.I. über ein geplantes Treffen zwischen der FDLR und Vertretern der kongolesischen Regierung sowie der MONUC unter Vermittlung von Gemeinschaft Sant’ Egidio.
Am 18. Oktober 2009 besprach der Angeklagte Dr. M. mit Pater 15M. Einzelheiten dieses geplanten Treffens und kommunizierte daher am selben Tag und am 9. November 2009 mit den beiden Vorgenannten.
3. Motivation der FDLR-Mitglieder
In seiner Funktion als Präsident der FDLR und „oberster Führer“ wandte sich der Angeklagte Dr. M. regelmäßig an die Mitglieder der FDLR und „Abacunguzi“, d.h. die Soldaten der FOCA, insbesondere um deren Motivation hoch zu halten und sie bewusst zu bestärken. Unter anderem dankte er ihnen darin für ihren Einsatz im Krieg und forderte sie auf, trotz aller Widrigkeiten durchzuhalten und im Kampf nicht nachzulassen.
4. Beteiligung an der Öffentlichkeits- und Propagandaarbeit
Die umfangreiche Öffentlichkeits- und Propagandaarbeit der FDLR wurde auch nach dem Beginn von „Umoja Wetu“ weiterhin vom Angeklagten Dr. M. und Exekutivsekretär 16M. geleistet. Diese Propagandaarbeit diente der Motivation der in den Kivu-Provinzen kämpfenden Einheiten der FDLR, unterstützte aber zugleich, wie der Angeklagte wusste und zumindest billigend in Kauf nahm, die Begehung von Kriegsverbrechen. Die kämpfenden Einheiten wussten nämlich, dass die politische Führung von der FDLR begangene Kriegsverbrechen entweder abstreiten oder dem Gegner anlasten werde und sie deshalb keine konreten Konsequenzen zu befürchten haben. Außerdem entstand bei den FOCA-Soldaten der Eindruck, wenn ihr Präsident in der BBC zu hören sei, dann könne man nicht weltweit gegen die FDLR sein.
a) Einwerbung von Geldern für die Öffentlichkeitsarbeit
Der Angeklagte Dr. M. warb bei verschiedenen FDLR-Mitgliedern in Europa erfolgreich um Geld für die Kosten der Internetseite.
Des Weiteren organisierte der Angeklagte Dr. M. zusammen mit dem Angeklagten M. im August 2009 den Wechsel dieser Internetseite nach deren Sperrung beim Provider OVH zum Provider amen.fr. Inhaber der Internet-Adresse war nach dem Wechsel 2I.N., der vom Angeklagten Dr. M. hierzu überredet worden war und der auch seine Kreditkartendaten zur Bezahlung zur Verfügung stellte.
b) Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit durch den Angeklagten
Im Zeitraum von Januar bis November 2009 erschienen monatlich mehrere Pressemitteilungen der FDLR und Erklärungen des Angeklagten Dr. M., beispielsweise in einem offenen Brief an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und Vertreter anderer internationaler Institutionen. Diese Presseerklärungen wurden zumeist vom Angeklagten Dr. M. und dem Exekutivsekretär 16M. verfasst, unter Mitwirkung des 1. Vizepräsidenten M. und dem Kommissar für Außenangelegenheiten 1D.N. überarbeitet und anschließend veröffentlicht.
Schwerpunkt dieser Öffentlichkeitsarbeit war es, die ruandische Regierung zu diskreditieren und ihr bzw. dem von Ruanda unterstützten CNDP die Verantwortung für die kriegerischen Auseinandersetzungen im Ost-Kongo zuzuweisen. Die FDLR hingegen stellte sich stets als friedliebend dar und betonte, sie fordere konstruktive Vorschläge zu einer würdevollen Rückkehr nach Ruanda. In diesem Zusammenhang wiederholte der Angeklagte Dr. M. auch gegenüber den Medien ständig die Aussage, nur ein innerruandischer Dialog zwischen der ruandischen Regierung und der FDLR könne die Problematik im Ostkongo endgültig lösen und so dauerhaften Frieden bringen.
Bereits vor der Militäroperation „Umoja Wetu“ verfolgte die politische Führung der FDLR im Kongo und in Europa diese Strategie. Insbesondere mit der Intensivierung der kriegerischen Auseinandersetzungen im Jahr 2009 und der Zunahme der von der FDLR verübten Verbrechen wurden die Pressemitteilungen mehr und mehr zu einem Instrument, Vorwürfe gegen die FDLR abzustreiten und insbesondere die Kriegsverbrechen der FDLR dem Gegner anzulasten. So wurden Berichte über konkrete Massaker der FDLR an der Zivilbevölkerung unverzüglich und ohne eine Nachprüfung durch FDLR-Führungskräfte vor Ort stets zu bösartigen Falschmeldungen erklärt, die allein dazu dienten, das Ansehen der FDLR zu schädigen. In Verdrehung der Tatsachen erklärte die FDLR, seit jeher friedlicher Nachbar der kongolesischen Bevölkerung zu sein. Die außergewöhnlich disziplinierten Truppen der FDLR hätten noch nie einen einzigen Übergriff gegenüber der Zivilbevölkerung verübt; vielmehr schützten sie die Zivilbevölkerung vor kriminellen Gruppierungen. Ruandische Truppen und ihre Verbündeten würden die Massaker an der kongolesischen Zivilbevölkerung verüben und die FDLR hierfür beschuldigen, um so die Fortsetzung ihres schmutzigen Krieges zu legitimieren.
Aber nicht nur über die Verantwortlichkeit der FDLR für Kriegsverbrechen täuschte die FDLR-Führung in ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Auch belog die FDLR die Öffentlichkeit bezüglich der Zugehörigkeit von für den Völkermord im Jahre 1994 verantwortlicher Hutu zur FDLR.
Des Weiteren täuschte die FDLR-Führung bewusst die Öffentlichkeit über die Moral und den Rückkehrwillen ihrer Kämpfer und Führungspersönlichkeiten. So stellte die FDLR die freiwillige Rückkehr hochrangiger FDLR-Mitglieder als deren Entführung oder Gefangennahme durch ruandische Regierungssoldaten dar.
In seiner Öffentlichkeitsarbeit stellte der Angeklagte Dr. M. im Zusammenwirken mit den übrigen Mitgliedern des CD-West somit bewusst der Wahrheit zuwider die FDLR als alleinige Stimme der Wahrheit im Bereich der Großen Seen dar: Berichte von Human Rights Watch, der International Crisis Group, der Expertengruppe der Vereinten Nationen und des Büros der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) wurden als völlig haltlos bezeichnet. Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen manipuliere die Wahrheit. Aussagen des MONUC-Leiters 1A.D. seien eine „Orgie von Lügen, Hass und extremer Verantwortungslosigkeit.“ Die Journalisten in Europa seien „gekauft“.
5. Sicherstellung der militärischen Kommunikation
Die Führungspersonen in der FDLR waren für ihre Kommunikation untereinander auf Satellitentelefone angewiesen. Das herkömmliche Mobilfunknetz ist, wie bereits erwähnt, in den Kivu-Provinzen nicht flächendeckend, so dass eine Kommunikation mit Mobiltelefonen nicht von überall aus möglich ist. Eine Kommunikation über Funkgeräte war gewöhnlich nur bei Tage möglich, da die Stromversorgung regelmäßig über Solarzellen sichergestellt wurde und Treibstoff für den Betrieb von Notstromaggregaten sehr begrenzt für die FOCA-Einheiten zur Verfügung stand. So verfügten unter anderem der FOCA-Kommandeur, dessen Stellvertreter, die Kommandeure der Sektoren und einige Kommandeure von Bataillonen sowie der 2. Vizepräsident und der FOCA-Sprecher über dienstliche Satellitentelefone. Die Telefoneinheiten für die Satellitentelefone wurden ganz überwiegend von der Firma Thuraya als sogenannte scratch cards bezogen. Insbesondere in den Kriegszeiten waren die FDLR-Führungskräfte auf die Versorgung ihrer Satellitentelefone mit Telefoneinheiten durch den Angeklagten Dr. M. angewiesen, da sie in dieser Zeit aus den Ansiedlungen in den Wald geflüchtet waren und sich deshalb in Regionen aufhielten, in denen kein Mobilfunknetz zur Verfügung stand und auch kaum Treibstoff für den Betrieb von Notstromaggregaten vorhanden war. Dem Angeklagten Dr. M. war aufgrund zahlreicher Nachfragen der führenden Kräfte der FOCA bekannt, dass diese zur Vorbereitung und Durchführung ihrer Militäroperationen auf die Satellitentelefone als Kommunikationsmittel angewiesen waren. Um die Kommunikation mit Satellitentelefonen fortlaufend sicherzustellen und damit die Kampfkraft der FOCA zu gewährleisten, nahm der Angeklagte Dr. M. unter anderem folgende Handlungen vor:
a)
Im Dezember 2007 erwarb der Angeklagte Dr. M. Thuraya-Einheiten im Wert von 140 EUR für den FOCA-Kommandanten S.M..
b)
Am 19. Januar und 20. März 2008 und nochmals im März 2008 erwarb der Angeklagte Dr. M. für jeweils 140 EUR Thuraya-Einheiten für den 2. Vizepräsidenten G.I..
c)
Am 15. April 2008 erwarb der Angeklagte Dr. M. für 18M. alias 4L., den Leiter einer Antenne, Telefoneinheiten im Wert von 140 EUR.
d)
Im August 2008 erwarb der Angeklagte Dr. M. ein Thuraya-Telefon für 580 EUR sowie acht scratch cards für insgesamt 1.120 EUR.
Am 18. Oktober 2008 teilten sowohl der 2. Vizepräsident als auch der FOCA-Kommandant dem Angeklagten Dr. M. per SMS mit, dass sie die erworbenen Telefoneinheiten empfangen hätten.
e)
Am 27. Dezember 2008 erwarb ein 3J. [vermutl. J.M.] im Auftrag und mit dem durch den Angeklagten Dr. M. verwalteten Geld der FDLR eine Thuraya-Karte im Wert von 150 EUR für das Satellitentelefon des stellvertretenden Exekutivsekretärs.
f)
Am 27. und 29. Januar 2009 erwarb ein 3J. [vermutl. J.M.] im Auftrag und mit dem durch den Angeklagten Dr. M. verwalteten Geld der FDLR jeweils eine scratch card im Wert von 140 EUR. Mit einer dieser Karten wurde das Telefon des FOCA-Kommandeurs S.M. geladen.
g)
Am 27. Februar 2009 kaufte der Angeklagte Dr. M. dem 2. Vizepräsidenten bzw. seinem Kabinettsdirektor Telefon-Einheiten im Wert von 200 US-Dollar.
h)
Ende März 2009 erwarb der Angeklagte Dr. M. für den FOCA-Kommandeur S.M. Thuraya-Einheiten im Wert von 160 EUR.
i)
Ende März 2009 kaufte der Angeklagte Dr. M. dem Sektorenkommandant P.N. alias O. eine Thuraya-SIM-Karte.
j)
Am 7. April 2009 kaufte ein 3J. [vermutl. J.M.] im Auftrag und mit dem durch den Angeklagten verwalteten Geld der FDLR für den FOCA-Kommandeur S.M. eine Thuraya-Karte im Wert von 160 EUR.
k)
Am 8. Mai 2009 beauftragte der Angeklagte Dr. M. erneut einen 3J. [vermutl. J.M.] mit dem Kauf von Thuraya-Einheiten für den Sektoren- kommandanten P.N. alias O., was dieser sogleich tat.
l)
Im Juli 2009 besorgte der Angeklagte Dr. M. dem Sektorenkommandanten P.N. alias O. Akkus und eine SIM-Karte für ein Thuraya-Telefon, welche allerdings nicht funktionierte.
m)
Anfang August 2009 kaufte 3J. [vermutl. J.M.] im Auftrag und mit dem durch den Angeklagten Dr. M. verwalteten Geld der FDLR eine Karte für den 2. Vizepräsidenten im Wert von 160 EUR.
n)
Am 13. August 2009 wurde der Angeklagte Dr. M. von S.M. gebeten, für den 2. Vizepräsidenten einen neuen Telefon-Akku zu besorgen, was er auch tat.
o)
Am 15. August 2009 kaufte 3J. [vermutl. J.M.] im Auftrag und mit dem durch den Angeklagten Dr. M. verwalteten Geld der FDLR eine zweite Thuraya-Karte für den stellvertretenden FOCA-Kommandeur S.N., alias 9B. im Wert von 140 EUR sowie je 80 Einheiten für den stellvertretenden Exekutivsekretär und für den Kommandanten des Sektors SONOKI P.N. alias O..
V. Kenntnis des Angeklagten von den terroristischen Tätigkeiten der FDLR
Der Angeklagte Dr. M. war während der Zeit seiner Präsidentschaft in regelmäßigem Kontakt mittels Telefongesprächen, SMS und E-Mails mit seinen Vertrauensleuten innerhalb der FDLR in der DR Kongo und dem FOCA-Kommandeur S.M.. Bei den Vertrauensleuten handelte es sich insbesondere um seinen Kabinettsdirektor 2D.M., den Leiter einer Antenne 2M.M. alias 4L., den 2. Vizepräsidenten G.I. alias 8R. und den Kommandeur des Sektors SONOKI Oberst P.N. alias O.. Zudem hatte er auch Kontakt zu Vertretern der katholischen Kirche, wie Pater 15M. 2Z. und Pater PG.L., die ihn ebenfalls über ihnen bekannt gewordene Übergriffe der FDLR informierten.
Dem Angeklagten Dr. M. war insbesondere aus dieser Kommunikation, aber auch aus zahlreichen Presseberichten, Fernseh-Reportagen und den Berichten der Vereinten Nationen sowie von Nichtregierungsorganisationen, die er im Rahmen seiner Pressearbeit für die FDLR las und kommentierte, bekannt und bewusst, dass während seiner Präsidentschaft (insbesondere militärische) Führungskräfte der FDLR an der Ausbeutung von Bodenschätzen sowie der illegalen Gewinnung von Holzkohle in den Kivu-Provinzen Geld verdienten und von militärischen Führungskräften der FDLR der örtlichen Bevölkerung Schutzzölle und Zwangsabgaben auferlegt wurden. Er wusste, dass die FDLR bereits die Jahre vor „Umoja Wetu“ militärisch in Kriege verwickelt war und Plünderungen bei Zivilisten (sog. Verpflegungsoperationen, „operation de ravitaillement“) durchführte, bei denen Zivilisten getötet wurden. Zudem war ihm bekannt, dass diese auf Anordnung oder mit Billigung des FOCA-Kommandos erfolgten, das wiederum an der Beute partizipierte.
Dem Angeklagten Dr. M. war bekannt, dass nach dem Beginn der Offensive „Umoja Wetu“ zahlreiche militärische Stellungen, das FOCA-Hauptquartier in Kalongi und der Sitz des Exekutivkomitees in Kibua aufgrund der militärischen Überlegenheit des Gegners aufgegeben werden mussten und sich die politische und militärische Führung im Kongo auf der Flucht befand. Ihm war spätestens mit Beginn der Offensive „Kimia II“ seitens der FARDC bewusst, dass sich die dramatische militärische Lage durch diese, von der FDLR nicht vorhergesehenen Militäroperation nicht bessern würde. Ihm war daher klar, dass die FOCA-Führung spätestens nach Beginn der Militäroperation „Kimia II“ zur Sicherung ihres Überlebens zahlreiche Angriffe gegen Stellungen der FARDC und der Mai-Mai ausführen würde, die sich in Dörfern und Ortschaften in den Kivu-Provinzen befanden. Er wusste auch, dass wegen der militärischen Unterlegenheit der FOCA diese Angriffe bei Dunkelheit durchgeführt werden würden. Er wusste weiterhin, dass sich in den Positionen der FARDC-Soldaten und der Mai-Mai deren Familienangehörige aufhielten, ebenso rechnete er damit, dass sich darüber hinaus zahlreiche Zivilisten in diesen Dörfern und Ortschaften befinden würden. Ihm war somit bewusst, dass es bei den Angriffen der FOCA auf die Dörfer zu zahlreichen Tötungen unbeteiligter Zivilisten sowie Plünderungen und Brandschatzungen kommen würde, was dann auch tatsächlich so eintrat. Bei der Öffentlichkeitsarbeit für die FDLR, bei Abfassung seiner Botschaften an die FDLR-Kämpfer und bei der Versorgung von Führungspersonen der FDLR mit Telefoneinheiten und Telefonzubehör nahm er die Begehung von mehreren Kriegsverbrechen durch die Tötung von Zivilisten, Brandstiftungen und Plünderungen zumindest billigend in Kauf, wobei er mit der tatsächlich erfolgten Anzahl von Opfern und dem Ausmaß der angerichteten Schäden aufgrund der ihm bekannten Umstände der getätigten Angriffe rechnete.
VI. Folgen der Verhaftung
Als die beiden Angeklagten am 17. November 2009 in Untersuchungshaft kamen, demotivierte dies die Kämpfer der FDLR derart, dass es in der Folgezeit vermehrt zu Desertionen in der FOCA kam.
C. Die Aktivitäten des Angeklagten M.
I. Tätigkeiten als 1. Vizepräsident
Der Angeklagte M. war ebenso wie der Angeklagte Dr. M. Gründungsmitglied der FDLR und zur Gründungsversammlung nach Lubumbashi angereist und hat an den dort gefertigten Texten mitgearbeitet.
Schon bei Entstehung der Organisation ging es darum, Personen wie ihn zu finden, die aufgrund ihrer Erfahrungen und Möglichkeiten, durch freizügige Reisemöglichkeiten und Nutzung von Kommunikationsmitteln in der Lage waren, überall auf der Welt politische Verhandlungen führen und für die Organisation sprechen zu können. Auch in der Folgezeit war es für die Außenwirkung der Organisation wichtig, dass sich führende Mitglieder im Ausland befanden und für die Organisation sprachen.
Daher hatte der Angeklagte M. nach der Gründung der FDLR das Amt als Leiter des Regionalwiderstandskomitees für Europa übernommen. Dieses Amt übte er bis zum Putsch gegen Dr. M. und dessen Absetzung im November 2003 aus. Nach der Rückgewinnung des Präsidentenamts durch Dr. M. ist er am 1. Juni 2004 zum 1. Vizepräsidenten ernannt und ein Jahr später auf der Versammlung des Comité Directeur bei zwei weiteren Kandidaten gewählt worden.
Der Angeklagte M. übte sein Amt als 1. Vizepräsident seit seiner Ernennung im Juni 2004 bis zu seiner Verhaftung im November 2009 aktiv aus und trat nach außen als solcher in Erscheinung. So unterzeichnete er in Abwesenheit des Angeklagten Dr. M. die Erklärung der FDLR zur Umsetzung der Ergebnisse der Verhandlungen in Rom. Ferner unterzeichnete er Mitgliedschaftsbescheinigungen, richtete Schreiben an Organisationen und Politiker, leitete Versammlungen von Organen der FDLR, fertigte und unterzeichnete Presseerklärungen der Organisation, diente als Ansprechpartner der Organisation und beriet sich regelmäßig mit dem Präsidenten Dr. M.. Ferner beteiligte er sich an der Ausarbeitung von konstituierenden Regelungen der FDLR und war allein für die Fertigung von Stempeln der FDLR in Europa zuständig. Außerdem war er neben dem Präsidenten und dem 2. Vizepräsidenten als einziger berechtigt, die offiziellen Dokumente der FDLR zu unterschreiben.
Er war für die in Art. 42 der Satzung der FDLR genannten Aufgaben, nämlich die Kontrolle der Aktivitäten, die mit politischer „Mobilisation“, Finanzen, Diplomatie und Verwaltung im Zusammenhang stehen, zuständig und in den genannten Bereichen auch für die Organisation tätig.
Dementsprechend gehörte er beispielsweise zu den Personen, die für die FDLR im Jahr 2005 bei den Friedensverhandlungen von Rom anwesend waren. Er war bereits im Vorfeld der Verhandlungen für die Logistik und als Ansprechpartner für die im Kongo lebenden Mitglieder der FDLR-Delegation zuständig gewesen. Zudem wirkte er bei der Vorbereitung der Schlusserklärung mit. Bereits aus diesem Grund war er den höheren FDLR-Mitgliedern als einer der Führer der Vereinigung bekannt. Des Weiteren unterzeichnete er in seiner Funktion als 1. Vizepräsident gemeinsam mit dem Präsidenten Dr. M. und dem Exekutivsekretär 16M. die vom 22. April 2007 datiernde Vertragsurkunde, in der 2A.M. eine Zahlungsschuld gegenüber der FDLR in Höhe von 29.000 EUR anerkannte und sich zur Rückzahlung von 10.000 EUR bis zum 13. Mai 2007 verpflichtete.
Als 1. Vizepräsident der FDLR war er entsprechend Art. 42 der Satzung der FDLR und Art. 26 des Reglements der Inneren Ordnung der erste Vertreter des Präsidenten Dr. M. und es gehörte deshalb zu seinen Aufgaben, diesen im Fall der Abwesenheit oder sonstigen Verhinderung in dessen Funktion zu vertreten. Er war auch zur Vertretung des Präsidenten bereit, falls dieser die von ihm in Telefongesprächen im Jahr 2009 geäußerte Absicht, sich in den „Wald“ (bzw. Terrain) zu begeben, verwirklicht hätte. Zwischen beiden Angeklagten war in Telefongesprächen in den Monaten März und April 2009 konkret besprochen worden, in welcher Weise sich der Angeklagte M. auf eine solche Situation vorbereiten und welche Aufgaben er schon jetzt übernehmen sollte. Dabei hatte auch der Angeklagte Dr. M. aufgrund der großen faktischen Bedeutung des vom Angeklagten M. ausgeübten Amtes des 1. Vizepräsidenten keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte M. als Präsident akzeptiert werde, falls er selbst an der Ausübung dieser Funktion gehindert sein würde.
Als 1. Vizepräsident war er entsprechend der Satzung der FDLR Mitglied des Comité Directeur (Art. 39) und des Exekutivkomitees (Art. 33) und besetzte somit eine Schlüsselposition in der Struktur der FDLR. Dementsprechend erwähnte der Angeklagte Dr. M. in einem Telefonat am 5. September 2009, dass M. zur Führung der FDLR gehöre. Dabei begegneten sich die beiden auf Augenhöhe, was sich beispielsweise aus einem Telefongespräch zwischen ihnen vom 10. November 2009 zeigt, in dem sie sich darüber streiten, ob man besser nur Presse-Kommuniqués veröffentlichen oder auch Briefe an Institutionen schreiben solle.
Im Rahmen ihrer engen Zusammenarbeit besprachen die beiden Angeklagten unter anderem auch Wege, wie die Moral der FOCA-Soldaten gestärkt, die ruandische Armee demotiviert und Soldaten, die unfreiwillig beim Gegner kämpften, zum Überlaufen zur FOCA bewegt werden könnten. Außerdem schlug der Angeklagte M. vor, Versammlungen gegen Desertionen im Wald zu organisieren, woraufhin der Angeklagte Dr. M. dies als gute Idee bezeichnete und angab, mit B., also dem 2. Vizepräsidenten, zu sprechen, damit er Versammlungen dort unten organisiere.
Dass der Angeklagte Dr. M. bei seinen Entscheidungen der Meinung des Angeklagten M. Gewicht beimaß, zeigt beispielsweise ein Gespräch Dr. M.s mit Pater 15M. vom 26. Januar 2009, in dem er diesem mitteilte, dass er zunächst die Ansicht von M. und C. hören wolle und erst dann eine Antwort bezüglich eines Treffens mit Bischof 10K geben werde. Auch verwies der Angeklagte Dr. M. in einem Gespräch mit S.M. am 12. November 2009, in dem dieser im Vorfeld einer inoffiziellen CD-Versammlung um die Erstellung einer Art Wegweiser ersuchte, darauf, sich zunächst unter anderem mit dem Exekutivsekretär und M. besprechen zu wollen.
Der Angeklagte M. stand in den Jahren 2008 und 2009 auch in direktem Kontakt mit FDLR-Mitgliedern im Ost-Kongo und erklärte sich gegenüber Dr. M. bereit, mit weiteren Leuten auf dem Terrain zu telefonieren, um sie zu ermutigen; dieser nannte ihm als Gesprächspartner unter anderem den FOCA-Kommandanten und den 2. Vizepräsidenten.
II. Mitwirkung im Comité Directeur
Der Angeklagte M. war als 1. Vizepräsident neben dem Angeklagten Dr. M., dem Exekutivsekretär 16M. und dem Außenkommissar 1D.N. Mitglied des CD-West. Dieses verstand sich als Teil der Organisationsleitung der FDLR außerhalb der DR Kongo. Die zahlenmäßig weit überwiegenden anderen satzungsgemäßen Mitglieder des Comité Directeur lebten in der DR Kongo und bildeten das CD-Ost. Entscheidungen des Comité Directeur als tatsächlich oberstes, regelmäßig tagendes Organ der FDLR wurden von sämtlichen CD-Mitgliedern bei CD-Versammlungen getroffen. Da die Mitglieder des CD-West und CD-Ost solche Versammlungen nicht an einem gemeinsamen Tagungsort abhalten konnten, versammelten sich die Mitglieder des CD-West an einem Ort in Europa, während sich die Mitglieder des CD-Ost an einem Ort im Kivu trafen. Die Kommunikation zwischen CD-West und CD-Ost sowie die Entscheidungsfindung erfolgten über Telekommunikationsmittel. Zur Vorbereitung und Durchführung solcher CD-Versammlungen berieten sich die beiden Angeklagten und die beiden übrigen Mitglieder des CD-West deshalb regelmäßig und trafen grundsätzliche Entscheidungen wie etwa bei der Vorbereitung der Tagesordnung der Versammlung des Comité Directeur im Januar 2009. Anschließend wirkte der Angeklagte M. in dieser im Januar 2009 stattfindenden, mehrtägigen CD-Versammlung in enger Abstimmung mit den gleichzeitig im Ost-Kongo tagenden Mitgliedern auch an den Entscheidungen und Empfehlungen und deren Ausformulierung mit.
Auf diese Weise trug der Angeklagte M. selbst in Zeiten, in denen er nicht in direktem Kontakt zu politischen Führungskräften der FDLR und zu den Einheiten der FOCA in der DR Kongo stand, zur Willensbildung innerhalb der Organisation bei und verfügte über maßgeblichen Einfluss.
III. Mitwirkung an der Öffentlichkeitsarbeit der FDLR
In seiner Funktion als 1. Vizepräsident und Mitglied des CD-West war er maßgeblich an der oben dargestellten Öffentlichkeitsarbeit der FDLR beteiligt. So wirkte er - neben dem Präsidenten, dem Exekutivsekretär und dem Kommissar für Auswärtige Angelegenheiten, also den vier Führungspersonen in Europa, die alleine über Entwürfe von Pressekommuniqués und Erklärungen der FDLR berieten und diese erstellten - im Zeitraum von Januar bis November 2009 an den erschienenen Pressemitteilungen der FDLR mit.
Er nahm mehrfach auf deren Inhalt Einfluss und wirkte an der Erstellung von Erklärungen aktiv insoweit mit, als er Änderungen vornahm oder Anregungen und Kommentare zu den Entwürfen abgab. Dabei verfolgte er die gemeinsame Linie des Präsidenten und des Exekutivsekretärs 2C.M., dass Straftatvorwürfe, die von verschiedenen Seiten gegenüber der FDLR erhoben wurden, stets und unverzüglich zu bestreiten sind.
Nachdem M. beispielsweise Mitte Mai 2009 durch eine E-Mail des Mitangeklagten erfahren hatte, dass bei dem Angriff auf Busurungi auch Frauen gestorben sind, erhielt er noch im Mai 2009 eine weitere E-Mail mit einer von Dr. M. und 16M. vorbereiteten Presseerklärung, in der wider besseres Wissen bestritten wurde, dass die FDLR in Busurungi auch Zivilisten angegriffen habe. Weder wirkte er darauf hin, die Urheberschaft der FDLR für die an den Zivilisten begangenen Taten einzuräumen noch sie zu missbilligen.
Vielmehr wirkte er an der Verbreitung von Lügen mit und besprach beispielsweise in einem E-Mail-Kontakt mit dem Mitangeklagten vom 10. November 2009 die Kommunikationsstrategie „Falsches in die Welt zu setzen“.
IV. Weitere Tätigkeiten des Angeklagten
Über diese Tätigkeiten im Rahmen seiner Funktion als 1. Vizepräsident der FDLR hinaus unterstützte der Angeklagte M. die FDLR durch folgende weitere Tätigkeiten, wobei hierbei insbesondere seine beruflichen Kenntnisse im IT-Bereich gefragt waren:
1.
So war er bei der Einrichtung und Gestaltung sowie dem Wechsel des Providers der FDLR-Internetseite behilflich.
a)
Am 10. August 2005 meldete er für den Angeklagten Dr. M. als Präsident der FDLR einen Internet-Account bei der Firma GMX unter der Adresse [email protected] an.
b)
Im April 2007 bereitete der Angeklagte M. den Wechsel der FDLR-Internetseite ....org vom Anbieter ... zum Anbieter ... AG vor, welcher in der Folge auch durchgeführt wurde.
c)
Mitte Januar 2009 bereiteten die Angeklagten M. und Dr. M. einen erneuten Wechsel des Providers, diesmal mit Sitz im Ausland vor für den Fall, dass die FDLR-Internetseite gesperrt werden sollte. Im August 2009 diskutierte der Angeklagte M. mit dem Angeklagten Dr. M. über den Wechsel der FDLR-Homepage vom Anbieter OVH zum Anbieter amen.fr..
d)
Mitte April 2009 machte sich der Angeklagte M. daran, die Website der Organisation neu zu gestalten.
2.
Ferner betreute der Angeklagte M. die E-Mail Adresse [email protected], eine der vier auf der Internetseite der FDLR angegebenen Kontaktmöglichkeiten während seiner gesamten Zeit als 1. Vizepräsident.
3.
Des Weiteren war der Angeklagte M. innerhalb der FDLR bei der Behebung von Computerproblemen behilflich. Am 29. Dezember 2008 sprachen die Angeklagten Dr. M. und M. über ein Computerproblem bei der Versendung der vom CD-Ost gewünschten Tagesordnung für die geplante Versammlung des Comité Directeur im Januar 2009 durch den FOCA-Kommandanten S.M.. Der Angeklagte M. wertete den Umstand, dass S.M. die Versendung der E-Mail nicht gelang, als einen Verbindungsfehler, den nicht er beheben, sondern der nur beim Provider gelöst werden könne. Im Juli 2009 sollte der Angeklagte M. telefonisch Probleme bei dem Bildschirm des Laptops des FOCA-Kommandanten S.M. lösen, was aber nicht gelang, weil sich das Computerproblem als so schwerwiegend herausstellte, dass es nicht mittels eines Telefonanrufes gelöst werden konnte.
4.
In der Zeit, während der Angeklagte M. über eine Arbeitsstelle verfügte, unterstützte er die FDLR durch nicht unerhebliche Geldzuwendungen.
5.
Zudem besorgte der Angeklagte M. in den Kivu-Provinzen benötigte Kommunikationsmittel und Telefoneinheiten. Am 11. November 2005 erwarb er daher von 2T.K. in 12B. eine RIB-Box für Motorola-Funkgeräte, welche als Handsprechfunkgeräte bei der FOCA in den Kivu-Provinzen zur örtlichen Kommunikation innerhalb der Einheiten Verwendung finden. Diese RIB-Box wird zum Programmieren von Funkgeräten benötigt. Im Januar und Februar 2009 überwies der Angeklagte M. Geldbeträge an verschiedene Personen, mit denen diese dringend benötigte Telefoneinheiten für Führungspersonen der FDLR in den Kivu-Provinzen, unter anderem den FOCA-Kommandanten S.M., kauften.
V. Kenntnis des Angeklagten von den terroristischen Tätigkeiten der FDLR
Der Angeklagte M. wusste auch insbesondere aus den Berichten von Menschenrechtsorganisationen, der Vereinten Nationen und aus den Medien um die Taten der FDLR, die diese zu einer terroristischen Organisation machten.
1.
So war dem Angeklagten M. bekannt, dass Führungspersonen in der FDLR an der Ausbeutung von Bodenschätzen in den Kivu-Provinzen verdienen.
2.
Der Angeklagte M. wusste auch, dass die lokale Zivilbevölkerung zur Zahlung von Wegezöllen und Schutzsteuern gezwungen wurde.
3.
Insbesondere durch zahlreiche Berichte zur Vorbereitung und während der Durchführung von CD-Versammlungen, durch Presseberichte, durch Berichte von HRW, der Vereinten Nationen und der MONUC sowie durch von dem Angeklagten Dr. M. weitergeleitete Informationen seitens Führungspersonen der FDLR im Kongo erhielt der Angeklagte M. Kenntnis von während der Kriegshandlungen vor und während der Militäroperationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ durch die FDLR verübten und teilweise oben festgestellten Kriegsverbrechen in den Orten Busurungi, Mianga, Manje, Kipopo, Remeka, Chiriba, Ziraro und Nzovu.
Trotz dieser Kenntnis blieb der Angeklagte M. 1. Vizepräsident der Organisation und versuchte auch nicht innerhalb des Comité Directeur solche Taten wirksam zu verhindern oder auch nur intern untersuchen zu lassen. Vielmehr wirkte er als Mitglied des CD-West ebenso wie der Angeklagte Dr. M. an der Erstellung zahlreicher Presse-Kommuniqués der FDLR mit, in welchen Kriegsverbrechen der FDLR abgestritten, bagatellisiert oder anderen militärischen Verbänden untergeschoben wurden. Angesichts der Vielzahl der Vorwürfe und der Gesamtumstände nahm er die Vorgehensweise der FDLR bzw. der FOCA zumindest billigend in Kauf.
Der Angeklagte M. war sich dabei bewusst, dass er für die Taten der FDLR zur Verantwortung gezogen werden wird.
Teil 3: Beweiswürdigung
A. Vorbemerkungen
Vorab sind folgende Bemerkungen und (allgemeine) Bewertungen zur Qualität einzelner Beweismittel und den sich daraus für den Senat ergebenden Schlüssen veranlasst:
I. Zeugenvernehmungen
1. Vernehmung der ehemaligen ruandischen FDLR-Angehörigen
a)
Der Senat hat im Rahmen der Beweisaufnahme 22 ehemalige repatriierte FDLR-Angehörige mit unterschiedlichen Funktionen und Rängen aus verschiedenen Bereichen der Organisation vernommen. Davon wurden bis auf den Zeugen 6N., der von Ruanda aus audiovisuell vernommen wurde, alle Zeugen vor dem Senat in Stuttgart gehört. Zusätzlich wurde die Bild-/Tonaufzeichnung eines weiteren im Ermittlungsverfahren vernommenen Zeugens (1H.) durch Abspielen und Inaugenscheinnahme sowie teilweise Verlesung der Niederschrift seiner Vernehmung in die Hauptverhandlung eingeführt. Bei den ehemaligen FDLR-Angehörigen handelte es sich dabei zum Teil um Personen mit leitenden Funktionen aus dem politischen und militärischen Bereich, aber auch um Kämpfer aus verschiedenen Einheiten sowie um Personen mit besonderen Zuständigkeiten im Rahmen der Gesetzgebung, im Kommunikationsbereich, in der Gerichtsbarkeit und bei der Résistance Civile (ziviler Widerstand). Die Zeugen haben umfangreiche Angaben zur Entstehung und Entwicklung der Organisation, zu deren Aufbau, Struktur, Arbeitsweise und äußeren Rahmenbedingungen sowie den Zielen und der Ideologie der Organisation, zur Stellung und den Aktivitäten der Angeklagten sowie zum Vorgehen und dem Agieren der FDLR in den Kivu-Gebieten insbesondere in den Jahren 2007 bis zur Verhaftung der Angeklagten im Jahr 2009 gemacht.
Dabei verfügten die ehemaligen FDLR-Angehörigen abhängig von ihrem Alter, vom Zeitpunkt, zu dem sie die FDLR verließen, und ihren jeweiligen Funktionen innerhalb der Organisation über einen unterschiedlichen Wissenshintergrund. So wurde der überwiegende Teil der Zeugen erst nach der Verhaftung der Angeklagten demobilisiert. Im Gegensatz dazu verließen die Zeugen 2P.R., 4N. und 2G., die davor als FOCA-Kommandeur, als Bataillonskommandant/Leiter der Antenne Ricanor und als stellvertretender Rechtskommissar in der FDLR tätig gewesen waren, die DR Kongo bereits im November 2003, Juli 2006 und November 2007. Noch während der laufenden Präsidentschaft bzw. Vizepräsidentschaft der Angeklagten im Jahr 2009, nämlich Anfang Februar, Ende März, im Juli, September und Oktober 2009 kehrten die Zeugen 8N. (Leutnant im Hauptquartier der Reservebrigade), 15N. (stellvertretender Kommandant des Bataillons PM), 9N. (Kommandant der Schutzkompanie für das Exekutivkomitee), 3H. (Eskorte eines FDLR-Politikers) und 1H. (Gruppenführer in der Reservebrigade) nach Ruanda zurück. Diese Zeugen konnten deshalb für die Zeit nach ihrer Repatriierung nur über Informationen berichten, die sie von später zurückgekehrten FDLR-Angehörigen oder im Kontakt mit noch aktiven Kämpfern erhalten hatten. Aufgrund seiner Lehrtätigkeit im Demobilisierungslager Mutobo und dem dadurch gegebenen ständigen Kontakt mit FDLR-Rückkehrern war insbesondere der Zeuge 2P.R. trotz seines frühen Ausscheidens aus der FDLR weiterhin im Besitz vielfältiger Informationen über das Leben und Vorgehen der Organisation.
Während die rangniederen repatriierten FDLR-Angehörigen, die vielfach relativ jung waren und teilweise kaum über Schulbildung verfügten, vor allem über eigene Kampferfahrungen und Informationen aus ihrem eigenen Aufgabenbereich und Standort berichten konnten, zeigte sich insbesondere bei den Personen, die in leitenden Funktionen am Standort des FOCA-Kommandos bzw. des Exekutivkomitees oder an Schaltstellen wie dem Sekretariat des FOCA-Kommandos oder einem Funkübertragungsbüro einer höheren Einheit tätig waren, ein breites Wissen über die Funktions-, Arbeits- und Vorgehensweise der Organisation. Zu den niederrangigeren ehemaligen FDLR-Angehörigen zählten neben den Zeugen 3H. und 1H. die Zeugen 7K. (Korporal in der Reservebrigade), 2K. (Zugführer in der Reservebrigade), 1G.N. (Obergefreiter im Bataillon PM), 1A.N.(als Begleitschutz tätiger Gefreiter), 12N. (Funker bei der Antenne Miroir), 10N. (zuletzt Personenschützer für einen Politiker) und 1S. (Gruppenführer in einer CRAP-Einheit). Als einfaches Mitglied der Schutzkompanie Mirador beim FOCA-Kommando gehörte der Zeuge 2MM. zwar ebenfalls zu den niederrangigeren ehemaligen FDLR-Angehörigen, verfügte aber aufgrund seiner Tätigkeit in der Nähe des FOCA-Kommandos und Hilfsarbeiten im Informationsbüro des FOCA-Kommandos über ein breiteres Spektrum an Informationen. Zu den Zeugen, die im Besitz umfangreicher Kenntnisse über die Organisation und deren Innenleben waren, gehörten insbesondere der ehemals als Sekretär und Chef des Informationsbüros des FOCA-Kommandos und davor im Generalsekretariat des FOCA-Oberkommandos tätige Zeuge 2S. sowie die Zeugen J.B. und 1S.B., die während ihrer Zeit bei der FDLR verschiedene Funktionen als Bataillons- bzw. Brigadekommandanten und zuletzt als stellvertretender Leiter des Büros G 2 bzw. als Leiter des Büros G 5 des Generalstabs der FOCA innehatten. Als ältester der Zeugen, der lange Jahre am FOCA-Standort gelebt hatte und Tätigkeiten als Mitglied des Büros G 5 des Generalstabs, als ehemaliger Militärrichter und Leiter der Résistance Civile der FDLR wahrgenommen hatte, verfügte zudem der Zeuge 5B. über viele Erfahrungen und Kenntnisse über die FDLR. Aufgrund ihrer Funktion als Leiter der Eskorte des FOCA-Kommandanten von 2004 bis 2007 und späterer „Spionagetätigkeiten“ für den FOCA-Kommandanten bzw. als Cheffunker am Standort des Kommandos der Division Süd-Kivu hatten darüber hinaus die Zeugen 7N. und 6N. ebenfalls Funktionen inne, die ihnen die Erlangung vielfacher Informationen über die FDLR ermöglichten. Neben den Zeugen 15N. und 4N., die die FDLR jeweils im Rang eines Majors verließen, bekleidete darüber hinaus der Zeuge 5N. als Oberleutnant einen Offiziersrang.
b)
Bei der Vernehmung der Zeugen ergaben sich für den Senat - entgegen entsprechender, indes nicht näher konkretisierter Behauptungen der Verteidigung - keinerlei tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass auf die Zeugen im vorliegenden Verfahren von irgendeiner Seite, insbesondere von ruandischen Behörden, gezielt eingewirkt oder auf deren Aussagen Einfluss genommen worden wäre. Die Zeugen sind zu einer möglichen Beeinflussung eingehend vom Senat und/oder der Verteidigung befragt worden. Hierbei waren auch die Rahmenbedingungen und die Aussagesituation im Ermittlungsverfahren oder bei den Anklägern des Internationalen Strafgerichtshofs Gegenstand der Befragung sowie etwaige Reaktionen der ruandischen Behörden auf ihre Aussagen im Vorfeld und im Rahmen der Hauptverhandlung. Auch hat der Senat zur Frage einer möglichen Einwirkung auf die Zeugen einen Beamten des BKA und die frühere Generalbundesanwältin gehört. Irgendwelche Hinweise auf Auffälligkeiten, dass etwa die Zeugen nicht frei aussagen konnten, von belastenden Aussagen gegen die Angeklagten persönlich profitiert oder sich bei entlastenden Aussagen Repressionen der ruandischen Regierung ausgesetzt hätten, haben sich hierbei nicht ergeben. Damit übereinstimmend berichteten auch die Zeugen 4D.M. und 2R., dass bei den von ihnen durchgeführten Befragungen repatriierter FDLR-Mitglieder im ruandischen Demobilisierungslager Mutobo keine Anzeichen dahingehend erkennbar gewesen seien, die Zeugen seien hierfür präpariert oder es sei auf sie eingewirkt worden. Gegen eine Beeinflussung der Zeugen durch die ruandischen Behörden sprach im Übrigen das Aussageverhalten der ehemaligen FDLR-Angehörigen. Dass - wie dies bei einer derartigen Beeinflussung zu erwarten gewesen wäre - die beiden Angeklagten durch sie stark belastet worden wären oder die Zeugen zumindest ein weitgehend einheitliches Aussageverhalten zum Nachteil der Angeklagten gezeigt hätten, war gerade nicht der Fall. Vielmehr machten sämtliche ehemaligen FLDR-Angehörigen je nach ihrer Funktion und Tätigkeit im verfahrensrelevanten Zeitraum unterschiedliche Angaben, die regelmäßig belastende und entlastende Elemente enthielten. Belastungseifer war in keinem Fall erkennbar. Gegen eine Beeinflussung durch ruandische Behörden sprach auch, dass die Zeugen in Gestik und Mimik sowie durch die Anrede „Eure Exzellenz“ teilweise deutlich nach außen spürbar ihre Ehrerbietung gegenüber den Angeklagten zum Ausdruck brachten, insbesondere gegenüber dem Angeklagten Dr. M., der von dem Zeugen 2MM. sogar spontan umarmt wurde. Von Aussagen, die von außen manipuliert worden wären, ging der Senat deshalb in keinem Fall aus.
Soweit es um die Bekundungen des Zeugen 6N. geht, hat der Senat den Umstand, dass dieser Zeuge nicht vor dem Senat in Stuttgart gehört, sondern lediglich von einem Raum des Supreme Courts in Kigali aus audiovisuell vernommen worden ist, besonders im Blick gehabt und streng darauf geachtet, dass die Art und Weise der Durchführung der audiovisuellen Vernehmung der eines im Inland aufenthältlichen Zeugen entsprach und die Einhaltung der für die Hauptverhandlung geltenden wesentlichen Verfahrensgarantien stets gewährleistet war. Die Übertragung der Ton-und Bildsignale war in der Regel von guter Qualität, so dass sich der Senat und die Verfahrensbeteiligten trotz der fehlenden körperlichen Anwesenheit des Zeugen einen hinreichenden Eindruck von der Persönlichkeit des Zeugen, seiner individuellen Eigenart und seinen Reaktionen auf die ihm übersetzten Fragen auch bezüglich seines nonverbalen Aussageverhaltens verschaffen konnten. Soweit die Übertragung nicht mehr diesen Anforderungen entsprach, wurde die Sitzung kurzfristig für eine Neueinwahl und den Aufbau einer besseren Verbindung unterbrochen. Auch war eine fehlerfreie sprachliche Übertragung durch den Dolmetscher 1T.K. gewährleistet. Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge besonderem Druck aufgrund seiner Vernehmung in Ruanda ausgesetzt gewesen oder eine unbeeinflusste Vernehmung aus sonstigen Gründen nicht möglich gewesen wäre, waren auch bei ihm nicht vorhanden. Der Zeuge KHK H. vom Bundeskriminalamt, der die audiovisuelle Vernehmung vor Ort organisiert und technisch betreut hat, hat glaubhaft bekundet, dass an den einzelnen Sitzungstagen jeweils nur er selbst, ein von ihm zur Ermöglichung der Kontaktaufnahme mit dem Zeugen eingesetzter Dolmetscher und der Zeuge in dem Vernehmungsraum anwesend waren, die Vernehmung nicht aufgezeichnet wurde und die Bedingungen für eine unbeeinflusste Vernehmung insgesamt gegeben waren. Hinweise dafür, dass auf den Zeugen in irgendeiner Weise eingewirkt worden wäre, waren für ihn nicht ersichtlich. Auch ergaben sich für den Senat aus dem Aussageverhalten des Zeugen, der sich an insgesamt drei Tagen der Befragung durch den Senat und die Bundesanwaltschaft sowie an weiteren acht Tagen der Befragung durch die Verteidigung stellte, keine Anhaltspunkte für eine Beeinflussung von außen. Der Zeuge hat auf Fragen spontan reagiert, diese offen beantwortet und wie die meisten der anderen ehemaligen FDLR Angehörigen sowohl über belastende als auch entlastende Tatsachen berichtet. Ein besonderer Belastungseifer, der für eine Beeinflussung sprechen könnte, war auch bei ihm nicht erkennbar.
c)
Da es sich bei den ehemaligen FDLR-Angehörigen um Personen aus einem fremden Kulturkreis handelte, die insbesondere bei den zumeist noch jungen, einfachen Kämpfern teilweise über so gut wie keine oder zumindest nur eine geringe Schulbildung verfügten, hat der Senat auch sorgfältig geprüft, ob sich bei den einzelnen Personen Besonderheiten ergaben, die bei der Beurteilung von deren Angaben zu berücksichtigen waren. Anhaltspunkte dafür, dass die Zeugen aufgrund sozio-kultureller Unterschiede die Fragen nicht verstanden oder Verständigungsschwierigkeiten gehabt hätten, waren insoweit in keinem Fall vorhanden. Auch hat der Senat die persönliche und fachliche Eignung des Sprachmittlers und Sprachsachverständigen 1T.K. für die Sprache Kinyarwanda anhand seines Werdeganges, seiner beruflichen Qualifikation und Erfahrung sowie seiner über vier Jahre dauernden Tätigkeit in der Hauptverhandlung eingehend überprüft und sich umfassend von dessen Sachkunde überzeugt. So wurden zur zusätzlichen Überprüfung von dessen Qualität unter anderem auf Beanstandungen der Angeklagten zwei Gutachten eines weiteren Sprachsachverständigen eingeholt und schriftliche Übertragungen durch Einsatz weiterer Übersetzer kontrolliert, ohne dass sich Fehler oder Mängel seitens des Sprachmittlers ergeben hätten. Auch hat sich der Senat bei den ruandischen Zeugen regelmäßig erkundigt, ob etwaige Schwierigkeiten in der Verständigung mit dem Dolmetscher vorliegen würden, was von den Zeugen aber stets verneint wurde. Anhaltspunkte dafür, dass sprachliche Gründe zu Verständigungsproblemen oder Missverständnissen bei der Vernehmung und Befragung der Zeugen geführt hätten, waren deshalb nicht gegeben.
Unabhängig davon war bei den ruandischen Zeugen mit geringer Schulbildung allerdings teilweise erkennbar, dass es ihnen schwerfiel, Vorgänge, die schon längere Zeit zurücklagen, zeitlich genau nach Jahr oder Monat zu bestimmen. Auf Nachfragen konnten sie diese aber regelmäßig nachvollziehbar zwischen bestimmte Ereignisse chronologisch einordnen. Auch differenzierten insbesondere die Zeugen mit geringem Bildungsgrad bei ihren Schilderungen zunächst oftmals nicht strikt zwischen unmittelbar selbst wahrgenommenen Tatsachen und solchen, die ihnen nur vom Hörensagen bekannt waren. Durch entsprechende Erläuterungen gegenüber den Zeugen und gezielte Nachfragen wurde insoweit aber regelmäßig klargestellt, was auf eigenen Wahrnehmungen der Zeugen beruhte oder ihnen nur durch anderweitige Mitteilungen bekannt geworden war.
d)
Abgesehen von den oben genannten Gesichtspunkten war sich der Senat bei der Prüfung und Würdigung der Aussagen der ehemaligen FDLR-Angehörigen bewusst, dass es sich bei diesen größtenteils um Personen handelte, die möglicherweise an Straftaten der FDLR beteiligt gewesen sein können und sich durch ihre Aussagen eventuell selbst schützen wollten. Insoweit war zu sehen, dass sich einzelne Zeugen wie beispielweise die Zeugen 7N. und 7K. zu bestimmten Punkten auf ein Auskunftsverweigerungsrecht berufen haben. Auch ergaben sich aus den Angaben der Zeugen 3B., 4D.M. und 1C.G., der Zeugin VW. und des Zeugen 2P.R. über die von ihnen vorgenommenen Befragungen repatriierter FDLR-Angehöriger Hinweise auf eine Neigung ehemaliger FDLR-Angehöriger, belastende Angaben, die auf eine eigene Beteiligung an Straftaten oder eine Verantwortlichkeit hierfür hindeuten könnten, möglichst zu vermeiden. So bekundete die Zeugin VW., von Seiten eines ehemaligen FDLR-Angehörigen sei ihr gegenüber ausdrücklich geäußert worden, dass man über die schlechten Dinge und was sie getan hätten, nicht sprechen könne. Auch die Zeugen 4D.M., 1C.G. und 3B. sprachen von einer deutlichen Zurückhaltung der ehemaligen FDLR-Angehörigen, sich zu Fragen nach Angriffen auf Zivilisten und möglichen Opfern unter den Zivilisten zu äußern, und deren Versuchen, das Thema möglichst zu umgehen oder durch Berufung auf eine fehlende Erinnerung zu beenden. Von seinen zahlreichen Gesprächen mit zurückgekehrten FDLR-Kämpfern im Repatriierungslager Mutobo berichtete der Zeuge 2P.R., dass kein Rückkehrer zugebe, Anweisungen für einen Angriff auf Zivilisten erhalten zu haben, da er dann auch angeben müsste, wer diese Anweisungen gegeben habe. Hinweise auf Abschwächungs- und Beschönigungstendenzen sowie einer Neigung, Aussagen zu vermeiden, die eine Nähe zu Straftatgeschehen offenbaren könnten, ergaben sich auch aus dem Aussageverhalten einzelner Zeugen in der Hauptverhandlung.
Beispielsweise gab der Zeuge 2G. bei der Schilderung von Straftaten oder Regelwidrigkeiten, die FOCA-Soldaten begangen hatten, an: „Ein Soldat kann nicht die Informationen geben, die ihn selbst belasten“. Auch fiel auf, dass Zeugen, die an Operationen beteiligt waren, die Gegenstand der Anklagevorwürfe waren, nach ihren Angaben in der Regel nicht beim eigentlich relevanten Geschehen anwesend gewesen sein sollen. Teilweise wurde eine Beteiligung an einer Operation wie durch den Zeugen 7K. zunächst auch ganz verneint und erst nach Abspielen der Bild-Ton-Aufzeichnung der Vernehmungen aus dem Ermittlungsverfahren eingeräumt. Zudem wurden durch einige Zeugen wie beispielsweise die Zeugen 9N., 8N. und 1S.B. belastende Angaben, die in der Vernehmung durch die Bundesanwaltschaft und Beamte des Bundeskriminalamts zu einzelnen Punkten gemacht worden waren, in der Hauptverhandlung deutlich abgeschwächt. Nach Abspielen der Bild-Ton-Aufzeichnungen der Vernehmungen aus dem Ermittlungsverfahren korrigierten die Zeugen dann teilweise ihre Angaben, beriefen sich auf eine fehlende Erinnerung oder stellten diese in einen anderen Kontext. Besonders deutlich wurde die Absicht der Beschönigung und Bagatellisierung beim Zeugen 15N., der bei seinem mehrmaligen, zeitlich versetzten Erscheinen in der Hauptverhandlung immer wieder von früheren belastenden Angaben in der Hauptverhandlung oder im Ermittlungsverfahren abwich und sich zum Teil diametral dazu in Widerspruch setzte. So hatte er in der Hauptverhandlung zunächst zu den während „Umoja Wetu“ erfolgten Ereignissen in Mangeri und Remeka ausgeführt, die Siedlungen seien von der FDLR aus Rache bzw. weil, wie er glaube, die Zivilisten dort mit der FARDC sowie mit Ruanda zusammengearbeitet hätten, angezündet worden. An einem späteren Hauptverhandlungstag gab er dagegen an, er wisse nicht, ob FOCA-Soldaten oder Mai-Mai die Häuser angezündet hätten. Auch hatte er in der Hauptverhandlung vom 17. September 2012 berichtet, S.M. habe gegen Ende der Operation „Umoja Wetu“ einen Befehl gegeben und eine Operation, die sogenannte „action punitive“, angeordnet, in der er gesagt habe, die Operation sei dazu da, die Zivilisten, die der FDLR nicht geholfen hätten, zu bestrafen. Als er in der Hauptverhandlung vom 19. Mai 2014 von diesen Angaben abwich und ihm daraufhin seine früheren von mehreren Mitgliedern des Senats festgehaltenen Ausführungen vorgehalten wurden, stritt er zunächst ganz ab, so etwas überhaupt geäußert zu haben, und schilderte das Ganze anschließend in einer weiteren Version. Widersprüchliche oder wechselnde Angaben, die er dem jeweiligen Kontext anpasste, machte er auch zur Frage der Höchststrafe von Stockschlägen bei der FOCA, der Änderung der FOCA-Statuten und auf Nachhaken zu Beispielsfällen, die er zuvor im Zusammenhang mit der Frage der Ahndung von Straftaten von FOCA-Soldaten angeführt hatte. Im Hinblick auf die genannten Aspekte hat der Senat deshalb die Angaben der ehemaligen FDLR-Angehörigen einer besonders kritischen Prüfung unterzogen.
Soweit die demobilisierten FDLR-Kämpfer zu ihrem Werdegang in der FDLR und ihren dortigen Funktionen und Aufgaben berichteten, ergaben sich für den Senat allerdings keine Anhaltspunkte, an der Glaubhaftigkeit ihrer Ausführungen zu zweifeln. So wurden entsprechende Angaben immer wieder durch Bekundungen anderer ehemaliger FDLR-Angehöriger bestätigt und deckten sich mit Listen und Organigrammen, die von der MONUC erarbeitet und vom UN-Zeugen 3B. vorgelegt wurden.
2. Vernehmung der kongolesischen Opferzeugen, der sogenannten Z-Zeugen
Der Senat hat darüber hinaus drei männliche und drei weibliche kongolesische Zeugen, die sogenannten Z-Zeugen (Z 1, Z 2, Z 3, Z 5, Z 9 und Z 10), im Rahmen einer audiovisuellen Vernehmung als Opferzeugen vernommen. Dabei wurde durch die Anwesenheit von jeweils einem Dolmetscher für die Sprache Suaheli am Aufenthaltsort der Zeugen und am Gerichtsort, die sich ständig gegenseitig überprüften, dafür gesorgt, dass die richtige sprachliche Übertragung der Fragen der Verfahrensbeteiligten und der Antworten der kongolesischen Zeugen gewährleistet war. So hakten die Dolmetscher jeweils gezielt nach, wenn Zweifel bestanden, ob die Fragen oder Antworten richtig verstanden worden waren. Auch war bei den Vernehmungen der anonymen kongolesischen Zeugen ständig ein Zeugenbeistand vor Ort anwesend.
a)
Die Z-Zeugen machten ausführliche Angaben zum Verhältnis und Zusammenleben der einheimischen Bevölkerung mit der FDLR an den von ihnen bewohnten Orten und schilderten insbesondere ihre Erlebnisse aus dem Jahr 2009. Wenn es auch bei keinem der Zeugen Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung ihrer Aussagefähigkeit gab, war doch bei allen Zeugen aufgrund ihrer Schilderungen und Reaktionen deutlich erkennbar, dass die Ereignisse, über die sie berichteten, sie trotz des inzwischen vergangenen Zeitraums noch immer aufwühlten. Dies war insbesondere bei den drei weiblichen Zeugen der Fall, wenn es um die von ihnen berichteten Vergewaltigungen und das damit in Zusammenhang stehende Geschehen ging. So brachen diese auf Nachfragen immer wieder in Tränen aus, so dass die Hauptverhandlung mehrfach kurzfristig unterbrochen werden musste, damit die Zeuginnen sich wieder sammeln konnten. Auch fiel es insbesondere den Zeuginnen Z 5 und Z 10 offensichtlich aufgrund ihres kulturellen Hintergrunds schwer, detailliert auf ihre Intimsphäre betreffende Fragen zu antworten. Insgesamt waren bei allen kongolesischen Zeugen bedingt durch ihre Herkunft aus einem anderen Kulturkreis Besonderheiten in der Art und Weise der Beschreibung von Erlebnissen und Geschehnissen festzustellen. So schilderten sie Ereignisse oftmals zunächst nicht zeitlich geordnet und in einer chronologischen Abfolge. Auch war nicht immer erkennbar, ob sie die von ihnen berichteten Vorgänge selbst wahrgenommen hatten oder ihnen diese von anderen Quellen bekannt waren. Während die männlichen kongolesischen Zeugen, die sämtlich über eine gute Schulbildung verfügten, auf Nachfragen regelmäßig in der Lage waren, die von ihnen berichteten Vorgänge in einen größeren Zusammenhang zu stellen, Details nachzureichen und mögliche Missverständnisse durch weitere Erläuterungen klarzustellen, taten sich die kongolesischen Zeuginnen zum Teil sehr schwer, die Zielrichtung von Fragen zu erkennen und Vorgänge strukturiert darzustellen. Aufgrund ihrer mangelnden Schulbildung verfügten vor allem die Zeuginnen Z 1 und Z 5 lediglich über einen sehr einfachen Wortschatz, weshalb sie Ereignisse auch auf Nachfrage manchmal nur rudimentär beschreiben konnten. Darüber hinaus sprangen sie zeitlich bei der Schilderung von Erlebnissen und hatten Schwierigkeiten, diese kalendermäßig einzuordnen. Wie die als Staatsanwältin bei den Vernehmungen im Ermittlungsverfahren beteiligte Zeugin Dr. Z. berichtete, wurden bei den erstmaligen Vernehmungen der kongolesischen Zeugen aus den genannten Gründen teilweise Vernehmungshilfen in Form von Skizzen und Spielfiguren benutzt, um den Zeugen die Schilderung der Reihenfolge von Ereignissen oder die Darstellung, welche Personen zu welchem Zeitpunkt anwesend waren, zu erleichtern. Damit in der Hauptverhandlung keine Fehldeutungen oder Missverständnisse entstehen konnten, wurden zur Klärung des Sachverhalts jeweils entsprechende Nachfragen gestellt, auch was die Unterscheidung zwischen eigenen Erlebnissen und Fakten vom Hörensagen betraf.
Insgesamt hatte der Senat bei keinem der Zeugen aufgrund ihres Aussageverhaltens Anhaltspunkte dafür, sie würden über Dinge berichten, die sie nicht tatsächlich erlebt oder davon gehört hätten, zumal sie immer wieder Details beschrieben, die auch durch andere Beweismittel bestätigt wurden. Auch gab es keinerlei Hinweise dafür, dass die Zeugen, die sich trotz schwieriger Bedingungen jeweils zwischen drei und sieben Tagen den Fragen des Senats, der Bundesanwaltschaft und den teilweise sehr ausufernden (und wenig sensiblen Fragen) der Verteidigung stellten, sich einer weiteren Befragung verweigert hätten, um eine Wahrheitsfindung zu verhindern.
b)
Aufgrund der besonderen Umstände der Vernehmung der Z-Zeugen berücksichtigte der Senat bei der Würdigung derer Aussagen allerdings deren stark geminderten Beweiswert. So mussten diese Zeugen, um sie keiner Gefahr für Leib und Leben auszusetzen, audiovisuell und zudem unter Wahrung ihrer Anonymität mit den damit gegebenen Einschränkungen vernommen werden. Den Verfahrensbeteiligten waren weder die genauen Personalien und der gewöhnliche Aufenthalt der Zeugen, der konkrete Ort, an dem sie sich zu ihrer audiovisuellen Vernehmung befanden, oder die Personen, die sie außerhalb der Vernehmungen betreuten, noch in den Fällen der Zeugen Z 5, Z 9 und Z 10 deren Aufenthaltsort in dem Zeitraum, der ihre Angaben betraf, bekannt. Aufgrund der nachvollziehbaren Angaben des während der jeweiligen Übertragung am Vernehmungsort anwesenden BKA-Beamten KHK H., der dies anhand von vorgelegten ID-Papieren, früheren Begegnungen mit den Zeugen und Kontakten mit den sie betreuenden Nichtregierungsorganisationen feststellte, steht zwar zur Überzeugung des Senats fest, dass es sich bei den vernommenen Z-Zeugen um die zuvor von den Ermittlungsbehörden vernommenen Zeugen handelte, darüber hinausgehende objektivierbare Erkenntnisse zu den Zeugen fehlten aber ansonsten weitgehend. Einschränkungen waren bei den Zeugen auch insoweit zu verzeichnen, als die Möglichkeiten zu deren konfrontativer Befragung dadurch beschränkt waren, dass sich die Zeugen weigerten, Fragen, die zu einer Aufdeckung ihrer Identität führen konnten, zu beantworten und lediglich der Zeuge Z 9 der Verteidigung zur Ausübung des vollständigen Fragerechts zur Verfügung stand. Der Senat hat die Aussagen der Zeugen deshalb einer äußerst vorsichtigen und zurückhaltenden Beweiswürdigung unterzogen und die Angaben nur zur Abrundung und Bestätigung des sonst gewonnenen Beweisergebnisses herangezogen.
3. Vernehmung der UN-Zeugen
a) Die Zeugen 1C.G. und 4D.M.
Umfangreiche Angaben zu den in den Kivu-Gebieten tätigen Teilen der FDLR, deren wirtschaftlichen Grundlagen, Rahmenbedingungen und Agieren vor allem in den Jahren 2008 und 2009 sowie zu den Aktivitäten der Angeklagten insbesondere im Bereich der Satellitentelefonie erfolgten im Rahmen der Beweisaufnahme durch die Zeugen 4D.M. und 1C.G.. Diese berichteten über ihre Erkenntnisse als Mitglieder verschiedener vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beauftragter Expertengruppen für die Demokratische Republik Kongo („Group of Experts on the DRC“). Beide Zeugen verfügen aufgrund ihres beruflichen Werdegangs über umfangreiche Kenntnisse zu verschiedenen Ländern Afrikas und eine große und langjährige Vororterfahrung in Afrika. So arbeitete der Zeuge 4D.M. nach einem Studium der Volkswirtschaft für mehrere Jahre als Journalist im westlichen und zentralen Afrika und wurde im Jahr 2008 in seiner Eigenschaft als Finanzexperte Mitglied einer UN-Expertengruppe in der DR Kongo sowie im Jahr 2009 Leiter einer weiteren dort eingesetzten UN-Expertengruppe. Der Zeuge 1C.G. beschäftigte sich nach einem Studium der Physik seit dem Jahr 2002 zunächst als Forscher bei der Organisation GRIP (Group for Research and Information on Peace and Securitiy) mit Konfliktgebieten vorrangig in Afrika und arbeitete anschließend in den Jahren 2007 bis 2011 als Mitglied oder Berater in verschiedenen vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in Afrika beauftragten Expertengruppen. Für seine Arbeit in den UN-Expertengruppen für die DR Kongo hielt sich der Zeuge 4D.M. fast das ganze Jahr 2008 sowie von Februar 2009 bis November/Dezember 2009 im Osten der DR Kongo auf. Der Zeuge 1C.G. befand sich im Jahr 2009 bis Mitte 2010 als Mitglied und Waffenexperte der vom Zeugen 4D.M. geleiteten UN-Expertengruppe sowie einer weiteren UN-Expertengruppe in der DR Kongo. Beide Zeugen haben den Schlussbericht der Expertengruppe für die Demokratische Republik Kongo vom 23. November 2009 mitverfasst, der Zeuge 4D.M. war darüber hinaus am Schlussbericht der UN-Sachverständigengruppe für die DR Kongo vom 12. Dezember 2008 beteiligt.
Die zwei Zeugen haben ihre Vorgehensweise im Rahmen der UN-Expertengruppen, die hierbei eingehaltenen Beweismittelstandards bei der Gewinnung von Informationen und die Tatsachengrundlage für ihre Angaben detailliert und widerspruchsfrei beschrieben. Auf Rückfragen gaben sie ausführlich Auskunft zu einzelnen von ihnen verwerteten Beweismitteln. Danach stützen sich die in den Berichten der Expertengruppe festgehaltenen und von ihnen geschilderten Erkenntnisse in erster Linie auf authentische Dokumente sowie Beobachtungen aus erster Hand. War dies nicht möglich, erfolgte in der Regel nur dann ein Rückgriff auf andere Quellen, wenn die dadurch erhaltenen Informationen durch Verwendung von mindestens drei voneinander unabhängigen und zuverlässigen Quellen gesichert waren. Wie die Zeugen ausführten, dienten als Erkenntnisgrundlage für ihre Angaben umfangreiche Untersuchungen vor Ort, bei denen sie unter anderem in Ruanda und in der DR Kongo repatriierte bzw. noch aktive FDLR-Angehörige, Angehörige der FARDC und anderer bewaffneter Gruppierungen, Mitarbeiter kongolesischer Behörden und humanitärer Organisationen sowie Menschenrechtsorganisationen und kongolesische Zivilisten befragten. Zudem werteten sie zahlreiche Dokumente der UN und kongolesischer Behörden sowie Verbindungsdaten der Satellitentelekommunikationsgesellschaft Thuraya aus. Anhaltspunkte dafür, dass die insoweit gemachten Angaben der Zeugen nicht wahrheitsgetreu erfolgt wären, ergaben sich nicht.
Bei der Würdigung der Aussagen der Zeugen war sich der Senat allerdings bewusst, dass sie teilweise Angaben als Zeugen vom Hörensagen machten und ihre Erkenntnisse insoweit weitgehend auf Informationen im Hintergrund gebliebener anonymer Personen beruhten, deren Identität sie aus Quellenschutzgründen nicht offenbarten. Auch standen zwar sowohl der Zeuge 4D.M. als auch der Zeuge 1C.G. jeweils an sieben Tagen einer umfangreichen Befragung durch die Verfahrensbeteiligten zur Verfügung, in dieser Zeit konnten beide aber nicht abschließend durch die Verteidiger und Angeklagten befragt werden. Deren Möglichkeit zur konfrontativen Befragung der Zeugen war deshalb beschränkt. In Anbetracht dieser den Beweiswert der Aussagen der Zeugen mindernden Umstände hat der Senat die Angaben beider Zeugen im Rahmen der Beweiswürdigung entsprechend der für solche Fälle geltenden Vorgaben der Rechtsprechung kritisch und zurückhaltend gewürdigt.
b) Der Zeuge 3B.
Umfangreiche Angaben zur FDLR, ihrer Struktur und ihrer Vorgehensweise machte darüber hinaus der Zeuge 3B.. Dieser verfügte aufgrund seiner von Februar 2009 bis Juni 2012 ausgeübten beruflichen Tätigkeit als politischer Mitarbeiter der MONUC im Rahmen des DDRRR-Programms („Disarmament, Demobilization, Rehabilitation, Reintegration and Resettlement“, übersetzt „Strategie zur Entwaffnung, Demobilisierung, Rehabilitierung, Reintegration und Wiederansiedlung“) über fundierte Erkenntnisgrundlagen hierfür. Als Mitglied des DDRRR-Programms mit 23 bis 25 Operationsstützpunkten in den Kivu-Gebieten stand der Zeuge in direktem Kontakt mit aktiven FDLR-Kämpfern, befragte viele Dutzende der monatlich etwa 110 bis 160 von der MONUC repatriierten FDLR-Angehörigen selbst und nahm auf Seiten der MONUC an einem Treffen im September 2009 mit Vertretern der FDLR und der DR Kongo zur Initiierung von Friedensverhandlungen in Ntoto teil. In seiner Funktion als berichterstattender Mitarbeiter des DDRRR hatte er Zugang zu den Erkenntnissen anderer Mitarbeiter der Friedensmission zu Standorten, zur Struktur, Arbeitsweise und den Aktionen der FDLR sowie anderer Gruppierungen in den Kivu-Gebieten und erhielt hierzu ständig aktuelle Informationen. So gingen ihm wöchentliche Berichte aller MONUC-Abteilungen und zwar einschließlich der Informationen der Militärbeobachter sowie der zivilen Beobachter zu. Außerdem war er am informellen Austausch der zuständigen UN-Abteilungen beteiligt. Im Rahmen seiner Vernehmung machte er detaillierte Angaben zu den Dokumenten der MONUC, die er dem Senat in Form von Dateien zur Verfügung gestellt hatte und die in verschrifteter und übersetzter Form in der Hauptverhandlung verlesen und teilweise in Augenschein genommen wurden. Dabei schilderte er nachvollziehbar die Grundlage der Entstehung der Dokumente und der darin aufgezeichneten Informationen. Als Mitarbeiter der MONUC recherchierte er darüber hinaus selbst zu dem Geschehen in Shario und Busurungi im April und Mai 2009 und erläuterte den von ihm selbst verfassten und in der Hauptverhandlung verlesenen DDRRR-Sonderbericht über Tötungen in Shario vom 5. Juni 2009 sowie den verlesenen Bericht des Gemeinsamen Büros der Vereinten Nationen für Menschenrechte vom 30. Mai 2009. Der Senat hatte auch bei ihm keinerlei Zweifel, dass seine kompetenten und auf den oben genannten Erkenntnisgrundlagen gemachten Angaben in der Hauptverhandlung wahrheitsgetreu erfolgten. Soweit es sich bei seinen Ausführungen um Informationen aus zweiter Hand bzw. als Zeuge vom Hörensagen handelte, wurde dies im Rahmen der Beweiswürdigung entsprechend gewürdigt.
4. Die Zeugin VW.
Über die Arbeit der Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch (im folgenden abgekürzt HRW), die hohen Standards, die an die Qualifikation der in den Krisengebieten tätigen Mitarbeiter gestellt werden, und die von ihr und weiteren Mitarbeitern von HRW in den Kivu-Gebieten gewonnenen Erkenntnisse zur FDLR und deren Agieren berichtete ausführlich, detailliert und nachvollziehbar die Zeugin VW.. Die Zeugin, die über einen Masterabschluss in Volkswirtschaft verfügt, war zum Zeitpunkt ihrer Vernehmung seit 13 Jahren im Osten Kongos beruflich tätig und zwar von 2000 bis 2003 für die Nichtregierungsorganisation Oxfam und ab dem Jahr 2003 als leitende Ermittlerin von HRW im Gebiet der Afrikanischen Großen Seen. Sie war maßgeblich an den Ermittlungen für den im Dezember 2009 veröffentlichten HRW-Bericht „You will be punished“ („Ihr werdet bestraft“) sowie dessen Abfassung beteiligt und stellte detailliert dar, welche Beweismittelstandards für die im Bericht aufgeführten Informationen galten, aufgrund welcher Erkenntnisgrundlage der Bericht verfasst worden war und welche Wahrnehmungen und Erkenntnisse sie selbst hierzu gewonnen hatte. Danach dienten als Basis für den Bericht 23 Erkundungsmissionen im Jahr 2009, die von vier verschiedenen HRW-Ermittlern zu 30 verschiedenen Schauplätzen in der DR Kongo durchgeführt wurden und sich über einen Zeitraum von neun Monaten erstreckten. Hierbei wurden insgesamt 689 Interviews mit Personen gemacht, von denen 175 von der Zeugin selbst geführt und die übrigen Interviews sowie die von den anderen HRW-Ermittlern hierzu verfassten Berichte von ihr gelesen wurden. Im Rahmen der Ermittlungstätigkeit von HRW erfolgten darüber hinaus 300 Gespräche mit UN-Mitgliedern, Vertretern örtlicher Behörden und der Kirchen sowie mit weiteren Personen vor Ort. Auch wertete HRW Satellitenbilder über Tatorte möglicher Massaker mit Hilfe von Experten aus.
Wie die Zeugin schilderte, verfügte HRW damit für den Bericht über eine ungewöhnlich breite Quellenbasis, wobei in diesem Fall zudem besonders hohe Ermittlungs- und Beweisstandards aufgrund der besonderen Bedingungen in den Kivu-Gebieten galten. So berichtete die Zeugin, dass sämtliche Auskunftspersonen von HRW getrennt voneinander befragt wurden und bei Interviews mit beschuldigten Personen in der Regel zwei Ermittler anwesend waren. Darüber hinaus wurde der generell bei HRW geltende Standard, nur solche Informationen zu übernehmen, die durch mindestens zwei voneinander unabhängige Quellen gestützt wurden, bei den Recherchen in der DR Kongo noch einmal verschärft und darauf geachtet, dass hierfür im Regelfall mindestens drei oder vier derartige Quellen vorlagen. Auch fand bei den Untersuchungen immer dann ein besonderer Abgleich von Informationen statt, wenn die Möglichkeit des Irrtums oder die Gefahr der Manipulation gegeben war. So wurden bei der Ermittlung der Anzahl getöteter Personen Schilderungen von Augenzeugen, die entweder die Tötungen gesehen oder die Beerdigung der Toten durchgeführt hatten, mit Listen identifizierter beerdigter Personen und sonstigen Informationen von örtlichen Behörden und Mitarbeitern aus dem medizinischen Bereich abgeglichen. Auch wurden Zeugenaussagen über in Brand gesetzte Häuser soweit wie möglich mit Erkenntnissen aus Vorortbesichtigungen und ausgewerteten Satellitenaufnahmen abgeglichen. Wie die Zeugin bekundete, wurden dabei für Angaben, die von Auskunftspersonen gemacht wurden, keinerlei Gegenleistungen versprochen oder gewährt, auch nicht in Form humanitärer Hilfe. Anhaltspunkte dafür, dass die Erkenntnisse der Nichtregierungsorganisation und der Zeugin nicht auf unabhängigen Ermittlungen beruhen würden oder einseitig geführt worden wären, ergaben sich für den Senat aufgrund der Beweisaufnahme nicht. Auch war aufgrund des Aussageverhaltens der Zeugin keinerlei Belastungseifer erkennbar. Anlass zu Zweifeln an der persönlichen Glaubwürdigkeit der Zeugin bestand insgesamt nicht.
Bei der Zeugin VW. war im Rahmen der Beweiswürdigung allerdings ebenfalls zu beachten, dass es sich bei ihr in vielen Punkten um eine Zeugin vom „Hörensagen“ handelte und sie die Identität der von HRW gehörten Auskunftspersonen nicht aufdeckte. Auch beruhten ihre Angaben teilweise auf Dokumenten und Listen, die im Besitz von HRW waren, aber aus Quellenschutzgründen den Verfahrensbeteiligten nicht zugänglich gemacht und von den Verfahrensbeteiligten auch nicht eigenständig überprüft werden konnten. Damit war eine konfrontative Befragung dieser Zeugin, die sich bei einzelnen Nachfragen auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO berief, ebenfalls nicht umfassend möglich. Die mit den genannten Umständen verbundenen Einschränkungen für alle Verfahrensbeteiligten wurden bei der Beweiswürdigung entsprechend berücksichtigt.
5. Der Zeuge 2R.
Ausführliche Angaben über seine umfangreichen Recherchen zur FDLR und deren Agieren in den Kivu-Gebieten machte in der Hauptverhandlung auch der Zeuge 2R., der in seiner Funktion als Consultant für verschiedene Nichtregierungsorganisationen und für die Weltbank tätig war und über seine Untersuchungen umfassende Berichte veröffentlicht hat. Dass seine Angaben auf einer breiten und fundierten Erkenntnisgrundlage beruhten, ergab sich aus der von ihm berichteten breit angelegten Untersuchungstätigkeit im Hinblick auf die FDLR und seinem persönlichen und beruflichen Werdegang. So war der Zeuge zehn Jahre lang in Afrika im Gebiet der Afrikanischen Großen Seen tätig und verbrachte zwischen 2005 und 2009 die Hälfte seiner Zeit im Ostkongo, wobei er sich hierbei während eines langen Zeitraums mit der FDLR und der ALIR beschäftigte. Als Quellen seiner Rechercheergebnisse nannte er unter anderem aktive und repatriierte FDLR-Angehörige, kongolesische Regierungsmitglieder und Privatleute, im Kontakt mit der FDLR stehende kongolesische Zivilisten sowie Händler, die Zugang zu ihren Lagern hatten, Mai-Mai-Angehörige und Mitarbeiter der MONUC sowie Regierungsmitglieder und Privatleute aus Ruanda. Anlass an der Glaubwürdigkeit des Zeugen zu zweifeln, bestand bei ihm aufgrund seines Aussageverhaltens und der Tatsache, dass viele seiner Angaben während der weiteren Hauptverhandlung bestätigt wurden, ebenfalls nicht. Auch bei diesem Zeugen ging der Senat allerdings bei mittelbar erlangten Informationen, über die der Zeuge berichtete und bei denen er sich auf anonyme Quellen stützte, deren Offenlegung er verweigerte, aufgrund der fehlenden Möglichkeit zur Überprüfung seiner ursprünglichen Wahrnehmungsquellen und zur uneingeschränkten konfrontativen Befragung von einem geminderten Beweiswert der insoweit gemachten Angaben aus und hat diese der Entscheidung nur insoweit zugrunde gelegt, als sie durch weitere Erkenntnisse bestätigt wurden.
6. Polizeiliche Aussage des Zeugen MW.K.
Aufgrund der vom Zeugen MW.K. mit einer persönlichen Bedrohungslage begründeten Weigerung, in der Hauptverhandlung vor dem OLG Stuttgart als Zeuge zu erscheinen, konnten lediglich dessen Angaben bei der polizeilichen Vernehmung vom 23. bis 25. September 2009 durch Beamte des Bundeskriminalamts über die Zeugen KHK P. und KOK’in D. in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Damit aber stand der Zeuge, der - wie die Zeugen KHK P. und KOK’in D. aufgrund seiner Ausführungen berichteten - zunächst von 1998 bis 2003 auf Seiten der Mai-Mai-Milizen am Widerstand teilgenommen hatte, danach im Rahmen des Repatriierungsprogramm der MONUC tätig wurde und später für verschiedenen Nichtregierungsorganisationen arbeitete, für die Befragung durch die Verfahrensbeteiligten und damit für ein kontradiktorischer Verhör nicht zur Verfügung. Der Senat hat deshalb berücksichtigt, dass den nur mittelbar erlangten Angaben des Zeugen insgesamt nur ein sehr stark geminderter Beweiswert zukommt und im Rahmen der Entscheidung auf diese allein keine Feststellungen gestützt.
7. Angaben der Zeugen des Bundeskriminalamts
Die Aussagen der vernommenen Zeugen des Bundeskriminalamts sind nach der Überzeugung des Senats glaubhaft und richtig. Insofern haben sich weder aus dem Aussageverhalten der Zeugen noch aus deren Ausführungen Unstimmigkeiten oder Hinweise auf unrichtige Erkenntnisse bzw. Angaben ergeben. Auch war bei keinem der Zeugen ein über Gebühr bestehendes Verfolgungsinteresse festzustellen.
II. Telekommunikationserkenntnisse
Soweit der Senat seine tatsächlichen Feststellungen auf Erkenntnisse aus der Telekommunikation stützt, ist hierzu vorab Folgendes auszuführen:
1.
Die Erkenntnisse aus der Telekommunikation ergaben sich im vorliegenden Strafverfahren vornehmlich aus zwei Quellen, nämlich aus
- den bei beiden Angeklagten durchgeführten Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen und
- den beim Angeklagten Dr. M. sichergestellten Dateien mit von ihm versendeten bzw. empfangenen SMS-Nachrichten, insbesondere der sichergestellten Datei: „SMS VENANT D‘EN BAS.doc“. Die Dateien befinden sich auf der Festplatte des bei dem Angeklagten Dr. M. sichergestellten Notebooks des Herstellers Asus, Model X51L. Auf der Festplatte befinden sich insgesamt 60.583 Dateien mit einer Gesamtgröße von 5,49 Gigabyte.
2.
Aufgrund von Beschlüssen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs wurden durch das Bundeskriminalamt im Zeitraum vom 22. Dezember 2008 bis zum 2. Dezember 2009 verschiedene Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen durchgeführt.
a)
Dabei wiesen folgende Maßnahmen Verfahrensrelevanz auf:
Der Mobilfunkanschluss 01.../... mit der 02-Homezone-Nummer 06.../... des Angeklagten Dr. M. wurde im Zeitraum vom 8. Dezember 2008 bis zum 19. November 2009 überwacht. Im Überwachungszeitraum wurden 9087 Ereignisse verzeichnet.
Die E-Mail Postfächer
- [email protected],
- ...Dr. [email protected],
- ...Dr. [email protected],
- [email protected] und
- [email protected]
des Angeklagten Dr. M. wurde im Zeitraum vom 8. Dezember 2008 bis zum 30. November bzw. 1. Dezember 2009 überwacht. Im Überwachungszeitraum wurden in den einzelnen Postfächern 1852, 8796, 355, 4553 und 4084 Ereignisse verzeichnet.
Zudem wurde das VoIP Benutzerkonto „..." des Angeklagten Dr. M. überwacht. Der Beginn der tatsächlichen Umsetzung durch den Betreiber Betamax war der 23. Juli 2009, die Maßnahme wurde am 30. November 2009 beendet. Das Benutzerkonto „..." wurde vom Angeklagten Dr. M. regelmäßig für abgehende Telefonate oder den Versand von SMS genutzt. Im Überwachungszeitraum wurden 571 Ereignisse verzeichnet.
Die Überwachung des DSL-Breitbandanschluss 07.../... und 07.../... des Angeklagten M. erfolgte im Zeitraum vom 23. März bis zum 9. November 2009. Da beide Rufnummern technisch einem einzigen Anschluss zugeordnet waren, wurde in den Maßnahmen nur der Anschluss 07.../... aufgeführt, tatsächlich wurde der unter beiden Rufnummern geführte Kommunikationsverkehr überwacht. Im Überwachungszeitraum wurden 394 Ereignisse/Internet-Sitzungen verzeichnet.
Weiter wurde im Zeitraum vom 23. März bis zum 6. November 2009 der Festnetzanschluss 07.../... des Angeklagten M. überwacht. Im Überwachungszeitraum wurden 2883 Ereignisse verzeichnet.
Die Mobilfunkanschlüsse 01.../... und 01.../... des Angeklagten M. wurden vom 23. März bis zum 30. November 2009 überwacht. Im Überwachungszeitraum wurden 862 bzw. 798 Ereignisse verzeichnet.
Die E-Mail Postfächer
- [email protected]
- [email protected]
des Angeklagten M. wurde im Zeitraum vom 8. Dezember 2008 bis zum 30. November 2009 überwacht. Im Überwachungszeitraum wurden in den Postfächern 16.000 bzw. 29.800 Ereignisse verzeichnet.
Ursprünglich waren die Ermittlungsbehörden davon ausgegangen, dass der Angeklagte Dr. M. Nutzer des Postfaches [email protected] sei. Im Laufe der Ermittlungen wurde jedoch festgestellt, dass es vom Angeklagten M. unter Verwendung seines Alias-Namens 19M. (in der Absenderkennung hinterlegt), bedient wurde. So wurden zum Teil von diesem Postfach versandte E-Mails mit 1. VP, was für den 1. Vizepräsident steht, unterzeichnet. Weiterhin wurde durch die DSL-Überwachungsmaßnahmen bekannt, dass über diesen DSL-Anschluss regelmäßig auf das Postfach [email protected] durch Sichtung neuer Eingänge und Versenden von E-Mails zugegriffen wurde.
In der Hauptverhandlung wurden über 200 der überwachten Telefonate in der Regel vollständig in Augenschein genommen und übersetzt sowie eine weit darüber hinausgehende Anzahl der E-Mails und SMS übersetzt und verlesen.
b)
Die Zuordnung der Telefonate zu dem Angeklagten Dr. M. als Kommunikationsteilnehmer beruht zum einen darauf, dass Anschlüsse auf seinen Namen angemeldet waren und zum anderen darauf, dass in zahlreichen Gesprächen sein Name ausdrücklich von ihm und anderen genannt wurde. Außerdem konnte der Sprachmittler 1T.K., der vor und während der gesamten Hauptverhandlung eine Vielzahl von Telefonaten der Angeklagten anhörte, übersetzte und dabei sowie in der Hauptverhandlung die Angeklagten sprechen hörte, die Stimmen der Angeklagten als Gesprächsteilnehmer zutreffend zuordnen, was im Laufe der langjährigen Hauptverhandlung auch den Senatsmitgliedern möglich war.
Bei den E-Mails und SMS erfolgte die Zuordnung zum Angeklagten Dr. M. dadurch, dass die E-Mail-Adressen und Telefonanschlüsse seinen Namen trugen und vor allem durch deren Inhalt, in dem sein Name auftauchte oder dieser sonst mit ihm zu tun hatte.
Der Angeklagte M. hat in seiner Einlassung eingeräumt, dass die in die Hauptverhandlung eingeführten Telefonate, SMS und E-Mails, die seinem Namen zugeordnet wurden, tatsächlich von ihm geführt bzw. geschrieben oder empfangen wurden.
c)
Der Senat konnte auch eine Überzeugung von den Kommunikationspartnern der beiden Angeklagten gewinnen.
Über die durchgeführten Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen sagten in der Hauptverhandlung die Zeugen KHK P. und KOK´in V. aus. Im Rahmen ihrer Vernehmung erläuterte KOK´in V. den von ihr verfassten TKÜ-Auswertebericht.
Von ihr wurde als Anlage 1 zum TKÜ-Auswertebericht eine Liste zu den Kommunikationspartnern der beiden Angeklagten im Rahmen der Telekommunikationsüberwachung (sog. B-Teilnehmer) erstellt. Die Liste nennt in Spalte 6 und 8 beispielhaft Belege für die erfolgte Zuordnung. Diese beruhen im Wesentlichen auf den im Rahmen der Telekommunikation selbst verwendeten Namen bzw. Kampfnamen der Gesprächspartner der Angeklagten (wie zum Beispiel 17M., O., 8S., 4L. etc.), auf den verwendeten Funktionsbezeichnungen (2. VP, SEA, SE etc.) und auf dem Inhalt der überwachten Kommunikation. So wurden dem Angeklagten Dr. M. auf dessen Anfragen die jeweils aktuellen Telefonnummern einzelner FDLR-Führungskräfte mitgeteilt; teilweise ergibt sich die Identität der Kommunikationspartner der Angeklagten aus dem Inhalt der Kommunikation selbst, teilweise daraus, dass bei weiteren Kommunikationsereignissen über die zuvor mit einem anderen Partner geführte Kommunikation berichtet wird. Letztlich wurden auch höherrangige ehemalige FDLR-Kämpfer nach Anhören aufgezeichneter Telefongespräche zu den Gesprächspartnern des Angeklagten Dr. M. befragt, wobei die Erkenntnisse von KOK´in V. bestätigt wurden.
Die von KOK´in V. erstellte Liste der B-Teilnehmer deckt sich mit den vom Senat im Laufe der Beweisaufnahme selbst gewonnenen Informationen zu den Kommunikationspartnern der beiden Angeklagten. Sie steht auch im Einklang zu den Erkenntnissen der Zeugen Matthew 3B. und 4D.M., welche zahlreiche ehemalige FDLR-Angehörige zu den bei der FOCA verwendeten Telefonnummern befragt hatten.
d)
Des Weiteren stellte der Senat fest, dass die durchgeführten TKÜ-Maßnahmen nicht alle Kommunikationswege der Angeklagten erfasst hatten. Beispielweise wurden die Maßnahmen bezüglich der VolP-Telefonie des Angeklagten Dr. M. erst ab dem 23. Juli 2009 umgesetzt. Dabei war diese Art der Kommunikation wesentlich kostengünstiger als eine solche über Satellitentelefone, weshalb der Angeklagte Dr. M. für abgehende Gespräche/SMS oftmals diesen Kommunikationsweg wählte. Gespräche über VoIP, die vor diesem Zeitpunkt, also insbesondere zur Zeit, in der die angeklagten Kriegsverbrechen begangen wurden, geführt wurden, sind daher nicht von der Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme erfasst.
Weiterhin ergab sich im Rahmen der Überwachungsmaßnahme, dass der Angeklagte Dr. M. über ein Thuraya-Satellitentelefon verfügte, welches er auch benutzte, wie er im Rahmen mehrerer Telefongespräche und SMS erwähnte. So schrieb er beispielsweise am 18. August 2009 um 20.00 Uhr an „13K.“: „Am laufenden 18. habe ich das Thuraya angemacht und habe festgestellt, dass du gestern am 17. versucht hast, mich anzurufen. Normalerweise mache ich das Thuraya an, nur wenn ich anrufen will.“ Bei den Durchsuchungsmaßnahmen wurden dann auch mehrere Satellitentelefone in dessen Wohnung aufgefunden. Letztlich ergab sich im Rahmen der Beweisaufnahme aus dem Inhalt einzelner Telefongespräche, dass der Angeklagte Dr. M. zuvor mit anderen FDLR-Mitgliedern kommuniziert hatte. Diese Gespräche, auf die die weitere Kommunikation Bezug nahm, waren aber von der Telekommunikationsüberwachung gar nicht erfasst.
Hinzu kommt, dass sich die beiden Angeklagten bei ihrer Kommunikation sehr konspirativ verhielten, da sie, wie sich aus den Gesprächsinhalten ergibt, mit einer Überwachung ihrer Kommunikation rechneten.
e)
Die Sprachen der von der Telekommunikationsüberwachung erfassten Ereignisse waren in aller Regel die Sprachen Kinyarwanda und Französisch. Wenige Ereignisse erfolgten in deutscher, vereinzelte Ereignisse in englischer Sprache.
Die Sprachqualität der aufgezeichneten Telefongespräche war, soweit die Gespräche innerhalb Europas geführt wurden, in nahezu allen Fällen von guter Qualität, soweit Gespräche mit Teilnehmern in Afrika oder über VoIP geführt wurden zumindest von durchschnittlicher Qualität. Soweit einzelne Worte oder Passagen vom Sprachmittler nicht verstanden werden konnten, wurde dies kenntlich gemacht, in der Hauptverhandlung machten die Angeklagten hierzu sogar Angaben.
Die Ereignisse wurden in der ganz überwiegenden Mehrheit vom Sprachmittler 1T.K. in die deutsche Sprache übersetzt. Dieser Sprachmittler leistete, wie der Senat bereits während der Hauptverhandlung im Rahmen mehrerer Beschlüsse zu Ablehnungsgesuchen gegen den Sprachmittler festgestellt hatte, über die ganze Hauptverhandlung hinweg eine einwandfreie Arbeit. Die während der Hauptverhandlung getätigten Übersetzungen erfolgten in Anwesenheit der beiden Angeklagten, welche die deutsche Sprache sehr gut beherrschen. Auf Beanstandungen der Angeklagten reagierte der Sprachmittler sofort und vermochte diese regelmäßig auszuräumen. Der Sprachmittler hatte zwar zu Beginn der Telekommunikationsüberwachung im Ermittlungsverfahren mehrfach Mühe, den Sinn der von den FDLR-Angehörigen verwandten Abkürzungen zu verstehen und diese daher korrekt zu übersetzen. Bereits im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gelang es ihm jedoch, den Aufbau der FDLR und die von ihr verwendeten Abkürzungen zu erfassen. In der Hauptverhandlung erfolgten hierzu so gut wie keine Beanstandungen mehr. Zumeist wurde ohnehin nicht die Übersetzung des Kommunikationsinhaltes, sondern vermeintliche grammatikalische Unrichtigkeiten beanstandet. So wurde etwa von den Angeklagten beanstandet, wenn der Sprachmittler anstelle der indirekten Rede die direkte Rede verwandte. Im Rahmen der Hauptverhandlung wurden weitere Sprachmittler für die Sprache Kinyarwanda zur Überprüfung einzelner vom Sprachmittler 1T.K. bereits während des Ermittlungsverfahrens gefertigter Übersetzungen beauftragt oder wenn sich Beanstandungen durch die Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht klären ließen. Dabei zeigten sich keine inhaltlichen Fehler bei den Übersetzungen des Sprachmittlers 1T.K..
Hierdurch wie durch eine Vielzahl von eingeführten Schriftstücken wurde auch die vom Sprachmittler 1T.K. wiederholt erwähnte Besonderheit der Sprache Kinyarwanda bestätigt, dass insbesondere bei Namen aber auch in anderen Begriffen die Buchstaben „l“ und „r“ gleichbedeutend verwendet werden. Dies zeigt sich beispielsweise in der oben erwähnten SMS des Angeklagten Dr. M. an „13K.“. Dieser wird bei zahlreichen anderen Gelegenheiten als „12K.“ bezeichnet, obwohl es sich hierbei um dieselbe Person handelt.
Der Senat hat insgesamt keine Zweifel an der Korrektheit der Übersetzung der eingeführten Inhalte der Telekommunikationsüberwachung.
3.
Beim Angeklagten Dr. M. wurden anlässlich der bei ihm durchgeführten Wohnungsdurchsuchung Dateien mit abgespeicherten SMS-Nachrichten sichergestellt, die sowohl von ihm versendet wurden als auch bei ihm eingingen.
Die Absender bzw. Empfänger dieser SMS-Nachrichten sind mit vom Angeklagten Dr. M. gewählten Namen gekennzeichnet. Darunter befinden sich insbesondere die Namen 17M., 4L., O., S.M., B.. Bei diesen Namen handelt es sich, wie die Beweisaufnahme insbesondere bei der Vernehmung der ehemaligen Kämpfer der FDLR ergab, unter anderem um die Kampfnamen des FOCA-Kommandeurs Generalmajor S.M. (17M.), des 2. Vizepräsidenten G.I. (B.), des Kommandeurs der Sektors SONOKI Oberst P.N. (O.) und 2M.M. (4L.).
Teilweise werden von den Versendern in den SMS-Nachrichten diese Namen auch gebraucht.
Letztlich bestätigen auch die Inhalte der aufgefundenen SMS, dass es sich bei den Absendern bzw. Empfängern dieser Nachrichten tatsächlich um diejenigen Personen aus dem politischen bzw. militärischen Teil der FDLR handelte, die die verwendeten Arbeitsnamen führten.
Bei Einführung dieser SMS in die Hauptverhandlung wurde vom Angeklagten Dr. M. auch nicht etwa geltend gemacht, dass dieser SMS-Verkehr tatsächlich nicht stattgefunden habe oder es sich bei den Absendern bzw. Empfängern dieser Nachrichten nicht um die Personen gehandelt habe, die mit diesen Kampfnamen arbeiteten. Vielmehr belegen gerade zahlreiche vom Angeklagten Dr. M. gefertigte Beweisanträge, in denen er die Vernehmung weiterer FDLR-Auslandszeugen im Hinblick auf den Inhalt dieser SMS-Nachrichten benannte, dass dieser SMS-Verkehr zwischen ihm und den erwähnten Kommunikationspartnern tatsächlich stattgefunden hat.
Der Senat hat daher keinen Zweifel daran, dass es sich um authentische SMS-Nachrichten handelt.
B. Zu den persönlichen Verhältnissen und Einlassungen der Angeklagten
I. Persönliche Verhältnisse des Angeklagten Dr. M.
[…]
II. Persönliche Verhältnisse des Angeklagten M.
[…]
III. Einlassungen der Angeklagten zu den Tatvorwürfen
1. Einlassung des Angeklagten Dr. M.
Der Angeklagte Dr. M. hat sich zu den ihm gemachten Vorwürfen nicht eingelassen.
2. Einlassung des Angeklagten M.
Der Angeklagte M. hat in mehreren Erklärungen zu den Tatvorwürfen ausführlich Stellung genommen.
a) Politische Aktivitäten vor der Mitgliedschaft in der FDLR
Der Angeklagte M. schilderte darin ausführlich seine Motivation, weshalb er sich nach 33 Jahren unpolitischer Lebensführung dazu entschlossen habe, sich nunmehr politisch zu engagieren.
Politik sei in seiner Familie nie ein besonderes Thema gewesen, das Interesse seiner Eltern habe auf anderen Gebieten gelegen. Er selbst habe nach Abschluss der kleinen Priesterschule zwar nicht Priester werden wollen, sein katholischer Glaube sei ihm jedoch wichtig. Er sei eine von mehreren prägenden Konstanten in seinem Leben. Aus der christlichen Erziehung habe sich bei ihm die Grundhaltung herausgebildet, stets die Schwächeren und Hilfsbedürftigen zu unterstützen und ihnen beizustehen. Für ihn sei ein Engagement in einem Verein, in einer Partei oder Organisation nicht mit irgendwelchen persönlichen Interessen wie etwa finanziellen, ideologischen, religiösen oder sonstigen Ambitionen, mit Titeln wie Präsident, Vizepräsident oder politischer Karriere verbunden‚ sondern mit dem Grundbedürfnis, sich überhaupt zu engagieren, um einen Beitrag zur Lösung eines Problems zu leisten. Aus diesem Grund seien auch alle seine Tätigkeiten hierzu nur ehrenamtlich gewesen, er habe dabei nie Geld verdient oder verlangt.
Dieses Grundbedürfnis und der Umstand, dass Ende der neunziger Jahre fast seine ganze Familie in den Flüchtlingslagern im Kongo war, hätten ihn dazu gebracht, sich erstmalig in seinem Leben politisch zu engagieren. Er habe die Vorstellung unerträglich empfunden, dass in diesen Flüchtlingslagern hilflose Leute und Zivilisten waren, die keinen Flüchtlingsstatus bekamen und für die sich die Weltöffentlichkeit nicht interessierte. Für die Flüchtlinge habe die Gefahr von Tötungen, Massakern, Vergewaltigungen und sonstiger Verbrechen durch verschiedene bewaffnete Gruppen bzw. Streitkräfte in der Region wie die Mai-Mai, RCD, MLC, RPF, FARDC, Banyamulenge bestanden. Er habe jahrelang von seinen im Kongo lebenden Familienangehörigen keine Nachricht erhalten, keine Informationen gehabt, ob diese noch leben oder ob sie bei den Angriffen auf die Flüchtlingslager ums Leben gekommen sind. Die ersten Informationen habe er erst drei Jahre nach den ersten Angriffen auf die Flüchtlingslager bekommen.
Er sei davon überzeugt gewesen, dass die ganzen Probleme in der Region der Afrikanischen Großen Seen von politischen Machtkämpfen herrühren und deswegen auch nur die Politik diese Probleme lösen könne. Seine politische Arbeit beruhe daher nicht auf einem politischen Interesse grundsätzlicher Art oder auf politischen Erfahrungen, sondern auf seinen ganz persönlichen Erfahrungen, der Kenntnis von Einzelschicksalen und der Berichte seiner Familienangehörigen.
aa) Mitgliedschaft in dem Verein AKAGERA-Rhein e.V.
Bis zu seinem 33. Lebensjahr sei er politisch nicht aktiv gewesen. Nach dem Angriffskrieg 1990 durch die RPF von Uganda aus auf Ruanda, aber vor allem nach dessen Zuspitzung im April 1994 nach der Tötung der ruandischen und burundischen Präsidenten und der daraus resultierenden humanitären Katastrophe durch Massaker, Völkermord und Massenflucht hätten sich viele wie er in Deutschland lebende Bürger aus Ruanda entschlossen, den Verein AKAGERA-Rhein e.V. zu gründen. Er sei wie viele andere ruandische Mitbürger Gründungsmitglied des Vereins gewesen. Eine Funktion in dem Verein habe er weder ausgeübt noch angestrebt.
Ziel von AKAGERA-Rhein e. V. sei es gewesen, die Weltöffentlichkeit und vor allem die Menschen in Deutschland über die Lage in Ruanda zu informieren, um eine breite Unterstützung bei der Suche nach einer friedlichen Lösung zu erhalten. In seinen Erklärungen habe AKAGERA-Rhein e.V. den Krieg, die Tötungen der Zivilbürger und alle Verbrechen scharf verurteilt sowie die damalige Nationalarmee gebeten, für die Sicherheit der Zivilisten zu sorgen.
bb) Politische Aktivitäten in der RDR
Die „Vereinigung für die Rückkehr der Flüchtlinge und Demokratie in Ruanda“ (RDR) sei im Mai 1995 in den ruandischen Flüchtlingslagern im Ost-Kongo gegründet worden. Deren Hauptziel sei die friedliche Rückführung der ruandischen Flüchtlinge nach Ruanda durch politische Verhandlungen.
Er sei von 1995 bis 2000 Koordinator der RDR-Sektion in Deutschland gewesen. Dabei habe er viele Pressemitteilungen und Briefe an verschiedene deutsche Politiker geschrieben. Die RDR habe immer den Krieg als Mittel für die Lösung des Konflikts in der Region abgelehnt und alle Verbrechen während des Kriegs 1994 in Ruanda inklusive des Völkermords an den Tutsi verurteilt. Für die RDR sei als Weg aus der politischen Krise nur ein friedlicher und politischer innerruandischer-Dialog in Frage gekommen. Dafür habe die RDR 1995 einen Friedenspreis in Rheinland-Pfalz erhalten, den er als Vertreter der Organisation entgegen genommen habe. Diese Haltung sei auch stets seine persönliche Überzeugung gewesen. Deswegen habe er sich aktiv in der RDR engagiert.
b) Mitgliedschaft und Tätigkeit in der FDLR
aa) Gründe für die Mitgliedschaft und Tätigkeit in der FDLR
Der Angeklagte M. gab an, an der Gründungsversammlung der FDLR im Jahr 2000 teilgenommen zu haben. Nach der gewaltsamen Zerstörung der Flüchtlingslager im Ost-Kongo mit unzähligen Todesopfern als Folge seien die Ziele der RDR nicht mehr zu erreichen gewesen, denn die RDR sei im Kongo nicht mehr präsent gewesen. Sein Ziel, sich für das Schicksal der Flüchtlinge zu engagieren, sei jedoch in einer Organisation, die nicht mehr vor Ort gewesen sei, aus seiner Sicht nicht mehr zu verwirklichen gewesen. Daher habe er die RDR verlassen und sich nach einer anderen Organisation umgesehen.
Die sogenannten „Forces speciales“, meist frühere Angehörige der ruandischen Armee, seien nach 1996 nicht in den Flüchtlingslagern in der DR Kongo geblieben, sondern mit ehemaligen ruandischen Politikern nach Kongo-Brazzaville und in weitere Länder gegangen. Diese „Forces speciales“ hätten auf Bitte des „alten“ Kabilas später für ihn als verbündete Kämpfer in der DR Kongo gegen die ruandische Armee gekämpft. Wie genau der Kontakt zwischen den „Forces speciales“, die nach 1999 eine politische Lösung suchen wollten, und den in der RDR in Europa politisch engagierten Ruandern zustande gekommen sei, wisse er nicht mehr genau. Er könne sich jedoch erinnern, dass er mit Dr. M., der mit ihm in der RDR gewesen sei, über das Thema gesprochen habe. Sie hätten sich entschlossen, die von den „Forces speciales“ erstrebte politische Lösung zu unterstützen.
Die Initiative, eine Verbindung zu den in Europa engagierten Politikern einzugehen, um die angestrebte politische Lösung zu erreichen, sei von den „Forces speciales“ ausgegangen. In Europa, den USA und Afrika seien politisch engagierte Ruander bekannt gewesen, die für die politische Arbeit geeignet erschienen. Aus seiner Sicht sei es den „Forces speciales“ dabei darum gegangen, Personen zu finden, die aufgrund ihrer Erfahrungen und Möglichkeiten durch freizügige Reisemöglichkeiten und die Nutzung von Kommunikationsmitteln in der Lage waren, überall auf der Welt politische Verhandlungen führen und für sie sprechen zu können.
Selbstverständlich habe er sich gefragt, ob es richtig sei, in einer Organisation zu arbeiten, die über eine Armee verfüge. Denn jede Armee kämpfe und sein Anliegen sei der Frieden. Er habe sich auch gefragt, ob es möglich sei, mit einer Armee eine friedliche politische Lösung hinzubekommen, und aus welchen Gründen die „Forces speciales“ nunmehr politische Vertreter suchten. Er habe jedoch gewusst, dass in Afrika eine Einbindung des Militärs immer wichtig sei, denn gegen eine Armee könne man in Afrika nur sehr schwierig Politik machen. Er habe sich gedacht, wenn die Armee friedliche politische Verhandlungen wolle, böte sich eine sehr gute Chance für eine politische Lösung der Probleme in der Region. Das Problem der RDR, dass sie nicht mehr selbst im Kongo repräsentiert gewesen sei und damit den unmittelbaren Kontakt zum Geschehen, zu den Flüchtlingen und den Problemen vor Ort verloren habe, sei mit der Gründung der neuen Organisation FDLR ebenfalls gelöst gewesen. Diese Überlegungen seien für ihn maßgeblich gewesen, bei der Gründung der FDLR mitzumachen.
Zum Zeitpunkt der Gründung der FDLR habe er seit Jahren keine Nachrichten über das Schicksal seiner in den Kongo geflohenen Familie erhalten. Er habe nichts über deren Schicksal gewusst. Aus diesem Grund sei er vom Flüchtlingsproblem im Kongo persönlich betroffen gewesen. Als er im Mai 2000 zur Gründungsversammlung der FDLR in Lubumbashi im Süd-Ost-Kongo und im September 2001 zur Zeremonie der Demobilisierung der „Forces speciales“ in Kamina in die DR Kongo geflogen sei, habe er gehofft, jemanden vor Ort zu treffen, der über seine Familie oder seine Freunde Bescheid wisse. Diese Hoffnung habe sich leider nicht erfüllt.
Am 1. Mai 2000 sei die FDLR durch die „Forces speciales“ zusammen mit einigen Zivilisten und Politikern aus Afrika, Europa, Amerika und Asien mit Unterstützung der kongolesischen Regierung offiziell gegründet worden. Er sei aus Deutschland angereist, um an dieser Gründungsversammlung teilzunehmen und sich vor Ort eine Meinung zu bilden. Er habe sich von der Absicht aller Teilnehmer, nach einer friedlichen Lösung des Konflikts zu suchen und diese finden zu wollen, überzeugen lassen. Vor allem von den Angehörigen der Armee, der „Forces speciales“, sei ihm auch in privaten Gesprächen glaubhaft der Eindruck vermittelt worden, dass sie nichts anderes wünschten, als endlich Frieden in der Region zu haben. Er sei beeindruckt gewesen von deren Organisationsvermögen, Bildungs- und Ausbildungsniveau, Disziplin und deren Glauben an Gott. Diese hätten alles über den Respekt der Menschenrechtsprinzipien und Menschenwürde, über Prinzipien der Demokratie und über modernes Staatswesen gewusst. An den Orten, an denen er im Kongo gewesen sei, hätten die „Forces speciales“ mit der kongolesischen Zivilbevölkerung sehr harmonisch zusammengelebt, so dass er keinen Zweifel an der Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der „Forces speciales“ haben konnte. Er habe damals ohne jede Bedenken ausgeschlossen, dass es sich bei der neu gegründeten FDLR um eine Verbrecherorganisation oder „irgendetwas in dieser Richtung“ handeln könnte. Dessen sei er sich auch heute noch sicher. Die FDLR habe von Beginn an jegliche Verbrechen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt und sich davon distanziert. Ferner hätten sich die Gründer der FDLR entschlossen, solche Verbrechen entschieden zu bekämpfen.
c) Ziele und Inhalte der FDLR aus Sicht des Angeklagten M.
Als Ziele der FDLR benannte der Angeklagte M. die in Artikel 6 der Satzung der FDLR genannten Punkte:
- Wiedererlangung und Verteidigung der nationalen Souveränität;
- Endgültige Beendigung des ruandischen Dramas;
- Bildung einer Verwaltung, Armee und Ordnungskräften aus allen Bevölkerungsschichten Ruandas;
- Schaffung eines dauerhaften Friedens in Ruanda und in der Region;
- Wirken für eine Staatsgewalt, die auf den universellen Prinzipien des Rechtsstaats, auf dem politischen Pluralismus, auf einer auf freien und transparenten Wahlen basierenden Demokratie und auf anderen republikanischen Werten basiert;
- Benennung der Wahrheit über das ruandische Drama, Bestrafung der Schuldigen und ausnahmslose Rehabilitierung aller Opfer;
- Förderung der moralischen Werte, wie Respekt vor dem Leben, Menschenwürde, Wahrheit, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Emanzipation des Individuums, Respekt vor dem Anderen, Nächstenliebe, Toleranz und ein friedliches Zusammenleben;
- Arbeit für die nationale Versöhnung, den Wiederaufbau, die soziale und wirtschaftliche Entwicklung Ruandas;
- Förderung des Friedens und der Kooperation Ruandas mit seinen Nachbarn und der Internationalen Gemeinschaft.
Über diese Ziele der FDLR hätten sie sich in der Organisation geeinigt. In Übereinstimmung mit diesen Zielen müssten auch andere wichtige Texte der FDLR, wie zum Beispiel das Programm der FDLR, das Reglement der Inneren Ordnung oder die Disziplinarordnung ausgelegt werden. Alle Aktivitäten der Organisation stünden im Einklang mit den Zielen der FDLR. Seine Arbeit in der FDLR gründe sich auf diesen Zielen.
d) Aufbau und Struktur der FDLR aus Sicht des Angeklagten M.
Der Angeklagte M. ist der Ansicht, die FOCA sei als bewaffneter Arm der FDLR formal in diese eingebunden, tatsächlich aber von der FDLR souverän.
Dies begründet er wie folgt:
- Während FOCA-Angehörige in den FDLR-Gremien zu 50% vertreten seien, seien Politiker der FDLR nicht in den FOCA-Führungsorganen vertreten.
- In Art. 5 der Satzung der FDLR sei die Souveränität der FOCA garantiert. Diese besondere Stellung der FOCA erkläre sich für ihn historisch, weil die „Forces speciales“ vor Gründung der FDLR schon vorhanden gewesen seien und erst mit der Gründung der FDLR eine politische Struktur aufgebaut worden sei. Für ihn sei die Trennung des militärischen und politischen Teils damit auf gewachsene Strukturen zurückgegangen.
- Um überhaupt eine Zusammenarbeit zwischen der Armee und der Politik zu gewährleisten, gebe es die Regelungen in weiteren Artikeln der Satzung (Art. 39, 44, 45 und 46), beispielsweise dass die Armee in den Entscheidungsgremien der politischen Organisation bis zu 50% vertreten sein solle.
- Der Aufbau, die Aufgabe und die Ziele der Armee seien in eigenen Texten geregelt.
- Der Kommissar für Verteidigung habe nicht im Oberkommando mitentscheiden dürfen, sondern habe lediglich als Gast Ratschläge oder Informationen geben dürfen. Dieser habe als Politiker nicht mitentscheiden dürfen, obwohl er - wie auch der 2. Vizepräsident - früher ein hochrangiger Militärangehöriger gewesen sei. Die Aufgabe der beiden - und deshalb sei es nicht zufällig, dass Militärs für diese Posten ausgewählt worden seien - sei es gewesen, die Verbindung zwischen Politik und Militär herzustellen.
Somit stehe für ihn fest, dass die FOCA kein Organ der FDLR, sondern eine souveräne Institution sei, die mit der FDLR gemäß bestimmten Regeln zusammenarbeite.
e) Einlassung zu den Anklagevorwürfen
Der Angeklagte bestritt alle Anklagevorwürfe.
aa) Stellung und Funktion als 1. Vizepräsident
Der Angeklagte räumte ein, von 2004 bis zu seiner Verhaftung im November 2009 1. Vizepräsident der FDLR gewesen zu sein.
Als 1. Vizepräsident sei er für die Überwachung der Aktivitäten für politische Werbung, Diplomatie, Finanzen und Verwaltung zuständig gewesen.
Er sei in seinem Leben nie Soldat gewesen, er habe von militärischen Dingen keine Ahnung und habe sich auch nie in irgendeiner Form für die Armee (FOCA) zuständig gefühlt. Er sei nach Art. 42 der Satzung zwar Vertreter des Präsidenten der FDLR gewesen, aber der Vertretungsfall sei tatsächlich nicht eingetreten. Auch hätte er den Präsidenten keinesfalls im Bereich Militär/Verteidigung vertreten müssen, weil dafür der 2. Vizepräsident zuständig sei. Er sei zu keiner Zeit militärischer Befehlshaber gewesen, er habe in der FOCA kein Befehlsrecht, er habe kein Mitentscheidungsrecht und kein Mitspracherecht in der FOCA oder zumindest in einem von deren Entscheidungsorganen besessen. Für ihn wäre es eine nach Art. 7 der Disziplinarordnung verbotene Einmischung gewesen, wenn er sich um militärische Angelegenheiten gekümmert hätte.
Im Jahr 2005 sei er als 1. Vizepräsident mit den Vorbereitungen der Verhandlungen von Rom betraut gewesen. Er sei für die Reisevorbereitungen der Teilnehmer der FDLR aus dem Kongo und die Information über Vorschläge und Ergebnisse aus und in den Kongo zuständig gewesen. Um die Verhandlungsergebnisse von Rom in den Ost-Kongo zu transportieren, sowie um in der Armeeführung dafür zu werben, habe die FDLR als Unterstützung von der kongolesischen Regierung Gelder, unter anderem zur Anschaffung von Kommunikationsmittel, erhalten. Dadurch sollten verschiedene Einheitskommandeure im Kongo und zivile Flüchtlinge in der Region prinzipiell erreichbar sein. Von diesen Geldern habe er Thuraya-Telefone und Einheiten gekauft und in der Folgezeit über diese Telefone mit Personen im Kongo kommuniziert. Hierbei habe es sich um Militärangehörige, zum überwiegenden Teil aber zivile Flüchtlinge, nach denen Angehörige in Europa suchten, einschließlich seiner eigenen Familie gehandelt. Bei diesen Telefonaten sei es nie um militärische Inhalte gegangen. Die in der Anklage genannten 182 Telefonate, die er im Jahr 2005 mit Personen im Kongo geführte habe, rührten daher.
2006 habe er zudem - im Rahmen eines Austausches unter den Politikern der FDLR in Europa und im Kongo - viele Texte, die zum Beispiel die Satzung, das Parteiprogramm, das ROI und die Disziplinarordnung der FDLR betrafen per Fax über die Satellitentelefone in den Kongo übermittelt oder von dort z. B. mit Änderungen übermittelt bekommen und habe an deren Abfassung mitgewirkt.
Der Angeklagte M. betonte, dass er in den Jahren 2008 und 2009 viele berufliche und private Probleme gehabt habe, die ihn zeitlich gefordert hätten, so dass er sein Amt als 1. Vizepräsident nicht mehr habe ausfüllen können.
Er sei als 1. Vizepräsident Mitglied im Comité Directeur gewesen. Er habe die Versammlung des CD im Januar 2009 vorbereitet, indem er die Themen, die zur Diskussion standen, vorbereitet und ausformuliert habe. Die Vorbereitung der Themen spare Zeit bei der CD-Versammlung. Zur Durchführung der CD-Versammlung habe sich das CD-Ost in Kalongi oder Kibua und das CD-West in M... getroffen. Das CD-West habe hierbei aus dem Angeklagten Dr. M., 1D.N., 2C.M. und ihm selbst bestanden. Die beiden Treffen seien zeitgleich gewesen und sie hätten deshalb auch gleichzeitig abstimmen können. Die Versammlung habe zwei Tage gedauert. Sie hätten mit Telefax kommuniziert. Sie hätten sich die Themen aufgeteilt und dann die Empfehlungen und Entscheidungen ausgetauscht. Das CD-West habe nur aus vier Mitgliedern bestanden, während das CD-Ost mehr Mitglieder umfasst habe. Es sei schon mal vorgekommen, dass das CD-West überstimmt worden sei, aber sie hätten damit leben können.
Die CD-Versammlung im Januar 2009 sei die letzte vor seiner Verhaftung gewesen. Im Juni oder Juli hätte turnusgemäß die nächste CD-Versammlung stattfinden müssen. Im Kriegszustand habe diese Versammlung aus Sicherheitsgründen nicht stattfinden können. Man lade zur CD-Versammlung per E-Mail oder Telefonat ein. Alle CD-Mitglieder müssten darüber informiert werden. Dann bestehe jedoch die Gefahr, dass dem Feind bekannt werde, dass und wo eine Versammlung stattfindet. Man könne solche Versammlungen nicht heimlich abhalten. Aus diesem Grund sei die Abhaltung während des Kriegs zu gefährlich.
Es sei Aufgabe der politischen Führung in Europa gewesen, auf die Vorwürfe gegen die FDLR mit Kommuniqués zu reagieren. Dies sei 2009 geschehen. Diese habe er größtenteils gelesen und manchmal sprachlich verändert, für ein oder zwei Kommuniqués habe er den Entwurf gemacht.
bb) Kenntnis des Angeklagten von Kriegsverbrechen der FDLR
Schon im Jahr 2008 sei laut geworden, dass im Ostkongo viele Verbrechen durch verschiedene Gruppierungen begangen werden, darunter auch durch die FDLR. HRW, die Vereinten Nationen und die Truppen der MONUC hätten solche Berichte herausgegeben. Dadurch habe er Informationen über Verbrechen, die FDLR-Kämpfern angelastet wurden, gehabt. Vor allem über das Internet habe er viel darüber lesen können. Meistens sei er aber vorher durch „Dr. M. oder C. darauf aufmerksam gemacht worden“, dass es neue Informationen gebe. Er habe zudem Presseerklärungen der FDLR bekommen. Solche Informationen habe er auch von anderen Leuten, die zum Teil Mitglieder der FDLR gewesen seien, entweder per E-Mail oder auch telefonisch erhalten. Gelegentlich habe er auch Artikel darüber in deutschen Zeitschriften gelesen. Informationen hierüber „aus persönlichen Gesprächen“ habe er im Jahr 2009 jedenfalls nach Beginn der Operation „Umoja Wetu“ nicht erhalten. Er könne sich nicht daran erinnern, in diesem Zeitraum jemanden getroffen zu haben, der ihm etwas über Verbrechen der FDLR/FOCA berichtet habe.
Obwohl er somit zahlreiche Informationen erhalten habe, habe er jedoch keine positive Kenntnis von durch die FDLR begangene Kriegsverbrechen gehabt, denn nicht alle Informationen und Berichte über Kämpfe im Krieg würden den Tatsachen bzw. der Realität entsprechen. Vielmehr müssten hinter jedem Bericht die meist politischen Interessen der Informierenden betrachtet werden. Für die Glaubhaftigkeit einer Information komme es daher nicht „auf die Wichtigkeit des Herausgebers oder auf die Verbreitung des Berichtes“ an. Aus diesem Grund habe er „auch nur mit Informationen aus nachvollziehbaren und verifizierten Quellen etwas anfangen können“. Er habe bzgl. FOCA-Kämpfern in der Vergangenheit zahlreiche Vorwürfe gehört oder gelesen, die sich später als falsch erwiesen hätten. Er nannte zwei Fälle als Beleg dieser These:
Zum einen den am 13. August 2004 erfolgten nächtlichen Überfall auf ein Flüchtlingslager der Banyamulenge bei Gatumba in Burundi, für den Mitglieder der FDLR verantwortlich gemacht worden seien. Wenige Tage später habe sich die burundische Rebellengruppe „FNL“ gemeldet, den Angriff beansprucht und beteuert, dazu keine fremde Hilfe erhalten zu haben.
Zum zweiten den Fall der Gruppe Rasta, die im Süd-Kivu zahlreiche Verbrechen wie Plünderungen, Erpressungen durch Entführungen, Vergewaltigungen, Sexsklaverei und Tötungen begangen hätten. Alle diese Verbrechen seien durch Medien, UN-Vertreter und Menschenrechtsorganisationen, NGOs und Regierungsvertreter der FDLR/FOCA zugerechnet worden. Die FDLR habe sich entschlossen, nicht nur diese Anschuldigungen zu bestreiten, sondern die Rasta zu bekämpften, um zu versuchen, sie auszuschalten und entführte Menschen zu befreien. Es sei teilweise gelungen, einige Frauen und Männer zu befreien und einige Entführer bei der Aktion zu töten. Dennoch habe sich das Vorurteil gegenüber der FDLR als Verbrecherorganisation kaum gebessert.
Er habe auch in dem Jahren 2008 und 2009 Vorwürfe durch die zwei ARD-Sendungen des Magazins „FAKT“, durch die MONUC und HRW sowie im UN-Expertenbericht „erlebt“. Als während der Militäroperationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ Vorwürfe über Verbrechen der FDLR/FOCA erhoben wurden, habe er diese „ohne Verifikation nicht zu glauben vermocht“. Solche Vorwürfe über brutale Massenvergewaltigungen, Sexsklaverei, Enthauptungen, Rekrutierung von Kindersoldaten seien ihm einfach unglaublich vorgekommen, zumal er doch gewusst habe, dass solche Verbrechen bei der FOCA streng verboten und strafbar seien.
Zudem hätten sich einige Vorwürfe auch als eindeutig falsch erwiesen. Als Beleg benannte er den Angriff auf den Ort Luofu in der Nacht vom 18. auf den 19. April 2009, bei dem Häuser in Brand gesetzt und fünf Menschen getötet worden sein sollen. Medien und Human Rights Watch hätten die FDLR der Tat beschuldigt. FDLR-interne Untersuchungen hätten jedoch ergeben, dass es sich bei den Angreifern nicht um FOCA-Kämpfer, sondern um RUD-Kämpfer gehandelt habe. Später habe HRW ihre Darstellung korrigiert und die RUD als Täter genannt.
Dennoch habe er in diesem Zusammenhang am 20. April 2009 dem Angeklagten Dr. M. in einem Telefonat gesagt, dass man den Kämpfern sagen müsse, dass sie „solche Sachen vermeiden müssen, denn man werde früher oder später die Folgen erleben.“
Auf Frage, welche konkreten Vorwürfe in den Medien er selbst überprüft habe, antwortete der Angeklagte M., dass er sich ausschließlich im Internet kundig gemacht und „gegoogelt“ habe; das sei besser als herumzutelefonieren oder Zeitungen zu lesen. Er habe sich öffentliche Seiten angeschaut wie die der „taz“, von MONUC, von HRW, aber auch der Africatime. Wenn er etwas gefunden habe, habe er es sofort an den Angeklagten Dr. M. weitergegeben.
Er habe gewusst, dass 16M. für Pressearbeit zuständig sei und Informationen von der FOCA holen konnte. Er selbst habe nur Informationen aus dem Internet gehabt, die er mit dem Kommuniquéinhalt vergleichen konnte. Die offizielle Version musste mit den Leuten vor Ort besprochen werden. Einer der politischen Führung habe daher mit den Führungskräften im Kongo telefonieren müssen, um Informationen zu erhalten. Er habe nicht telefoniert, dies hätten der Angeklagte Dr. M. und 2C.M. gemacht. Er habe von diesem Informationen erhalten. Er habe daher die Kommuniqués dahingehend nicht korrigieren können.
Er habe im Rahmen seiner Internetrecherche auch Vorwürfe gegen die FOCA gesammelt.
Zu Busurungi habe die Führung in Europa Informationen gehabt, dass Zivilisten getötet wurden, die mit den Soldaten zusammenlebten. Der Angeklagte M. betonte aber, ihm sei nicht bekannt gewesen, dass die FDLR tatsächlich Verbrechen begangen habe. Ein interner Bericht vom 15. Mai 2009 über den Angriff auf Busurungi, dessen Inhalt er über eine E-Mail-Weiterleitung seitens des Angeklagten Dr. M. gekannt habe, habe aus seiner Sicht keine Verbrechen der FDLR enthalten. Er habe durch diese E-Mail davon erfahren, dass in Busurungi „Zivilisten zu Schaden gekommen seien“ weil sie mit den Soldaten gemischt in feindlichen Positionen gelebt haben. Sie hätten beschlossen, dass dies überprüft werden müsse. Er habe sich überlegt, ob dies ein Kriegsverbrechen sei. Dann sei die E-Mail von C. gekommen, der die Frage gestellt habe, ob vor einem solchen Angriff nicht geprüft werden müsse, ob nicht Zivilisten zu Schaden kommen könnten. Aber diese Fragestellung sei ihm „ zu speziell gewesen, zu juristisch, zu viel Armee-Wissen“. Er habe sich gedacht,, dass die FOCA-Angehörigen in Menschenrechten besser geschult seien als die Führung in Europa. Er sei zu dem Schluss gekommen, dass, wenn die FOCA solche Fälle hat und diese der politischen Führung berichtet, diese schon wisse, wie mit solchen Fällen umzugehen sei. Er „habe null Ahnung in diesem Gebiet“, denn es gehe dabei um rein militärische Aktionen. Er habe sich aber Gedanken gemacht, ob das was passiert sei, so richtig ist. Wenn er versucht hätte zu intervenieren, hätte er aber vielleicht etwas falsch gemacht.
Zudem habe er bereits kurz vor dem Beginn des Kriegs, während der Versammlung des Comité Directeur Mitte Januar 2009, den Politikern und den höchsten Kommandeuren der FOCA vorbeugend gewarnt, indem er den Punkt „Verbot jeglicher Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung und Disziplin in der Armee“ auf die Tagesordnung gesetzt habe. Am Ende der Versammlung sei dies einstimmig beschlossen worden. Er selbst will diesen Punkt als Erinnerung, Mahnung und vorbeugende Maßnahme gegen eventuelle mögliche Verstöße, gegen geltende Regularien der FDLR/FOCA gewertet wissen. Sein Vorschlag sei nicht Ausdruck eines etwaigen Misstrauens, dass es durch die FOCA Menschenrechtsverletzungen geben könnte, gewesen, sondern „er habe dadurch jegliche Kritik an der FOCA im Keim ersticken wollen“. Da die Versammlung nicht nur Politiker, sondern auch die Führung der FOCA und das Oberkommando umfasst habe. sei er sich sicher gewesen, dass diese Empfehlung auch in der FOCA umgesetzt werde.
Mehr Einfluss auf die Armee habe er als 1. Vizepräsident der FDLR nach den FDLR-Gesetzen nicht nehmen können. Aus diesem Grund werde man in der TKÜ vergeblich nach Befehlen oder Anweisungen seinerseits an Soldaten der FOCA oder nur nach einem Austausch von Informationen zwischen ihm und FOCA-Kämpfern suchen.
Er habe in der FDLR daran mitgewirkt, dass Gesetze und Regeln vorhanden seien, damit Verbrechen verhindert werden. Hätte er 2008 und 2009 gewusst oder gedacht, dass die FOCA Verbrechen wie Vergewaltigungen, Plünderungen, Tötungen von Zivilisten usw. begehen würde, hätte er seine Stimme erhoben und Maßnahmen dagegen gefordert. Er habe aber weder gewusst noch gedacht, dass es solche Verbrechen der FOCA gibt. Seiner Überzeugung nach sei er seiner - und sei es nur moralischen - Verantwortung durch seine Arbeit und seine vorbeugenden Warnungen immer gerecht geworden, zum Beispiel durch die von ihm vorgeschlagene Empfehlung der CD-Versammlung im Januar 2009.
Insgesamt fiel bei der Einlassung des Angeklagten M. unter anderem auf, dass sie an die jeweilige Beweislage angepasst war. So bestätigte er beispielsweise zunächst zwar ein Telefongespräch vom 25. Januar 2009 mit Dr. M., in dem er ankündigte, dass er Geld für Telefoneinheiten weiterleiten werde, wusste aber angeblich nicht mehr, ob er es getan habe.
In einer späteren Einlassung räumte er dann ein, am 27. Januar und 24. Februar 2009 je 100 Euro für eine Thurayakarte für S.M. weitergeleitet zu haben, was dann auch zu seiner in die Hauptverhandlung eingeführten E-Mail vom 27. Januar 2009 an den Mitangeklagten passt, in der er diesen bittet, dringend benötigte Einheiten zu kaufen, er werde ihm das Geld bei nächster Gelegenheit wieder geben.
C. Zur Vereinigung FDLR
I. Entstehung und Entwicklung der FDLR bis Anfang 2009
1. Feststellungen zum geschichtlichen Hintergrund
Die unter Teil 2, A. I. 1. getroffenen Feststellungen zum Hintergrund der Entstehung der FDLR beruhen auf den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Dr. T. sowie den damit in Einklang stehenden Ausführungen der in der Hauptverhandlung gehörten ehemaligen FDLR-Angehörigen, die glaubhaft über ihre eigenen Erkenntnisse und Informationen hierzu berichteten und insbesondere im Hinblick auf die in den Kivu-Gebieten erfolgte Reorganisation der ruandischen Flüchtlinge und die gegründeten Organisationen RDR und PALIR/ALIR übereinstimmende, ergänzende Angaben machten.
Der Sachverständige Dr. T. ist promovierter Politikwissenschaftler. Seit 2004 arbeitet er bei der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ in Berlin, die für die unabhängige außen- und sicherheitsrelevante Beratung des Bundestags und der Bundesregierung zuständig ist. Er hat sich bereits im Zusammenhang mit seiner Dissertation mit Kriegsgebieten, die von Rebellen kontrolliert werden, und hier insbesondere mit dem Nord-Kivu befasst. Im Rahmen seines Forschungsschwerpunktes, der das Gebiet Afrika südlich der Sahara betrifft, beschäftigt er sich seit 10 Jahren kontinuierlich mit dem Geschehen insbesondere in der DR Kongo. Durch einen siebenmonatigen Aufenthalt in der DR Kongo und die mehrjährige intensive wissenschaftliche Befassung mit dieser Region Afrikas verfügt er über fundierte Kenntnisse über dieses Gebiet sowie die erforderliche Erfahrung, die ihm eine zuverlässige Analyse und Bewertung der Quellenlage ermöglicht. Wie der Sachverständige ausführte, stand ihm zum verfahrensgegenständlichen Themenkomplex umfangreiches und durch entsprechende Vorortrecherchen der Vereinten Nationen sowie von Nichtregierungsorganisationen empirisch gut untermauertes Datenmaterial zur Verfügung. Hierbei verwies er nachvollziehbar auf die große und fundierte Datenbasis, die allein bei den Vereinten Nationen aufgrund der langjährigen Präsenz der UN-Friedensmission in den Kivu-Gebieten mit zum Teil über 20.000 Personen vor Ort und des Einsatzes verschiedener Expertengruppen vorhanden war. Die im Rahmen der Hauptverhandlung erfolgten umfangreichen Ausführungen des Sachverständigen zu der geschichtlichen Entwicklung in Ruanda bis zum Genozid im Jahr 1994, der anschließenden Massenflucht ruandischer Hutu, deren politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Zaire bzw. der DR Kongo und ersten Formen einer Reorganisation sowie zur Entstehung und Entwicklung der FDLR und ihrem Agieren bis in das Jahr 2009 hinein waren widerspruchsfrei und von Sachkunde getragen. An der Richtigkeit seiner schlüssigen und ohne Einschränkungen nachvollziehbaren Ausführungen hat der Senat keinen Zweifel.
2. Feststellungen zur Gründung und Entwicklung der FDLR bis Anfang des Jahres 2009
Die Feststellungen zur Entwicklung der FDLR von ihrer Gründung bis Anfang des Jahres 2009 beruhen auf einer Vielzahl miteinander in Einklang stehender Beweismittel. Sie gründen sich zum einen auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. T., der fundiert über das Auftreten und Agieren der FDLR in den Kivu-Gebieten im genannten Zeitraum sowie die geschichtliche und politische Entwicklung in der DR Kongo und Ruanda im Zusammenhang mit der FDLR berichtete. Grundlage waren darüber hinaus die dazu passenden Untersuchungsergebnisse von HRW, der UN-Expertengruppe und der International Crisis Group (im Folgenden ICG) sowie der UN-Friedensmission und des Zeugen 2R., die in den Berichten von HRW ( „Ihr werdet bestraft“ vom Dezember 2009), der UN-Expertengruppen („Schlussbericht der Sachverständigengruppe für die Demokratische Republik Kongo“ vom 12. Dezember 2008, „Schlussbericht der Expertengruppe für die Demokratische Republik Kongo“ vom 23. November 2009) und der ICG (Rapport Afrique Nr. 151 vom 9. Juli 2009 „Congo: Gesamtstrategie zur Entwaffnung der FDLR“) festgehalten sind und über die jeweils die Zeugen 4D.M. und 1C.G. sowie VW., 3B. und 2R. glaubhaft berichteten. Dass es sich neben den Berichten der Vereinten Nationen und von HRW auch bei den Berichten der ICG um eine glaubwürdige zuverlässige Quelle handelt, legte der Sachverständige Dr. T. anhand der Arbeitsweise und Standards dieser Nichtregierungsorganisation schlüssig dar, die nach seinen Ausführungen seit vielen Jahren in Krisenregionen Konfliktforschung betreibt, sehr gut vernetzt ist und mit Forschern mit langen Standzeiten in den jeweiligen Regionen arbeitet. Umfangreiche Ausführungen zur Entwicklung der Organisation haben darüber hinaus die ehemaligen FDLR-Angehörigen in der Hauptverhandlung gemacht. Ihre Ausführungen korrespondierten dabei jeweils mit den Tätigkeiten und Funktionen, die sie in der jeweiligen Zeit innehatten, und ergänzten sich untereinander stimmig. Auch wurden sie durch Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung und Dokumenten sowie Dateien aus den Asservaten der Angeklagten, hier insbesondere durch die dort vorhandene SMS-Kommunikation zwischen dem Angeklagten Dr. M. und Führungskräften in der DR Kongo, gestützt und zusätzlich belegt. Anhaltspunkte dafür, dass ihre Ausführungen insoweit nicht der Wahrheit entsprechen würden oder unrichtig wären, bestanden nicht.
Im Einzelnen werden die Feststellungen zu den nachfolgend genannten Punkten insbesondere durch folgende Beweismittel gestützt:
a) Zu den unter Teil 2, A. I. 2. getroffenen Feststellungen:
aa)
Dass die FDLR am 1. Mai 2000 gegründet wurde, haben eine Vielzahl ehemaliger FDLR-Angehöriger bestätigt und wird durch eingeführte Erklärungen und Dokumente der FDLR belegt. Die Feststellungen zum Gründungsort, den Gründen und Umständen der Entstehung der neuen Organisation beruhen insbesondere auf den umfangreichen Angaben des Zeugen 2P.R., der zu diesem Zeitpunkt Präsident von PALIR sowie Kommandeur von ALIR I war und gemäß seinem glaubhaften Bekunden von 3A.N., dem Führer der Truppen im Westen, über die Vorgänge im Zusammenhang mit der Gründung der FDLR zeitnah informiert wurde. Nach seinen Ausführungen war es so, dass es zunächst ALIR/PALIR gab, die FDLR selbstständig daneben entstand und beide 2001 verwaltungsmäßig zusammengeführt und zu einer Gruppe wurden, woraufhin in der Folge ALIR/PALIR abgeschafft wurde. Wesentlicher Grund für die Gründung der neuen Organisation war, wie er angab, dass ALIR/PALIR als eine schlechte Organisation betrachtet worden sei, weil man gesagt habe, sie habe Tötungen „im Wald“ begangen. 3A.N. habe deshalb den Gedanken gehabt, dass der Name ALIR/PALIR wegmüsse und alles dafür getan, dass ALIR/PALIR in die Organisation FDLR überführt und daraus eine Gruppe geworden sei. Dass der schlechte Ruf von ALIR/PALIR Grund für die Abschaffung der Organisation und der Gründung der FDLR war, berichteten auch die Zeugen 2G., 4N. und 2MM.. So schilderte der Zeuge 2G., dass es der Wunsch der kongolesischen Regierung gewesen sei, nicht mit einer Organisation in Verbindung gebracht zu werden, der die Verübung von Verbrechen vorgeworfen worden sei. Die Zeugen 4N. und 2MM. verwiesen zusätzlich auf das schlechte Image von PALIR/ALIR als einer „Organisation von Genozidtätern“. So sprach der Zeuge 2MM. davon, dass man den Namen geändert habe, um den Krieg besser führen zu können. Man habe gedacht, dass die UN sonst einige von ihren Leuten festnehmen könnten und deshalb beschlossen, einen anderen Namen anzunehmen, den die anderen besser akzeptieren könnten.
bb)
Der Ablauf der Gründungsversammlung der FDLR, deren Teilnehmer und die dabei getroffenen Entscheidungen werden neben den Angaben der ehemaligen FDLR-Angehörigen durch das beim Angeklagten M. sichergestellte Dokument „Resolutionen, Entscheidungen und Empfehlungen der ersten Versammlungen der Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas FDLR“ und die darin enthaltenen entsprechenden Feststellungen belegt. Dass im Dokument der in der DR Kongo liegende Gründungsort Lubumbashi bewusst nicht aufgenommen und stattdessen mit dem Ortsvermerk „Nasho, den 1. Mai 2000“ am Ende des Dokuments fälschlicherweise auf einen Gründungsort in Ruanda hingewiesen wurde, schilderte glaubhaft der Angeklagte M., der dies mit Befürchtungen der Gründungsmitglieder begründete, bei möglichen Verhandlungen mit Ruanda ansonsten Probleme zu bekommen. Die Zusammensetzung der militärischen Gruppen, die sich bei Gründung der FDLR deren Autorität unterwarfen, und die Übernahme einer Funktion als Vorstandsmitglied der FDLR durch den Angeklagten Dr. M. ergibt sich unter anderem aus der verschrifteten und vom Angeklagten Dr. M. verfassten Datei „Defense“.
b) Zu den unter Teil 2, A. I. 3. getroffenen Feststellungen:
aa)
Dass die FDLR unmittelbar nach ihrer Gründung nicht offen agierte, wird belegt durch das beim Angeklagten M. aufgefundene Dokument über die Versammlung des Regionalkomittees Europa der FDLR in London vom 17. Juni 2000. Der Angeklagte M. hat hierzu glaubhaft angegeben, als damals amtierender Präsident des Regionalkomitees Europa die Versammlung in London geleitet zu haben. In dem verlesenen „Bericht/Protokoll der Versammlung des Regionalkomitees der FDLR“ ist unter dem Tagungspunkt 1 unter anderem die Aufforderung an alle vermerkt, die Aktivitäten der Organisation geheim zu halten. Weiterhin findet sich im Bericht der Vorschlag, bis zur Vorstellung des Präsidenten und des Vizepräsidenten in der Öffentlichkeit zunächst nur von Koordinatoren der FDLR zu sprechen, um jede Frage zur Struktur der Organisation zu vermeiden.
bb)
Die Feststellungen zu den Gründen der Einsetzung und Wahl des Angeklagten Dr. M. zum Präsidenten der FDLR beruhen unter anderem auf den hierzu gemachten glaubhaften Angaben der Zeugen 2P.R., J.B., 2G. und 15N.. So schilderte der Zeuge 2P.R., es sei für die FDLR politisch schlecht gewesen, dass es sich beim vorherigen Präsidenten 3A.N. um einen „Soldaten“ gehandelt habe, da die im Jahr 1994 in Ruanda tätigen Militärs der Beteiligung am Genozid verdächtig gewesen seien. Im Gegensatz hierzu sei der Angeklagte Dr. M. kein Soldat sowie 1994 nicht in Ruanda gewesen und habe aufgrund seines Aufenthaltsortes in Europa die Möglichkeit zu Kontakten in die ganze Welt gehabt. Des Weiteren habe man ihm, wie er von anderen erfahren habe, gut zuhören können. Der Zeuge 2G. berichtete, dass die Einsetzung von Politikern in die Führung der FDLR auch auf Anraten der kongolesischen Regierung erfolgt sei. So habe diese der FDLR gesagt, sie brauche Politiker in der Führung, weil die Soldaten unter den gegebenen Umständen alleine nichts erreichen könnten. Auch nach den Angaben der Zeugen J.B. und 15N. war außer der Tatsache, dass der Angeklagte nicht im Ruf eines Völkermörders stand, ein Grund für dessen Einsetzung sein Aufenthaltsort in Europa. So sei man davon ausgegangen, dass dieser dadurch frei für sie sprechen und Unterstützung für sie besorgen könne. Vom Zeugen 15N. wurde der Angeklagte darüber hinaus als eine Person beschrieben, von der man gewusst habe, dass er in der Lage sei, Leute zu führen.
cc)
Zur Stellung des Angeklagten Dr. M. nach seiner Einsetzung bzw. Wahl als Präsident der FDLR haben die Zeugen 2P.R., 1S.B. und 2G. entsprechend den Feststellungen glaubhaft bekundet, dass der Angeklagte Dr. M. im Jahr 2001 zwar nominell Präsident der FDLR geworden, aber 3A.N. der eigentlich starke Mann in der Organisation geblieben sei und die Organisation intern weiterhin geführt habe. Nach Angaben des Zeugen 2P.R. akzeptierte 3A.N. zwar die formale Einsetzung und Wahl von Dr. M. als Präsident der FDLR, konnte aber tatsächlich mit der Idee, dass ein Zivilist alle führen sollte, nichts anfangen, verstand sich deshalb weiter als Präsident der FDLR und agierte so. Als sich die kongolesische und ruandische Regierung im Jahr 2002 geeinigt hätten, sei klar gewesen, dass 3A.N. nicht mehr im Kongo bleiben konnte. Dann habe es nur noch Dr. M. als Präsidenten der FDLR gegeben. Auch der Zeuge 1S.B. berichtete, sie im Osten hätten gehört, dass Ntwirigabo der eigentliche Präsident der FDLR sei und Dr. M. zunächst nur als „Symbol“ dagestanden habe. Der Zeuge 2G. gab an, es seien zwar Zivilisten in die Führung aufgenommen worden, die Soldaten hätten die Macht in der Organisation aber nicht abgeben wollen. Dr. M. sei als Präsident ausgewählt worden, weil er sie ihre Macht habe weiter ausüben lassen. Auf Nachfrage, ob der Angeklagte als Marionette der Führer eingesetzt worden sei, antwortete er, dass es zu extrem wäre, das Wort Marionette zu benutzen. Auf jeden Fall hätten die Soldaten gesehen, dass er sie nicht daran hindern würde, ihre Aktionen in der FDLR so weiterzumachen, wie sie es wollten.
dd)
Dass der Angeklagte Dr. M. nach dem Weggang von 3A.N. auch intern als Präsident der FDLR anerkannt war, ergab sich aus den Aussagen sämtlicher vernommener ehemaliger FDLR-Angehöriger.
ee)
Grundlage für die festgestellte Operation „Oracle du seigneur“ und deren Folgen waren neben den entsprechenden Darlegungen des Sachverständigen Dr. T. und den Ausführungen im Bericht der ICG, Rapport Afrique Nr. 151 vom 9. Juli 2009 „Congo: Gesamtstrategie zur Entwaffnung der FDLR“ vor allem die ausführlichen Angaben der Zeugen 2P.R., 2G. und 2S. hierzu.
ff)
Die Feststellungen zum Prozess der Zusammenführung und Verschmelzung der im Osten und Westen der DR Kongo befindlichen Armeeteile zur FOCA beruhen maßgeblich auf den Ausführungen der Zeugen 2P.R., 2G., 2S., J.B., 1S.B., 4N., 8N., 2K., 12N. und 15N., die sich zum damaligen Zeitpunkt teilweise im Osten und teilweise im Westen der DR Kongo aufhielten und die Vorgänge, die im Zusammenhang mit der Vereinigung standen, anschaulich und übereinstimmend schilderten.
c) Zu den unter Teil 2, A. I. 4. getroffenen Feststellungen:
aa)
Die Feststellungen zur Repatriierung des FOCA-Kommandeurs 2P.R. und zur Situation vor seiner Flucht im November 2003 gründen sich vor allem auf dessen glaubhafte Angaben. Der Zeuge berichtete an mehreren Hauptverhandlungstagen, die teilweise über zwei Jahre auseinanderlagen, im Einklang mit den Angaben weiterer ehemaliger FDLR-Angehöriger ausführlich und widerspruchsfrei über die damaligen Ereignisse. So schilderte er, dass die letzte größere Aktion, die er mit dem Angeklagten Dr. M. als Präsident der FDLR vor seiner Rückkehr nach Ruanda besprochen habe, ein Angriff der FDLR auf Ruanda gewesen sei. Diesen hätten sie nach der Zusammenführung der beiden Armeeteile aus dem Osten und Westen der DR Kongo gemeinsam vorbereitet. Geplant gewesen sei ein großer Angriff, bei dem alle Einheiten die Grenze überqueren sollten. Es sei deshalb um eine elementare Entscheidung gegangen. Der Angeklagte Dr. M. sei für diesen Angriff gewesen. Was der Angeklagte nicht gewusst habe, sei die Uneinigkeit zwischen ihm selbst und seinem Stellvertreter bei der FOCA, dem späteren FOCA- Kommandeur S.M., über den Angriff gewesen. Das hätten sie dem „Chef“ nicht gesagt. Dieser sei sehr weit Weg und nicht mit ihnen zusammen gewesen. Er habe deshalb nichts davon erfahren. So sei S.M. ebenfalls für den Angriff, er selbst aber dagegen gewesen, als er sich Gedanken über eine Rückkehr nach Ruanda gemacht habe. Bereits während der Vorbereitung des Angriffs habe er Kontakte mit der Regierung in Kigali geknüpft, mit Hilfe derer er eine Strategie für eine Rückkehr der FDLR-Mitglieder nach Ruanda zu entwickeln gesucht habe, um dadurch die Auseinandersetzungen mit dem ruandischen Regime zu beenden. Dies habe er seinen Kollegen und Dr. M. auch mitgeteilt. Als der Angriff stattfinden sollte, habe er den Leuten gesagt, dass sie den Angriff stoppen sollten und alles dafür getan, damit der Angriff nicht stattgefunden habe. Ruanda sei dann auch tatsächlich nicht von der FDLR angegriffen werden, weil er sich entschlossen habe, nach Ruanda zurückzukehren.
Auch der Zeuge 2S. schilderte, dass vor der Rückkehr 2P.R.s nach Ruanda eine Operation mit dem Ziel vorbereitet worden sei, FDLR-Soldaten nach Ruanda zu infiltrieren. Diese Operation habe dann aber wegen dessen Repatriierung nicht stattgefunden, weil der Plan damit kein Geheimnis mehr gewesen sei. Dass für 2003 eine entsprechende Operation der FDLR gegen Ruanda vorgesehen war, diese aber wegen der Rückkehr von 2P.R. nicht durchgeführt werden konnte, berichtete zudem der Zeuge 5N.. Auch bestätigten die Zeugen 2S., J.B. und 15N. die Angaben des Zeugen 2P.R. hinsichtlich des Zeitpunkts und der Art und Weise seiner Rückkehr nach Ruanda.
bb)
Die Feststellungen zu den Machtkämpfen innerhalb der FDLR in der Folge der Repatriierung von 2P.R. und der zeitweisen Absetzung des Angeklagten Dr. M. als Präsident der FDLR von Ende 2003 bis April 2004 gründen sich neben den Angaben der Zeugen 2G., 1S.B., 15N. und J.B. auf entsprechende Ausführungen des Angeklagten Dr. M. in der verschrifteten Datei „Defense“ sowie bei seiner mündlichen Haftprüfung vom 30. März 2010, über die der Richter am Bundesgerichtshof Dr. G. glaubhaft berichtete. Dass sich in dieser Situation sowohl das Oberkommando der FOCA als auch das CD-Ost zugunsten des Angeklagten Dr. M. als Präsidenten der FDLR aussprachen, wird belegt durch mehrere Nachrichten des 2. Vizepräsidenten der FDLR, des FOCA-Kommandanten und des Oberkommandos der FOCA aus dem Mai und Juni 2004. So heißt es in der Nachricht des FOCA-Kommandanten an den Angeklagten Dr. M. vom 30. Mai 2004 mit Info an alle Einheiten „Das FOCA-Oberkommando wiederholt seine beständige Unterstützung für Sie bei der Präsidentschaft der FDLR. Alle FOCA stehen hinter ihnen. Sie werden gebeten, Ihre Aktivitäten innerhalb kürzester Zeit wieder aufzunehmen, um die festgestellte verlorene Zeit wieder aufzuholen und dringende Dossiers zu beschleunigen“; sowie in der Nachricht des FOCA-Oberkommandos vom 29. Mai 2004 an alle Abacunguzi Ost-West „Wir unterstützen unwiderruflich Dr. M. als Führer der FDLR und bitten ihn, seine Arbeit wieder aufzunehmen“. In der Mitteilung des 2. Vizepräsidenten an den Präsidenten Dr. M. vom 29. Juli 2004 wird ausgeführt „wir die Mitglieder des CD-Ost unterstützen sehr die Entscheidung des Oberkommandos vom 29. Mai 2004, in der die satzungsmäßige Legalität des Präsidenten der FDLR in der Person von Dr. M. festgestellt wird“.
cc)
Die Feststellung, dass Dr. H. und weitere Führungspersonen ihrer Ämter enthoben und zum 1. Juni 2004 der Angeklagte M. zum 1. Vizepräsidenten ad interim sowie 2C.M. zum Finanz- und Vermögenskommissar ernannt wurden, beruht auf entsprechenden Presseerklärungen der FDLR, die vom Angeklagten Dr. M. als Präsident der FDLR am 4. Juni 2004 und vom Informationskommissar und Sprecher der FDLR am 10. Juni 2004 verkündet wurden. So heißt es in der vom Angeklagten Dr. M. als FDLR-Präsident unterzeichneten Erklärung vom 4. Juni 2004: „Der FDLR Präsident gibt der Öffentlichkeit und den Medien bekannt, dass die Leute mit folgenden Namen von ihrem Dienst suspendiert sind: 1. Herr Dr. H., 2. Herr F.K., 3. Herr 2A.D., 4. Frau M.A., 5. Herr B.H.. Um die Kontinuität der Organisation zu gewährleisten, sind die Leute mit folgenden Namen als FDLR-Direktionsmitglieder ernannt: 1. Herr M., 1. Vizepräsident i.A., 2. Herr 1A.B., Exekutivsekretär i.A., 3. Herr 2A.M., Informationskommissar und Sprecher i.A., 4. Herr 2C.M., Finanz- und Vermögenskommissar, 5. Herr P.K., Kommissar für juristische Angelegenheiten“.
d) Zu den unter Teil 2, A. I. 5. getroffenen Feststellungen:
Die getroffenen Feststellungen zur Situation vor den Verhandlungen von Rom, zu den Teilnehmern der Konferenz, deren Verlauf und Ergebnis beruhen neben den Darlegungen des Sachverständigen Dr. T. und den entsprechenden Ausführungen in den Berichten von HRW und der ICG vor allem auf den Angaben der Zeugen 2R., 2G., 1S.B., 2S., J.B., 15N. und den vom Zeugen KHK P. berichteten polizeilichen Angaben des Zeugen MW.K.. Die Zeugen 2R., 2G., 1S.B. und 2S. haben, wie sie glaubhaft berichteten, ihre hierzu wiedergegebenen Informationen direkt von Verhandlungsteilnehmern erhalten, der Zeuge MW.K. war selbst bei den Verhandlungen dabei. Zum Inhalt der Erklärung von Rom vom 31. März 2005 wurde der entsprechende Text der Erklärung verlesen, unter dem am Ende vermerkt ist „Geschehen in Rom am 31. März 2005, Für die FDLR, Dr. M., Vorsitzender“.
aa)
Dass die Versammlung des FOCA-Oberkommandos und danach auch das CD-Ost eine Umsetzung der vom Angeklagten Dr. M. verkündeten Erklärung der FDLR vom 31. März 2005 ablehnten, steht zur Überzeugung des Gerichts insbesondere aufgrund der Angaben der Zeugen 2S., 2G., 1S.B. und 2P.R. fest.
So schilderte der Zeuge 2S., dass es nach der Erklärung von Rom zunächst eine Versammlung des Oberkommandos der FOCA und danach eine CD-Versammlung in den Kivu-Gebieten gegeben habe, bei denen vom Angeklagten Dr. M. sowie weiteren Teilnehmern der Konferenz das Ergebnis der Verhandlungen erklärt und erläutert worden sei. Sowohl die militärischen Führer im Oberkommando als auch die CD-Versammlung Ost hätten das Ergebnis der Rom-Konferenz nicht akzeptiert. Er sei selbst bei der Versammlung des Oberkommandos anwesend gewesen und habe deshalb miterlebt, wie sowohl die Mehrheit der Versammlungsteilnehmer als auch deren Leiter, der FOCA-Kommandant S.M., die Erklärung von Rom unter den dort ausgehandelten Bedingungen abgelehnt hätten. In der Pause hätten die Soldaten sogar davon gesprochen, dass Dr. M. sie verraten wolle. Die Militärs hätten nämlich nicht daran geglaubt, dass die Regierung von Ruanda tatsächlich noch mit ihnen verhandeln wolle. Dass die Erklärung von Rom sowohl von der Versammlung des Oberkommandos als auch von der CD-Ost-Versammlung abgelehnt wurde, berichtete ebenfalls der Zeuge 2G.. Er gab an, in der DR Kongo sowohl an der CD-Versammlung zur Vorbereitung der Romkonferenz als auch an der CD-Versammlung teilgenommen zu haben, in der der Angeklagte Dr. M. und weitere Konferenzteilnehmern über deren Ergebnis berichtet hätten. Auch nach seinen Bekundungen waren die Leute auf dem Terrain unter den in Rom ausgehandelten Bedingungen nicht bereit, die Waffen niederzulegen. Man habe in der CD-Versammlung diskutiert und festgestellt, dass die Leute dagegen seien. Es habe damit keinen Grund gegeben, noch darüber abzustimmen. Neu an den Vereinbarungen sei vor allem der Punkt mit den Transitlagern gewesen, in denen die FDLR-Soldaten ohne nähere Regelungen oder entsprechende Verhandlungen mit Ruanda entwaffnet und dann nach Ruanda überführt werden sollten. Die Leute hätten nicht gewusst, was passiere, wenn sie die Waffen niederlegten und an einen Ort gingen, an dem sie nicht geschützt seien. Weil die Entscheidung von Rom die Leute auf dem Terrain nicht überzeugt habe, seien auch keine Repräsentanten der FDLR in das einzurichtende Komitee zur Umsetzung der Erklärung berufen worden.
Dazu passend gab auch der Zeuge 1S.B. an, damals sei zwar ein großer Druck auf die FDLR ausgeübt worden, die Verhandlungen von Rom umzusetzen, die FDLR-Leute in der DR Kongo hätten aber gewollt, dass zunächst noch weitere Verhandlungen erfolgten und weitere Begleitmaßnahmen umgesetzt werden müssten, bevor die FDLR ihre Aufgaben erfüllen könne. Von der Ablehnung des Ergebnisses der Verhandlungen von Rom durch die militärischen Führer in der DR Kongo hatte zudem der Zeuge 2P.R., wie er ausführte, durch repatriierte FDLR-Angehörige, die damals in der DR Kongo dabei waren, erfahren. Diese hätten berichtet, Dr. M. sei zu den FDLR-Leuten in der DR Kongo gekommen und habe ihnen die Entscheidung von Rom mitgeteilt, dass die FDLR die Waffen niederlegen müsse und die MONUC sowie die Regierung der DR Kongo bei der Rückkehr der FDLR-Leute helfen sollten. Die Soldaten hätten aber gesagt, dass etwas für die Rückkehr fehle, nämlich Begleitmaßnahmen, und damit das, was in Rom erklärt worden sei, nicht akzeptiert. Dabei sei es nicht nur ein Gedanke oder Vorschlag von Dr. M., sondern eine Entscheidung gewesen, die er von Rom mitgebracht habe. Damit aber hätten die Soldaten ihrem Chef nicht gehorcht. Wenn die Soldaten die Entscheidung nicht umgesetzt hätten, heiße das, dass sie etwas anderes gewollt hätten. Wie der Zeuge KHK P. berichtete, hatte zudem der Zeuge MW.K. in seiner polizeilichen Vernehmung im September 2009 angegeben, dass Dr. M. nach der Rom-Konferenz zum FOCA-Kommando in den Kivu-Gebieten gereist sei. Danach habe er sich zwar wie vereinbart mit Vertretern der MONUC und der kongolesischen Regierung getroffen, hierbei aber entgegen den Erwartungen weder Mitglieder der FDLR für das Koordinationskomitee benannt noch eine Begründung hierfür gegeben.
bb)
Dass die Erklärung von Rom nicht umgesetzt wurde und die FDLR hierfür die internationale Gemeinschaft und Ruanda verantwortlich machte, zeigen unter anderem die entsprechenden Ausführungen in der „Erklärung der Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas über die Umsetzung der Erklärung von Rom“. Die Erklärung ist vom Angeklagten M. mit „i.o. M., 1st Vice-President“ unter dem Datumsvermerk „Erstellt in Bonn am 28 September 2005, Dr. M., Präsident der FDLR" unterschrieben. Die internen Bemerkungen des Angeklagten Dr. M. gegenüber dem Kommandeur von SONOKI O. und dem FOCA-Kommandanten über den Prozess von Rom werden belegt durch die SMS des Angeklagten vom 3. Mai 2008 um 20:25 Uhr an O. und eine entsprechende E-Mail an den FOCA-Kommandanten am 9. Januar 2009.
cc)
Die Feststellungen über die am 25. Juni 2005 erfolgte Bestätigung des Angeklagten Dr. M. als Präsident der FDLR und die erstmalige Wahl des Angeklagten M. zum 1. Vizepräsidenten der FDLR gründen sich neben den Angaben mehrerer FDLR-Angehöriger auf die vom Informationskommissar und Sprecher der FDLR verkündeten Erklärung der FDLR vom 27. Juni 2005. Dort wird bekanntgegeben, dass die FDLR am 25. Juni 2005 die fünf Mitglieder der politischen Führung für ein fünfjähriges Mandat wählten, wobei für das Amt des Präsidenten der Angeklagte Dr. M. bei einem Gegenkandidaten mit 88,89 % und für das Amt des 1. Vizepräsidenten der Angeklagte M. bei zwei Gegenkandidaten mit 81,48 % der Stimmen gewählt wurden. Als neues Führungsteam der FDLR, wie es vom Leiter des Führungskomitees veröffentlicht wurde, werden genannt: Dr. M. als Präsident, M. als 1. Vizepräsident, V.B. als 2. Vizepräsident, N.K. als Exekutivsekretär und 2C.M. als Stellvertretender Exekutivsekretär. Das Dokument „Empfehlungen von der CRN-West Sitzung vom 07.05 2005 in Paris“, in dem der Angeklagte M. als anwesender Teilnehmer der Sitzung aufgeführt ist, enthält Ausführungen zu den Bewerbungsunterlagen und Bewerbervorstellungen für die zu wählenden Ämter.
dd)
Die Feststellungen zum erfolglosen Umsturzversuch hoher politischer Funktionäre der FDLR stützen sich auf die glaubhaften Angaben der Zeugen 4N., 15N. und J.B. sowie auf die vom Angeklagten Dr. M. als Präsident der FDLR unterzeichnete Presseerklärung vom 13. August 2005, in der die Suspendierung der an den Umsturzversuchen gegen ihn beteiligten Mitglieder mitgeteilt wird. So heißt es dort unter anderem „Dr. M., Präsident von FDLR, bezieht sich auf was die Gesetze ihm erlauben, auf den Wunsch vom Disziplinrat nach seiner Sitzung vom 12 August 2005 und auf die Entscheidung der CD-Sitzung am 13. August 2005 und entscheidet folgendes: Folgende Personen sind ab sofort suspendiert: 1 2C.H., 2. 1E.H., 3. HR.N. alias 21M., 4. 2J.N.alias 8B. und 5. 2S.B. alias 23M 24M.“
ee)
Die Feststellungen über die gegen die Angeklagten verhängten Sanktionen gründen sich auf die Verordnung (EG) Nr. 1824/2005 Der Kommission vom 9. November 2005 und die Verordnung (EG) Nr. 400/2007 Der Kommission vom 12. April 2007.
ff)
Die getroffenen Feststellungen zur Abspaltung des Brigadekommandeurs 20M. und die daraufhin erfolgten Kampfhandlungen stützen sich auf die übereinstimmenden Aussagen der Zeugen 6N., 9N., 2K., 10N., 2S., J.B., 1S.B. und 15N. sowie auf SMS-Nachrichten von der dem FOCA-Kommandeur S.M. zuzuordnenden Satellitentelefonnummer 8... vom 31. Juli und 8. August 2006, in denen über Auseinandersetzungen und Zusammenstöße mit der RUD mit Toten berichtet wird. Der Zeuge 3B. hat anhand einer von der MONUC erstellten Karte die Stützpunkte der RUD im Januar 2009 im Einzelnen aufgezeigt, die sich danach vor allem im Bereich um den Ort Mashuta in Lubero befanden.
gg)
Dass es zu weiteren kleineren Abspaltungen von der FDLR kam, diese aber auf die Organisation keine nennenswerten Auswirkungen hatten, bestätigten alle ehemaligen FDLR-Angehörigen, soweit sie hierzu Angaben machten, sowie der Zeuge 3B., der zu den einzelnen Gruppierungen aufgrund seiner durch seine Tätigkeit bei der MONUC gewonnenen Erkenntnisse detaillierte Angaben machte.
e) Zu den unter Teil 2, A. I. 6. getroffenen Feststellungen:
aa)
Die Feststellungen zum Kongress der FDLR im Januar 2006 gründen sich auf die glaubhaften Angaben der Zeugen 2G., J.B., 1S.B. und 7N., die beim Kongress anwesend waren und über dessen Teilnehmer, die dort besprochenen Themen und getroffenen Entscheidungen berichteten. Im Dokument „Beschlüsse und Empfehlungen des ersten ordentlichen Kongress der FDLR vom 24. bis 31.01.2006“ sind passend dazu die Tagungspunkte sowie die einzelnen Beschlüsse und Empfehlungen, die durch die Versammlung erfolgten, aufgeführt. Zu den im Kongress verabschiedeten Regelwerken der FDLR wurden die jeweils mit dem Orts- und Datumsvermerk „Masisi, den 31. Januar 2006“ versehenen und durch „Dr. M., Präsident der FDLR“ unterzeichneten Texte, nämlich das „Manifest, Programm und Satzung der Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas-FDLR“, das „Reglement der inneren Ordnung der Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas-FDLR (ROI) und die „Disziplinarordnung der FDLR“ verlesen.
Dass der militärische Strafkodex der FOCA im Jahr 2006 durch die für alle Mitglieder der FDLR gültigen „Strafgesetze der FDLR“ ersetzt wurde, ergibt sich vor allem aus den übereinstimmenden Angaben der Zeugen 2G., 1S.B. und 15N. sowie den Bestimmungen des insoweit vom Zeugen 15N. übergebenen Regelwerks „Strafgesetze der FDLR“ (s. Art. 167 und Art. 169). So berichtete der Zeuge 2G., der den Entwurf für die „Strafgesetze der FDLR“ maßgeblich mitverfasst hatte, dass es bis in das Jahr 2006 nur den für die Militärs der FDLR gültigen militärischen Strafkodex gegeben habe. Da man nicht gewusst habe, wie man die Zivilisten bestrafen sollte, habe man die durch den Kongress beschlossenen und für alle FDLR Mitglieder gültigen „Strafgesetze der FDLR“ erstellt. Damit seien die Straftaten sämtlicher FDLR-Angehöriger, also der Zivilisten und der Soldaten, in einem einheitlichen Regelwerk erfasst worden. Der militärische Strafkodex sei hierdurch, wie es auch im Text des Gesetzes stehe, ersetzt worden. Dass die „Strafgesetze der FDLR“ anders als die weiteren durch den Kongress verabschiedeten Regelwerke der FDLR nicht während des laufenden Kongresses vom Präsidenten der FDLR unterschrieben und in Kraft getreten seien, habe daran gelegen, dass an dem Entwurf des FDLR-Strafgesetzbuchs im Gegensatz zu den übrigen Gesetzesentwürfen noch Änderungen durch den Kongress beschlossen worden seien. Der Präsident der FDLR, der allein zur Unterzeichnung des Gesetzes berechtigt gewesen sei, habe das neue Regelwerk deshalb erst nach seiner Abreise aus den Kivu-Gebieten unterschrieben. In Art. 169 der „Strafgesetze der FDLR“ ist hierzu ausdrücklich vermerkt „der FDLR Gesetzeskodex in seiner angepassten Form tritt an die Stelle des FOCA Militär Strafkodex…“. Wie der Zeuge 15N. schilderte, erhielt er das dem Senat übergebene Exemplar der „Strafgesetze der FDLR“ von einem Offizier der FDLR, der nach Ruanda zurückgekehrt war und das Strafgesetzbuch mit sich nehmen konnte.
bb)
Die Feststellungen zur Umstrukturierung der FOCA-Einheiten beruhen auf den Angaben der ehemaligen FDLR-Angehörigen sowie des Zeugen 3B., der über die Erkenntnisse, welche die MONUC hierzu aufgrund der Angaben repatriierter FOCA-Angehöriger gewonnen hatte, berichtete und anhand von ihm vorgelegter und in Augenschein genommener Strukturschemata der MONUC erläuterte.
cc)
Dass es sich bei der FDLR seit ihrer Gründung um einen wichtigen militärischen Akteur im Osten der DR Kongo handelte und die Rebellenmiliz seit ihrer Gründung bis zum Jahr 2009 an Kampfhandlungen gegen die ruandischen und kongolesischen Streitkräfte, aber auch vielfach gegen andere bewaffnete Gruppierungen in den Kivu-Gebieten beteiligt war, steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der Darlegungen des Sachverständigen Dr. T., den entsprechenden Ausführungen in den Berichten von HRW, der UN-Expertengruppen und der ICG sowie den Angaben der Zeugen 4D.M., 1C.G., VW. und den Bekundungen der ehemaligen FDLR-Angehörigen fest. Auch wird dies durch veröffentlichte Erklärungen der FDLR sowie interne Mitteilungen zwischen FDLR-Angehörigen aus der DR Kongo und dem Angeklagten Dr. M. belegt.
Der Sachverständige Dr. T. legte insoweit dar, dass es sich bei der FDLR im genannten Zeitraum wahrscheinlich um die effektivste bewaffnete Gruppierung im Osten Kongos handelte. Wie grundsätzlich alle bewaffneten Akteure in der Region sei die FDLR bei den erfolgten Kampfhandlungen jeweils wechselnde Bündnisse eingegangen mit dem Ziel, die eigene Position zu stärken. Auch im Bericht der ICG vom 9. Juli 2009 wird die FDLR als stärkste aufständische politisch-militärische Organisation im Kongo bezeichnet. Dass die FDLR-Soldaten an zahlreichen Kampfhandlungen in den Kivu-Gebieten bis 2009 beteiligt waren, bestätigte eine Vielzahl ehemaliger FDLR-Angehöriger. So gab der Zeuge 9N. an, die Einheiten der FDLR auf dem Terrain hätten eigentlich immer gekämpft und nie Ruhe gehabt. Als Feinde seien ihnen ruandische und kongolesische Soldaten, aber auch bewaffnete Gruppen gegenübergestanden, die gegen Kinshasa gekämpft hätten, aber gleichzeitig gegen die Anwesenheit der FDLR in der DR Kongo gewesen seien. Im Kongo habe es viele bewaffnete Gruppen gegeben. Der CNDP, verschiedene Mai-Mai Milizen und die PARECO seien die Gruppen gewesen, gegen die sie meistens gekämpft hätten. Damit übereinstimmend bestätigten auch die Zeugen 2G., 3H., 7N., 6N., 1S., 1S.B. und 15N. bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der FDLR und bewaffneten Gruppierungen wie den Mai-Mai, PARECO, Mudundu 40, Rasta, RUD und dem CNDP. Hierzu führte der Zeuge 2G. aus, dass die Schlagkraft der Mai-Mai, PARECO, Mudundu 40 und Rasta im Vergleich zur ruandischen Armee gering gewesen sei. Die Soldaten hätten deshalb die Zeit, in der sie nicht gegen ruandische Soldaten gekämpft hätten, als eine Art „Friedenszeit“ betrachtet. So sei von 2003 bis zur Gründung des CNDP keine größere Region in den Kivu-Gebieten von einer feindlichen Gruppierung besetzt gewesen. Das habe sich allerdings mit der Gründung des CNDP im Jahr 2005/2006, einer von Ruanda unterstützten bewaffneten Gruppierung, die auch das Ziel verfolgt habe, die FDLR zu vertreiben, geändert.
Dass die FDLR insbesondere in den Jahren 2007 und 2008 an militärischen Auseinandersetzungen als Kriegspartei beteiligt war, ergibt sich aus den nachfolgend genannten Beweismitteln:
(1)
So legte der Sachverständige Dr. T. dar, dass das militärische Geschehen in den Kivu-Gebieten in den Jahren 2007 und 2008 maßgeblich durch den CNDP und dessen Kampfhandlungen mit der kongolesischen Armee geprägt gewesen sei. Da es zum Programm des CNDP gehört habe, die FDLR zu neutralisieren, seien dessen Angriffe auch gegen die Rebellenmiliz gerichtet gewesen.
Dass die FDLR an den militärischen Auseinandersetzungen in den Jahren 2007 und 2008 im Osten Kongos beteiligt war, bestätigen auch die Untersuchungen der im Jahr 2008 in der DR Kongo eingesetzten UN-Expertengruppe, über die der Zeuge 4D.M. als deren ehemaliges Mitglied berichtete und deren Ergebnisse in dem Schlussbericht der Sachverständigengruppe vom 12. Dezember 2008 festgehalten sind. So schilderte der Zeuge 4D.M., dass die FARDC und die FDLR nach dem Scheitern der „Mixage“ im Jahr 2007 im Rahmen der militärischen Auseinandersetzungen gegen den CNDP zusammengearbeitet hätten und die FDLR-Einheiten hierfür durch die kongolesische Regierung mit Waffen beliefert worden seien. Auch hätten die FDLR und PARECO im Laufe des Jahres 2008 parallel operiert und gegen den CNDP gekämpft. Dabei habe es sich von Seiten des CNDP und der FDLR jeweils um einen Stellvertreterkrieg für Ruanda und die DR Kongo gehandelt. Im Schlussbericht der Sachverständigengruppe für die Demokratische Republik Kongo vom 12. Dezember 2008 heißt es insoweit, die Gruppe habe überzeugende Beweise dafür erhalten, dass die Streitkräfte der DR Kongo (FARDC) mit der FDLR durch Bereitstellung militärischer Ausrüstung und in gemeinsamen Einsätzen gegen den CNDP zusammengearbeitet hätten. Als Grundlage hierfür werden die Befragung von mehr als 30 ehemaligen Kämpfern der FDLR in Abrüstungs-, Demobilisierungs- und Umsiedlungslagern der MONUC in Goma, aber auch in Übergangsbetreuungszentren und im Demobilisierungslager in Mutobo in Ruanda genannt. Danach machten 15 Personen konkrete Zeugenaussagen aus erster Hand über ein Zusammenwirken der FARDC mit der FDLR. Auch wurde dies zusätzlich durch mehrere ehemalige und aktive FARDC-Soldaten bestätigt. Laut dem Bericht erfolgte eine Zusammenarbeit der FDLR mit der FARDC im Rahmen der Auseinandersetzungen mit dem CNDP unter anderem flächendeckend in den Gebieten Masisi und Rutshuru im Dezember 2007. Auch gab es ab 28. August 2008 zwischen der FARDC und dem CNDP in den Gebieten Masisi und Rutshuru an mehreren Fronten ausgedehnte Feindseligkeiten, bei denen sich FARDC, FDLR, die PARECO und verschiedene Mai-Mai-Gruppen mit dem CNDP maßen und infolge der Kämpfe 250.000 Menschen vertrieben wurden. Beschrieben wird insoweit vor allem eine Zusammenarbeit der FARDC mit den FDLR-Bataillonen Sabena und Bahama auf den Achsen Ngungu-Mushaki, Katale-Muzshaki, Kiwanja-Kinyandoni und Rugari-Kikumba in Form gemeinsamer Angriffe, bei denen sie arbeitsteilig vorgingen und die FARDC die FDLR als Gegenleistung mit Munition versorgte.
Über eine Beteiligung der FDLR an den militärischen Auseinandersetzungen im genannten Zeitraum berichtete des Weiteren die Zeugin VW. aufgrund der Untersuchungsergebnisse von HRW. Nach ihren Ausführungen gehörten fortgesetzte Operationen zwischen dem CNDP und der kongolesischen Armee, dem CNDP und der FDLR sowie dem CNDP und Mai-Mai Gruppen insbesondere im Jahr 2008 zum üblichen Geschehen. Die kongolesische Armee habe sich häufig auf die personelle Unterstützung durch die FDLR verlassen. Mehrmonatige bewaffnete Auseinandersetzungen, an denen die FDLR beteiligt gewesen sei, hätten insbesondere im Gebiet Bukombo stattgefunden. Alle hätten versucht, den Vormarsch des CNDP in den Kivu-Gebieten zu stoppen. Im Bericht von HRW wird hierzu dargelegt, dass sich die Regierung in Kinshasa im Jahr 2006 wegen des Konflikts mit der Tutsi-Rebellengruppe CNDP erneut wegen militärischer Unterstützung an die FDLR gewandt habe. Als Gegenleistung für die Anfang des Jahres 2007 mit 1L.N. vereinbarte Integration der CNDP-Truppen in die kongolesische Armee habe die Regierung der Entsendung von Truppen in die Kivu-Provinzen zur Durchführung militärischer Operationen gegen die FDLR zwar zugestimmt, im Gegensatz zu den mit 1L.N. verbundenen Einheiten hätten die Einheiten der kongolesischen Armee innerhalb der gemischten Brigaden allerdings wenig Bereitschaft gezeigt, die FDLR zu bekämpfen. Ab August 2007 seien der CNDP und die FARDC wieder auf verschiedenen Seiten der Frontlinie gestanden. Ab Ende des Jahres 2007 und im gesamten Jahr 2008 habe die kongolesische Regierung die FDLR unterstützt, bewaffnet und mit ihr umfangreich zusammengearbeitet.
(2)
Bewaffnete Auseinandersetzungen der FDLR in den Jahren 2007 und 2008 vor allem gegen den CNDP, aber auch gegen die FARDC bestätigten auch die ehemaligen FDLR-Angehörigen J.B., 5B., 2G., 2K., 9N., 1G.N., 15N., 1S., 2S. und 2P.R..
So sprach der Zeuge 5B. davon, dass sie ungefähr zwei Jahre vor „Umoja Wetu“ und danach fast ständig gekämpft hätten. Der Zeuge 2G. gab an, dass die Leute, die die FDLR kurz vor seinem Verlassen der FDLR im November 2007 angegriffen hätten, vom CNDP gewesen seien. In der Regel sei die FDLR vom CNDP angegriffen worden. Wenn es zu Kampfhandlungen zwischen der FARDC und dem CNDP gekommen sei, habe die FDLR die FARDC auf entsprechende Nachfrage aber auch unterstützt, dafür Material zum Kämpfen erhalten und es danach behalten. Auch der Zeuge J.B. schilderte, die FDLR sei vor den Operationen im Jahr 2009 hauptsächlich von Soldaten von 1L.N. angegriffen worden. Weil der CNDP meistens gegen die FARDC gekämpft habe, habe die FARDC um Unterstützung bei der FDLR nachgesucht. Beide hätten dann gemeinsam gegen den CNDP gekämpft. Von militärischen Auseinandersetzungen der FARDC mit dem CNDP und einer hierbei erfolgten Unterstützung der kongolesischen Seite durch die FDLR, wofür diese mit Waffen beliefert worden sei, berichtete ebenfalls der Zeuge 2S..
Auch der Zeuge 2K. gab an, dass die FDLR insbesondere im Jahr 2008 zusammen mit der FARDC, aber auch mit den PARECO gegen die Truppen von 1L.N. gekämpft habe. Nach der Schilderung des Zeugen 15N. operierte der CNDP vor allem in den Gebieten Rutshuru und Masisi und griff die FDLR im Jahr 2007 in Kikoma, Katoyi und in Kibua aber auch in Remeka an, weshalb die FDLR dort gegen die Truppen von 1L.N. und 11N. gekämpft habe. Die Kongolesen hätten nicht so ernsthaft gegen die FDLR gekämpft. Der Zeuge 1G.N. gab an, 1L.N. habe mit der FARDC und die FDLR habe zusammen mit den Combattants und den Mai-Mai gekämpft. Kurz nach der Trennung der FARDC vom CNDP hätten sie dann zusammen mit der FARDC gegen 1L.N. gekämpft. Von seiner eigenen Beteiligung an Auseinandersetzungen mit dem CNDP und der FARDC vor 2009 in Nyabiondo in der Zone Masisi berichtete zudem der Zeuge 1A.N., konnte deren genauen Zeitpunkt allerdings nicht mehr benennen. Auch der im Süd-Kivu stationierte Zeuge 1S. schilderte, die FDLR-Soldaten im Nord-Kivu hätten gegen den CNDP gekämpft und hierbei teilweise die FARDC unterstützt, weil die kongolesischen Soldaten hierzu allein nicht in der Lage gewesen seien. Im Süd-Kivu habe es eine neu gegründete Gruppe gegeben, die mit dem CNDP verbunden gewesen sei. Vor allem gegen diese Gruppe hätten die Soldaten der FDLR im Süd-Kivu 2006/2007 gekämpft. Von Rückkehrern der FDLR war darüber hinaus der Zeuge 2P.R. darüber informiert worden, dass es 2008 Kriege des CNDP gegen die kongolesische Armee gab und die kongolesische Seite hierbei die Unterstützung der FDLR in Anspruch nahm und im Gegenzug hierfür Waffen und Munition lieferte.
(3)
Darüber hinaus gab der Angeklagte Dr. M. am 21. Januar 2009 in einem von seinem Mobiltelefon aus geführten telefonischen Interview mit einem Journalisten von Radio France International (RFI) an, dass sich die FDLR seit zwei oder drei Jahren in einem Kriegszustand befinde. Die Truppen von 1L.N., die sie in den vergangenen Monaten angegriffen hätten, seien die Truppen von Kigali. Seit langem befinde sich die ruandische Armee im Kongo und verstecke sich hinter 1L.N.. Es gebe keine neue Situation. Sie führten diesen Kriegszustand seit zwei oder drei Jahren.
(4)
Dass es seit Ende des Jahres 2006, aber insbesondere in den Jahren 2007 und 2008 vor allem in der Provinz Nord-Kivu Kämpfe gab und die FDLR an den insoweit erfolgten bewaffneten Konflikten umfangreich beteiligt war, ergibt sich zudem aus den Informationen, die FDLR-Angehörige aus der DR Kongo an den Angeklagten Dr. M. schickten.
(a)
So erhielt der Angeklagte Dr. M. zahlreiche SMS, die im Wesentlichen vom Kommandeur von SONOKI, dem 2. Vizepräsidenten der FDLR, dem Sprecher der FOCA und 4L., stammten und unter anderem den folgenden Inhalt hatten:
- SMS von 4L. vom 7. Dezember 2006, 19:44 Uhr: „…Wir sind im Krieg und die Streitkräfte von SONOKI haben 1L.N. geschwächt, er hat schon mehr als 5 Städte (Tongo, Nyanzare, Gikuku, Gishishi, Mutanda, Mulimbi) und auch viele Menschen verloren. Die Bilanz ist nicht vollständig, auf der Seite von 1L.N. gibt es mehrere Tote, darunter 1 Maj, 1 capt; Waffen und Munition wurden erbeutet darunter Maschinengewehre, Generator, auf der Seite Freund (AdÜ: Freund=FDLR): einige Tote und Verletzte. RV für detaillierte Informationen (AdÜ: RV=Termin).“
- SMS von O. vom 9. Dezember 2006, 7:39 Uhr: „…Wir haben FARDC lokal unterstützt um gegen 1L.N. zu kämpfen, wir haben ausreichende Materialien erbeutet…“.
- SMS von 4L. vom 23. Januar 2007, 9:36 Uhr: „Die Information von der FARDC: nach der Vermischung mit den Soldaten von 1L.N. werden sie die FDLR ab Kamahumiro- Kabirizi-Kirama-Kinyamuyage angreifen. Jetzt hat 1L.N. die Stellungen, die wir ihm weggenommen haben, wieder besetzt nach Verhandlungen“.
- SMS von 4L. vom 1. Februar 2007, 9:42 Uhr: „9 Bde hat ihren Rückzug nach Rumangabo begonnen, wir warten auf Bde Bravo (1L.N.+FARDC)…“
- SMS 4L. vom 9. Februar 2007, 21:09 Uhr: „Sie sind jetzt nicht weit Weg. Man sagt, dass sie uns morgen angreifen werden“.
- SMS 4L. vom 17. Februar 2007,15:12 Uhr: „Col 2M. von Bde B Mixee (also der gemischten Brigade) hat gestern während einer Versammlung mit der Bevölkerung in Katwiguru einen Krieg gegen die Leute, die er als Interahamwe bezeichnet, offiziell erklärt. Sie haben uns heute um 800 B angegriffen. Wir haben uns gut verteidigt. Bilanz später“.
- SMS 4L. vom 18. Februar 2007, 7:24 Uhr: „Nicht vollständige Bilanz: wir haben am 17 2210B den Konvoi von 2M. comd Bde B bei 1L.N. beschossen. Das Fahrzeug wurde beschädigt, mehrere Tote, 2 Amusc (AdÜ: vermutlich: ambusc=ambuscade=Hinterhalt): Anzahl der Verletzten unbekannt…“
- SMS 4L. vom 20. Februar 2007, 18:59 Uhr: „…Sie haben angefangen unsere Stellungen anzugreifen, wir haben uns verteidigt…“.
- SMS 15B. an SE: „An diesem 21 Februar cbt (AdÜ: vermutlich: cbt=combat= Kampf) zwischen M-M (AdÜ: vermutlich M-M=Mayi-Mayi) und Bde Bravo in Nyamitwitwi eine Stunde von unseren Einheiten entfernt. Sie rechnen mit Angriffen heute, es kam eine Unterstützung, sie plündern und töten die Bevölkerung. Es gibt keinen Verlust auf unserer Seite“.
- SMS PPFOCA vom 23. Februar 2007, 12:20 Uhr: „… Ich habe Bischof 10K darum gebeten, uns zu helfen in diesem Programm, um die Kämpfe zu stoppen“.
- SMS 4L. vom 4. März 2007 um 6:29 Uhr und 19:10 Uhr: „Die Militärs sind zurzeit hier im Vorfeld, sie kamen von Ruanda zurück, wo sie mit dem schweren 107 mm Gewehr geschossen haben. Es geschah in der vorigen Nacht. Die Operation war erfolgreich. .“(SMS 6:29 Uhr) „ „Unsere vorher genannten Streitkräfte haben eine APR-Stellung im Distrikt Cyanzarwe in Gisenyi angegriffen, vertrieben und 3 Bomben von 107 mm geschossen.“…(SMS 19:10 Uhr) [APR: Bezeichnung für die ruandische Armee].
- SMS O. vom 4. März 2007,12:39 Uhr: „Es gab eine Aktion im Punkt (AdÜ: Punkt=Ruanda) von dem vorgeschobenen Bn…. Detaillierte Informationen später, sobald sie uns zur Verfügung stehen. Wir sagen, dass es 1L.N. war…“.
- SMS 4L. vom 5. März 2007, 15:30 Uhr: „Angriff auf Zoll Kabunga in Rwerere (AdÜ: Rwerere= Name einer ehemaligen Kommune in Gisenyi) Unterstützung in N.GONGO (AdÜ.: vermutlich: N.GONGO=Vulkan Nyiragongo)…“
- SMS 4L. vom 7. März 2007, 8:45 Uhr : „Wir sind in Alarmbereitschaft, man sagt, dass sie eine endgültige Operation durchführen wollen, sie haben gestern einen Zivilisten in Katwiguru nach unserem Zusammenstoß in Ngwenda am 3 März getötet…“
- SMS B. vom 9. März 2007, 8:41 Uhr und 8:50 Uhr: „Die gemischte Armee des Feindes hat eine Unterstützung von FRD bekommen und sie rücken mit viel Kraft in die Richtung vor, wo unser Aufgebot untergebracht ist. Die bereits erreichten Stellungen ermöglichen ihnen, sich zu konsolidieren und einen groß angelegten Angriff auf uns durchzuführen und uns in den Nyabarongo zu schmeißen“.
- SMS 4L. vom 9. März 2007, 11:17 Uhr: „Bilanz bezüglich des gestrigen Angriffs noch nicht bekannt, aber Tote und Schwerverletzte auf der Seite des Feindes. Unsere Streitkräfte sind gestern zurückgekommen…“
- SMS 4L. vom 10. März 2007, 9:30 Uhr und 9:31Ûhr: „…Bn Sabena hat in Masisi am 06 März die Streitkräfte von 1L.N. in Kalambei angegriffen, es hat sie vertrieben und 1 RPG, individuelle Waffen und Munition erbeutet. Sie (Streitkräfte von 1L.N.) haben wiederum die Bde Res aus Mashaki und Kazinga vertrieben. Sie wollen auch Nyabyondo erobern“.
- SMS 4L. vom 13. März 2007, 9:26 Uhr : „Es gab Kämpfe hier in Buramba vom 08 bis 11 März. Bde B (der FARDC) hat viele Verluste und aus diesem Grund hat sie Rache geübt… Ich kann, wenn es möglich ist, dem 1. VP die Sit geben und dde RV mit Ihnen (AdÜ: wortgemäß übersetzt, vermutlich: dem 1. VP über die Lage berichten, dde=demande=Antrag, RV=rendez-vous=Termin)“.
- SMS 4L. vom 15. März 2007, 9:15 Uhr : „Unsere Kräfte haben Kazinga zurückerobert, der Feind wurde nach Mitimingi zurückgedrängt“.
- SMS 4L. vom 14. April 2007, 11:25 Uhr: „…Das Bn Montana von 3S. hat gestern Eni (AdÜ.:vermutlich: Eni=Feind) in RN geschlagen, 10 wurden getötet und große und kleine Waffen wurden erbeutet. Auf der Seite des Bn: 3 Verwundete…“
- SMS 4L. vom 27. April 2007, 8:48 Uhr: „Den Informationen zufolge werden die Angriffe 15 Tage fortgesetzt. Der Feind ist in unserer Nähe stationiert. Wir planen auch etwas gegen den Feind, er soll wissen, dass wir auch was können“.
- SMS 4L. vom 30. April 2007 um 11:39 Uhr und 17:43 Uhr: „Sie haben uns schon heute Morgen angegriffen. Lageentwicklung später“ (11:39 Uhr). „Wir haben auf sie geschossen und sie sind weggerannt.“ … Die Operation wird am 17 Mai beendet sein und nachher SOSUKI.“ (17:43 Uhr)
- SMS PPFOCA vom 1. Mai 2007, 9:43 Uhr: “Ich habe mit G2 SONUKI gesprochen und er hat mir gesagt, dass sie bereit sind, sich mit der Führung von RDC zu unterhalten und die Kämpfe zu beenden. Ich habe gerade 4J.N. angerufen, er hat akzeptiert die Kämpfe zu beenden und mit uns zu verhandeln“.
- SMS 4L. vom 1. Mai 2007, 19:17 Uhr: „Niemand hat hier Schaden erlitten… Was den Krieg angeht, wir beobachten sie und wir sind oft frühzeitig über ihre Angriffe informiert. Also wir werden niemals aufgeben“.
- SMS 4L. vom 2. Mai 2007, 17:35 Uhr: „Wir beschäftigen uns mit diesem Krieg“.
- SMS O. vom 4. Mai 2007, 17:31 Uhr: „... Gesamtbilanz Morgen Abend. Die Moral ist allgemein gut. Vorbilanz: Ami (AdÜ: vermutlich Ami=FDLR und Verbündete): 2 Tote und 1 Verwundeter. Operation zur Sicherheit der Straße Goma -Butembo“.
- SMS O. vom 5. Mai 2007, 11:18 Uhr: „Bilanz: Ami: 3 Tote und 2 Verwundete. Feind: 30 Tote und 35 Verwundete. 14 Zivilisten wurden von der FARDC getötet Moral erhöht“…
- SMS 4L. vom 7. Mai 2007, 11:03 Uhr und 12:41 Uhr: „ENI kein Problem“. (SMS um 11:03 Uhr) “Unsere Streitkräfte haben den Feind am 3 crt in seinen Hinterfeldern in Kako, Karengera, Rutshuru angegriffen. Der Feind zieht sich seitdem nach und nach aus der Zone mit einer negativen Bilanz zurück“. (SMS um 12:41 Uhr)
- SMS B. vom 8. Mai 2007, 7:48 Uhr: „…Der Feind greift unsere Zone an“.
- SMS 4L. vom 10. Mai 2007, 20:35 Uhr: „Die Streitkräfte von 1L.N. befinden sich immer noch in der Zone. Nur die zur Unterstützung gekommenen Kräfte sind zurückgegangen. Die Operationen werden weitergeführt, wir haben sie heute auf dem Weg zu uns erwartet, auf sie geschossen und sie sind weggelaufen. Ziel: unsere Stellungen zu erobern, uns wegzuführen, um Kanyabayonga zu erobern und anschließend in Lubero-Butembo einzumarschieren. Sie haben auch vor Goma zu erobern…“
- SMS 4L. vom 11. Mai 2007, 12:47 Uhr: „…Wir müssen selber die Munition besorgen obwohl wir allgemein in den Angriffen eingesetzt werden“.
- SMS 4L. 12. Mai 2007, 12:41 Uhr: „Für die jungen Leute sollte es verständlich sein, wir sind aber zurzeit im Krieg und man kann es nicht sofort ändern…“.
- SMS 4L. vom 15. Mai 2007, 14:08 Uhr: „Eine Lehre für den Feind, er kam zu uns nach BUSESA und wir gingen zu ihm nach KISHARU 28 Km von RUCURU. 4 Tote in den beiden Orten, wir haben 1 KV erbeutet. Einer von meinen Schützen wurde am Finger verletzt, als er eine Rakete abschoss“.
- SMS 4L. vom 16. Mai 2007, 7:31 Uhr: „Der Feind wurde gestern nochmals bei 31 Km und bei 40 Km geschlagen. Mehrere Tote…3 Brigaden bewegen sich in Richtung Katoyi zur Durchsuchung…“
- SMS 4L. vom 8. Juli 2007, 14:40 Uhr: „Der Kontakt zu der Bevölkerung läuft weiter trotz Krieg …Wir beten damit die Lage in der Z (AdÜ: vermutlich Z= Zone) wieder gut wird ... .“
- SMS 4L. vom 23. Juli 2007,17:23 Uhr: „Wir haben heute in Buramba folgende Sachen erbeutet: 1 milou d´assaut und seine Munitionen (1 Box), 3 Kv beim Bn der Bde B mix (gemischte Brigade B)…. Schwere Bilanz: Tote und Verletzte, auf unserer Seite kein Problem. Elt Bahama (AdÜ: vermutlich Elt= Element/Streitkraft von Bahama) hat auch noch heute am 17 crt in Rutare folgende Sachen erbeutet: 1 KV, 3 Motorola bei dieser Bde…“
- SMS 4L. vom 24. Juli 2007, 11:46 Uhr: „Eine von Lt. 6P. … geleitete Einheit der Todesschwadron greift die Abacunguzi in Goma an, die Flüchtlinge und unsere kongolesischen Partisanen… Der Krieg tobt im Süd-Kivu zwischen der Regierung und Abanyamulenge, die rebelliert hatten“.
- SMS PPFOCA vom 26. Juli 2007, 21:02 Uhr: „…Ich hatte ein Problem wegen der Kämpfe am 23 Juli, weil es unterschiedliche Aktionen gegeben hat: von uns, von den Leuten von 20M., von den Mai-Mai und in allen Orten“.
- SMS 4L. vom 8. August 2007, 23:11 Uhr: „Mobilisierung der Tutsis von Ruanda-Uganda-RDC zu einem Krieg in RDC mit dem Ziel Kabila zu stürzen und der bei ihm Zuflucht gefundenen FDLR die Zukunft zu nehmen“.
- SMS 4L. vom 10. August 2007, 20:34 Uhr: „Zusätzlich zur Bedrohung, die aus Uganda kommt, Angriff 8 Rgn + MONUC in Vorbereitung“.
- SMS 4L. vom 12. August 2007, 20:26 Uhr: „Lageentwicklung: Die RDC Regierung kündigt die Unterbrechung ihrer Angriffe gegen uns an…“
- SMS 4L. vom 18. August 2007, 11:07 Uhr: „Spannung Streitkräfte 1L.N. und pro Regierung… Wir sind von der Bevölkerung gut empfangen worden. Die RCD-Regierung bereitet sich vor für einen Krieg (Rft schwere Waffen in Goma) und cpte (AdÜ.:vermutlich cpte= rechnen mit) uns…“
- SMS 4L. vom 6. September 2007, 8:35 Uhr: „Sie haben sich gefreut und sie helfen uns weiter, aber sie fordern uns auf die Sicherheit in der Zone sicherzustellen. Es gibt zur Zeit viele bewaffnete Gruppen in der Z. Wir beobachten sie. Schwerer Krieg, 1L.N. bittet um Verhandlung…“
- SMS 4L. vom 11. September 2007, 21:26 Uhr: „G3 ist in der Zone zur Inspektion der ops (AdÜ.: vermutlich ops= Operationen)….Jetzt am 09 crt FARDC + PARECO + SABENA att Nk Kichanga , am 11 crt PARECO att Nk Matanda & Rubaya (AdÜ: vermutlich att Nk Kichanga= attaquent 1L.N. Kichanga= greifen 1L.N. in Kichanga an)“.
- SMS 4L. vom 12. September 2007, 9:32 Uhr: „Cbts tjrs wir hören Bomben in Runyoni (AdÜ: vermutlich: Cbts tjrs=combats toujours= immer noch Gefechte)…“
- SMS PP FOCA vom 12. September 2007, 23:42 Uhr: „Ich bin über ops (AdÜ: vermutlich ops=Operationen) informiert, die man auf der anderen Seite zurzeit vorbereitet und über Angriffe gegen 1L.N.. Wir sollten mat von FARDC durch seriöse Kontakte mit offrgrade FARDC benutzen (AdÜ: vermutlich mat=Material, offrgrade=hochrangige Offiziere)…“
- SMS 4L. vom 17. September 2007 10:29 Uhr und 10:30 Uhr: „Die 6teBde (Gvt) ist am 14 crt hier angekommen (AdÜ: vermutlich Gvt=Gouvernement=Regierung). Wir beobachten sie und wir bleiben in unseren Positionen“. ..“Wir haben die Gelegenheit genutzt, dass 1L.N. weggegangen ist um die Zone an der Grenze zur Uganda in Nyamwisi und Buganza zu besetzen…“
- SMS 4L. vom 3. Oktober 2007, 21:31 Uhr: „Bah (AdÜ: vermutlich: Bah=Bahama) soll am 01 crt unter Beaufsichtigung von G3 (jetziger zweiter Kommandant von SONOKI) in Rubavu Rda (AdÜ: Rda= Ruanda) schlagen. Trommelfeuer von 107 (3…bome, vermutlich: 3 Bomben)+ Angriff im Inland, Kgl bestätigt (AdÜ: vermutlich Kgl=Kigali).“
- SMS B. vom 16. Oktober 2007, 11:25 Uhr: „Es gab Kämpfe gestern in Karengera 1L.N. …“.
- SMS O. vom 27. Oktober 2007, 4:24 Uhr: „…SABENA und SOMECA haben 1L.N. in Mweso in der Nähe von seinem Kommando heute Morgen besucht (AdÜ: vermutlich: besuchen=angreifen). Wir warten auf das Ergebnis morgen. Wir werden sagen, dass Pareco es getan hat“.
- SMS O. vom 31. Oktober 2007, 5:30 Uhr: „Ein Angriff am 260500B in Mweso. Wir haben 20 Inyenzis von 1L.N. getötet, 8 Waffen und viele Munition (10 Kästchen) und viele andere Materialien erbeutet“.
- SMS 4L. vom 11. November 2007, 21:50 Uhr: „Heftige Kämpfe ab 6crt. APR engagiert. CNDP erklärt offiziell den Krieg ab 8 crt und möchte heute einen Waffenstillstand haben aufgrund einer Niederlage auf der Achse: 1. Ngungu-Sake-Humure-Karuba-Kirotse-Shasha …, 2. Rumangabo: Bukima-Nkokwe,…, 3. Mweso: Nyange-Nyanzale-Katilu, SONOKI beteiligt. 4. Masisi: Moshaki-Bihambwe-Matanda-Katale, 5. Runyoni.“
- SMS B. vom 16. November 2007, 10:08 Uhr und 10:16 Uhr: „…Die FDLR haben ständige Auseinandersetzungen auf dem Schlachtfeld mit der Armee von FPR an der Grenze zwischen Ruanda und RDC und im Osten der RDC…“
- SMS B. vom 5. Dezember 2007, 07:06 Uhr : „Ich habe die ganze letzte Zeit vergeblich versucht 10K zu erreichen. Ich möchte mich mit ihm über den Krieg unterhalten. Ich möchte ihn fragen, ob es nicht Zeit ist, den Krieg zurückzuschieben, er soll wieder dort hingehen, wo er gekommen ist“.
- SMS 15B. vom 21. Dezember 2007, 07:05 Uhr: „Ich grüße Sie ihre Exzellenz, wie geht es Ihnen? Uns geht es so weit gut. Die Lage ist immer noch in Z (AdÜ vermutlich Z=Zone) Rucuro und Masisi angespannt. Es gab Kämpfe am 14/12 in Gicanga-Gitare. Wir (FOCA) haben der FRDC eine Lektion erteilt.“ ...
- SMS 4L. vom 20. Januar 2008, 01:02 Uhr: „Der Krieg hat noch nicht begonnen und heute um Mitternacht haben sie unsere Posn angegriffen, ein Cpl von mir namens JC.T. wurde am Bein schwer verletzt. Es gibt keine andere Wahl: Jetzt gibt es nur noch Kampfhandlungen (AdÜ: vermutlich Cpl= Gefreiter, Posn= Position)“.
- SMS O. vom 22. April 2008, 06:01 Uhr: „Die FARDC haben die Militärs von FOCA „SOMECA“ angegriffen und Pareco in Chala in der Nähe von Gikuku am 200600B. Bilanz und die Gründe sind noch nicht bekannt“.
- SMS O. vom 22. April 2008,11:19 Uhr: „Sie haben sich gegenseitig in Kaunju und in Chala bekämpft, unsere Leute haben sich verteidigt und Materialien erbeutet: Granatwerfer, 3 Waffen und Munitionen, 2 FARDC wurden gefangen genommen, ich suche noch ihre Namen“…
- SMS COMDFOCA 2nd vom 2. Mai 2008, 16:19 Uhr : „... es ist klar zu sehen, dass wenn die Verhandlungen in eine Sackgasse geraten, dass wir in eine schwierige Kriegsphase kommen werden“.
- SMS 17M. vom 7. Mai 2008, 20:57 Uhr : „Die Leute in Kinshasa spielen immer noch, obwohl es ernst ist. .. Wenn sie den militärischen Kampf endgültig nicht mehr können, werden sie uns verstehen“.
- SMS von der Telefonnummer 00... vom 8. September 2008, 15:13 Uhr: “Exzellenz. Die FARDC bombardieren pausenlos Runyoni/Bunagana in der Nähe von Ruhengeri…“
- SMS O. vom 23. September 2008, 11:07 Uhr: „…N/K wir unterstützen die FARDC. Wir haben CNDP und APR gehindert Masisi zu erobern. Wir haben mehr als 20 Waffen erbeutet. Wir sagen, dass es Pareco ist“.
- SMS O. vom 9. Oktober 2008, 14:10 Uhr : „2 Bn von RDA haben Rumangabo erobert, ein Lager in der Nähe von Kalisimbi: Sie hatten schon vorher 3600 Mil bei 1L.N.. Ich versuche Comd 8RGN zu kontaktieren, er soll uns mit ausreichenden Materialien ausrüsten, damit wir ihm helfen können. Es gibt kein Problem. Wir haben Soldaten in der Zone. Die Inyenzi von Ruanda machen Angriffe, einfach um zu desorganisieren …“.
- SMS O. vom 7. November 2008, 19:19 Uhr: „Die Bde von Inyenzis in RDC: die 46te, die 99te und die 408te, sie haben Militärs in RDC. Die 14te ist zurzeit in Mukamira stationiert und wird bald die Grenze überqueren. Es gibt keine Absicht den Krieg zu beenden“.
- SMS O. vom 8. November 2008, 17:11 Uhr: „Die Führungskräfte der Inyenzi sind in RDC vollständig angekommen … Die Verstärkung kommt immer noch. „.
- SMS 4L. vom 19. November 2008, 6:20 Uhr: „… Sit: CNDP zieht sich seit gestern nach Rutshuru zurück. Die Dissidenten von FARDC lassen sich bei uns rekrutieren…“.
- SMS 4L. vom 26. November 2008, 00:13 Uhr: „…Es gibt zurzeit Kämpfe mit unseren Streitkräften die Straße entlang. Sie haben ihre Stellungen in Ngwenda und in Katwiguru. Es gibt kein Problem auf unserer Seite.“
- SMS 4L. vom 27. November 2008, 00:55 Uhr : “Eni (AdÜ: Eni=Feind) bewegt sich heute in Richtung Ishasa, wir haben auf sie der Straße entlang geschossen und wir werden es weiter machen. Sie haben seit gestern ihre Stellung in Nyamilima. Die Mehrheit der Bevölkerung flieht und CNDP versucht es zu verhindern.“
- SMS 4L. vom 29. November, 12:20 Uhr: „Nach O von der UNO muss der Feind sich aus Rumangabo zurückziehen. Durchführung ab gestern. Plünderung entlang der Straße in Buganza. Wir gehen in die Stadt Nyamilima zurück“.
- SMS 4L. vom 30. November 2008, 12:20 Uhr: „…Wir sind alle in Binja in unseren Posn zurückgegangen (AdÜ: vermutlich Posn=Position). Ich bin zusammen mit der Einheit von SABENA in Nyamilima: Wir sind noch dabei zu verifizieren, man spricht von einer Bilanz von 9 Tote +5 Verwundete.“
(b)
In einer von 4L. am 29. Dezember 2008 übersandten E-Mail wird dem Angeklagten Dr. M. unter anderem mitgeteilt, „Hauptmann 1C.M. alias 4S. und Chef von PL ist seit heute, am 29. auf Reise, zum FOCA-Hauptquartier… Er bringt Berichte über militärische Operationen hin, …, Berichte über Operationen von Mai bis Dezember 2008…. Seit wir gegen die CNDP kämpfen am 24. November 2008 sind 3 Soldaten sofort nach Uganda geflüchtet…“
dd)
Die Feststellungen zum Zeitpunkt und zu den Tagesordnungspunkten der FOCA-Oberkommandoversammlung im Januar 2009, zur Bestätigung des FOCA-Kommandanten und zu den Bestrebungen zur Ablösung des FOCA-Kommandanten und des Angeklagten Dr. M. beruhen unter anderem auf der auf dem Laptop des Angeklagten Dr. M. gespeicherten SMS-Kommunikation (SMS VENANT D´EN BAS) und hier insbesondere auf den an den Angeklagten Dr. M. übersandten Mitteilungen des FOCA-Kommandanten vom 5. und 14. Januar 2009, des FOCA-Vizekommandanten vom 5. Januar 2009 und des stellvertretenden Kommandeurs von SOSUKI, 7B., vom 27. Februar 2009. So schrieb der FOCA-Vizekommandant, dass man in der Versammlung eine Bewertung von sechs Jahren FOCA durchführen und dann über ein Weiterbestehen oder eine Änderung der Mannschaft entscheiden werde. Es sei deutlich, dass es auf dem Terrain eine andere Sicht der Dinge gebe und viele Leute feststellten, dass der Kampf sein Gesicht geändert habe und die Richtung des Überlebens annehme.
Dass der Angeklagte Dr. M. als Präsident der FDLR von den Entscheidungen und Empfehlungen der Versammlung des Oberkommandos vom Januar 2009 direkt im Anschluss hieran per SMS über Thuraya informiert wurde, berichtete glaubhaft der Zeuge 2S., der in der Versammlung als Protokollant anwesend war, den Text über die dort getroffenen Entscheidungen und Empfehlungen mitverfasst hatte und mitbekam, wie das Protokoll der Versammlung entsprechend der auch davor praktizierten Handhabung über Thuraya per SMS an den Präsidenten übermittelt wurde. Dass regelmäßig ein Bericht über die Versammlung des Oberkommandos an den Präsidenten der FDLR geschickt wurde, bestätigten auch die Zeugen J.B. und 5B..
ee)
Die Feststellungen über die Tagesordnungspunkte der Versammlung des Comité Directeur stützen sich auf den Inhalt der vom Angeklagten Dr. M. am 7. Januar 2009 unter anderem an den Angeklagten M. sowie 2C.M. übersandten E-Mail.Der Zeitpunkt der Versammlung und die darin getroffenen Empfehlungen und Entscheidungen werden belegt durch die E-Mail des Angeklagten Dr. M. vom 21. Januar 2009 an den FOCA-Kommandanten, in der diesem die am 19. Januar 2009 „in Berlin“ ausgefertigten und vom Angeklagten als Präsident der FDLR und vom Exekutivsekretär 2C.M. unterschriebenen „Schlussfolgerungen, Empfehlungen und Entscheidungen der Versammlungen des CD (zusammengetreten in ordentlicher Sitzung vom 16. bis zum 19. Januar 2009)“ übermittelt wurden. Dass die dort aufgeführten 58 Empfehlungen und der Beschluss über die Erhöhung der Mitgliedsbeiträge tatsächlich so in der Versammlung getroffen wurden, bestätigten nach Vorlage und Durchsicht der Original-E-Mail in französischer Sprache sowohl der Zeuge 1S.B. als auch der Zeuge 2S., die beide glaubhaft bekundeten, bei der Versammlung des CD-Ost als Protokollführer anwesend gewesen zu sein.
Als Empfehlungen sind in dem Dokument zu den einzelnen Bereichen der Organisation und zum Thema der „multidimensionalen Bedrohung der FDLR/FOCA“ unter anderem aufgeführt:
- Zum Bereich politische Angelegenheiten:
„1. Die Bemühungen das Image der Organisation zu ändern sind fortzusetzen über die Medien, durch Konferenzen, Demonstrationen, Reflexionsgruppen, Vereinigungen und in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen, die sich in den Ländern befinden, in denen sich die ruandische Diaspora niedergelassen hat“
- zum Bereich Mobilisierung und Propaganda:
„6. Dringend eine Radiosendung der Organisation zu Stande bringen, alternative Medien nutzen, die für die Mobilisierung zugänglicher sind.“
- zum Bereich Information (mediale Ebene):
„9. Sofort und systematisch auf Berichte, Erklärungen und sonstige Beschuldigungen gegen die Organisation reagieren, um ihre Interessen und ihr Image zu verteidigen.
10. ENI-Projekte proaktiv ankündigen oder anprangern.
14. Journalisten, die das Feld besuchen sind sorgfältig auszuwählen.“
- zum Bereich soziale Angelegenheiten und Versöhnung:
„15. Vermeiden Gesamtzahl der geflohenen Bevölkerung anzugeben und versuchen derartige Fragen der Journalisten und NGO zu umgehen“
- zum Bereich Dokumentation und Sicherheit:
„22. Die Einheit, den Zusammenhalt und die Sicherheit der Organisation gewährleisten.“
- zum Bereich Finanzen und Vermögen:
„27. Finanzielle Kontrolle und zwar auf allen Ebenen: COMFIN (Finanzkommissar) erarbeitet Ad hoc-Anweisungen zur Weiterleitung an die CR (Regionalkomitees).“
- zum Bereich juristische Angelegenheiten und Menschenrechte:
„38. Die Ergänzung und die Annahme der Texte werden der ESTRDC-Gruppe überlassen.
39. Mit Energie kämpfen gegen jegliche Form der Übergriffe gegen Gruppen der Zivilbevölkerung.
40. Die Rekrutierung von Minderjährigen bleibt verboten.“
- zum Bereich Verteidigung:
„41. Wird die Organisation beschuldigt, Übergriffe begangen zu haben, ist es wichtig, dass die Einheitskommandanten der Regionen, in denen die angeblichen Übergriffe stattfanden, Ermittlungen durchführen und dem FOCA-Kommando Bericht erstatten, das sofort das CD informiert.
42. Der 2. VP und der Comdef (Verteidigungskommissar) sollten viel enger mit dem FOCA-Kommando zusammenarbeiten um den gerade laufenden, makabren Plan der DRK, Kigalis und ihrer Alliierten zum Scheitern bringen zu können.
46. Gründe, die die Entschlossenheit und Moral der Abacunguzi senken könnten, müssen rechtzeitig entdeckt und geeignete Maßnahmen ergriffen werden.“
- Zu den strategischen Empfehlungen um der aktuellen multidimensionalen Bedrohung der FDLR/FOCA zu begegnen:
„53. Die Organisation muss sich darauf vorbereiten, der unmittelbaren und schwerwiegenden Situation zu begegnen, die sich am Horizont abzeichnet. Hierzu muss die Führung der FDLR einig und entschlossen bleiben.
54. Aktualisierung der bestehenden sowohl politischen wie militärischen Strategien
55. Einsetzung einer Kommission oder politisch-militärischen Zelle, mit dem Auftrag der Aktualisierung dieser Strategien.
56. Behandlung des Problems i.V.m. der Koordination der politischen und militärischen Aktionen im Feld beim anstehenden informellen Treffen.
57. Diplomatische Kontakte fortsetzen und intensivieren.“
ff)
Dass die FDLR durch den Angeklagten Dr. M. als Präsident der FDLR den für 2009 angekündigten Krieg gegen die FDLR in schriftlichen Erklärungen und mündlichen Interviews öffentlich verurteilte und auf eine Verhandlungslösung beharrte, zeigen unter anderem die am 5. Februar 2009 ausgefertigte und vom Angeklagten als Präsident der FDLR unterschriebene „Erklärung der FDLR über den Krieg, der zur Zeit im Osten der DR Kongo herrscht“ sowie die beiden Interviews des Angeklagten Dr. M. vom 21. Januar 2009 mit dem BBC-Journalisten 23M. und mit Radio France International.
Die getroffenen Feststellungen zu den seit April 2008 erfolgten und gescheiterten Verhandlungsbemühungen sowie zur Haltung der FDLR beruhen neben den Ausführungen im Bericht der ICG vom 9. Juli 2009 vor allem auf SMS („SMS envoyés enbas.doc“), die der Angeklagte Dr. M. unter anderem im April und Mai 2008 sowie im Zeitraum vom Oktober 2008 bis Februar 2009 an Führungspersonen der FDLR in der DR Kongo sandte, aber auch E-Mails aus der TKÜ-Überwachung.
So berichtete der Angeklagte Dr. M. in der SMS vom 16. April 2008 an den Kommandeur der FOCA und den 2. Vizepräsidenten sowie in den SMS vom 3. Mai 2008 an O. und vom 5. Mai 2008 an den FOCA-Kommandeur über die Verhandlungsbemühungen der kongolesischen Regierung sowie der ECC und der von ihrer Seite eingenommenen Haltung, an der Deklaration von Rom festzuhalten, weil diese Kigali und der internationalen Gemeinschaft viele Fallen gestellt habe. Mit SMS vom 16. Oktober 2008 an den Vizekommandanten der FOCA teilte der Angeklagte Dr. M. mit, dass das erfolgte Treffen von Nyabiondo zwischen einzelnen Vertretern der FDLR und der kongolesischen Regierung ihrer Glaubwürdigkeit geschadet habe, denn die Kongolesen hätten ihre Partner informiert, die Teilnehmer des Treffens wollten in den Prozess Nairobi/Kisangani einsteigen. Dem hätten sie anschließend widersprechen müssen. Es habe dann geheißen, sie hätten ihre Meinung geändert und dies gebe ein schlechtes Bild der Organisation ab. In einer SMS vom 30. Januar 2009 informierte der Angeklagte Dr. M. den FOCA-Kommandeur und den 2. Vizepräsidenten über ein informelles Treffen mit 15M., 10K und Priester R.M., in dem die Kongolesen gewollt hätten, dass die FDLR eine Erklärung abgebe, die ihnen helfe, den Krieg zu stoppen. Dies habe er aber abgelehnt, da sie nie erklären würden, Untertanen zu werden, damit der Krieg zu Ende gehe. Diejenigen, die den Krieg begonnen hätten, müssten ihn auch stoppen. Dass der Angeklagte Dr. M. mit dem Angeklagten M. zusammengesessen und erörtert hatte wie auf eine von der kongolesischen Seite vorgeschlagene, schriftliche Erklärung zu reagieren sei, und dabei auch besprochen wurde, dass die Demobilisierung der Abacunguzi vermieden werden müsse, weil nicht der Eindruck bei den Abacunguzi erweckt werden dürfe, die FDLR kapituliere, ergibt sich aus einem Telefonat vom 19. Januar 2009 zwischen dem Angeklagten Dr. M. und 2C.M..
II. Aufbau, Struktur und Arbeitsweise der Organisation
1. Zu den Feststellungen unter Teil 2, A. II.:
a)
Die Feststellungen zur Struktur der Organisation, zu deren Organen bzw. Untergliederungen im politischen sowie militärischen Bereich, deren Zusammensetzung, Aufgaben und Arbeitsweise beruhen zum einen auf den übereinstimmenden Angaben ehemaliger FDLR-Angehöriger sowie den entsprechenden Bestimmungen in den verlesenen Regelwerken der FDLR und FOCA, deren Echtheit sowohl durch die Zeugen 2G., 2S., J.B., 1S.B. und 15N. als auch durch die von den Zeugen 4D.M. und 1C.G. sowie dem Zeugen KHK P. berichteten Ergebnisse der Untersuchungen der UN-Expertengruppe bzw. der Auswertung der Telekommunikationsüberwachung bestätigt wurde.
Umfangreiche Ausführungen zum Aufbau der einzelnen Teile der FDLR und den Entscheidungs- und Befehlsstrukturen innerhalb der Organisation sowie zur personellen Besetzung der Führungspositionen der FDLR im verfahrensrelevanten Zeitraum machten insbesondere die ehemaligen FDLR-Angehörigen 2P.R., 2G., 2S., 1S.B., J.B. und 9N.. Sämtliche ehemaligen FDLR-Angehörigen schilderten darüber hinaus einhellig, dass innerhalb der Organisation auf die Einhaltung der vorgegebenen Hierarchieordnung und des „Dienstwegs“ geachtet wurde sowie eine Weisungsgebundenheit von oben nach unten und gleichzeitige Berichts-, Dokumentations- und Informationspflichten von unten nach oben bestanden. Detaillierte und dazu passende Angaben zum Aufbau und zur Struktur der FDLR, insbesondere zu den Kommandostrukturen der FOCA, deren einzelnen Einheiten, Standorten und Kommandeuren, machte darüber hinaus der Zeuge 3B. als ehemaliger Mitarbeiter des DDRRR. Dabei erläuterte er die in den Interviews mit geflüchteten FDLR-Kämpfern in den Übergangscamps der DR Kongo durch die MONUC gewonnenen Erkenntnisse anhand der von ihm übergebenen und verlesenen sowie teilweise in Augenschein genommenen Schemata und Organigramme der MONUC zur „FOCA-Kommando-Struktur“ vom 27. März 2009, zur Struktur der FOCA vom Dezember 2008, vom Oktober 2010 und 16. Februar 2012, der in Augenschein genommenen MONUSCO-Karte mit den Standorten der FOCA-Einheiten (Stand 3. April 2012), der verlesenen und im August 2011 vom ehemaligen G 5 des Generalstabs des FOCA-Kommando Major 1L. erstellten Aufzeichnung „Standorte und ungefähre Mitgliederzahlen der FOCA-Einheiten in Nord-Kivu“ und der von ihm überreichten elektronischen Listen repatriierter Kämpfer und Offiziere der FDLR. Gestützt werden die Feststellungen darüber hinaus durch die damit in Einklang stehenden Untersuchungsergebnisse der UN-Expertengruppe, über welche die Zeugen 4D.M. und 1C.G. berichteten, und des Zeugen 2R. sowie durch die Erkenntnisse aus der eingeführten Telekommunikationsüberwachung, aus asservierten Dokumenten und der asservierten SMS-Kommunikation zwischen FDLR-Angehörigen in der DR Kongo und dem Angeklagten Dr. M. im Zeitraum zwischen August 2006 und dem 9. November 2009.
Die Feststellungen zum Erscheinungsbild der FOCA, deren Bewaffnung und den Kommunikationsmitteln der FDLR stützen sich vor allem auf die Angaben der ehemaligen FDLR-Angehörigen sowie die Ausführungen der Zeugen 3B., 4D.M., 1C.G. und VW.. Dass die FOCA-Kämpfer gewöhnlich im Besitz von Macheten oder Messern waren, haben die Zeugen 5B., 2K., 1A.N., 15N., 12N. und J.B. beschrieben und wurde durch die Beobachtungen der Zeugen Z 9 und Z 10 sowie der Zeugin VW. bestätigt, die insoweit von Macheten und Hacken sprach.
b)
Die unter Teil 2, A. II. 1. c) getroffenen Feststellungen zur Umsetzung der Regelwerke beruhen insbesondere auf folgenden Beweismitteln:
aa)
Dass die in den Regelwerken für die Organisation vorgesehenen Strukturen im Leben der Organisation nicht vollständig umgesetzt wurden, also einzelne Elemente wie beispielsweise kommunale und präfektoriale Widerstandskomitees sowie Bezirkswiderstandskomitees nicht existierten, Versammlungen des Nationalkongresses mit Ausnahme des Jahres 2006 sowie eine Vollversammlung des Nationalen Widerstandskomitees nicht stattfanden, das Comité Directeur nur örtlich getrennt in der DR Kongo und Europa tagte, Versammlungen des CD und des Oberkommandos lediglich erfolgten, wenn die Sicherheitslage in der DR Kongo dies zuließ, und nominelle Funktionen nicht unbedingt mit den tatsächlichen Machtbefugnissen korrespondierten, hat der Zeuge 2G. in Übereinstimmung mit weiteren ehemaligen FDLR-Angehörigen berichtet. Dabei machte der Zeuge, der an der Erarbeitung der wesentlichen Regelwerke der FDLR als geschäftsführender Rechtskommissar beteiligt war, deutlich, dass die kodifizierte Ordnung der Organisation in erster Linie auf deren späteres Wirken in Ruanda ausgerichtet war und deshalb im Exil nicht strikt umgesetzt wurde. Im Einklang damit gab auch der Angeklagte M. an, der Text der Statuten bzw. der Satzung sei für die Zeit geschrieben worden, wenn die FDLR eine richtige Partei in Ruanda sei, aber nicht für die Zeit im Exil. Viele Organe hätten praktisch nur funktionieren können, wenn alles in Ruanda stattgefunden hätte. Sie seien aber bei der Abfassung nicht davon ausgegangen, dass sie so lange in der Exilsituation bleiben würden.
bb)
Dass Ge- und Verbotsnormen aus den Strafgesetzen der FDLR und Regelungen des humanitären Völkerrechts, obwohl diese in den Militärschulen der FDLR gelehrt wurden, vielfach nicht eingehalten und Verstöße dagegen nicht geahndet wurden, zeigt die später folgende Würdigung zu den Plünderungsaktionen der FDLR (siehe hierzu unter Teil 3, C. IV. 3.) sowie zu Übergriffen der FDLR auf kongolesische Zivilisten im Rahmen von Bestrafungs- bzw. Vergeltungsoperationen im Jahr 2009 (siehe hierzu unter Teil 3, C. V. 3.), wird aber auch in den folgenden Aussagen ehemaliger FDLR-Angehöriger und der Z-Zeugen deutlich.
So bekundete der Zeuge 2P.R. als ehemaliger FOCA-Kommandeur im Zusammenhang mit der Sicherung des Lebensunterhalts der FDLR-Kämpfer, die Leute dächten, es handle sich um eine Rebellion wie andere und die FDLR arbeiteten wie andere Rebellen, tatsächlich sei es aber so gewesen, dass sich die FDLR „arrangiert“ hätten. Nach den Informationen, die er bekommen habe, hätten sich die Kämpfer im Wald im Jahr 2009 immer mehr zu Terroristen entwickelt. Es habe unkontrollierte Dinge und viel Disziplinlosigkeit in der FDLR bis hin zu den Führern gegeben. Die Aktionen, die sie gemacht hätten, passten nicht zu einer guten Organisation. Der Zeuge 7N. gab an, in der FOCA sei das humanitäre Völkerrecht gelehrt und in der Theorie gelernt, aber in der Praxis nicht befolgt worden. In Rebellengruppen werde das nicht befolgt, auch bei der FOCA sei es so gewesen. Der Zeuge 10N. sprach davon, dass es normalerweise bei einer Regierung, die ein festes Programm habe, Regeln gebe, nicht aber dort in der DR Kongo. Bei Guerillakämpfern in den Wäldern sei es schwierig, Regeln zu befolgen und Strafen zu geben, wie sie vorgesehen seien. Auch der Zeuge 9N. gab an, die FDLR lehre Menschenrechte, aber sie würden nur da umgesetzt, wo es möglich sei. Der Zeuge 6N. bekundete, die FOCA habe sich nicht an die Regeln gehalten, die sie in der Ausbildung gelernt hätten. So habe man gelehrt, Zivilisten, die nicht an Kampfhandlungen beteiligt seien, nicht zu schaden, bei allen schlechten Aktionen in der Zone, in der die Zivilisten mit dem Feind zusammengearbeitet hätten, sei das aber nicht berücksichtigt oder als Straftat verfolgt worden. Auf die Frage, ob die Gesetzbücher der FDLR und der FOCA ernst gemeint gewesen seien und tatsächlich gelten sollten, antwortete des Weiteren der Zeuge 1S.B., das komme darauf an, wer das beurteile und wie jeweils die Beziehung zu demjenigen gewesen sei, der die Verletzung der Gesetze bestrafen sollte. Es habe Leute gegeben, die viel Macht in der Organisation gehabt hätten und stark gewesen seien. Wenn es ein Prinzip gebe, das laute, Machtmissbräuche gegen Zivilisten seien nicht erlaubt, es jedoch Personen gebe, die für solche Taten weder ermahnt noch bestraft würden, dann stelle man fest, dass für manche Leute die Gesetze gegolten hätten und für andere nicht. Auf die Frage, ob die FDLR nicht nach den Statuten gelebt habe, antwortete auch der Zeuge 2G. „doch schon, aber die Soldaten haben sich ihre Aktionen nicht verbieten lassen“. Davon, dass Rebellen anders als Soldaten der Regierung seien und unterschiedlich kämpften, sprach darüber hinaus der Zeuge 1S..
Aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen schilderten zudem die Zeugen Z 1, Z 2, Z 3, Z 9 und Z 10 anschaulich, dass Übergriffe von FDLR-Angehörigen auf kongolesische Zivilisten durch die Rebellenmiliz nicht konsequent verfolgt und bestraft wurden. So berichtete die Zeugin Z 1, dass die „Interahamwe“ schlimme Sachen bei den Bürgern gemacht hätten, wenn sich der Ortsvorsteher beschwert habe, sei dies von der „Interahamwe“ aber nicht ernst genommen worden. Ähnlich äußerte sich der Zeuge Z 2, der davon sprach, dass der Chef des Ortes nichts zu sagen gehabt habe und es der FDLR nur darum gegangen sei, die Bürger anzulügen, wenn man sich beschwert habe. Auch der Zeuge Z 3 berichtete, die kongolesischen Zivilisten hätten bei der Plünderung ihrer Ackerfelder durch die FDLR-Leute nichts machen können und lediglich die Wahl gehabt, dies zu erdulden oder den Ort zu verlassen. Der Zeuge Z 9 gab an, er habe vor dem Jahr 2009 zwar einmal selbst gesehen, dass ein Soldat von der FDLR bestraft worden sei. Sie hätten das allerdings nur für eine „Schleimerei“ gehalten, weil die schlechten Taten danach weitergegangen seien.
cc)
Auch bestätigten die Angaben der Zeugen 5B., 2K., 7K., 2P.R., 1S.B., 2MM. und 1S. sowie der Zeugen 4D.M., 1C.G., 3B., VW. und K.L., dass die nach Art. 10 der FOCA-Statuten vorgeschriebene Mindestaltersgrenze für FOCA-Soldaten von 18 Jahren insbesondere während bewaffneter Konflikte nicht eingehalten wurde. Dies wird ebenfalls in Mitteilungen von FDLR-Angehörigen in der DR Kongo an den Angeklagten Dr. M. in der asservierten SMS-Kommunikation deutlich. So berichtete ein Oberstleutnant 9M. in einer SMS vom 17. April 2009 um 18:04 Uhr „ich möchte Ihnen, Herr Präsident, meine Sorgen bei den FDLR FOCA..(Vermutlich: übermitteln). Wir tragen zwar eine schwere Bürde, aber wir übertreiben auch. Viele Führungskräfte benutzen Einheimische, die unter 18 Jahren sind, in den … (Vermutlich: Stellungen). Man weiß aber, dass die UNO dies als Verbrechen gegen die Menschlichkeit sieht…“
dd)
Vielfach beschrieben wurde von den ehemaligen FDLR-Angehörigen darüber hinaus, dass eine Abkehr von der FDLR in der Regel anders als durch eine Flucht nicht möglich war. So berichteten die Zeugen 1S.B., J.B., 3H., 2K., 2MM., 5N., 7N., 6N., 9N. und 2S., ein Verlassen der FDLR sei abgesehen von besonderen Fällen wie Krankheit etc. regelmäßig als Verrat gewertet und mit strenger Bestrafung geahndet bzw. mit der Todesstrafe bedroht worden. Hierzu gab unter anderem der Zeuge 2S. an, bei seiner Flucht von der FDLR nur knapp einem von der FOCA entsandten „Todeskommando“ entkommen zu sein. Auch schilderten die Zeugen 2P.R., J.B., 3H., 9N., 12N. und 2S., dass die Organisation die aktiven FDLR-Angehörigen durch engmaschige Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen an einer Flucht zu hindern suchte. Dass hierzu der Einsatz von Patrouillen, Straßensperren, eine strikte Urlaubsüberwachung und das Führen von Ausgehlisten gehörten, in die alle besonderen Vorkommnisse eingetragen werden mussten, bekundeten die Zeugen 2P.R., J.B. und 12N.. Laut den Angaben des Zeugen 2S. wurde nach der Operation „Umoja Wetu“, etwa im Mai 2009, darüber hinaus ein Telegramm an die Einheiten verschickt mit dem Befehl, der Desertion verdächtige Kämpfer mit der Todesstrafe zu bedrohen. Hierzu passend sprach der Zeuge 2R. aufgrund der von ihm durchgeführten Untersuchungen von einem sehr effizienten Sicherheitssystem innerhalb der FDLR. Dies habe beinhaltet, dass Personen, die im Verdacht gestanden seien, die FDLR verlassen zu wollen, einer Beobachtung unterzogen worden seien, so dass keiner dem anderen mehr vertraut habe. Auch habe man Fluchtgedanken einzelner Personen durch deren Verlegung in Gebiete, in denen dies nicht so leicht möglich gewesen sei, zu verhindern versucht.
2. Keine getrennten Vereinigungen FDLR und FOCA
Soweit seitens der Verteidigung und insbesondere des Angeklagten M. vorgebracht wurde, bei der FDLR und der FOCA handle es sich um zwei getrennte Vereinigungen, die FOCA sei eine souveräne, lediglich formal mit der FDLR verbundene Institution, für die eine Verantwortung der Führung der FDLR ausscheide, fehlt hierfür aufgrund der Beweisaufnahme jegliche tragfähige Grundlage. So war das Vorbringen der angeblichen Unabhängigkeit der FOCA, die der Angeklagte M. erstmals in seiner Einlassung vom 5. August 2013 erwähnte und die zuvor weder Thema in der mündlichen Haftprüfung vom 19. April 2010 noch in den unter seiner Mitwirkung verfassten und als Reaktion auf Vorwürfe gegen die FDLR veröffentlichten Presseerklärungen gewesen war, bereits nach seinen eigenen Ausführungen über die Gründe seines Beitritts zur FDLR wenig plausibel und stand teilweise in Widerspruch zu seinen späteren Angaben. Auch lässt sich aus den vom Angeklagten M. angeführten Umständen eine Eigenständigkeit und Souveränität der FOCA nicht herleiten. Dass es sich bei der FDLR und der FOCA nicht um zwei getrennte, souveräne Vereinigungen handelte, sondern die FOCA in die FDLR hierarchisch eingebunden war und den für die Gesamtorganisation zuständigen Entscheidungsgremien unterstand, steht zur Überzeugung des Senats vielmehr aufgrund der rechtlichen Regelungen der Organisation, der Angaben der ehemaligen FDLR-Angehörigen sowie der Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung und den asservierten Beweismitteln fest.
a)
Gegen das Bestehen zweier getrennter souveräner Vereinigungen sprechen unter anderem die nachfolgend genannten Bestimmungen der Regelwerke der FDLR und FOCA:
aa)
Die enge Verzahnung der FOCA mit der FDLR zeigt sich bereits in dem vom Angeklagten M. angeführten Art. 5 der Satzung der FDLR. So heißt es dort:
„Um ihren Kampf gut zu führen sind die FDLR mit einem bewaffneten Zweig ausgestattet. Die Armee steht im Dienste des Volkes. Sie ist unpolitisch. Das Hauptkomitee und das Oberkommando müssen für deren Souveränität sorgen. Die Armee soll in den Entscheidungsgremien der Organisation vertreten sein. Die Organisation und die Aufgaben der Armee werden von Texten, welche diese Institution regelt, definiert.“
Schon nach dieser Vorschrift wirken also Politiker an der sogenannten Souveränität der Armee mit. Liest man das Wort Souveränität in Verbindung mit dem vorangegangenen Satz, dass die Armee unpolitisch sei, bedeutet „Souveränität“ lediglich, dass die Armee - im Gegensatz zu früheren Zeiten - in ihrer Führung nicht mit Militärs besetzt sein soll, die gleichzeitig Politiker sind. Auch ist nach dem Wortlaut der Norm gerade nicht von zwei Organisationen, sondern nur von der Organisation und der FOCA als einem bewaffneten Zweig die Rede.
bb)
Dass die Gesamtorganisation FDLR wesentlichen Einfluss auf die Armee der FDLR, nämlich die FOCA, hat und diese nicht unabhängig von der FDLR agieren kann, wird in den in Art. 40 der Satzung der FDLR aufgeführten Aufgaben des Hauptkomitees der FDLR, also des Comité Directeur, deutlich. Danach gehört es zu den Aufgaben des Hauptkomitees der FDLR, die allgemeine Politik bezüglich der Verteidigung und der Sicherheit der Organisation auszuarbeiten, die Disziplin innerhalb der Organisation zu bewerten, den Vorschlägen des Armeeoberkommandos bezüglich der Ernennung des Kommandeurs der Armee und dessen Stellvertreter zuzustimmen und Disziplinarmaßnahmen gegen diese gemäß der geltenden Anordnungen zu ergreifen sowie die Offiziere im Generalsrang auf Vorschlag des Armeekommandos zu ernennen.
cc)
Gegen getrennte Organisationen spricht des Weiteren der Wortlaut des Art. 4 der Disziplinarordnung der FDLR. Dort heißt es: „Die vorliegende Anordnung gilt für alle Mitglieder der FDLR. Darüber hinaus unterliegen die Abacunguzi, die Armeemitglieder sind, noch einer militärischen Disziplinarordnung“. Damit wird ausdrücklich klargestellt, dass die Disziplinarordnung der FDLR für alle FDLR-Mitglieder, also auch für die Armeemitglieder, gilt und lediglich ergänzende Regelungen durch die Bestimmungen der militärischen Disziplinarordnung getroffen werden. Dass es sich bei der FOCA um einen der Gesamtorganisation unterstehenden Teil der FDLR handelte, belegen darüber hinaus die Entstehungsgeschichte und die Normen der Strafgesetze der FDLR. So spricht bereits die Tatsache, dass der militärische Strafkodex der FOCA im Jahr 2006 durch eine Entscheidung des Kongresses, also eines Gremiums der Gesamtorganisation, aufgehoben und durch ein einheitliches Strafgesetzbuch der FDLR mit Geltung sowohl für die Soldaten als auch für die Zivilisten ersetzt werden konnte, deutlich gegen eine Souveränität der FOCA. In Art. 1 wird insoweit ausdrücklich klargestellt, dass sich der Begriff „Organisation“ im Kodex auf die FDLR in ihrer Gesamtheit als politisch-militärische Organisation bezieht und Begriffe wie „alle Personen“, „jeder der“, „wer“, „jede Person“ in den Strafgesetzen die Abacunguzi betreffen, die Mitglieder der FDLR sind. In Art. 3 der Strafgesetze ist bestimmt, dass die in dem Gesetz aufgeführten gemeinrechtlichen Bestimmungen sowohl für die Zivil- als auch für die Militärangehörigen der Abacunguzi und die militärrechtlichen Bestimmungen nur für die Militärangehörigen sowie für die Zivilangehörigen, die bei den Kampftruppen der FOCA tätig sind, gelten. Nach Art. 166 trifft in einem Fall, der im Strafkodex nicht geregelt ist, der Präsident der FDLR eine vorläufige Entscheidung, bis die Änderungsinstanz entschieden hat. In Art. 167 ist geregelt, dass der Nationalkongress für die Änderung der Strafgesetze, also auch für solche, die die Militärangehörigen betreffen, zuständig ist.
dd)
Des Weiteren belegen die Bestimmungen der von der FOCA selbst erlassenen Regelwerke und Gesetze, dass es sich bei der FOCA nicht um eine von der FDLR unabhängige souveräne Vereinigung handelt.
So ist in Art. 1 der Statuten Nr. 10 Verordnung der Kampftruppen Abacunguzi ebenfalls von der FOCA als einem bewaffnetenArm der FDLR die Rede. In Art. 55 der Statuten ist bestimmt, dass jeder Militärangehörige verpflichtet ist, der FDLR und FOCA ergeben, treu, integer und würdevoll zu dienen. In der Präambel der Verordnung über die Arbeitsweise des FOCA-Oberkommandos wird von der Armeeführung der FOCA und dem FOCA-Oberkommando ausdrücklich als institutionellen Organen der FDLR gesprochen. So heißt es dort: „Im Blick auf die Statuten der FDLR und der FOCA, durch die das Oberkommando der ABACUNGUZI Kampftruppen eingesetzt wird und in dem Bestreben, eine klare Trennung vorzunehmen zwischen den institutionellen Organen Armeeführung FOCA und Oberkommando FOCA mit der Absicht, eine funktionelle Zusammenarbeit letzterer mit den übrigen Organen der FDLR zu begründen, ist es unabdingbar, den Mitgliedern des FOCA- Oberkommandos eine Institution als unerlässlichen Rahmen für die Arbeit des Oberkommandos zu geben“. Die hierarchische Einbindung der FOCA in die FDLR zeigt sich aus Art. 10 und 11 der Bestimmungen über die Kompetenz des FOCA-Oberkommandos und des Präsidenten des Oberkommandos. Danach fällt es unter anderem in die Zuständigkeit des FOCA-Oberkommandos, dem „Presidef“, also dem Präsidenten der FDLR, den FOCA-Kommandanten und den Vizekommandanten sowie Disziplinarmaßnahmen gegen diese vorzuschlagen, ihm Wege und Mittel zur Lösung der großen politisch-militärischen Probleme zu unterbreiten und die Generäle sowie Disziplinarmaßnahmen gegen diese vorzuschlagen. Nach Art. 11 der Verordnung gehört es zu den Aufgaben des Präsidenten des FOCA-Oberkommandos, dem „FDLR-Vorstand“ (CD) die Empfehlungen des Oberkommandos zu unterbreiten und dem „Presidef“ Rechenschaft abzulegen für genau definierte Aufgaben, für die er verantwortlich ist.
In Art. 55 der Disziplinarordnung der FOCA ist der Präsident der FDLR in der Reihenfolge Kompaniekommandant, Bataillonskommandant, Brigadekommandant, Divisionskommandant, FOCA-Kommandant und Präsident des FOCA-Oberkommandos als letzte Disziplinarinstanz aufgeführt. Nach Art. 31 der Entscheidung der Armeeführung Nr. 003/05 vom 18. März 2005 bezüglich Einführung des „Gacaca-Gerichts“ ist bei einer Anklage gegen den FOCA-Kommandanten Vorsitzender des Gerichts der „Presidef“ oder sein Beauftragter. Gleichermaßen ist in Art. 25 und 26 der Verordnung Nr. 13 über die gerichtlichen Instanzen bestimmt, dass bei einer Anklage gegen den FOCA-Kommandanten oder gegen einen Angeklagten, der im Rang eines Generals steht, der „Presidef“ oder sein Beauftragter Präsident des Gerichts sein muss und im Fall eines Urteils gegen den FOCA-Kommandanten oder einen FOCA-General der Präsident der FDLR informiert wird.
b)
Darüber hinaus bestätigten auch die repatriierten FDLR-Angehörigen, die ehemals in die Führungsstrukturen der FDLR und der FOCA miteingebunden waren und deshalb aus eigenen Erkenntnissen über das Verhältnis zwischen der FOCA und der FDLR berichten konnten, dass es sich bei der FDLR/FOCA um eine einheitliche Organisation handelt und Entscheidungen der für die Gesamtorganisation zuständigen Gremien für die FOCA bindend und umzusetzen waren.
So sprach der Zeuge 2P.R. als ehemaliger FOCA-Kommandeur und 2. Vizepräsident der FDLR ausdrücklich davon, dass diejenigen, die die Soldaten geführt hätten, keine eigenständige Gruppe gewesen seien, sondern es in der FDLR eine oberste Führung gegeben habe, die die FOCA mit der Politik verbunden habe. Das aus Verantwortlichen der Armee und der Politik bestehende Comité Directeur der FDLR, dessen Vorsitzender der Angeklagte Dr. M. gewesen sei, habe die Leitlinien für die gesamte Organisation vorgegeben. Wenn die Mitglieder des FOCA-Oberkommandos den Kommandeur der FOCA und dessen Stellvertreter gewählt hätten, sei dieser durch die Organisation der FDLR und zwar durch deren obersten Führer genehmigt worden, weil die FOCA-Kommandeure nur die Soldaten geführt hätten und hierdurch die Verbindung mit der Politik der FDLR hergestellt worden sei. Zu den Statuten bzw. der Satzung der FDLR gab er an, diese umfassten beides, also den politischen und militärischen Flügel der Organisation. Die Statuten der FOCA dagegen enthielten nur Regelungen bezüglich des militärischen Flügels, würden sich dabei aber auf die Statuten der FDLR beziehen.
Des Weiteren berichtete der Zeuge 2G. als ehemaliger geschäftsführender Rechtskommissar der FDLR und Mitglied des Exekutivkomitees, dass es sich bei der FOCA nicht um eine eigenständige Organisation handelte. Er führte zwar aus, dass die Militärs mit der Aufnahme von Zivilisten in der Führung der FDLR ursprünglich nicht zu viel Macht an diese abgeben und weiterhin etwas zu sagen haben wollten, stellte aber ausdrücklich klar, dass die sogenannte „Souveränität“ der FOCA in Art. 5 der Satzung der FDLR nicht im Sinne einer Unabhängigkeit der FOCA zu verstehen sei. Vielmehr habe die FOCA Leitlinien befolgen müssen, die sie von den höheren Organen der FDLR, also entweder vom Kongress, vom Nationalen Widerstandskomitee oder vom Comité Directeur bekommen habe. Bei Art. 5 sei es lediglich um Entscheidungen gegangen, die die inneren Angelegenheiten der FOCA betroffen hätten, also technische Entscheidungen, wie etwas militärisch im Einzelfall zu machen gewesen sei. Auf Vorhalt der vom Angeklagten M. gefertigten Schaubilder zur Organisationsstruktur der FDLR/FOCA in den Jahren 2004 bis 2009 widersprach er ausdrücklich dessen Interpretation einer Eigenständigkeit der FOCA und erklärte „FDLR ist der gemeinsame Name von allen Leuten, die Mitglieder in der Struktur waren. Die FDLR waren nicht die Zivilisten und die FOCA-Soldaten waren nicht eigenständig. Die FOCA war auch FDLR, das war ein militärischer Flügel der ganzen Organisation FDLR. Es gab keine zwei Teile, einen der FDLR heißt und einen, der FOCA heißt. Die FDLR war die ganze Struktur und die FOCA war ein Teil von dieser Struktur“. Auch er bestätigte, dass es bei der Wahl des FOCA-Kommandanten oder dessen Stellvertreter durch das FOCA-Oberkommando einer Genehmigung der gewählten Person durch das höhere Organ Comité Directeur bedurfte.
Dass die FOCA in die Hierarchie der FDLR eingegliedert war, berichtete darüber hinaus der Zeuge 1S.B., der als ehemaliger Leiter des Büros G 5 beim Generalstab die Protokolle von Oberkommandoversammlungen kannte und selbst als Protokollführer an CD-Versammlungen teilgenommen hatte. Auch er gab an, dass das Comité Directeur der FDLR die Leitlinien für den politischen und den militärischen Flügel der Organisation festlegte. Darüber hinaus habe das FOCA-Oberkommando die von ihm getroffenen Entscheidungen dem Comité Directeur zur Information vorlegen müssen. Auf Nachfrage widersprach er ausdrücklich den Aufzeichnungen des Angeklagten M., wonach das Comité Directeur lediglich Empfehlungen an die Organe der FOCA geben konnte, und stellte klar, dass von diesem als übergeordnetem Organ sowohl Beschlüsse als auch Empfehlungen an die FOCA gingen. Auch bestätigte er ebenfalls, dass es für die Ernennung des FOCA-Kommandanten einer Genehmigung durch den Präsidenten der FDLR bedurfte.
Auf der Grundlage vielfacher Erfahrungen als Protokollant bei Versammlungen des Comité Directeur und des Oberkommandos sowie seiner Stellung als Sekretär des FOCA-Kommandos verneinte des Weiteren der Zeuge 2S. eine Unabhängigkeit des militärischen Flügels FOCA von der FDLR. Auch er gab an, der Angeklagte Dr. M. habe als Präsident der FDLR über S.M. gestanden und sei von S.M. über die bei den Versammlungen des Oberkommandos getroffenen Entscheidungen zu informieren gewesen. Dass Chef des militärischen und politischen Flügels der FDLR der Angeklagte Dr. M. als Präsident der FDLR war und dieser nach den Gesetzen in der Hierarchie über S.M. stand, bekundete zudem der als stellvertretender Leiter im Büro G 2 des Generalstabs tätige Zeuge J.B..
In die gleiche Richtung gingen die Aussagen weiterer ehemaliger FDLR-Angehöriger.
So gab der ehemals am Standort des FOCA-Kommandos lebende Leiter der Résistance Civile, der Zeuge 5B., an, der Angeklagte Dr. M. sei als Präsident der FDLR bei seinem Besuch im Jahr 2005 mit militärischen Ehren empfangen und den Soldaten und Zivilisten der FDLR als der größte Chef von allen vorgestellt worden. Dass es in der FDLR einen militärischen und zivilen Zweig gab, Dr. M. oberster Führer der FDLR war bzw. S.M. nach dem Rangverhältnis unter ihm stand, schilderten des Weiteren die Zeugen 8N. und 9N.. Ähnlich äußerte sich der Zeuge 5N., der berichtete, über der Armeeführung habe die Führung des politischen Bereichs mit Dr. M. als dessen Führer gestanden. Auch nach den Angaben des ehemals als Begleitschutz eines Politikers eingesetzten Zeugen 10N. handelte es sich bei Dr. M. um den obersten Führer der FDLR und kamen erst danach S.M. und andere. Die Politik habe Regeln verfasst, die auch der militärische Flügel befolgt habe. Der ehemals als Funker bei der Antenne Miroir eingesetzte Zeuge 12N. beschrieb den militärischen Flügel ausdrücklich als einen Teil der FDLR, der „mitten in der FDLR“ sei. Der Führer der FDLR sei Führer des militärischen Flügels, weil dieser Teil der FDLR sei. Ähnlich äußerten sich auch die Zeugen 2MM., 7N. und 4N.. Wie der Zeuge KHK P. berichtete, hatte darüber hinaus der Zeuge MW.K. bei seiner polizeilichen Vernehmung geschildert, dass ihm S.M. im Rahmen einer Kontaktaufnahme vor der Konferenz von Rom im Jahr 2005 mitgeteilt habe, es gebe die politische Hierarchie und diese müsse einer Teilnahme der militärischen Ebene an den Verhandlungen zustimmen. Soweit der ehemalige Vizekommandeur des Bataillons PM, der Zeuge 15N., abweichend davon angab, die FDLR habe aus der politischen Organisation FDLR und der militärischen Organisation FOCA bestanden und der Angeklagte Dr. M. sei als Präsident der FDLR nicht für die Militärs zuständig gewesen, waren seine hierzu gemachten Angaben widersprüchlich. So sprach er an anderer Stelle davon, der politische Flügel sei wichtiger als der militärische Flügel und die FDLR über ihnen gewesen. Im Zusammenhang mit der Verhängung disziplinarischer Strafen gegen den FOCA-General 2L.M. gab er an, der Präsident der FDLR und der Präsident des FOCA-Oberkommandos hätten zu der Instanz gehört, die für disziplinarischen Maßnahmen gegen Generäle zuständig gewesen sei. Auch schilderte er, die Erfahrung gemacht zu haben, dass S.M. bei der Entscheidung, ob eine gegen einen Militärangehörigen verhängte Todesstrafe zu vollstrecken oder dieser zu begnadigen sei, um die Meinung des Angeklagten Dr. M. nachgefragt habe.
c)
Dass die FOCA in die Hierarchieordnung der FDLR eingegliedert war, wird darüber hinaus durch die nachfolgend genannten Erkenntnisse aus asservierten Beweismitteln und aus der Telekommunikationsüberwachung gestützt:
aa)
In der vom Angeklagten Dr. M. verfassten und verschrifteten Datei „Defense“ wird dargelegt, dass sich bei der Gründung der FDLR am 1. Mai 2000 deren Autorität drei Armeegruppen unterwarfen, nämlich die Brazza-Gruppe und die Kinshasa-Gruppe, die in Kongo-Brazzaville bzw. in den westlichen Gebieten von Kongo-Kinshasa unter der Leitung des Oberst 1A.M. bzw. von Generalmajor 2A.N. standen, sowie die Ost-Gruppe unter der Leitung von Brigadegeneral 2P.R..
bb)
Dass von den politischen Entscheidungsgremien der FDLR Beschlüsse und Empfehlungen gefasst wurden, welche die FOCA und den militärischen Bereich regelten, zeigen exemplarisch das verlesene Protokoll über die Entschlüsse und Empfehlungen des ersten ordentlichen Kongresses der FDLR vom 24. bis 31. Januar 2006 (siehe hierzu unter Teil 2, A. I. 6. a)) sowie das per E-Mail vom 21. Januar 2009 vom Angeklagten Dr. M. an den FOCA-Kommandanten S.M. übersandte und verlesene Protokoll der CD-Versammlung vom 16. bis 19. Januar 2009 (siehe zu den näheren Einzelheiten insoweit unter Teil 3, C. I. 2. e) ee)).
cc)
Auf die Einheit der FDLR-FOCA wird ausdrücklich in einer verlesenen und aus dem Jahr 2004 stammenden Nachricht des Präsidenten der FDLR an das FOCA-Kommando und die Mitglieder des CE/CD im Osten im Zusammenhang mit einem von der MONUC gewünschten Treffen mit der FDLR hingewiesen. So heißt es dort unter anderem „2. Nicht einen hochrangigen Offizier schicken angesichts der Gerüchte, die im Umlauf sind, über mögliche Desertionen. 3. Bei den Gesprächen sollen die Delegationen darauf insistieren, dass die MONUC sich an die Leitung der FDLR wenden und nicht versuchen soll, einen Umweg zu machen, indem sie sich an einzelne Abacunguzi wendet. Die FDLR-FOCA ist eine und eine einzige Einheit.
Die Einheit der Organisation und fehlende Zuständigkeit der FOCA wird zudem in einer verlesenen SMS des Exekutivsekretärs der FDLR 2C.M. vom 19. Juni 2007 um 23:00 Uhr an den FOCA-Sprecher thematisiert: „Bitte notieren Sie Folgendes: 1. es gibt nur eine (Organisation) FDLR und sie (Organisation) ist unteilbar. Es gibt keine FDLR vor Ort, die etwas anderes ist (Organisation) als sonst. Diejenigen, die eine Unterscheidung machen, wollen die Organisation zerteilen… 3. Wer sich mit der FDLR treffen möchte muss einen Antrag machen, wir entscheiden mit wem er sich treffen soll. ... 4. 10K. und andere müssen SE…, weil Presidef ihn für zuständig erklärt hat. 5. Du sollst ihnen sagen, dass du nicht für diesen Fall zuständig bist…6. Das ist die Regel.“
dd)
Die Eingliederung der FOCA in die Hierarchie der FDLR zeigt sich darüber hinaus exemplarisch in der am 4. August 2008 vom Angeklagten Dr. M. als Präsident der FDLR ausgestellten und verlesenen Dienstreiseerlaubnis Nr. 001/08/2008 für ein Treffen der FDLR und der ECC in Nyabiondo am 5. August 2008, in welcher der Angeklagte führende Politiker der FDLR und Angehörige der FOCA wie den Vizekommandanten der FOCA 9B., den Generalstabschef 2L.M. und den Kommandanten der Division SONOKI als Teilnehmer des Treffens bestimmte, als Delegationsleiter den 2. Vizepräsidenten der FDLR benannte und sämtliche aufgeführten Teilnehmer als hochrangige Führungskräfte der FDLR bezeichnete. So heißt es dort „Folgende hochrangige Führungskräfte der FDLR werden in der Sitzung (Treffen) zwischen FDLR und les Eglises (Kirche) du Christ in Kongo in Nyabiondo am 05.08.2008 teilnehmen: 1 Brigadegeneral V.B. (FDLR-Delegationsleiter) 2. Brigadegeneral 2I.D. (FDLR-der stellvertretende Delegationsleiter) 3. Brigadegeneral 2L.M. (als Delegationsmitglied) 4. 2D.M. (Delegationsmitglied) 5. 2V.M. (Delegationsmitglied) 6. Oberst 1I. (Delegationsmitglied) 7. Oberstleutnant E.N. (Beobachter) 8. L.F. (Beobachter)“.
ee)
Dass es entsprechend Art. 40 der Satzung der FDLR für die Ernennung des Vizekommandanten der FOCA eines formalen Zustimmungsaktes des Comité Directeur bzw. von dessen Vorsitzendem bedurfte und Generäle durch das Comité Directeur bzw. durch den Präsidenten der FDLR als dessen Vorsitzenden ernannt wurden, zeigt eine verlesene SMS vom 15. Juli 2007 um 18:20 Uhr an den 2. Vizepräsidenten der FDLR sowie das verlesene Dokument „Akt Nr. 04/Juillet/2007“ vom 15. Juli 2007 über die vom Angeklagten Dr. M. als Präsident der FDLR verkündete Entscheidung über die Beförderung von Oberst 2L.M., Oberst 1A.L. und Oberst 2I.D. zu Brigadegenerälen.
ff)
Für eine einheitliche Organisation FDLR-FOCA sprechen des Weiteren Nachrichten und Botschaften des Angeklagten Dr. M. an das FOCA-Oberkommando bzw. die FOCA-Kämpfer. So bezeichnete sich der Angeklagte Dr. M. in einer durch den Kabinettsdirektor zu verlesenden Nachricht an die Mitglieder der Oberkommando-Versammlung vom 24. Juni 2007 als deren oberster Führer. Insoweit findet sich folgender Absatz in der Nachricht: „Liebe Befreier, wir werden gemeinsam siegen, Euer oberster Führer, Dr. M.“. Die Schlussformel einer Botschaft des Angeklagten Dr. M. vom 6. September 2009 an die „Abacunguzi“, die sich ihrem Inhalt nach auch maßgeblich an die aktiven FOCA-Kämpfer in der DR Kongo richtete, lautete: „Alle zusammen, werden wir gewinnen. Deutschland, den 06.09.2009, Euer Vorsitzender/Führer, Dr. M.“.
gg)
Auch sprechen Äußerungen des Angeklagten Dr. M. in Interviews, Fernsehsendungen und in Telefongesprächen gegen eine Souveränität der FOCA innerhalb der FDLR. So berichtete die Zeugin VW., dass sich der Angeklagte in einem von ihr und ihrem Kollegen T.P. geführten Interview am 10. August 2009 dahingehend geäußert habe, dass er als Präsident der FDLR sowohl den militärischen sowie politischen Arm leite. Er könne aber nicht allein entscheiden, die Angelegenheiten würden mit einer Zweidrittelmehrheit ihres Führungskomitees, des Comité Directeur, entschieden. Ähnlich äußerte er sich in einem - in der ungeschnittenen Version - in Augenschein genommenen Fernsehinterview mit dem Fernsehmagazin „FAKT“ vom 3. November 2008. In einem Telefonat mit Pater 15M. vom 4. Januar 2009 erklärte der Angeklagte, dass er nach der Satzung als Vertreter der FDLR der oberste Führer der FOCA sei. Wenn das Oberkommando zusammentrete und einen neuen FOCA-Kommandanten vorschlage, sei er es, der diesen am Ende akzeptieren oder ablehnen müsse.
Dass die FOCA nicht eigenständig in Verhandlungen mit Nichtregierungsorganisationen, staatlichen oder internationalen Institutionen eintreten durfte, sondern hierfür die Gesamtorganisation zuständig war, wird unter anderem in Äußerungen des Angeklagten in Telefongesprächen vom 11. Dezember 2008, 14. Juni 2009 und 10. Oktober 2009 mit Pater 15M., dem Mitangeklagten M. und dem 2. Vizepräsidenten der FDLR deutlich. So teilte der Angeklagte Dr. M. am 11. Dezember 2008 Pater 15M. im Zusammenhang mit Gesprächsangeboten der Kongolesen zur Verhinderung eines Krieges mit, sie in der FDLR hielten zusammen und selbst wenn die Leute zu dem FOCA-Kommandanten gingen, würde dieser ihnen sagen, dass sie den Präsidenten kontaktieren sollten. Im Telefonat vom 13. Juli 2009 informierte der Angeklagte Dr. M. den Mitangeklagten M., dass er dem FOCA-Kommandanten S.M. angesichts von Gesprächen, die der Vizekommandant der FOCA nach einem Bericht von Pater 15M. mit 10K und dessen Kollegen über eine mögliche Niederlegung der Waffen geführt habe, geschrieben habe, jeder Kontakt mit diesen Leuten solle vermieden werden. Sie hätten nichts mit ihnen zu verhandeln. Wenn 10K mit der FDLR sprechen wolle, solle er sich bei der Leitung der FDLR melden. Der FOCA-Kommandant habe es verstanden. Der Vizekommandant scheine es auch verstanden zu haben. Diesem habe er gesagt, die Leute sollten die Hierarchie der Organisation respektieren. In einem weiteren Telefonat des Angeklagten Dr. M. mit dem 2. Vizepräsidenten der FDLR B. vom 10. Oktober 2009 missbilligten beide ausdrücklich ein ohne Kenntnis der in Europa befindlichen obersten politischen Führung zustande gekommenes Treffen von Vertretern des politischen und militärischen Zweigs der FDLR in der DR Kongo mit Vertretern der MONUC und der DR Kongo am 10. September 2009 in Ntoto, in dem es um die Wiederaufnahme von Kontakten zwischen der FDLR, der MONUC und der DR Kongo ging. Hierbei machten sie deutlich, dass die FDLR lediglich „in einem formalen und koordinierten Rahmen und im Respekt ihrer Hierarchie“ (mithin der politischen Führung der FDLR) an von Kinshasa organisierten Verhandlungsrunden teilnehmen werde.
III. Zielsetzung und Ideologie der FDLR
Die zur Zielsetzung und Ideologie der FDLR getroffenen Feststellungen beruhen zum einen auf den in die Hauptverhandlung eingeführten offiziellen Dokumenten der FDLR wie dem „Manifest-Programm“ und den entsprechenden Bestimmungen in den Regelwerken der FDLR, der Veröffentlichung „Wer sind die FDLR und warum die FDLR“ auf der Internetseite „www...org“ sowie den veröffentlichten Erklärungen und Memoranden der Organisation, den Schreiben des Präsidenten der FDLR an Repräsentanten von Staaten und internationalen Organisationen, den Pressekommuniqués der FDLR und den per E-Mail an die „Abacunguzi“ versandten Botschaften des Präsidenten der FDLR. Darüber hinaus werden die Feststellungen durch die verlesene asservierte SMS-Kommunikation sowie durch die Darlegungen des Sachverständigen Dr. T., die von den Zeugen 4D.M., 1C.G., 3B. und VW. berichteten Erkenntnisse der UN und von HRW, die Ausführungen des Zeugen 2R. sowie die umfangreichen Angaben der ehemaligen FDLR-Angehörigen zu den Gründen des Kampfes, der Ideologie der Organisation und den von der FDLR in den verschiedenen Phasen ihres Kampfes verfolgten Wegen zur Durchsetzung der gesetzten Ziele belegt.
1.
Nähere Ausführungen zu den von der FDLR in der Öffentlichkeit vertretenen Gründen und Zielen des Kampfes der Organisation finden sich insbesondere in dem vom Angeklagten Dr. M. als Präsident der FDLR unterzeichneten „Memorandum der Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas, anlässlich der Konferenz von Goma über den Frieden, über die Sicherheit und über die Entwicklung vom 6. bis 24 Januar 2008“ vom 7. Januar 2008, in dem Pressekommuniqué der FDLR Nr. 5/SE/CD/JULI/2009 vom 23. Juli 2009 sowie in den an die „Abacunguzi“ übersandten Botschaften des Präsidenten der FDLR vom 26. März 2009, vom 29. Juni 2009 und 6. September 2009 .
In dem Memorandum der FDLR anlässlich der Konferenz von Goma vom 7. Januar 2008 heißt es beispielsweise:
„5. Die FDLR stellt eine politisch-militärische Bewegung zur Befreiung Ruandas dar. Gegründet am 1. Mai 2000, kämpft diese Bewegung für die Herstellung eines Rechtsstaates und für die Einführung von richtigen, demokratischen und republikanischen Institutionen in Ruanda. Deshalb begreift die FDLR, dass sie ihre Heimat und ihr Volk verteidigen müssen, das durch ein tyrannisches und faschistisches Regime der ruandischen patriotischen Front (FPR-Inkotanyi), die für ihre blutige und erbarmungslose Verfolgung bekannt ist, von der Vernichtung bedroht ist…
8. Die FDLR gedenkt die Stimme von denen zu sein, die ohne Stimme sind, sprich: Die ruandischen Flüchtlinge, die sich selbst überlassen sind: die tausenddutzenden Gefangenen ohne Verteidigung und ohne bestehende Anklageschrift, die in Ruanda seit mehr als einem Jahrzehnt in den Kerkern krepieren, die tausenden Flüchtlinge, die gezwungen sind Verbrecher zu werden, um in Verachtung leben zu können, die tausenddutzenden Ruander, die aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit terrorisiert und unterdrückt sind, die Überlebenden des ruandischen Völkermordes von 1994, die Opfer der Verachtung und der Verfolgung, die mit den Zwangsheimkehren von 1994, 1995, 1996 und 1997, ihrer Rechte und ihrer Habe entzogen sind, viele Flüchtlinge die von Jahr zu Jahr, von 1994 bis heute sowie alle vergessenen und manipulierten Opfer der grauenhaften Tragödie von 1990 bis zu unseren Tagen…
27. Das jetzige Regime in Ruanda ist ein blutgieriges, faschistisches und dominantes Regime:..
28. Die FPR-Inkotanyi hat ein Regime des Terrors errichtet, dessen Methoden an die der Gestapo des deutschen Nationalismus von Hitler oder an die der Stasi der früheren DDR erinnert.
29. Die Leute, die mit dem Herrn von Kigali, Präsident General Paul Kagame, in der ugandischen Diaspora sowie deren Verwandten gelebt haben, haben sich in Ruanda das Recht genommen über das Leben und Tod anderer ruandischer Bürger, die man „Leibeigene“ nennen kann, zu urteilen, haben sich als Herren eingesetzt..
57. Die FDLR haben seit ihrer Gründung, dem Regime von Kigali angeboten, das ruandische politische Problem durch einen Dialog und nicht durch die Waffen zu lösen. Dieses Angebot der FDLR bleibt immer gültig…“
In dem als Reaktion der FDLR auf den Bericht der ICG vom 9. Juli 2009 veröffentlichten Presse-Kommuniqué Nr. 5/SE/CD/Juli/2009 vom 23. Juli 2009 wird unter anderem ausgeführt:
„Bei der FDLR handelt es sich um eine Organisation die für die Befreiung eines ganzen Volkes kämpft, das unter dem Joch einer blutigen Diktatur ächzt, die hauptverantwortlich war für den Völkermord in Ruanda. Die FDLR hat nichts mit dem Völkermord zu tun, der mehrere Jahre vor ihrer Gründung stattfand. ... Die Organisation FDLR wurde nicht nur für die Befreiung des ruandischen Volkes, sondern auch zum Schutz der Zivilbevölkerung, sowohl der ruandischen wie der kongolesischen gegründet, die ohne Verteidigung war und die die internationale Gemeinschaft ihrem eigenen Schicksal überließ, nachdem sie festgestellt hatte, dass Millionen Menschen, darunter hunderttausende ruandischer Flüchtlinge, von der kriminellen Armee Kagamés (APR), der AFDL und ihrer Sponsoren in den kongolesischen Urwäldern unter dem desinteressierten oder sogar verständnisvollen Blick der internationalen Gemeinschaft massakriert wurden…. Die FDLR tragen keine Verantwortung für die verschiedenen, in der DRK begangenen, schweren Verletzungen der Menschenrechte, die sie wiederholt verurteilten und nach wie vor strikt verurteilen….Die FDLR haben niemals irgendjemanden daran gehindert, nach Ruanda zurückzukehren… Die Entwaffnung der FDLR kann keine Lösung für das Problem der Unterdrückung, des Mangels an Demokratie, des Terrors, der Kultur der Lüge und der Ausschweifungen, der Rassentrennung, des Ausschlusses und der schlechten Führung, die das aktuelle Regime in Kigali charakterisieren, darstellen. Die einzige Art und Weise zur Entwaffnung der FDLR wäre es, ohne Vorbedingungen einen direkten und offenen Dialog zwischen den FDLR und den ruandischen Machthabern zu akzeptieren, um einen Kompromiss für die zukünftige Verwaltung ihrer Heimat zu finden“
2.
a)
Dass anders als in der offiziellen Darstellung das eigentliche Ziel der FDLR bis zuletzt die eigene Machtübernahme in Ruanda und hierfür die Existenz einer starken Streitmacht der FDLR sowie eine territoriale Machtbasis in der DR Kongo erforderlich war, um Ruanda zu Verhandlungen zwingen und dadurch eine Rückkehr in das Heimatland erreichen zu können, steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der Angaben ehemaliger FDLR-Angehöriger, den Ausführungen des Zeugen 2R., Erkenntnissen aus der asservierten SMS-Kommunikation und der überwachten Telekommunikation sowie den Darlegungen des Sachverständigen Dr. T. fest.
So gab der Zeuge 15N. an, es sei Ziel der Kämpfer gewesen, an die Macht in Ruanda zu kommen. Entsprechend führte der Zeuge 2R. als Ergebnis seiner zur FDLR durchgeführten Untersuchungen aus, in Veröffentlichungen der FDLR sei zwar nur von einer Beteiligung an der Macht die Rede gewesen, bei den von ihm erfolgten Befragungen von FDLR-Kämpfern, insbesondere der höheren Führungskräfte, sei aber die Übernahme der Macht in Ruanda als eigentliches Ziel genannt worden. Dafür, dass die FDLR von Anfang an das Ziel einer Machtübernahme hatte, sprechen auch die Angaben des Zeugen 2P.R.. Angesprochen darauf, ob sich ein Angriff auf Ruanda, wie er im Jahr 2001 mit der Operation „oracle du Seigneur“ erfolgt sei, mit einem friedlichen Regierungswechsel vereinbaren lasse, antwortete er, wenn man in einer Rebellion sage, man wolle Frieden schließen, schließe das nicht aus, dass man einen Krieg vorbereite. Bei der RDR habe es auch geheißen, die Rückkehr solle friedlich erfolgen, trotzdem habe man Kriege vorbereitet. Auch berichtete er von einem weiteren geplanten großen Angriff der FDLR auf Ruanda im Jahr 2003.
b)
Dass die FDLR später zu schwach für einen gewaltsamen Sturz der ruandischen Regierung war, aber durch ihre militärische Präsenz und durch das Erringen einer zumindest teilweisen Gebietshoheit in der DR Kongo Ruanda zu Verhandlungen zwingen wollte, um die Rückkehr nach Ruanda zu erreichen, dabei aber weiterhin das Ziel einer Machtübernahme in ihrem Heimatland verfolgte, zeigen unter anderem die Darlegungen des Sachverständigen Dr. T., die Angaben der Zeugen 5B. und 2G. sowie der Inhalt einer SMS und eines Telefonats aus dem Jahr 2009. So führte der Sachverständige Dr. T. aus, der Angriff auf Ruanda im Jahr 2001 sei sicherlich ein Versuch gewesen, einen Regierungswechsel in Ruanda herbeizuführen oder zumindest die Regierung zu destabilisieren. Zwar sei die FDLR nach der gescheiterten Operation und der zu ihren Ungunsten veränderten politischen Situation später nicht mehr in der Lage gewesen sei, sich in einem direkten militärischen Vorgehen gegen Ruanda durchzusetzen, habe sich aber wie ihre Vorgängerorganisationen mit Gewalt in der DR Kongo behauptet. Gewalt als Mittel, um politische Konzessionen zu erreichen, sei auch in der Logik der FDLR alternativlos gewesen. Der Zeuge 2G. gab an, vor seiner Flucht im Jahr 2007 habe keine intelligente Person in der FDLR mehr die Möglichkeit eines Sturzes der ruandischen Regierung durch Waffengewalt in Betracht gezogen, man sei aber weiterhin bewaffnet und mit Soldaten in der DR Kongo präsent geblieben, um Ruanda zu zeigen, dass sie etwas ändern mussten. Der Zeuge 5B. bekundete, sie hätten gekämpft, um die Ruander in Bedrängnis zu bringen, damit diese Verhandlungen akzeptierten und sie nach Ruanda zurückkehren könnten.
Das weiterhin vorhandene Ziel einer Machtübernahme wird in der folgenden Kommunikation des Angeklagten Dr. M. deutlich. So schrieb er in einer SMS vom 12. Juni 2009 um 12:50 Uhr an den stellvertretenden Exekutivsekretär 7R. „sensibilisiert weiterhin bei PARECO, damit viele Leute sie verlassen und ihr sollt diejenigen, die kommen, gut empfangen und ihnen sogar das Versprechen geben, dass wir auch, wenn wir an die Macht bei uns kommen, ihnen helfen werden, damit sie Verantwortliche in ihrer Region werden“. In einem Telefongespräch mit dem Angeklagten M. sagte der Angeklagte Dr. M. am 10. November 2009, sie würden nicht an die Macht kommen via Kommuniqués oder Briefe. Obama habe geschrieben, für die Macht müsse man kämpfen. Dieser habe nicht mit Waffen gekämpft, aber sie hätten keine andere Möglichkeit. Dass es das Ziel der FDLR war, durch militärische Stärke in der DR Kongo Verhandlungen mit Ruanda und eine Rückkehr nach Ruanda zu erzwingen, zeigt ein Telefongespräch vom 15. Mai 2009 zwischen dem Angeklagten Dr. M. und S.M., in dem der Angeklagte im Zusammenhang mit dem kurz zuvor erfolgten Angriff der FDLR auf Busurungi davon sprach, man werde ihnen immer wieder eine Schlappe beibringen müssen bis sie feststellten, dass das Problem nicht gelöst werde. Sie würden dann am Ende Verhandlungen mit ihnen suchen.
3.
Die Bedeutung der Religion für den Kampf der Rebellenmiliz wird insbesondere durch die Angaben der ehemaligen FDLR-Angehörigen 2G., J.B., 9N., 5N., 8N. und 15N., die damit übereinstimmenden Ausführungen der Zeugen 1C.G., 2R. und 3B. sowie durch die asservierte SMS-Kommunikation, die vom Angeklagten Dr. M. per E-Mail versandten Botschaften an die „Abacunguzi“ und die Angaben der Zeugin KOKín V. über die Erkenntnisse aus der Auswertung der überwachten Telekommunikation belegt. So berichtete beispielsweise der Zeuge 15N., die Kämpfer hätten sich anfangs „Soldaten von Jesus“ genannt. Nach Angaben des Zeugen 2G. spielte der Glaube bei der FDLR eine große Rolle, weil einige Kommandanten einen großen Wert darauf gelegt hätten. Diese hätten sich auf religiöse Botschaften statt auf Tatsachen gestützt. Der Zeuge J.B. schilderte, in der FDLR sei die Religion von manchen eingesetzt worden, um zu zeigen, dass der Sieg bevorstehe. Auch der Zeuge 8N. gab an, der Glaube habe einen großen Einfluss in der FDLR gehabt und diejenigen, die gebetet hätten, hätten ihnen gesagt, die Jungfrau Maria habe verkündet, sie würden in das Land Ruanda als Sieger zurückkehren. Der Zeuge 2R. legte aufgrund seiner umfangreichen Untersuchungen dar, dass es einen religiösen Aspekt in der Ideologie der FDLR gebe und manche glaubten, Gott habe Ruanda den Hutu gegeben. Dies sei eine Quelle der Motivation, um weiterzumachen.
Auch die folgenden SMS des Angeklagten Dr. M. an die in der DR Kongo ansässigen Führungskräfte des militärischen und politischen Bereichs der FDLR zeigen, dass der religiöse Aspekt als motivierendes Element im Kampf und im Leben der Organisation eine wichtige Rolle spielte. So heißt es beispielsweise in einer SMS des Angeklagten an den Kommandanten der Division SONOKI vom 9. Januar 2009 um 17:10 Uhr „Die Sachen werden sich tatsächlich in den bevorstehenden Zeiten ändern. Die Himmlischen werden aber dabei eine Rolle spielen, wir müssen weiter beten. Gute Reise und Gott möge euch beistehen“. Eine SMS des Angeklagten vom 7. Februar 2009 um 20:40 Uhr an den Vizekommandeur der Division SOSUKI lautete unter anderem „man muss in den bevorstehenden Zeiten tapfer sein, Gott ist aber zusammen mit uns, niemand wird in der Lage sein, uns zu besiegen. Gott Möge auch euch weiterhin schützen. PRSDF“. In einer SMS vom 10. April 2009 um 19:55 Uhr schrieb der Angeklagte an den 2. Vizepräsidenten „Ich wünsche euch einen heiligen Ostertag. Der größte „Umucunguzi“ möge den Teufel und dessen Gefolgsleute für uns besiegen. PRSDF“. Eine SMS vom 17. April 2009 um 13:15 Uhr an den FOCA-Kommandeur S.M. endete mit den Worten „Gott möge euch weiterhin helfen“. Eine SMS des Angeklagten vom 28. Juli 2009 um 12:30 Uhr sowie eine nicht datierte SMS an den Kommandanten der Division Süd-Kivu lauteten unter anderem „Gott sei mit ihnen und möge die Pläne der Feinde scheitern lassen. PRSDF“ und „die Mutter Jungfrau Maria und der größte „Umucumguzi“ mögen euch beistehen. PRSDF“. In einer an alle „Abacunguzi“ gerichteten Botschaft vom 29. Juni 2009 schrieb der Angeklagte „Dass Kagame jetzt seine Soldaten in die Wälder der RDC, wo wir sind, schickt, um uns anzugreifen zeigt, dass er nicht mehr in aller Ruhe einschlafen kann. Er weiß ganz genau, dass das Ende seiner Macht naht. Er spielt das letzte Spiel. Er wird es aber auch verlieren, weil Gott uns begleitet und schützt, seit wir das Land verlassen haben. Bis heute hat er seine Hand nicht von uns weggenommen“.
4.
Dass die FDLR durch gesteuerte Fehlinformationen und eine gezielte Propaganda bei den Angehörigen der Miliz für eine Fortführung des Kampfes in der DR Kongo sorgte, haben mehrere ehemalige FDLR-Angehörige anschaulich geschildert und stimmt mit den Informationen überein, die die Mitarbeiter des DDRRR nach den Angaben des Zeugen 3B. auf dem Terrain erhielten. So gab der Zeuge 3H. an, die FDLR-Führer in der DR Kongo hätten die Information verbreitet, derjenige, der nach Runda zurückkehre, werde dort inhaftiert oder getötet, obwohl dies Lügen seien. Die Politiker um 7R. hätten die Leute dadurch einschüchtern wollen. Auch der Zeuge J.B. berichtete, dies sei als Mittel bei der FDLR eingesetzt worden, um die Rückkehr der ruandischen Flüchtlinge und der Kämpfer nach Ruanda zu verhindern. Das Büro 5 der FOCA und der Kommissar für Mobilisierung hätten insoweit zusammengearbeitet. Den Kämpfern in den Wäldern der DR Kongo sei darüber hinaus in Aussicht gestellt worden, dass derjenige, der als Soldat in der DR Kongo kämpfe, bei einer Rückkehr der FDLR nach Ruanda ein gutes Leben führen werde. Dass die FDLR von Anfang an auch mit Mitteln der „Sensibilisierung“ und Propaganda versuchte, die Rückkehr einzelner FDLR-Angehöriger nach Ruanda zu verhindern, berichtete darüber hinaus der Zeuge 2P.R.. Hierzu gab der Zeuge 3B. an, die FDLR verfüge über eine sehr entwickelte Propaganda. Zum einen werde den Leuten gesagt, sie müssten bei einer Rückkehr nach Ruanda mit Verfolgung und sogar dem Tod rechnen. Gleichzeitig werde alles Negative, was in Ruanda geschehe, sofort verbreitet, um zu einem Umsturz zu motivieren. Auch gebe es Priester, die Vorhersagen machten, wann sich die Strategie der FDLR erfüllen werde.
IV. Wirtschaftlichen Grundlagen der FDLR
1. Situation nach der Gründung der FDLR
Die Feststellungen zur finanziellen und wirtschaftlichen Situation der FDLR sowie ihrer Vorgehensweise nach der Gründung der Organisation und dem Zusammenschluss der Truppen im Februar 2003 beruhen auf den Ausführungen des Sachverständigen Dr. T., den damit übereinstimmenden Angaben der Zeugen 2R. und VW. sowie den hierzu im Einklang stehenden umfangreichen Schilderungen der ehemaligen FDLR-Angehörigen und der anonymen Z-Zeugen.
Dass die FDLR die Existenz und Versorgung ihrer ohne Sold tätigen Miliz in den Kivu-Gebieten von Anfang an maßgeblich auf Kosten der kongolesischen Zivilbevölkerung sicherte, zeigen beispielhaft die Angaben der Zeugen 2P.R., 1S.B., 2K. und 10N.. So gab der in den Jahren 2002 und 2003 als FOCA-Kommandeur und Vizepräsident der FDLR fungierende Zeuge 2P.R. an, die FDLR-Angehörigen hätten von den kongolesischen Zivilisten gelebt, dies sei von deren Seite aber nicht freiwillig geschehen, sondern weil die FOCA-Soldaten stark gewesen seien. Wenn die kongolesische Bevölkerung die Dinge nicht freiwillig gegeben habe, hätten sich die Kämpfer diese genommen. Der Zeuge 2K. schilderte, die FDLR habe Waffen gehabt und die Zivilisten hätten verstanden, was sie gewollt hätten. Wenn sie „auf Versorgung gegangen“ wären, hätte dies nämlich ein Durcheinander verursacht und die Bürger hätten gewusst, dass hungrige Soldaten ihnen schaden konnten. Der Zeuge 1S.B. sprach insoweit davon, die Zivilbürger fühlten sich demjenigen verpflichtet, etwas zu geben, der mächtig sei. Nach Angaben des Zeugen 10N. wurde der einheimischen Bevölkerung durch den Präsidenten des Regionalwiderstandskomitees II 2B. bei der Ankunft von FDLR-Angehörigen in einem neuen Gebiet regelmäßig angekündigt, sie hätten sich darauf einzustellen, dass man sich ihre Ernte für die nächsten sechs Monate zu eigen mache. Dass die FDLR-Kämpfer Land und Felder der kongolesischen Zivilisten beschlagnahmten, Häuser der Ortsansässigen besetzten und deren Tiere, Felder sowie privates Eigentum plünderten, schilderten des Weiteren anschaulich die Zeugen Z 1, Z 2, Z 3, Z 5, Z 9 und Z 10 anhand ihrer eigenen Erlebnisse und Wahrnehmungen. Am Beispiel der Aussage eines von HRW befragten Ortsvorstehers in der Nähe des Ortes Luyuyu beschrieb die Zeugin VW. darüber hinaus plastisch den Verlust der Kontrolle der Bürger über ihr eigenes Leben und ihre Güter durch die Ankunft der FDLR.
2. Aufbau eigener Strukturen und einer ökonomischen Basis in den Kivu-Gebieten
Die Feststellung, dass die FDLR in Friedenszeiten unter wirtschaftlicher Ausbeutung der lokalen Bevölkerung durch Erhebung von Steuern, Zöllen und Abgaben als gut strukturierte ökonomische Kraft in den Kivu-Gebieten wirkte und stark in Handelsaktivitäten eingebunden war, ergibt sich zum einen aus den sachkundigen Ausführungen der Zeugen 4D.M. und 1C.G. über die insoweit durchgeführten umfangreichen Untersuchungen der UN-Expertengruppe und wird durch die damit in Einklang stehenden Angaben der Zeugen 3B., VW., 2R. und des Zeugen MW.K. in seiner vom Zeugen KHK P. berichteten polizeilichen Aussage sowie die Darlegungen des Sachverständigen Dr. T. und die Ausführungen im Bericht der ICG vom 9. Juli 2009 belegt. Der Zeuge 4D.M. sprach insoweit plakativ von einer „Raubtierbeziehung“ zwischen der FDLR-Miliz und der kongolesischen Zivilbevölkerung.
Gestützt werden die Feststellungen darüber hinaus durch die Angaben der ehemaligen FDLR-Angehörigen, die entsprechend ihrem Standort und Aufgabenbereich ausführlich über die Erhebung von Schutzgeldern, Steuern und Abgaben durch die FDLR an Handelsplätzen, an Straßensperren und im Bereich der Bergbauminen sowie über Handelsaktivitäten der Miliz berichteten und die insoweit bestehenden Anweisungen und Verteilungsmodalitäten innerhalb der Miliz, aber auch die hierdurch entstandenen Konflikte unter den FDLR-Angehörigen beschrieben. Dass der Angeklagte Dr. M. im Jahr 2005 eine Abschaffung der LNC vorschlug, hiermit aber bei den FDLR-Mitgliedern in der DR Kongo nicht durchdrang, wird neben den entsprechenden Angaben des Zeugen 1S.B. unter anderem durch die nachfolgend genannte SMS des Angeklagten Dr. M. an den Vizekommandanten der FOCA vom 9. Januar 2009 belegt:
„... DOSS LNC: Ende 2005 habe ich in einer schriftlichen Nachricht darum gebeten, dass LNC abgeschafft wird, weil es nach 2 Monaten in SONUKI mehrere Beschwerden bei mir gab, vor allem von Unteroffizieren … und von Soldaten, dass die Offiziere vor allem von LNC profitieren. Mein Vorschlag wurde nicht gut entgegengenommen, vor allem von SONUKI, in dem es gesagt hat… ohne Geschäfte können sie nicht mal essen !!! LNC sollte restrukturiert werden. Es soll reformiert werden und was daraus kommt, soll der ganzen Organisation nützlich sein. Es soll nicht gewisse Offiziere geben… die ihren Frauen jedes Jahr mehr als 3.000 USD schicken, obwohl es „Abacunguzi“ gibt, darunter Offiziere, die Schwierigkeiten haben, um Stiefel und Jogginganzüge zu bekommen. Noch etwas…Die Soldaten laufen weiterhin Weg mit dem Geld der Offiziere, das sie beim LNC benutzen, sie werden immer mehr, dies sollte eine Lehre für die Offiziere sein…bezüglich des Schürfens von Edelsteinen, dies ist nicht zu erwägen, weil dies Probleme zwischen uns und den Kongolesen bringen würde, und was daraus kommen würde, würde bei der ganzen Organisation nicht ankommen, stattdessen… würde dies in die Tasche von einigen Personen landen und es würde darüber gestritten… .“
3. Durchführung sogenannter Verpflegungsoperationen („opérations de ravitaillement“)
Dass bei der FOCA sogenannte Verpflegungsoperationen ein übliches Instrument bildeten, um vornehmlich in Zeiten bewaffneter Konflikte die Versorgung der Truppen sowie ihre Kampffähigkeit sicherzustellen und hierzu zum einen Operationen bei den feindlichen Stellungen mit dem Ziel der Beschaffung militärischer Ausrüstung, vor allem aber auch von der Armeeführung der FOCA befohlene bzw. genehmigte Plünderungen bei der kongolesischen Bevölkerung durchgeführt wurden, steht zur Überzeugung des Senats aufgrund einer Vielzahl von Beweismitteln fest, die ein schlüssiges und nachvollziehbares Bild der insoweit praktizierten Vorgehensweise der Rebellenmiliz ergaben.
a) Versorgungsoperationen zur Beschaffung militärischer Ausrüstung
Die Feststellung, dass es in Zeiten bewaffneter Auseinandersetzungen angeordnete Versorgungoperationen der FDLR mit dem Ziel der Beschaffung von militärischer Ausrüstung insbesondere bei der FARDC gab und solche Operationen auch in den Jahren 2007 bis 2009 stattfanden, beruhen auf den übereinstimmenden Angaben mehrerer ehemaliger FDLR-Angehöriger, dazu passenden Erkenntnissen aus der asservierten SMS-Kommunikation sowie den Angaben der Zeugen 4D.M. und 1C.G. über die insoweit von der UN-Expertengruppe durchgeführten Untersuchungen.
So berichtete der im November 2007 von der FDLR geflohene Zeuge 2G., die FDLR habe während bewaffneter Auseinandersetzungen ein Mittel finden müssen, um zu dem benötigten Material zu kommen, und sich das militärische Material üblicherweise beim Feind geholt. Entsprechend schilderte der mehrere Jahre als Bataillonskommandeur und zuletzt als G 5 im Generalstab tätige Zeuge 1S.B., dass es in Operationsbefehlen auch um die Erlangung von militärischer Ausrüstung gegangen sei und im Rahmen der „opérations de ravitaillement“ Missionen mit dem Ziel durchgeführt worden seien, beim Feind Kriegsmaterial, Medikamente und Geld zu beschaffen. Der zuletzt als Kommandant der Schutzeinheit des Exekutivsekretariats eingesetzte Zeuge 9N. gab an, im Jahr 2009 habe jede Einheit die Anweisung erhalten, den Feind anzugreifen, um ihm militärische Ausrüstung wegzunehmen. Insoweit habe es auch die Anweisung gegeben, Fahrzeuge, die militärisches Material transportierten, zu attackieren. Für solche Operationen sei bevorzugt die CRAP-Einheit eingesetzt worden. Von einer entsprechenden Anweisung S.M.s im Jahr 2009, Versorgungoperationen bei der FARDC zum Zwecke der Beschaffung von Munition und Waffen durchzuführen, berichtete ebenfalls der damals im Büro G 2 des Generalstabs des FOCA-Kommandos tätige Zeuge J.B., der das „Holen“ militärischer Ausrüstung und von Medikamenten in Zeiten bewaffneter Konflikte beim Feind insgesamt bestätigte.
Versorgungsmissionen mit dem Ziel der Beschaffung militärischen Materials beim Feind bestätigten des Weiteren die Zeugen 2S. und 15N.. Letzterer berichtete davon, während der Operation „Umoja Wetu“ auf diese Weise selbst militärisches Material beschafft zu haben. Nähere Ausführungen zu einem im Jahr 2009 zur Erlangung von Waffen auf Stellungen der FARDC durchgeführten Angriff von FOCA-Kämpfern in Ruberizi im Süd-Kivu machten darüber hinaus die Zeugen 6N. und 1S.. Dabei sprach der Zeuge 1S. insoweit von einer Strategie der FOCA, den Feind anzugreifen, wenn nicht mehr genügend Munition vorhanden gewesen sei. Hierzu passend berichtete 4L. in einer SMS vom 21. Juli 2007 um 14:26 Uhr von Versorgungsangriffen der FDLR und führte aus „dies ist die einzige Möglichkeit für uns Medikamente, Munition, FF (Francs) zu bekommen“. Mitteilungen über erbeutetes Kriegsmaterial finden sich beispielsweise in einer SMS von 4L. vom 23. Juli 2007 um 17:23 Uhr, in der es unter anderem heißt „Wir haben heute in Buramba folgende Sache erbeutet: 1 milou d´assaut und seine Munition (1 Box), 3 Kv beim Bn der Bde B mix (Anmerkung des Übersetzers: gemischte Brigade B)…Bahama hat auch noch am 17 crt in Rutare folgende Sache erbeutet: 1 KV, 3 Motorola bei dieser Bde..“, sowieeiner SMS des Kommandanten der Division SONOKI vom 11. Mai 2009 um 19:24 Uhr mit folgendem Inhalt „SOMECA hat dort in Butarongora angegriffen und 6 Soldaten getötet und 2 Gewehre erbeutet… Man hat auch in Kayina 2 militärische Funkgeräte erbeutet“. Wie der Zeuge 1C.G.angab, berichteten darüber hinaus auch demobilisierte FDLR-Kämpfer bei Befragungen durch die UN-Experten von Angriffen der FDLR im Jahr 2009, um zu Waffen zu kommen, sowie von Anweisungen, so viel militärische Ausrüstung wie möglich durch Hinterhalte oder Angriffe auf Transporte zu erlangen.
b) Durchführung sogenannter „opérations de ravitaillement“ bei der kongolesischen Zivilbevölkerung
Aufgrund einer Gesamtschau der nachfolgend genannten Beweismittel steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die FOCA-Kämpfer insbesondere in Kriegszeiten auf Befehl bzw. mit Genehmigung der Armeeführung die kongolesische Zivilbevölkerung gewaltsam ausplünderten und dabei Zivilisten getötet wurden:
aa) Angaben der ehemaligen FDLR-Angehörigen
Mehrere ehemalige FDLR-Angehörige, die unterschiedliche Funktionen und Ränge aufwiesen, zu verschiedenen Einheiten gehörten und an unterschiedlichen Standorten stationiert waren, bestätigten, dass sogenannte „opérations de ravitaillement“ von FOCA-Kämpfern bei der kongolesischen Bevölkerung zur Erlangung von Nahrungsmitteln, Medikamenten, Bedarfsgegenständen des täglichen Lebens und Geld durchgeführt wurden, um die Versorgung und den Erhalt der Kampfkraft der FDLR-Kämpfer insbesondere während bewaffneter Konflikte zu sichern. Dabei beschrieben die Zeugen übereinstimmend die Art und Weise des Vorgehens der FOCA-Kämpfer bei solchen Versorgungoperationen, die daran hauptsächlich beteiligten Einheiten sowie die Modalitäten der Verteilung der Beute. Auch berichteten mehrere ehemalige FDLR-Angehörige ausdrücklich davon, dass es hierbei um Plünderungen bzw. Raubzüge bei Zivilisten ging, die nach den Strafgesetzen der FDLR eigentlich verboten waren, jedoch als erlaubt galten, wenn es sich um angeordnete Aktionen handelte oder diese mit Genehmigung der FOCA-Führung erfolgten. Dass es zeitweilige Bestrebungen gab, die Verpflegungsmissionen abzuschaffen, diese aber aufgrund deren praktischer Notwendigkeit scheiterten, beschrieben einhellig höherrangige Zeugen aus dem Umfeld des FOCA-Kommandos und aus der Politik. Soweit einige wenige ehemalige FDLR-Angehörige angaben, Verpflegungsmissionen bei der Bevölkerung seien bei der FDLR nicht erlaubt gewesen bzw. sie wüssten nichts von solchen Plünderungen, waren deren Aussagen widersprüchlich und nicht dergestalt, dass sie die Angaben der übrigen Zeugen in Frage gestellt hätten.
(1)
Dass es „opérations de ravitaillement“, also Verpflegungsoperationen der FDLR, bei der kongolesischen Zivilbevölkerung gab, bestätigte bereits in einem relativ frühen Stadium der Hauptverhandlung der Zeuge 2G., zu dessen Aufgabenbereich als stellvertretender Rechtskommissar der FDLR und Vorsitzender eines Gerichts am Standort des Exekutivkomitees auch Untersuchungen zu Übergriffen von FDLR-Angehörigen auf die kongolesische Bevölkerung und deren Aburteilung gehört hatten. Er gab an, dass es zum einen Plünderungen und Raubzüge von FOCA-Soldaten bei Zivilisten gegeben habe, die auf eigene Faust erfolgt und durch die militärische Führung bestraft worden seien. Daneben seien aber auch entsprechende Aktionen auf Anweisung der militärischen Führung durchgeführt worden, bei denen es keine Strafverfolgung gegeben habe, weil die Soldaten in diesem Fall nur ausgeführt hätten, was ihnen befohlen worden sei. Dabei schilderte er, dass die angeordneten Versorgungoperationen regelmäßig weit entfernt von den FDLR-Stellungen in Gebieten, die von Regierungssoldaten kontrolliert worden seien, erfolgt seien und der Beschaffung von Lebensmitteln, Ziegen und allem, was man zum Überleben gebraucht habe, gedient hätten. Bei einem Besuch des Angeklagten Dr. M. bei der FOCA im Jahr 2005 habe dieser die Militärführer zwar aufgefordert, die schlechten Aktionen wie Plünderungen und Raubzüge bei der kongolesischen Bevölkerung zu beenden, weil diese nicht mit den Zielen der FDLR übereinstimmten. Dem seien die Soldaten aber nicht gefolgt. Vielmehr habe S.M. in einer Versammlung ausdrücklich erklärt, das Plündern und Stehlen stelle einen Weg zum Überleben dar und sei als militärisches Training für die Kämpfer zu betrachten. So habe das Kommando beispielsweise gesagt, wenn ein Soldat weit weggehe und heil wiederkomme, zeige das, dass er ein guter Soldat sei. Diejenigen, die so etwas allerdings bei kongolesischen Zivilisten in der Nähe der ruandischen Flüchtlinge gemacht hätten, seien bestraft worden, weil man sich der daraus resultierenden negativen Konsequenzen für die ruandischen Flüchtlinge bewusst gewesen sei.
(2)
Umfangreiche Angaben zu Verpflegungsoperationen bei der Zivilbevölkerung machte der Zeuge J.B., der sich insoweit auf seine Erfahrungen als Kommandant der Bataillone Zodiaque und PM sowie die Informationen aus seiner Zeit als stellvertretender Leiter des Büro G 2 des Generalstabs stützte. Er sprach ausdrücklich davon, dass die FOCA solche Operationen Verpflegungsoperationen genannt habe, es aber in Wirklichkeit um Plünderungen und Raub gegangen sei und es viele solcher Verpflegungsoperationen bei der FDLR gegeben habe. So habe sich bereits in den Jahren 2003/2004 ein kongolesischer Abgeordneter ihm gegenüber besorgt geäußert, dass es die FDLR mit den Plünderungen von Kühen übertreibe. Auch der Zeuge J.B. berichtete davon, dass es in den Jahren 2005 oder 2006 Bestrebungen zur Abschaffung der sogenannten „opérations de ravitaillement“ gegeben habe und diese Thema einer Versammlung des Oberkommandos während des Besuchs des Angeklagten Dr. M. in den Kivu-Gebieten gewesen seien, weil diese Operationen der FDLR in den Medien einen schlechten Ruf eingebracht und zu Zwietracht und Problemen innerhalb der FDLR wegen der Verteilung der Beute geführt hätten. Danach seien die Operationen aber weitergegangen, weil sie neben dem Handel der einzige Weg zum Überleben gewesen seien, um beispielsweise Medikamente oder Salz zu bekommen.
Dabei bestätigte der Zeuge J.B. wie der Zeuge 2G., dass Verpflegungsoperationen der FDLR, auch wenn sie bei der unbewaffneten Zivilbevölkerung stattfanden, erlaubt waren, wenn sie organisiert waren, und lediglich Plünderungen, die ohne Kenntnis und Billigung des FOCA-Kommandos erfolgten, bestraft wurden. Dass Verpflegungsoperationen regelmäßig weit entfernt von den Stellungen der FDLR in vom Feind kontrollierten Gebieten stattfanden, begründete er damit, dass man solche Verbrechen nicht bei der „eigenen Bevölkerung“ begehen könne. Wenn man in der Rebellion sei, müsse man versuchen, mit den Zivilisten, die in der Nähe sind, gut zusammenzuleben, um selbst zu überleben. Meistens seien die Versorgungsoperationen in der Region von Kalehe durchgeführt worden, wo 3G., ein FDLR-Kompaniekommandant gelebt habe, aber auch in der Gegend von Ngungu. Man habe Aufklärungsarbeit betrieben und zum Beispiel dort angegriffen, wo es auf Bauernhöfen viele Kühe gegeben habe. Wenn Medikamente gebraucht worden seien, seien Apotheken angegriffen worden. Die unter dem Kommando von 3G. stehende Einheit habe auch Fahrzeuge auf der Straße von Bukavu nach Walikale angegriffen und geplündert. Er habe gehört, dass dabei Zivilisten gezwungen worden seien, das geplünderte Gut zu den Stellungen der FDLR zu tragen. Auch vom Bataillon Bahama und später vom Bataillon Montana seien solche Operationen an Straßen durchgeführt und hierbei beispielsweise Händler angehalten worden. Es sei Aufgabe eines jeden Einheitskommandeurs gewesen, herauszufinden, was es beim Feind gebe und was der Organisation helfen könne. Dieser habe dann eine Erlaubnis oder einen Befehl erhalten, die benötigten Sachen dort zu plündern. Die FOCA-Führung habe den Einheiten beispielsweise gesagt, man brauche Geld für Medikamente und Munition und dann sei eine entsprechende Operation durchgeführt worden. Die Sektoren und die Reservebrigade hätten generell die Erlaubnis gehabt, solche Operationen von sich aus zu organisieren und dann dem FOCA-Kommando davon zu berichten. Manchmal habe das FOCA-Kommando den Kommandanten der Sektoren und der Reservebrigade auch mitgeteilt, dass eine Oberkommandoversammlung organisiert werden müsse und hierfür Verpflegung notwendig sei. Jedes Bataillon habe eine CRAP-Einheit gehabt, die meistens die Operationen durchgeführt habe, weil sie sich beim Feind gut ausgekannt habe. Wenn Plünderungen in einem größeren Gebiet geplant gewesen seien, hätten andere Einheiten den CRAP-Zug begleitet. Ab einer bestimmten Zeit sei es dem Hauptquartier ebenfalls erlaubt gewesen, Verpflegungsoperationen mithilfe seiner Spezialkompanie durchzuführen.
Wie der Zeuge berichtete, gab es innerhalb der FOCA genaue Regelungen, wie die Beute aus solchen Versorgungoperationen zu verteilen war. So musste der zuständige Kommandant zunächst einen Bericht über die Operation erstellen und hatte sich, wenn er eine durchgeführte Operation nicht mitteilte, dafür zu verantworten. Bei organisierten Verpflegungsmissionen habe das FOCA-Kommando regelmäßig ca. 20 % der Beute erhalten. Im Übrigen sei die Beute beispielsweise bei Operationen der Reservebrigade prozentual zwischen der ausführenden Kompanie, dem Bataillon und der Brigade aufgeteilt worden. Ab etwa dem Jahr 2008 habe das FOCA-Kommando auch einen Anteil an den politischen Flügel der FDLR geschickt, so dass dieser ebenfalls davon profitiert habe. Dabei schilderte der Zeuge, solche beim FOCA-Kommando eingegangenen Beuteanteile selbst gesehen zu haben. Im Jahr 2008 habe die Reservebrigade zum Beispiel aus einer bei der Zivilbevölkerung durchgeführten Versorgungsoperation zehn Kühe ans FOCA-Kommando geschickt. Bei der anschließenden durch das FOCA-Kommando organisierten Versteigerung der Kühe habe er selbst drei davon erworben.
Auf die Frage nach Versorgungoperationen im Jahr 2009 gab er an, dass es nach dem Beginn von „Umoja Wetu“ zumindest im Umfeld des FOCA-Kommandos keine Verpflegungsmissionen gegeben habe, weil der Feind „richtig hinter ihnen her gewesen sei“, solche seien aber wieder während „Kimia II“ durchgeführt worden. So habe beispielsweise während seiner Zeit als Kommandant des Bataillons PM eine ihm unterstellte Einheit unter Führung des Hauptmanns 2C.G. eine Operation in Walikale durchgeführt, bei der Medikamente und Ziegen gestohlen worden seien.
(3)
Die Durchführung sogenannter Verpflegungsoperationen durch die FOCA bei der kongolesischen Zivilbevölkerung bestätigte des Weiteren der ehemals als G 5 beim Generalstab tätige Zeuge 1S.B. auf der Grundlage entsprechender Berichte von FOCA-Soldaten und kongolesischen Zivilisten sowie seiner beim FOCA-Kommando gewonnenen Erkenntnisse. Er bezeichnete die Verpflegungsoperationen, die auch nach seinen Angaben regelmäßig in der Zone der FARDC weit entfernt von den Stellungen der FDLR stattfanden, ebenfalls ausdrücklich als Plünderungen, die man schön zu reden versucht habe. Manchmal seien die Operationen unter der Führung der Kommandanten erfolgt und manchmal hätten diese Kämpfern, die ihnen unterstellt gewesen seien, entsprechende Befehle gegeben. Dabei seien Vieh und andere Sachen bei der kongolesischen Bevölkerung geplündert worden. Von den Plünderungen hätten alle beim Militär gewusst. Wenn beispielsweise Kühe weggenommen worden seien, seien diese danach verkauft und geschlachtet worden. Er kenne zwar keine Versammlung, in der eine offizielle Entscheidung getroffen worden sei, solche Raub- und Plünderungsoperationen durchzuführen. Als beim Generalstab tätiger Offizier wisse er aber, dass die Einheitskommandeure dem FOCA-Kommandanten S.M. etwas von ihrer Beute aus solchen Operationen abgegeben hätten und für den FOCA-Kommandeur derjenige ein guter Kommandant gewesen sei, der die Arbeit erfolgreich gemacht und etwas von der Beute beim FOCA-Kommando abgeliefert habe. Auch er bekundete, dass die Art und Weise der Verteilung der Beute zwischen den ausführenden Einheiten und dem FOCA-Kommando nach vorgegebenen Regelungen erfolgt sei. Passend zu den Angaben des Zeugen J.B. über eine Beteiligung des politischen Flügels an der Beute der Versorgungoperationen ab dem Jahr 2008, berichtete er von einer CD-Versammlung aus jenem Jahr, in welcher der 2. Vizepräsident der FDLR ausdrücklich eine Forderung nach einer solchen Beteiligung des Exekutivkomitee erhoben habe, da auch deren Leute arbeiten und leben müssten.
Als Hauptgebiete, in denen die Plünderungen der FOCA stattfanden, nannte der Zeuge die Gegenden von Walikale und Kalehe, die Wälder des Kahuzi-Biega-Nationalparks sowie die Straßen von Bukavu und Goma nach Walikale. Hierzu führte er aus, dass die FDLR teilweise Zivilisten angegriffen habe, die nicht in der Nähe feindlicher Soldaten gewesen seien, die FDLR in anderen Fällen aber auch zunächst gegen den Feind gekämpft und dann zu den Zivilisten gegangen sei, um zu plündern. Er könne zwar keine konkreten Angaben zu getöteten Zivilisten machen, so etwas sei aber bei erfolgter Gegenwehr vorgekommen. Bei Schießereien zwischen den FOCA-Einheiten und der FARDC oder den Mai-Mai seien Zivilisten dazwischen geraten. Zu Versorgungsoperationen bei der kongolesischen Bevölkerung im Jahr 2009 gab er an, die FDLR habe zwar aufgrund der schwierigen Lage während der Operation „Umoja Wetu“ keine organisierten Plünderungsoperationen durchführen können, diese seien aber nach dem Abzug der ruandischen Soldaten fortgesetzt worden. Hierbei habe die FDLR jeweils als Vorwand einen Angriff auf die FARDC vorgeschützt. Dabei schilderte er, dass ihm kongolesische Zivilisten zum Beispiel in Ntoto von Plünderungen durch FDLR-Leute berichtet hätten und deren Angaben anschließend durch die von ihm als G 5 durchgeführten Untersuchungen bestätigt worden seien. Insoweit erinnerte er sich an einen Vorfall, bei dem ihm ein kongolesischer Zivilist einen Diebstahl durch die FDLR bei einem Verwandten mitgeteilt und er unmittelbar danach gehört hatte, wie sich FOCA-Soldaten eben dieser Tat rühmten. Auch gab er an, sowohl von hieran beteiligten FOCA-Soldaten als auch von kongolesischen Zivilisten von der Plünderung von Fahrzeugen durch die FOCA gehört zu haben. Als Führer, die an der Durchführung von Versorgungsoperationen durch die FOCA beteiligt waren, nannte er unter anderem die Kommandanten „8S.“ und „4R.“ der Bataillone Montana und Mirage. Dass der FDLR-Kommandant 3G. in Kalehe und im Kahuzi-Biega-Nationalpark plünderte, war auch ihm bekannt. Ausführlich schilderte der Zeuge, wie er als derjenige, der für das gute Zusammenleben mit der Bevölkerung zuständig war, innerhalb der FDLR gegen die Versorgungsoperationen bei Zivilisten vorzugehen versuchte, dadurch aber selbst erhebliche Probleme bekam. Da dies gegen die Interessen derjenigen verstoßen habe, die solche Versorgungoperationen gemacht und davon wie der FOCA-Kommandant profitiert hätten, sei gegen ihn gearbeitet worden, weshalb er zuletzt sogar die Flucht habe ergreifen müssen und sein Leben in Gefahr geraten sei.
(4)
Dass es bei der FOCA viele Verpflegungsoperationen im Sinne von Plünderungen und Raubzügen bei der kongolesischen Zivilbevölkerung pro Jahr gab und sich die Logistik der FOCA auf solche Versorgungsoperationen stützte, berichtete darüber hinaus der Zeuge 2S., der aufgrund seiner Tätigkeit als Sekretär und Chef des Informationsbüros des FOCA-Kommandos über viele Informationen hierzu verfügte. Er gab an, dass diese Missionen bereits nach der Niederlage und Rückkehr der ALIR-Kämpfer in die Kivu-Gebiete im Jahr 1998 angefangen hätten und von den in der DR Kongo verbliebenen Kämpfern der FDLR bis zu seinem Weggang im Jahr 2010 fortgeführt worden seien. Nicht nur S.M. habe diese Verpflegungsoperationen befohlen, diese habe es auch schon unter 2P.R. gegeben. Mithilfe dieser Operationen sei es der FOCA gelungen, das Geld für das tägliche militärische Leben zu beschaffen, indem sie die hieraus erlangte Beute verkauft habe. Dabei wusste auch der Zeuge 2S. von zeitweisen Versuchen innerhalb der Organisation, die Plünderungsaktionen zu beenden. So gab er an, dass sich nach der Vereinigung der Truppenteile im Februar 2003 die aus dem Westen der DR Kongo gekommenen Soldaten, die bis dahin von Soldzahlungen des kongolesischen Staates gelebt hätten, gegen die Beschädigung des Namens der FDLR durch Plünderungen bei der kongolesischen Zivilbevölkerung gewandt hätten. In Versammlungen sei dann über deren Ersatz durch Handelsgeschäfte in Form von LNC gesprochen worden. LNC habe aber die Verpflegungsoperationen nicht ersetzen können, woraufhin auch die Kämpfer aus dem Westen die Verpflegungsoperationen unterstützt hätten. Auch berichtete er aus Telegrammen Kenntnis davon zu haben, dass das CD-West, also die Politiker aus Europa, im Jahr 2005 die Forderung erhoben hätten, die Verpflegungsoperationen zu beenden. Dies sei vom FOCA-Kommandeur nach Rücksprache mit den ihm unterstellten Führungspersonen aber abgelehnt worden, weil man mit den Verpflegungsmissionen erst aufhören könne, wenn das CD-West etwas anderes als Ersatz dafür finde. In der Folge sei dies nicht geschehen, weshalb die Verpflegungsoperationen fortgeführt worden seien. Diese seien von der FOCA-Führung nicht als Machtmissbrauch betrachtet worden. Auch wenn alle anderen Formen von Machtmissbrauch in Versammlungen verurteilt worden seien, seien die Verpflegungsoperationen, obwohl sie der FOCA ein schlechtes Verhältnis zur Bevölkerung eingebracht hätten, akzeptiert gewesen, weil man festgestellt habe, anders nicht überleben zu können. Von einem Machtmissbrauch sei man bei solchen Aktionen bei der FOCA nur ausgegangen, wenn ein Kommandant auf eigene Faust gehandelt habe oder der vorgesehene Anteil nicht an das FOCA-Kommando abgegeben worden sei. Dabei berichtete auch er davon, dass sich der Zeuge 1S.B. als G 5 gegen solche Plünderungen bei der Zivilbevölkerung eingesetzt habe, aber bei angeordneten Operationen nichts habe machen können.
Auch der Zeuge 2S. bestätigte, dass Verpflegungsoperationen regelmäßig in den vom Feind kontrollierten Zonen erfolgten, wobei für jedes Bataillon genau geregelt gewesen sei, in welcher Zone es tätig werden durfte. Ziele solcher Verpflegungsoperationen seien in der Nähe des FOCA-Kommandos die Regionen Kibabi und Matanda, aber auch Kalehe gewesen. Andere Einheiten hätten auch woanders solche Operationen durchgeführt. Die Anweisungen zu Versorgungoperationen seien von der Führung der FOCA gegeben worden. Da die Soldaten in und um das FOCA-Kommando herum nicht zu operierenden Einheiten gehört hätten, habe die FOCA-Führung die anderen Einheiten schriftlich angewiesen, die Sachen zu beschaffen, die man nicht selbst anbauen und herstellen konnte wie zum Beispiel Kleidung und Fleisch. Wenn die Kämpfer Kleidung gebraucht hätten, seien Angriffe auf Fahrzeuge von Händlern vorbereitet worden. Bei Bedarf an Medikamenten seien im Rahmen der Aufklärung Krankenhäuser gesucht und dann in entsprechenden Operationen die Medikamente „geklaut“ worden. Auch seien ganze Dörfer bei solchen Verpflegungsoperationen angegriffen und dort Kühe oder Ziegen gestohlen worden. Ebenso sei es erlaubt gewesen, auf die Felder der Zivilisten zu gehen und dort Lebensmittel zu holen. Weil die Missionen in der Zone des Feindes durchgeführt worden seien, seien FOCA-Soldaten, aber auch Zivilisten ums Leben gekommen. Dies sei zum Beispiel der Fall gewesen, wenn Zivilisten bei Angriffen auf Fahrzeuge in Schusswechsel zwischen die gegnerischen Einheiten geraten seien.
Wie die zuvor genannten Zeugen beschrieb auch der Zeuge 2S., dass es feste Regeln für die Verteilung der Beute aus solchen Versorgungsoperationen gegeben habe und verwies insoweit auf die schriftlichen Regelungen über die Logistik in den ROI der FOCA, also dem internen Reglement der FOCA. Dort sei genau festgelegt gewesen, zu welchen Anteilen die Beute der operierenden Einheit, dem Bataillon, der Brigade oder dem Sektor und dem FOCA-Kommando zugestanden habe. Auch er berichtete davon, dass über die Versorgungoperationen der politische Flügel der FDLR in der DR Kongo mitversorgt und anteilsmäßig bedacht worden sei. Dass auch während der bewaffneten Auseinandersetzungen im Jahr 2009 Verpflegungsoperationen bei der Bevölkerung durchgeführt wurden, bestätigte er ebenfalls. Hierbei schilderte er allerdings als Besonderheit, dass diese nicht nur weit entfernt, sondern auch in der eigenen Zone der FDLR stattgefunden hätten, wenn man festgestellt habe, dass die Zivilbevölkerung in einer bestimmten Gegend mit dem Feind zusammengearbeitet habe.
(5)
Die Durchführung von Verpflegungsoperationen durch die FOCA bei der kongolesischen Zivilbevölkerung bestätigte zudem der Zeuge 7N. und berief sich insoweit auf Informationen, die er insbesondere in seiner Zeit als Leiter der Eskorte von S.M. sowie bei seiner Tätigkeit in der Reservebrigade im Jahr 2009 gewonnen hatte. Auch er sprach davon, dass jeder Offizier der FOCA von solchen Versorgungoperationen erfahren habe. Diese Plünderungen hätten bereits vor „Umoja Wetu“ zum Beispiel in der Nähe der Stadt Bukavu oder in der Zone Masisi stattgefunden und zwar auch in solchen Zeiten, in denen es keinen Krieg gegeben habe. Auf die Nachfrage des Senats, ob die Soldaten das auf eigene Faust gemacht hätten oder ihnen das befohlen wurde, berichtete er ebenfalls, dass die Kämpfer es getan hätten, nachdem sie Anweisungen von oben bekommen hätten. Das habe man „missions de ravitaillment“, also Verpflegungsmissionen, genannt. Dabei beschrieb er die insoweit praktizierte Vorgehensweise der FOCA wie die zuvor genannten Zeugen.
So schilderte er, dass die Operationen regelmäßig weit entfernt von den eigenen Positionen durch die CRAP-Einheiten der Bataillone bzw. die Spezialkompanie der Reservebrigade durchgeführt worden seien. Meistens habe die Spezialkompanie von solchen Operationen Tiere mitgebracht. Bei Angriffen auf Pkws oder Lastwagen auf den Straßen seien Geld oder Waren erbeutet worden. Dass bei solchen Versorgungoperationen FDLR-Soldaten sowie Zivilisten getötet wurden, bekundete auch er. So gab er an, die FOCA-Kämpfer seien im Jahr vor „Umoja Wetu“ manchmal gegangen, um Kühe zu stehlen und dabei in Kämpfe mit den Mai-Mai, der PARECO oder den Soldaten der FARDC geraten. Die FDLR habe zwar versucht, möglichst schnell zu stehlen, bei solchen Kämpfen seien aber viele FDLR-Soldaten sowie Zivilisten gestorben. Auch seien Häuser und Autos angezündet und Zivilisten von der FDLR teilweise gezwungen worden, Ausrüstungsgegenstände und Diebesgut bis in die Nähe der militärischen Positionen der FDLR zu tragen. Wie die anderen Zeugen berichtete der Zeuge 7N. von festen Regeln, nach denen die Beute aus den Versorgungoperationen innerhalb der FDLR verteilt worden sei. Dabei hingen die Modalitäten der Verteilung nach seinen Angaben von der Art der Beute, also beispielsweise davon ab, ob es sich um Tiere oder Geld handelte. Bei der Reservebrigade sei es so gewesen, dass jeweils ein kleiner Teil der Beute bei der Kompanie geblieben, der Rest an die Brigade gegangen und von dort teilweise zum Büro 4 beim FOCA-Kommando geschickt worden sei. Wenn es etwas zu verkaufen gegeben habe, sei das hierdurch erworbene Geld entsprechend den Gesetzen an die verschiedenen Einheiten verteilt worden. Im Hinblick auf die Jahre 2008 und 2009 sprach er ausdrücklich davon, dass S.M., für den er in dieser Zeit in Geheimdiensttätigkeit gearbeitet habe, sehr genau gewusst habe, dass die FOCA bei der kongolesischen Bevölkerung gestohlen habe.
(6)
Auch dem im verfahrensrelevanten Zeitraum als leitender Funker im Kommando SOSUKI tätigen Zeugen 6N. waren die „opérations de ravitaillement“ im Sinne von Plünderungen und Raubzügen der FOCA bei der kongolesischen Zivilbevölkerung bekannt. Er berichtete, von solchen Versorgungoperationen von anderen Soldaten an seinem Standort, vor allem aber durch den Funkverkehr zwischen dem Kommando und den Einheiten der Division zu wissen. Solche Operationen seien auch während der Kämpfe im Jahr 2009 im Süd-Kivu erfolgt. Dabei sei es vor allem um die Erlangung von Geld, Tieren, Lebensmitteln und Kleidung bei der Bevölkerung gegangen. Die FDLR habe so etwas offen gemacht, dies aber nie öffentlich zugegeben, sondern bestritten, weil dies beschämende Sachen seien. Wenn die FDLR in Kriegszeiten in die Wälder geflohen sei, habe ein Versorgungsnotstand geherrscht. Es sei dann erlaubt gewesen, Sachen von Zivilisten zu nehmen und zu essen, damit die Soldaten nicht verhungert seien, auch wenn dies nach den Gesetzen verboten gewesen sei. In einem solchen Fall habe zum Beispiel eine kleine Einheit den Befehl bekommen, in ein Zentrum zu gehen, um Nahrungsmittel zu plündern. So habe man beispielsweise im Juli 2009 Kasika angegriffen, um von den Händlern Reis sowie aus dem Gesundheitszentrum dringend benötigte Medikamente zu plündern. Auch sei auf den Feldern der Bauern Maniok geplündert worden. Teilweise sei die Zivilbevölkerung schon geflohen gewesen, teilweise habe sie den Plünderungen zusehen müssen. Wenn die Kämpfe schlimm geworden seien, habe man die Zivilisten gezwungen, die Ernte zu den FOCA-Stellungen zu bringen. In Fällen, in denen man gewusst habe, dass Fahrzeuge Sachen transportierten, die sie brauchen konnten, habe man auf die Autos gewartet und auf sie geschossen. So habe unter anderem das Bataillon 4 von SOSUKI in den Monaten September/Oktober 2009 Fahrzeuge mit Waren auf der von der FARDC kontrollierten Straße von Bukavu über Mwenga nach Kimituga angegriffen.
Dabei bekundete der Zeuge 6N. ebenfalls, dass die Soldaten solche Operationen nicht auf eigene Faust gemacht hätten, sondern es hierfür Befehle gegeben habe. Diese seien üblicherweise durch die Bataillonskommandeure erteilt worden. In Übereinstimmung mit den Zeugen J.B., 1S.B., 2S. und 7N. berichtete auch er von festen Quoten, nach denen die Beute aus Versorgungoperationen zwischen der ausführenden Einheit, der Division und dem FOCA-Kommando verteilt worden sei. Als Beispiel nannte er eine Operation eines Bataillons im Jahr 2009 in der Stadt Mwenga, bei der die dort erbeuteten Geldmittel zu 25 % bei der ausführenden Einheit geblieben seien und von den restlichen 75 % von der Division 25 % an das FOCA-Kommando weitergereicht worden seien. Wenn richtig viel Geld erbeutet worden sei, habe man sofort den Generalstab informieren müssen, der dann Anweisungen erteilt habe, wie das Geld zu verteilen sei. Auch er berichtete davon, Beuteanteile aus solchen Versorgungoperationen selbst am Kommandostandort von SOSUKI wahrgenommen zu haben. So schilderte er Angriffe der FOCA im November 2009 auf das ca. vier Tagesmärsche vom Kommandostandort entfernte Mulenge, bei denen Kühe von Zivilisten gestohlen worden seien und von denen er durch Funknachrichten Kenntnis erhalten habe. Bei einer der ungefähr fünf dort ausgeführten Operationen habe das Bataillon sieben Kühe als Beuteanteil zur Division gebracht, die er selbst gesehen habe.
(7)
Raubzüge und Plünderungsaktionen durch die FOCA bei der kongolesischen Zivilbevölkerung bestätigten darüber hinaus eine Reihe weiterer demobilisierter FDLR-Angehöriger. So gab auch der ehemals zur Schutzkompanie Mirador des Bataillons Hauptquartier gehörende Zeuge 2MM. an, bei der FOCA habe es drei Arten von Raub gegeben. Dies sei zum einen der Raub eines Kämpfers auf eigene Faust und zum anderen im Auftrag eines undisziplinierten Vorgesetzten gewesen. Darüber hinaus habe es aber auch den Raub auf Befehl der FDLR gegeben, wenn das Leben der FDLR nicht einfach gewesen sei. Die Soldaten hätten in diesem Fall in den Regionen geraubt, in denen die Leute nicht die gleiche Sprache gesprochen hätten. Das sei vor allem vor „Umoja Wetu“ so gewesen, weil sie versucht hätten, sich als unschuldig zu präsentieren. Nach Beginn von „Umoja Wetu“ hätten die Soldaten keine Zeit mehr für Raubzüge gehabt. Wenn der Raub nicht auf Befehl des FOCA-Kommandos erfolgt sei, sei ein solcher Raub bestraft worden.
Der ehemals bei der Antenne Miroir eingesetzte Zeuge 12N. schilderte ebenfalls, dass die Soldaten „ravitaillement“ gemacht hätten, wenn die Situation schlecht gewesen sei. Dann hätten sie ihr Essen von den Feldern der zivilen Bevölkerung geholt. Der Zeuge 1G.N., ein Mitglied der CRAP-Einheit des Bataillons PM sprach davon, dass sie manchmal Operationen organisiert und die Kommandanten ihnen gesagt hätten, dass sie angreifen und von den kongolesischen Bürgern Ziegen holen sollten. Auch hätten sie, wenn sie den Feind angegriffen hätten und dieser weggelaufen sei, Nutztiere mitgenommen, geschlachtet und gegessen. Dass die unter dem Kommando des FDLR-Kommandanten 3G. stehende Einheit in die feindliche Zone ging, um Sachen aus kongolesischen Siedlungen zu plündern und es hierbei auch zu Kämpfen kam, bei denen FDLR-Soldaten getötet wurden, berichtete darüber hinaus der ehemals als Begleitschutz für einen Politiker tätige Zeuge 10N. aufgrund entsprechender Berichte von Kämpfern dieser Einheit. Hierbei gab er an, dass bereits im Jahr 2004 oder 2005 sein eigener Freund bei einer solchen Plünderungsoperation 3G.s erschossen worden sei. Auch beschrieb er, wie er und seine Kameraden während des Krieges im Jahr 2009 Nahrungsmittel von den Feldern der Kongolesen stahlen, obwohl diese teilweise noch in der Nähe waren. Passend zu den Angaben des Zeugen 2S. berichtete des Weiteren der Zeuge 2P.R., dass es schon zu seiner Zeit als FOCA-Kommandeur Versorgungoperationen der FDLR gegeben habe. Zu den kleineren Aktionen der FOCA-Soldaten habe gehört, Autos auf der Straße anzuhalten, wenn die Soldaten auf dem Terrain etwas zum Essen gebraucht hätten. Diese kleineren Angriffe seien durch nachgeordnete militärische Führer geleitet und danach berichtet worden. Auch hätten sich die Kämpfer die Dinge, die sie benötigt hätten, selbst genommen, wenn die kongolesische Bevölkerung diese nicht freiwillig gegeben habe. Dass die FOCA-Soldaten während der Kriegszeiten Felder plünderten, wenn sie anders nicht zu den lebensnotwendigen Dinge kamen, beschrieben darüber hinaus die Zeugen 3H., 5B., 4N. und 7K.. Dabei erinnerte sich der Zeuge 3H. auch daran, dass sie einen kleinen verlassenen Supermarkt geplündert hatten.
(8)
Abweichend davon gaben die Zeugen 15N. und 9N. zwar an, dass bei der FDLR nur Angriffe auf feindliche Positionen zum Erbeuten militärischen Materials, nicht aber solche bei Zivilisten als erlaubte Verpflegungsoperationen eingestuft worden seien, und sie keine dahingehenden Anweisungen erhalten hätten. Auch sprach der Zeuge 8N. davon, nichts über Plünderungen und Raubzüge der FOCA-Soldaten bei kongolesischen Zivilisten zu wissen. Dabei nannten die Zeugen aber keine Umstände, die die Aussagen der übrigen FDLR-Angehörigen in Frage gestellt hätten, zumal diese durch die nachfolgend genannten Beweismittel zusätzlich gestützt werden. Wie bei vielen anderen Punkten, in denen die Angaben des Zeugen 15N. im Laufe der Hauptverhandlung wechselten und sich teilweise diametral entgegenstanden, waren auch seine Ausführungen zu den Verpflegungsoperationen nicht stringent und in sich widersprüchlich. So wechselten seine an verschiedenen Verhandlungstagen gemachten Angaben unter anderem zur Frage, ob bzw. wann S.M. Befehle zur Durchführung von Verpflegungsoperationen gab und wann solche durch die FOCA durchgeführt wurden. Als ehemaliger Kommandant bzw. Vizekommandant des Bataillons PM gehörte der Zeuge 15N. im Übrigen ebenso wie der Zeuge 9N. nicht zu den operierenden Einheiten, die in der Regel die Verpflegungsmissionen bei den kongolesischen Zivilisten ausführten. Bei den Angaben des Zeugen 9N. ist zu sehen, dass er zwar auf der einen Seite davon sprach, Plünderungsaktionen bei der Zivilbevölkerung nur als solche zu kennen, die von den Soldaten auf eigene Faust gemacht worden seien. Gleichzeitig berichtete er an anderer Stelle aber davon, gehört zu haben, dass von der FDLR Attacken auf Krankenhäuser durchgeführt worden seien, um Medikamente für die Kämpfer zu erlangen. Auch gab er in diesem Zusammenhang an, es habe der Kriegsstrategie der FDLR entsprochen, bei Angriffen in der feindlichen Zone Medikamente aus Krankenhäusern und alles andere, was der FDLR helfen konnte, mitzunehmen. Auf Nachfrage berichtete zudem der ehemals bei der Reservebrigade tätige und Anfang Februar 2009 repatriierte Zeuge 8N., zumindest von der Plünderung und Inbrandsetzung von Zivilfahrzeugen in den Jahren 2005 bis 2007 durch ein in Ekingi stationiertes Bataillon der Reservebrigade sowie durch das Bataillon Bahama zu wissen, ohne dass er insoweit allerdings nähere Kenntnis davon hatte, inwieweit Berichte oder Beuteanteile insoweit an das FOCA-Kommando gingen.
bb) Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung und aus asservierten Dateien
Dass von der FOCA Versorgungoperationen im Sinne von Plünderungen und Raubzügen bei der kongolesischen Bevölkerung durchgeführt wurden, wird zudem durch die folgenden Mitteilungen von FDLR-Angehörigen an den Angeklagten Dr. M. in der asservierten und verlesenen SMS-Kommunikation und einem überwachten Telefongespräch belegt:
(1)
In einer SMS des FOCA-Sprechers vom 23. Februar 2007 um 17:03 Uhr heißt es:
„Es ist kein Geheimnis, unsere Leute begehen zurzeit Diebstahl im Norden“.
(2)
In einer SMS vom 25. Februar 2007 um 16:06 Uhr schrieb der FOCA-Sprecher:
„Wenn ich berücksichtige, was diese militärischen Chefs gesagt haben, verüben unsere Soldaten im Norden Überfälle auf Fahrzeuge auf der Straßenabschnitt Goma-Butembo, Wilderei und Machtmissbräuche.“
(3)
In den SMS vom 28. Februar 2007 um 7:21 Uhr, 7:29 Uhr und 7:47 Uhr teilte der 2. Vizepräsident mit:
„…SEA leitet am 30.01.07 eine Mission namens „Ops Rav mit ungefähr 20 Militärs trotz Absage von Comdt Bde Res…. Die Vorbereitungen und Durchführung dieser Operation wurden nicht dem 2 VP und Comdef mitgeteilt und dies obwohl diese Personen gewöhnlich die ersten sind, an die man sich wendet, um größere militärische Kontingente zur Verfügung zu stellen…“
(4)
In einer SMS vom 19. März 2007 um 19:30 Uhr berichtete 4L.:
„Wir haben am 14 März eine ops rav auf R Butembo-Goma (Anmerkung des Übersetzers:: vermutlich ops rav=opération de ravitallement, R=route=Straße) gemacht. Wir haben ein Kassettenradio, 8 Lendenschürze, 4 Boubou, 8 Kinderhemden, 41 T-Shirts… Wir haben 25 % davon dem Partisanen gegeben. Wir werden 75 % davon verkaufen, der Erlös soll von uns gebraucht werden:+ 70“.
(5)
In einer SMS vom 1. Mai 2007 um 8:22 Uhr teilte der FOCA-Sprecher mit:
„Ich habe mit G2 SONUKI gesprochen. Er hat mir gesagt, dass sie eine Meldung zum Beenden der ops rav (AdÜ: ops rav: opération de ravitaillement= Versorgungsangriffe) geleitet haben.
(6)
Eine SMS von 4L. vom 21. Juli 2007 um 14:26 Uhr lautete unter anderem wie folgt:
„Nach der ops rav bringt jede Einheit ihre Beute zu den höheren. In den 15 Monaten, die wir verbracht haben sind schon 2 ops rav gemacht worden.“
(7)
In einer SMS vom 10. August 2007 um 18:00 Uhr schrieb 4L.:
„…In der Nacht vom 8-9 crt Cie (Anmerkung des Übersetzers: cie = Kompanie) 5L. vom Bahama hat in Butogota geplündert und 3 civ (Anmerkung des Übersetzers : vermutlich civiles=Zivilisten) getötet.
(8)
In einer SMS von 4L. vom 19. August 2007 um 6:22 Uhr berichtete dieser:
„… Zurzeit ist Z unter unserer Kontrolle. Zusätzlich zu den Sachen von Uganda hat Bahama immer mehr die Zone verschlechtert, indem die Leute von Bahama stehlen“…
(9)
Der 2. Vizepräsident teilte in einer SMS vom 5. September 2007 um 7:36 Uhr mit:
„Eni (Anmerkung des Übersetzers: Eni=Feind) hat es geschafft in unsere Nähe zu kommen, weil unsere Leute mit Kuhdiebstahl beschäftigt waren…“
(10)
Eine SMS des FOCA-Sprechers vom 1. Oktober 2007 um 21:23 Uhr lautete unter anderem:
„Dieser Kuhdiebstahl dort oben ist von der Führung unterstützt, es ist sogar weit Weg von der Zone wo der Feind sich befindet zum Beispiel in Karehe. Mit diesem Diebstahl kommen wir nicht weiter…“
(11)
In einer SMS vom 4. Oktober 2007 um 23:27 Uhr berichtete der Sprecher der FOCA:
„Sie können Comdt und Bde Rve über die Sache mit Kuhdiebstahl fragen, es war im Süd- Kivu. Dieser Raub ist von der höheren Führung unterstützt, sie denken nicht an die Konsequenzen…“
(12)
In einer SMS vom 14. Oktober 2007 um 20:36 Uhr teilte der FOCA-Sprecher mit:
„Kuhdiebstahl in der Nacht vom 25-26 September in Karehe, Village (Dorf) Kafunzi in der Nähe von Nyamukubi und in Village (Dorf) von Tchiyumba in der Nähe von Lushebere. Die Anzahl der geklauten Kühe ist noch nicht präzis. Man rechnet mit 150 $.“
(13)
In einer SMS vom 8. Januar 2008 um 8:54 Uhr und 9:01 Uhr berichtete der zweite Vizepräsident:
„Unsere Kontaktperson bei PARECO informiert mich über einen Diebstahl von 35 Kühen bei dem alten Hutu Buyi Buyi bei Ngungu, aus diesem Grund starke Spannungen in Goma und in der Zone. Auf die FDLR wurde mit dem Finger gezeigt… . Und man fordert eine sofortige Rückgabe der Kühe... .“
(14)
In einer SMS vom 12. März 2008 um 16:58 Uhr schrieb der Vizekommandant der FOCA:
„Ich hoffe, dass 2 VP und SEA Ihnen (oder ihnen) den detaillierten Bericht über die Verteilung der aus der letzte ops Rav resultierenden Beute zukommen gelassen haben, weil diese Verteilung eine schlechte Stimmung verursacht hat und die Leute zeigen mit den Fingern auf diese beiden.“
(15)
In einem Telefongespräch teilt der 2. Vizepräsident dem Angeklagten Dr. M. am 10. Oktober 2009 unter anderem mit:
„Die Leute haben wieder angefangen, Kühe zu stehlen und so ähnliches.“
cc) Erkenntnisse der UN
Plünderungen und Versorgungsangriffe der FOCA bei der kongolesischen Bevölkerung bestätigten darüber hinaus die von den Zeugen 4D.M. und 1C.G. berichteten Untersuchungen der UN-Expertengruppe sowie die Informationen, die der Zeuge 3B. aufgrund seiner Tätigkeit bei der DDRRR gewonnen hatte.
(1)
Die Zeugen 4D.M. und 1C.G. berichteten übereinstimmend, dass sie im Rahmen der Untersuchungen der UN-Expertengruppe von verschiedenen Quellen über durchgeführte Versorgungsangriffe der FDLR, Plünderungen von Dörfern sowie Überfälle auf Krankenhäuser und Fahrzeuge durch die Rebellenmiliz während der Operationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ informiert worden seien. So bestätigten nach den Ausführungen des Zeugen 1C.G. mehrere demobilisierte FDLR-Kämpfer in den von ihnen durchgeführten Interviews, dass die FDLR während der militärischen Auseinandersetzungen im Jahr 2009 Angriffe zur Erlangung von allgemeinen Gebrauchsgütern und Lebensmitteln durchgeführt habe, und gaben als Grund hierfür Versorgungsprobleme an, die durch den Rückzug der FDLR-Einheiten in die Wälder sowie das fast vollständige Erliegen der geschäftlichen Aktivitäten der Rebellenmiliz entstanden seien. Beispielhaft schilderten die UN-Experten insoweit die Aussage eines am 23. April 2009 befragten und zuvor zwischen Kasugho und Lubero stationierten Feldwebels, der bekundet habe, dass die FDLR durch das Vordringen der FARDC und die Verlegung der FOCA-Einheiten die Kontrolle über den Markt in Kasugho und über die Goldproduktion verloren habe und sich die Kämpfer in dem Gebiet, in das sie sich zurückgezogen hätten, deshalb nur durch Plündern, Stehlen und andere Übergriffe auf die Zivilbevölkerung versorgen konnten. Dass es im Jahr 2009 zu Überfällen und Plünderungen von ganzen Dörfern durch die FDLR kam, wurde den UN-Experten nach den Ausführungen des Zeugen 1C.G. vor allem für den Bereich Kalehe und Walikale und hier insbesondere für den Großraum Hombo/Bunyakiri von mehreren Quellen bestätigt. Der Zeuge gab an, die UN-Experten hätten ebenfalls Informationen dahingehend erhalten, dass die Truppen des FDLR-Kommandeurs 3G. für Plünderungen und Übergriffe auf die Zivilbevölkerung sowie zeitweilige Geiselnahmen von Bürgern zum Transport des geplünderten Guts zu den FDLR-Lagern verantwortlich gewesen seien. Als Beleg für die Plünderung einer ganzen Siedlung nannte er unter anderem einen Überfall der FDLR auf den Ort Ekunga am 7. Mai 2009, bei dem ein Bewohner durch Macheten verletzt und der durch eine Nichtregierungsorganisation, die Territorialverwaltung sowie die Angaben des Leitenden Arztes des Krankenhauses über die Behandlung des verletzten Bürgers bestätigt worden sei.
Wie der Zeuge 1C.G. des Weiteren ausführte, erhielt die UN-Expertengruppe darüber hinaus von mehreren Quellen Informationen über Angriffe bzw. Drohungen der FDLR gegen Krankenhäuser und Gesundheitszentren in den Kivu-Gebieten. So habe ein im Lager Mutobo interviewter und zuvor im Nachrichtendienst eingesetzter Oberfeldwebel des Dritten Bataillons von SOSUKI angegeben, dass es seine Aufgabe während „Umoja Wetu“ gewesen sei, Ziele für mögliche Angriffe der FDLR auszusuchen und hierfür unter anderem die Gesundheitszentren in Misisi und Lulimba im Süd-Kivu ausgewählt worden seien. Auch hätten aktive FDLR-Kämpfer bei ihren Befragungen über Anweisungen berichtet, Krankenhäuser anzugreifen, um Medikamente und medizinisches Gerät zu erlangen. Des Weiteren habe ein für Menschenrechtsfragen zuständiger OCHA-Vertreter einen Angriff der FDLR auf das Krankenhaus in Shabunda im Süd-Kivu Ende März 2009 sowie Plünderungen von Gesundheitszentren südlich von Lubero im Nord-Kivu durch die FDLR im März 2009 nach Beginn der Kampfhandlungen in der Gegend geschildert. Auch habe die UN-Expertengruppe durch einen Mitarbeiter des Panzi-Hospitals in Bukavu von Drohungen der FDLR gegen das Personal des Krankenhauses erfahren.
Beide UN-Experten schilderten darüber hinaus, im Rahmen ihrer Untersuchungen seien durch unterschiedliche Quellen Überfälle der FDLR auf Fahrzeuge bestätigt worden. So gab der Zeuge 4D.M. an, ein demobilisierter Gruppenführer einer CRAP-Einheit aus dem Sektor Uvira habe bei seiner Befragung am 18. Mai 2009 berichtet, dass es seine Sonderaufgabe gewesen sei, Hinterhalte gegen Fahrzeuge auszuführen. Auch habe die Gruppe von kongolesischen Behörden viele Informationen über Hinterhalte und Angriffe der FDLR auf Lastwagen im Kahuzi-Biega-Nationalpark im Sommer 2009 erhalten. Eine große Anzahl der im Nationalpark verkehrenden Lastwägen hätten Palmöl transportiert. Hierzu berichtete der Zeuge 1C.G., dass ein am 10. Mai 2009 durch die FDLR verübter Überfall auf zwei Fahrzeuge, bei dem zwei Zivilisten getötet worden seien, durch die Unterlagen einer Nichtregierungsorganisation, Dokumente der Territorialverwaltung und durch einen kongolesischen Bekannten des FDLR-Kommandeurs 3G. bestätigt worden sei. Dabei habe der Bekannte von 3G., der den Angriff auf eines der Fahrzeuge selbst erlebt habe, geschildert, dass die FDLR-Kämpfer ihm sein Geld, seine Uhr und alle Sachen weggenommen und anschließend das Fahrzeug angezündet hätten.
(2)
Auch der Zeuge 3B. berichtete aufgrund der Erkenntnisse, die er im Rahmen seiner Tätigkeit bei DDDRR erlangt hatte, davon, dass die FDLR viele Angriffe auf Fahrzeuge auf Routen zu und von den Haupthandelszentren während der kriegerischen Auseinandersetzungen im Jahr 2009 durchgeführt habe. Dabei schilderte er auch einen konkreten Vorfall, bei dem einer seiner Kollegen in seinem Fahrzeug ausgeraubt worden war und dieser die Angreifer sicher als FDLR-Leute erkannt hatte.
dd) Angaben der Zeugen VW., 2R., MW.K. sowie der Z-Zeugen
Über Plünderungen und Diebstähle der FDLR bei der kongolesischen Bevölkerung berichteten darüber hinaus die Zeugen VW., 2R. und der Zeuge MW.K. in seiner polizeilichen Vernehmung sowie die kongolesischen Z-Zeugen.
(1)
Nach den Angaben der Zeugin VW. erhielt auch HRW im Rahmen seiner umfangreichen Untersuchungen zahlreiche Informationen über Plünderungen der FDLR. So hatte die Nichtregierungsorganisation nach ihren Ausführungen bereits bei Untersuchungen im Jahr 2008 Plünderungen und weitere Übergriffe der FDLR auf die Zivilbevölkerung in den Monaten Januar bis März 2008 im Westen von Rutshuru und zwar im Verwaltungsgebiet Bukumbo festgestellt, also zu einer Zeit, in der die Rebellenmiliz in einer Allianz mit den Mai-Mai und der PARECO stand. Wie sie schilderte, berichteten auch während ihrer Recherchen im Jahr 2009 viele der von ihnen befragten Personen von Plünderungen der FDLR. So sei von den kongolesischen Zivilisten immer wieder angegeben worden, dass die FDLR sie gezwungen habe, das geplünderte Gut zu den Lagern der FDLR zu transportieren. Insoweit sei von Lebensmitteln, Kanistern mit Palmöl, Vieh, Gefäßen, Geld und Handys die Rede gewesen. Die Berichte der kongolesischen Zeugen hätten dabei gezeigt, wie schlimm der Verlust der materiellen Güter für die Zivilbevölkerung gewesen sei. Diese hätten dadurch nämlich die Möglichkeit verloren, für medizinische Versorgung oder andere lebenswichtige Güter zu bezahlen. Ergänzend hierzu werden im Bericht von HRW vom Dezember 2009 mehrere Dörfer und Siedlungen aufgeführt, in denen es während der Operation „Kimia II“ zu Plünderungen durch die FDLR kam.
(2)
Dass Plünderungen durch die FDLR-Kämpfer durchgeführt wurden und die FOCA hierfür besonders gerüstet war, legte des Weiteren der Zeuge 2R. aufgrund seiner umfangreichen Untersuchungen über die Rebellenmiliz dar. So sprach er davon, dass die FDLR im Gegensatz zu „normalen Armeen“ in ihren Einheiten sogenannte CRAP-Züge vorhalte und diese für die Versorgung der FOCA-Soldaten mit Lebensmitteln und Geld durch Plünderungen bei der Zivilbevölkerung zuständig seien. Auch berichtete er, dass ihm unter anderem ein kongolesischer Zivilist einen Überfall der FDLR im Jahr 2005 oder 2006 auf ein Dorf in der Nähe der Hauptstadt von Walungu geschildert habe, bei dem die FDLR Ziegen und Maisvorräte gestohlen habe, und seine Ermittlungen den Angriff und die Verantwortlichkeit der FDLR hierfür bestätigt hätten.
(3)
Wie der Zeuge KHK P. angab, hatte zudem der Zeuge MW.K. in seiner in der Zeit vom 23. bis 25. September 2009 erfolgten polizeilichen Vernehmung Verpflegungsoperationen der FDLR bestätigt. Dieser habe berichtet, dass jedes Bataillon der FOCA über eine Einheit verfüge, die sich um die nicht konventionelle Beschaffung der Verpflegung gekümmert habe. Diese Einheit sei für die Versorgung zuständig gewesen und habe geraubt, Felder geplündert und Lastwagen überfallen. Auf die Frage, wer für die Schaffung dieses Klimas der Gewalt Verantwortung trage, habe der Zeuge geantwortet, dies sei die Kommandoebene der FOCA.
(4)
Die von der FDLR an verschiedenen Orten praktizierte Plünderung von Ackerfeldern, Fischteichen, Tieren, Geld und von täglichen Gebrauchsgütern bestätigten darüber hinaus die Zeugen Z 1, Z 2, Z 3, Z 9 und Z 10 anhand selbst erlebter sowie von Mitbürgern berichteter Vorfälle. So schilderte die Zeugin Z 1, die FDLR habe Bürger überfallen, Felder geplündert und kongolesischen Zivilisten Waren weggenommen. Der Zeuge Z 2 gab an, die FDLR habe ihm seine Sachen geklaut, Ziegen weggenommen und sei seit 2007 immer wieder gekommen, um Öl an sich zu nehmen. Aufgrund seiner vor dem Jahr 2004 gemachten Beobachtungen berichtete darüber hinaus der Zeuge Z 3, die FDLR habe die Ernte von Feldern kongolesischer Bewohner geplündert, Fische aus dem Fischteich sowie andere Tiere gestohlen und nachts Händler ihres Geldes beraubt. Dabei seien die FDLR-Soldaten immer in Gruppen gekommen. Der Zeuge Z 9 gab ebenfalls an, die FDLR-Angehörigen hätten den Bürgern die Ernte von den Feldern weggenommen. Zudem berichtete er, dass FDLR-Kämpfer am 15. April 2009 sein in Walikale gelegenes Dorf angegriffen, die geflüchteten Bewohner im Wald verfolgt und ihm hierbei seine Ente, ein kleines Radio und sein Mobiltelefon weggenommen hätten. Auch die Zeugin Z 10 schilderte, FDLR-Soldaten seien nachts bewaffnet in Gruppen zu den Häusern der kongolesischen Zivilisten gekommen, hätten nach Geld gefragt und Sachen aus den Häusern weggenommen. Dabei seien auch Bürger getötet worden.
V. Vorgehen der FDLR-Miliz während der bewaffneten Konflikte im Jahr 2009
Die Angaben zur Entwicklung der Lage in den Kivu-Gebieten während der bewaffneten Konflikte im Rahmen der Operationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“, den von der FDLR-Miliz angewandten Strategien gegenüber den gegnerischen Soldaten sowie ihrem Verhalten und Vorgehen im Verhältnis zur einheimischen kongolesischen Zivilbevölkerung stehen zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der nachfolgend genannten Beweismittel fest:
1. Militärischer Verlauf und Folgen der Operationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ für die FDLR
Die Feststellungen zum Verlauf der Operationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ sowie zur Situation und dem Vorgehen der FDLR während der gegen sie gerichteten militärischen Offensiven gründen sich zum einen auf die entsprechenden Angaben der Zeugen 3B., 4D.M. und 1C.G. sowie VW. über die hierzu gewonnenen Erkenntnisse der MONUC/DDRRR, der UN-Expertengruppe und HRW sowie den damit in Einklang stehenden und ergänzenden Ausführungen im Schlussbericht der Expertengruppe für die Demokratische Republik Kongo vom 23. November 2009 und in den Berichten von HRW „Ihr werdet bestraft“ sowie der ICG, Rapport Afrique Nr. 151 vom 9. Juli 2009 „Congo: Gesamtstrategie zur Entwicklung der FDLR“. Hierzu passen Mitteilungen und Lagebeschreibungen, die im Rahmen der überwachten Telekommunikation an den Angeklagten Dr. M. geschickt wurden bzw. sich in der auf dem Laptop des Angeklagten Dr. M. vorhandenen und in die Hauptverhandlung eingeführten SMS-Kommunikation zwischen ihm und militärischen sowie politischen FDLR-Führungspersonen in der DR Kongo finden. In Einklang damit beschrieben auch die ehemaligen FDLR-Angehörigen die Lage der FDLR während der unterschiedlichen Phasen der Operationen.
Im Einzelnen sprach für die nachfolgend genannten Punkte insbesondere Folgendes:
a)
Umfangreiche und den Feststellungen entsprechende Ausführungen zu den während der Operationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ erteilten taktischen und strategischen Anweisungen der FDLR zum Vorgehen gegen den militärischen Feind sowie den Auswirkungen der Operationen auf den Zustand der Rebellenmiliz machten vor allem die ehemaligen FDLR-Kämpfer. So bestätigten die damals im Nord-Kivu tätigen ehemaligen FDLR-Angehörigen 1S.B., J.B., 2S., 5B., 2MM., 15N., 9N. und 10N. sowie die Zeugen 2K., 1G.N., 5N. und 12N., dass während „Umoja Wetu“ eine von der FOCA-Führung angeordnete Strategie des Rückzugs, der Aufteilung in autonome Gruppen sowie der Anwendung von Guerillatechniken galt und verwiesen insoweit auf die zahlenmäßige und ausrüstungsbedingte Überlegenheit der Koalitionsarmee sowie vor allem auf die Stärke und Schlagkraft der ruandischen Soldaten. Die Zeugen 1S.B., J.B. und 2S. sprachen ausdrücklich von der „Angst“ der FDLR-Kämpfer vor den ruandischen Soldaten, die, wie der Zeuge J.B. berichtete, auch zu einer vermehrten Desertion von FOCA-Soldaten führte.
Dabei beschrieben die ehemaligen FDLR-Angehörigen anhand ihrer eigenen Erfahrungen und erhaltener Lageberichte anschaulich, wie sich mit Beginn der Kämpfe im Jahr 2009 die bis dahin gewachsenen Organisations- und Kommunikationstrukturen der FDLR in der DR Kongo in kürzester Zeit weitgehend auflösten, der Zusammenhalt der FOCA-Einheiten zerbrach und diese sich in unterschiedliche Richtungen zerstreuten. Unter welch enormen militärischen Druck die FDLR sofort mit dem Beginn der Operation „Umoja Wetu“ an den Standorten des Exekutivkomitees der FDLR und des FOCA-Kommandos in Kibua und Kalongi geriet und welche massiven Auswirkungen dies auf die Rebellenmiliz hatte, beschrieben anschaulich die Zeugen 9N., 5B., J.B., 1S.B., 2S. und 2MM., zeigte sich aber auch in Mitteilungen des 2. Vizepräsidenten 8R. an den Angeklagten Dr. M.. So sprach der Zeuge 9N. davon, dass seine Einheit den feindlichen Soldaten in Kibua höchstens 30 Minuten lang Widerstand leisten konnte. Zum Geschehen in Kibua schrieb der 2. Vizepräsident 8R. in mehreren am 27. Januar 2009 beim Angeklagten Dr. M. eingegangenen SMS unter anderem, der Standort des Exekutivkomitees sei überraschend vom Feind umzingelt worden, er selbst sowie der stellvertretende Exekutivsekretär seien beinahe gefangen genommen worden. Die Einheit der Reservebrigade habe sich, ohne zuvor Nachricht zu geben, praktisch in Luft aufgelöst. Zur Situation in Kalongi schilderte der Zeuge J.B., sie hätten Wege finden müssen, um zu fliehen, weil sie umzingelt gewesen seien. Bei der weiteren Flucht sei der Führer ihres Teils des FOCA-Kommandos, der Vizekommandant 9B. zeitweise völlig „verschwunden“ gewesen.
Dass sich als Folge der Angriffe wichtige Teile der FDLR wie das FOCA-Kommando und das Exekutivkomitee, aber auch einzelne Einheiten wie zum Beispiel das Bataillon PM oder die Antenne Miroir aufspalteten und an unterschiedliche Plätze flohen, beschrieben die Zeugen J.B., 2S., 5B., 2MM., 15N., 9N. und 12N.. Hierzu führten sie aus, dass die Trennung nicht nur aus Sicherheitsgründen, sondern auch aus der Überlegung heraus erfolgt sei, überhaupt noch auf Ersatzstrukturen zurückgreifen zu können, wenn Teile der Organisation vernichtet würden. Wie stark die FDLR seit Beginn der Operation „Umoja Wetu“ unter Druck stand und deshalb ein Funktionieren der Organisation in den gewohnten Bahnen nicht mehr möglich war, zeigte sich auch in den folgenden Worten, mit denen die ehemaligen FDLR-Angehörigen ihre Situation in dieser Zeit beschrieben. So sprachen sie davon, dass es während „Umoja Wetu“ sehr schlimm und die ruandische Armee sehr, sehr stark gewesen sei, sie überall „richtig“ angegriffen worden seien, die FDLR am Hin- und Herfliehen in den Wäldern gewesen sei, der Feind „richtig hinter ihnen her gewesen“, sie gejagt und verfolgt worden seien, ständig die Plätze wechseln mussten, es keine Stellungen gegeben habe, an denen man länger bleiben konnte, und sie auch nicht mehr zu den Zivilisten gehen konnten. Auch war es nach Angaben des Zeugen J.B. nicht mehr möglich, die Kommandanten an einem Ort zu versammeln, so dass die nicht direkt um das FOCA-Kommando stationierten Einheiten teilweise auf der Grundlage zuvor gegebener Befehle selbstständig agierten.
b)
Dass sich die Situation für die FDLR während der Operation „Kimia II“ wenigstens insoweit änderte, als die FDLR-Kämpfer wegen des Abzugs der ruandischen Streitkräfte neuen Mut fassten und ein von der FOCA-Führung angeordneter Strategiewechsel dahingehend stattfand, sich nicht nur zurückzuziehen, sondern frühere Positionen - soweit möglich - wieder einzunehmen und sich Kämpfen mit der kongolesischen Armee zu stellen, schilderten ausführlich die Zeugen J.B., 1S.B., 2S. und 2K.. Einhellig bestätigten die ehemaligen FDLR-Angehörigen, dass die FDLR die Soldaten der kongolesischen Armee im Gegensatz zu den Streitkräften der ruandischen Armee wegen deren ungleich schwächerer Kampfkraft nicht gefürchtet habe und die neue Strategie im Wissen erfolgt sei, die FARDC in Gefechten besiegen zu können. So berichtete der Zeuge J.B., der Strategiewechsel sei von dem FOCA-Kommandeur S.M. angeordnet worden. Die Kämpfer hätten nach dem Abzug der ruandischen Soldaten wieder Moral gehabt, Stellungen der FARDC lokalisiert und nach entsprechenden Aufklärungsoperationen angegriffen. Die Desertionen seien zurückgegangen. Dazu passten die Ausführungen der Zeugen 4D.M. und 3B. zum Vorgehen und zur Situation der FDLR im Jahr 2009, die sie unter anderem anhand einer Landkarte bzw. einer in Augenschein genommenen Karte der MONUC/DDRRR vom 3. April 2012, in welche die Stützpunkte der Kommandostrukturen und der einzelnen Einheiten der FDLR bis zu den Kompanien detailliert eingezeichnet waren, konkret erläuterten. Als Ergebnis des Strategiewechsels berichtete der Zeuge 3B. von einem großen Anstieg von Angriffen der FDLR, die an vielen verschiedenen Orten zur selben Zeit stattgefunden hätten.
Gleichzeitig bestätigten die ehemaligen FDLR-Angehörigen allerdings übereinstimmend, dass auch während der Operation „Kimia II“ der militärische Druck auf die FOCA mit den oben beschriebenen Auswirkungen auf die Rebellenmiliz unvermindert anhielt. Dass es nun über den Nord-Kivu hinaus auch im Süd-Kivu zu einer Aufteilung der Truppenteile und ständigen Ortswechseln des Kommandos und der Einheiten kam, beschrieb detailliert der beim Divisionskommando Süd-Kivu als Cheffunker stationierte Zeuge 6N., dessen Angaben in Einklang mit den Berichten anderer ehemaliger FDLR-Angehörigen über die weiterhin schwierige Situation der FOCA-Kämpfer im Nord-Kivu standen. Wie unberechenbar und unsicher die Lage für die FDLR insgesamt war und deshalb im September 2009 keine CD-Versammlung abgehalten werden konnte, zeigen auch beispielhaft die Mitteilungen des 2. Vizepräsidenten der FDLR und des FOCA-Kommandanten an den Angeklagten Dr. M. in der asservierten SMS-Kommunikation des Angeklagten mit Führungspersonen der FDLR in der DR Kongo. So berichtete der 2. Vizepräsident in den SMS vom 21. April 2009 um 8:14 Uhr, 8:19 Uhr und 8:26 Uhr „der Feind hat zahlreiche Soldaten im Nord-Kivu. Seine gemeinsamen Operationen mit der MONUC intensivieren sich. Man sollte nicht mehr glauben, dass es irgendeine Gefechtspause geben wird, solange wir uns auf dem kongolesischen Gebiet befinden. Ich habe deswegen dem Kommandant-FOCA eine Nachricht geschickt, in der ich ihn gebeten habe, sich mit der Rekrutierung und Ausbildung junger Menschen zu beschäftigen, die das Alter erreicht haben. Man wird sie brauchen um die Einheiten, die in Schwierigkeiten geraten sind zu versorgen und deren Fähigkeit bei der Durchführung der Operationen ohne Verzögerung zu erhöhen…“ In einer nicht näher zeitlich bestimmten SMS sowie einer SMS vom 29. April 2009 um 9:42 Uhr teilte er mit „Seit dem 20.4.2009 toben die Kämpfe im Nord-Kivu, insbesondere in Masisi-Walikale-Kalehe“…Die wiederholte Schwäche/Versagen der Reservebrigade sind noch nicht vom FOCA-Kommando/FOCA-Kommandeur korrigiert, es ist besorgniserregend… .“ In weiteren SMS vom 6. Juli 2009 um 9:25 Uhr, 26. Juli 2009 um 15:09 Uhr, 28. Juli 2009 um 11:24 Uhr, 9. September um 17:41 Uhr und 22. Oktober 2009 um 7:36 Uhr und 7:43 Uhr schrieb er „Die Kämpfe laufen an allen Fronten weiter … . Die Situation ist im Moment nicht gut, weil der Feind mich (vermutlich lebendig) gefangen zu nehmen versucht. Er hat alle Infos, wegen eines Hauptmanns, der mit uns zusammen war … .MONUC durchkreuzt den Wald, wo wir uns befinden, um uns lokalisieren zu können“ (SMS vom 6. Juli 2009), „Wir sind jetzt unter Stress, wegen eines Angriffs des Feindes, den wir jeden Moment erwarten“ (SMS vom 28. Juli 2009), „Der Krieg tobt … . Die Situation bleibt angespannt“ (SMS vom 9. September 2009), „die Präsenz des Feindes ist auch dort, wo der FOCA-Kommandant ist, sehr stark … .Sie wollen jeden Tag auf uns schießen, um das Problem der FDLR-FOCA schnell zu erledigen“ (SMS vom 22. Oktober 2009).
Auch zeigen die Ausführungen des Zeugen 1S.B., aber auch die SMS des FOCA-Kommandanten S.M. und des 2. Vizepräsidenten 8R. sowie des Angeklagten Dr. M., dass es unter diesen Umständen nicht möglich war, die eigentlich erforderliche CD-Versammlung durchzuführen. So begründete der Zeuge 1S.B. das Nichtabhalten der Versammlung damit, dass es schwierig gewesen sei, Wege zu finden, um zusammenzukommen, weil der Feind überall gewesen sei bzw. überall sein konnte. Passend dazu schrieb der Angeklagte Dr. M. in einer SMS vom 9. September 2009 um 18:05 Uhr an den 2. Vizepräsidenten und einer nicht näher datierten SMS an den FOCA-Kommandanten S.M. „Wenn ich die Nachrichten, die von dort kommen, betrachte, zeigen sie mir, dass die Bedingungen für das Abhalten der CD-Versammlung nicht erfüllt sind“. Hierauf antworteten der 2. Vizepräsident „die Mehrheit der Mitglieder vom CD, vom CE sind der Meinung, dass die Versammlung des CD nicht stattfinden sollte, wegen der Situation“ sowie der FOCA-Kommandant „Die meisten finden, dass die Versammlung des CD nicht angebracht ist wegen der Situation des Feindes. Wenn es möglich ist, könnte sie Ende 09 stattfinden. Die Tagesordnung wäre: die letzte Versammlung zu bewerten, vor allem das Wahlgesetz, die Politik und die Diplomatie, was den Krieg erleichtern würde“.
c)
Dass in Folge der ständigen Angriffe gegen die FDLR während der Operationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ der Zugriff auf die gewohnten Kommunikationsmittel und Nachrichtenkanäle nicht mehr gewährleistet war und es viele Probleme im Rahmen der Kontakte untereinander und nach außen gab, machten unter anderem die Schilderungen der Zeugen J.B., 1S.B., 2S., 6N., 9N., 10N. und 12N. deutlich. So verlor nach Angaben des Zeugen J.B. die vom Vizekommandanten der FOCA geleitete Fraktion während der Angriffe im Februar 2009 nicht nur für eine Woche gänzlich den Kontakt zu ihrem Führer, sondern hatte wegen des in den vorausgegangenen Kämpfen erlittenen Verlusts ihrer Funkgeräte lediglich noch über das etwas entfernt befindliche Bataillon PM Zugang zu einem Funkgerät. Auch beschrieb der Zeuge die Kommunikation zwischen den einzelnen Teilen der FOCA insgesamt als schlecht, weil die Wege während des Krieges unsicher waren und es schwierig war, zu anderen Einheiten zu gelangen. Der Zeuge 1S.B. schilderte, dass es auch bei der Kommunikation über Funkgeräte Probleme gegeben und deshalb Schwierigkeiten in der Kommunikation zwischen den beiden getrennten Teilen des FOCA-Kommandos aufgetreten seien. So sei keine Energie zum Betreiben der Funkgeräte vorhanden gewesen, wenn man gekämpft habe oder aufgrund schlechten Wetters die Solarpanels nicht aufgeladen werden konnten. Um irgendwie in Kontakt mit anderen kommen zu können, hätten manche Soldaten versucht, auf die Bäume zu klettern und über ihr Mobiltelefon Verbindung aufzunehmen. Deshalb sei es in dieser Zeit vermehrt zu Unfällen gekommen. Die in den Informationsbüros des FOCA-Kommandos bzw. des Kommandos der Division Süd-Kivu tätigen Zeugen 2S. und 6N. berichteten von Tagen, an denen keinerlei Kommunikation zwischen dem FOCA-Kommando und der Division SOSUKI funktionierte. Als Grund hierfür nannte der Zeuge 6N. unter anderem Probleme bei der Beschaffung des notwendigen Benzins zum Betreiben der Stromgeneratoren. Die Zeugen 9N. und 10N. gaben an, dass sich auch die beiden Teile des Exekutivkomitees nach deren Trennung zeitweise nicht mehr untereinander und mit dem FOCA-Kommando verständigen konnten. Von erheblichen Schwierigkeiten, überhaupt noch in Kommunikation mit anderen Einheiten der FDLR zu treten, berichtete zudem der Zeuge 12N., der als Funker bei der Antenne Miroir, also einer Kommunikationsbrücke der FDLR, tätig war. Nach seinen Angaben konnte seine Einheit aufgrund dauerhaft funktionsunfähiger Solarpanels nicht mehr funken, hatte aufgrund der damit verbundenen Gefahr aber auch nicht die Möglichkeit, sich in den Zentren der Kongolesen die für die Mobiltelefone notwendigen Telefoneinheiten zu beschaffen und konnte deshalb nur auf die Unterstützung durch ihnen wohlgesonnene Kongolesen hoffen.
Auch zeigen Mitteilungen der auf dem Terrain befindlichen FDLR-Angehörigen an den Angeklagten Dr. M. in der auf dem Laptop des Angeklagten Dr. M. gespeicherten SMS-Kommunikation, dass die Kommunikationsmöglichkeiten der FDLR während der Operationen im Jahr 2009 eingeschränkt waren und es insoweit gravierende Probleme gab. So berichtete zum Beispiel der FOCA-Sprecher in einer SMS vom 28. Januar 2009 um 19:08 Uhr, er habe Probleme mit dem Netz, dort wo er sich befinde. Es könne sein, dass es nicht funktioniere, wenn Dr. M. anrufe. Am 7. März 2009 um 18:00 Uhr teilte der Kommandant von Someca in einer SMS mit, aufgrund der Kämpfe, die dauernd hier bei ihm stattfänden, komme er nur ab und zu zum Netz. In zwei SMS vom 29. April 2009 um 9:26 Uhr und 9:35 Uhr berichtete der 2. Vizepräsident der FDLR, dass die Kommissare 1D. und 2P. und andere Führungskräfte, die in Masisi geblieben seien, nicht lokalisierbar seien, während er 1A.L. den Vizekommandanten der FOCA habe erreichen können, aber keine Spur von seinem Übertragungsbüro vorhanden sei. Am 16. Juli 2009 um 10:33 Uhr und 10:39 Uhr schrieb der stellvertretende Exekutivsekretär, „Alle Kommissare grüßen Sie. Wegen der Besorgnisse in der Region, schicken Sie uns Einheiten. Es ist der einzige Weg für mich, um (mit den anderen) kommunizieren zu können …“.
d)
Einheitlich berichteten im Übrigen alle ehemaligen FDLR-Angehörigen über den von der FOCA-Führung verordneten sparsamen Umgang mit Munition während der Operationen. So gab der Zeuge J.B. an, dass es nicht nur während „Umoja Wetu“, sondern ständig die Anweisung gegeben habe, sparsam mit Munition umzugehen und man andernfalls bestraft worden sei. Dass die Munition bei der FDLR knapp war und man diese während der Kämpfe im Jahr 2009 nicht umsonst oder ungezielt verwenden durfte, schilderten auch die Zeugen 1S.B., 2K., 1G.N., 5N. und 1A.N.. Von einer ausdrücklichen Anweisung, Munition während der Kämpfe im Jahr 2009 zu sparen, hatten repatriierte FDLR-Kämpfer ebenfalls gegenüber den Zeugen 4D.M. und 1C.G. berichtet, wie diese anhand der entsprechenden Aussagen aufzeigten. Die Zeugin VW. gab an, HRW habe bereits in der Vergangenheit aufgrund entsprechender Recherchen dokumentiert, dass die FDLR es vermieden habe, Kugeln zu verwenden, wenn es auch andere Methoden gegeben habe, um zu töten.
2. Verhalten der FDLR gegenüber der Zivilbevölkerung
a) Zivilisten als „Feind“ bei einer „Zusammenarbeit“ mit dem Feind
Dass sich das Verhältnis der FDLR zu weiten Teilen der kongolesischen Zivilbevölkerung im Vorfeld und während der Operationen im Jahr 2009 verschlechterte, die FDLR durch „Sensibilisierungsmaßnahmen“ bzw. Warnungen und Drohungen versuchte, die einheimische Bevölkerung von der Unterstützung der gegnerischen Soldaten abzuhalten, und sie diejenigen kongolesischen Zivilisten, die nach ihrer Auffassung mit der Koalitionsarmee bzw. der FARDC „zusammenarbeiteten“, als Feind betrachtete, wird durch die folgenden Beweismittel belegt:
aa) Angaben der ehemaligen FDLR-Angehörigen
Eine Vielzahl der ehemaligen FDLR-Angehörigen bestätigte, dass die FDLR während der Operationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ diejenigen kongolesischen Zivilisten, die sich von der FDLR abwandten und mit dem Feind zusammenarbeiteten, als Feind betrachtete und damit im Konfliktfall auch eine entsprechende Behandlung als Feind verband. Soweit die übrigen Zeugen aus dem Bereich der FDLR hierzu überhaupt Ausführungen machten, nannten sie keine Umstände, die diese Angaben in Frage gestellt hätten. Übereinstimmend beschrieben die ehemaligen FDLR-Kämpfer Maßnahmen, mit denen die FDLR sich in den Zonen, die lange Zeit unter ihre Kontrolle waren, sich des Rückhalts der Zivilisten zu versichern bzw. diese von einem Wechsel zum Feind abzuhalten versuchte. Kein ganz einheitliches Bild ergab sich lediglich zur Frage, was die FDLR tatsächlich im konkreten Fall unter einer Zusammenarbeit der Zivilisten mit dem Feind verstand. So berichteten die Zeugen zwar einheitlich davon, dass die kongolesischen Streitkräfte sich häufig in den Siedlungen der kongolesischen Bevölkerung niederließen, sich dort mit Unterkünften, Nahrung, Holz und allem was man zum Leben brauchte, versorgen ließen und die Zivilisten teilweise auch als Informanten und Wegführer für die feindlichen Soldaten tätig waren. Für eine Zusammenarbeit mit dem Feind reichte es nach den Aussagen eines Teils der ehemaligen FDLR-Angehörigen allerdings bereits aus, wenn die kongolesischen Zivilisten bei Ankunft der feindlichen Soldaten ihre Dörfer nicht verließen, während andere Zeugen eine Zusammenarbeit erst dann für gegeben ansahen, wenn die kongolesischen Zivilisten darüber hinaus für den Feind tätig wurden, indem sie beispielsweise der FARDC Wege zu Verstecken der ruandischen Flüchtlinge bzw. zur FDLR zeigten oder bei Angriffen auf ruandische Flüchtlinge dabei waren.
(1)
Dass es während der Operationen „Umoja Wetu“ und “Kimia II“ Befehle des FOCA-Kommandanten S.M. gab, Kongolesen, die mit dem Feind zusammenarbeiteten, als Feinde zu betrachten, berichtete der damals als Chef des Informationsbüros des FOCA-Kommandos tätige Zeuge 2S. aufgrund entsprechender ihm bekannter Telegramme. Er gab an, die kongolesischen Bürger seien im Vorfeld der Kämpfe von Seiten der FDLR aufgefordert worden, nicht mit dem Feind zusammenzuarbeiten und den oftmals nicht ortskundigen feindlichen Soldaten nicht die Plätze und Wege zur FDLR zu zeigen. Unter anderem habe der G 5 die Dorfchefs eingeladen, damit sie diese Botschaft an ihre Bürger übermittelten. Als man festgestellt habe, dass einige kongolesische Bürger trotzdem mit dem Feind zusammengearbeitet hätten und S.M. dies erfahren habe, habe der FOCA-Kommandant angeordnet, Flugblätter in den Gebieten zu verteilen, in denen die Zivilbürger mit dem Feind zusammenarbeiteten. Darin habe es geheißen, wenn die Bürger weiter mit dem Feind zusammenarbeiteten, würden sie als Feinde betrachtet. Unter Zusammenarbeit war dabei nach seinen Angaben bereits zu verstehen, wenn die kongolesischen Bürger den feindlichen Streitkräften in den Siedlungen Nahrung und Unterkunft zur Verfügung stellten und der Aufforderung der FDLR zu fliehen, nicht folgten. Wie er schilderte, wechselten viele Kongolesen trotzdem auf die Seite der stärkeren Koalitionstruppen. Immer wenn die FDLR dies erfahren habe, habe es die Befehle gegeben, dass Kongolesen, die mit dem Feind zusammenarbeiteten, als Feind betrachtet würden. Als die Koalitionsarmee gekommen sei, habe beispielweise der Volksstamm der Tembo mit dieser zusammengearbeitet. Danach seien die Tembo als Feinde betrachtet worden. Es sei klar, dass man dann, wenn man als Feind betrachtet werde, auch so behandelt werde. Befragt nach Orten, in denen die Zivilbürger als Feind betrachtet worden seien, nannte der Zeuge beispielhaft die Orte Busurungi, Mianga, Mangere und Manje.
(2)
Auch der damals als stellvertretender Leiter des Büros G 2 beim FOCA-Kommando tätige Zeuge J.B. berichtete, Zivilisten, die während der Operationen im Jahr 2009 mit dem Feind zusammengearbeitet hätten, seien von der FDLR als Feind betrachtet worden. Die FDLR habe vor „Umoja Wetu“ viel „Sensibilisierungsarbeit“ betrieben, indem man die kongolesische Zivilbevölkerung auf das lange Zusammenleben mit der FDLR und die untereinander geschlossenen Ehen hingewiesen und zu bedenken gegeben habe, dass die FDLR am Ende sei, wenn die Bürger ihr nicht helfen würden. Gleichzeitig habe man die Zivilisten gewarnt, nicht mit der FARDC zusammenzuarbeiten und dieser nicht zu zeigen, wo sich die FDLR befinde, ansonsten würde man sie als Feinde betrachten. Zur „Sensibilisierung“ der Bevölkerung habe es Versammlungen der Einheitskommandeure der FDLR bzw. der zuständigen Personen von G 5 und des Exekutivkommissariats mit Vertretern der kongolesischen Zivilbevölkerung gegeben. Auch seien Flugblätter an die Zivilisten verteilt worden. Dies habe vor allem bei den Angehörigen der nicht Kinyarwanda sprechenden kongolesischen Stämme der Tembo und Hunde nicht geholfen, die trotzdem auf die Seite der kongolesischen und ruandischen Armee gewechselt und gegen die FDLR gewesen seien. Anders als der Zeuge 2S. gab er allerdings an, dass nicht bereits diejenigen kongolesischen Bürger als Feind betrachtet wurden, die nicht aus Siedlungen flüchteten, in denen sich der Feind niederließ, sondern vor allem die Zivilisten, die dem Feind die Wege oder die Verstecke der FDLR zeigten. So hätten die kongolesischen Zivilisten in Siedlungen, in denen sich die FARDC niedergelassen habe, manchmal Angst gehabt und die FARDC nicht gewollt, aber teilweise keine andere Wahl gehabt. Auf die Frage, was es heiße, als Feind betrachtet zu werden, antwortete er, „Das bedeutet, wenn ihr mit ihnen zusammenarbeitet und wir greifen den Feind an, dann greifen wir euch an“. Die als Feind betrachteten Zivilisten seien vor Angriffen der FDLR auf kongolesische Siedlungen nicht gewarnt worden.
(3)
Des Weiteren berichteten die zum damaligen Zeitpunkt am Standort des FOCA-Kommandos lebenden Zeugen 5B. und 2MM. von Anweisungen des FOCA-Kommandanten S.M., nach denen Zivilisten, die mit dem Feind zusammenarbeiteten, als Feind zu betrachten seien. Beide gaben an, dies habe in einem Telegramm gestanden, das ihnen in Kalongi vorgelesen worden sei.
(a)
Hierzu berichtete der damals als Leiter der „Résistance Civile“ tätige Zeuge 5B., die FARDC habe im Vorfeld der Operation „Umoja Wetu“ die kongolesischen Zivilisten aufgefordert, auf die Seite der kongolesischen Armee zu kommen und jeden Ruander zu bekämpfen, sobald die kongolesischen Streitkräfte die FDLR angreifen würden. Der FOCA-Kommandant S.M. habe daraufhin kurz vor Beginn der Operation „Umoja Wetu“ vor den dort versammelten und im Bereich des FOCA-Kommandos lebenden Offizieren ein Telegramm mit Befehlen verlesen. Darin sei unter anderem gestanden, dass die ruandische und kongolesische Armee zusammenarbeiteten, um die FDLR zu bekämpfen und man den kongolesischen Bürgern mitteilen solle, nicht mit denjenigen, welche die FDLR bekämpfen wollten, zusammenzuarbeiten. Diejenigen, die trotzdem mit dem Feind zusammenarbeiteten, würden als Feinde der FDLR betrachtet. In der Folge seien Personen, die innerhalb der FDLR für das Zusammenleben zwischen den Zivilisten und den Soldaten zuständig gewesen seien, zur Bevölkerung geschickt worden, um den Bürgern zu erklären, dass sie Probleme haben würden, wenn sie bei Angriffen oder im Krieg mit dem Feind zusammenarbeiteten und sich nicht neutral verhielten. Auch sei in Flugblättern des FOCA-Kommandos, die bei den kongolesischen Bürgern in den Dörfern verteilt worden seien, gestanden, die Bevölkerung müsse sich vom Feind distanzieren bzw. Zivilisten, die mit dem Feind zusammenarbeiteten, würden als Feinde behandelt. Die Bürger hätten gewusst, dass die Zettel von der FDLR seien, weil sie von Soldaten der FDLR verteilt worden seien. Er habe mehrere dieser in der Sprache Kisuaheli gehaltenen Zettel selbst gesehen. Dass er die Sprache Kisuaheli ausreichend beherrschte, um solche Texte erfassen und zuverlässig darüber berichten zu können, stellte er auf entsprechende Testfragen durch die Verteidigung problemlos unter Beweis.
Als Feinde wurden nach den Angaben des Zeugen diejenigen Zivilisten betrachtet, die den feindlichen Soldaten „Kraft gaben“, indem sie diese mit Essen versorgten, aber auch wenn sie ihnen die Wege in die Wälder zeigten. Ziel der „Sensibilisierungsmaßnahmen“ der FDLR sei es gewesen, die kongolesischen Bürger zu bewegen, dorthin zu gehen, wo sich die ruandischen Flüchtlinge befanden, um hierdurch den kongolesischen Soldaten die „Kraft“ zu nehmen und diese zur Flucht zu veranlassen. Insbesondere die Volksgruppe der Tembo sei aber trotzdem auf die Seite des Feindes gegangen, habe sich mit diesem vermischt und zusammengearbeitet. Dass die Tatsache, von der FDLR als Feind betrachtet zu werden, auch eine Behandlung als Feind beinhaltete, zeigte die Antwort des Zeugen „ ja, so war es“ auf die Frage, ob man Zivilisten im Fall der Zusammenarbeit mit dem Feind auch töten konnte.
(b)
Auch der Zeuge 2MM. gab an, dass in einer der regelmäßig am Standort des FOCA-Kommandos erfolgten Versammlungen den Soldaten ein Telegramm, von dem es geheißen habe, es komme „von oben“, mit der Anweisung des FOCA-Kommandanten S.M. vorgelesen worden sei, die Zivilbevölkerung solle nicht mit dem Feind zusammenarbeiten und wenn sie es dennoch tue, werde sie als Feind betrachtet. Dies sei einer von mehreren Punkten im Telegramm gewesen. Dabei sei es darum gegangen, dass die Zivilisten dem Feind nicht den Aufenthaltsort der FDLR zeigen, ihn insoweit anlügen und alles unterlassen sollten, was für die FDLR zu Problemen führen könnte, und sie andernfalls mit Konsequenzen zu rechnen hätten. Zwar sei in dem Telegramm nicht gestanden, welche Konsequenzen die kongolesischen Zivilisten konkret zu erwarten hätten. Wenn zwei Elefanten miteinander kämpften, leide aber das Gras darunter, damit meine er, dass die Zivilisten selbstverständlich leiden würden. Auch der Zeuge 2MM. kannte Handzettel der FDLR, die in den kongolesischen Dörfern verteilt und in denen die kongolesischen Zivilisten vor einer Zusammenarbeit mit dem Feind gewarnt wurden. Ähnlich wie der Zeuge J.B. beschrieb auch er, dass die Zivilbevölkerung darin auf das lange Zusammenleben mit der FDLR und die untereinander geschlossenen Ehen hingewiesen, gleichzeitig aber gewarnt worden sei, das gute Zusammenleben nicht zum Beispiel durch den Verrat der Aufenthaltsorte der FDLR zu zerstören, weil sie selbst und ihre Leute ansonsten Konsequenzen zu erwarten hätten. Sie sollten aufpassen, nicht in diese Falle zu geraten.
(4)
Passend zu den Angaben der oben genannten Zeugen schilderte der damals ebenfalls beim FOCA-Kommando angesiedelte Zeuge 1S.B., dass er als Leiter des Büros G 5 oft mit den Chefs der Zivilbevölkerung gesprochen und sie um Unterstützung für die FDLR gebeten habe. Den kongolesischen Behörden, den kongolesischen Zivilisten sowie den Mai-Mai und den kongolesischen Soldaten sei durch die FDLR immer wieder mitgeteilt worden, sich nicht miteinander zu vermischen. Bei bevorstehenden Kämpfen habe die FOCA die Zivilbevölkerung aufgefordert, die Kampfzone zu verlassen, was der Feind durchaus als etwas Schlechtes habe ansehen können. Derjenige, der die Bevölkerung auf seiner Seite habe, genieße nämlich moralische und operationale Unterstützung und komme einfacher zu Informationen und logistischer Hilfe. Wenn die Zivilisten die Flucht gewählt hätten, habe dies gezeigt, dass diese für die FDLR gewesen und auf ihrer Seite gestanden seien. Auch der Zeuge 1S.B. berichtete davon, dass die kongolesischen Zivilisten, in deren Dörfern FARDC-Soldaten Stellungen hatten, Probleme bei Kämpfen bekommen hätten. Anders als in den ihm vorgehaltenen Angaben im Protokoll seiner Vernehmung vom 1. Februar 2010 durch Beamte des Bundeskriminalamts und der Bundesanwaltschaft in einem anderen Ermittlungsverfahren sprach er zwar nicht mehr davon, dass in einem solchen Fall bei Angriffen der FDLR die gesamte Bevölkerung des Ortes als Feind gesehen und beschossen worden sei, schilderte aber, dass die Schüsse, wenn die FARDC mit den Zivilisten zusammenlebte, nicht hätten unterscheiden können, wen sie trafen.
(5)
Der für den Schutz des Exekutivkomitees zuständige Kompaniekommandant und Anfang des Jahres 2009 in Kibua stationierte Zeuge 9N. bestätigte ebenfalls, dass es im Jahr 2009 Schreiben der FDLR an die kongolesische Zivilbevölkerung gegeben habe, in denen die Zivilisten gewarnt worden seien, sie würden als Feind betrachtet und dafür zahlen, wenn sie weiter mit dem Feind zusammenarbeiteten. Der Zeuge hatte zwar zunächst in der Hauptverhandlung angegeben, bei einem Wechsel der kongolesischen Zivilbevölkerung zur Koalitionsarmee und Kampf auf deren Seite seien die Zivilisten von der FDLR nicht als Feind betrachtet worden. Nachdem ihm seine entgegenstehenden Angaben hierzu in seiner Vernehmung vom 7. Dezember 2009 im Ermittlungsverfahren durch Abspielen der Bild-Ton-Aufzeichnung vorgehalten worden waren, machte er aber die oben genannten Angaben und bestätigte ebenfalls, dass die Anweisungen für die Warn- und Drohschreiben an die Bevölkerung vom FOCA-Kommandanten S.M. gekommen seien. Auch berichtete er von Treffen der in der DR Kongo ansässigen Führung der FDLR mit Vertretern der Zivilbevölkerung, in denen ähnliche Botschaften an die kongolesischen Zivilisten erfolgt seien. So wurde nach seinen Angaben in seiner Anwesenheit in einer vor der Operation „Umoja Wetu“ vom 2. Vizepräsidenten der FDLR mit kongolesischen Ortsvorsteher in Kibua abgehaltenen Versammlung die Botschaft an die Bürger verkündet, sich nicht mit dem Feind zu vermischen oder mit ihm zusammenzuarbeiten, sondern am besten zu fliehen, weil sie ansonsten die Konsequenzen des Krieges erleiden würden. Auch der Zeuge 9N. berichtete davon, dass die Zivilisten, die zu den Stellungen der FARDC gegangen seien, bei Angriffen der FDLR gestorben oder verletzt worden seien, weil sie mit dem Feind zusammen gewesen seien, denn „Schüsse können nicht unterscheiden“. Als Feinde seien allerdings nur diejenigen betrachtet worden, die zur Seite des Gegners geflüchtet seien und beschlossen hätten, Waffen zu tragen.
(6)
Dass im Rahmen der Operationen im Jahr 2009 kongolesische Zivilisten, die mit dem Feind zusammenarbeiteten, von der FDLR als Feind betrachtet wurden und es entsprechende Anweisungen des FOCA-Kommandanten gab, berichtete darüber hinaus der damals als Cheffunker beim Kommando der Division Süd-Kivu fungierende Zeuge 6N. unter Berufung auf ein entsprechendes Telegramm des FOCA-Kommandos an das Kommando von SOSUKI. In der Nachricht, die nach einer Versammlung des FOCA-Kommandanten mit Soldaten in Masisi verschickt worden sei, sei gestanden, S.M. habe nach Meldungen in Radiosendern, wonach in Busurungi Zivilisten umgekommen seien, gesagt, jeder Zivilist, der mit dem Feind zusammenarbeite, werde selbst auch als Feind betrachtet. Wenn die FARDC in eine Siedlung gekommen sei und die Zivilisten das akzeptiert hätten und nicht geflohen seien, seien sie von der FDLR als Feind betrachtet worden. Wenn ein Bürger in dieser Situation mit dem Feind in der Siedlung bleibe, könne man nicht sagen, dass er nur dort lebe, ohne mit dem Feind zusammenzuarbeiten. Diejenigen Zivilisten, die dort gearbeitet hätten, wo der Feind gewesen sei, habe man bei Angriffen der FDLR nicht vom Feind unterschieden.
(7)
Auch der im Jahr 2009 zunächst als stellvertretender Leiter des Büros 3 beim Bataillon PM und ab Mitte April 2009 bei der Reservebrigade tätige Zeuge 7N. berichtete, dass es Anweisungen des FOCA-Kommandos gegeben habe, diejenigen Zivilisten, die mit dem Feind zusammenarbeiteten, als Feinde zu betrachten. Mit den Operationen im Jahr 2009 habe sich das Zusammenleben zwischen der FDLR und den kongolesischen Zivilisten geändert. Die Kongolesen hätten die FDLR teilweise gehasst, weil ihre Führer ihnen gesagt hätten, dass die FDLR, egal ob sie wolle oder nicht, den Kongo verlassen müsse. Kongolesische Zivilisten hätten der FARDC die Wege zu den ruandischen Flüchtlingen gezeigt und auch teilweise selbst ruandische Flüchtlinge getötet. Das FOCA-Kommando habe daraufhin gesagt, dass diese Feinde seien. Auch er wusste von Versammlungen von FDLR-Leuten mit der kongolesischen Bevölkerung sowie Warnschreiben der FDLR. So berichtete er, es seien immer wieder Flugblätter an die Kongolesen verteilt worden, in denen die Bürger vor schlechten Aktionen gegen ruandische Flüchtlinge gewarnt worden seien. Darin sei auch gestanden „ihr seid selber schuld, wenn ihr sterben werdet, obwohl wir euch gewarnt haben“.
(8)
Darüber hinaus bekundeten die Zeugen 1G.N., 10N. und 1A.N. sowie der zu diesem Zeitpunkt bereits repatriierte Zeuge 2G., dass der Teil der Bevölkerung, der zum Feind gegangen sei bzw. mit dem Feind zusammengearbeitet oder der FARDC den Aufenthalt der FDLR verraten habe, von der FDLR als Feind betrachtet worden sei. So berichtete der Zeuge 1G.N., mit Beginn des Krieges im Jahr 2009 habe sich das Verhältnis der FDLR zur kongolesischen Bevölkerung geändert, weil einige Zivilisten auf die Seite des Feindes gegangen seien, mit diesem zusammengelebt hätten und manchmal auch dabei gewesen seien, wenn der Feind die FDLR angegriffen habe. Die Zivilisten, die zur FARDC gegangen seien, seien daraufhin von der FDLR als Feind betrachtet worden. Wenn Zivilisten zum Feind gegangen und von der FDLR als Feind betrachtet worden seien, habe die FDLR, wenn sie den Feind angegriffen haben, beide angegriffen. Auch der Zeuge 10N. bestätigte, dass das Verhältnis der FDLR zur kongolesischen Zivilbevölkerung während der Kriegszeiten nicht gut gewesen sei, weil die kongolesischen Zivilisten auf die Seite der Regierungssoldaten gewechselt seien. Da viele Männer, die in die Siedlungen mit feindlichen Soldaten gegangen seien, als Führer der Feinde zurückgekommen seien, hätten sie die zur Koalitionsarmee geflüchteten Zivilisten als Feinde betrachtet. Die kongolesischen Zivilisten, die beim Feind geblieben seien, hätten dann Probleme bekommen. Auch er wusste, dass die in der DR Kongo ansässigen Politiker der FDLR in diesem Zusammenhang Gespräche mit der Zivilbevölkerung geführt hatten. Dass sich das Verhältnis der FDLR zur kongolesischen Zivilbevölkerung ab „Umoja Wetu“ verschlechterte, weil die FARDC alles dafür tat, dass die Bevölkerung die FDLR hasste, und sie diese auch bei ihrer Suche nach der FDLR benutzte, bekundete ebenfalls der Zeuge 1A.N.. Da sich die FDLR-Soldaten daraufhin nicht mehr frei hätten bewegen können und von der kongolesischen Zivilbevölkerung festgenommen worden seien, hätten sie die kongolesischen Zivilisten als Feind betrachtet. Wenn sie Angriffe gegen Siedlungen geführt hätten, in denen kongolesische Zivilisten gewesen seien, seien dort auch Zivilisten gestorben. Davon, dass diejenigen kongolesischen Zivilisten, die den feindlichen ruandischen Soldaten oder Soldaten, gegen die die FDLR kämpfte, Essen brachten oder deren Gepäck trugen, von der FDLR als Feinde angesehen wurden, berichtete zudem der Zeuge 2G., der sich insoweit auf entsprechende Informationen von FDLR-Rückkehrern sowie Nachrichten stützte, die er in telefonischen Kontakten mit aktiven FDLR-Kämpfern erhalten hatte.
bb) Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung und aus asservierten Dateien
Auch die folgenden Erkenntnisse aus der TKÜ-Überwachung bzw. aus einer asservierten Datei zeigen, dass die FDLR im Jahr 2009 Flugblätter an die Kongolesen verteilte bzw. vor den Folgen einer Vermischung der FARDC und der Mai-Mai mit den kongolesischen Zivilisten in den Dörfern warnte:
(1)
In einem Telefongespräch vom 10. Februar 2009 teilte der FOCA-Kommandant S.M. dem Angeklagten Dr. M. mit, sie machten gerade eine Analyse des Krieges, in dem sie sich befänden, und verfassten Flugblätter, die sie an Hutu und Kongolesen verteilten und machten etwas anderes bezüglich der Verantwortlichen. Sie verteilten diese nur hier, wo sie seien.
(2)
In einer auf dem Laptop des Angeklagten Dr. M. befindlichen „Nachricht von dem 2. Vizepräsidenten vom 17. Mai 2009“ sowie im Entwurf einer Presseerklärung zu den Operationen in Mianga und Busurungi, den der Angeklagte Dr. M. am 21. Mai 2009 an den Angeklagten M., 2C.M. und 1N.M. per E-Mail übersandte, wird davon berichtet, dass die FDLR die FARDC-Militärs, die Mai-Mai und die kongolesischen Autoritäten bzw. Machthaber gebeten und gewarnt habe, sich nicht mit der Zivilbevölkerung in den Dörfern und in ihren Stellungen zu vermischen, da die FDLR überall da, wo sich der Feind bzw. Aggressor befinde, jederzeit zuschlage.
cc) Angaben der Zeugin VW. über die Untersuchungen von HRW
Nach den Ausführungen der Zeugin VW. bestätigten auch die Recherchen von HRW, dass die FDLR diejenigen kongolesischen Zivilisten, die auf der Seite des Feindes standen bzw. mit ihm zusammenarbeiteten, als Feind betrachtete, in einem solchen Fall mit Konsequenzen drohte und dies in mündlichen und schriftlichen Warnungen und Drohungen an die kongolesische Bevölkerung kundtat. Wie die Zeugin ausführte, berichteten HRW insgesamt 73 Zeugen von mündlichen Drohungen der FDLR an die kongolesische Zivilbevölkerung im Vorfeld und während der Operationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“. Dabei seien die Drohungen manchmal bei Treffen und Versammlungen gegenüber den kongolesischen Zivilisten ausgesprochen worden, manchmal habe es sich um Drohungen gegenüber Einzelpersonen gehandelt. Insgesamt sei HRW von 11 öffentlichen Treffen und Versammlungen, die hauptsächlich im Zeitraum zwischen Anfang und Juni des Jahres 2009 erfolgt seien, sowie 23 weiteren Gelegenheiten mit mündlichen Drohungen von Seiten der FDLR informiert worden. Auch habe HRW von insgesamt 16 Warn- und Drohschreiben der FDLR erfahren, deren Adressaten oftmals die örtliche Bevölkerung oder deren Chefs gewesen seien. In acht Fällen seien HRW die Schreiben der FDLR vorgelegt und von ihren Mitarbeitern fotografiert bzw. eingescannt und anschließend im Bericht von HRW vom Dezember 2009 veröffentlicht worden. Hierzu berichtete die Zeugin, dass sie selbst erstaunt darüber gewesen sei, welche Konsistenz zwischen den verschiedenen Formen der Drohungen vorhanden gewesen sei. So sei die örtliche Bevölkerung regelmäßig beschuldigt worden, mit der kongolesischen Armee zusammenzuarbeiten, das Lager gewechselt zu haben oder zum Feind übergelaufen zu sein. Auch sei immer wieder gesagt worden, dass die Zivilisten, wenn sie nicht für die FDLR seien, Feinde seien und bestraft würden.
(1)
Wie die Zeugin hierzu im Einzelnen ausführte, gab es solche öffentlichen Versamm-lungen, in denen die FDLR der Bevölkerung drohte, wenn sie nicht auf der Seite der FDLR stehe, werde sie als Feind betrachtet und bestraft, in ganz verschiedenen Gebieten, nämlich in Buhimba, Kanyatsi und Bwavinja im Gebiet Lubero, in Fungurmacho, Maya und Katoyi im Gebiet Masisi und in Lushoa, Mwima, Munazi und Ntoto im Gebiet Walikale sowie in Nduma im Gebiet Shabunda. Da die Zeugin kongolesische Teilnehmer der Versammlungen in Katoyi bzw. Nduma Ende Januar 2009 bzw. am 20. März 2009 selbst interviewt hatte, verdeutlichte sie anhand dieser beiden Fälle beispielhaft den Ablauf solcher Treffen.
So gab sie zur Versammlung in Katoyi an, die von ihr befragten zwei Augenzeugen hätten berichtet, der Versammlungsleiter habe sich als Kommandant V. vorgestellt und die Anwesenden gefragt, ob sie für oder gegen die FDLR seien. Auf deren Schweigen habe er erklärt, dass dieses als Zusammenarbeit mit der FARDC gewertet werde und sie daher als Feinde betrachtet würden. Auch habe er die Anwesenden beschuldigt, die kongolesische Regierung zu unterstützen und davon gesprochen, dass die FDLR die Macheten und Speere schärfe. Dabei erinnerte sich die Zeugin, dass die befragten zwei Personen den Ton von V. als sehr bedrohlich beschrieben hatten und davon ausgegangen seien, dass die FDLR sie jetzt angreifen werde. Kurz darauf seien dann Straßensperren durch die FDLR erfolgt. Wie der Zeuge 2S. passend hierzu bekundete, gehörte Katoyi zur Zone, für die der FDLR-Hauptmann V. zum damaligen Zeitpunkt zuständig gewesen sei.
Zu der im Süd-Kivu in der Nähe des Kahuzi-Biega Parks erfolgten Versammlung in Nduma berichtete die Zeugin VW., dass zwei von ihr getrennt befragte kongolesische Augenzeugen die auf der Versammlung anwesenden sechs Kämpfer, die die Versammlung führten, aufgrund ihres langjährigen Zusammenlebens mit der FDLR eindeutig als FDLR-Angehörige erkannt hätten. Beide hätten unabhängig voneinander geschildert, der ranghöchste Kämpfer, ein Hauptmann, habe den anwesenden kongolesischen Bürgern gedroht, „wenn ihr auf der Seite der kongolesischen Armee seid, dann werdet auch ihr getötet“. Die anderen FDLR-Kämpfer hätten ebenfalls gewarnt, sie sollten nicht die Seite der kongolesischen Armee ergreifen. Anschließend habe die FDLR Kontrollen an Brücken errichtet, um die Flucht der Bürger aus dem Gebiet zu verhindern. Ergänzend hierzu ist im Bericht von HRW vom Dezember 2009 zu der Versammlung in Funguramacho, einem Dorf in der Nähe von Remeka im Gebiet Masisi, ausgeführt, dass nach den Angaben von Teilnehmern der Versammlung die FDLR dort alle zusammengerufen und gesagt habe „wir haben gehört, dass sie (die Streitkräfte der Koalition) kommen, um uns anzugreifen. Wenn ihr gegen uns seid, bevor sie kommen, um uns zu töten, werden wir euch töten“.
(2)
Zu den von HRW erhaltenen Droh- und Warnschreiben der FDLR bzw. entsprechenden Informationen von Kongolesen hierzu berichtete die Zeugin, diese hätten ein Muster an Bedrohung und Einschüchterung gegenüber der örtlichen Bevölkerung aufgezeigt, das für sie als langjährige Ermittlerin in der DR Kongo neu gewesen sei. Darin sei häufig damit gedroht worden, die Zivilisten würden bestraft, wenn sie sich nicht wie befohlen verhielten. Auch sei oftmals die Rede davon gewesen, dass die Zivilisten in einem solchen Fall angegriffen würden, weil sie Feinde der FDLR seien. In den Briefen, die offensichtlich in der Absicht, von der Zivilbevölkerung gefunden zu werden, an Bäumen und Türen befestigt oder auf Fußwegen abgelegt worden seien, sei dabei eine Vielzahl von Begriffen verwendet worden, um zu zeigen, wie die Zivilisten bestraft würden.
Als Beispiele für Drohschreiben der FDLR, die HRW erhalten hatte, verwies die Zeugin auf die von HRW fotografierten, im Bericht von HRW veröffentlichten und in der Hauptverhandlung in der Übersetzung verlesenen Schreiben. Hierzu berichtete sie, dass HRW von ganz unterschiedlichen Quellen über die Schreiben informiert worden sei, nämlich von der örtlichen Bevölkerung, von örtlichen Behörden, der kongolesischen Armee sowie einem Menschenrechtsaktivisten und der UN. Dabei legte sie jeweils im Einzelnen nachvollziehbar dar, warum die Menschenrechtsorganisation von der Herkunft der Schreiben aus dem Bereich der FDLR ausging. So berichtete sie, dass die Empfänger jeweils glaubhaft versichert hätten, dass die Schreiben von der FDLR stammten. In mehreren Fällen hätten die vor Ort befragten Personen die Unterzeichner der fotografierten Schreiben als Angehörige der FDLR identifiziert und zudem aufgrund spezifischer sprachlicher Besonderheiten in den Briefen deren Herkunft aus dem Bereich der FDLR erkannt. Auch habe HRW regelmäßig weitere Recherchen zur Herkunft der Schreiben getätigt, die die Zuordnung der Schreiben zur FDLR und die Informationen der von ihnen befragten Personen in den meisten Fällen klar bestätigt hätten. Als Umstände, die für die Urheberschaft der FDLR sprachen, nannte sie hierbei neben den auf den Schreiben vorhandenen Unterschriften und Stempeln der FDLR auch die Art und Weise, wie die Schreiben verteilt worden waren, deren Inhalt sowie den Kontext der Schreiben. Hinweise, dass es sich bei den von HRW fotografierten und der FDLR zugeordneten Schreiben um Fälschungen handeln könnte, hätten sich deshalb für HRW nicht ergeben. Stichhaltige Anhaltspunkte hierfür ergaben sich auch aufgrund der sonstigen Beweisaufnahme nicht.
Inhalt der von HRW ermittelten Drohschreiben war unter anderem der folgende:
(a)
In einem in der Hauptverhandlung in der Übersetzung verlesenen Schreiben vom 28. Juli 2009 heißt es unter der Überschrift „Erklärung“:
„Ihr habt uns von hier, wo wir wohnten, vertrieben und uns nach Ihembe geschickt. Wir werden nicht weggehen, bis ihr uns angehört habt. Ob es euch gefällt oder nicht, wir werden nur weiterleben. Wenn ihr euch weigert, werden wir uns Gehör verschaffen. Wir sind nicht mehr im Jahr 1996,1997, als ihr uns wie Tiere abgeschlachtet habt. Als wir dort aufwuchsen, haben wir gesagt, dass unsere Heimkehr Zerstörung und Töten bedeutet. Heute zerstören wir, morgen werden wir töten. Wir stehen erst am Anfang. Ihr brüstet euch, zu den Watutsi zu gehören. Aber sie werden euch auch nicht schützen können. Bevor ihr die Watutsi herbeigerufen habt, waren wir bereits hier? Ihr habt es selbst verursacht. Jetzt macht euch bereit, auf uns zu treffen. Wenn euch euer Leben lieb ist, dann geht alle nach Bukavu. Wenn wir in zwei Tagen jemanden antreffen, werden wir ihm die Kehle durchschneiden.
P.S. Mr. F.B., wenn Sie heute entkommen, werden wir Sie morgen erwischen. Sie werden getötet werden, egal, an welchem Tag, ob bei Tag oder Nacht.“
Wie die Zeugin VW. hierzu ausführte, erhielt HRW das Schreiben von einem amtlichen Menschenrechtsaktivisten aus dem Süd-Kivu, nachdem es während eines FDLR-Angriffs in der Stadt Ihembe, bei dem ein Krankenhaus geplündert und Häuser verbrannt wurden, zurückgelassen worden war. Nach ihren Angaben handelte es sich bei dem im Schreiben genannten “F.B.“ um den örtlichen Vorsteher der Stadt. Dass es bei der Stadt Ihembe FDLR-Einheiten gab, bestätigte der damals im Süd-Kivu tätige Zeuge 6N..
(b)
Ein weiteres ebenfalls mit „Erklärung“ überschriebenes und in der Hauptverhandlung verlesenes Schreiben, das HRW nach den Ausführungen der Zeugin VW. von der kongolesischen Armee erhalten hatte, lautete wie folgt:
„1. Ihr Einwohner von Kabosi, wir mögen euch sehr. Wir möchten euch nichts Schlechtes.
2. Was uns dazu veranlasst, euch anzugreifen, ist, dass die FARDC uns im Busch angreift.
3. Wenn es die FARDC vorzieht, den Busch zu besetzen, sollten Sie uns die besiedelten Gebiete überlassen.
4. Wenn wir nur einen Soldaten der FARDC in den städtischen Zentren sehen, werden wir diese samt allen Soldaten niederbrennen. Wir befinden uns nicht weit von hier. Wir sind überall und kommen aus dem Busch.“
Nach Angaben der Zeugin handelte es sich bei „Kabosi“ oder „Kabos“ gemäß den von HRW durchgeführten Ermittlungen um die Stadt Kanyabayonga. Hierzu berichtete sie, HRW habe das Schreiben dem örtlichen Vorsteher von Kanyabayonga, einem DDRRR-Mitarbeiter sowie Mitarbeitern der UN gezeigt. Diese seien ebenfalls von dessen Herkunft aus dem Bereich der FDLR ausgegangen. Die Stadt Kanyabayonga war auch mehreren FDLR-Soldaten bekannt und wurde vom Zeugen 1G.N. als ein Ort beschrieben, in dem es vor den Operationen im Jahr 2009 FDLR-Stellungen gegeben habe.
(c)
In einem unter der Überschrift „Kommuniqué“ erfolgten und in der Hauptverhandlung in der Übersetzung verlesenen Schreiben, das HRW nach den Ausführungen der Zeugin VW. von einem Offizier der kongolesischen Armee vorgelegt wurde, heißt es unter anderem:
„2. Sagen Sie den FARDC, dass sie aufhören sollen, uns im Busch anzugreifen.
3. Seit dieser Woche sind wir nicht mehr im Busch, wir sind überall in den Dörfern, wie z.B.: Beni, Butembe, Lubero…
4. Sagen Sie den FARDC, sie sollen Kanyaba, Yonba, Luofu, Miriri, Lubero verlassen und dass alle Ruander nach Hause zurückkehren, dass die FARDC aufhören soll, sich unter die Ruander zu mischen, ansonsten werden wir alle Dörfer in Brand stecken“.
(d)
Zum Inhalt und Wortlaut dreier weiterer von „3G.“ unterzeichneter und in der Hauptverhandlung verlesener Schreiben mit Drohungen gegen die Zivilbevölkerung wird auf die entsprechenden Ausführungen unter Teil 3, C. V. 3. d) aa) (2) zum Angriff der FDLR auf Chiriba verwiesen.
(e)
Ergänzend zu den genannten Schreiben ist im Bericht von HRW vom Dezember 2009 ein weiteres von einem Kommandeur der FDLR, BY., von der 21. Brigade der FDLR unterzeichnetes und an den Gouverneur von Süd-Kivu gerichtetes Schreiben aus der Zeit während der Operation „Umoja Wetu“ aufgeführt, in dem der Autor des Schreibens davor warnt, dass jeder, der mit der ruandischen Armee kollaboriere, als „Todfeind“ betrachtet werde. Auch heißt es dort, dass die Bevölkerung als „Kriegspartei“ mit allen „vorstellbaren Konsequenzen“ betrachtet werde, wenn sie mit den ruandischen Soldaten zusammenarbeite. Nach den Angaben der Zeugin VW. war die Quelle hierfür der HRW vorliegende tägliche Bericht von MONUC Süd-Kivu vom 11. Februar 2009. Wie die Zeugin berichtete, ergaben die Ermittlungen von HRW, dass sich auch andere Quellen, nämlich Organisationen, die im Süd-Kivu arbeiteten, und die kongolesische Armee auf die 21. Brigade der FDLR bezogen und diese kannten. Anhaltspunkte dafür, an der Glaubwürdigkeit des Berichts zu zweifeln, habe es deshalb für HRW nicht gegeben.
dd) Angaben der UN-Zeugen 4D.M. und 1C.G. sowie 3B.
Gestützt werden die Angaben der ehemaligen FDLR-Angehörigen und die Recherchen von HRW zusätzlich durch die Erkenntnisse der UN-Experten 4D.M. und 1C.G. sowie des UN-Mitarbeiters 3B. über mündliche und schriftliche Warnungen und Drohungen der FDLR im Vorfeld und während der Operationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“.
(1)
So wurde der UN-Expertengruppe nach den Ausführungen der Zeugen 4D.M. und 1C.G. von repatriierten FDLR-Angehörigen, kongolesischen Zivilisten und Beamten sowie einem Menschenrechtsaktivisten über Flugblätter der FDLR mit Drohungen sowie anderweitige mündliche und schriftliche Drohungen gegenüber der örtlichen Bevölkerung berichtet. Wie die Zeugen angaben, schilderte ein im April 2009 im Lager Mutobo befragter Oberleutnant, dass die FDLR im März 2009 im Rahmen der „Sensibilisierung“ Flugblätter an die Führer der kongolesischen Dörfer verteilt habe, mit denen sie ihre guten Absichten gegenüber der Zivilbevölkerung zeigen wollte, hierfür aber eine entsprechende Disziplin und Solidarität mit den ruandischen Hutu verlangte. Nach den Ausführungen des Zeugen 4D.M. hatten ihnen Zivilisten des Weiteren ebenfalls von einer Botschaft des FDLR-Kommandanten V. an die Zivilbevölkerung berichtet, in der dieser die Zivilisten mit den Worten gewarnt habe, „entweder ihr unterstützt uns oder wir betrachten euch als Feinde und Kollaboteure der kongolesischen und ruandischen Armee“. Auch sei von einem kongolesischen Beamten in der Nähe von Hombo, der persönlich von der FDLR bedroht worden sei, und einem weiteren Beamten in Bunyakiri von Drohbotschaften und Flugblätter der Miliz an kongolesische Siedlungen sowie örtliche Behörden während der Operationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ berichtet worden. Zudem konnte die Gruppe nach den Angaben beider UN-Experten selbst drei von „3G.“ unterzeichnete und teilweise mit FDLR-Stempeln versehene „Drohschreiben“, die den gleichen Inhalt wie die Schreiben aufwiesen, die HRW vorgelegt wurden, in Augenschein nehmen und fotografieren (siehe hierzu im Einzelnen unter Teil 3, C. V. 3. d) bb) (1) (b)).
(2)
Der Zeuge 3B. gab an, Bilder von vielen Warnschreiben der FDLR an die örtliche Bevölkerung selbst gesehen zu haben, die UN-Blauhelme von Originalen gefertigt hätten. Auch wusste er von Interviews der Menschenrechtsgruppe der MONUC, in denen kongolesische Zivilisten von Schreiben der FDLR nach Angriffen der Rebellenmiliz auf ihre Siedlungen berichtet hatten. In solchen Schreiben sei häufig gestanden, dass der Angriff das Ergebnis der Politik der kongolesischen Regierung sei. Zu den von ihm im Ermittlungsverfahren zu den Akten gereichten, in der Hauptverhandlung teilweise in Augenschein genommenen und in der Übersetzung verlesenen neun Schreiben, die großenteils Drohungen und Warnungen enthielten und als Absender zum Teil ausdrücklich Personen aus der FDLR benannten, berichtete er, dass diese von Soldaten der MONUC erhoben und ihm vom Leiter des DDRRR-Teams, Oberstleutnant 3P., übergeben worden seien. Darunter war unter anderem ein an die Bürger von Kabosi gerichtetes Schreiben, das vom Inhalt her mit dem von HRW erhaltenen und im Wortlaut unter Teil 3, C. V. 2. a) cc) (2) (b) aufgeführten Schreiben übereinstimmte.
b) Durchführung von Strafangriffen („opérations punitives“)
Aufgrund der nachfolgend genannten Beweismittel steht zur Überzeugung des Senats darüber hinaus fest, dass die FDLR in der DR Kongo nach dem Ausbruch der Kämpfe im Jahr 2009 eine Strategie der „opérations punitives“, also von Bestrafungsangriffen, verfolgte, die sich zwar in erster Linie gegen feindliche Stellungen und Gruppierungen, aber auch gegen die Zivilbevölkerung, die mit diesen zusammenarbeitete, richteten und auch beinhalteten, dass Häuser niedergebrannt und Zivilisten getötet wurden:
aa) Angaben der ehemaligen FDLR-Angehörigen
Hierfür sprachen zum einen die Aussagen der ehemaligen FDLR-Angehörigen. Mehrere der Zeugen gaben ausdrücklich an, den Begriff der „opération punitive“ aus Telegrammen des FOCA-Kommandos zu kennen. Darüber hinaus bestätigten fast durchgehend alle ehemaligen FDLR-Kämpfer, dass die FDLR im Rahmen der Operationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ Bestrafungs-, Vergeltungs- bzw. Racheangriffe in kongolesischen Siedlungen, in denen es militärische Stellungen des Feindes gab, durchgeführt hatte. Dabei berichtete die Mehrzahl der Zeugen von niedergebrannten Häusern und/oder getöteten Zivilisten. Dass nach Bestrafungs-, Rache- oder Vergeltungsangriffen, bei denen nach Angaben der Zeugen Zivilisten Opfer der Angriffe und/oder Häuser niedergebrannt wurden, irgendein FDLR-Angehöriger nachträglich zur Rechenschaft gezogen oder bestraft worden wäre, schilderte keiner der Zeugen.
(1)
Dass von Seiten des FOCA-Kommandos während der bewaffneten Auseinandersetzungen im Jahr 2009 die Durchführung von „operations punitives“ angeordnet worden war und es sich insoweit um eine bei der FDLR bis dahin nicht übliche Strategie handelte, berichtete der als Mitglied in der Stabseinheit G 2 im FOCA-Kommando zur operativen Zelle gehörende Zeuge J.B.. Hierzu gab er an, dass es solche Operationen vor dem Jahr 2009 nicht gegeben habe und der Begriff in der Zeit von „Umoja Wetu“ oder danach aufgekommen sei. Vor 2009 seien die FARDC und die FDLR Freunde gewesen. Dieses Bündnis habe die kongolesische Armee verraten, als sie kurz vor „Umoja Wetu“ eine Koalition mit den ruandischen Soldaten und dem CNDP mit dem Ziel gebildet habe, die FDLR zu vernichten. Nachdem die FDLR in der Folge von den ruandischen und kongolesischen Streitkräften aus ihren langjährigen Stellungen verjagt und in die Flucht getrieben worden sei, habe es in der FDLR geheißen, man müsse den Schaden, den die FDLR während der Angriffe erlitten habe, wiedergutmachen. Man müsse die FARDC lokalisieren, Material erbeuten und der kongolesischen Armee eine Niederlage bereiten, damit man wieder in Ruhe atmen könne. Daraufhin habe die FDLR Operationen vorbereitet, um Vergeltung zu üben und sich zu rächen. Dabei habe die FDLR allerdings nie gewagt, die Stellungen der ruandischen Soldaten anzugreifen. Vergeltung habe man bei der FARDC geübt, weil man diese habe besiegen können. Die Befehle zur Durchführung der „operations punitives“ seien vom FOCA-Kommando gekommen. Er erinnere sich daran, dass er während einer Versammlung von G 2 und G 3 eine Nachricht über die „operation punitive“ gelesen habe und dann darüber debattiert worden sei. Der Begriff sei bekannt gewesen, da er in den Telegrammen gestanden habe und eines dieser Telegramme an alle Einheiten, also auch an sämtliche Bataillonskommandanten, gegangen sei. Alle hätten deshalb von der „opération punitive“ gehört. Die Telegramme seien zwar vom FOCA-Kommando gekommen, aber niemand anderes als der FOCA-Kommandant könne einen solchen Befehl geben. Wenn ruandische Flüchtlinge angegriffen worden seien, sei ein Telegramm an die Einheiten, die in der Nähe gewesen seien, gegangen, die FARDC-Soldaten anzugreifen und alle, die sie unterstützten. Das Problem sei gewesen, dass die kongolesischen Soldaten immer mit den Zivilisten vermischt gewesen seien, da sie ihre Positionen inmitten der Siedlungen gehabt hätten. Zivilisten seien deshalb bei solchen Angriffen gestorben. Als „Umoja Wetu“ angefangen habe, hätten beispielsweise die Tembo mit der FARDC zusammengearbeitet und ruandischen Flüchtlingen Schaden zugefügt. Ziel der Angriffe sei es dann gewesen, dass die Soldaten und Zivilisten die Orte verließen, damit die ruandischen Flüchtlinge Ruhe gehabt hätten. Auch wusste der Zeuge von niedergebrannten Häusern bei solchen Bestrafungs- bzw. Racheoperationen.
(2)
Auch nach den Angaben des Zeugen 2S., der in seiner Funktion als Sekretär und Leiter des Informationsbüros des FOCA-Kommandos umfangreiche Kenntnisse zu den in der FOCA erfolgten Vorgängen hatte, wurde der Begriff „operation punitive“ in mehreren von ihm gelesenen Telegrammen verwendet, nachdem Flüchtlinge oder FDLR-Soldaten bei Angriffen in einer bestimmten Region getötet worden waren. Die Befehle zur Durchführung der Bestrafungsoperationen seien vom FOCA-Kommandanten erteilt und unterschrieben worden. Im Zusammenhang mit dem Angriff auf Busurungi seien von S.M. beispielweise die zwei Zellen des Generalstabs, nämlich die operative Zelle (G 2, G 3 und G 5) und die administrative Zelle (G 1 und G 4) einberufen, eine Versammlung abgehalten und dann der Befehl zur „operation punitive“ erteilt worden. Dabei sei es darum gegangen, die Leute, die die Flüchtlinge oder Soldaten getötet hätten, zu bestrafen. In Berichten, die beim FOCA-Kommando eingegangen seien, sei zum Beispiel gestanden, dass die Tembo die Verstecke der FDLR gezeigt hätten. Dann habe man einen Befehl erteilt, dort eine „opération punitive“ durchzuführen. Überall, wo FDLR-Soldaten getötet worden seien, weil die Zivilisten diese verraten hätten, hätten solche Operationen stattgefunden. Es seien Operationen im Sinne von Vergeltungsoperationen gewesen. So hätten die Tembo eine eigene Miliz namens Mai-Mai gehabt. Die Zivilbevölkerung habe immer die gleiche Seite wie ihre Mai-Mai eingenommen. Als die Mai-Mai dann mit der FARDC zusammengearbeitet hätten, habe die FDLR bei Angriffen auf die FARDC auch die Mai-Mai und die Zivilisten angegriffen. Wenn man die Soldaten angegriffen habe, seien Bürger unter den Opfern gewesen. Auch sei es oft passiert, dass die Dörfer angezündet worden seien, wenn die kongolesischen Zivilisten mit den ruandischen Soldaten oder der FARDC zusammengearbeitet hätten. Der Grund für das Anzünden der Häuser sei gewesen, die Bevölkerung in Angst zu versetzen, damit sie fliehe. Auch wenn der Feind ein Biwak der FDLR angegriffen habe, habe er das Biwak angezündet.
(3)
Den Begriff der „opération punitive“ kannte auch der im Jahr 2009 als Leiter des Büros G 5 im Generalstab tätige Zeuge 1S.B.. Er sprach davon, das sei kein Begriff gewesen, den man oft benutzt habe. In der FDLR habe man insoweit in der Regel von einem Vergeltungsangriff gesprochen. Als einen Angriff, den man als „expedition punitif“, also einen Bestrafungsangriff, bezeichnen könne, nannte er den Angriff der FDLR auf Busurungi im Mai 2009. Dort sei es darum gegangen, Vergeltung zu üben für die Aktionen, die bei den Flüchtlingen gemacht worden seien, und die FARDC aus den Stellungen zu verjagen, damit die Flüchtlinge Ruhe gehabt hätten. Ziel sei es dabei zwar nicht gewesen, Zivilisten zu töten. Weil die FARDC dort zusammen mit Zivilisten in den Häusern gelebt habe, könnten die Schüsse aber nicht unterscheiden, wen sie treffen. Auf die Frage, ob Häuser von Zivilisten in Mianga oder Busurungi vorsätzlich angezündet worden seien, antwortete der Zeuge, wenn man von Bestrafungsoperationen spreche, dann verstehe sich dies von selbst. Das heiße allerdings nicht, dass das Ziel der Bestrafungsaktionen gewesen sei, die Häuser der Zivilisten anzuzünden. Ziel sei es vielmehr gewesen, die Soldaten, die dort gelebt hätten, anzugreifen. Kongolesische Soldaten und Mai-Mai hätten aber in diesen Häusern von Zivilisten gelebt.
(4)
Auch dem ehemals bei der Kompanie Mirador am Standort des FOCA-Kommandos tätigen Zeugen 2MM. war der Begriff der „opération punitive“ bekannt. Er sagte aus, „opérations punitives“ hätten dann stattgefunden, wenn irgendeine Armee ihnen etwas Schlechtes angetan habe. Die FOCA-Soldaten hätten dann eine solche Operation vorbereitet, um Rache bei diesen Soldaten zu üben. Zunächst sei die FDLR angegriffen worden und habe sich verteidigt. Dann habe die FDLR Angriffe vorbereitet gegen diejenigen, die die Sicherheit der FDLR und der Zivilisten, die die FDLR schützen sollte, gefährdet hätten. Wenn die FDLR nicht angegriffen worden sei, habe es nichts Schlechtes gegeben. Dabei zeigten auch seine Angaben zu den Angriffen der FDLR auf Siedlungen wie Mianga oder Busurungi, die er als Bestrafungs- bzw. Racheoperationen bezeichnete, dass dabei Zivilisten getötet und Häuser niedergebrannt wurden. Er sprach ebenfalls davon, dass Ziel ihrer Kämpfe nicht gewesen sei, Zivilisten zu töten, sondern die Stellungen der FARDC wegzubringen. Die FDLR habe die FARDC angegriffen und die FARDC sei dort gewesen, wo Zivilisten gewesen seien. Die Munition könne nicht unterscheiden. Im Hinblick auf das Niederbrennen von Häusern sagte er, die Vorgesetzten müssten Verantwortung für das übernehmen, was getan worden sei. Auch er wusste davon, dass „opérations punitives“ bzw. Racheangriffe vom FOCA-Kommandanten angeordnet worden waren.
(5)
Der im Jahr 2009 zunächst als Stellvertreter des S 3 des Bataillons PM und danach als Zugführer im Bataillon Zodiaque tätige Zeuge 7N. berichtete im Zusammenhang mit der Durchführung von „opérations punitives“ durch die FDLR von einer Strategie, die die Rebellenmiliz im Jahr 2009 immer dann angewandt habe, wenn ihr etwas Schlechtes angetan worden sei. Obwohl sie früher mit den Kongolesen zusammengearbeitet und diesen seit dem Krieg 1998 geholfen hätten, hätten diese die FDLR immer wieder verraten. Die FDLR habe dabei Leute verloren. Nachdem die FARDC die Zusammenarbeit mit der FDLR endgültig vor den Operationen im Jahr 2009 beendet habe, habe es die „opérations punitives“ gegeben. Diese seien nach dem Prinzip erfolgt, „sie haben uns etwas angetan, was schlecht ist, und dann tun wir ihnen noch etwas Schlechteres an, als sie uns angetan haben“. Es habe sich um Operationen gehandelt, die durchgeführt worden seien, um die Leute zu warnen. Im Zusammenhang mit dem Angriff der FDLR auf Manje berichtete er von einer Anweisung des Kommandos, Häuser in Dörfern anzuzünden. Das Anzünden sei eine Methode gewesen, um den Bürgen Angst einzujagen, damit sie den Ort verlassen würden und der Ort der FDLR alleine gehörte.
(6)
Angaben zur „action punitive“ bzw. „opération punitive“ machten auch die Zeugen 15N. und 8N.. So berichtete der bis zu seinem Weggang von der FDLR Ende März 2009 als stellvertretender Kommandant des Bataillons PM tätige Zeuge 15N., das Verhältnis der FDLR zu den kongolesischen Zivilisten sei Anfang des Jahres 2009 nicht gut gewesen, weil diese die FDLR verraten und den ruandischen Soldaten geholfen hätten, die FDLR anzugreifen. Als „Umoja Wetu“ zu Ende gegangen sei, habe S.M. eine Operation angeordnet, die sogenannte „action punitive“. Den Befehl des FOCA-Kommandanten S.M., auf dem „action punitive“ gestanden sei, habe er selbst gesehen, zur Frage von dessen Umsetzung könne er aber wegen seiner Rückkehr nach Ruanda nichts sagen. Der Befehl sei bereits vor der Operation „Kimia II“ hinausgegangen. Wie bereits erwähnt veränderte der Zeuge seine Aussage zum Inhalt des Befehls allerdings im Laufe der Hauptverhandlung und schwächte seine am 17. und 26. September 2012 hierzu gemachten Angaben bei der späteren Vernehmung am 19. Mai 2014 ab. So hatte er ursprünglich berichtet, S.M. habe gesagt, die Operation sei dazu da, um die Zivilisten, die der FDLR nicht geholfen hätten, zu bestrafen. Diese müssten vertrieben werden und den Soldaten folgen. Hierzu sei im Befehl gestanden, jeder, der mit dem Feind zusammengearbeitet habe, solle mit dem Feind mitgehen, wenn dieser nach Hause gehe. Die „action punitive“ habe allerdings nicht nur die Zivilbevölkerung, sondern auch die FARDC betroffen. In seiner späteren Vernehmung relativierte er dies dahingehend, dass es bei der „action punitive“ eigentlich um eine „contre-attaque“, also einen Gegenangriff, gegangen sei. Der ehemalige Freund, die FARDC, habe die Seite gewechselt und die Stellungen der FDLR angegriffen, weil er Unterstützung bekommen habe. Nachdem dessen Verbündeter nach Ruanda zurückgegangen sei, habe man Angriffe vorbereitet, um ihn dafür zu bestrafen und aus den Stellungen zu vertreiben. In keinem Ort habe die FDLR die Zivilisten mit Waffen angegriffen. Kongolesische Zivilisten hätten aber mit den kongolesischen Soldaten zusammengelebt und seien von diesen als menschliche Schilde benutzt worden. Wenn es Kämpfe gegeben habe, hätten die Zivilisten Probleme bekommen.
Auf die Frage, ob er den Begriff „opération punitive“ schon einmal gehört habe, bekundete der Anfang Februar 2009 nach Ruanda zurückgekehrte und davor im Bereich G 4 der Reservebrigade als Leutnant tätige Zeuge 8N., diesen Begriff im Lager Mutobo gehört zu haben. Er denke, dieser Begriff sei im Zusammenhang mit dem Angriff der FDLR auf Busurungi benutzt worden, weil die FDLR wegen ihrer getöteten Leute dorthin gegangen sei, um Rache zu üben. Im Kongo habe er diesen Begriff nicht gehört. Abweichend davon hatte er allerdings in seiner durch Beamte des Bundeskriminalamts und der Bundesanwaltschaft in Ruanda durchgeführten Vernehmung vom 3. Dezember 2009, deren Bild-Ton-Aufzeichnung insoweit in seiner Anwesenheit in Augenschein genommen und vom Dolmetscher übersetzt wurde, davon berichtet, schon in der DR Kongo eine Botschaft gesehen zu haben, nach der es eine „opération punitive“ geben sollte, wenn die Kongolesen (gemeint waren nach dem Kontext die kongolesischen Zivilisten) mit den Ruandern zusammenarbeiten und sie mit den Ruandern kommen sollten, um die FDLR anzugreifen. Insoweit hatte er davon gesprochen, diese Anweisungen seien kurz vor der Operation „Umoja Wetu“ gekommen. Hiermit konfrontiert gab der Zeuge an, es könne sein, er habe das inzwischen vergessen. Heute erinnere er sich nicht mehr daran.
(7)
Der im Jahr 2009 als Leiter der Résistance Civile tätige Zeuge 5B. konnte sich zwar an den Begriff „opération punitive“ nicht erinnern, sprach aber von Racheaktionen, die während der bewaffneten Auseinandersetzungen im Jahr 2009 von Seiten der FDLR erfolgt seien. Hierzu verwies der Zeuge auf das von ihm geschilderte Telegramm mit der Anweisung, Zivilisten, die mit dem Feind zusammenarbeiteten, als Feinde zu betrachten. Zu den Racheangriffen gegen die Siedlungen der Tembos sei es gekommen, weil diese mit dem Feind zusammengearbeitet hätten und ruandische Flüchtlinge und einige ihrer Soldaten dort getötet worden seien. Die anderen Stämme, die bei ihnen gelebt hätten, hätten nicht mit dem Feind zusammengearbeitet und seien neutral gewesen. Über die Tötung ihrer Flüchtlinge und Soldaten sei die FDLR sehr wütend gewesen und habe entschieden, die militärischen Stellungen in den Siedlungen der Tembos anzugreifen. Hierbei seien auch Bürger der Tembos getötet worden, weil sie mit den Soldaten vermischt gewesen seien. Die Schüsse könnten nicht unterscheiden, wer Zivilist und Militär sei. Die Tötung der Zivilisten sei zwar nicht das Ziel der Angriffe gewesen, diese seien jedoch gewarnt worden, nicht mit dem Feind zusammen zu leben und die Dörfer zu verlassen. Wären sie bei den ruandischen Flüchtlingen gewesen, dann hätten sie sich an einem Ort befunden, wo sie geschützt gewesen wären. Die kongolesische Zivilbevölkerung habe den Willen der FDLR gekannt. Im Zusammenhang mit den Kämpfen in Kibua sprach er davon, dass es eine Aktion der FDLR gewesen sei, die Häuser derjenigen niederzubrennen, die mit der FARDC zusammengearbeitet hätten. Da die kongolesischen Soldaten in den Siedlungen der Zivilisten übernachtet hätten, sei Ziel des Häuserniederbrennens gewesen, den Zivilisten und damit der FARDC die Unterkunft zu nehmen, so dass die Bürger weit weggingen und nicht mehr mit den kongolesischen Soldaten zusammenarbeiteten. Man habe gewollt, dass sowohl die Regierungssoldaten als auch die mit ihnen zusammenarbeitenden Zivilisten aus der Gegend verschwinden. Die Kommandanten, die die Einheiten kommandiert hätten, hätten Befehle gegeben, die Häuser niederzubrennen, sobald der Feind Weg sei, damit dieser nicht zurückkehren könne.
(8)
Der als Cheffunker beim Kommando der Division Süd-Kivu fungierende Zeuge 6N. gab an, dass im Jahr 2009 die Zentren der Zivilisten, die mit dem Feind zusammengearbeitet hätten, angegriffen worden seien. So habe zum Beispiel die im Süd-Kivu aufhältige Volksgruppe der Lega schon in Friedenszeiten kein gutes Verhältnis zur FDLR gehabt. Viele der Angriffe der FDLR seien dann während „Kimia II“ in den Dörfern der Lega durchgeführt worden. Die FOCA-Soldaten seien zwar nicht dorthin gegangen, um Zivilisten, sondern Soldaten anzugreifen. Aber wenn Zivilisten mit den Soldaten in den Siedlungen gewesen seien, seien auch Zivilisten gestorben, weil die FDLR-Kämpfer nicht unterschieden hätten. Diese hätten einfach geschossen, ohne zu trennen. Die FDLR habe die Soldaten in den Zentren angegriffen und alle Sachen, die sie dort gefunden habe, geplündert. Überall wo die FDLR angegriffen habe, habe sie Häuser von Zivilisten angezündet, um die kongolesischen Soldaten sowie die Zivilisten zu demoralisieren. Schlechte Aktionen in Zonen, in denen Zivilisten mit dem Feind zusammengearbeitet hätten, seien akzeptiert gewesen. Wenn ein Zivilist, der mit dem Feind zusammengearbeitet habe, getötet worden sei, sei niemand dafür zur Verantwortung gezogen worden.
(9)
Darüber hinaus berichtete eine Reihe weiterer ehemaliger FDLR-Angehöriger davon, dass während der OperationenUmoja Wetu“ und „Kimia II“ Rache- bzw. Vergeltungsoperationen von der FDLR auf kongolesische Siedlungen durchgeführt und hierbei auch Zivilisten getötet und Häuser niedergebrannt wurden. Ausdrücklich von Rache- oder Vergeltungsoperationen, aber auch von Bestrafung sprachen die Zeugen 9N., 3H., 2G., 2K., 10N. und 8N. und nannten in diesem Zusammenhang Angriffe auf Orte wie Busurungi, Mianga oder Manje. Neben dem Zeugen 9N. gaben dabei auch die Zeugen 2K. und 10N. an, dass die Munition bzw. Schüsse nicht unterscheiden könnten, wenn Zivilisten und kongolesischen Soldaten gemischt in einer Siedlungen lebten. So schilderte der Zeuge 2K., die FDLR habe im Jahr 2009 einen Guerillakrieg geführt und meistens um 2:00 Uhr nachts oder 7:00 Uhr morgens gekämpft. In einer Siedlung könne man dann nicht zwischen Soldaten und Zivilisten unterscheiden. Die Schüsse könnten nicht auswählen. Es stelle sich aber die Frage, was ein Zivilist, der bei einer militärischen Position übernachte, denn dort mache. Der Zeuge 10N. sprach im Zusammenhang mit der Operation der FDLR in Busurungi davon, die Munition könne nicht unterscheiden. Zum Niederbrennen von Häusern durch die FDLR gab er an, dass die Soldaten in den Häusern der Zivilisten gelebt hätten und man gewollt habe, dass sie dorthin nicht mehr zurückkehren könnten. Davon, dass bei Angriffen, bei denen die kongolesischen Soldaten zusammen mit Zivilisten in Siedlungen waren, die Munition bzw. die Schüsse nicht unterscheiden könnten, berichteten im Übrigen auch die Zeugen 1G.N. und 1A.N.. So schilderte der Zeuge 1G.N. im Zusammenhang mit dem Angriff auf Busurungi, sie hätten „blind angegriffen“ und nicht unterscheiden können, ob es sich bei den Zielen um Soldaten oder Zivilisten gehandelt habe. Der Zeuge 1A.N. sprach davon, dass bei Angriffen der FDLR gegen Siedlungen, in denen kongolesische Zivilisten zusammen mit Soldaten gewesen seien, auch Zivilisten gestorben seien. Die Kugel nehme keinen anderen Weg, weil da ein Zivilist sei. Sie hätten zwar Anweisungen gehabt, Zivilisten zu schützen. Damit seien aber nicht die Kongolesen, sondern die Flüchtlinge aus Ruanda gemeint gewesen.
Des Weiteren bestätigten die Zeugen 1S., 5N. und der Zeuge 2P.R., dass es Rache- und Vergeltungsoperationen der FDLR auf kongolesische Siedlungen während der militärischen Auseinandersetzungen im Jahr 2009 gab. Nach den Angaben des im Jahr 2009 im Süd-Kivu stationierten und als Gruppenführer tätigen Zeugen 1S. war es so, dass die FARDC die FDLR im Jahr 2009 aus ihren Stellungen vertrieb und die kongolesische Armee in der Folge ruandische Flüchtlinge und FDLR-Soldaten gefangen nahm und tötete. Dann habe von Seiten der FDLR eine Operation als Rache stattgefunden. Auch er schilderte, dass hierbei Zivilisten starben, weil die FARDC ihre Stellungen immer mitten unter den Zivilisten hatte und man nicht gewusst habe, wen der Schuss treffe. In Fällen, in denen die FDLR gegen die FARDC gekämpft und diese vertrieben habe, habe die FDLR auch Häuser niedergebrannt. Das sei mehrmals dort passiert, wo er gekämpft habe. Dadurch habe man erreichen wollen, dass die FARDC nicht zurückkehren könne. Diese Taktik hätten alle kämpfenden Gruppen benutzt. Als Beispiel einer Racheoperation der FDLR nannte der Zeuge 5N. den Angriff der FDLR auf die Siedlung Kishishi im März 2009. Die FARDC habe zuvor einen ihrer Soldaten bestialisch getötet. Es sei daher nötig gewesen, dass sie sich gerächt hätten. Davon, dass bei Racheangriffen der FDLR Zivilisten getötet oder Häuser von Zivilisten niedergebrannt wurden, hatte er nach seinen Angaben aber keine Kenntnis. Von Racheoperationen der FDLR im Jahr 2009 und dabei getöteten Zivilisten nach vorangegangenen Angriffen der kongolesischen Soldaten wusste darüber hinaus der Zeuge 2P.R. aufgrund von Informationen von FDLR-Rückkehrern und nannte insoweit als Beispiel den Angriff der FDLR auf Busurungi. Die Berichte der repatriierten Kämpfer hätten sich insoweit von denen früherer Jahre unterschieden, denn ehemalige Kämpfer der Reservebrigade hätten angegeben, die Führer der Brigade hätten diese schlechten Aktionen angeordnet. Auch schilderte der Zeuge, dass Rückkehrer zwar nur selten schriftliche Befehle der FDLR gezeigt hätten, er selbst habe aber ein Blatt gesehen, auf dem ein FDLR-Bataillonskommandant im Süd-Kivu seiner Kompanie geschrieben habe, es sollten Racheakte gegen Kongolesen durchgeführt werden, wenn Angriffe durch die kongolesische Armee gegen die FDLR erfolgten. Das Schreiben habe er im Beisein von UN-Mitarbeitern im Jahr 2010 gelesen, er wisse allerdings das Datum der Anweisung des Kommandanten nicht mehr.
bb) Erkenntnisse aus der TKÜ-Überwachung und aus asservierten Dateien
Zu den Angaben der ehemaligen FDLR-Angehörigen passt das Vokabular und der Inhalt interner Mitteilungen innerhalb der FDLR, die sich in den nachfolgend genannten SMS und E-Mails finden:
(1)
So heißt es in einer vom Kommandanten des Sektors Nord übersandten SMS vom 29. Januar 2009 an den Angeklagten Dr. M.:
„Sie haben den SECOND von der Reservenbrigade getötet. Hier werden wir ihnen aber eine Lektion erteilen“.
(2)
In einer SMS vom 3. Juni 2009 um 5:18 Uhr berichtete Oberstleutnant 1F. dem Angeklagten Dr. M.:
„Wir haben Pfingsten gut gefeiert, obwohl der Feind uns von allen Seiten angreift. Wir haben ihn aber die Nacht danach richtig bestraft…“.
(3)
Von „Strafaktion“ bzw. „Strafangriffen“ ist auch in dem am 21. Mai 2009 vom Angeklagten Dr. M. an den Angeklagten M., 2C.M. und 1N.M. per E-Mail übersandten Entwurf einer Presseerklärung zu den Operationen in Mianga und Busurungi die Rede. Der Begriff „bestrafen“ wird vom Angeklagten Dr. M. des Weiteren in einer SMS vom 16. Mai 2009 um 22:00 Uhr an S.M. im Hinblick auf den Angriff der FDLR auf Busurungi benutzt.
(4)
Im Vorfeld eines von der HRW-Mitarbeiterin VW. erbetenen Treffens mit dem Angeklagten Dr. M. teilte 2C.M. am 7. August 2009 dem Angeklagten mit E-Mail vom 7. August 2009 unter anderem mit:
„Sie hat dir zunächst wenig Zeit gegeben, genug Elemente zusammenzustellen. Man muss vermeiden zu sagen, dass die FDLR Offensiven oder Angriffe führe, um sich zu rächen. Man muss darauf bestehen, dass wir nur gegen Soldaten kämpfen…“.
cc) Ermittlungen von HRW
Belegt wird eine Strategie der Bestrafungs- und Vergeltungsangriffe gegen kongolesische Siedlungen durch die FDLR des Weiteren durch die Ermittlungen von HRW, über welche die Zeugin VW. ausführlich berichtete und deren Ergebnisse im Bericht von HRW vom Dezember 2009 entsprechend aufgeführt sind. Auch der Zeugin war der Begriff der „opération punitive“ im Zusammenhang mit der FDLR bekannt. Sie gab an, HRW habe im Rahmen ihrer Recherchen eine Vielzahl von Angriffen der FDLR auf kongolesische Siedlungen während der Operationen im Jahr 2009 festgestellt, die ein ähnliches Muster aufgewiesen hätten. Dabei seien die Angriffe der FDLR von den von ihnen befragten Personen teilweise als Vergeltungsangriffe bezeichnet worden wie beispielsweise in Busurungi. Teilweise hätten die Opferzeugen aber auch von einer Maßnahme der Bestrafung durch die FDLR gesprochen, weil man die FDLR verlassen und die andere Seite gewählt habe. Dies seien Worte gewesen, die nach verschiedenen Angriffen wiederholt gefallen seien. Immer wieder sei berichtet worden, dass die FDLR die Bevölkerung bei den Angriffen beschuldigt habe, sie verraten zu haben. Dass HRW insoweit von einer angeordneten Strategie von Bestrafungs- bzw. Vergeltungsangriffen und nicht von spontanen Aktionen oder Missionen einzelner Kommandanten ausgegangen sei, begründete die Zeugin mit der von HRW festgestellten weit verbreiteten Natur der Angriffe auf die Zivilbevölkerung, der Ähnlichkeit der Warnungen und Drohungen der FDLR gegenüber den kongolesischen Zivilisten in öffentlichen Versammlungen, in Warnschreiben und bei einzelnen Begegnungen mit FDLR-Kämpfern sowie der Ähnlichkeit des Vorgehens der FDLR bei den einzelnen Angriffen und der Art der erfolgten Tötung von Zivilisten, nämlich dem häufig erfolgten Zerhacken von Personen. Auch berichtete sie von vielen bei den Angriffen niedergebrannten Häusern. Das alles hätten sie in diesem Ausmaß vor 2009 nicht gesehen. In vielen Orten habe sich das Verhältnis der FDLR zur Zivilbevölkerung fast vollständig geändert und sei gewalttätiger geworden.
Im Bericht von HRW „Ihr werdet bestraft“ vom Dezember 2009 wird insoweit ausgeführt, die FDLR habe auf die traumatische Veränderung der Haltung der kongolesischen Regierung gegen sie und auf den Beginn der gemeinsamen, kongolesisch-ruandischen Militäroperationen reagiert, indem eine Strategie illegaler Vergeltungsangriffe gegen die Zivilbevölkerung umgesetzt worden sei. Die Kämpfer der FDLR hätten vorsätzlich kongolesische Zivilisten angegriffen und das umgesetzt, was sie als Bestrafung für die Strategie der kongolesischen Regierung angesehen hätten, welche die FDLR als einen „Verrat“ durch die Bevölkerung angesehen habe. Das Ausmaß und die Intensität der Vergeltungsangriffe sei von der Art der militärischen Operationen gegen die FDLR abhängig gewesen. Zwischen Ende Januar und September 2009 hätten die Streitkräfte der FDLR vorsätzlich mindestens 701 Zivilisten getötet, wobei viele von ihnen mit Macheten oder Hacken zu Tode gebracht, einige erschossen und andere in ihren Häusern verbrannt worden seien. Mehr als die Hälfte der Opfer seien Frauen und Kinder gewesen. Auch habe die FDLR Ortsvorsteher und andere einflussreiche Führer von Gemeinden angegriffen und getötet, also eine Taktik angewandt, die für die Verbreitung von Angst in ganzen Gemeinschaften besonders effektiv gewesen sei. Die Strategie der Vergeltungsangriffe der FDLR gegen kongolesische Zivilisten, um sie zu bestrafen, habe auch das weitverbreitete und rücksichtslose Niederbrennen von Tausenden von Häusern, Schulen, Gesundheitszentren, Kirchen und anderen Gebäuden in ganz Nord- und Süd-Kivu beinhaltet. Laut Informationen, die von HRW in den beiden Kivu-Provinzen gesammelt worden seien, habe die FDLR zwischen Januar und September 2009 mindestens 7051 Häuser und andere Gebäude niedergebrannt oder auf andere Weise zerstört. Die Zerstörung sei häufig mit der Plünderung des Eigentums der Bevölkerung einhergegangen, die vollkommen mittellos zurückgelassen worden sei. In vielen Fällen seien die Zivilisten mit vorgehaltener Waffe dazu gezwungen worden, das geraubte Eigentum in das Lager der FDLR zu transportieren. Nach den Ausführungen der Zeugin VW. stützte sich HRW bei der Zahl von 7051 niedergebrannten Häusern neben Augenzeugenberichten auch auf Auswertungen von Satellitenbildern durch Experten.
dd) Erkenntnisse der UN
(1) Angaben des Zeugen 3B.
Auch der Zeuge 3B. bestätigte aufgrund der Informationen, die er im Rahmen seiner damaligen Tätigkeit als Mitarbeiter des DDRRR erhalten hatte, die Durchführung von „opérations punitives“, also Bestrafungsangriffen, durch die FDLR während der Operationen im Jahr 2009. Dabei habe es sich um Angriffe der FDLR gegen die kongolesische Zivilbevölkerung gehandelt, durch welche die Bevölkerung bestraft worden sei, wenn sie etwas Negatives gegen die FDLR gemacht habe. Dies sei eine in der DR Kongo übliche Taktik gewesen, wenn sich die Rebellenmilizen, die im Kongo meistens zu unterschiedlichen ethnischen Gruppierungen gehörten, gegenseitig bestraften. Bestrafungsangriffe der FDLR seien im Jahr 2009 erfolgt, weil sich die Bevölkerung von der FDLR abgewandt und zur FARDC übergelaufen sei. Wenn die Zivilbevölkerung mitangegriffen werde, spreche dies für einen Strafangriff. Die FDLR-Kämpfer hätten in der Regel von einem Racheangriff gesprochen. Übergriffe der FDLR seien an vielen verschiedenen Orten zur selben Zeit erfolgt. Meistens hätten die Angriffe beinhaltet, dass Häuser niedergebrannt und Zivilisten getötet worden seien. Das sei eine geänderte Taktik der FDLR gewesen, die zuvor „recht gut“ mit der Bevölkerung zusammengearbeitet habe. Manche der Angriffe in Ufamandu und im Süden von Walikale hätten das Ziel gehabt, die Gruppe Kifuafua, eine Mai-Mai-Miliz der Tembo, zu treffen. Bei dieser Miliz handle es sich um eine ethnische Gruppierung, die zuvor ein Verbündeter der FDLR gewesen sei. Nach deren Integration in die FARDC seien einige der Angriffe in der Region als Strafe für die Bevölkerung für diesen Verrat gedacht gewesen. Ein solcher Strafangriff gegen die Tembos sei zum Beispiel in Busurungi erfolgt, weil die Bevölkerung zuvor mit der FDLR zusammengearbeitet habe und dann zur FARDC übergelaufen sei. Obwohl die FDLR eine Militärgerichtsbarkeit besitze, habe er nie davon gehört, dass diese nach dem Massaker in Busurungi FDLR-Kämpfer verfolgt habe. In der Zeit, in der er den Kongo verlassen habe, also im Jahr 2012, habe die FDLR die Lega-Gemeinschaft bestraft.
(2) Ermittlungen der UN-Expertengruppe
Dass es im Jahr 2009 bei der FDLR Befehle zu Vergeltungsangriffen gab und solche in der Folge in den Kivu-Gebieten ausgeführt wurden, bestätigten auch die Zeugen 1C.G. und 4D.M. aufgrund der von der UN-Expertengruppe gewonnenen Informationen. So gab der Zeuge 1C.G. auf der Grundlage der von den UN-Experten durchgeführten Interviews mit demobilisierten und aktiven FDLR-Kämpfern an, im Laufe des Jahres 2009 seien bei der FDLR immer wieder Instruktionen an die Einheiten ohne größere inhaltliche Änderungen wiederholt worden. Einer der Befehle sei gewesen, den Feind und mögliche Verräter zu identifizieren, mit Vergeltungsschlägen auf Angriffe der kongolesischen Armee zu reagieren und falls nötig, auch die Zivilbevölkerung anzugreifen. Bei ihren Ermittlungen sei ihnen in diesem Zusammenhang die Arbeit einer CRAP-Einheit aufgefallen, die in sehr viele Vergeltungsaktionen der FDLR verwickelt gewesen sei. Als ein führendes Mitglied dieser Einheit sei Major V. genannt worden.
Der Zeuge 4D.M. berichtete, dass nach den Recherchen der Gruppe die FDLR infolge der Operation „Umoja Wetu“ aus vielen strategischen Positionen vertrieben worden sei und sich der Konflikt langsam von Osten nach Westen, zuerst im Nord- und später nach Süd-Kivu, bewegt habe. Bei ihrem Rückzug habe die FDLR Vergeltungsaktionen gegen die Zivilbevölkerung verübt. Dabei habe es Angriffe gegeben, denen Drohungen der FDLR gegen die Zivilbevölkerung vorausgegangen seien, wenn sie nicht mit der FDLR zusammengearbeitet habe. Manchmal seien Angriffe auch ohne Drohungen erfolgt. Besonders schlimm seien die Aktionen der FDLR gegen die Zivilbevölkerung um Busurungi herum bis Hombo gewesen. Menschenrechtsverletzungen durch die FDLR habe es in Remeka, Busurungi und in einer Reihe von Fällen im Nordosten von Hombo gegeben. Bei den verübten Übergriffen habe es sich unter anderem um das Niederbrennen von Häusern, Vergewaltigungen und Angriffe mit Macheten sowie Tötungen gehandelt. Die FDLR-Kämpfer hätten eine Politik der verbrannten Erde betrieben. So habe ein repatriierter Oberleutnant im Hinblick auf Remeka berichtet, dass die FDLR sich von der Bevölkerung verraten gefühlt und in Remeka Häuser angezündet habe. Die Befehle seien von der Reservebrigade gekommen. Zu den Aussagen der Zeugen zu den Angriffen in Kipopo, Mianga, Busurungi und Chiriba wird auf die dortigen Ausführungen verwiesen.
c) Keine Angriffe der FDLR auf die Zivilbevölkerung als primäres Objekt bzw. zur Herbeiführung einer humanitären Katastrophe
Der Senat konnte aufgrund der umfangreichen Beweisaufnahme dagegen weder die Überzeugung gewinnen, dass die Zivilbevölkerung primäres Objekt von Angriffen der FDLR auf kongolesische Siedlungen war, noch dass diese Angriffe zum Zweck der Herbeiführung einer humanitären Katastrophe erfolgten. Aufgrund der Ermittlungen der UN und von HRW sowie der Angaben einiger ehemaliger FDLR-Angehöriger gab es zwar Anhaltspunkte dafür, dass das FOCA-Kommando im März 2009 einen Befehl an die Einheiten geschickt hatte, der unter anderem die Anweisung enthielt „Siedlungen und die Zivilbevölkerung anzugreifen, um eine humanitäre Katastrophe auszulösen“. Allerdings verneinte ein großer Teil der ehemaligen FDLR-Angehörigen, einen solchen Befehl zu kennen. Jedenfalls ließ sich durch die Beweisaufnahme nicht belegen, dass ein solcher Befehl, selbst wenn er ursprünglich an die Einheiten gegangen wäre, in der Folge tatsächlich umgesetzt worden und Grundlage für vorrangig gegen die Zivilbevölkerung gerichtete Angriffe der FDLR auf Dörfer mit überwiegend zivilem Charakter gewesen wäre.
aa) Bestehen eines Befehls zur Herbeiführung einer humanitären Katastrophe
(1)
Dafür, dass ein Befehl, Siedlungen und die Zivilbevölkerung anzugreifen, um eine humanitäre Katastrophe auszulösen, durch das FOCA-Kommando erlassen und an die FDLR-Einheiten übermittelt wurde, lassen sich folgende Umstände anführen:
(a)
Die Zeugen 4D.M. und 1C.G. haben übereinstimmend berichtet, dass die UN-Expertengruppe im Rahmen ihrer Untersuchungen Kenntnis von dahingehenden Anweisungen des FOCA-Kommandos in einer Nachricht erhielt, die ihnen über einen aktiven FDLR-Kämpfer übermittelt und von ihnen als „Annex 18“ zum Bericht der UN-Expertengruppe vom 23 November 2009 veröffentlicht wurde. Der Text der in der Hauptverhandlung verlesenen Nachricht im „Annex 18“ lautet wie folgt:
„Aktenzeichen der Botschaft: ADM/INT/OP/POL/LOG/März 09
- Jede Einheit muss in ihrem jeweiligen Gebiet operieren, ohne auf Verstärkung zu warten.
- Versorgungsoperationen mit Schlägen gegen die FARDC zum Zwecke der Beschaffung von Munition und Waffen sind bevorzugt durchzuführen; Krankenhäuser und Gesundheitszentren sind zur Beschaffung von Medikamenten anzugreifen;
- Siedlungen und die Zivilbevölkerung sind anzugreifen, um eine humanitäre Katastrophe auszulösen, was die internationale Gemeinschaft dazu bewegt, zu reagieren, indem der Regierung in Kigali Verhandlungen mit der FDLR auferlegt werden.
- Die wichtigsten Straßen sind abzuschneiden, indem Fahrzeuge angegriffen werden, damit der Handel und das Geschäftsleben gelähmt werden und damit in der einheimischen Bevölkerung die Unzufriedenheit mit der Regierung wächst und die Bevölkerung die Einstellung der Feindseligkeiten gegen FDLR fordert.
- Jede Foca-Einheit in jeder Division muss mit den Operationen gegen die FARDC beginnen, um sie zu schwächen.
- Jeder Staatsbürger des Kongo wird als unser Feind betrachtet, und aus diesem Grunde ist jede Versorgungsoperation gestattet, um das Überleben unserer Männer zu sichern und um die Sicherheit der einheimischen Bevölkerung zu destabilisieren, wodurch ihre Unzufriedenheit mit der Regierung wächst. Ende der Nachricht.
09-60143“
Wie beide UN-Experten zur Entstehungsgeschichte des „Annex 18“ ausführten, hatte ihr Kollege R.D., der innerhalb der UN-Expertengruppe als Regionalexperte tätig war, auf der Suche nach einer Kontaktmöglichkeit mit aktiven FDLR-Kämpfern in der DR Kongo von drei repatriierten, zuvor an unterschiedlichen Orten stationierten FDLR-Angehörigen im Lager Mutobo unabhängig voneinander die Telefonnummer eines aktiven Funkers der FDLR erhalten, und über einen ehemaligen FDLR-Kämpfer den Kontakt mit diesem hergestellt. Im Rahmen dieses Gesprächs sei der im „Annex 18“ dokumentierte Befehl vom März 2009 von dem Funker wörtlich aus einem Funkbuch vorgelesen, von ihrem Kollegen mitgehört und transkribiert sowie in der Folge an sie weitergeleitet worden. Der Funker sei vom Hauptquartier angewiesen worden, diese Nachricht per Funk an alle Einheiten weiterzuverbreiten. Nach der Erinnerung des Zeugen 4D.M. wurde der Befehl seinem Kollegen R.D. im März 2009 oder wenig später vorgelesen. Auch wusste er noch, dass er die von seinem Kollegen R.D. erhaltene Telefonnummer mit den bis dahin von der Gruppe erstellten Listen von FDLR-Telefonnummern abgeglichen hatte und diese Nummer für sie neu gewesen war. Da beide UN-Zeugen an den von ihrem Kollegen R.D. in diesem Zusammenhang getätigten Ermittlungen nicht aktiv beteiligt waren, waren ihnen weitere Einzelheiten zum Inhalt des mit dem aktiven FDLR-Kämpfer geführten Telefongesprächs, zu dessen Person, den genauen Umständen der Übermittlung und den zuvor getätigten Nachforschungen ihres Kollegen allerdings nicht bekannt.
Nach den Angaben der beiden UN-Experten gab es in der Folge bestätigende Hinweise für den Erlass und die Übermittlung von Anweisungen an die Einheiten wie sie im „Annex 18“ dokumentiert sind auch aufgrund von Aussagen befragter demobilisierter sowie noch aktiver FDLR-Kämpfer. So berichtete der Zeuge 4D.M. in Vernehmungsprotokollen seines Kollegen R.D. gelesen zu haben, dass der im „Annex 18“ festgehaltene Befehl an die Einheiten kommuniziert worden sei, ohne dass er insoweit allerdings nähere Einzelheiten wusste. Der Zeuge 1C.G. gab an, mehrere repatriierte FDLR-Kämpfer hätten bei den von ihnen durchgeführten Interviews auf die Frage nach militärischen Befehlen im Jahr 2009 von sich aus auf eine Nachricht mit Anweisungen wie im „Anhang 18“ verwiesen. Teilweise sei davon gesprochen worden, die entsprechenden Anweisungen seien von der Führung gekommen, andere hätten insoweit S.M. oder Dr. M. genannt. In einigen Aussagen sei von Anweisungen berichtet worden, Krankenhäuser und zivile Ziele anzugreifen. Auch sei zum Teil von demobilisierten und aktiven Kämpfern geschildert worden, dass die FDLR durch spektakuläre Dinge auf sich aufmerksam machen sollte. Einige der befragten repatriierten Kämpfer hätten insoweit vom Ziel einer humanitären Katastrophe gesprochen, ohne dass aus deren Angaben allerdings klar hervorgegangen sei, in welchem Umfang und Ausmaß Zivilpersonen zum Ziel von Angriffen der FDLR gemacht werden sollten. Auch hätten die ehemaligen FDLR-Angehörigen in den fünf bis zehn Fällen, in denen ihnen der „Annex 18“ im Lager Mutobo konkret vorgelegt worden sei, bekundet, ähnliche Anweisungen erhalten zu haben. Dabei seien die einzelnen Anweisungen aber nicht konkret mit ihnen durchgegangen worden.
(b)
Nach den Ausführungen des Zeugen 3B. hatten ihm ehemalige FDLR-Angehörige ebenfalls von neuen Befehlen der FDLR zu Beginn des Jahres 2009 sowie einer insoweit erteilten Anweisung, eine humanitäre Katastrophe auszulösen, berichtet. Gemäß den Informationen der FDLR-Kämpfer sei der Befehl erteilt worden, Dörfer anzugreifen, welche die Regierung unterstützten. Der humanitäre Preis sollte steigen. Nach deren Schilderungen sei hiermit bezweckt gewesen, Proteste der Bevölkerung gegen die Regierung hervorzurufen und eine weitere Mitwirkung der internationalen Gemeinschaft an Militäraktionen gegen die FDLR zu verhindern. Er habe es so verstanden, dass die Entscheidung zum Anrichten einer humanitären Katastrophe im März 2009 getroffen worden sei. Manche hätten von einem Befehl S.M.s gesprochen. Entsprechende Informationen seien von den Zeugen 1S.B., 5B. und einem ehemaligen S 3 des Bataillons PM, einem Major E.T., erfolgt. Auch hätten ihm andere Kämpfer, an die er sich jetzt aber im Einzelnen nicht mehr erinnern könne, Ähnliches berichtet. Allerdings bestritt der Zeuge 1S.B. in der Hauptverhandlung einen Befehl mit dem Inhalt wie im „Annex 18“ zu kennen.
(c)
Hinweise dahingehend, dass Angriffe auf Zivilisten durchgeführt werden sollten, um eine humanitäre Katastrophe auszulösen, hatte darüber hinaus auch HRW nach den Ausführungen der Zeugin VW. über einige lokale Entscheidungsträger und Mitarbeiter des Gesundheitssystems erhalten. Dabei handelte es sich nach ihren Angaben um Personen, die viele Jahre in der Nähe der FDLR-Positionen gelebt und in Kontakten mit FDLR-Leuten von einem solchen Ziel gehört hatten. Diese seien davon ausgegangen, dass hierdurch die Regierung der DR Kongo zu einem Überdenken und einer Beendigung ihrer militärischen Operationen gegen die FDLR bewegt werden sollte. Allerdings blieb insoweit offen, in welchem konkreten Kontext die FDLR-Leute vom Ziel einer humanitären Katastrophe gesprochen und was sie hierzu genau gesagt hatten.
(d)
Dass sie ein Telegramm mit einem Befehl wie in „Annex 18“ aufgeführt gesehen hatten, bekundeten darüber hinaus die Zeugen 2S., 6N. und 7N.. Hierzu gab der Zeuge 2S. an, den Befehl zunächst auf dem vom FOCA-Kommando geschickten Papier sowie später im Funkheft des Übertragungsbüros gelesen zu haben. Der Befehl sei in der zweiten Phase der „Operation Umoja Wetu“ konzipiert worden, nachdem die Regierung von Kabila die kongolesischen Bürger zur Zusammenarbeit mit der kongolesischen Armee aufgerufen habe. Die Anweisungen seien vom Generalstab erarbeitet, anschließend vom FOCA-Kommandanten unterschrieben und als Telegramm an alle Einheiten verschickt worden. Auf die Frage, was unter dem in der Nachricht enthaltenen Begriff „humanitäre Katastrophe“ zu verstehen sei, erklärte der Zeuge, man habe gewollt, dass die Zivilisten fliehen, dadurch eine Last für die Regierung entstehe und deswegen die Angriffe gegen die FDLR eingestellt würden. Entsprechend gab der im Jahr 2009 als Cheffunker im Übertragungszentrum des Kommandos des Sektors Süd-Kivu tätige Zeuge 6N. an, eine Nachricht vom FOCA-Kommando mit dem Inhalt, wie er in „Annex 18“ niedergelegt ist, selbst gelesen und ins Funkheft eingetragen zu haben. Dabei meinte er zunächst, die Nachricht vor „Umoja Wetu“ gesehen zu haben, datierte diese dann aber nach Vorlage des Textes von „Annex 18“ auf März 2009. Bei dem Befehl sei es darum gegangen, die Soldaten anzuhalten, wachsam zu sein, zu kämpfen und alle Aktionen durchzuführen, die den Feind demoralisieren könnten. Der Divisionskommandant habe die Nachricht an die Bataillone weitergeleitet mit dem Zusatz, es dürften keine „unschuldigen Zivilisten“ getötet werden. Wie der Zeuge hierzu erläuterte, waren mit „unschuldigen Zivilisten“ nur diejenigen Zivilisten gemeint, die auf der Seite der FDLR standen. Diese seien aber ohnehin zu schonen gewesen, so dass mit dem Zusatz keine inhaltliche Veränderung des Befehls verbunden gewesen sei.
Auf Vorhalt des Textes von „Annex 18“ bestätigte des Weiteren der Zeuge 7N., diesen Befehl zu kennen und ihn in einem Funkheft, zu dem er als Offizier Zugang gehabt habe, gelesen zu haben. In der Nachricht sei „an alle Einheiten“ und oben „integral“ gestanden, so dass die Nachricht vollständig gewesen sei. Er wisse nicht, wer den Text verfasst habe, nur das FOCA-Kommando und der Präsident der FDLR auf Vorschlag des FOCA-Kommandeurs dürften aber eine solche Anweisung „an alle Einheiten“ erteilen. Der Zeuge berichtete des Weiteren, von einer Strategie der humanitären Katastrophe beim FOCA-Kommando in den Wäldern von Ntoto gehört zu haben, als er sich dort wegen seiner für S.M. ausgeübten Geheimdiensttätigkeit aufgehalten habe. Die Führer auf höherer Ebene hätten davon gesprochen, dass durch das Anrichten einer humanitären Katastrophe die internationale Gemeinschaft dazu veranlasst werden sollte, Druck auf Ruanda auszuüben, damit die Regierung dort Verhandlungen mit der FDLR aufnehme. Darüber hinaus berichtete auch der Zeuge 5B. von einem Telegramm mit dem Befehl, die Zivilbevölkerung einzuschüchtern, damit sie in großen Massen flüchte und dadurch für die DR Kongo und die internationale Gemeinschaft ein so großes Problem entstehe, dass diese auf die ruandische Regierung einwirkten, mit der FDLR zu verhandeln und deren Rückkehr nach Ruanda zu akzeptieren.
(e)
Soweit in diesem Zusammenhang als weiteres Indiz hierfür eine am 8. Januar 2009 beim Angeklagten Dr. M. vom Account „[email protected]“ eingegangene und von ihm nicht beantwortete E-Mail in Betracht kommt, in welcher der Angeklagte unter anderem gebeten wurde, „den Soldaten Anweisungen zu geben, Chaos in der Region im Osten vom Kongo zu verursachen“, es müsse „ein Krieg und ein großes Chaos stattfinden, und danach folgen die Verhandlungen, um das Ganze zu beenden“, konnte im Rahmen der Beweisaufnahme weder die Identität, noch die Zugehörigkeit des Absenders der E-Mail zur FDLR festgestellt werden, weshalb diese nur einen stark eingeschränkten Beweiswert hat.
(2)
Gegen das Bestehen eine solchen Befehls spricht Folgendes:
(a)
Im Gegensatz zu den oben genannten Zeugen verneinte ein Großteil der ehemaligen FDLR-Angehörigen eine Nachricht wie „Annex 18“ oder einen Befehl, Siedlungen und die Zivilbevölkerung anzugreifen, um eine humanitäre Katastrophe auszulösen, zu kennen. Auch wiesen einige demobilisierte FDLR-Kämpfer nach Vorhalt von „Annex 18“ darauf hin, dass die darin vermerkte Nachricht in mehreren Punkten nicht den bei der FDLR üblichen formellen Erfordernissen eines Telegramms entspreche und bezweifelten deshalb teilweise deren Echtheit.
So bekundete der Zeuge J.B., während seiner Tätigkeit im Büro G 2 des Generalstabs zwar ein Telegramm des FOCA-Kommandos mit Anweisungen gesehen zu haben, die in weiten Teilen dem „Annex 18“ glichen. Darin sei aber die Anweisung, Siedlungen und die Zivilbevölkerung anzugreifen, um eine humanitäre Katastrophe auszulösen, gerade nicht enthalten gewesen. Einen solchen Befehl habe er zu keiner Zeit erhalten. Auf Vorhalt von „Annex 18“ gab auch der ehemals bei der Antenne Miroir tätige Zeuge 12N. ebenso wie der Zeuge 1S.B. (G 5 im Generalstab) an, eine solche Nachricht nicht zu kennen. Auch der Zeuge 5N. bekundete, er habe Anweisungen, eine humanitäre Katastrophe bei der Zivilbevölkerung anzurichten, nicht erhalten. Er sprach davon, sich nicht vorstellen zu können, dass jemand in der FDLR einen solchen Befehl gebe. Der Zeuge 9N. berichtete, weder selbst eine dahingehende Anweisung erhalten zu haben, noch sei ihm Entsprechendes von anderen Einheiten berichtet worden. Ein Plan der FDLR, eine humanitäre Katastrophe zu verursachen, war auch dem Zeugen 2MM. nicht bekannt. Hierzu bemerkte er, dass er nicht drei oder vier Kinder bei den Kongolesen gezeugt hätte, wenn es einen solchen Plan gegeben hätte. Dass sie einen solchen Befehl wie „Annex 18“ nicht kannten oder davon gehört hatten, gaben auch die Zeugen 1G.N., 1S., 1A.N. und 8N. an. Der Zeuge 15N. hatte zwar nach Vorhalt des Textes von „Annex 18“ zunächst angegeben, die Nachricht aus der Zeit vor „Umoja Wetu“ zu kennen, sich dann aber bereits am nächsten Verhandlungstag nach Durchsicht seiner Notizen dahingehend korrigiert, er habe die Nachricht mit einer anderen verwechselt. Ihm seien nur die unter dem ersten und vorletzten Spiegelstrich aufgeführten Teile der Nachricht bekannt. Eine Kriegsstrategie dahingehend, bewusst Taten gegen die Zivilbevölkerung zu begehen, habe es nach seiner Kenntnis nicht gegeben. Auf Vorhalt von „Annex 18“ verneinte darüber hinaus der Zeuge 2P.R., von irgendeinem FDLR-Rückkehrer eine solche Nachricht gezeigt bekommen zu haben oder über einen solchen Befehl informiert worden zu sein. Wenn er die Nachricht betrachte, sei es schwierig für ihn zu verstehen, wie man diese über Funk schicken könne, selbst wenn es sich um militärische Funkgeräte handele. Wie er die Leute kenne, die Führer bei der FDLR seien, sei es schwer für ihn zu glauben, dass sie eine solche Nachricht verfasst hätten.
Dass die im „Annex 18“ vermerkte Nachricht nicht den bei der FDLR üblichen formellen Erfordernissen eines Telegramms entsprach, bestätigten übereinstimmend die Zeugen 1S.B., J.B., 6N., 7N., 2P.R., 15N. und 2S., wobei sie dies teilweise anhand eigens skizzierter „Mustertelegramme“, wie sie diese von der FDLR kannten, aufzeigten. So bekundete der Zeuge 1S.B., die Kürzel über dem Befehl wiesen zwar auf ein Telegramm hin, als solches sei es aber unvollständig und weiche von der gewohnten militärischen Korrespondenz der FOCA ab. Entsprechendes berichteten auch die anderen genannten Zeugen. Moniert wurde von ihnen dabei unter anderem, dass die Klassifizierungsnummer, also die Nummer des Telegramms, die Datumsangaben, nämlich Uhrzeit und Tag des Verfassens der Nachricht und deren Aufnahme durch das Funkgerät, sowie die Angabe des Absenders und Empfänger fehlten. Auch sei die Referenz bei der Bezugnahme ungewöhnlich.
(b)
Im Übrigen hat der Senat berücksichtigt, dass dem verlesenen „Annex 18“ selbst nur ein eingeschränkter Beweiswert zugemessen werden kann. So stellte sich derjenige Mitarbeiter der UN-Expertengruppe, der diesen Befehl in Erfahrung gebracht hatte, dem Senat nicht als Zeuge zur Verfügung, so dass die Abklärung näherer Einzelheiten, insbesondere welche Person den Kontakt zu dem übermittelnden Funker hergestellt hatte, von welcher Person aus welchem Bereich der FDLR der Wortlaut dieses Befehls übermittelt wurde, welches die Umstände der Übermittlung an den Funker und dessen Weitergabe an die Expertengruppe waren und wie Fehler und Missverständnisse bei der Übermittlung ausgeschlossen wurden, nicht möglich war und die genauen Umstände der Erlangung der Nachricht von den Verfahrensbeteiligten nicht hinterfragt werden konnten. Inwieweit die von den ehemaligen FDLR-Angehörigen beanstandeten formellen Mängel der Nachricht möglicherweise auf Übermittlungsmängel zurückzuführen waren, blieb unter diesen Umständen ebenfalls offen.
bb) Keine Umsetzung eines Befehls zur Herbeiführung einer humanitären Katastrophe
Jedenfalls ergab die Beweisaufnahme keine tragfähige Grundlage für die Annahme, ein solcher Befehl sei durch die FDLR vor Ort ausgeführt worden. Belegen ließ sich dies weder aufgrund der Angaben der ehemaligen FDLR-Angehörigen, noch durch die sonstigen Erkenntnisse der Beweisaufnahme.
(1)
So verneinten sämtliche ehemaligen FDLR-Angehörigen von konkreten Angriffen der FDLR zu wissen oder hieran beteiligt gewesen zu sein, die sich gegen die Zivilbevölkerung als primäres Objekt gerichtet hätten oder mit dem Ziel geführt worden wären, durch direkte Angriffe auf die Bevölkerung eine humanitäre Katastrophe auszulösen. Soweit die Zeugen Ausführungen zu einzelnen Operationen der FDLR gegen kongolesische Siedlungen machten, nannten sie als Ziel solcher Angriffe zum einen die Versorgung der Rebellenmiliz mit militärischer Ausrüstung. In diesem Fall richteten sich die Angriffe der FDLR zwangsläufig als primäres Objekt gegen die militärischen Stellungen des Feindes, weil sie nur dort das von ihnen benötigte Material erbeuten konnten. Soweit es um die Versorgung der Rebellenmiliz mit zivilen Gütern in Form von Verpflegungsmissionen ging, nannten die ehemaligen Kämpfer einhellig als einziges Ziel solcher Operationen die Sicherung des Überlebens der Kämpfer, nicht aber das Auslösen einer humanitären Katastrophe. Darüber hinaus berichteten die ehemaligen FDLR-Angehörigen lediglich von Angriffen gegen kongolesische Siedlungen, die sie als Rache-, Vergeltungs- oder Bestrafungsangriffe bzw. als Reaktion auf vorausgegangene Angriffe gegen FDLR-Angehörige bzw. ruandische Flüchtlinge bezeichneten, mit dem Ziel, die von dort ausgehende Gefahr für die Zukunft zu beseitigen bzw. den Feind zu bestrafen und vor weiteren Angriffen zu warnen. Auch waren in diesen Fällen Objekt der von ihnen geschilderten Angriffe stets Siedlungen, in denen es militärische Stellungen des Feindes gab und die Bevölkerung mit dem Feind zusammenlebte, wobei die ehemaligen FDLR-Kämpfer auch insoweit als primäres Objekt der Angriffe einhellig die militärischen Stellungen des Feindes und nicht die Zivilbevölkerung nannten. Letzteres gaben auch diejenigen Zeugen an, die den Erlass eines Befehls wie „Annex 18“ bestätigt hatten. Mehrere Zeugen verneinten hierbei ausdrücklich, dass es gezielte Angriffe der FDLR allein gegen Zivilisten oder rein zivile Siedlungen gab. Auch sprachen die ehemaligen FDLR-Angehörigen vielfach davon, die kongolesische Zivilbevölkerung sei nicht insgesamt als Feind betrachtet worden und Angriffe der FDLR seien deshalb nicht wahllos und generell gegen diese erfolgt.
So berichtete der Zeuge 5B., die FDLR-Soldaten hätten die kongolesischen Zivilisten nicht einfach so angegriffen. Von Angriffen, die ausschließlich gegen Zivilisten geführt worden seien, wisse er nichts. Wenn sie angegriffen hätten, hätten sie feindliche Stellungen angegriffen. Nur die kongolesischen Zivilisten, die mit dem Feind zusammengearbeitet hätten, hätten Probleme gehabt. Es habe geheißen, den Zivilisten, die nicht mit dem Feind zusammenarbeiteten, werde nichts getan. Ganz ähnlich äußerte sich der Zeuge 1S.B.. Er sprach davon, es habe keine Angriffe der FDLR auf rein zivile Dörfer gegeben. Die FDLR habe nicht die gesamte kongolesische Zivilbevölkerung als Feind betrachtet und Zivilisten nicht einfach so angegriffen. Unter den kongolesischen Zivilisten seien Unterstützer von der FDLR gewesen, die der Rebellenmiliz Informationen und Lebensmittel gegeben hätten. Der Feind sei die FARDC und die ruandische Armee, vor allem aber auch die Mai-Mai Kifuafua gewesen. Dass die FDLR nie Zivilisten in einem Dorf, in dem es nur Zivilbevölkerung gab, angriff, bekundete ebenfalls der Zeuge 15N..
Der Zeuge J.B. sprach davon, dass es nicht den Befehl gegeben habe, Siedlungen der Zivilisten anzugreifen, sondern Siedlungen, in denen die FARDC ihre Stellungen gehabt habe. Er denke nicht, dass es Kommandanten bei der FDLR gegeben habe, die den Befehl erteilt hätten, Zivilisten anzugreifen, ohne dass diese etwas getan hätten. Als Beispiel dafür, dass die FDLR selbst gegen solche Siedlungen, in denen sich Stellungen des Feindes mitten unter der Bevölkerung befanden, nicht wahllos vorging, nannte er die Siedlung Ntoto. So berichtete er, die FDLR habe gesehen, dass die kongolesischen Tembo in der Siedlung nicht mit dem Feind kooperiert und sich nicht als Führer für die kongolesischen Soldaten zur Verfügung gestellt hätten, obwohl dieser in Ntoto stationiert gewesen sei. Ntoto sei deshalb von der FDLR nicht angegriffen worden. Dass die FDLR nicht wahllos kongolesische Zivilisten angriff, gab ebenfalls der Zeuge 2S. an. Auch er schilderte, die FDLR habe nur Operationen in Siedlungen von Zivilisten durchgeführt, die mit dem Feind zusammengearbeitet hätten. Dafür, dass es dabei nicht um das Ziel ging, eine humanitäre Katastrophe anzurichten, sprachen seine Ausführungen zum Angriff der FDLR auf die Siedlung Mangere, also einem Ort, der nach seinen Angaben mit dem Feind zusammengearbeitet hatte. So berichtete er, die FDLR habe bei dem Angriff auf Mangere bereits mit dem Anzünden von Häusern begonnen. Als die Dorfchefs aber um Verzeihung gebeten und mitgeteilt hätten, sie würden sich vom Feind trennen, habe die FDLR aufgehört, die Häuser anzuzünden. Dort sei dann auch niemand gestorben.
Dass er keine Anweisungen erhalten habe, einfach Zivilisten oder Siedlungen von Zivilisten anzugreifen und nicht die ganze Zivilbevölkerung von der FDLR als Feind betrachtet worden sei, bekundete ebenfalls der Zeuge 9N.. Probleme hätten nur die Zivilisten bekommen, die zu den Stellungen der FARDC in den Siedlungen gegangen und dort bei Angriffen der FDLR gegen FARDC anwesend gewesen seien. Auch der Zeuge 1G.N. gab an, dass die kongolesische Zivilbevölkerung nicht generell als Feind angesehen worden sei und es ein gezieltes Vorgehen der FDLR gegen Zivilisten, um politische Zugeständnisse zu erhalten, nicht gegeben habe. Eine mögliche Behauptung dahingehend, die FDLR habe Angriffe nur gegen die Zivilbevölkerung geführt, bezeichnete er als Lüge. Probleme für die Zivilbevölkerung seien lediglich aufgetreten, wenn es zuvor Angriffe gegen die FDLR gegeben und diese dann auch angegriffen habe. Dort wo kongolesische Zivilisten „unter ihrer Verwaltung“ gestanden seien, hätten die Zivilisten keine Probleme gehabt. Der Zeuge 1S. berichtete im Hinblick auf seine eigenen Erfahrungen, dass er nur gekämpft habe, wenn die FDLR angegriffen oder gestört worden sei. Bei den Kämpfen, an denen er beteiligt gewesen sei, seien Stellungen, aber nicht Zivilisten angegriffen worden. Von einem gezielten Anrichten einer humanitären Katastrophe unter der Zivilbevölkerung durch die FDLR wisse er nichts.
Auch der Zeuge 6N. berichtete, dass Zivilisten nicht generell als Feind betrachtet und angegriffen worden seien. So wurden nach seinen Angaben von der FDLR nur Zentren angegriffen, die mit dem Feind zusammenarbeiteten. Wie die übrigen Zeugen bestätigte auch er, dass sich die Angriffe in diesem Fall primär gegen die militärischen Stellungen der FARDC und nicht gegen die Zivilisten richteten. Insoweit sprach er ausdrücklich davon, dass Zivilisten, die auf der Seite der FDLR standen, nichts angetan werden sollte. Es habe den Befehl gegeben, Zivilisten, die beim Feind lebten, aber mit der FDLR zusammenarbeiteten, indem sie Informationen gaben, nicht zu töten. Diese Zivilisten seien deshalb von der FDLR vor Angriffen gewarnt worden, damit sie rechtzeitig aus dem Ort fliehen konnten. Auch der Zeuge 2MM. gab an, von Angriffen der FDLR gegen die Zivilbevölkerung nichts zu wissen. Bei den Kämpfen, an denen er beteiligt gewesen sei, habe er nie die Anweisung gehört, Zivilisten gezielt anzugreifen. Es sei vielmehr so gewesen, dass die FDLR auf vorausgegangene Angriffe der FARDC reagiert und dann die kongolesische Armee angegriffen habe. Diese sei dort gewesen, wo die Zivilisten gewesen seien.
(2)
Über konkrete Erkenntnisse dahingehend, dass Angriffe der FDLR gezielt gegen die Zivilbevölkerung als primäres Objekt ausgeführt worden wären und sich deren Hauptzweck darauf gerichtet hätte, damit eine humanitäre Katastrophe anzurichten, berichteten auch die Zeugen 4D.M., 1C.G., 3B. und VW. nicht.
Dahingehende Belege ergaben sich auch aus der sonstigen Beweisaufnahme nicht. So ist zu sehen, dass es sich auch bei den festgestellten Angriffen der FDLR auf die Orte Kipopo, Mianga, Busurungi, Chiriba und Manje sämtlich um kongolesische Siedlungen handelte, in denen sich feindliche militärische Stellungen mit teilweise erheblicher Militärpräsenz befanden. Weshalb die FOCA ausgerechnet Dörfer, in denen zum Schutz der Zivilbevölkerung erhebliche Kontingente feindlicher Militärs zur Verfügung standen, angreifen sollte, wenn es Ziel gewesen sein sollte, kongolesische Zivilisten zum Opfer von Angriffen zu machen und dadurch eine humanitäre Katastrophe zu verursachen, erscheint auch insoweit nicht naheliegend.
3. Angriffe der FDLR auf die Siedlungen Kipopo, Mianga, Busurungi, Chiriba und Manje
Die festgestellten Tatgeschehen in Kipopo, Mianga, Busurungi, Chiriba und Manje werden jeweils durch eine Vielzahl von Beweismitteln belegt, die sich in wesentlichen Punkten bestätigten und gegenseitig ergänzten. Die Angaben zum Vorgehen der FDLR gegenüber der Zivilbevölkerung in den Siedlungen beruhen dabei vor allem auf den unabhängigen Untersuchungen von HRW und der UN und wurden vielfach durch die Angaben der anonymen kongolesischen Zeugen gestützt. Soweit die ehemaligen FDLR-Angehörigen hierzu Ausführungen machten, waren diese im Gegensatz zu ihren plausiblen und häufig durch weitere Beweismittel bestätigten Angaben zu den militärischen Aspekten der Operationen und deren Gründen vielfach vage und wenig konkret. Auch waren ihre Ausführungen insbesondere in Fällen, in denen sie selbst in Verbindung mit dem Geschehen gebracht werden konnten, oftmals deutlich von dem Bestreben gekennzeichnet, sich oder die Organisation nicht zu belasten. Soweit die ehemaligen FDLR-Angehörigen die Angriffe der FDLR auf die genannten Siedlungen aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr genau zeitlich bestimmen konnten, ergab sich aus dem Kontext ihrer Ausführungen allerdings jeweils klar, dass damit die festgestellten Angriffe der Rebellenmiliz in Kipopo, Mianga, Busurungi, Chiriba und Manje gemeint waren. Dass die Zivilbevölkerung in einer der Siedlungen zum Angriffszeitpunkt zahlenmäßig überwogen hätte, konnte angesichts der berichteten ständigen Fluchtbewegungen und der teilweise starken Militärpräsenz in den Siedlungen in keinem Fall mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Eine ausreichende tatsächliche Grundlage hierfür boten weder die Angaben der Zeugen, noch ergab sich eine solche aus den sonstigen Beweismitteln.
a) Angriff auf Kipopo am 13. Februar 2009
Die Feststellungen zum Angriff der FDLR auf die Siedlung Kipopo vom 13. Februar 2009 stützen sich, soweit es um die daran beteiligten Einheiten der FDLR, die Gründe des Angriffs und die insoweit gegebene Befehlslage geht, vor allem auf die Aussagen der vernommenen ehemaligen FDLR-Angehörigen. Die festgestellten Zahlen zu den beim Angriff getöteten Zivilisten bzw. den niedergebrannten Häusern beruhen maßgeblich auf den näher belegten Untersuchungsergebnissen der UN-Expertengruppe und von HRW, über die die Zeugen 4D.M. und 1C.G. sowie die Zeugin VW. berichteten. Jedoch ging der Senat zu Gunsten der Angeklagten trotz der von HRW ermittelten höheren Anzahl von Opfern von lediglich 13 beim Angriff getöteten Zivilisten aus. Auch konnten angesichts der unterschiedlichen und nicht weiter aufklärbaren Angaben dazu, ob sich zum Zeitpunkt des Angriffs noch FARDC-Einheiten im Ort befanden oder diese kurz zuvor abgezogen waren, zur Anzahl und Zusammensetzung der sich in der Siedlung aufhaltenden Personen keine sicheren Feststellungen getroffen werden.
Für das festgestellte Tatgeschehen sprachen im Einzelnen insbesondere die folgenden Beweismittel:
aa) Angaben früherer FDLR-Soldaten
Insgesamt acht ehemalige Angehörige der FOCA aus dem Führungs-und Informationsbereich des militärischen Arms, aber auch aus den kämpfenden Einheiten haben den Angriff der FDLR auf die Siedlung Kipopo bestätigt. Die übrigen Zeugen aus dem Bereich der FDLR hatten hierzu nach eigenem Bekunden keine näheren Erkenntnisse. Dabei stimmten die Angaben der genannten Zeugen zu den am Angriff beteiligten Kommandeuren und Einheiten der FOCA sowie zur vorhandenen Befehlslage miteinander überein. Auch nannten die Zeugen, soweit sie hierzu Angaben machten, im Wesentlichen die gleichen Gründe für die Durchführung des Angriffs. Einige der Zeugen sprachen insoweit ausdrücklich von einem Rache- bzw. Vergeltungsangriff der FDLR. Von mehreren ehemaligen FOCA-Angehörigen wurde von niedergebrannten Häusern bzw. dort getöteten Zivilisten berichtet. Zwar hatte keiner dieser Zeugen unmittelbar am Angriff teilgenommen. Anhand ihrer damaligen Funktionen und Tätigkeiten in der FDLR schilderten sie aber nachvollziehbar die Quellen und den Inhalt ihrer Informationen. Danach hatte die Mehrzahl der ehemaligen FDLR-Kämpfer direkte Informationen von Kampfteilnehmern erhalten. Teilweise hatten sie darüber hinaus eigene Wahrnehmungen im Zusammenhang mit dem Angriff gemacht.
(1)
So bekundete der Zeuge J.B., dass einer der am Angriff auf Kipopo beteiligten Zugführer ihm gegenüber den Angriff der FDLR auf die Siedlung auf Nachfrage bestätigt habe. Dabei schilderte der Zeuge, dass er bereits zuvor im Austausch mit anderen FOCA-Soldaten von der Operation der Reservebrigade in Kipopo erfahren und gehört habe, dass einer derjenigen, der die Kämpfer in Kipopo angeführt habe, 1P. gewesen sei. Als er später den ihm aus seiner Zeit als Kommandeur des Bataillons Zodiaque gut bekannten Leutnant 1P., den Führer des CRAP-Zuges des Bataillons Zodiaque, getroffen und darauf angesprochen habe, habe ihm dieser mitgeteilt, dass die Spezialkompanie unter Führung von Hauptmann V. mit Unterstützung des von ihm geführten CRAP-Zugs Kipopo angegriffen und die Siedlung angezündet habe. Der Zeuge erinnerte sich insoweit noch daran, dass der Angriff der FDLR während der Operation „Umoja Wetu“ erfolgt war und berichtete davon, dass als Führer der Züge, aus denen die Spezialkompanie bestanden habe, auch 4S. und 6R. bei dem Angriff dabei gewesen seien. Zu den Gründen des Angriffs und zur Frage, ob in Kipopo Zivilisten getötet worden seien, konnte er zwar nichts sagen, da er hierüber mit 1P. nicht gesprochen hatte. Nach seinen Bekundungen wurden von der FDLR aber meistens die Orte angegriffen, in denen die Soldaten der Koalition stationiert waren. Auch gab er aufgrund seiner Erfahrung als Mitglied des Büros G 2 des Generalstabs an, dass ein solcher Angriff wie in Kipopo entweder auf Befehl des FOCA-Kommandos erfolgt sei oder das Kommando der Reservebrigade das FOCA-Kommando um Erlaubnis gefragt habe. Von selbst könne man eine solche Operation nicht ausführen.
(2)
Bestätigt wurde der Angriff der FDLR auf Kipopo im Februar 2009 auch vom Zeugen 2S.. Als damaliger Leiter des Informationsbüros des FOCA-Kommandos wusste er davon, dass der Befehl zum Angriff auf Kipopo vom FOCA-Kommando gegeben wurde. Auch hatte er darüber hinaus in seiner Funktion davon gehört, dass in Kipopo von der FDLR Häuser niedergebrannt worden waren und sprach insoweit von einem Vergeltungsangriff der FDLR. Als Grund für die Operation der FDLR gab er ebenso wie auch andere ehemalige FDLR-Angehörige eine vorausgegangene Aktion des Feindes an, stellte hierbei in Abweichung von anderen Zeugen aber auf die dort in der Nähe erfolgte Tötung des stellvertretenden Kommandanten der Reservebrigade Oberst 4K. ab.
(3)
Als Mitglied der Reservebrigade hatte des Weiteren der Zeuge 7N., wie er berichtete, von Kameraden von dem Angriff der Spezialkompanie in Kipopo im Februar 2009 erfahren. Auch er nannte die Operation ausdrücklich einen Racheangriff der FDLR, beschrieb diese aber als Reaktion auf die Tötung ruandischer Flüchtlinge durch die Mai-Mai sowie auf mehrfache Angriffe der in Kipopo ansässigen FARDC-Einheiten gegen die Soldaten der FDLR. Wie er schilderte, beschoss die FDLR daraufhin die Siedlung und setzte sie in Brand, wobei kongolesische Zivilisten in ihren Häusern verbrannt worden seien. Auch konnte sich der Zeuge daran erinnern, dass ihm Soldaten der Spezialeinheit von einem Telegramm des FOCA-Kommandos berichtet hatten, in dem sie ausdrücklich beglückwünscht worden waren, weil sie eine gute Aktion durchgeführt und den Feind verjagt hatten, so dass die FDLR wieder ein bisschen Ruhe hatte. Dazu passend hatte auch der Zeuge 1H. als weiteres ehemaliges Mitglied der Reservebrigade in seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren, über die der Zeuge KHK P. berichtete, geschildert, dass der Grund für die Operation der FDLR in Kipopo vorausgegangene Angriffe der FARDC und der Mai-Mai gegen die FDLR und die Tötung von ruandischen Flüchtlingen durch diese gewesen seien. Auch er hatte dabei angegeben, dass bei dem Angriff die Siedlung in Brand gesetzt worden war und Zivilisten gestorben und viele Sachen zerstört wurden.
(4)
Über eigene Wahrnehmungen im Zusammenhang mit dem Angriff in Kipopo im Februar 2009 sowie hierzu erhaltene Informationen von Soldaten der Reservebrigade berichteten zudem die Zeugen 9N. und 10N.. So hatte der Zeuge 9N. Schüsse vernommen und sich als ein Offizier, der im Besitz eines Funkgeräts war, bei Soldaten des Hauptquartiers der Reservebrigade über Funk hiernach erkundigt und dabei von Kämpfen der von V. geführten Spezialkompanie gegen die Koalition in Kipopo erfahren. Nach seiner Kenntnis waren dort viele Zivilisten, die gemischt mit Soldaten untergebracht waren, gestorben und einzelne Häuser in der Siedlung angezündet worden. Den genauen Grund für den Angriff kannte er zwar nicht, berichtete aber davon, dass jede Einheit die Anweisung bekommen habe, dort anzugreifen, wo sich der Feind organisiert habe. Wie der Zeuge 10N. bekundete, hatte er V. und ungefähr 50 seiner Soldaten nach dem Angriff auf Kipopo selbst gesehen, als sie nach Shario zurückkamen und von diesen von der Operation in der Siedlung erfahren. Dabei habe er sich aber nur nach möglichen Opfern unter den FDLR-Soldaten erkundigt. Weitergehende Informationen zum Angriff. besaß er deshalb nach seinen Angaben nicht.
(5)
Ebenso wie der Zeuge 10N. hatte auch der Zeuge 1G.N. in Shario von Kampfteilnehmern vom nächtlichen Angriff der FDLR in Kipopo gehört. Nach seiner Erinnerung fand die Operation der FDLR in Kipopo ungefähr zwei Wochen nach den Kämpfen in Kibua statt, an denen er selbst beteiligt war. In Übereinstimmung mit den Zeugen 7N. und 1H. nannte auch er die Tötung von ruandischen Flüchtlingen durch Mai-Mai bzw. die FARDC als Grund für den Angriff und sprach insoweit ebenfalls von einer Vergeltungsaktion. Er wusste ebenfalls davon, dass die Häuser in Kipopo durch die FDLR angezündet worden waren, verneinte allerdings, dass zum Zeitpunkt des Angriffs noch Zivilisten in Kipopo anwesend gewesen und dabei getötet worden seien.
(6)
Bestätigt wurde das Niederbrennen von Häusern und die Tötung von Zivilisten durch einen Angriff der FDLR in Kipopo im Februar 2009 des Weiteren vom Zeugen 7K., der in dieser Zeit als Korporal in der Spezialkompanie der Reservebrigade tätig war, aber nach seinen Angaben wegen einer Verletzung nicht an der Operation teilgenommen hatte. Auch er berief sich insoweit auf Informationen von Kampfteilnehmern und gab an, vom Gang seiner Kameraden nach Kipopo aufgrund seiner Zugehörigkeit zur gleichen Einheit zu wissen sowie deren Rückkehr nach dem nächtlichen Angriff selbst mitbekommen zu haben. Wie der Zeuge J.B. berichtete auch er davon, dass die Operation durch die Spezialkompanie unter Leitung ihres Kommandanten V. sowie unter Beteiligung der Zugführer 1P., 4S. und 6R. durchgeführt worden sei. Ergänzend hierzu gab er an, dass die Anweisungen an die Soldaten zum Angriff durch den S 3 der Reservebrigade, einen „25M.“ erfolgt seien. Nach den vom Zeugen 3B. vorgelegten und in der Hauptverhandlung erörterten Organigrammen der FDLR passt dies zu den Personalien des dort vermerkten S 3 Major 1M.M.. Nach 7K.s Bekundungen waren die FDLR-Soldaten, wie dies auch die anderen ehemaligen FDLR-Angehörigen angegeben hatten, in der Erwartung in die Siedlung eingedrungen, dort die FARDC vorzufinden und gegen diese zu kämpfen. In Übereinstimmung mit den Ermittlungen von HRW waren aber auch nach seinen Informationen die FARDC-Einheiten zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr in der Siedlung. Wie er berichtete, schossen die FDLR-Soldaten trotzdem in der Siedlung und brannten diese nieder. Auch starben dabei nach seinen Angaben Zivilisten.
Zwar war bei diesem Zeugen zu sehen, dass er im Hinblick auf § 55 StPO Angaben zu Operationen der FDLR verweigerte, an denen er selbst beteiligt war, so dass eine Überprüfung der Plausibilität und Glaubhaftigkeit seiner Ausführungen sowie seiner Rolle im Einzelnen nicht auf der Grundlage umfassender Angaben erfolgen konnte. Auch hatte der Zeuge in der Hauptverhandlung zunächst abgestritten, überhaupt etwas von den Kämpfen in Kipopo zu wissen und die Operation in Kipopo im Februar 2009 erst nach Konfrontation mit seiner durch die Bundesanwaltschaft in Ruanda gefertigten Videoaufzeichnung seiner Vernehmung und den darin enthaltenen anderslautenden Angaben eingeräumt. Der Senat würdigte deshalb seine Angaben besonders vorsichtig. Da seine daraufhin erfolgten Ausführungen in vielen Punkten durch die Aussagen der übrigen Zeugen aus dem FDLR-Bereich bzw. weiterer Zeugen bestätigt wurden und er auf Nachfragen seine Angaben schlüssig zu ergänzen vermochte, bestand für den Senat allerdings kein stichhaltiger Anlass dafür, seine Angaben zum Geschehen in Kipopo insgesamt in Zweifel zu ziehen.
bb) Ermittlungen der UN
(1) Angaben der Zeugen 4D.M. und 1C.G.
Dass auch nach den von der UN-Expertengruppe durchgeführten Untersuchungen von einem Angriff der FDLR in Kipopo im Februar 2009, bei dem Zivilisten getötet und Häuser niedergebrannt wurden, auszugehen ist, ergaben zudem die Angaben der Zeugen 4D.M. und 1C.G., die detailliert und ausführlich über das Ergebnis der insoweit erfolgten Recherchen berichteten. Ihre Informationen, die auf der Befragung zweier ehemaliger FDLR-Kämpfer im Lager Mutobo, eines Menschenrechtsaktivisten, eines Beamten aus der Gegend von Hombo und drei kongolesischer Zivilisten sowie auf zwei UN-Berichten beruhten, ergänzten dabei stimmig die Angaben der in der Hauptverhandlung gehörten ehemaligen FDLR-Angehörigen.
So bestätigten nach den Ausführungen der beiden Zeugen zwei von ihnen am 28. Juni 2009 im Lager Mutobo befragte demobilisierte FDLR-Kämpfer sowie ein in Bukavu vom Zeugen 1C.G. befragter kongolesischer Zivilist aus Busurungi den Angriff der FDLR auf den Ort Kipopo im Februar 2009. Wie der Zeuge 4D.M. berichtete, nannten die repatriierten FDLR-Soldaten ebenfalls die Reservebrigade bzw. den CRAP-Zug des Bataillons Zodiaque als Einheiten, die den Angriff durchführten, und bezeichnete einer der Kämpfer V. als Kommandeur des Angriffs. Auch berichtete danach der andere demobilisierte FDLR-Soldat von einem Vergeltungsangriff und dabei niedergebrannten Häusern sowie 30 getöteten Dorfbewohnern. Gemäß den Angaben des Zeugen 1C.G. hatte ihm darüber hinaus ein Flüchtling aus Busurungi geschildert, viele Einwohner von Kipopo seien aufgrund des Angriffs der FDLR zu ihren Verwandten und Stammesangehörigen nach Busurungi geflohen. Der Zeuge 4D.M. bekundete, ihm und seinem Kollegen 1C.G. sei zudem Anfang Juli 2009 von einem Beamten aus der Gegend von Hombo mitgeteilt worden, dass seit der Stationierung der kongolesischen Armee im Rahmen von „Umoja Wetu“ Drohbotschaften von Seiten der FDLR unter anderem an die Bevölkerung von Kipopo erfolgt seien. Nach seinen Angaben hatten Zivilisten in einem Flüchtlingslager in Minova einem weiteren Mitglied der Expertengruppe darüber hinaus berichtet, dass es im Vorfeld von „Umoja Wetu“ von dem FDLR-Kommandanten V. Drohungen gegenüber der einheimischen Bevölkerung dahingehend gegeben habe, entweder ihr unterstützt uns oder ihr werdet als Feinde und Kollaborateure der kongolesischen und ruandischen Armee betrachtet.
Nähere Informationen zu den Folgen und Opfern des Angriffs unter den kongolesischen Zivilisten hatten die UN-Experten laut den Ausführungen des Zeugen 4D.M. vor allem über einen von ihnen interviewten Menschenrechtsaktivisten, zwei zu dessen Angaben passende UN-Berichte und über zwei kongolesische Zivilisten erhalten, die von weiteren Mitgliedern der UN-Expertengruppe in einem Flüchtlingslager in Minova Anfang April 2009 interviewt worden waren. Insgesamt sei die Expertengruppe deshalb davon ausgegangen, dass Häuser in Kipopo von der FDLR niedergebrannt und mindestens 13 kongolesische Zivilisten getötet worden seien. So habe der von ihm und seinem Kollegen 1C.G. interviewte Menschenrechtsaktivist aufgrund der Befragung zahlreicher geflüchteter Zivilisten davon berichtet, dass die FDLR in Kipopo Häuser niedergebrannt habe und hierbei 13 Menschen bei lebendigem Leib verbrannt sowie weitere 45 Frauen und Mädchen vergewaltigt worden und dabei auch Schüsse der FDLR-Soldaten in die Vagina der Frauen erfolgt seien. Wie der Zeuge berichtete, hatte der Menschenrechtsaktivist die von ihm durchgeführten Befragungen auf Tonbänder aufgezeichnet und den UN-Experten zum Anhören zur Verfügung gestellt, so dass sie sich selbst einen Eindruck davon verschaffen konnten. Damit übereinstimmend sei auch in einem Bericht der OCHA, der ebenfalls auf den Aussagen von Flüchtlingen beruhe, gleichermaßen von niedergebrannten Häusern in Kipopo und 13 lebendig verbrannten Personen berichtet worden. Darüber hinaus habe die MONUC in einem nicht veröffentlichen, aber von ihnen eingesehenen Report von einem Besuch vor Ort berichtet und beschrieben, dass seit dem Beginn der Angriffe der FDLR im Rahmen von „Umoja Wetu“ viele Siedlungen, darunter auch Kipopo, verlassen seien. Auch habe es darin geheißen, dass in Kipopo und zwei anderen Orten insgesamt 30 Personen getötet worden seien. Die Zahl von 13 bei dem Angriff in Kipopo getöteten Zivilisten beruhte nach seinen Angaben vor allem auf den Angaben einer Person, die detailliert nach ihren insoweit vorhandenen Informationen befragt worden war und die Leichen vor Ort gezählt hatte.
(2) Bericht des Gemeinsamen Büros der Vereinten Nationen für Menschenrechte vom 30. Mai 2009
Passend zu den Angaben der beiden UN-Zeugen, wenn auch dort anstelle des 13. Februar der 14. Februar genannt ist, wird in dem vom Zeugen 3B. übergebenen und in der Hauptverhandlung verlesenen Bericht des gemeinsamen Büros der Vereinten Nationen für Menschenrechte über eine Mission in Hombo vom 12. bis 15. Mai 2009 von einer Zeugenaussage berichtet, wonach am 14. Februar 2009 der Ort Kipopo im Gebiet von Ufamandu II im Territorium Masisi abgebrannt sei, mehrere Personen im Kugelhagel gestorben oder verbrannt und viele der Vertriebenen dieses Gebietes in Richtung Busurungi geflohen seien.
cc) Angaben der Zeugin VW. über die Untersuchungsergebnisse von HRW
Bestätigt wurden ein Angriff der FDLR in Kipopo sowie dabei getötete Zivilisten und niedergebrannte Häuser darüber hinaus durch die Untersuchungen von HRW, über die die Zeugin VW. berichtete. Danach hatte HRW zum Geschehen in dieser Siedlung am 13. Februar 2009 gemäß ihren Standards Ermittlungen durchgeführt und deren Ergebnisse im Bericht von HRW „Ihr werdet bestraft“ aus dem Dezember 2009 entsprechend dokumentiert. So waren im Rahmen der Recherchen unter anderem Familienmitglieder von Opfern des Angriffs auf Kipopo in Minova am 10. Mai und 9. Juli 2009 von HRW interviewt worden und es gab eine von Flüchtlingen aus Kipopo erstellte Liste der Opfer des Angriffs. Zwar bekundete die Zeugin VW., nicht selbst an den Untersuchungen beteiligt gewesen zu sein und deshalb nicht aufgrund eigener Wahrnehmungen und Zeugenbefragungen darüber berichten zu können. Nach ihren glaubhaften Angaben handelt es sich bei ihrer Kollegin I.S., die für die Ermittlungen zu Kipopo zuständig war, im Ausland lebt und zu einer Aussage im vorliegenden Verfahren nicht bereit war, aber um eine sehr erfahrene Mitarbeiterin von HRW mit einem Masterabschluss im Bereich „Internationale Beziehungen und Entwicklung“ sowie großer Vororterfahrung in der DR Kongo. Wie sie schilderte hatte sie mit ihr zusammen den größten Teil der Untersuchungen in den Kivu-Gebieten durchgeführt, den hierüber erstellten Bericht „Ihr werdet bestraft“ aus dem Jahr 2009 gemeinsam verfasst und von allen von ihrer Kollegin erhaltenen Informationen Kenntnis erhalten. Auch waren ihr die im Bericht dokumentierten Untersuchungsergebnisse insgesamt noch gut in Erinnerung. So kannte sie auch die von kongolesischen Flüchtlingen aus Kipopo in Minova erstellte und im Archivbüro von HRW in Goma gelagerte, aber nach ihrem Bekunden aus Quellenschutzgründen den Verfahrensbeteiligten nicht zugängliche Liste der Opfern des Angriffs der FDLR.
Nach den Recherchen von HRW gab es auch in Kipopo Drohschreiben der FDLR an die Bevölkerung. Auch handelte es sich bei der Operation am 13. Februar 2009 um einen Bestrafungsangriff, bei dem Zivilisten getötet wurden. So hatten entsprechend den erhaltenen Informationen und den insoweit im Bericht von HRW getroffenen Feststellungen Streitkräfte der Koalition zwei Tage lang Lager in Kipopo bezogen und die Siedlung war am 13. Februar 2009 von der FDLR nachts kurz nach dem Aufbruch der Streitkräfte angegriffen worden, wobei Menschen in ihren Häuser eingesperrt sowie Häuser in Brand gesetzt und insgesamt 17 Zivilisten, darunter auch Kinder, getötet wurden. Wie im Bericht aufgeführt, wurden von den festgestellten 17 getöteten Opfern 15 verbrannt, eine Frau in die Seite geschossen und eine Frau, die Wunden von einem Messer in ihrem Rücken, in ihrer Seite und an ihren Füßen hatte, erstochen. Zu der im Bericht hierzu erwähnten und von geflüchteten Bewohnern aus Kipopo erstellten Liste von Opfern führte die Zeugin ergänzend aus, dass die kongolesischen Zivilisten oftmals das Bedürfnis gehabt hätten, Angaben zu ihren Toten zu machen und eine solche Liste regelmäßig ein historisches Dokument für diese gewesen sei, auf das sie großen Wert gelegt hätten. HRW habe in solchen Fällen auf eine bestimmte Gestaltung der Opferliste hingewirkt. So sei eine solche Liste regelmäßig in Tabellenform mit Spalten erfolgt, in denen von den Kongolesen der Name, das Alter, das Geschlecht, der Ort, an dem die Person getötet worden sei, die Tötungsart sowie sonstige Bemerkungen eingetragen worden seien. Nach Erhalt einer derartigen Liste sei dann von HRW in einer Gesamtschau aller vorhandenen Informationen die Zahl der ausreichend verifizierbaren Opfer festgestellt worden. Hinsichtlich der Ergebnisse der Untersuchungen von HRW zu Häusern und sonstigen Gebäuden, die beim Angriff der FDLR auf Kipopo niedergebrannt wurden, verwies die Zeugin auf die im Anhang V zum Bericht von HRW vom Dezember 2009 dokumentierten Zahlen. Dort wird auf der Grundlage der von HRW als glaubhaft erachteten Augenzeugenberichten eine Zahl von 100 durch die FDLR niedergebrannten Häusern und sonstigen Gebäuden für den 13. Februar 2009 in Kipopo angegeben.
dd) Angaben der kongolesischen Zeugen Z 2 und Z 3
Dass sie von einem Angriff der FDLR auf Kipopo über entsprechende Nachrichten von dort gehört hatten, berichteten darüber hinaus glaubhaft die beiden ursprünglich aus Busurungi stammenden anonymen kongolesischen Zeugen Z 2 und Z 3. Wie der Zeuge Z 2 bekundete, hatte er Nachrichten von einem solchen Angriff mitbekommen, wusste aber nicht mehr, wann dieser genau stattgefunden hatte und datierte ihn in der Hauptverhandlung nach dem Angriff der FDLR auf Mianga. Genauere Informationen zum Geschehen in Kipopo hatte der Zeuge Z 3 erhalten, der den Ort von einer früheren Reise her kannte. Der im Tatzeitraum in Goma lebende Zeuge schilderte, dass ihm Personen, die von Kipopo gekommen seien, erzählt hätten, dass dort ein Angriff durch die FDLR erfolgt sei und Häuser angezündet sowie Leute getötet worden seien. Auch habe er regelmäßig alle Informationen, die er über die Situation der Tembos und gegen sie verübte Menschenrechtsverletzungen von Bewohnern der dortigen Siedlungen oder im Rahmen von Treffen eines Vereins in Goma, der Nachrichten über die Tembos sammelte, erhalten habe, in einem Notizbuch vermerkt. Auf Vorhalt der seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren als Anlage 2 beigefügten handschriftlichen Aufschriebe bestätigte er, dass es sich bei den auf Kalenderblättern des Monats Februar 2009 befindlichen Notizen um Teile der von ihm in Goma gefertigten und zu den Akten gegebenen Aufschriebe handle. Zu dem dort unter 2. niedergelegten Punkt „Angezündete Dörfer“ führte er aus, es gehe dabei um Taten, die von der FDLR in Ufamandu und in Waloaluanda verübt worden seien und die er aufgrund von Informationen aufgezeichnet habe, die er im Rahmen von Treffen des oben genannten Vereins erhalten habe. Dass dort unter dem Punkt 2 auch Kipopo genannt und darüber der Vermerk „Hälfte“ stehe, bedeute, die Siedlung Kipopo sei nach den von ihm erhaltenen Nachrichten zur Hälfte angezündet worden.
b) Angriff auf Mianga am 12. April 2009
Auch im Fall von Mianga stützen sich die Feststellungen über die am Angriff beteiligten Einheiten und Kommandeure der FDLR, die Gründe des Angriffs sowie die auf Seiten der FDLR erteilten Befehle hauptsächlich auf die Angaben der ehemaligen FDLR-Angehörigen, werden aber auch durch entsprechende Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung bzw. aus asservierten Dateien belegt. Dass die FDLR bei dem Angriff gezielt gegen kongolesische Zivilisten vorging, ergab sich zur Überzeugung des Gerichts vor allem aufgrund der Angaben der Zeugin VW. über die Untersuchungsergebnisse von HRW, eines Berichts der UN sowie der Angaben der Zeugen Z 2 und Z 3, die sich schlüssig ergänzten und gegenseitig in wesentlichen Punkten bestätigten. Die festgestellten Zahlen zu den beim Angriff getöteten Zivilisten bzw. den niedergebrannten Häusern beruhen maßgeblich auf den fundierten Untersuchungsergebnissen von HRW.
aa) Angaben früherer FDLR-Milizionäre
Eine Operation bzw. Kämpfe der FDLR in der Siedlung Mianga am 12. April 2009 bestätigten 15 ehemalige FDLR-Angehörige, wobei vor allem 12 von ihnen über nähere Informationen hierzu verfügten. Dabei korrespondierten ihre Angaben zu den am Angriff beteiligten Einheiten und Kommandeuren, den Gründen des Angriffs, den hierzu erteilten Anweisungen sowie zum militärischen Verlauf der Operation gegen die feindlichen Stellungen und passten zu Mitteilungen, die FDLR-Führungspersonen aus der DR Kongo an den Angeklagten Dr. M. übersandt hatten. So nannten die Zeugen als ausführende Einheiten vor allem das Bataillon PM und Teile der Reservebrigade sowie Angehörige des Bataillons FOCA QG und Soldaten, die sich im Umfeld des 2. Vizepräsidenten der FDLR oder bei Flüchtlingen aufhielten. Auch bezeichneten die ehemaligen FDLR-Angehörigen die Operation der FDLR in Mianga mehrheitlich als einen Bestrafungs- bzw. Vergeltungs- oder Racheangriff, wobei Zeugen aus dem Umfeld des FOCA-Kommandos von S.M. als demjenigen sprachen, der die Operation angeordnet habe. Die meisten der ehemaligen FDLR-Angehörigen bestätigten darüber hinaus, dass beim Angriff Häuser niedergebrannt wurden und/oder Zivilisten starben, wobei teilweise der Dorfchef von Mianga ausdrücklich als eines der Opfer genannt wurde. Auch im Fall von Mianga hatte zwar keiner der ehemaligen FDLR-Angehörigen selbst an der Operation auf die Siedlung teilgenommen. Fast durchgehend stützten sich die Zeugen aber auf Informationen am Angriff beteiligter FOCA-Soldaten. Vielfach verfügten sie über Erkenntnisse aus mehreren Quellen, hatten Wahrnehmungen im Zusammenhang mit dem Angriff gemacht oder waren selbst in die Vorbereitung des Angriffs bzw. in Unterstützungskämpfe miteingebunden gewesen. Dabei waren ihre Angaben zur Herkunft und dem Inhalt ihrer Informationen wiederum aufgrund ihrer ausgeübten Tätigkeiten oder ihres damaligen Standorts plausibel.
(1)
Umfangreiche Angaben insbesondere zu den Vorgängen im unmittelbaren Vorfeld des Angriffs sowie zum militärischen Vorgehen der FDLR gegen die feindlichen Positionen in Mianga machte der Zeuge J.B., der den Angriff auf die Siedlung ausdrücklich als einen Bestrafungsangriff bezeichnete und ihn zeitlich kurz vor bzw. nach Ostern 2009 einordnete. Dabei beruhten seine Ausführungen vielfach auf eigener Wahrnehmung. So hatte er sich, wie er berichtete, zur Zeit des Angriffs in der Fraktion des FOCA-Vizekommandanten 9B. in der Nähe von Kalongi aufgehalten und als Mitglied des Büros G 2 den Angriff mitvorbereitet. Auch konnte er den Angriff der FDLR auf Mianga von seinem Standort aus teilweise sehen und hatte die Siedlung ca. zwei Monate danach selbst besucht. Nähere Informationen über die Operation der FDLR hatte er darüber hinaus von Kommandanten und Soldaten des Bataillons PM erhalten, die an der Operation beteiligt waren und ihm Teile der hierbei erlangten Beute zeigten, als er kurze Zeit nach dem Angriff als deren neuer Kommandant zum Bataillon PM wechselte.
Nach den Angaben des Zeugen wurde die Operation der FDLR auf Mianga durch den Stab des FOCA-Vizekommandanten 9B. mehrere Tage lang vorbereitet, nachdem 9B. die Mitglieder des Stabs in einer Versammlung eine Woche vor dem Angriff über den Befehl des FOCA-Kommandanten informiert hatte, die Siedlung Mianga anzugreifen. Dabei sei als einer der Gründe für den Angriff genannt worden, dass sich die Stellung der FARDC dort in der Nähe des FOCA-Kommandanten befunden habe und man die FARDC verjagen wollte, weil man sich kaum bewegen konnte. Ein weiterer Grund sei gewesen, dass die Zivilisten von Mianga mit der FARDC kooperiert und dieser gezeigt hätten, wo sich die FDLR-Soldaten aufhielten. Auch habe der FOCA-Kommandant gesagt, man müsse die Soldaten aus dem Ort verjagen, um die ruandischen Flüchtlinge zu schützen. So hätten Mai-Mai und kongolesische Soldaten, wie er gehört habe, ruandische Flüchtlinge in Richtung Mianga entlang des Flusses Nyabarongo getötet. Auch seien den Flüchtlingen von kongolesischen Zivilisten Kühe weggenommen worden. Bei dem Angriff der FDLR habe es sich deshalb um einen Bestrafungsangriff gehandelt. Dieser sei per Telegramm vom FOCA-Kommandanten angeordnet worden. Mianga sei einer der Orte gewesen, gegen die die FDLR eine Operation vorbereitet habe, um sich zu rächen und Vergeltung zu üben für die Schäden und Opfer, welche die Angriffe der FARDC verursacht hätten. Als Mitarbeiter von G 2 sei es seine Aufgabe gewesen, die Situation in Mianga und dessen Umfeld zu erkunden, weshalb er Zivilisten und Kameraden nach den dortigen örtlichen Verhältnissen befragt habe. Auch habe er von seinem Standort aus die Situation in Mianga selbst sehen können. Dabei bestätigte der Zeuge, dass der FOCA aufgrund der Nähe ihrer Stellungen und der durchgeführten Aufklärungsmaßnahmen bekannt war, dass kongolesische Soldaten mit den Zivilisten vermischt in der Siedlung zusammenlebten, wenn sie auch die Anzahl der in Mianga aufhältigen Zivilisten nicht genau gekannt hätten. Auch wusste die FDLR nach seinen Ausführungen, dass es in Mianga ein Bataillon der FARDC mit drei Kompanien gab, die schwere Waffen auf dem Hügel stationiert hatten und sich Zeltlager der feindlichen Soldaten an beiden Enden von Mianga sowie das Kommando mitten in der Siedlung befanden.
Anhand einer von ihm selbst gefertigten Skizze erläuterte der Zeuge anschaulich und nachvollziehbar den militärischen Verlauf der Operation. So setzten nach seiner Schilderung ungefähr 250 bis 300 FDLR-Soldaten in der Nacht mit Seilen über den Fluss Nyabarongo über und überraschten die FARDC-Soldaten in der Siedlung. Dabei habe es sich hauptsächlich um die 1. und 2. Kompanie des Bataillons PM unter Führung von Hauptmann 3T. und Hauptmann 1R. sowie Teile der Reservebrigade gehandelt, die von weiteren Soldaten unterstützt worden seien. Der Bataillonskommandant von PM 1D.M. alias 11K., unter dessen Kommando der Angriff erfolgt sei, sei auf der anderen Seite des Flusses zurückgeblieben und habe von dort aus 3T. und 1R. per Funkgerät kommandiert. Eine Gruppe der FOCA-Soldaten habe anschließend den Hügel und eine andere Gruppe die Ziele im Dorf beschossen, während ein weiterer Hauptmann mit seinen Leuten die Gegend um den Fluss abgesichert habe, um einen Gegenangriff des Feindes zu verhindern. Wie der Zeuge angab, konnte er dabei den Beschuss der feindlichen Stellungen von seinem Hügel aus selbst mitverfolgen und sah brennende Häuser in der Siedlung. Hierzu bemerkte er, dass Munition allein die Häuser nicht in Brand gesetzt haben könne. Er wisse allerdings nicht, ob es hierfür Anweisungen gegeben habe. Ein Soldat könne aber nicht allein entscheiden, ein Haus anzuzünden. Die FARDC sei von den Zivilisten ernährt worden. Man habe daher alles tun müssen, um die Zivilisten aus dem Ort zu vertreiben, denn dann könne auch die FARDC nicht bleiben. Allerdings sei ihm nicht bekannt, was genau passiert sei. Es könne sein, dass ein Soldat ein Haus in Brand gesetzt habe, weil er erzürnt gewesen sei. Es könne aber auch sein, dass ein Kommandant einen Befehl an seine Soldaten gegeben habe, die Häuser anzuzünden. Nach den Berichten seiner Kameraden seien auf jeden Fall viele feindliche Soldaten in Mianga gestorben und der Rest in Richtung Busurungi geflüchtet. Diejenigen, die bei dem Angriff dabei gewesen seien, hätten sich gerühmt, „richtig viele Leute“ getötet zu haben, aber keine genauen Zahlen genannt. Ihm selbst seien später sechs Leute aufgefallen, die erbeutete FARDC-Uniformen getragen hätten. Auch wisse er, dass ein FOCA-Soldat bei der Operation angeschossen worden und später verstorben sei. Selbstverständlich seien bei einem Angriff in einer Siedlung, in der Zivilisten lebten, auch Zivilisten bei dem Angriff gestorben. Das FOCA-Kommando habe anschließend die Kämpfer zu ihrem Sieg beglückwünscht, weil sie viel Beute gemacht hätten. Nach seiner Kenntnis seien gegnerische Uniformen, ungefähr 13 Kalaschnikows, zwei Kisten Munition sowie zwei Motorola-Funkgeräte erbeutet worden. Eines der beiden Funkgeräte habe er als G 2 selbst erhalten, um Informationen der FARDC über Operationen abzuhören. Im Übrigen habe er bei seiner Ankunft beim Bataillon PM weitere Teile der Beute selbst gesehen, unter anderem auch das zweite Motorola.
Plastisch beschrieb der Zeuge die Situation in Mianga, die er ungefähr zwei Monate nach dem Angriff der FDLR bei einem Besuch in der Siedlung vorfand, als er den mit ihm befreundeten kongolesischen C.S. begleitete, um die Zivilisten nach Mianga zurückzuholen. So waren in der Siedlung nach seinen Angaben bis auf ein Haus mit einem Blechdach nur noch Trümmer vorhanden und die Strohhäuser komplett niedergebrannt. Auch habe man nicht einmal mehr sehen können, wo die Häuser überhaupt gestanden hätten. Wie er berichtete, schilderte ihm 4S. darüber hinaus, dass die aus Mianga geflohenen Zivilisten in den Wäldern unter Hunger litten und kein Dach über dem Kopf hätten. Er habe daraufhin versucht, mit den Soldaten, die für den Schutz von 8R. zuständig gewesen seien und die Felder der geflüchteten Zivilisten mit dem für sie lebenswichtigen Palmöl besetzt hätten, einen Kompromiss zu finden. Nach einer gewissen Zeit hätten diese die Rückkehr der Kongolesen in die Siedlung auch tatsächlich akzeptiert allerdings nur unter der Bedingung, dass die Bewohner von Mianga einen Teil ihres Besitzes an Palmöl, nämlich ungefähr ein Zehntel, an die FDLR-Soldaten abgeben sollten.
(2)
Zur Aussage des Zeugen J.B. passen die Ausführungen des damals als Chef des Informationsbüros des FOCA-Kommandos tätigen Zeugen 2S.. Dieser wusste von dem Angriff auf die Siedlung Mianga aus Berichten der an der Operation beteiligten Kommandanten, die er in Telegrammen und in den Funkheften gelesen hatte, und aufgrund von Informationen in Mianga eingesetzter Soldaten der Schutzeinheit des FOCA-Kommandos. Auch nach seinen Angaben handelte es sich beim Angriff der FDLR auf Mianga um eine Bestrafungsoperation, die vom FOCA-Kommandanten angeordnet worden war. Als wesentlichen Grund hierfür gab er ebenfalls die Zusammenarbeit der Bewohner von Mianga mit den dort stationierten FARDC-Soldaten und Angriffe auf FDLR-Kämpfer und ruandische Flüchtlinge an. So wusste er aus Berichten an das FOCA-Kommando, dass FDLR-Soldaten getötet sowie der stellvertretende Offizier des Übertragungsbüros des FOCA-Kommandos von der FARDC gefangen genommen und nach Ruanda verbracht worden war, weil kongolesische Zivilisten aus Mianga den feindlichen Soldaten den Aufenthaltsort der FDLR-Kämpfer und des Mitarbeiters des Übertragungsbüros verraten und gezeigt hatten. Auch war ihm ebenfalls bekannt, dass die Mai-Mai und die Zivilbevölkerung in Cyanyundo ruandische Flüchtlinge getötet hatten. Nachdem man die Leichen der FOCA-Soldaten gesehen habe und die Berichte über die genannten Ereignisse gekommen seien, sei der Befehl des FOCA-Kommandanten erfolgt, die Bestrafungsaktion durchzuführen. Zur Vorbereitung der Operation habe es eine Versammlung gegeben, zu der auch der Kommandant des Bataillons FOCA QG eingeladen worden sei. Die FDLR sei dann nach Mianga gegangen, um Vergeltung zu üben. An der Operation seien Soldaten des Bataillons PM, der Reservebrigade, des Bataillons FOCA QG sowie aus dem Umfeld des 2. Vizepräsidenten beteiligt gewesen. Auch er erinnerte sich insoweit an Hauptmann 3T. als einen der Führer, der die Soldaten von PM vor Ort befehligt habe. Zudem wusste er von einem Major der Reservebrigade, der dabei gewesen sei. Nach den Angaben des Zeugen berichteten die Mitglieder der Schutzeinheit des FOCA-Kommandos nach ihrer Rückkehr aus Mianga, die FDLR habe die ganze Siedlung angezündet und Kalaschnikows erbeutet. Auch seien andere Gegenstände geplündert und Palmöl mitgenommen worden. Die Kampfteilnehmer hätten darüber hinaus öffentlich davon gesprochen, in Mianga seien Zivilisten getötet worden, weil diese mit den Mai-Mai-Milizen vermischt gewesen seien. Es sei insoweit nicht unterschieden worden.
(3)
Als einen Vergeltungsangriff bzw. eine ähnliche Operation wie sie später in Busurungi erfolgt sei bezeichnete des Weiteren der Zeuge 9N. die Operation der FDLR in Mianga, der als Kommandant der für den Schutz des Exekutivkomitees zuständigen Kompanie zu dieser Zeit zur Fraktion des stellvertretenden Exekutivsekretär 7R. gehörte und sich deshalb in der Nähe von Mianga aufhielt. Nähere Informationen über den Angriff der FDLR hatte er über Kampfteilnehmer aus seiner Einheit sowie Kommunikationsmittel, mit denen er unmittelbar nach der Operation mit dort eingesetzten Soldaten Kontakt aufgenommen hatte, und durch einen übermittelten Bericht über die Operation erhalten. Wie er berichtete, war er zum Zeitpunkt des Angriffs darüber hinaus selbst an Kampfhandlungen und dem Beschuss von Stellungen der FARDC in dem nahe gelegenen Cyanyundo beteiligt gewesen, um zu verhindern, dass die in Mianga stationierten kongolesischen Streitkräfte durch nachrückende Kräfte Unterstützung erhielten. Als Grund für den Vergeltungsangriff nannte er, dass die FARDC zusammen mit Zivilisten, die mit traditionellen Waffen wie Lanzen und Macheten bewaffnet gewesen seien, FDLR-Soldaten und ruandische Flüchtlinge bei ihrer Nahrungssuche angegriffen und in der Nähe des stellvertretenden Exekutivsekretärs 7R. getötet habe. Daraufhin sei die Anweisung des FOCA-Vizekommandanten 9B. über den stellvertretenden Exekutivsekretär 7R. weitergegeben worden, den Feind anzugreifen und zu neutralisieren, damit er die besetzte Zone verlasse. Ziel des Angriffs sei auch gewesen, durch eine solche Operation vor der Tötung weiterer Flüchtlinge zu warnen. Er selbst habe den Befehl bekommen, in Cyanyundo feindliche Kräfte von der Unterstützung der FARDC in Mianga abzuhalten. Zum Verlauf der Operation berichtete der Zeuge, dass Soldaten des Bataillons PM unter anderem unter Führung von Hauptmann 3T. sowie Angehörige der Reservebrigade und des Bataillons FOCA QG nach Mianga gegangen seien, dort frühmorgens die Siedlung angegriffen und den Feind in die Flucht geschlagen hätten. Bei den gegenseitigen Schusswechseln seien eigene, aber auch feindliche Soldaten getötet worden. Auch seien dort, wo die FARDC-Positionen mitten in der Siedlung gewesen seien, einige Zivilisten, wenn auch nicht so viele wie bei der danach erfolgten Operation in Busurungi, gestorben. Kameraden aus seiner Einheit, die dort gekämpft hätten, hätten ihm von fünf toten kongolesischen Zivilisten in Mianga berichtet. Auch sei ihm mitgeteilt worden, dass der Chef des Dorfes verletzt worden sei. Ob er gestorben sei, sei ihm nicht bekannt. Darüber hinaus wisse er, dass einzelne Häuser in Mianga angezündet worden seien. Die FARDC habe ihre Positionen mitten in der Siedlung gehabt. Die Häuser, in denen Soldaten seien, seien in einem solchen Fall angezündet worden. Wie andere ehemalige FDLR-Angehörige berichtete der Zeuge ebenfalls davon, dass die FDLR in Mianga viele Waffen erbeutet habe. Diese habe er selbst gesehen.
(4)
Über Kampfteilnehmer und einen übermittelten Bericht über die Operation hatte des Weiteren der damalige Leiter des Büros G 5, der Zeuge 1S.B., Kenntnis von dem Angriff der FDLR auf Mianga erhalten und die Siedlung, nachdem die Zivilisten dorthin zurückgekehrt waren, besucht. Auch er nannte den Angriff einen Vergeltungsangriff und führte hierzu aus, dass ein Befehl zu einer solchen Operation von niemand anderem als dem FOCA-Kommandanten gegeben werden könne. Als Grund für den Angriff der FDLR gab er ebenfalls an, dass in Mianga eine Stellung der FARDC gewesen sei, die FARDC und Mai-Mai ruandische Flüchtlinge getötet hätten und man sie deshalb aus den Stellungen wegjagen wollte. Hierzu schilderte er, dass ihm die Bewohner von Mianga bei seinem Besuch erzählt hätten, dass das, was in der Siedlung passiert sei, „von ihren Kindern“, den Mai-Mai, verursacht worden sei, weil diese Flüchtlinge getötet hätten. Auch er berichtete, dass es sich bei der Operation der FDLR um einen Überraschungsangriff gehandelt habe und die kongolesischen Soldaten in Mianga mit den Zivilisten vermischt gewesen seien. Vor dem Angriff hätten sich die Kampfteilnehmer unter anderem aus der Reservebrigade, des Bataillons PM und des Bataillons FOCA QG auf einem Platz in der Nähe des Standorts des 2. Vizepräsidenten 8R. versammelt. In dem Bericht über die Operation habe er gelesen, dass die FDLR die FARDC bei dem Angriff in die Flucht geschlagen habe und hierbei viel Kriegsausrüstung erbeutet worden sei. Selbstverständlich seien dort auch Leute gestorben. Man habe gesagt, dass die meisten davon Soldaten gewesen seien, es seien aber auch einige Zivilisten gestorben. Wie er von Soldaten nach dem Angriff gehört habe, seien darunter der Dorfchef oder sein Stellvertreter gewesen. Ob in dem von ihm gelesenen Bericht auch von angezündeten Häusern die Rede gewesen sei, könne er nicht mehr sagen. Zwar sprach der Zeuge in diesem Zusammenhang davon, gehört zu haben, dass die FARDC und die Mai-Mai nach ihrer Rückkehr die übrig gebliebenen Häuser in Mianga angezündet hätten, nannte hierzu aber keine konkreten Einzelheiten. Stichhaltige Anhaltspunkte hierfür ergaben sich weder aus seinen Angaben, noch aus der übrigen Beweisaufnahme. Insoweit war im Übrigen zu sehen, dass seine Ausführungen zur Frage, ob von der FDLR Häuser in kongolesischen Siedlungen angezündet wurden, in der Hauptverhandlung insgesamt deutlich hinter den Angaben zurückblieben, die er noch nach dem Protokoll seiner am 1. Februar 2012 durch Beamte des Bundeskriminalamts und der Bundesanwaltschaft in einem anderen Ermittlungsverfahren durchgeführten Vernehmung gemacht hatte und die ihm insoweit vorgehalten worden waren. Wie der Zeuge J.B. gab auch er im Übrigen an, dass die geflüchteten Bewohner von Mianga erst Monate nach dem Angriff aufgrund entsprechender „Sensibilisierungsbemühungen“ von Leuten des Bataillons PM und der Reservebrigade wieder nach Mianga zurückgekehrt seien. Zuvor hätten sich die kongolesischen Zivilisten aus Angst, die FDLR werde Vergeltung üben, nicht getraut.
(5)
Als einen Racheangriff, weil die FARDC ruandische Flüchtlinge getötet habe, bezeichnete darüber hinaus der damals zur Schutzeinheit des FOCA-Kommandos gehörende Zeuge 2MM. die Operation der FDLR in Mianga. Nach dem Angriff auf die Flüchtlinge habe S.M. die Operation angeordnet und die Anweisung erteilt, wenn sie ihre Verwandten töteten, so müssten sie auch deren Soldaten angreifen, damit sie es nicht mehr machten. Ziel der Kämpfe sei es gewesen, die FARDC aus ihren Stellungen zu vertreiben und dafür zu sorgen, dass diese die Flüchtlinge nicht mehr töteten. Vor einem Angriff seien immer Aufklärungsmaßnahmen durchgeführt worden und der Angriff mithilfe eines „bac à sable“ (Planspiel) geplant worden. Weil in Mianga die Zivilbevölkerung mit der FARDC vermischt gewesen sei, seien dort selbstverständlich Zivilisten getötet worden. Die Munition könne nicht unterscheiden. Danach habe die MONUC die Zivilisten mit dem Flugzeug weggebracht. An die Zahl der Toten könne er sich nicht erinnern. Auch habe man ihnen berichtet, dass in Mianga Häuser angezündet worden seien. Die Soldaten der FARDC seien weggelaufen und hätten deshalb die Häuser nicht anzünden können. Die Vorgesetzten müssten Verantwortung für das übernehmen, was getan worden sei, denn der Untergebene führe nur Befehle aus. Dass die FDLR in Mianga viel Ausrüstung erbeutet hatte, bestätigte auch er. Dabei gab er an, die oben genannten Informationen über die Operation in Mianga zum einen aus einem entsprechenden sitrep der kämpfenden Einheiten sowie durch Berichte aus dem Kampf zurückgekehrter Kämpfer seiner Einheit erfahren und dabei auch das von den Soldaten erbeutete Kriegsmaterial wie Raketenwerfer, Mörser 60, verschiedene Sturm- und Maschinengewehre und Munitionskisten gesehen zu haben. Er berichtete aufgewühlt und unter Tränen, die in Mianga lebende kongolesische Mutter seines achtjährigen Kindes habe ihm zudem geschrieben, ihr gemeinsames Kind sei bei dem Angriff auf die Siedlung getötet worden. Nach deren Beschreibung sei der Angriff der FDLR überraschend erfolgt. Als die Kämpfe begonnen hätten, sei sie geflohen, habe aber das Kind zurückgelassen. Bei ihrer Rückkehr habe sie das Kind tot, nämlich erschossen, vorgefunden.
(6)
Eine Racheoperation nannten des Weiteren der ehemalige Mitarbeiter des Büros G 5 beim FOCA-Kommando und damalige Leiter der Résistance Civile, der Zeuge 5B., sowie der als Eskorte für einen FDLR-Politiker tätige Zeuge 3H. den Angriff der FDLR auf die Siedlung Mianga. Informationen hierüber hatten beide ebenfalls direkt über Kampfteilnehmer erhalten. Der Zeuge 5B. gab hierzu an, Mianga sei einer der Orte gewesen, in denen deren Bewohner, die Tembo, vermischt mit dem Feind gelebt und mit diesem zusammengearbeitet hätten, weshalb die Zivilisten von der FDLR als Feind betrachtet worden seien. In deren Gebiet seien ruandische Flüchtlinge und FDLR-Soldaten getötet worden. Der Angriff auf die Siedlung Mianga sei deshalb ein Racheangriff gewesen. Bei der Operation seien die feindlichen Soldaten erfolgreich vertrieben, militärische Ausrüstung erbeutet und die Siedlung von der FDLR niedergebrannt worden. Auch seien dabei Zivilisten gestorben, weil sie mit dem Feind vermischt gewesen seien. Die Schüsse könnten nicht auswählen. Ebenso wie der Zeuge 5B. bezeichnete auch der Zeuge 3H. Mianga als einen der Orte, in denen die kongolesische Bevölkerung die Koalitionsarmee unterstützt habe und gegen die FDLR gewesen sei. Grund für den Angriff auf die Siedlung sei gewesen, dass Kameraden von ihnen nach Bunyamwasa geflüchtet und bei der Essensuche von der FARDC beschossen und getötet worden seien. Daraufhin habe die FDLR aus Rache den Angriff auf die Siedlung Mianga, in der die FARDC-Soldaten ihre Stellung gehabt hätten, vorbereitet. Auch er bestätigte, dass bei dem Angriff der FDLR in Mianga Zivilisten getötet wurden. Hierzu gab er ebenfalls an, dass sich die FARDC immer bei den kongolesischen Zivilisten aufgehalten habe, weil sie dadurch leichter zu Nahrung gekommen sei.
(7)
Als Reaktion auf Angriffe der in Mianga stationierten FARDC-Soldaten gegen FDLR-Stellungen bzw. auf die durch die FARDC erfolgte zwangsweise Mitnahme ruandischer Flüchtlinge nach Mianga beschrieben der Zeuge 7N. und der Zeuge 1A.N. die Operation der FDLR in Mianga. Wie der Zeuge 7N. berichtete, gehörte er damals als Offizier zum Bataillon PM, war aber zum Zeitpunkt des Angriffs krank gewesen und besaß Informationen über die Operation deshalb im Wesentlichen aus Telegrammen und dem Bericht eines befreundeten Soldaten, der im Umfeld des 2. Vizepräsidenten der FDLR gelebt hatte und bei den Kämpfen in Mianga verletzt worden war. Als Grund für die Operation gab er an, dass in Mianga stationierte FARDC-Soldaten mehrfach den Standort des 2. Vizepräsidenten der FDLR in einem Wald oberhalb von Mianga angegriffen hätten, um ihn festzunehmen, und man sie deshalb verjagen wollte, um weitere Angriffe zu verhindern. General 8R. habe den Vorschlag zum Angriff gemacht, die Anweisungen hierzu seien anschließend über den FOCA-Vizekommandanten 9B. gekommen. Beim Besuch seines verletzten Freundes habe dieser berichtet, dass die FDLR ihr Ziel in Mianga erreicht habe, weil die Kämpfer die kongolesische Armee von dort verjagt hätten. Sie hätten Ausrüstung und Munition erbeutet. Soweit der Zeuge in diesem Zusammenhang zunächst noch gemeint hatte, die Bewohner von Mianga seien zum Zeitpunkt des Angriffs bereits geflohen gewesen, berichtigte er dies nach Vorhalt seiner in der Vernehmung durch die Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs am 4. Mai 2010 gemachten Angaben und sprach anschließend ebenfalls davon, es habe in Mianga noch Zivilisten gegeben, er könne aber nicht sagen, wieviele Zivilisten dort gestorben seien. Die kongolesische Armee lebe zwar regelmäßig bei den Zivilisten, in Mianga seien die kongolesischen Soldaten aber nicht mitten unter der Bevölkerung, sondern auf einem Hügel gewesen.
Zur Operation der FDLR in Mianga gab der als „Coureur“ im Begleittrupp des stellvertretenden FOCA-Sprechers tätige Zeuge 1A.N. an, die FARDC habe ruandische Flüchtlinge von Mibaraka in die Siedlung verbracht und sei deshalb von der FDLR dorthin verfolgt worden. Bei den Kämpfen in Mianga seien Zivilisten gestorben. Bei einem solchen Angriff könne die Munition nicht unterscheiden. Er wisse aber nicht, ob es sich bei den getöteten Personen um kongolesische Bürger oder ruandische Flüchtlinge gehandelt habe. Zur Herkunft seiner Informationen gab er an, über Mianga durch Mitteilungen an den stellvertretenden FOCA-Sprecher sowie über Soldaten, die an den Kämpfen teilgenommen hatten, erfahren zu haben.
(8)
Über Informationen hinsichtlich des Angriffs der FDLR auf Mianga verfügten zudem die Zeugen 10N. und 1H.. So berichtete der im Umfeld des Exekutivkomitees tätige und zu dieser Zeit in der Nähe des 2. Vizepräsidenten 8R. befindliche Zeuge 10N., dass er sich nur ca. 30 Minuten Fußmarsch von Mianga entfernt aufgehalten habe. Die Soldaten von 8R., die beim Angriff auf die Siedlung andere Einheiten der FDLR unterstützt hätten, habe er bei ihrer Rückkehr mit erbeuteten Gewehren und Munition selbst gesehen. Auch hätten diese weiteres Gepäck dabei gehabt, deren Inhalt er aber nicht kenne. Nach deren Informationen habe die FDLR Mianga in der Nacht angegriffen und die FARDC von dort verjagt. Dabei seien feindliche und eigene Soldaten getötet worden. Auch habe es zum Zeitpunkt des Angriffs noch Zivilisten in Mianga gegeben, die bei den FARDC-Soldaten geblieben seien. Er habe gehört, ein Chef der Siedlung sei bei den Kämpfen gestorben. Ob es der oberste Chef des Dorfes gewesen und wie dieser gestorben sei, wisse er nicht, weil es bei der FDLR keine Leute gebe, die die getöteten Zivilisten zählten oder identifizierten. Von angezündeten Häuser habe er nichts gehört. Auch er bestätigte, dass parallel zur Operation der FDLR in Mianga Kämpfe der FDLR in Cyanyundo stattfanden.
Kenntnis von einem Angriff der FDLR in Mianga im April 2009 hatte zudem der damals bei der Reservebrigade tätige Zeuge 1H., wie er in seiner im Ermittlungsverfahren erfolgten und in die Hauptverhandlung eingeführten Vernehmung vom 5. Dezember 2009 berichtete. Er gab an, dass Soldaten des Bataillons PM und des Bataillons Montana an dem Angriff beteiligt gewesen seien. Die Spezialkompanie sei nicht dort gewesen. Auf Mianga sei ein Angriff erfolgt, weil es dort eine FARDC-Brigade gegeben habe.
(9)
Von dem genannten Angriff der FDLR in Mianga am 12. April 2009 und dabei getöteten Zivilisten wusste darüber hinaus der zu diesem Zeitpunkt bereits repatriierte Zeuge 15N.. Er berichtete, in seiner Funktion als stellvertretender Kommandant des Bataillons PM bereits vor seiner Rückkehr nach Ruanda Ende März 2009 an Vorbereitungen für einen Angriff der Reservebrigade und des Bataillons PM auf die Siedlung Mianga beteiligt gewesen zu sein. Dabei sei es darum gegangen, sich in Mianga militärisches Material zu beschaffen. Bei Mianga habe es sich um einen großen Ort mit Stellungen kongolesischer Soldaten gehandelt, die in der Siedlung gewohnt hätten. Der Zeuge gab an, nähere Informationen zu dem nach seiner Rückkehr nach Ruanda erfolgten Angriff der FDLR auf die Siedlung von seinem im Jahr 2012 nach Ruanda repatriierten früheren Leibwächter E. aus dem Bataillon PM erhalten zu haben, als er diesen auf einen weiteren seiner früheren Leibwächter angesprochen habe, der in Mianga getötet worden sei. So habe ihm E. berichtet, dass er selbst an den Kämpfen teilgenommen habe und die Operation von Soldaten des Bataillons PM, des Bataillons FOCA QG und der Reservebrigade durchgeführt worden sei. Die FDLR habe den Kampf gewonnen und Material erbeutet. Die Siedlung sei gegen 5:00 Uhr morgens von der FDLR angegriffen worden. Die FDLR habe in das Dorf geschossen. Dabei seien FDLR-Soldaten, vor allem aber viele FARDC-Soldaten gestorben. Die übrigen kongolesischen Soldaten seien geflohen. Nach den Angaben seines Leibwächters habe es auch tote kongolesische Zivilisten bei dem Kampf der FDLR gegen die FARDC in der Siedlung gegeben, weil die Zivilisten dazwischen gewesen seien. Eine genaue Zahl habe dieser nicht genannt.
bb) Erkenntnisse aus der TKÜ-Überwachung und aus asservierten Dateien
(1) Mitteilungen von FDLR-Angehörigen
Gestützt werden die Feststellungen über den Angriff der FDLR auf die Siedlung Mianga am 12. April 2009, die Gründe des Angriffs, die daran beteiligten Einheiten, aber auch über Opfer unter den kongolesischen Zivilisten des Weiteren durch Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung und aus asservierten Dateien:
(a)
So berichtete der stellvertretende Exekutivsekretär 7R. dem Angeklagten Dr. M. In einer SMS vom 13. April 2009 um 10:53 Uhr:
„Schöne Grüße. Unsere Soldaten haben in Mianga und Cyandundo angegriffen. Es gibt viele Verluste auf der Seite des Feindes, darunter der Kommandant des Bataillons, S 2 und 1 Kommandant der Kompanie. Ich bin dort. Sie hatten davor 63 Flüchtlinge getötet. Gott ist auf der Seite unserer Organisation“.
(b)
Auf eine auf die oben genannte Nachricht durch den Angeklagten Dr. M. per SMS am 27. April 2009 um 11:10 Uhr erfolgte Nachfrage antwortete der stellvertretende Exekutivsekretär 7R. am 1. Mai 2009 um 12:56 Uhr:
„Wir grüßen Sie Exzellenz. Mianga ist ein Groupement, Cyandundo ist eine Localité.“
(c)
Am 20. April 2009 übersandte der 2. Vizepräsident der FDLR dem Angeklagten Dr. M. in Form mehrerer SMS eine „Zusammenfassung der allgemeinen Situation nach 3 Monaten der Auseinandersetzungen“. Hierin teilte er zum Angriff auf Mianga durch SMS vom 20. April 2009 um 16:11 Uhr und 16:20 Uhr mit:
„… (die Kämpfe) dauern bis dato ununterbrochen an, da es nach der Operation Umoja Wetu jetzt Kimia II mit Hilfe der MONUC gibt, die am 10. dieses Monats angefangen hat. Am 12. des Monats: Eine von Comd 2nd FOCA organisierte Operation mit Beteiligung von einer Kompanie PM, Einheiten der Reservebrigade & des Generalquartiers FOCA haben den Feind, der in Mianga in der Nähe von Nyabarongo stationiert war, angegriffen. Es gab zahlreiche Tote, darunter fast alle Kommando-Mitglieder. Man erbeutete auch eine Menge Ausrüstung… .“
(d)
In einer auf dem Laptop des Angeklagten Dr. M. befindlichen „Nachricht von dem 2. Vizepräsidenten vom 17. Mai 2009“ berichtete der 2. Vizepräsident über die Bilanzen der Operationen der FDLR in Mianga am 12. April 2009 sowie in Busurungi am 10. Mai 2009 und machte Ausführungen zur Vorgehensweise der FDLR bei Angriffen auf kongolesische Siedlungen, die die Urteilsfeststellungen zum Zeitpunkt und der Art sowie den Gründen des Angriffs der FDLR in Mianga stützen und zeigen, dass die FDLR bei solchen Angriffen nicht zwischen feindlichen Soldaten und Zivilisten unterschied. Dieselbe Nachricht wurde vom 2. Vizepräsidenten der FDLR in einem Gespräch mit dem Angeklagten Dr. M. am 17. Mai 2009 um 16:39 Uhr verlesen, damit dieser, wie der 2. Vizepräsident in einem drei Minuten davor geführten Telefongespräch ausgeführt hatte, daraus Ideen entnehmen könne, um Sachen zu dementieren.
Die vom 2. Vizepräsidenten übermittelte Bilanz der Operation der FDLR in Mianga lautet wie folgt:
„Freundeskräfte: Reservebrigade: Datum: 12. um 5H00B März/April 09. Ort:
Mianga/Kanyundo
Typ der Aktion: Überfall: Überraschung gelungen. Feindeskräfte: 202. Bataillon geführt von Oberstleutnant 1G..
Dieser wurde verletzt und lässt sich in Goma verarzten. Bilanz Feind: 47x militärische Tote, vor Ort gezählt und viele Verletzte.
Von dem Feind vereinnahmtes Material: ein Mörser 16 mm, ein RPG, 19 Gewehre KV, 14 Raketen (-geschosse), 10x Bombenmörser 60, 2x Bombenmörser 81, 20x Boxen Munition PKM, 9x Boxen Munition KV, 2x Motorola-Empfänger vom Typ GP 340
Bilanz Freund:1x Verstorbener, 2x Verschwundene, 3x leicht Verletzte“
Im Vorspann zu der oben genannten Bilanz berichtete der 2. Vizepräsident unter anderem, dass die FARDC unzählige Verluste menschlicher und materieller Art als Antwort auf ihre zahlreichen bewaffneten Provokationen gegen die FDLR/FOCA erleide, die entschlossen sei, ihre Flüchtlinge, die die FARDC auslöschen wolle, um jeden Preis zu beschützen. Sie selbst machten, wie es sich gehöre, Operationen gegen die FARDC, manchmal würden jene von der MONUC unterstützt. Es komme vor, dass sie die Positionen der FARDC und die der Mai-Mai, die jene unterstützten, attackierten. Sie hätten kein Interesse, die unschuldige Bevölkerung zu attackieren, die seit langem gut mit ihren Flüchtlingen gelebt habe. Viele FARDC-Soldaten würden während der Kämpfe fallen und viele Verletzte seien zu beklagen. Sie erbeuteten viele Waffen und viel Munition bei den Kämpfen. Die FARDC-Kämpfer seien unfähig, diese unsinnigen Kriege gegen die FDLR/FOCA zu gewinnen. Sie hätten Mitleid mit ihnen, obwohl sie ihre Feinde seien. Während deren Attacken gegen die Flüchtlinge machten diese ängstlichen Soldaten nichts anderes als blind mit Granatwerfern etc. die Flüchtlinge zu bombardieren und die Zahl der Toten und Verletzten sei dort, wo sich die Flüchtlinge versteckten, manchmal immens. Um der kongolesischen Bevölkerung die Auswirkungen des Krieges zu ersparen, hätten sie die FARDC-Militärs, die Mai-Mai sowie die kongolesischen Autoritäten gebeten, sich nicht mit der Zivilbevölkerung in den Dörfern und auf ihren Positionen zu vermischen, da sie überall da, wo sich der Feind befinde, und egal wann zuschlagen würden. Einige FARDC und Mai-Mai, wenn nicht sogar alle, wollten nicht ohne Prostituierte und ohne ihre Familien leben. Die FDLR/FOCA bestritten also jegliche Verantwortung, wenn die Zivilisten anlässlich der Kampfhandlungen getötet würden. Ihre Operationen fänden prinzipiell nachts statt und es sei nicht einfach das Ganze auseinanderzuhalten. Die FARDC registrierten viele Verluste und versuchten, ihre Schande zu mindern, indem sie Tote und/oder verletzte Militärs und die zuvor erwähnten Zivilisten als Zivilopfer präsentierten und der FDLR anlasteten.
(2) Entwurf einer Presseerklärung der FDLR zum Angriff der FDLR auf die Siedlungen Mianga und Busurungi
Dass am 12. April 2009 eine Strafoperation der FDLR in Mianga stattfand und die FDLR hierbei nicht strikt zwischen Zivilisten und Soldaten unterschied, wird des Weiteren gestützt durch den Entwurf einer Presseerklärung zu den Operationen in Mianga und Busurungi, den der Angeklagte Dr. M. am 21. Mai 2009 an den Angeklagten M., 2C.M. und 1N.M. per E-Mail übersandte. So wird im Text ausdrücklich von einem Strafangriff bzw. einer Strafaktion im Zusammenhang mit den Angriffen der FDLR in Mianga und Busurungi gesprochen und als Grund hierfür die Tötung von ruandischen Flüchtlingen angegeben. Auch wird die Vorgehensweise der FDLR bei den Angriffen in Mianga und Busurungi entsprechend der Nachricht des 2. Vizepräsidenten der FDLR vom 17. Mai 2009 geschildert. So heißt es in dem Entwurf unter anderem:
„Da sie (die FARDC) weder eine Moral haben noch Sold erhalten, noch militärischen Sinn haben, sind die FARDC gezwungen ein Leben als Bettler zu führen auf dem Rücken der Zivilbevölkerung und mit letzterer in einer Symbiose … . Um der kongolesischen Zivilbevölkerung die Unbilden des Krieges zu ersparen, sorgten die FDLR dafür, dass die FARDC-Soldaten und die Mai-Mai und sogar die kongolesischen Machthaber gewarnt wurden, sie sollten davon absehen, sich mit der Bevölkerung in den Dörfern und in ihren Stellungen zu vermischen, denn die FDLR schlägt bei ihren Gegenangriffen nach Belieben überall zu, wo sich der Aggressor befindet und zwar überall. Trotzdem wollen die FARDC-Soldaten und die Mai-Mai, wenn auch nicht alle, nicht außerhalb der kongolesischen Zivilbevölkerung (ergänzt: leben?), aus der sie alles herausziehen, was sie zum täglichen Überleben benötigen. Außerdem wollen sie nicht ohne Huren leben und/oder zusammen mit ihren Familien. So leben die Mitglieder der APR (RDF)/FARDC/Mai-Mai mitten unter der kongolesischen Zivilbevölkerung und treiben sich mit diesen Zivilisten in den Kampfzonen herum. Die FDLR lehnt daher jegliche Verantwortung ab, wenn diese Zivilisten bei Kämpfen getötet werden, denn bei einer Gegenangriffsoperation ist es praktisch unmöglich, Opfer unter Abhängigen, die mit den Soldaten dieser Koalition in Symbiose leben, zu vermeiden. … Einheiten der APR (RDF)/FARDC, die sich in Busurungi und Mianga befanden, begingen ungeheuerliche Verbrechen gegen die ruandischen Hutu-Flüchtlinge und diese Verbrechen intensivierten sich noch in den Monaten April und Mai 2009. Angesichts dieser Verbrechen und dieser Verachtung ist es normal, dass Gegenangriffe als Strafangriffe gegen diese kriminellen Soldaten der Koalition APR (RDF)/FARDC/Mai-Mai in den verschiedenen Ortschaften, darunter Mianga und Busurungi geführt werden mussten. Das unterschiedliche Militärmaterial, das die FDLR erbeutet sowie Dokumente, die bei getöteten Soldaten dieser Koalition gefunden wurden, zeigen, dass in Mianga und Busurungi die FDLR wirklich militärische Positionen angegriffen hat und keine Zivilisten. Dass einige Zivilisten, die mit diesen Soldaten in Symbiose lebten, bei diesen Angriffen getötet wurden ist möglich, die Verantwortung dafür müssen jene tragen, die Krieg gegen die FDLR führen … . Hier ist die Bilanz der Strafaktion gegen das 202. Bataillon, unter dem Kommando von Oberstlt. 1G. in Mianga/Kanyundo: … .“
cc) Untersuchungsergebnisse von HRW
Belegt werden ein Angriff der FDLR auf die Siedlung Mianga am 12. April 2009 sowie ein gezieltes Vorgehen der Rebellenmiliz gegen die Zivilbevölkerung der Siedlung vor allem durch die Untersuchungen von HRW, über welche die Zeugin VW. glaubhaft berichtete und deren Ergebnisse im Bericht von HRW „Ihr werdet bestraft“ vom Dezember 2009 entsprechend festgehalten sind. Da die Zeugin im Fall von Mianga über ihre Funktion als leitende Ermittlerin hinaus selbst maßgeblich an den Untersuchungen von HRW mitgewirkt und zahlreiche Interviews geführt hatte, verfügte sie über umfangreiche Detailkenntnisse zu den durchgeführten Recherchen und konnte zu vielen Punkten aus eigener Wahrnehmung berichten. Sie berichtete, dass sich die Erkenntnisse von HRW zum Geschehen in Mianga auf Informationen aus einer Vielzahl voneinander unabhängiger Quellen stützten, die entsprechend den Standards der Menschenrechtsorganisation auf ihre Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit hin überprüft worden seien. HRW habe unter anderem Interviews mit 13 Augenzeugen und Opfern sowie sechs weiteren Personen durchgeführt, die medizinische Hilfe geleistet oder Bestattungen vorgenommen hätten. Um die Gefahr manipulierter Zeugenaussagen auszuschließen, seien die Zeugen an unterschiedlichen Orten, an die sie geflohen seien, befragt und die hierbei erlangten Erkenntnisse zeitnah unter den Ermittlern ausgetauscht worden. So habe sie selbst Personen in Chambucha, einer im Einflussbereich der Mai-Mai-Kifuafua liegenden Siedlung, befragt und ihre Kollegin I.S. parallel dazu Flüchtlinge in Gebieten in Walikale interviewt, die nicht von den Mai-Mai kontrolliert worden seien. Anhaltspunkte dafür, dass die Aussagen der befragten Augenzeugen erfunden oder tendenziös erfolgt sein könnten, hätten sich angesichts der unabhängig voneinander erstatteten gleichlautenden Zeugenberichte nicht ergeben. Da die FDLR bei anderen Gelegenheiten den Mai-Mai die Tötung von Zivilisten angelastet habe, habe HRW zusätzlich auch diese Möglichkeit überprüft, obwohl die Zeugenberichte hierfür keinerlei Anlass geboten hätten. Ihre eigenen Ermittlungen bei den Mai-Mai-Kämpfern hätten insoweit aber klar ergeben, dass diese zum Zeitpunkt des Angriffs der FDLR nicht in der Siedlung gewesen seien.
(1)
Nach den Ausführungen der Zeugin zeigten die Untersuchungen von HRW, dass am 12. April 2009 ein Angriff der FDLR auf die Siedlung Mianga stattfand, dieser nicht sehr lange dauerte, aber von besonderer Brutalität geprägt war und zu einem Massaker mit 45 getöteten Zivilisten und mindestens 50 niedergebrannten Häusern führte. Wie sich aus ihren Angaben ergab, schilderten die von HRW befragten Personen das Geschehen in Mianga so, wie dies auch im Bericht von HRW vom Dezember 2009 festgehalten ist. Danach griff die FDLR am frühen Morgen des Ostersonntags, dem 12. April 2009, das Dorf Mianga im Gebiet Waloaluanda an. Die FDLR-Kämpfer gingen dann direkt zum Haus des lokalen Vorstehers AB.L., brachen in dessen Haus ein und enthaupteten den Vorsteher, den sie beschuldigten, mit der FARDC zusammenzuarbeiten, in seinem Bett mit einer Machete. Anschließend suchte und tötete die FDLR drei weitere lokale Entscheidungsträger, die mit ihm zusammengearbeitet hatten. Darüber hinaus wurden in der Folge insgesamt weitere 41 Zivilisten von der FDLR getötet, viele verletzt und anschließend das Dorf bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Auch wurden bei dem Angriff der FDLR mindestens 35 FARDC-Soldaten der in Mianga stationierten kongolesischen Streitkräfte getötet. Die übrigen Soldaten flüchteten und ließen die lokale Bevölkerung schutzlos zurück.
Dabei erinnerte sich die Zeugin noch an viele Einzelheiten aus den durchgeführten Zeugenbefragungen und war in der Lage, die Erkenntnisse von HRW beispielhaft anhand einzelner Aussagen von Überlebenden des Angriffs zu verdeutlichen. Auffallend war für sie hierbei zunächst, mit welcher Bestimmtheit und Eindeutigkeit alle Augenzeugen den Sonntag, den 12. April 2009, als Zeitpunkt des Angriffs der FDLR benennen konnten. Hierzu beschrieb sie anschaulich, wie vielen Zeugen das Erstaunen und der Schock darüber, dass die FDLR die Siedlung frühmorgens an einem Ostersonntag, also einem für die Kongolesen wichtigen Tag, angegriffen hatte, bei den Interviews noch immer deutlich anzumerken war. Auch waren sich nach ihren Ausführungen viele der interviewten Opfer und Zeugen ganz sicher, dass es sich bei den Angreifern tatsächlich um die FDLR handelte, weil sie früher mit diesen zu tun gehabt und deshalb in der Angriffsnacht deren Gesichter wiedererkannt hatten. Eindrücklich schilderte die Zeugin, wie erschüttert und schockiert sich die Zeugen insbesondere über die Tötung und die Art und Weise des Vorgehens der FDLR gegen ihren Dorfchef zeigten. So habe jedes der von ihr befragten Opfer des Angriffs sofort davon berichtet, dass ihr Chef getötet worden sei und sich überrascht gezeigt, dass die Angreifer als erstes zum örtlichen Chef gegangen seien. Von diesem hätten sie einhellig als Chef 3A. oder AB.L. gesprochen. Dabei habe zwar keiner der von ihr befragten Bewohner Miangas die Tötung des Dorfchefs unmittelbar miterlebt, darunter seien aber Personen gewesen, die innerhalb von 30 Minuten nach dessen Tötung in sein Haus gekommen seien. Zwei Zeugen hätten dabei die enthauptete Leiche selbst gesehen.
Gut in Erinnerung war ihr insbesondere die Schilderung eines Mitarbeiters der Dorfverwaltung, der von seiner Frau von der Attacke auf den Vorsteher gehört hatte, sofort zum Haus des Vorstehers gerannt war und dabei gesehen hatte, wie die FDLR begonnen hatte, den Ort anzugreifen. Dieser habe berichtet, den Dorfchef mit enthauptetem Kopf im Schlafzimmer vorgefunden zu haben, und davon gesprochen, dass die FDLR wohl über ihn verärgert gewesen sei, weil sie gesagt habe, der Vorsteher habe die kongolesischen Armee willkommen geheißen. Im Haus des Dorfchefs habe dieser Schüsse und jemanden rufen gehört, dass sie jetzt nach den anderen örtlichen Autoritäten suchten. Daraufhin habe er sich in Panik im Wald versteckt und gesehen, wie die FDLR Zivilisten angegriffen und Häuser angezündet habe. Dort habe er von anderen Fliehenden gehört, dass drei weitere seiner Kollegen getötet worden seien, und beim Verlassen des Dorfes selbst die Rauchsäulen der brennenden Häuser gesehen. Dies sei auch einer der Zeugen gewesen, welcher die Angreifer eindeutig als FDLR-Leute erkannt habe. In diesem Zusammenhang berichtete die Zeugin VW. über ein weiteres Interview mit einer Freundin der Ehefrau des Dorfvorstehers. Diese gab nach ihren Ausführungen an, sich in ihrem Haus unweit des Hauses des Dorfvorstehers versteckt und die Schreie ihrer Freundin gehört zu haben. Beim Verlassen des Hauses habe sie miterlebt, wie zwei ihrer Nachbarn mit Macheten zu Tode gehackt worden seien. Dabei schilderte die Zeugin, dass ihre Kollegin I.S. in ihren Interviews ähnliche Schilderungen von Augenzeugen erhalten habe. Insoweit erinnerte sie sich noch deutlich an die Angaben eines geflüchteten Dorfbewohners, der berichtet hatte, bei der Beerdigung des Dorfchefs dabei gewesen zu sein. Dieser habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Kopf des Vorstehers, was für die Kongolesen wichtig gewesen sei, bei der Beerdigung wieder an dessen Leib platziert worden sei.
Wie sich aus den Angaben der Zeugin ergab, machten die Aussagen der von HRW interviewten Zeugen insgesamt deutlich, mit welcher Brutalität die FDLR bei dem Angriff vorging. So sei viel mit Macheten auf Personen eingehackt worden. Auch seien viele Frauen und Kinder dabei umgekommen. Diejenigen, die verletzt wurden, seien geflohen und hätten verzweifelt eine Rückkehr kongolesischer Soldaten zu erreichen versucht. Ein besonders geschockter Augenzeuge habe ihr beschrieben, wie er sich an den nächstgelegenen kongolesischen Stützpunkt gewandt und dort um Hilfe gefleht habe. Da die Soldaten keinen entsprechenden Einsatzbefehl gehabt hätten, sei dies aber abgelehnt worden. Im Falle von Mianga sei es so gewesen, dass viele Menschen für Wochen nicht in ihr Dorf zurückgekonnt und sich deshalb an die Mai-Mai-Gruppe Kifuafua gewandt hätten. Die Mai-Mai-Kämpfer seien dann zwölf Tage nach dem Angriff in das Dorf Mianga gegangen. Viele der von ihr befragten Mai-Mai-Kämpfer hätten angegeben, dass bei ihrer Ankunft in Mianga immer noch viele Leichen der Bewohner des Ortes im Freien herumgelegen seien und sie deshalb bei deren Beerdigung geholfen hätten. Dazu passend wird im Bericht von HRW die Aussage eines Mai-Mai-Kämpfers geschildert, der half, 38 Leichen zu begraben, und die von ihm vorgefundene Situation dahingehend beschrieb, dass es sich bei den Opfern um Kinder, Frauen und Männer gehandelt habe, einige davon seien in ihren Häusern zu Tode gehackt, andere außerhalb der Häuser erschossen und wiederum andere im Wald umgebracht worden.
(2)
Nachvollziehbar und plausibel begründete die Zeugin darüber hinaus die von HRW für den Angriff am 12. April 2009 festgestellten Zahlen von 45 getöteten Zivilisten und mindestens 50 niedergebrannten Häusern. Wie ihre Ausführungen zeigten, wurden die von HRW gewonnenen Informationen hierbei zunächst mehrfach untereinander abgeglichen, bevor sie von der Menschenrechtsorganisation als valide eingestuft wurden. So gab die Zeugin an, eine Zahl von 45 Opfern unter der Zivilbevölkerung sei sowohl von direkten Augenzeugen, die die Tötungen selbst gesehen hätten, als auch von Personen, die bei der Beerdigung der getöteten Zivilisten geholfen hätten, berichtet worden. Hierzu seien neben Opfern und Zeugen in Chambucha und in Walikale zusätzlich Mai-Mai-Kämpfer, die an Bestattungen mitgewirkt hätten, befragt worden. Dabei hätten alle Quellen unabhängig voneinander die Zahl von 44 getöteten Personen neben dem getöteten Ortsvorsteher bestätigt. Die Zahl sei sehr konstant gewesen. Um die Anzahl der Toten weiter abzusichern, habe HRW zusätzlich einen Abgleich mit Listen vorgenommen, die von den Mai-Mai Kifuafua sowie der örtlichen Gemeinschaft von Mianga über die beerdigten Toten erstellt worden seien. Insbesondere die Liste der örtlichen Gemeinschaft sei dabei sehr detailliert gewesen und habe neben Angaben zu den Namen, dem Geschlecht und dem Alter der getöteten Personen auch - soweit möglich - Feststellungen zur Art der Tötung enthalten. In allen Fällen, in denen sich eine Diskrepanz zwischen den Zeugenberichten und den Listen ergeben habe, seien weitere Nachforschungen angestellt worden. Wie die Zeugin berichtete, hatte es sie selbst überrascht, wie viele Opfer sie bei ihren Untersuchungen namentlich identifizieren konnten.
Zu der von HRW angegebenen Zahl von 50 niedergebrannten Häusern in Mianga führte die Zeugin aus, Grundlage hierfür seien entsprechende Augenzeugenberichte sowie Notizen der Mai-Mai-Kämpfer Kifuafua gewesen, die bei ihrer Ankunft in der Siedlung am 24. April 2009 die niedergebrannten Häuser gezählt und entsprechend vermerkt hätten. Die insoweit gewonnenen Informationen seien zusätzlich mit den bei HRW vorhandenen Satellitenbildern der Gegend abgeglichen worden, woraufhin HRW von mindestens 50 niedergebrannten Häusern in Mianga ausgegangen sei. Von den von der Zeugin angegebenen sowie im Bericht von HRW vom Dezember 2009 entsprechend veröffentlichten und mehrfach auf ihre Zuverlässigkeit hin überprüften Mindestzahlen an Opfern und niedergebrannten Häusern wird bei den getroffenen Feststellungen ausgegangen.
(3)
Dass es sich bei dem Angriff der FDLR auf die Siedlung Mianga um einen Bestrafungsangriff handelte, wird im Übrigen auch durch die Recherchen von HRW gestützt. So wird im Bericht von HRW vom Dezember 2009 von einer mündlichen Warnung an die Einwohner des nahegelegenen Dorfes Ntoto nach dem Angriff der FDLR auf Mianga berichtet, die gemäß einem anwesenden Dorfbewohner lautete „Wir mussten die Bevölkerung von Mianga und ihren Vorsteher töten, weil sie die kongolesischen und ruandischen Streitkräfte willkommen geheißen haben, die erschienen sind, um uns wegzujagen. Wir sind bereit, erneut anzugreifen, wenn irgendjemand diese Streitkräfte willkommen heißt“. Hierzu gab die Zeugin VW. an, dass ihre Kollegin I.S. das entsprechende Interview mit dem lokalen Entscheidungsträger, der dies geschildert habe, geführt habe. Dies sei einer von mehreren Fällen gewesen, in denen HRW Informationen darüber erhalten habe, dass die Bevölkerung der Zusammenarbeit mit der FARDC beschuldigt worden und der Inhalt der Botschaft dahingehend gewesen sei, dass sie hierfür bestraft werde. Auch zeigten die Angaben der Zeugin, dass es sich bei der Tötung der örtlichen Autoritäten in Mianga um keinen Einzelfall handelte und HRW in diese Richtung ebenfalls umfangreich ermittelt hatte. Im Bericht von HRW ist hierzu festgehalten, dass seit dem Beginn der militärischen Operationen im Jahr 2009 mindestens acht lokale Vorsteher durch die FDLR exekutiert wurden, nachdem die Rebellenmiliz sie beschuldigt hatte, die Truppen der kongolesischen und ruandischen Armee willkommen geheißen zu haben. Dabei sind die einzelnen Vorfälle im Bericht exakt mit den entsprechenden Namen, Daten und Belegen aufgeführt. Wie dort weiter vermerkt ist, wurden auch Familienmitglieder und Menschen, die mit den lokalen Entscheidungsträger zusammenarbeiteten, Opfer der Angriffe.
dd) Ermittlungen der UN
(1) Untersuchungen der UN-Expertengruppe
Nach den Angaben des Zeugen 4D.M. bestätigten des Weiteren die Untersuchungen der UN-Expertengruppe einen Vergeltungsangriff der FDLR auf die Siedlung Mianga, bei dem Häuser niedergebrannt und Zivilisten getötet wurden. Im Bericht der UN-Expertengruppe vom 23. November 2009 wird hierzu ausgeführt, dass die FDLR am 12. April 2009 die Positionen der FARDC in Mianga attackiert und vernichtet habe. Sie habe das Dorf niedergebrannt und mindestens sechs Zivilisten getötet. Außerdem sei die Bevölkerung zur Flucht in Richtung Walikale, Hombo und Busurungi gezwungen worden. Grundlage hierfür waren nach Angaben des Zeugen zum einen Befragungen von repatriierten FDLR-Kämpfern sowie UN-Berichte. So habe ein am 28. Juni 2009 interviewter ehemaliger FDLR-Soldat den Angriff der FDLR auf Mianga bestätigt und angegeben, dieser sei unter dem Kommando von Oberstleutnant 11K. erfolgt. Von einem Angriff der FDLR auf Mianga habe auch ein Funker berichtet. Eine Gruppe von FDLR-Kämpfern, die sie im Lager Mutobo interviewt hätten, habe darüber hinaus die Angriffe der FDLR auf die Siedlungen Mianga und Busurungi ausdrücklich als Vergeltungsangriffe und als Reaktion auf Vorfälle, bei denen die FARDC Personen getötet habe, bezeichnet.
Gemäß seiner Aussage basierten die von der UN-Expertengruppe getroffenen Feststellungen über die beim Angriff getöteten Zivilisten und niedergebrannten Häuser auf UN-Berichten über Untersuchungen und Missionen der Vereinten Nationen in dem Gebiet. Hierzu gab er an, dass es sich bei der Zahl von sechs getöteten Zivilisten wiederum um die niedrigste der in den Erkenntnisquellen genannten Zahlen handle. Im Fall von Mianga habe es mehrere Besuche der UN vor Ort gegeben, die die Tötung von Zivilisten und ein Niederbrennen der Siedlung bestätigt hätten. Eine UN-Mission habe über die Zahl von sechs getöteten Zivilisten und Brandstiftungen in Mianga berichtet. Daneben habe es am 12./13. Juli 2009 eine UN-Mission in der Gegend gegeben, in deren Bericht von Massentötungen in Mianga und Busurungi die Rede gewesen sei. Im nicht veröffentlichten 3. UN-Report seien aufgrund entsprechender Informationen von Militärpatrouillen der UN-Truppen insgesamt 36 in den Gebieten von Masisi und Walikale getötete Zivilisten aufgeführt gewesen und als eine der Siedlungen, in denen es Todesopfer gegeben habe, Mianga genannt worden.
(2) Bericht des Gemeinsamen Büros der Vereinten Nationen für Menschenrechte vom 30. Mai 2009
Berichtet wird ein Angriff der FDLR auf die Gemeinde Mianga am 12. April 2009 auch in dem vom Zeugen 3B. übergebenen und in der Hauptverhandlung verlesenen Bericht des Gemeinsamen Büros der Vereinten Nationen für Menschenrechte über eine Mission in Hombo vom 12. bis 15. Mai 2009. Dort wird passend zu den Feststellungen von HRW ausgeführt, dass am 12. April 2009 zwischen 4:00 Uhr und 7:00 Uhr morgens die Gemeinde Mianga im Gebiet Walowa im Territorium von Walikale, 45 km von Busurungi entfernt, von der FDLR angegriffen wurde, die Angreifer mit Gewehren, Macheten und Peitschen bewaffnet waren und nach einer militärischen Quelle der Dorfchef, seine Frau und sein Kind von der FDLR getötet wurden. Auch sollen die Angreifer nach der Eroberung der Militärposition des Bataillons der 25. Brigade die Bevölkerung angegriffen haben, indem sie Häuser und Schulen in Brand setzten. Nach Zeugenberichten seien rund 50 Personen bei dem Angriff umgekommen. Wiedergegeben wird insoweit die Aussage eines Zeugen, nach dem am 12. April 2009 rund 50 Zivilpersonen getötet wurden und er bei der Beerdigung von 20 Personen anwesend war. Die Angreifer seien von Haus zu Haus gegangen und hätten die Menschen durch Gewehrschüsse und mit der Machete umgebracht. Auch sei die Volksschule von Mianga von FDLR-Soldaten in Brand gesteckt worden. Nach dem Angriff seien die Einwohner von Mianga Richtung Walikale-Bukavu geflüchtet. Wie hierzu im Bericht weiter ausgeführt wird, erhielt die Bewertungsmission neun Namen von Zivilisten, die bei diesem Angriff erschossen oder erschlagen wurden, konnte die Ermittlungen aufgrund der Kürze der Zeit insoweit aber nicht vertiefen.
ee) Angaben der Zeugen Z 2 und Z 3
Bestätigt werden ein Angriff der FDLR am 12. April 2009 auf die Siedlung Mianga sowie das festgestellte Vorgehen der Rebellenmiliz gegen die Zivilbevölkerung des Ortes darüber hinaus durch die Angaben der beiden anonymen kongolesischen Zeugen Z 2 und Z 3. So berichtete der Zeuge Z 2, der nach seinem Bekunden zu diesem Zeitpunkt noch in Busurungi lebte, dass die FDLR zunächst nach Mianga gegangen und danach nach Busurungi gekommen sei. Flüchtlinge aus Mianga, die sich direkt nach dem Angriff zu ihnen geflüchtet hätten, hätten erzählt, dass der Chef von Mianga sowie dessen Frau und Kind dabei getötet worden seien. Es sei gesagt worden, dass der Dorfvorsteher, dessen Name AB.L. gewesen sei und der die Stellung von seinem Vater 4M. übernommen habe, enthauptet worden sei. Auch habe er darüber hinaus gehört, dass Häuser in Mianga niedergebrannt sowie Freunde des Dorfchefs und weitere Leute aus Mianga bei dem Angriff getötet worden seien. Deren genaue Zahl kenne er nicht. Wie der Zeuge des Weiteren schilderte, hatte er Mianga nach dem Rückzug der FDLR aus der Siedlung selbst aufgesucht und dabei auch die niedergebrannten Häuser gesehen.
Entsprechende Informationen hatte auch der Zeuge Z 3, wie er angab, von Leuten aus Mianga bei einem Treffen in Goma erhalten. Diese hätten von einem Angriff der FDLR auf die Siedlung Mianga sowie davon, dass dabei Bewohner gestorben und Häuser niedergebrannt worden seien, berichtet. Dabei habe er zwar keine Namen von Opfern erfahren, aufgrund deren Informationen wisse er aber, dass einer der Chefs der localité dort gestorben sei. Auf Vorhalt der seiner polizeilichen Vernehmung beigefügten handschriftlichen Aufschriebe bestätigte er, dass die unter Punkt 3 unter der Überschrift „kürzlich erfolgte Morde“ vermerkten und jeweils mit dem Datum „April“ verbundenen Notizen „Myanga 4 Soldaten FRD + Chef der Localité, 1 Mutter + ein Kind“ und „W/L: Chanyundo 2 Soldaten FARDC“ von ihm stammten und beim Treffen in Goma niedergeschrieben worden seien. Er habe dies damals festgehalten, wie die Leute es erzählt hätten. Wenn dort April stehe, seien die Angriffe auf Mianga und Chanyundo im April erfolgt und die dort angegebenen Personen dabei getötet worden. Er wisse, dass in Mianga Soldaten der Regierung gewesen seien, weshalb er die Anzahl der getöteten FARDC-Soldaten aufgeschrieben habe. Bei dem Ort Chanyundo handle es sich um einen kleinen Ort zwischen Busurungi und Mianga.
c) Angriff auf Busurungi am 10. Mai 2009
Auch im Fall von Busurungi beruhen die Feststellungen über die Gründe, die am Angriff beteiligten Einheiten und Kommandeure und die Befehlslage wiederum maßgeblich auf den Ausführungen der in der Hauptverhandlung vernommenen ehemaligen FDLR-Angehörigen. Dass bei dem Angriff durch die FDLR auch gezielt gegen die Zivilbevölkerung vorgegangen wurde, steht zur Überzeugung des Gerichts vor allem aufgrund der schlüssigen und sich gegenseitig stützenden Angaben der Zeugen VW. sowie 4D.M. und 1C.G. über die Recherchen von HRW und der UN-Expertengruppe und den damit in Einklang stehenden Aussagen der Zeugen Z 1, Z 2 und Z 3 fest. Maßgebliche Grundlage für die festgestellte Anzahl der beim Angriff durch die FDLR getöteten Zivilisten und niedergebrannten Häusern waren die von der Zeugin VW. berichteten Untersuchungsergebnisse von HRW. Nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden konnte der in der Anklage erhobene Vorwurf von Vergewaltigungen durch FDLR-Kämpfer während des Angriffs am 9./10. Mai 2009.
aa) Festgestellte Tötungen und Brandstiftungen
Im Einzelnen sprachen insbesondere folgende Beweismittel für das festgestellte Tatgeschehen:
(1) Angaben der ehemaligen FDLR Angehörigen
Einen Angriff der FDLR auf die Siedlung Busurungi am 9./10. Mai 2009 bestätigten fast alle in der Hauptverhandlung vernommenen ehemaligen FDLR-Angehörigen sowie der Zeuge 1H. in seiner Vernehmung durch Beamte der Bundesanwaltschaft und des Bundeskriminalamts vom 5. Dezember 2009, deren Ton-Bild-Aufzeichnung in die Hauptverhandlung eingeführt wurde. Dabei wurde deutlich, dass diese Operation auch innerhalb der FDLR Aufsehen erregt hatte. Wie bei den Angriffen in Kipopo und Mianga stimmten die Ausführungen der ehemaligen Kämpfer zu den Gründen des Angriffs, den an der Operation beteiligten FDLR-Kräften und Kommandeuren sowie zur Befehlslage miteinander überein und waren aufgrund von deren Funktionen und Tätigkeiten plausibel. Fast durchgehend bezeichneten die Zeugen die Operation als einen Vergeltungs-, Rache- oder Bestrafungsangriff. Mehrere Zeugen bestätigten ausdrücklich einen Befehl S.M.s, eine dahingehende Operation in Busurungi durchzuführen. Übereinstimmend schilderten die Zeugen, dass der Angriff durch die Reservebrigade und hier insbesondere durch das Bataillon Zodiaque und die Spezialkompanie durchgeführt worden sei. Als Soldaten, welche die Reservebrigade unterstützten, wurden vor allem Kämpfer des Bataillons PM, des Bataillons FOCA QG sowie des Exekutivkomitees genannt. Auch gab die Mehrzahl der ehemaligen Kämpfer an, dass bei dem Angriff der FDLR auf Busurungi Häuser niedergebrannt bzw. Zivilisten getötet worden seien. Mehrere Zeugen, unter anderem die Zeugen 1S.B., 7N., 2S., 1G.N. und 10N., berichteten zudem, dass der in Busurungi eingesetzte Kompanieführer 3M. die Genitalien eines getöteten feindlichen Soldaten abgeschnitten habe.
Auch in diesem Fall beruhten die Ausführungen der ehemaligen Kämpfer größtenteils auf Informationen von FDLR-Kampfteilnehmern oder Erkenntnissen aus Telegrammen sowie Wahrnehmungen, die sie vor oder nach dem Angriff gemacht hatten. Darüber hinaus hatten zwei Zeugen, nämlich der zum damaligen Zeitpunkt als Gefreiter zum CRAP-Zug des Bataillons PM gehörende Zeuge 1G.N. sowie der als Soldat für das Exekutivkomitee tätige Zeuge 10N., selbst an den Kämpfen teilgenommen. Diese machten ausführliche und nachvollziehbare Angaben zu den Maßnahmen im Vorfeld des Angriffs und zur Planung und dem Ablauf der Operation gegen die militärischen Stellungen des Feindes, die auch zu den Aussagen anderer Zeugen passten. Die dahingehenden Urteilsfeststellungen stützen sich deshalb maßgeblich auf ihre Angaben. Soweit es um mögliche Übergriffe auf die Zivilbevölkerung ging, zeugten deren Angaben allerdings von einem deutlichen Bestreben, sich nicht selbst in die Nähe oder in Verbindung mit möglichen Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung zu bringen. Insbesondere der Zeuge 1G.N. antwortete teilweise sehr ausweichend, auch widersprüchlich und schwächte ihm vorgehaltene Angaben aus dem Protokoll seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren ab. Auf Nachfragen relativierte bzw. beschränkte auch der Zeuge 10N. zuvor gemachte Angaben. Den Ausführungen der Zeugen maß der Senat deshalb im Hinblick auf das konkrete Vorgehen der FDLR gegenüber Zivilisten in der Angriffsnacht keine entscheidende Bedeutung zu.
(a)
Dass es sich bei dem Angriff der FDLR auf Busurungi am 9./10. Mai 2009 um einen Bestrafungsangriff handelte, es aber auch um Vergeltung und Rache ging, bekundete ausdrücklich der damalige Leiter des Büros G 5 des Generalstabs, der Zeuge 1S.B., der angab, über das Geschehen in Busurungi von Kampfteilnehmern und aus Berichten erfahren zu haben. Als Grund für den Angriff der FDLR nannte er „schlechte Aktionen“ durch die in Busurungi stationierten FARDC-Streitkräfte und die Mai-Mai Kifuafua, die für die Führer der FDLR auf dem Terrain, aber auch für die ruandischen Flüchtlinge zur Bedrohung geworden seien. So habe die FARDC unter Beteiligung von CNDP-Kämpfern immer wieder FDLR-Soldaten angegriffen und getötet. Vor allem aber hätten diese ein paar Tage vor der Operation auf Busurungi zusammen mit den Mai-Mai Kifuafua viele ruandische Flüchtlinge in Shario unter anderem mit Macheten umgebracht und anschließend den abgeschnittenen Arm eines Opfers in Busurungi herumgezeigt. In dieser Situation hätten der 2. Vizepräsident 8R. sowie S.M. und der Stellvertreter des Exekutivsekretärs Druck auf den Kommandanten der Reservebrigade, zu dessen operationaler Verantwortlichkeit die Region gehört habe, ausgeübt, Vergeltung für die gegen die FDLR und die Flüchtlinge erfolgten Aktionen zu üben. Dabei sei es darum gegangen, die Stellungen der Feinde anzugreifen, diese von dort zu verjagen und zu bestrafen. In einem Telegramm, das er vor dem Angriff auf Busurungi gelesen habe, sei ausdrücklich gestanden, es gehe bei der Operation um die Bestrafung und Vertreibung der Angreifer auf Shario.
Zum eigentlichen Angriff auf die Siedlung berichtete der Zeuge, dass dieser nachts in Form eines Überraschungsangriff durch die Reservebrigade unter Beteiligung unter anderem von Soldaten des Exekutivkomitees durchgeführt worden sei. Auch seien Angehörige der Résistance Civile nach Busurungi mitgegangen, die wegen der getöteten Flüchtlinge sehr wütend gewesen seien. Führer der Operation sei der stellvertretende Kommandant der Reservebrigade Oberstleutnant NW. alias 6S. alias BS. und zuständiger Befehlshaber vor Ort der S 3-Offizier gewesen. Weil die Zivilisten in Busurungi mit den Mai-Mai und den Soldaten der FARDC vermischt gewesen seien, seien selbstverständlich auch Zivilisten bei dem Angriff getötet worden. Diejenigen, die geschossen hätten, hätten nicht gewusst, ob sie auf einen Zivilisten oder einen Soldaten geschossen hätten. Auch seien Häuser angezündet worden. In dem von ihm gelesenen Bericht über die Operation sei davon berichtet worden, dass die Operation erfolgreich verlaufen, die Ziele erreicht und Gewehre, Munition und militärische Ausrüstung erbeutet worden seien. Aus späteren Mitteilungen von Einheiten wusste der Zeuge darüber hinaus, dass die Siedlung Busurungi noch Monate nach dem Angriff menschenleer war.
(b)
Von einem Bestrafungs- und Vergeltungsangriff der FDLR in Busurungi am 9./10. Mai 2009 sprach ebenfalls der damals als Chef des Informationsbüros des FOCA-Kommandos tätige Zeuge 2S., der von Kampfteilnehmern und aus Telegrammen von den Ereignissen in Busurungi und den Vorgängen im Vorfeld der Operation erfahren hatte. Er schilderte, die Siedlung Busurungi gehöre zu den Orten, in denen die kongolesischen Soldaten und Mai-Mai-Kämpfer mitten unter den Zivilisten gelebt hätten und die Bevölkerung der Siedlung von der FDLR als Feind betrachtet worden sei. Auch er berichtete davon, dass die feindlichen Soldaten, Mai-Mai und Zivilisten von Busurungi nach Shario gegangen seien, dort viele Flüchtlinge, darunter Frauen und Kinder von Soldaten der Reservebrigade, getötet hätten und es deshalb eine Vergeltungsoperation der Reservebrigade in Busurungi gegeben habe. Hierzu erläuterte er, dass er selbst das Telegramm des Kommandanten der Reservebrigade an den FOCA-Kommandanten gesehen habe, in dem von 73 in Shario getöteten Zivilisten sowie davon, dass die Bürger von Busurungi die Soldaten dorthin geführt hätten, berichtet worden sei. Nach Erhalt des Berichts habe der FOCA-Kommandant den Befehl zu der „opération punitive“ erteilt, damit die Leute, welche die Flüchtlinge getötet hätten, bestraft würden. Dazu habe er zunächst eine kleine Versammlung des Generalstabs abgehalten, in der der Operationsbefehl vorbereitet worden sei, den Befehl zur Operation dann unterschrieben und an das Übertragungsbüro zur Weiterversendung übermittelt. Auch dieses Telegramm kenne er persönlich. Von Kampfteilnehmern habe er gehört, die Reservebrigade habe in Busurungi Positionen angegriffen, in denen sich FARDC, Mai-Mai und Zivilisten befunden hätten. Man habe zunächst am Rande der Siedlung angefangen und die Operation dann in der ganzen Siedlung durchgeführt. Diejenigen, die dabei gewesen seien, hätten berichtet, dass die FARDC und Mai-Mai fliehen konnten und viele Zivilisten dort gestorben sowie alle Häuser der Siedlung angezündet worden seien. Weil die FARDC-Soldaten in der Siedlung vermischt mit den Zivilisten gewesen seien, seien Soldaten und Zivilisten dort gestorben. Nach dem Angriff sei ein Telegramm geschickt worden, in dem die Kampfteilnehmer beglückwünscht worden seien. Auch berichtete der Zeuge, dass nach den Medienberichten über die Übergriffe der FDLR in Busurungi ein Ausschuss von Seiten der FDLR gebildet worden sei, um die Ereignisse näher zu untersuchen. Dass irgendjemand wegen Machtmissbrauchs insoweit bestraft worden wäre oder von sonstigen Ergebnissen, habe er nicht gehört.
(c)
Einen vom FOCA-Kommando angeordneten Bestrafungsangriff der FDLR auf die Siedlung Busurungi bestätigte auch der Zeuge J.B., der zu diesem Zeitpunkt Kommandant des Bataillons PM war und Informationen über den Angriff ebenfalls von Kampfteilnehmern erhalten hatte. Als Grund für den Angriff gab er an, dass die Tembo wie in Mianga mit der FARDC zusammengearbeitet und diese den ruandischen Flüchtlingen Schaden zugefügt hätten. Ziel des Angriffs sei es deshalb gewesen, die Soldaten und Zivilisten aus Busurungi zu vertreiben, damit die ruandischen Flüchtlinge Ruhe hätten. Auch habe die FDLR den Ort, der früher zu ihrer Zone gehört habe, zurückerobern wollen. Wie er berichtete, hatte er beim Abhören des Funkverkehrs am 7. Mai 2009 erstmals über den Angriff gehört. So habe er die Stimme seines Freundes Major 3F. erkannt, der mit anderen unter Benutzung von Codewörtern darüber gesprochen habe, sie würden bei einer Hochzeitsfeier in Busurungi dabei sein, was bedeutet habe, dass sie Busurungi angreifen würden. Der Angriff sei von der Reservebrigade und dort vor allem von dem unter dem Kommando von Oberstleutnant 4C. (alias 6S.) stehenden Bataillon Zodiaque und der von V. geführten Spezialkompanie der Reservebrigade durchgeführt worden.
Zum Geschehen in Busurungi selbst gab der Zeuge an, die kongolesischen Soldaten seien verjagt worden und sein Freund Major 3F., der als S 3 für die Operation vor Ort zuständig gewesen sei, sei bei einem Gegenangriff gestorben. Die Leute, die dort gekämpft hatten, hätten erzählt, dass die Häuser gebrannt hätten. Auch hätten Kameraden in der Umgebung berichtet, die Flammen der brennenden Häuser in der Nacht gesehen zu haben. Es sei klar, dass ein Soldat, der bei dem von den kongolesischen Soldaten zusammen mit kongolesischen Zivilisten verübten Überfall auf die ruandischen Flüchtlinge ein Familienmitglied verloren habe, wegen der dadurch verursachten “schlechten Stimmung“ Häuser angezündet habe. Alle Häuser könnten nicht durch Schüsse in Brand geraten sein. Er wisse aber nicht, was konkret passiert sei. Man habe später viel über die Orte Mianga und Busurungi gesprochen, weil die Siedlungen dort angezündet worden seien.
(d)
Dass es bei der Operation der FDLR auf Busurungi um einen Angriff gegangen sei, den man unter den Begriff „opération punitive“, also einen Bestrafungsangriff fassen könne, bekundete zudem der Zeuge 9N., der sich als Kommandant der für den Schutz des Exekutivkomitees zuständigen Kompanie zu dieser Zeit in der Nähe von Busurungi aufhielt. Wenn die FARDC mit Zivilisten komme und die Zivilisten der FDLR töte, dann sei es selbstverständlich, dass man dorthin gehen müsse, um sie zu bestrafen und dies auch den eigenen Zivilisten zu zeigen, damit sie nicht von einem weggingen. Insoweit berichtete auch er davon, dass dem Angriff der FDLR in Busurungi die Tötung von Soldaten der FDLR und von 90 bis 100 Flüchtlingen durch die FARDC im April 2009 in Shario vorausgegangen sei und kongolesische Zivilisten der FARDC den Weg gezeigt hätten. Er selbst habe die Leichen der von der FARDC massakrierten ruandischen Flüchtlinge gesehen, die anderen Flüchtlinge seien traumatisiert gewesen. Als Reaktion hätten die FDLR-Soldaten den Feind dort angegriffen, von wo er gekommen sei, nämlich in Busurungi. Er habe gehört, dass auch Leute der Résistance Civile der FDLR und der PARECO-Kommandeur 2T. mit der Reservebrigade nach Busurungi gegangen seien. Bei dem Angriff der FDLR auf die Siedlung seien viele kongolesische Soldaten und Zivilisten sowie der für die Kämpfe zuständige S 3 Major 3F. gestorben. Auch seien Häuser, er glaube die ganze Siedlung, in Brand gesetzt worden. Überall sei geschossen und in Brand gesetzt worden. Von den Ereignissen in Busurungi wisse er, weil er selbst die Schüsse aus Busurungi gehört, entsprechende Informationen von dort eingesetzten Soldaten seiner Einheit erhalten und Telegramme hierzu gelesen habe. Der Angriff sei militärisch als hundertprozentiger Erfolg bewertet worden, weil der Feind geflohen sei und seine ganze Ausrüstung zurückgelassen habe. Es sei aber nicht gut gewesen, dass so viele Zivilisten getötet und ihre Häuser angezündet worden seien. Später hätten die FDLR- Führer, vor allem in der Politik, Versammlungen abgehalten mit den Vertretern von kongolesischen Zivilisten und ihnen gesagt, dass sie ihnen ihr Beileid aussprechen würden, weil dort so viele Zivilisten getötet worden seien.
(e)
Als Bestrafungsangriff für die durch die FARDC erfolgte Tötung von Zivilisten in dem Flüchtlingslager in Shario bezeichnete des Weiteren der bei der Schutzeinheit des FOCA-Kommandos tätige Zeuge 2MM. die Operation der FDLR auf die Siedlung Busurungi. Er erinnerte sich, dass in einem Situationsbericht nach dem Angriff gestanden habe, die FARDC habe die Flüchtlinge in Shario angegriffen und es dabei übertrieben, deshalb seien diese geschlagen und bestraft worden. Wie der Zeuge 2S. gab auch er an, der Angriff sei von S.M. befohlen und von dem von 12K. geführten Bataillon durchgeführt worden. Der Angriff habe frühmorgens stattgefunden. Es habe dort sowohl getötete Soldaten als auch getötete kongolesische Zivilisten gegeben. Auch habe er gehört, dass Häuser niedergebrannt worden seien. Was in Busurungi passiert sei, habe ihm sehr weh getan, weil eine Frau seiner Familie dort gelebt habe. Wie er ausführte, stammten seine Informationen zu Busurungi hauptsächlich aus Versammlungen beim FOCA-Kommando und aus Telegrammen.
(f)
Von einer „opération punitive“ sowie einem Racheangriff der FDLR in Busurungi am 10. Mai 2009 sprach auch der zu diesem Zeitpunkt zur Reservebrigade gehörende Zeuge 7N. aufgrund entsprechender Informationen aus Telegrammen sowie Angaben von anderen FDLR-Angehörigen und ruandischen Flüchtlingen. Bei diesem Zeugen war allerdings zu sehen, dass er sich im Hinblick auf seine eigene Teilnahme an der Operation auf sein Auskunftsverweigerungsrecht berief und seine Angaben deshalb nur bedingt hinterfragt werden konnten. Auch er nannte als Grund für die Operation der FDLR in Busurungi, dass ein in der Siedlung stationiertes Spezialkommando der FARDC zusammen mit kongolesischen Zivilisten, die diesem den Weg gezeigt hätten, nach Shario gekommen sei, dort ruandische Flüchtlinge getötet, festgenommen oder verstümmelt habe und dies dazu benutzt worden sei, den kongolesischen Zivilisten zu zeigen, dass die FDLR besiegt und ausgerottet sei. Die FDLR sei deshalb sehr wütend gewesen und nach Busurungi gegangen, um das Spezialkommando zu beseitigen und Rache zu üben. Der Angriff sei von dem stellvertretenden Kommandanten der Reservebrigade Oberstleutnant 6S. geleitet sowie von dem im Kampf getöteten S 3 des Bataillons Zodiaque vor Ort befehligt worden. Als 6S. den Angriffsbefehl zu Busurungi gegeben habe, habe er gesagt, alles was atme in Busurungi, müsse entfernt werden, weil sie sich rächen wollten. Als die FDLR angegriffen habe, seien die Soldaten und Zivilisten in Busurungi gemischt gewesen. Es seien daher auch Zivilisten gestorben. Über BBC habe er gehört, dass 70 Leute dort gestorben seien. In einem von ihm gelesenen und von der Reservebrigade nach der Operation geschickten Bericht sei gestanden, dass die Operation „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ geheißen habe. Dort sei mitgeteilt worden, dass die Operation hundertprozentig erfolgreich gewesen sei, sie den Feind verjagt und militärische und zivile Ausrüstung erbeutet hätten und ganz Busurungi in Brand gesetzt sowie eigene und feindliche Soldaten getötet worden seien. Er erinnere sich insoweit an sieben getötete FDLR-Kämpfer, darunter der Major, der den Angriff vor Ort befehligt habe. Am Ende des Telegramms sei „Glückwunsch“ gestanden. Als Kämpfer, die am Angriff beteiligt gewesen seien, nannte der Zeuge Soldaten des Bataillons Zodiaque, Kämpfer der Spezialkompanie unter Leitung von V., 4S. und der Zugführer 1P. und 5R. sowie des Bataillons FOCA QG, des Bataillons PM und der Ausbildungsstätten. Auch berichtete er davon, dass Zivilisten, deren Aufgabe es gewesen sei, die erstrebte Beute sowie Verwundete zu tragen, mit den FDLR-Kämpfern nach Busurungi gegangen seien und Leute des PARECO-Kommandeurs 2T. der FDLR die Wege nach Busurungi gezeigt hätten. Nach seinen Angaben hatte er von 3M. später selbst gehört, wie sich dieser rühmte, in Busurungi eine Person getötet und deren Genitalien abgeschnitten zu haben.
(g)
Dass ein Racheangriff der FDLR auf die Siedlung Busurungi im Mai 2009 erfolgt sei, bei dem viele Leute, nämlich Soldaten, aber vor allem Zivilisten, getötet sowie die Häuser durch die FDLR niedergebrannt worden seien, berichtete zudem der damals als Eskorte eines Politikers tätige Zeuge 3H.. Hierbei berief er sich auf Informationen von Kameraden, die bei den Kämpfen in Busurungi dabei gewesen seien, und hierbei insbesondere auf einen Kämpfer aus seiner Eskorte, der nähere Einzelheiten hierzu berichtet habe. Wie er nachvollziehbar darlegte, hatte er Busurungi darüber hinaus nach dem Angriff selbst gesehen und von Kampfteilnehmern die in Busurungi erbeutete militärische Ausrüstung sowie Uniformen gezeigt bekommen. Auch er sprach davon, dass die Leute in Busurungi die Koalitionsarmee unterstützt hätten und die FDLR vor dem Angriff auf die Siedlung wegen der Tötung ruandischer Zivilisten durch die FARDC in Shario sehr wütend gewesen sowie ein amputierter Arm eines ruandischen Zivilisten von der FARDC in Busurungi herumgezeigt worden sei. Die von 12K. geführte Reservebrigade habe dann den Angriff auf Busurungi aus Rache durchgeführt. Beim Angriff hätten die FDLR-Soldaten gewusst, dass in Busurungi Zivilisten gewesen seien. Sie hätten berichtet, bei der Operation seien Soldaten und Zivilisten getötet und Häuser niedergebrannt worden. Auch habe ihm sein Kamerad aus der Eskorte geschildert, es seien so ungefähr 800 bis 1.000 FDLR-Kämpfer, nämlich Soldaten aus der Reservebrigade und aus unterstützenden Einheiten, nach Busurungi gegangen und hätten dort militärische Ausrüstung erbeutet, aber auch Sachen von Zivilisten weggenommen. Als er selbst Busurungi nach dem Angriff gesehen habe, seien alle Häuser niedergebrannt und außer einem militärischen Lager der FDLR keine Menschen mehr dort gewesen.
(h)
Auch der zur damaligen Zeit als Zugführer zum Bataillon Concorde der Reservebrigade gehörende Zeuge 2K. berichtete, dass die FDLR vor der Operation in Busurungi sehr wütend gewesen sei, weil kongolesische Soldaten in Shario Flüchtlinge festgenommen und mit Macheten getötet sowie den Arm und den Kopf eines Flüchtlings in der Siedlung von Busurungi aufgehängt hätten. Das Kommando der Reservebrigade habe daraufhin eine Versammlung abgehalten und beschlossen, die ruandischen Soldaten zu vertreiben und Rache zu üben für die Person, die so behandelt worden sei. Busurungi sei dann um 2:00 Uhr nachts von der FDLR angegriffen, viele feindliche Soldaten getötet sowie viel Ausrüstung erbeutet und die ganze Siedlung angezündet worden. Das habe er von Soldaten seines Bataillons erfahren, die dort gekämpft hätten. Er gab an, bei Kameraden ebenfalls Beute aus dem Angriff gesehen zu haben, nämlich Maschinengewehre, Mörsergranaten, Stative für schwere Maschinengewehre und Munition. Auch habe er bei einem nach dem Angriff erfolgten Besuch der Siedlung Busurungi festgestellt, dass die ganze Siedlung niedergebrannt worden war. Im Gegensatz zu den meisten anderen ehemaligen FDLR-Angehörigen bekundete er allerdings, dass es zum Angriffszeitpunkt keine Zivilisten in der Siedlung mehr gegeben habe.
(i)
Von einer unter dem Kommando der Reservebrigade erfolgten Racheaktion der FDLR in Busurungi sprach darüber hinaus der als Leiter der Résistance Civile tätige Zeuge 5B.. Als Grund für den Angriff nannte er ebenfalls die Zusammenarbeit der in Busurungi lebenden Tembo mit dem Feind und die Tötung von Flüchtlingen und einiger FDLR-Soldaten von dort aus durch die FARDC. Er gab an, diejenigen, die in Shario bei dem Angriff der FARDC gegen die Flüchtlinge dabei gewesen seien, hätten geschildert, dass mit den kongolesischen Soldaten auch Zivilisten nach Shario gekommen seien, den Soldaten den Weg gezeigt und nach der Flucht der ruandischen Flüchtlinge deren Sachen geplündert hätten. Informationen über den Angriff in Busurungi habe er von Soldaten auf dem Rückweg vom Kampf erhalten sowie aus einem Telegramm, in dem der Kommandant des Angriffs über die Operation berichtet und S.M. in einem Zusatz die in Busurungi eingesetzten Soldaten beglückwünscht habe. Plastisch schilderte er, wie die FDLR-Soldaten, die von den Kämpfen zurückgekehrt seien, richtig Moral gehabt und davon gesprochen hätten, gegen den Feind gewonnen zu haben. In dem Telegramm sei gestanden, dass die FDLR in Busurungi angegriffen, die FARDC vertrieben habe und die Zivilisten, die mit dem Feind zusammengearbeitet hätten, gestorben sowie viele Häuser der Zivilisten niedergebrannt worden seien. Die Kommandanten der Einheiten hätten den Befehl gegeben, dass die Häuser niedergebrannt werden müssten, wenn der Feind Weg sei, damit die Soldaten und die Zivilisten, die mit diesen zusammengearbeitet hätten, nicht zurückkehren könnten. Der Kommandant der Reservebrigade 12K. sei derjenige gewesen, der diese Befehle gegeben habe.
(j)
Aufgrund der Informationen zurückgekehrter FDLR-Kämpfer bezeichneten zudem die zum Angriffszeitpunkt bereits repatriierten Zeugen 2G., 8N. und 2P.R. den Angriff der FDLR auf Busurungi als eine Racheoperation und Reaktion der FDLR auf Attacken der FARDC gegen die FDLR und ruandische Flüchtlinge. So gab der Zeuge 2P.R. an, die FARDC habe die FDLR angegriffen und die Rebellenmiliz habe als Racheakt anschließend das ganze Dorf von Busurungi angegriffen. Dies sei von den Verantwortlichen befohlen worden. Diese hätten gesagt, wir werden Racheakte gegen die kongolesische Bevölkerung führen, damit die kongolesische Regierung mit den Angriffen gegen die FDLR aufhöre. Der Zeuge 2G. erinnerte sich an Berichte von Kampfteilnehmern, nach denen die FDLR Rache geübt habe, weil unter den getöteten Flüchtlingen Familienmitglieder der Soldaten gewesen seien. Bei ihrer Operation habe die FDLR kongolesische Soldaten in Busurungi angegriffen, Waffen erbeutet und die ganze Siedlung niedergebrannt. Der Zeuge 8N. schilderte, dass ihm Rückkehrer in Mutobo davon erzählt hätten, die FDLR habe in Busurungi Rache geübt, viele Bürger getötet und deren Häuser angezündet. Auch wusste er von dem beim Kampf verstorbenen Major F.U.. Der ebenfalls bereits repatriierte Zeuge 15N. hatte von Rückkehrern gehört, dass die Reservebrigade der FDLR in Busurungi angegriffen habe und dort Zivilisten gestorben seien sowie das Dorf angezündet worden sei.
(k)
Als eine direkte Reaktion der FDLR auf Attacken der FARDC gegen FDLR-Angehörige und ruandische Flüchtlinge in Shario beschrieben der zu diesem Zeitpunkt zur Spezialkompanie der Reservebrigade gehörende Zeuge 7K. und der damals ebenfalls dort tätige Zeuge 1H. in seiner im Ermittlungsverfahren erfolgten Vernehmung vom 5. Dezember 2009 den Angriff der FDLR auf die Siedlung Busurungi. Dabei gaben beide Zeugen an, vom unmittelbaren Geschehen in Busurungi von Kampfteilnehmern erfahren zu haben, weil sie zum Angriffszeitpunkt verwundet bzw. zu Verteidigungszwecken in einiger Entfernung von der Siedlung eingesetzt gewesen seien. Auch nach den Ausführungen des Zeugen 1H. handelte es sich bei der Operation der FDLR in Busurungi um einen nächtlichen Angriff, bei dem die FARDC flüchtete und viel militärische Ausrüstung durch die FDLR erbeutet wurde. Wie die Zeugen 3H. und 2K. berichtete auch er, Busurungi sei menschenleer gewesen, als er zwei Tage nach dem Angriff in die Siedlung gegangen sei, um dort die Leichen von FDLR-Soldaten zu beerdigen. Die Häuser seien durch Schüsse und Munition zerstört gewesen, auch seien Häuser in Brand gesetzt worden. Neben vielen Leichen feindlicher Soldaten sowie sieben Leichen ihrer eigenen Leute habe er 20 tote Zivilisten, die in der Nähe ihrer Häuser durch Schüsse getötet worden seien, gesehen. Passend zu den Recherchen von HRW über Warn- und Drohbriefe an die Bevölkerung, wusste er zudem von einem Brief des Kommandanten der Spezialkompanie V. an die Bevölkerung von Busurungi, in dem diese gewarnt worden sei, sich nicht weiter mit der FARDC zu mischen und sich nicht in die Kämpfe einzubringen. Der Zeuge 7K. schilderte, von seinen Kameraden gehört zu haben, dass sie in Busurungi auf die FARDC geschossen und nach deren Flucht alle Häuser angezündet hätten. In Busurungi seien auch Zivilisten gestorben. Es habe viele Schreie der Kongolesen gegeben. Man habe überall auf sie geschossen. Auch er wusste davon, dass der S 3 F.U. bei dem Angriff getötet wurde.
Dass es bei dem Angriff der FDLR auf Busurungi auch darum ging, die feindlichen Soldaten und Zivilisten in Busurungi zu demoralisieren bzw. der kongolesischen Regierung und allen Kongolesen richtig weh zu tun, berichtete darüber hinaus der damals beim Kommando von SOSUKI als Funker tätige Zeuge 6N., der nach seinem Bekunden von dem Angriff der FARDC auf das Flüchtlingslager in Shario und dem darauf erfolgten Angriff der FDLR auf die Siedlung Busurungi aus Funknachrichten wusste. Weil die kongolesischen Soldaten meistens in der Siedlung stationiert gewesen seien, hätten die FDLR-Soldaten alles angegriffen, ohne zu unterscheiden. Auch er berichtete davon, dass der Angriff nachts von der Reservebrigade durchgeführt worden sei. In einer Nachricht, die 12K. geschickt habe, habe dieser gesagt, dass er sein Bataillon auf Befehl des FOCA-Kommandos nach Busurungi geführt habe. Passend zu den Angaben der Zeugen 1S.B., 2S., 7N., 5B. und 9N. berichtete er ebenfalls von einer nach dem Angriff übermittelten Nachricht des Kommandanten der Reservebrigade, in der es geheißen habe, die Operation in Busurungi sei erfolgreich durchgeführt worden, viele feindliche Soldaten seien getötet sowie viel Beute gemacht worden und in der die am Angriff beteiligten Soldaten zu der Aktion beglückwünscht worden seien. Er erinnerte sich darüber hinaus, in Funknachrichten gelesen zu haben, dass das militärische Lager in der Siedlung Busurungi von der FDLR in Brand gesetzt worden sei und die Siedlung Feuer gefangen habe, weil sie beschossen worden sei. Von getöteten Zivilisten sei dort nichts gestanden. Solche Sachen stünden aber regelmäßig nicht in den Funknachrichten, weil das nicht gut wäre für die FDLR und diese Angst habe, so etwas könne von anderen mitgehört werden. In Nachrichten von Radiosendern sei allerdings berichtet worden, dass die Häuser der Zivilisten von der FDLR angezündet und dort über 160 Zivilisten getötet worden seien.
(l)
Im Einklang mit der Mehrzahl der anderen ehemaligen FDLR-Angehörigen beschrieben auch die beiden an den Kämpfen in Busurungi beteiligten, bereits oben erwähnten Zeugen 10N. und 1G.N. den Angriff der FDLR als eine Aktion aus Rache bzw. weil die FDLR sehr wütend gewesen sei wegen der vorausgegangenen Attacken der in Busurungi stationierten FARDC auf FDLR-Soldaten sowie auf ein Lager ruandischer Flüchtlinge in Shario. Dabei schilderte der Zeuge 1G.N., selbst die Leichen der von der FARDC getöteten Flüchtlinge auf den Hügeln gesehen zu haben. Es seien über 100 Flüchtlinge getötet worden, teilweise seien Flüchtlinge mitgenommen und in den Fluss geworfen worden, auch seien Frauen vergewaltigt worden. Dies habe die FDLR wütend gemacht. Daraufhin habe S.M. den Befehl zur Durchführung der Operation gegeben. Vor dem Angriff habe der Stellvertreter des Kommandanten der Reservebrigade 6S. den für den Kampfeinsatz vorgesehenen Soldaten gesagt, General S.M. habe den Befehl gegeben, die Leute anzugreifen und zu verfolgen sowie die Stellungen derjenigen zu zerstören, welche die Flüchtlinge getötet hätten, damit sie die Region verließen. Dass es bei der Operation der FDLR auf die Siedlung Busurungi um Rache für die in Shario getöteten Zivilisten gegangen und dies innerhalb der FDLR so gesagt worden sei, bekundete ausdrücklich der Zeuge 10N.. Auch er berichtete davon, dass die FARDC einen abgeschnittenen Arm eines Flüchtlings in Busurungi herumgezeigt und den kongolesischen Zivilisten in Busurungi gesagt habe, sie hätten die Ruander der FDLR besiegt und ausgerottet. Daraufhin sei vom Kommandanten der Reservebrigade 12K. und seinem Stellvertreter 6S. die Entscheidung getroffen worden, den Angriff auf Busurungi durchzuführen und sie von dort zu verjagen. Der Befehl zur Durchführung der Operation sei ursprünglich von S.M. gekommen, dies habe der S 3 des Bataillon Zodiaque 3F., unter dem er gekämpft habe, vor dem Marsch nach Busurungi berichtet. Vor dem Angriff habe 6S. in einer Ansprache an die Soldaten der FDLR gesagt, sie sollten die Soldaten, die sie immer angegriffen und bedroht hätten, angreifen. Der Angriff sei dann unter dem Kommando der Reservebrigade erfolgt.
Beide Zeugen schilderten übereinstimmend die Vorgänge im unmittelbaren Vorfeld des Angriffs sowie den Angriffsplan und das militärische Vorgehen der FDLR gegen die feindlichen Soldaten in Busurungi. Im Hinblick auf mögliche Übergriffe auf Zivilisten berichteten beide, nicht im eigentlichen Zentrum der Siedlung gekämpft zu haben und deshalb über die Vorgänge dort nichts sagen zu können. Dass die FDLR vor der Operation Informationen über die Lage in Busurungi eingeholt, die Situation dort aus gekundschaftet habe und ihr deshalb die Positionen der feindlichen Soldaten in der Siedlung sowie deren Stärke bekannt gewesen sei, bestätigten beide Zeugen. Auch wusste die FDLR nach den Angaben der Zeugen aus Patrouillengängen, aber auch durch Mitteilungen kongolesischer Bürger von der Anwesenheit von Zivilisten in Busurungi. So schilderte der Zeuge 10N., selbst Zivilisten in Busurungi gesehen zu haben, wenn es dort auch mehr Soldaten gegeben habe. Der Zeuge 1G.N. sprach davon, dass zu diesem Zeitpunkt die meisten Einwohner von Busurungi schon aus dem Ort geflohen seien, der Angriff auf die Siedlung sei der Bevölkerung nämlich angekündigt worden. Übereinstimmend beschrieben beide Zeugen auch, dass sich alle an der Operation beteiligten Soldaten der FDLR vor dem Angriff an einem Sammelplatz in der Nähe von Shario getroffen hatten, dort die Soldaten insgesamt fünf Angriffsgruppen zugeteilt sowie von ihren Kommandeuren über den Angriffsplan informiert wurden und sie sich dann gegen 17:00 Uhr zu ihren jeweiligen Positionen begeben hatten, von wo aus sie die FARDC in Busurungi angreifen sollten. Auch habe 6S., unter dessen Kommando der Angriff erfolgt sei, eine Ansprache vor den Soldaten gehalten. Wie der Zeuge 10N. berichtete, gab es auch einen „bac à sable“, anhand dessen die örtlichen Verhältnisse in Busurungi dargestellt und erläutert wurden. Dabei schilderten die Zeugen, dass neben Kämpfern aus der Reservebrigade und der Spezialkompanie der Reservebrigade sowie Soldaten aus anderen Einheiten wie dem PM und den Soldaten des Exekutivkomitees, die diese unterstützt hätten, auch zwischen 30 bis 50 Zivilisten bzw. Mitglieder der Résistance Civile am Sammelplatz anwesend gewesen und den Soldaten später nach Busurungi gefolgt seien. Auf Frage, was die ruandischen Zivilisten in Busurungi gemacht hätten, antwortete der Zeuge 1G.N., sie hätten nichts gemacht, aber geschrien im Sinne eines Anfeuern. Der Zeuge 10N. gab an, die Zivilisten seien nach Busurungi gegangen, weil man sie zuvor in Shario angegriffen und ihnen alles weggenommen habe, und sie sich wieder Sachen wie zum Beispiel Haushaltsgegenstände etc. holen wollten.
Übereinstimmend schilderten die beiden Zeugen auch den Verlauf der Operation gegen die FARDC-Soldaten in Busurungi. Anhand einer von ihm gefertigten Skizze, in die er die Positionen der FARDC in der Siedlung sowie die dort jeweils angreifenden FDLR-Kommandeure eingezeichnet hatte, erläuterte der Zeuge 1G.N. anschaulich das Vorgehen der FDLR bei ihrem Angriff. Danach attackierten ungefähr 600 bis 700 FDLR-Soldaten gegen 2:00 Uhr morgens gleichzeitig die fünf Positionen der FARDC auf den vier Hügeln und im Zentrum der Siedlung von Busurungi. Da 6S. nicht selbst in Busurungi dabei gewesen sei, sei der S 3 der Reservebrigade Major 3F. der höchster Führer vor Ort gewesen, aber bereits kurz nach Beginn des Angriffs getötet und durch 3T. ersetzt worden. Weitere Kommandanten der FDLR seien die Kompanieführer 2G.N., D.H., V., A. und 3M. gewesen. Jeder Zug habe ein Funkgerät gehabt, mit dem sie untereinander kommuniziert hätten. In der Siedlung hätten viele Soldaten in den Häusern der Zivilisten gelebt. Die am längsten umkämpften feindlichen Positionen seien auf den Hügeln Kimono sowie Kimoka, wo er selbst gekämpft habe, gewesen. Ungefähr gegen 4:00 Uhr morgens seien der Feind vertrieben und die Stellungen eingenommen gewesen. Nach einem entsprechenden Befehl hätten sie sich aus Busurungi zurückgezogen. Lediglich V. sei mit seiner Einheit noch etwa 30 Minuten zurückgeblieben, um eine Verfolgung durch den Feind zu verhindern. Bei dem Angriff hätten sie viel militärische Ausrüstung erbeutet, es seien aber auch sieben FDLR-Soldaten gestorben und zwölf verletzt worden. Im Hinblick auf mögliche Übergriffe auf die Zivilbevölkerung gab der Zeuge an, dass sie Häuser von Soldaten angezündet hätten, nicht aber die von Zivilisten. Die Häuser unten im Tal in der Siedlung hätten noch gestanden, als sich die FDLR zurückgezogen habe. Er wisse nicht, wer diese am frühen Morgen niedergebrannt habe, sie hätten das nur aus der Ferne gesehen. Im Verlaufe der Vernehmung sagte er allerdings auch, dass er die Siedlung vom Hügel aus gar nicht sehen konnte. Auf die Frage, ob in Busurungi Zivilisten getötet worden seien, erklärte er erkennbar ausweichend, das könne er nicht sagen, da sie nachts gekämpft hätten und dann in ihre Stellungen zurückgekehrt seien. Dabei blieb er auch, nachdem ihm seine anderslautenden Angaben aus dem Protokoll seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren vorgehalten worden waren. Später sprach er von wenigen Zivilisten, die getötet worden seien. Allerdings berichtete er ebenfalls davon, dass die Soldaten der FDLR bei ihrem nächtlichen Angriff nicht zwischen Zivilisten und Soldaten unterscheiden konnten und bei ihrer nächtlichen Operation „blind“ angegriffen hätten. Auch sprach er davon, dass sie die Zivilisten, die nicht geflüchtet und bei den Soldaten geblieben und mit ihnen herumgezogen seien, als Feind betrachtet hätten.
Entsprechend den Ausführungen des Zeugen 1G.N. berichtete auch der Zeuge 10N., die FDLR-Soldaten hätten um 2:00 Uhr morgens gleichzeitig den Feind von verschiedenen Positionen aus angegriffen, ihn überrascht und besiegt. An dem von seiner Gruppe angegriffenen Hügel sei sofort sein Anführer, Major 3F., getötet worden. Nach der Flucht der FARDC-Soldaten hätten sie, als es hell geworden sei, den Hügel verlassen und seien zurückgegangen. Als weitere Offiziere, die die FDLR-Soldaten angeführt hätten, nannte er ergänzend die Offiziere 1P. und 4S.. Auch berichtete er davon, dass die FDLR-Soldaten, die nach Busurungi gegangen seien, nicht genug militärische Ausrüstung besessen hätten. Einige hätten deshalb Messer und Macheten dabei gehabt und eingesetzt. Auch seien neben militärischer Ausrüstung zusätzlich Sachen aus den Häusern wie zum Beispiel Haushaltsgegenstände und Ziegen erbeutet worden. Es habe von Seiten derjenigen, die den Angriff geplant hätten, die Anweisung gegeben, Medikamente und andere wichtige Dinge mitzunehmen. Ansonsten habe es den Befehl gegeben, um jeden Preis zu kämpfen, damit die Soldaten dort weggingen.
Im Hinblick auf Zivilisten schilderte der Zeuge, dass 6S. am Sammelplatz gesagt habe, die Soldaten sollten keine Zivilisten töten. Als sie an ihrem Ziel angekommen seien, habe es aber das Problem gegeben, dass die Soldaten zusammen mit den Zivilisten geschlafen hätten. Einige Zivilisten seien bei dem Angriff verletzt worden und einige gestorben. Dies sei bei allen Einheiten so gewesen. Weil an verschiedenen Plätzen gekämpft worden sei, wisse er nicht, wie viele Zivilisten gestorben seien. Dort wo er gekämpft habe, seien nur Ehefrauen von Soldaten als Zivilisten gewesen und die Ehefrau eines kongolesischen Oberst gestorben. Beim Verlassen der Siedlung habe er mindestens drei verbrannte Menschen in teilweise noch brennenden Häusern gesehen, wisse aber nicht, ob es sich dabei um Zivilisten oder Soldaten gehandelt habe. Allerdings hätten Leute aus der FDLR, die drei Tagen nach der Beendigung der Kämpfe wieder nach Busurungi gegangen seien, gesagt, es könne sein, dass dort viele Menschen verbrannt seien. Auf die Frage, ob die FDLR in Busurungi Häuser angezündet habe, bejahte der Zeuge dies. Man habe gewollt, dass alle Häuser dort verschwinden und es dort keine Häuser mehr gebe. Weil die feindlichen Soldaten dorthin gekommen und dort gelebt hätten, sollten alle Häuser angezündet werden, damit die Soldaten nicht mehr zurückkommen könnten. Den Befehl hierzu habe 12K. gegeben, der den Angriff geplant habe, aber auch 6S.. Als er Busurungi verlassen habe, hätten viele Häuser gebrannt. Auf eine spätere Nachfrage hin relativierte er dies allerdings wenig überzeugend dahingehend, es habe sich bei den Häusern, die niedergebrannt werden sollten, nur um die Häuser gehandelt, die die Soldaten gebaut hätten.
(2) Erkenntnisse aus der TKÜ-Überwachung und aus asservierten Dateien
Dass ein Angriff der FDLR auf die Siedlung Busurungi am 9./10 Mai 2009 erfolgte, wird des Weiteren durch die nachfolgend genannten Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung und aus asservierten Dateien gestützt, die zu den Angaben der in der Hauptverhandlung gehörten ehemaligen FDLR-Angehörigen zum Zeitpunkt des Angriffs, den Gründen des Angriffs und den beteiligten Einheiten, aber auch zu Opfern unter den Zivilisten und zu der teilweise angegebenen militärischen Bilanz der Operation passen.
(a)
Zu den Ereignissen im Vorfeld des Angriffs auf die Siedlung Busurungi teilte der stellvertretende Exekutivsekretär dem Angeklagten Dr. M. durch SMS vom 27. April 2009 um 10:50 Uhr und vom 1. Mai 2009 um 16:12 Uhr sowie der 2. Vizepräsident in einem Telefongespräch mit dem Angeklagten Dr. M. am 17. Mai 2009 unter anderem mit:
- SMS vom 27. April 2009: „… Ich war in Shario, ich bin hier gerade angekommen, um die Flüchtlinge zu betreuen. Ich bin zusammen mit dem Präsidenten des Regionalkomitees. Sie haben letztens ein Drama von extremer Schwere erlebt. Der Feind (FARDC, Pareco und CNDP) hat dort am 25. April angegriffen. Der Feind ist immer noch dort. Dort gibt es ungefähr 10.000 Flüchtlinge. Sie haben über 200 mitgenommen. Diejenigen die wir bisher kennen, die getötet wurden, sind 47. Sie sind von 22M. und 1I.N. (Tutsi) geführt … .“
- SMS vom 1. Mai 2009: „Wir waren im Flüchtlingslager. Wir sind heute dort angekommen. Wir kamen aus unserem Versteck (Shario). Ich habe gerade ein sehr großes Massengrab gesehen, wo sie die Leute begraben haben. Man sagt, dass sie Männer getötet und Frauen vergewaltigt haben (viele Kondome im Lager). Sie haben jetzt die vergewaltigte Frauen und Kinder in ihrer Gewalt. Man sah, dass sie diese Frauen und Kinder nach Ruanda bringen wollen ... .“
- Telefonat vom 17. Mai 2009: „… Unsere Flüchtlinge in Masisi, in der Nähe von Walikale und in Walikale … nein Shario, Maroc, Bunyarwanda und sogar Bunyamwasa wurden massiv angeschossen mit schweren Maschinen zwischen dem 20. April und dem 5. Mai 09, die Operation trug den Namen Kimia II. Über 200 Flüchtlinge besonders Frauen und Kinder fanden den Tod und es gab mehr als 100 Vermisste und Hunderte von Verletzten. Während dieser Zeit wurde Major 1Z. in Busurungi gesehen, er schwenkte einen ganzen Arm von einer Flüchtlingsfrau, die er kurz zuvor mit der Machete getötet hatte.“
(b)
In einer E-Mail vom 15. Mai 2009 teilte der Kommandant der Division SONOKI O. dem Angeklagten Dr. M., der diese E-Mail sogleich an den Mitangeklagten M. weiterleitete, unter anderem mit:
„Der Angriff von Busurungi in der Nähe von Hombo wurde am 10.05.09 um 2.00 Uhr morgens von der Brigade RES, PM und von den Leuten vom FOCA-Kommando geführt. Auf der Seite des Feindes sind 37 Männer und einige Frauen gestorben. Ihre Ehefrauen schlafen auch dort. Auf der Seite des Freundes sind zwei Leute gestorben, darunter ein Major. Sie haben 18 kleine und große Gewehre und viel Munition und Bomben erbeutet. Die Stimmung bei den Soldaten und bei den Flüchtlingen ist gut, weil die FRDC vor kurzem viele Flüchtlinge in der Region massakriert hat“.
(c)
In einem Telefongespräch vom 15. Mai 2009 sagte S.M. zu dem Angeklagten Dr. M., man habe in Busurungi gute Ergebnisse erzielt, sie hätten aber einen Major verloren.
(d)
In zwei SMS vom 17. Mai 2009 um 16:35:53 Uhr und 16:43:07 Uhr wurde dem Angeklagten Dr. M. im Zusammenhang mit dem Angriff auf Busurungi unter anderem Folgendes mitgeteilt:
„Wir grüßen Sie Exzellenz. Eine andere Brigade ist nach unserem Angriff in Busurungi zurückgekommen. Diese Brigade wird von 4G. (Hutu) geführt. Viele Soldaten davon sprechen Kinyaruanda. Es waren Zivilisten unter den Toten, weil sie sich dazwischen befanden. 37 Soldaten der FARDC sind dabei gestorben. Die Zahl der Verletzten ist unbekannt … .“
(e)
In der auf dem Laptop des Angeklagten Dr. M. befindlichen „Nachricht von dem 2. Vizepräsidenten vom 17. Mai 2009“ machte der 2. Vizepräsident neben den Angaben zur allgemeinen Vorgehensweise der FDLR bei Angriffen auf kongolesische Siedlungen (siehe zum Inhalt der Nachricht und zur fehlenden Differenzierung der FDLR zwischen Soldaten und Zivilisten unter Teil 3 C. V. 3. b) bb) (1) (d)) nähere Ausführungen zur Operation der FDLR in Busurungi und deren Bilanz. Dort heißt es unter anderem:
„Freundeskräfte: Reservebrigade: 10. um 2H00B Mai 09: Ort: Busulungi. Typ der Aktion: Überfall: Überraschung gelungen.
Feindeskräfte: 203. Bataillon speziale Infanterie in diesem Moment geleitet von Major 1Z.. Bilanz Feind: 51x militärische Tote und viele Verletzte.
Von dem Feind vereinnahmtes Material: 13x Gewehre KV, 1 KPM, 1 Gewehr FAL, 3 x Raketenwerfer, ein Mörser 60, Trepier und Wiege von MIAA, 34 x Boxen Bombermörser 60, 3 Bombenmörser 81, neun Raketen, eine Box Munition MIAA und 20 Patronen (…) Munition MIAA, 5 Boxen Munition PKM und 580 Patronen (…) von PKM … .
Bilanz Freund: 2x Tote, unter ihnen ein Offizier, zwei Verletzte.“
(f)
In drei E-Mails vom 19. Mai 2009 übermittelte O. dem Angeklagten Dr. M. Nachrichten über Busurungi, die der Kommandant der Reservebrigade 12K. an ihn übersandt hatte. Die Nachrichten von 12K. lauteten unter anderem wie folgt:
„… Die von Presidef angeforderten Angaben bezüglich der Operation am 09./10.05.09 in Busurungi. Der Machtmissbrauch des Dritten Bataillons, integrierte Infanterie (Spezial) des Majors 9K. und des Bataillons des Oberstleutnant I.D. gegen die ruandischen Flüchtlinge hat diese Operation motiviert. Dieser Machtmissbrauch hat während der Angriffe von 23. Mai 09 und 06. Mai 2009 in Shariyo und Maroke unter den Befehlen von General 2M. und 11N. von CNDP stattgefunden.
1. …
2. Bilanz der Operation von Busurungi:
A: Identifizierung der Waffen und Munition: 18 Waffen wurden erbeutet … . Viel Munition, darunter drei Bombenmörser 82, 34 Bombenmörser 60, die Munitionsboxen für Milou, MIAA und Begleitwaffen. 1 Sonnensegel und mehrere Raketen
B: Identifizierung einiger getöteten Soldaten“
(g)
Dass es sich am 9./10. Mai 2009 um eine Strafoperation der FDLR in Busurungi handelte, die FARDC-Soldaten gemischt mit den Zivilisten lebten und die FDLR beim Angriff nicht zwischen Zivilisten und Soldaten unterschied, zeigt neben dem unter Teil 3, C. V. 3 b) bb) (2) aufgeführten Inhalt (siehe dort ) des vom Angeklagten Dr. M. am 21. Mai 2009 an den Angeklagten M., 2C.M. und 1N.M. per E-Mail übersandten Entwurfs einer Presseerklärung zu den Operationen in Mianga und Busurungi auch die folgende Passage in dem Entwurf:
„Hier ist die Bilanz der Strafaktion gegen das 203. Infanteriesonderbataillons unter dem Kommando von Major 1Z. in Busurungi: ...“
(h)
Für eine Strafaktion der FDLR in Busurungi spricht des Weiteren der Inhalt einer auf dem Laptop des Angeklagten Dr. M. gespeicherten SMS vom 16. Mai 2009 an S.M., in der es unter anderem heißt:
„Wir brauchen außerdem Einzelheiten über schlechte Sachen, die APR/FARDC den Flüchtlingen in dieser Region von Busurungi und um Umgebung angetan haben, damit wir zeigen, dass es notwendig war, sie anzugreifen, damit wir sie bestrafen“.
(i)
Von einem Massaker an ruandischen Flüchtlingen in Shario in der Zeit zwischen dem 27. April bis zum 30. April 2009 wird in der Presseerklärung der FDLR Nr. 01SE/CD/Juni 2009 vom 2. Juni 2009 berichtet, die eine Liste mit 63 getöteten ruandischen Flüchtlingen enthält, die in Shario und Maroke sowie Makungurano von der APR/FARDC getötet worden seien.
(3) Angaben der Zeugin VW. über die Untersuchungsergebnisse von HRW
Dass ein Bestrafungs- bzw. Vergeltungsangriff der FDLR auf die Siedlung Busurungi am 9./10. Mai 2009 stattfand und dabei auch gezielt gegen Zivilisten in der Siedlung vorgegangen wurde, belegen die umfangreichen Untersuchungen von HRW, über die die Zeugin VW. berichtete. Auch in diesem Fall war die Zeugin selbst maßgeblich an den Ermittlungen beteiligt gewesen, hatte zahlreiche Opfer befragt und konnte sich noch gut an die durchgeführten Recherchen und die von ihr geführten Interviews erinnern. Dabei zeigten die Angaben der Zeugin, dass die Ermittlungen im Fall von Busurungi wiederum auf einer breiten Grundlage erfolgt waren und die gewonnenen Informationen durch eine Vielzahl unterschiedlicher Quellen bestätigt wurden. So hatte HRW auch Ermittlungen zu den vorausgegangenen Angriffen der kongolesischen Armee gegen ruandische Flüchtlinge in Shario und zu Drohbriefen im Zusammenhang mit dem Angriff auf die Siedlung Busurungi durchgeführt. Grundlage der Erkenntnisse der Nichtregierungsorganisation zum Geschehen in Busurungi am 9./10. Mai 2009 bildeten Interviews mit 32 Augenzeugen und Opfern sowie zwölf weiteren Personen mit wesentlichen Informationen, Berichte der UN und einer örtlichen Verwaltungsbehörde, nach dem Angriff gefertigte Satellitenaufnahmen Busurungis sowie ein Besuch der HRW-Mitarbeiterin I.S. in der Siedlung zum Abgleich der erhaltenen Informationen. Dabei gehörten nach den Ausführungen der Zeugin zu den Personen mit wesentlichen Informationen unter anderem Mitarbeiter im medizinischen Bereich und örtlicher Behörden sowie FARDC-Offizielle und Ex-FDLR-Angehörige.
(a)
Auch nach den Ermittlungen von HRW handelte es sich, wie die Zeugin darlegte, bei dem Geschehen in Busurungi in der Nacht vom 9./10. Mai 2009 um einen Racheangriff der FDLR auf einen im Zeitraum zwischen dem 27. und 29. April 2009 unter Beteiligung von integrierten CNDP-Kämpfern erfolgten brutalen Angriff der FARDC auf Shario, bei dem 129 ruandische Flüchtlinge, unter ihnen vor allem Familienmitglieder von FDLR-Soldaten, getötet und Frauen als Sexsklavinnen mitgenommen worden seien. Das Ganze sei ein sehr schwerer Schlag für die FDLR gewesen. Dass es sich bei der Operation der FDLR auf die Siedlung Busurungi um einen Racheangriff handelte, hatten HRW gegenüber, wie im Bericht vom Dezember 2009 ausgeführt wird, sowohl FDLR-Kämpfer als auch Bewohner von Busurungi bestätigt. Auch berichtete die Zeugin VW., von mehreren kongolesischen Zeugen über ein Drohschreiben der FDLR nur zwei Tage vor dem Angriff informiert worden zu sein. Diese hätten angegeben, in dem Schreiben sei das angekündigt worden, was dann auch geschehen sei. Für die Personen vor Ort sei dabei ganz klar gewesen, dass das Schreiben von denjenigen gekommen sei, die Busurungi angegriffen hätten. Zwei Zeugen, die das Schreiben selbst gesehen hätten, hätten ihrer Kollegin I.S. berichtet, dass die FDLR nach den darin enthaltenen Formulierungen sehr verärgert über die Bevölkerung in Busurungi gewesen sei, weil sie von einer Zusammenarbeit der Bewohner mit der kongolesischen Armee ausgegangen sei. In dem Schreiben habe gestanden, man werde bestraft.
(b)
Zum Geschehen in Busurungi selbst schilderte die Zeugin, es habe sich um das größte von HRW im Rahmen ihrer Untersuchungen in der DR Kongo dokumentierte Massaker der FDLR seit Beginn der militärischen Operationen im Jahr 2009 gehandelt. Dieses habe sich von anderen Massakern abgehoben, weil die dort ausgeübte Gewalt besonders bösartig und brutal gewesen sei. Nach ihren Erkenntnissen habe die FDLR Busurungi in der Nacht vom 9. auf den 10. Mai angegriffen, die dort stationierten kongolesischen Soldaten rasch besiegt und in die Flucht geschlagen und in den darauffolgenden Stunden 96 Zivilisten, darunter 25 Kinder, 23 Frauen und sieben ältere Männer massakriert sowie weitere Bewohner von Busurungi schwer verletzt. Auch sei die Siedlung systematisch niedergebrannt worden einschließlich der Schulen, der Kirchen und der Gesundheitszentren. Dabei seien Menschen teilweise erschossen, zum Teil mit Macheten zu Tode gehackt, manche in ihren Häusern verbrannt und einzelnen Personen die Kehle durchgeschnitten worden. Wie ihnen Leichenbeerdiger berichtet hätten, sei von den verbrannten Personen oft so wenig übrig geblieben, dass sie diese einfach mit Erde zugeschüttet hätten. Auch hätten sie von vielen beim Angriff verwundeten Opfern im Hospital von Chambucha, wohin zahlreiche Bewohner aus Busurungi geflohen seien, erfahren und dort selbst verletzte Personen von Busurungi angetroffen. Dabei legte sie anschaulich dar, wie die von ihnen interviewten medizinischen Mitarbeiter, die die Anzahl der Verwundeten dokumentiert hatten, sich über die vielen notwendigen Amputationen betroffen gezeigt hatten und sich aufgrund der schrecklichen und oftmals ernsthaft infizierten Wunden der neu angekommenen Patienten noch an alles genau erinnern konnten. Auch habe der medizinische Direktor des Krankenhauses angegeben, dass viele Personen durch das Geschehen stark traumatisiert oder sogar „verrückt“ geworden seien, insbesondere dann, wenn das Vorgehen gegen sie besonders brutal gewesen sei.
Die Zeugin war dabei in der Lage, die von HRW gewonnenen Erkenntnisse näher zu erläutern und berichtete detailliert und eindrücklich von einzelnen Aussagen von Überlebenden des Angriffs. Dabei schilderte sie teilweise sehr plastisch die Traumatisierung und Betroffenheit der Opfer, wie sie sich ihr in den Befragungen gezeigt hatte. Ihre Angaben waren insgesamt schlüssig und zeichneten ein nachvollziehbares Bild des Geschehens, das durch die Ausführungen der UN-Zeugen 4D.M., 1C.G. und 3B. sowie der Zeugen Z 1, Z 2 und Z 3 gestützt wurde. Dabei zeigten die von ihr wiedergegebenen Opferangaben deutlich, dass es zu Tötungen und Verletzungen von Zivilisten in Busurungi nicht zufällig, sondern aufgrund gezielter Übergriffe der Angreifer gekommen war.
(aa)
Nach den Angaben der Zeugin war sich die Mehrheit der von HRW befragten Opfer sicher, dass es sich bei den Angreifern vom 9./10. Mai 2009 tatsächlich um FDLR-Kämpfer handelte. So hätten viele Zeugen die Angreifer konkret identifizieren können, weil sie diese aufgrund ihres fast 15-jährigen Zusammenlebens mit der FDLR wiedererkannt hätten. Deren Zugehörigkeit zur FDLR hätten sie zudem anhand von deren Sprache und den getragenen Uniformen erkannt.
Als Beispiele für Aussagen von Opferzeugen, die HRW zum Vorgehen der FDLR in der Nacht vom 9./10. Mai 2009 erhalten habe, schilderte sie die Angaben von vier Personen, die sie selbst interviewt hatte. So habe ein Familienvater berichtet, dass er Schreie gehört, beim Öffnen der Tür FDLR-Leute gesehen habe und mit zwei seiner Kinder geflohen sei. Am Wald habe er gesehen, wie seine Frau und seine weiteren Kinder von der FDLR ins Haus eingesperrt worden seien und das Haus mit diesen niedergebrannt worden sei. Ein weiterer Zeuge habe erzählt, dass er sich mit seinen drei Kindern im Haus versteckt habe, als die FDLR angegriffen habe. Die FDLR-Leute seien in sein Haus gekommen und hätten gerufen „Ihr, das kongolesische Volk, seid hier mit diesen Soldaten, die nicht wissen, wie man kämpft. Wir werden euch töten und wir werden euch ausrotten“. Dann hätten sie seinen 18-jährigen Sohn ergriffen, aus dem Haus gezerrt und getötet. Danach hätten sie eine 42 Jahre alte Frau und ein drei Monate altes kleines Mädchen, die sich ebenfalls in seinem Haus versteckt hätten, mit Macheten zu Tode gehackt. Dieser Zeuge habe sich besonders geschockt gezeigt, weil die FDLR-Leute das Baby getötet hätten.
Andere Zeugen hätten ebenfalls berichtet, dass Macheten von den Angreifern eingesetzt worden seien, und entsprechende Handbewegungen bei der Schilderung der Tötungen gemacht. Auch habe sie einen Augenzeugen interviewt, der beobachtet habe, wie ein Kirchenvertreter angegriffen worden sei. Dieser sei sichtlich fassungslos darüber gewesen, dass die gleichen Personen, die Tage zuvor noch zusammen mit ihnen gebetet hätten, sie nun attackierten. Dieser Zeuge habe gesehen, wie die FDLR-Leute den Kirchenvertreter und zehn weitere Leute aneinandergebunden und allen wie bei Hühnern die Kehle durchgeschnitten hätten, als ob sie Tiere geschlachtet hätten. Diese Person habe die Angreifer als FDLR-Leute wiedererkannt, da er drei von ihnen regelmäßig in der Kirche gesehen habe. Besonders traumatisiert sei einer derjenigen gewesen, der zurückgekommen sei, um die Toten zu beerdigen, weil es nicht möglich gewesen sei, so viele Tote gleichzeitig zu beerdigen und in den Häusern nur noch wenig von den verbrannten Personen übrig gewesen sei. Dabei erinnerte sie sich, dass er im Einzelnen aufführen konnte, welche seiner Nachbarn getötet worden waren. Deutlich war ihr auch noch die Geschichte einer Frau in Chambucha in Erinnerung, die besonders traumatisiert und deren Körper nach mehreren Wochen immer noch so mit entstellenden Machetenwunden übersät war, dass deren Überleben nicht sicher gewesen sei. Diese habe berichtet, nach Verlassen des Hauses sofort von einer FDLR-Person vorne im Gesicht, an der Brust und am Bauch angegriffen worden zu sein und dann 10 Tage lang im Wald herumgeirrt zu sein. Als sie auf eine Person getroffen sei, habe sie aus Angst vorgegeben, nicht aus Busurungi zu stammen und sei daraufhin als vermeintliche Frau eines FDLR-Soldaten noch einmal geschlagen worden.
Wie die Zeugin VW. darlegte, hatte sie zur Überprüfung der von den kongolesischen Zeugen erhaltenen Aussagen zusätzlich zahlreiche demobilisierte FDLR-Kämpfer interviewt. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den Angaben der kongolesischen Zeugen um fingierte Berichte gehandelt haben könnte, ergaben sich nach ihren Ausführungen insoweit nicht. Dabei war ihr noch bildlich die Reaktion eines ehemaligen FDLR-Angehörigen im Gedächtnis, der in Busurungi gekämpft hatte und dem sie die von HRW gewonnenen und dokumentierten Erkenntnisse detailliert vorgehalten hatte. So habe der FDLR-Kämpfer, als ihm einzelnen Sätze von Zeugen berichtet worden seien, jeweils nur mit dem Kopf genickt und auf die Frage, ob er das Ganze bestätige, geantwortet „schreckliche Dinge sind dort geschehen“.
(bb)
Ausführliche Angaben, die zeigten, dass die Untersuchungsergebnisse von HRW auf einer fundierten und zuverlässigen Basis beruhten, machte die Zeugin VW. darüber hinaus zu den von HRW festgestellten Zahlen getöteter Zivilisten und niedergebrannter Häuser. So berichtete die Zeugin, dass Grundlage der von HRW festgestellten Anzahl von 96 getöteten Zivilisten zum einen entsprechende Informationen der Personen gewesen seien, welche die Toten beerdigt hätten. Aufgrund deren guter Organisation sei in deren Listen regelmäßig vermerkt gewesen, wie viele Frauen und Kinder unter den Toten gewesen seien. Manchmal sei zusätzlich die Art der Verletzung, die zum Tode geführt habe, aufgezeichnet gewesen, ob diese also beispielsweise durch Schuss- oder Machetenverletzungen zu Tode gekommen seien. Um Irrtümer oder Verfälschungen auszuschließen, habe HRW vier Leichenbeerdiger sowie den Chef des Beerdigungsteams, der die Liste der Toten geführt habe, getrennt voneinander befragt. Dabei hätten sich deren Informationen alle gegenseitig gestützt. Darüber hinaus habe HRW zur Absicherung der ermittelten Zahlen zusätzlich einen Abgleich mit einem Bericht des Vorstehers von Waloaluanda zum Massaker in Busurungi vorgenommen, der HRW vorgelegen habe. Aus diesem Bericht, in dem die Namen aller getöteten männlichen und weiblichen Personen sowie die Art ihrer Tötung vermerkt gewesen seien, hätten sie dann die Namen der getöteten Personen entnommen. Dabei sei die große Anzahl an getöteten Frauen und Kindern signifikant gewesen und habe gezeigt, dass der Angriff sehr schnell erfolgt sei. Aufgrund ihrer mehrfach abgesicherten Recherchen seien sie sich sicher gewesen, dass mindestens 96 Zivilisten bei dem Angriff der FDLR getötet worden seien. Wahrscheinlich sei die Zahl aber höher anzusetzen, da verletzte Personen, die geflohen und später gestorben seien, hierbei noch nicht erfasst worden seien. Von diesen sorgfältig recherchierten Mindestzahlen an Opfern wird bei den getroffenen Feststellungen ausgegangen.
Nach den Angaben der Zeugin wurde die von HRW festgestellte Anzahl von 702 niedergebrannten Häusern sowie die Zerstörung der Gesundheitszentren, der Kirchen und der Schulen von Busurungi zum einen durch entsprechende Augenzeugenberichte belegt, aber auch durch Satellitenaufnahmen, die nach dem Angriff gefertigt worden waren, bestätigt. So war es nach ihren Ausführungen Fachleuten im Fall von Busurungi möglich, die niedergebrannten Häuser zu zählen, da aufgrund von Hubschrauberlandungen der MONUC GPS-Daten für den Ort vorlagen. Bestätigt wurden die Zeugenberichte und die vollkommene Zerstörung des Ortes, wie die Zeugin schilderte, darüber hinaus durch Vororterhebungen der UN und ihrer Kollegin I.S. bei Besuchen in Busurungi. Durch die Inaugenscheinnahme der von HRW im Bericht vom Dezember 2009 dokumentierten Satellitenaufnahmen vom Gebiet von Busurungi konnte sich der Senat hiervon selbst ein entsprechendes Bild machen.
(4) Ermittlungen der UN
(a) Angaben der UN-Experten
Dass auch nach den von der UN-Expertengruppe durchgeführten Untersuchungen von einem Angriff der FDLR in Busurungi am 9./.10. Mai 2009 und hierbei verübten gezielten Übergriffen auf Zivilisten auszugehen ist, ergaben zudem die Angaben der Zeugen 4D.M. und 1C.G. über die von der Sachverständigengruppe der UN gewonnenen Erkenntnisse. Wie der Zeuge 1C.G. hierzu ausführte, erhielten die UN-Experten ebenfalls Informationen dahingehend, dass es sich bei der Attacke auf die Siedlung Busurungi um eine von der FDLR befohlene Vergeltungsaktion und Antwort auf die Tötung, Verstümmelung, Entführung und Vergewaltigung von Familienangehörigen der FDLR und weiterer ruandischer Zivilisten in Shario Ende April 2009 handelte und dem Angriff Drohungen der FDLR vorausgingen. Auch erfolgte nach ihren Erkenntnissen der Angriff auf Busurungi ebenfalls unter Beteiligung der Reservebrigade, einer Sondereinheit dieser Reservebrigade, einer CRAP-Einheit und Leuten von FDLR-Einheiten, die vorher in der Gegend stationiert gewesen waren. Ähnlich wie die Zeugin VW. bezeichnete der Zeuge den Angriff auf Busurungi gleichfalls als einen der gewalttätigsten Angriffe der FDLR, die die Expertengruppe dokumentieren konnte. So erhielt nach seinen Angaben auch die UN-Expertengruppe Informationen über zahlreiche beim Angriff durch die FDLR getötete Zivilisten und niedergebrannte Häuser. Im Bericht der UN-Expertengruppe vom 23. November 2009 heißt es hierzu, dass der Angriff der FDLR auf Busurungi zu mindestens 60 getöteten Zivilisten, größtenteils Frauen und Kindern, geführt habe und es glaubhafte Schätzungen von bis zu 96 getöteten Zivilisten gebe, wobei hier die Opfer nicht mitgerechnet seien, die lebendig in ihren Häusern verbrannt und deren Leichen nicht gefunden worden seien. Auch wurden danach laut den Aussagen von Überlebenden durch Angehörige der FDLR gezielte Tötungen ausgeführt und Häuser systematisch bis auf die Grundmauern niedergebrannt.
Dabei zeigten die Ausführungen der beiden UN-Zeugen, dass sich die von der Expertengruppe gewonnenen Erkenntnisse ebenfalls auf eine Vielzahl unterschiedlicher Quellen stützten. So wurden von den UN-Experten hierzu mindestens 15 Personen, nämlich kongolesische Augenzeugen, FDLR-Kämpfer, militärische und zivile Führer aus der Region, ein Arzt sowie Menschenrechtsaktivisten, befragt und ein Bericht des Menschenrechtsbüros der UN ausgewertet.
(aa)
Nach den Angaben des Zeugen 4D.M. bestätigten vor allem die von den UN-Experten interviewten ehemaligen FDLR-Kämpfer den Charakter des Angriffs der FDLR auf die Siedlung Busurungi als eine Vergeltungsaktion auf das Vorgehen der FARDC in Shario. So habe eine am 28. Juni in Mutobo interviewte Gruppe von FDLR-Kämpfern geschildert, die FDLR-Attacke in Busurungi sei ebenso wie in Mianga ein Vergeltungsangriff der FDLR auf die Tötung von Menschen durch die FARDC gewesen, Befehlshaber des Angriffs seien 12K., V. und 3F. gewesen. Dass es sich bei der Operation in Busurungi um einen Vergeltungsangriff der FDLR gehandelt habe, habe auch ein am gleichen Tag interviewter FDLR-Korporal berichtet, der selbst in Busurungi gekämpft habe. Er habe davon gesprochen, dass bei dem Angriff 12K. oberster Befehlshaber gewesen sei, 3F. die Führung vor Ort gehabt habe und dort getötet worden sei. Von einer unter dem Kommando von Oberstleutnant 12K. erfolgten und durch die Reservebrigade durchgeführten Vergeltungsaktion für Shario habe zudem ein FDLR-Hauptmann am 6. September 2009 berichtet. Nach dessen Aussage habe der Befehl für die Operation gelautet „greift diejenigen an, die unsere Bevölkerung in Shario angegriffen haben“. Ein weiterer in Busurungi am Kampf beteiligter FDLR-Hauptmann habe am 22. Juli 2009 geschildert, dass in Shario durch die FARDC zusammen mit den Mai-Mai 93 Zivilisten durch Schüsse und Macheten getötet worden seien und der daraufhin erfolgte Angriff der FDLR auf Busurungi um 2:00 Uhr morgens am 10. Mai 2009 begonnen habe, Häuser von Zivilisten dabei niedergebrannt sowie Zivilisten getötet worden seien. Einer der befragten FDLR-Kämpfer habe darüber hinaus angegeben, in Shario seien den angegriffenen Personen Hände abgehackt worden. Es habe die Anweisung gegeben, ähnliche Repressalien auszuführen, wie sie dort in Shario erfolgt seien. Des Weiteren habe auch ein Mai-Mai-Kommandant, der am 10. Mai 2009 nach Busurungi gekommen sei, davon gesprochen, dass es sich beim Angriff der FDLR um eine Vergeltungsaktion für Shario gehandelt habe.
Bestätigt wurde ein Vergeltungsangriff der FDLR nach Angaben des Zeugen 1C.G. zusätzlich durch einen im Jahr 2008 vom CNDP zwangsrekrutierten ehemaligen FDLR-Kämpfer. Dieser habe berichtet, die an ruandischen Flüchtlinge in Shario verübten Verbrechen durch kurz zuvor in die FARDC integrierte CNDP-Truppen selbst mitbekommen zu haben. Auch hätten ihm andere FARDC-Soldaten gesagt, dass es sich bei der Attacke auf Busurungi um eine Vergeltungsmaßnahme der FDLR gehandelt habe und diese mit ähnlicher Gewalt wie der Angriff der FARDC auf Shario durchgeführt worden sei. Die kongolesischen Soldaten seien nicht genügend ausgerüstet gewesen, um einem solchen Angriff standzuhalten und deshalb einfach geflohen.
(bb)
Dass es Drohbotschaften und Warnungen der FDLR im Vorfeld des Angriffs auf Busurungi gegeben habe, berichteten nach den Angaben der UN-Zeugen ein Beamter in der Nähe von Hombo, eine Gruppe geflüchteter Zivilisten aus Busurungi sowie ein männlicher Überlebender des Angriffs. So bekundete nach den Ausführungen des Zeugen 4D.M. der zivile Beamte aus dem Gebiet von Hombo, die FDLR habe seit der Stationierung der kongolesischen Armee mehrfach Drohungen auch gegenüber der Bevölkerung von Busurungi ausgesprochen. Aus Busurungi in Richtung Remeka geflohene Zivilisten hätten die Abfolge der Ereignisse, nämlich das Vorausgehen von Drohbriefen und das Nachfolgen von FDLR-Angriffen bestätigt. Dass es Warnungen der FDLR an die Bevölkerung, wenn auch nicht in Form von Drohbriefen, im Vorfeld des Angriffs auf Busurungi gegeben und die FARDC die Bevölkerung trotzdem zum Bleiben aufgefordert habe, schilderte nach Angaben des Zeugen 1C.G. darüber hinaus ein ehemaliger Bewohner von Busurungi, den er in Bukavu interviewt hatte. Dieser habe angegeben, dass im März 2009 die verstümmelten Genitalien eines enthaupteten Bewohners von Busurungi an einem Baum am Eingang des Dorfes als Botschaft für die Bevölkerung aufgehängt worden seien. Auch seien am 28. April 2009 drei Frauen auf einem Feld bei Busurungi vergewaltigt und durch Aufschlitzen der Kehle getötet worden, was die Bevölkerung ebenfalls als eine Warnung der FDLR verstanden habe. Wie im Bericht von HRW aufgeführt, bekundeten auch von HRW befragte Personen aus Busurungi sowie ein lokaler Entscheidungsträger, dass am 28. April 2009 durch die FDLR außerhalb von Busurungi drei Frauen vergewaltigt und getötet worden seien. Von drei im Vorfeld des Angriffs der FDLR vergewaltigten und getöteten Frauen wusste auch die Zeugin Z 1.
(cc)
An die Aussagen einzelner befragter Personen, die Angaben zum Geschehen in Busurungi in der Angriffsnacht und hierbei verübten Übergriffen auf die Zivilbevölkerung gemacht hatten, erinnerte sich insbesondere der Zeuge 1C.G., der zum Geschehen in der Siedlung sechs Zeugen selbst befragt hatte. Dabei berichtete er viele Details, die ihm die von ihm interviewten Personen mitgeteilt hatten und die zu den Angaben der Zeugin VW. passten.
So schilderte 1C.G., eine Gruppe von Flüchtlingen aus Busurungi habe angegeben, dass bei dem Angriff der FDLR am 9./10. Mai 2009 nicht zwischen Zivilisten und militärischen Zielen unterschieden worden sei. Der Angriff der FDLR sei sehr früh am Tag und aus drei unterschiedlichen Richtungen erfolgt. Die Stellungen der FARDC seien sehr nahe beim Dorf Busurungi gewesen, was dazu geführt habe, dass die Soldaten und Zivilisten Ziel des Angriffs gewesen seien. Die Abwehr der FARDC sei schwach gewesen. Die durch den Angriff überraschten Soldaten hätten nicht lange gekämpft, sich zurückgezogen und der FDLR ermöglicht, sich deren Waffen zu sichern. Von Anfang an seien auch Zivilisten angegriffen worden. Auch hatten ihm darüber hinaus zwei Überlebende des Angriffs, nämlich ein 40- jähriger sowie ein 20- bis 30-jähriger Mann aus Busurungi bei Interviews im Juli oder August 2009 in Bukavu von Attacken der Angreifer gegen Zivilisten berichtet. Dabei habe einer der Zeugen ausdrücklich bestätigt, dass sie die Angreifer als FDLR-Kämpfer erkannt hätten, denn diese hätten Kinyarwanda gesprochen und nach der kongolesischen Armee Ausschau gehalten. Der andere Zeuge habe zu den Vorgängen in der Nacht angegeben, die FDLR sei ins Dorf gegangen, habe dieses überfallen und ausgeplündert. Als die Kämpfe zu Ende gewesen seien, sei eine Gruppe von Frauen in den Wald gebracht und hingerichtet worden. Es sei gesagt worden, dies seien Frauen von Soldaten der FARDC gewesen. Bis den Überlebenden das ganze Ausmaß des Angriffs bekannt gewesen sei, habe es mehrere Tage gedauert, da die Leichen verstreut gewesen seien.
Auf Nachfrage teilte er zu den Angaben der Zeugen zusätzlich mit, der 40-jährige Augenzeuge habe beschrieben, dass der Angriff um 1:00 Uhr begonnen, mehrere Stunden gedauert habe und die Präsenz der FARDC an diesem Tag schwächer als üblich gewesen sei, da einige Soldaten abwesend gewesen seien, um ihren Sold abzuholen. Nach 15 bis 20 Minuten habe sich die FARDC zurückgezogen und die FDLR begonnen, Zivilisten anzugreifen. Es sei ein Chaos ausgebrochen und die Bevölkerung habe versucht, in alle Richtungen zu fliehen. Die FDLR-Angreifer seien von Tür zu Tür gegangen, hätten geklopft und begonnen, die Dorfbewohner umzubringen. Er selbst habe sich in einem Loch totgestellt, nachdem die Angreifer nach seinem Eindruck zuvor drei bis viermal auf ihn geschossen hätten. Nach dem Angriff habe er festgestellt, dass seine Tochter mit einer Machete getötet worden sei. Etliche Dorfbewohner seien erschossen, andere mit Macheten und Messern getötet worden. In manchen Fällen seien die Türen durch die Bewohner versperrt worden. Diese Häuser seien dann einfach in Brand gesetzt worden. So sei das Haus seiner Nachbarn mit einer Mutter und fünf Kindern sowie ein weiteres Haus neben ihm, in dem ein Vater mit seinen sechs Kindern gewesen sei, in Brand gesetzt worden. Darüber hinaus sei auch sein eigenes, zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits verlassenes Haus angezündet worden. Der von ihm interviewte 20- bis 30-jährige Augenzeuge habe angegeben, von dem Angriff im Schlaf überrascht worden zu sein und von einem FARDC-Angehörigen mitgeteilt bekommen zu haben, dass sie knapp an Munition seien und die Bevölkerung nicht schützen könnten. Daraufhin habe seine ganze Familie versucht, schnell in den Wald zu fliehen. Beim Wegrennen habe er gehört, wie die Angreifer gesungen und geschrien hätten, es sei völlig überflüssig, wegzulaufen, die FDLR würde sie sowieso finden. Die anderen Bewohner in dem ganzen Groupement würden genauso behandelt. Dieser Augenzeuge habe bei dem Angriff seine ganze Familie verloren und berichtet, bei dem Angriff auf die Siedlung seien insgesamt mehr als 90 Personen getötet worden. Ähnliche Informationen zum Verlauf des Angriffs hätten sie von der Menschenrechtsabteilung der MONUC erhalten, diese aber nicht näher überprüfen können. Darüber hinaus habe ein von ihm befragter noch aktiver FDLR-Kämpfer bestätigt, dass in Busurungi auch Zivilisten Zielscheibe des Angriffs gewesen seien.
Zu der im Bericht der Expertengruppe vom 23. November 2009 genannten Zahl an getöteten Zivilisten gab der Zeuge 4D.M., der die Ermittlungen insoweit im Wesentlichen überwacht hatte, an, dass die UN-Expertengruppe bestätigende Informationen und Zahlen über beim Angriff getötete Zivilisten von einer ganzen Reihe von Quellen erhalten habe. Grundlage ihrer Feststellungen sei zunächst der von ihnen ausgewertete UN-Bericht gewesen. Informationen über getötete Zivilisten hätten sie aber auch von militärischen und zivilen Führer, die sie im Nordosten von Bunyakiri befragt hätten, sowie einem Arzt und einigen Menschenrechtsaktivisten, die unabhängig von ihnen selbst Erkundigungen hierzu gemacht hätten, erhalten. Wie sich aus den Angaben des Zeugen ergab, wurden den UN-Experten dabei auch höhere Zahlen als die im Bericht der UN-Expertengruppe angegebene Zahl von 60 getöteten Zivilisten genannt. So hatten nach den Ausführungen des Zeugen 4D.M. die aus Busurungi geflüchteten und interviewten Zivilisten von 70 beim Angriff auf Busurungi getöteten Zivilisten und 92 FARDC-Soldaten berichtet und ebenfalls angegeben, dass die FDLR Fliehende mit Macheten angegriffen und auf sie geschossen sowie Häuser niedergebrannt habe. Angaben dahingehend, dass beim Angriff 90 Personen, davon 74 Zivilisten getötet worden seien, hatte darüber hinaus der zivile Beamte aus der Nähe von Hombo gemacht, der auch über Drohungen der FDLR vor dem Angriff berichtet hatte. Über Zahlen von 90 bis 100 Toten, darunter 22 Soldaten der FARDC und im Übrigen Zivilisten, die sich aus Aussagen der von ihnen befragten Personen ergeben hätten, berichtete zudem der Zeuge 1C.G..
(b) Angaben des Zeugen 3B.
Dass die Informationen, die er durch Interviews mit ehemaligen FDLR-Kämpfern und aus Menschenrechtsberichten der UN erhielt, ebenfalls einen Rache- bzw. Bestrafungsangriff der FDLR in Busurungi am 9./10. Mai 2009, bei dem Zivilisten getötet und Häuser niedergebrannt wurden, bestätigten, berichtete zudem glaubhaft der Zeuge 3B.. Er gab an, im Durchgangslager in der DR Kongo acht bis neun FDLR-Kämpfer, die kurz zuvor die FDLR verlassen hatten, hierzu befragt zu haben und zwar Soldaten höherer Ränge sowie solche, die in Busurungi selbst gekämpft hatten. Dabei zeigten seine Ausführungen, dass deren Schilderungen den Angaben der ehemaligen FDLR-Angehörigen in der Hauptverhandlung sowie gegenüber den UN-Experten zu den Gründen des Angriffs, den daran beteiligten Einheiten und Kommandeuren glichen.
So berichtete er ebenfalls, die von ihm befragten ehemaligen FDLR-Kämpfer hätten angegeben, dass es sich bei dem Angriff auf Busurungi um einen Vergeltungsschlag der FDLR für einen Angriff der FARDC auf Shario am 27. April 2009 gehandelt habe, bei dem insbesondere ehemalige CNDP-Kämpfer versucht hätten, das Quartier der Reservebrigade einzunehmen, dann aber vor allem Familienangehörige der FDLR-Kämpfer angetroffen und getötet hätten. Ein Teil der von ihm befragten Personen habe berichtet, der Befehl zum Angriff habe gelautet, die Taten von Shario zu rächen und die FARDC aus Busurungi hinauszujagen. Die Kämpfer mit höheren Rängen hätten darüber hinaus angegeben, es sei nicht nur um Rache für die getöteten Familienmitglieder der FDLR-Soldaten gegangen, sondern auch um eine Bestrafung der in Busurungi lebenden Tembo wegen ihres Verrats an der FDLR. Der Angriff sei auch nach seinen Informationen von S.M. befohlen worden, an den Kommandanten der Reservebrigade 12K. gegangen, vom Stab des Bataillons Zodiaque geplant und vor allem von Kämpfern des Bataillons Zodiaque durchgeführt worden. Zum Angriff selbst hätten die FDLR-Kämpfer berichtet, dass sie Busurungi am frühen Morgen von verschiedenen Stellen aus angegriffen, die FARDC-Stellungen schnell überrannt hätten und die kongolesischen Soldaten weggelaufen seien. Einige der FDLR-Kämpfer hätten ihm eine Liste der erbeuteten Waffen gegeben. Manche hätten zudem davon gesprochen, dass dort vielleicht Zivilisten getötet worden seien, ihr Ziel aber die FARDC gewesen sei. Andere hätten nur von getöteten FARDC-Soldaten gesprochen. Ein Offizier, der einen Zug des Bataillons Zodiaque befehligt habe, habe geschildert, dass in Busurungi 45 Soldaten und 15 Zivilisten getötet worden seien und unter anderem die Spezialkompanie unter V. dort gekämpft habe. Aus dem Bericht der gemeinsamen Bewertungsmission des DDRRR und der Menschenrechtsabteilung habe er die Information, dass dort mehrere Dutzend Zivilisten getötet worden seien. Er habe zahlreiche Bilder von Busurungi gesehen. Viele Hütten und Häuser in Busurungi seien niedergebrannt worden.
(c) Bericht des Gemeinsamen Büros der Vereinten Nationen für Menschenrechte vom 30. Mai 2009
Gestützt werden die Angaben der UN-Zeugen und der Zeugin VW. über erfolgte Übergriffe der FDLR auf Zivilisten während des Angriffs auf Busurungi zusätzlich durch die Feststellungen in dem vom Zeugen 3B. übergebenen und in der Hauptverhandlung verlesenen Bericht des gemeinsamen Büros der Vereinten Nationen für Menschenrechte über die Mission in Hombo vom 12. bis 15. Mai 2009. Als Ergebnis der im Rahmen der Mission durchgeführten Zeugenbefragungen wird dort ausgeführt, dass die FDLR bei ihrem um 1:30 Uhr in der Nacht vom 9. auf den 10. Mai 2009 erfolgten und bis in den Morgen des 10. Mai 2009 andauernden Angriff auf das Dorf Busurungi Positionen der FARDC und danach die Zivilbevölkerung angegriffen habe. Die FDLR-Leute seien mit Gewehren, Macheten und Stöcken bewaffnet von Haus zu Haus gegangen und Zivilisten durch Gewehrkugeln, Macheten und Messer getötet worden. Andere Opfer seien in ihren Häusern verbrannt. Die Zahl der Opfer sei noch nicht bestätigt, nach Zeugenaussagen seien aber rund 60 Zivilisten und 35 Militärpersonen umgekommen. Beim Angriff sei ein Kapitän der FDLR namens JV. am Ort des Verbrechens gewesen. Auch hätten die Quellen berichtet, dass Familienangehörige der FDLR an dem Massaker an der Zivilbevölkerung von Busurungi beteiligt gewesen seien. Manche Angreifer hätten Kinyarwanda und andere Suaheli gesprochen und während des Angriffs auf Suaheli gesagt „Ihr habt etwas angefangen, was euch nicht gelingt. Heute haben wir Busurungi abgefackelt und wir werden Hombo und Bulambika angreifen bis Malembe und euch bis Tingitingi jagen“. Mehrere Quellen hätten bestätigt, dass die FDLR nach dem Angriff in der Ortschaft Busurungi gefeiert und dabei gesungen habe: „Es nützt nichts zu fliehen, wohin ihr auch geht, die FDLR folgt euch“. Beispielhaft werden im Bericht Aussagen einzelner Überlebenden des Angriffs aufgeführt, die konkret die ihnen bekannten getöteten Zivilisten benannten. Auch wird von Zeugen berichtet, die Orte von Sammelgräbern sowie die Personen, die dort beerdigt wurden, benennen konnten.
Wie im UN-Bericht des Weiteren ausgeführt, ergaben auch die Ermittlungen der UN-Gruppe, dass in Busurungi systematisch Häuser in Brand gesetzt und Schulen zerstört wurden. So bestätigten danach Zeugen, dass über 500 Häuser in Busurungi angezündet und mehrere Schulen zerstört wurden wie zum Beispiel die Volksschule, die höhere Schule von Busurungi und die Volksschule von Bunyamwassa. Zudem wird von mehreren Zeugenberichten über Plünderungen bei der Bevölkerung während des Angriffs vom 9./10. Mai 2009 berichtet. So wurde von Opfern der Verlust von Matratzen, Decken, Töpfen, Tellern, Kleidungsstücken, Geld, Werkzeug, Nähmaschinen und Ziegen sowie die Plünderung von Medikamenten bei der Ambulanz des Roten Kreuzes und einer weiteren Gesundheitseinrichtung von Busurungi durch FDLR-Soldaten geschildert. Passend zu den Angaben des Zeugen 1C.G. über Vorwarnungen der FDLR vor dem Angriff vom 9./10. Mai 2009 werden darüber hinaus im UN-Bericht ebenfalls Zeugenaussagen erwähnt, nach denen im März 2009 das Geschlechtsteil eines durch die FDLR getöteten 20-jährigen Bewohners von Busurungi als Botschaft dafür, dass die FDLR der Verwaltung die Stirn bieten könne, an einem Baum befestigt wurde, und am 28. April 2009 durch die FDLR drei Frauen aus Busurungi, die aufs Feld gingen, vergewaltigt und getötet wurden.
(5) Angaben der Zeugen Z 1, Z 2 und Z 3
Belegt werden ein Angriff der FDLR am 9./10. Mai 2009 auf die Siedlung Busurungi sowie das festgestellte Vorgehen der FDLR gegen Zivilisten und insbesondere auch gegen die Eheleute Z 1 und Z 2 darüber hinaus durch deren Angaben sowie diejenigen ihres Sohnes Z 3.
(a) Angaben der Zeugen Z 1 und Z 2
Die Zeugen Z 1 und Z 2 berichteten, bis zum Angriff der FDLR im Mai 2009 zusammen mit ihren Kindern in Busurungi gelebt und den Überfall auf die Siedlung selbst miterlebt zu haben. Eng verwoben mit eigenen Empfindungen und unter Angabe vieler Randdetails schilderten beide Zeugen im Einklang miteinander ihre eigenen Erlebnisse in der Tatnacht, die Reaktionen der anderen Familienangehörigen und die anschließenden Ereignisse. Dabei waren bei ihren Ausführungen ihre emotionale Betroffenheit über das berichtete Geschehen sowie ihr immer noch vorhandener Leidensdruck deutlich spürbar. Wie stark die Erinnerung an die Ereignisse in der Angriffsnacht insbesondere die Zeugin Z 1 belastete und aufwühlte, zeigte sich unter anderem daran, dass sie immer wieder Pausen brauchte, um sich zu sammeln und ihre Aussage fortsetzen zu können. Beide Zeugen hatten ersichtlich Ortskenntnis, berichteten nachvollziehbar und schlüssig über das Leben der Bewohner von Busurungi bis zur Angriffsnacht sowie deren Verhältnis zur FDLR und machten plausible Angaben dazu, warum sie in der Lage waren, die Angreifer als FDLR-Kämpfer zu identifizieren. Auch passten ihre Ausführungen zu den Erkenntnissen von HRW und der UN sowie den Ausführungen des Zeugen Z 3. Anhaltspunkte dafür, dass sie bewusst die Unwahrheit gesagt oder ihre Aussagen gegenseitig abgesprochen haben könnten, ergaben sich für den Senat nicht.
Übereinstimmend schilderten die Zeugen Z 1 und Z 2, dass der von ihnen erlebte Überfall auf die Siedlung Busurungi in der Nacht vom 9. auf den 10. Mai, nämlich von Samstag auf Sonntag, stattgefunden habe, die Angreifer Kinyarwanda gesprochen und es sich bei diesen um Soldaten der FDLR bzw. der Interahamwe gehandelt habe. Zur Frage von deren Identifikation führten auch sie aus, die FDLR-Leute zu kennen, weil sie lange Zeit mit ihnen zusammengelebt hätten und es vielfältige Kontakte der Bevölkerung mit ihnen gegeben habe.
(aa)
Im Einzelnen berichtete die Zeugin Z 1, dass sie gegen 1:00 Uhr nachts Schüsse gehört habe, woraufhin ihr Mann sofort mit einigen Kindern geflohen sei. Es sei so viel geschossen worden, dass sie selbst nicht mehr aus dem Haus habe fliehen können und mit drei der Kinder dort zurückgeblieben sei. Dann seien zwei bewaffnete FDLR- Soldaten in ihr Haus eingedrungen, hätten die Tür zugemacht, sie aufgefordert, ihnen Geld zu geben und ihr gedroht, sie zu töten. Nachdem sie deren Aufforderung nachgekommen sei, hätten sie das ganze Hab und Gut, das sich im Haus befunden habe, nämlich Kleider, die Sachen zum Schlafen, zum Kochen und alles was zum Haushalt gehört habe, eingesammelt und sogar ihre Tücher weggenommen, um die Sachen darin einwickeln zu können. Als sie alles Geld und alle Sachen gehabt hätten, seien sich die Soldaten uneins gewesen, ob sie sie jetzt noch töten sollten. Dann habe sie einen Schlag auf den Hinterkopf mit einer Machete bekommen. Die Soldaten hätten auf den Hals gezielt, aber den Kopf getroffen. Sie habe geblutet und die Soldaten hätten wohl gedacht, sie sei tot, und seien weggegangen. Sie habe noch mitbekommen, wie die Kinder von den Soldaten geohrfeigt worden seien, sei dann aber bewusstlos geworden und erst wieder in einem Krankenhaus in Goma aufgewacht. Die Krankenhausbehandlung habe insgesamt drei Monate gedauert. Um zu zeigen, dass die durch den Machetenhieb erlittene Verletzung an ihrem Hinterkopf immer noch sichtbar ist, nahm die Zeugin von sich aus ihr Kopftuch während der Vernehmung ab. Die Dolmetscherin fuhr den Verlauf der Narbe für den Senat deutlich sichtbar mit dem Finger nach. Plastisch beschrieb die Zeugin, wie sie noch heute in Form von häufig auftretenden, starken, über Stunden andauernden Kopfschmerzen unter den Folgen des Machentenhiebs leide. Dass sie unter Kopfschmerzattacken litt, zeigte sich auch während ihrer Vernehmungen in der Hauptverhandlung. Zudem machten ihre Ausführungen klar, welch einschneidende Folgen die Entwurzelung und der Verlust ihres ganzen Hab und Guts für die Familie hatte. So beschrieb sie, die Tatsache, dass ihnen alles genommen worden sei, habe insbesondere ihren Mann „kaputt“ gemacht.
Dabei zeigten die Angaben der Zeugin, dass sie nur eine von mehreren Personen war, die in der Angriffsnacht attackiert worden waren. Hierzu berichtete sie, im Krankenhaus andere verletzte Bewohner von Busurungi getroffen zu haben, denen in der Nacht vom 9./10. Mai 2009 Ähnliches wie ihr selbst durch die „Interahamwe“ widerfahren sei. Einer Person sei die Brust abgetrennt, einer älteren Dame sowie einem Kind der Arm bzw. das Ohr abgeschnitten worden. Auch sei auf weitere Personen eingehackt worden. Geflüchtete Dorfbewohner hätten ihr darüber hinaus erzählt, dass die Schwester ihres Mannes in der Nacht vom 9. auf den 10. Mai 2009 im Haus verbrannt worden sei. Aufgrund deren Erzählungen wisse sie auch, dass das ganze Dorf überfallen und alle Häuser in Brand gesetzt worden. Sie selbst habe von ihrem Haus aus das gegenüberliegende Haus brennen sehen. Die in Busurungi befindlichen FARDC-Soldaten seien mit den Angreifern nicht fertig geworden, manche seien getötet worden, manche geflohen.
(bb)
In Übereinstimmung mit den Ausführungen der Zeugin Z 1 berichtete auch der Zeuge Z 2 von den nächtlichen Schüssen und seiner Flucht aus dem Haus. Er gab an, von seinem Versteck im Wald viele Feuer gesehen und viele Schüsse mitbekommen zu haben. Viele Häuser seien in Brand gesetzt worden. Die Angreifer hätten verschiedene Gewehre, Macheten, Stöcke und Hacken gehabt. Nachdem die Kämpfe zu Ende gewesen und die kongolesische Armee und die Bevölkerung weggelaufen seien, habe die FDLR mit Trümmern als Zeichen ihres Sieges Musik gemacht und gefeiert. Er habe ihre Fröhlichkeit von seinem Versteck aus gehört. Sie hätten irgendwie gejodelt, als sie gewonnen hätten. So gegen 6:30 Uhr am nächsten Morgen, als die Feinde Weg gewesen seien, sei er zu seinem Haus zurückgekehrt. Dort habe er seine Frau von einer Machete am Kopf verletzt in einem schrecklichen Zustand vorgefunden und zunächst gedacht, sie sei tot. In der Klinik habe sie einen Monat lang ihr Bewusstsein nicht wiedererlangt. Auch sei das Haus völlig leer und all ihr Hab und Gut wie beispielweise Küchenartikel, Matratzen, Decken, Bekleidung und Arbeitsgeräte Weg gewesen. Seine drei 6 ½-, 9- und 10-jährigen Kinder, die er bei seiner Flucht im Haus zurückgelassen habe, seien ungefähr 1 ½ Stunden später in einem schlechten Zustand zurückgekehrt. Sie hätten ihm berichtet, dass zwei FDLR-Soldaten ins Haus gekommen seien, die Mutter nach Geld gefragt und ihr gedroht hätten, dass sie sie ansonsten töteten. Nachdem sie das Geld gegeben habe, habe einer eine Machete geholt und mit dieser der Mutter auf den Kopf gehauen. So habe ihm dies später auch seine Frau erzählt. Dann hätten die Soldaten die Kinder zu einem Ort mitgenommen, an dem sie getötet werden sollten. Seinen Kindern sei es aber gelungen, noch rechtzeitig zu entkommen.
Auch seine Aussage zeigte, dass im Rahmen des Angriffs der FDLR viele Zivilisten getötet und Häuser niedergebrannt wurden. So gab der Zeuge an, nach seiner Rückkehr in die Siedlung viele Leichen gesehen zu haben. Unter den Toten seien Frauen und Kinder gewesen. Manche seien in den Häusern verbrannt, manche seien zerstückelt gewesen. Von seiner Familie seien fünf Personen gestorben. Sein jüngerer Bruder sei an den Armen gefesselt von Macheten zerstückelt, seine Tante erschlagen und ein Onkel und dessen Kind erschossen worden. Einem seiner Brüder und zwei weiteren Personen sei die Kehle durchgeschnitten worden. Er habe alle Arten von Leichen gesehen. Manchen sei ein Stock in den After gesteckt worden. Auch habe er Leichen gesehen, die enthauptet gewesen seien. Nach seiner Kenntnis seien 119 Dorfbewohner bei dem Angriff gestorben. Jeder habe seine getöteten Angehörigen gezählt, den anderen berichtet und am Schluss habe man alle Leute zusammengezählt. In Busurungi seien darüber hinaus viele FARDC-Soldaten gestorben. Die Leichen von FARDC-Soldaten sowie die von ein paar ihrer Frauen habe er selbst gesehen. Die kongolesischen Soldaten hätten in Busurungi kein eigenes Lager gehabt, sondern die Häuser der Bürger genommen und mit diesen zusammengelebt. Auch sei das ganze Dorf in Brand gesetzt worden. Das einzige Haus, das nicht gebrannt habe, sei das Haus gewesen, in dem seine Frau mit der Machete geschlagen worden sei. Alle anderen Häuser seien zerstört gewesen, auch Schulen und Kirchen. Dass er noch immer unter den einschneidenden Folgen des Angriffs litt und seiner Lebensgrundlagen beraubt war, wurde auch aus seinen Angaben sehr deutlich. So schilderte er, dass sie jetzt in einem kleinen Strohhaus wie Tiere lebten und nicht wüssten, wohin sie gehen sollten. Sein Fischteich und seine Felder seien zerstört, seine Kinder könnten nicht zur Schule gehen. Seine Frau sei krank.
(b) Angaben des Zeugen Z 3
Der nach Angaben des Zeugenbeistands etwa 30-jährige Zeuge Z 3 berichtete, den Angriff in Busurungi zwar nicht selbst erlebt zu haben, aber aus Erzählungen seiner Eltern Z 1 und Z 2 sowie von anderen Leuten, die den Angriff überlebt hätten, davon zu wissen. Auch nach seinen Informationen hatte die FDLR in der Nacht vom 9. auf den 10. Mai 2009 ungefähr zwischen 1:00 Uhr und 4:00 Uhr morgens den Angriff auf die Siedlung Busurungi durchgeführt, hierbei Lager der FARDC angegriffen, FARDC-Soldaten sowie Zivilisten getötet und Häuser niedergebrannt. Er bestätigte ebenfalls, dass fast alle Häuser von Busurungi, auch öffentliche Einrichtungen, angezündet worden seien, die FDLR mit Macheten und Messern gekommen sei und die Leute damit geschlagen, erstochen und zerstückelt habe. Die Leute hätten „richtig gelitten“ und seien gestorben. Auch seien Waffen und Stöcke sowie kleine Schwerter und Beile eingesetzt worden. Eine entsprechende Bewaffnung habe er selbst früher bei der FDLR gesehen. Sein Vater und alle anderen, die den Angriff überlebt hätten, hätten ihm berichtet, dass die Angreifer viel geschrien hätten, als sie die Leute getötet und die Häuser angezündet hätten. Sie hätten sich gerühmt wegen ihrer schlechten Aktionen und nach dem Überfall gefeiert, weil sie viele Leute getötet hätten.
Auch nach seinen Informationen waren viele Zivilisten in der Angriffsnacht getötet worden. So berichtete er, dass es nach den Schilderungen der Überlebenden über 100 getötete Zivilisten gegeben habe und darunter viele Leute aus seinem weiteren Familienkreis gewesen seien. Aus der engeren Familie habe er seinen Großvater und dessen Sohn, das Kind seiner Tante und einen engen Freund seines Großvaters verloren. Auch konnte sich der Zeuge noch an einige Namen von Nachbarn seiner Familie erinnern, die bei dem Angriff umgekommen waren, so zum Beispiel an die Frau und zwei Kinder des 1V.M., einen 5K., einen 2L. sowie die Ehefrau des 2H., die gemeinsam mit ihren Kindern in einem angezündeten Haus gestorben sei. Auch wusste er von einer Liste, die vom „chef de localité“ von Busurungi über die Toten erstellt und an den Gouverneur von Nord-Kivu übergeben worden sei, in der von 119 Toten die Rede gewesen sei. Nach seinen Angaben waren ihm im Übrigen die Vorgänge in der Angriffsnacht, soweit diese seine Eltern Z 1 und Z 2 und seine jüngeren Geschwister betrafen, so berichtet worden, wie dies auch die Zeugen Z 1 und Z 2 in der Hauptverhandlung geschildert hatten. Auch passten seine eigenen in diesem Zusammenhang gemachten Wahrnehmungen zu deren Aussagen. So schilderte er, von der Verletzung seiner Mutter erstmals über eine am Sitz der MONUC in Goma über die Verletzten von Busurungi veröffentlichte Liste erfahren zu haben und seine Mutter dann in einem Krankenhaus in Goma schwer verletzt vorgefunden zu haben, wohin sie mit anderen Verletzten in einem Hubschrauber der MONUC transportiert worden sei. Auch er berichtete von einem mehrmonatigen Krankenhausaufenthalt seiner Mutter. Wie er des Weiteren schilderte, hatten sie in Goma ebenfalls bereits vor dem Angriff auf Busurungi am 9./10. Mai 2009 viele Nachrichten über Verbrechen der FDLR, nämlich Tötungen und Vergewaltigungen von Dorfbewohnern, erhalten. Teilweise hatte er die Namen der getöteten Personen, wie zum Beispiel die von 1B., der zwei Frauen 1T. und 4T. oder des am 28. April 2009 getöteten 14-jährigen Mädchens 2F. in seinem Notizbuch vermerkt.
(6) Angaben des Zeugen MW.K.
Dass ein Racheangriff der FDLR auf die Siedlung Busurungi am 9./10. Mai 2009 als Reaktion auf die Tötung von Flüchtlingen in Shario erfolgt war, wird auch durch die Angaben des im Rahmen des DDRRR-Programms und für Nichtregierungsorganisationen tätigen kongolesischen Zeugen MW.K. in seiner vom 23. bis 25. September 2009 erfolgten polizeilichen Vernehmung bestätigt, über deren Inhalt die Zeugen KHK P. und KOKín D. übereinstimmend berichteten. Danach hatte der Zeuge geschildert, bereits vor dem Angriff auf Busurungi von einem FDLR-Offizier erfahren zu haben, dass in der FDLR angeordnet worden sei, für die Tötung von Flüchtlingen in Shario Rache zu nehmen und dabei genauso viele Personen zu töten wie Flüchtlinge getötet worden seien. Der Befehl sei von S.M. gekommen. Er habe diese Angaben zunächst nicht ernst genommen. Dann aber sei Busurungi angegriffen worden. Nach Angriffen der FARDC habe es immer Vergeltungsschläge der FDLR gegeben.
bb) Vorwurf von Vergewaltigungen während des Angriffs am 9./10. Mai 2009
Soweit in der Anklage der Vorwurf erhoben wird, in Busurungi sei am 9./10. Mai 2009 auch eine nicht bezifferbare Vielzahl von Frauen durch die FDLR gegen ihren Willen zum Geschlechtsverkehr gezwungen worden, unter anderem Frau 13N., Frau 8M. und Frau 4B., ergab sich hierfür aufgrund der Beweisaufnahme kein ausreichender Nachweis. Erkenntnisse dahingehend, dass Frauen in der Angriffsnacht vergewaltigt worden wären, hatten weder die UN-Experten aufgrund ihrer Untersuchungen gewonnen, noch ergaben sich solche aus dem Bericht des gemeinsamen Büros der Vereinten Nationen für Menschenrechte aufgrund deren Mission vom 12. bis 15. Mai 2009. Von Vergewaltigungen durch FDLR-Kämpfer in der Nacht vom 9./10. Mai 2009 wussten zudem weder die Zeugen Z 2 und Z 3, noch berichtete die Zeugin Z 1 hiervon. Dahingehende belastbare Erkenntnisse hatten, wie die Angaben der Zeugin VW. zeigten, auch die Recherchen von HRW nicht ergeben. So hatte die Nichtregierungsorganisation zwar von einigen Zeugen Informationen über teilweise entkleidete Frauenleichen und nicht näher spezifizierte Vergewaltigungen erhalten, keiner der von HRW befragten Personen hatte aber berichtet, selbst Zeuge einer Vergewaltigung gewesen zu sein.
Ausreichend sicher festgestellt werden konnten durch die FDLR verübte Vergewaltigungen in der Nacht vom 9./10. Mai 2009 im Rahmen einer Gesamtschau auch nicht aufgrund der als Zeuge vom Hörensagen gemachten Angaben des Zeugen 2MM.. So berichtete der Zeuge zwar davon, Ende Januar/Anfang Februar 2010 auf dem Weg von Mukoberwa nach Kalongi in einem Ort namens Masha zufällig drei ihm bekannte ehemalige Bewohnerinnen von Busurungi namens 13N., 8M. und 4B. getroffen zu haben, die ihm erzählt hätten, von „seinen Verwandten“, also von den Leuten der FDLR, in der Nacht vom 9./10. Mai 2009 in Busurungi nach den Kämpfen vergewaltigt worden zu sein. Auch schilderte er anschaulich die Situation, in der ihm von den Vergewaltigungen berichtet worden war. Nähere Einzelheiten zu den Vergewaltigungsgeschehen über die Angabe hinaus, dass Frau 13N. in ihrem Haus von zwei Männern und die anderen Frauen außerhalb ihrer Häuser jeweils von einem Mann vergewaltigt worden seien, wusste er aber nicht. Zusätzliche Belege dafür, dass die genannten Frauen Opfer von Vergewaltigungen geworden wären, ergaben sich aufgrund der Beweisaufnahme nicht. Vielmehr gaben die Zeugen Z 1 und Z 2 an, zwei Frauen namens 8M. und 4B. zwar als frühere Nachbarinnen aus Busurungi zu kennen, die ihnen bekannte Frau 8M. sei aber schon lange vor dem Angriff der FDLR auf Busurungi verstorben. Im Hinblick auf Frau 4B. berichtete die Zeugin Z 1, dass diese nach den Informationen anderer Nachbarn zum Zeitpunkt des Angriffs nicht in Busurungi, sondern auf dem Markt in einem anderen Ort gewesen sei. Eine Frau 13N. aus Busurungi kannten beide nicht. Eine weitere Aufklärung der Vorgänge durch Befragung der Opfer selbst war nicht möglich. Inwieweit die dem Zeugen berichteten Vergewaltigungsvorwürfe tatsächlich der Wahrheit entsprachen, ließ sich unter diesen Umständen nicht feststellen.
d) Angriff auf Chiriba zwischen dem 25. und 27. Mai 2009
Die Feststellungen zum Angriff der FDLR auf die Siedlung Chiriba zwischen dem 25. und 27. Mai 2009 werden durch die glaubhaften Angaben der Zeugin VW. sowie der Zeugen 4D.M. und 1C.G. über die Untersuchungsergebnisse von HRW bzw. der UN-Expertengruppe sowie einen UN-Bericht von OCHA belegt, zusätzlich aber auch durch die Ausführungen mehrerer ehemaliger FDLR-Angehöriger und in der Hauptverhandlung verlesener und in Augenschein genommener Schreiben von „3G.“ aus den Monaten März und Mai 2009 gestützt. Angesichts unterschiedlicher Angaben von HRW, der UN-Expertengruppe und im Bericht von OCHA zur Zahl der niedergebrannten Häuser ging der Senat zu Gunsten der Angeklagten von der geringsten angegebenen Zahl und damit von lediglich mehr als 100 Häusern aus. Die Feststellungen zur Anzahl der getöteten Zivilisten beruhen vor allem auf den näher belegten Erkenntnissen der UN-Expertengruppe, die zu den Angaben im OCHA-Bericht passen und auf einer breiteren Grundlage als von HRW ermittelt wurden.
aa) Angaben der Zeugin VW. über die Untersuchungsergebnisse von HRW
Dass eine Operation der FDLR in Chiriba zwischen dem 25. und 27. Mai 2009 erfolgte, bei der Bewohner der Siedlung getötet und Häuser niedergebrannt wurden, und es zuvor Drohungen der FDLR gegen örtliche kongolesische Behörden, Militärangehörige und die einheimische Bevölkerung in der Region gegeben hatte, bestätigen die Ermittlungen von HRW, über die die Zeugin VW. schlüssig berichtete und deren Ergebnisse auch teilweise im Bericht von HRW „Ihr werdet bestraft“ vom Dezember 2009 sowie in der verlesenen Presseveröffentlichung von HRW „Demokratische Republik Kongo: Massive Zunahme der Angriffe auf Zivilisten“ vom 2. Juli 2009 wiedergegeben sind. Auch in diesem Fall verfügte die Zeugin aufgrund ihrer Funktion als leitende Ermittlerin sowie eigener Vorortrecherchen über eine fundierte Kenntnis der Ermittlungen von HRW und konnte vielfach aufgrund eigener Wahrnehmung berichten. So hatte sie an Missionen von HRW nach Hombo sowie nach Bunyakiri und Bukavu im Zeitraum vom 16. bis 22. Juni 2009 teilgenommen und über das Geschehen in Chiriba hinaus zu weiteren Angriffen auf Siedlungen in der Umgebung von Chiriba recherchiert. Neben Gesprächen mit Bewohnern der Region und der Befragung weiterer Zeugen durch ihre Kollegin I.S. hatte sie dabei nicht einmal einen Monat nach dem Überfall auf Chiriba drei Überlebende des Angriffs auf die Siedlung selbst interviewt. Dabei machten ihre Ausführungen deutlich, dass HRW aufgrund der erfolgten Recherchen nicht nur Informationen zum Angriff auf die Siedlung selbst, sondern auch breite Erkenntnisse zu dessen Vorgeschichte gewonnen hatte.
(1)
Nach den Angaben der Zeugin ergaben die Ermittlungen von HRW, dass die FDLR Chiriba am 26./27. Mai 2009 angegriffen hatte und es hierbei zu einem Massaker mit zehn getöteten Zivilisten und 125 niedergebrannten Häusern gekommen war. Hierzu berichtete sie, dass die von ihnen befragten Personen auch in diesem Fall eindeutig die FDLR als Angreifer bestätigt hätten. Die von ihr selbst interviewten drei Überlebenden des Angriffs seien sich ebenfalls ganz sicher gewesen, von der FDLR angegriffen worden zu sein. Einer von ihnen habe einen der FDLR-Angreifer namentlich benannt, weil er ihn aufgrund der langjährigen Beziehungen zur FDLR wiedererkannt habe. Detaillierte Angaben zum Verlauf des Angriffs auf Chiriba habe ihr gegenüber insbesondere einer der drei Augenzeugen gemacht, die Aussagen der beiden anderen seien nicht ganz so detailliert gewesen. Nach den Zeugenberichten sei der Angriff der FDLR am Abend des 26. Mai 2009 erfolgt, nachdem sich die Spannungen zwischen der FDLR und der örtlichen Gemeinschaft verschärft hätten. Man habe sich gut gekannt, weil die FDLR seit vielen Jahren in diesem Gebiet gelebt habe. Die FDLR-Kämpfer seien in die Siedlung gekommen und hätten die örtliche Bevölkerung beschuldigt, die Seite der kongolesischen Armee ergriffen zu haben. Sie hätten geschrien, dass die Zivilisten nicht mehr ihre Freunde seien. Dann seien sie von Haus zu Haus gegangen, hätten Feuer gelegt und die Menschen aus den Häusern herausgezogen. Die meisten Opfer seien mit Macheten getötet worden. Einer der drei Zeugen habe berichtet, dass ein älterer Mann nicht mehr so schnell rennen konnte, deshalb einem FDLR-Kämpfer in die Falle gegangen sei und von diesem zunächst in den Rücken gestochen und dann vorne mit der Machete „geschnitten“ worden sei. Die FDLR habe dann viele der Häuser niedergebrannt und das Hab und Gut der Bevölkerung geplündert. Unter den Opfern seien nach den drei Augenzeugen mindestens drei Frauen gewesen. Dabei erinnerte sich die Zeugin noch daran, dass sich der Überlebende des Angriffs, mit dem sie das umfangreichste Gespräch geführt hatte, besonders schockiert darüber gezeigt hatte, dass Menschen, mit denen sie jahrelang Seite an Seite gelebt hatten, sie töteten. Zur Grundlage der von ihr berichteten und von HRW festgestellten Anzahl von 125 niedergebrannten Häusern gab sie an, dass diese auch in diesem Fall auf mehreren Quellen beruhe, nämlich den Angaben des Ortsvorstehers sowie von Augenzeugen, die hierzu Informationen gesammelt hätten. Im Gegensatz hierzu stütze sich die von ihr genannte Zahl von zehn getöteten Zivilisten allerdings nur auf die Angaben eines Augenzeugen und sei deshalb nicht in dem Maße wie sonst bei HRW üblich abgesichert.
(2)
Wie die Zeugin des Weiteren berichtete, hatten die Recherchen von HRW zur Vorgeschichte des Angriffs ergeben, dass es bereits im Vorfeld der Operation erhebliche Spannungen zwischen der Rebellenmiliz, der FARDC und der kongolesischen Bevölkerung gegeben hatte. So kam es nach ihren Angaben in dem bis zu den Operationen im Jahr 2009 von der FDLR kontrollierten Gebiet nach dem Eintreffen der FARDC in den kongolesischen Siedlungen zu Problemen zwischen der FDLR und den kongolesischen Streitkräften, aber auch zwischen der FDLR und der lokalen Bevölkerung, weil die FDLR dieser vorwarf, sie habe die kongolesische Armee willkommen geheißen. Schwierig sei die Situation insbesondere in den Monaten April, Mai und Juni 2009 geworden, unter anderem auch deshalb, weil die kongolesische Armee die FDLR von den Märkten abgeschnitten habe. Nach ihren Ermittlungen habe es in dieser Zeit auch Angriffe der FDLR auf andere Siedlungen im Groupement Mubugu wie zum Beispiel in den nicht weit von Chiriba entfernten Orten Karasi, Kaciri und Kacofu gegeben. Auch hätten ihnen Frauen berichtet, von FDLR-Kämpfern vergewaltigt worden zu sein. So habe sie selbst zwei 14 und 24 Jahre alte Kongolesinnen interviewt, die berichtet hätten, am Markttag nur wenige Tage vor dem Angriff auf Chiriba von einer Gruppe FDLR-Kämpfern vergewaltigt worden zu sein. Eine weitere Frau habe geschildert, von FDLR-Kämpfern vergewaltigt und dabei beschuldigt worden zu sein, ihr Dorf habe die Seiten im Krieg gewechselt, weshalb sie jetzt bestraft werde.
Nach den Angaben der Zeugin hatte HRW auch in diesem Fall ähnlich wie bei anderen Orten von Massakern Kenntnis von Drohschreiben im Vorfeld des Angriffs erhalten, die nach ihren Ermittlungen in Verbindung mit danach erfolgten Angriffen der FDLR auf Siedlungen in der Region standen und die sie aufgrund der auf den Schreiben vorhandenen FOCA-Stempel und Absenderangaben, aber auch angesichts des Kontexts und Inhalts der Schreiben der Rebellenmiliz zuordneten. So wurden HRW-Mitarbeitern gemäß den Ausführungen der Zeugin von einem örtlichen Verwaltungsbeamten sowie einer internationalen Nichtregierungsorganisation, die in dem Gebiet arbeitete und Kopien von Drohschreiben sammelte, drei Schreiben mit Warnungen und Drohungen gegen kongolesische Behörden und Militärangehörige, aber auch gegen die örtliche Zivilbevölkerung vorgelegt und von diesen fotografiert. Dabei handelte es sich nach ihren Angaben um die im HRW-Bericht dokumentierten und in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen sowie in der Übersetzung verlesenen drei Schreiben vom 7. März 2009, 22. März 2009 und 22. Mai 2009 an Verwaltungs- und Militärangehörige in dem Gebiet, die mit „G.S.“ bzw. „WG.S., Kommandant Bataillon ROMEO“ und „3G., Maj“ unterzeichnet und teilweise mit FOCA-Stempeln bzw. dem Absendervermerk „FDLR-FOCA Sonderbrigade Bataillon Romeo“ versehen waren und unter anderem folgenden Inhalt aufwiesen:
- In dem mit „G.S.“ unterzeichneten Schreibens vom 7. März 2009 an den Leiter der Einrichtung Karasi warnte der Autor des Schreibens davor, dass es keinen Frieden in der Zone geben werde, wenn die FARDC-Angehörigen AC 2N. und Oberleutnant 1K. in dem Gebiet blieben und ihnen nicht bedingungslos die Dinge, nämlich 3.600 Francs, zehn Ponchos, 20 Paar Stiefel, 16 AK 47 (Kalaschnikow) und einige Schaufeln zurückgegeben werden sollten, die diese seinen Männern gestohlen hätten. Wenn diese Praktiken weiterhin geschehen würden, werde dadurch riskiert, dass das Gebiet in Verzweiflung untergehe und es zu mehr Leiden führe. Was in Masisi geschehe, solle eine Lektion für jeden sein, der ein Feuer entzünde, aber nicht wisse, wie man es lösche.
- In dem weiteren mit dem Absendervermerk „FDLR-FOCA Sonderbrigade Bataillon Rombo“, einem FOCA-Stempel sowie der Unterschrift „WG.S. Kommandant Bataillon ROMEO“ versehenen und „An den Leiter der Einrichtung Karubi/Karasi und andere bekannte hochrangige Verwaltungs- und Militärangehörige in diesem Gebiet“ gerichteten Schreiben vom 22. März 2009 warnte der Unterzeichner angesichts des Ausschlusses seiner Leute vom Markt in Karasi davor, dass für den Fall, dass dieser Ausschluss andauern sollte, schwache und anfällige Wesen versuchen könnten, sich das, was man zum Leben benötige, auf jede verfügbare Weise, also ehrlich oder unehrlich, zu erlangen und dadurch die Stabilität in der ganzen Einheit zurückgehen könnte. Jeder, der einen nicht gewollten Krieg in dieser Gegend provoziere, werde bald seinen Fehler bemerken, da der Krieg anstatt den Frieden zu bringen, die ganze Zone in Leid und Elend stürzen werde.
- In dem wiederum mit dem Absendervermerk „FDLR-FOCA Sonderbrigade Bataillon ROMEO“ und der Unterschrift „3G., Maj“ versehenen und auf den 22. Mai 2009 datierten Schreiben an die Oberleutnante 1K. und 2N. erklärte der Autor des Schreibens, dass er herausgefunden habe, dass zwei seiner Leute auf der zweispurigen Brücke oberhalb des Marktes Karasi festgenommen worden seien, Oberleutnant 1K. und 2N. diese, weil sie angeblich Führer für Major 3G. gewesen seien, furchtbar geschlagen hätten, die Bevölkerung sie mit Steinen beworfen habe und erstere dann mit diesen gegen Geld in Ibola-Mbika Schluss gemacht hätten. Damit hätten sie ihm den Krieg erklärt und müssten darauf gefasst sein, dass es so sein werde. Er sei bereit, sich jedem Feind zu stellen, egal woher er komme und wer er sei. Auch sei er in der Lage, ihn zu zerstören und außer Gefecht zu setzen. Sollten sie ihn nicht kennen, müssten sie nur ihre Landsleute fragen, die am 3. Januar 2006 versucht hätten, nach Karima zu kommen. Diese würden ihnen sagen, welchen Tribut sie bezahlt und wie viele Tote sie zurückgelassen hätten. Er habe fünfmal mehr von den Stöcken, mit denen er diese geschlagen habe. Wie er am 11. Dezember 2005 bis zum 12. Dezember 2006 gekämpft habe, werde er das nochmals um ein Vielfaches steigern und wehe den Strohhalmen, die darunter litten. Die vorgetragenen Argumente, die als Grund für die Verhaftung seiner Leute angegeben worden seien, seien unbegründet. Sie sollten ihnen diese deshalb ohne weitere Verzögerung schicken. Er sei nicht in der Lage im Angesicht von Landsleuten, die durch das Verschwinden von ihnen teuren Menschen aufgebracht seien, die Sicherheit der örtlichen Bevölkerung zu gewährleisten, die sich auf ihren Grund und Boden zurückziehe. Sie, 1K. und 2N., sollten Hühner und Küken züchten. Er werde Falken und Sperber züchten und diese Falken würden die Hühner überall in Bunyakiri jagen, solange die Verschwundenen nicht gefunden seien.
Wie die Zeugin schilderte, hatte HRW umfangreiche Ermittlungen getätigt, um zuverlässig beurteilen zu können, ob die von ihnen fotografierten Schreiben tatsächlich echt seien. Dabei legte sie nachvollziehbar dar, es habe keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben, dass es sich bei den Schreiben um Fälschungen handeln könnte oder diese entgegen den auf den Schreiben enthaltenen Absenderangaben und FOCA-Stempeln nicht der FDLR zuzuordnen wären. So seien sich die Personen, die ihnen die Briefe gezeigt hätten, sicher gewesen, dass die Schreiben von der FDLR stammten. Auch hätten sowohl Personen aus der örtlichen Bevölkerung als auch der Vertreter der Nichtregierungsorganisation einhellig bestätigt, dass es sich bei dem Unterzeichner der Briefe „3G.“ um einen wichtigen FDLR-Kommandanten handle, der allen in der Gegend gut bekannt sei und seinen Stützpunkt in der Nähe von Karasi habe. Der Vertreter der Nichtregierungsorganisation habe ausdrücklich bekundet, selbst mehrfach mit „3G.“ wegen Sicherheitsfragen zu tun gehabt zu haben. Zu dem in den Schreiben angegebenen „Bataillon ROMEO“ erklärte die Zeugin, dass in einem von ihr eingesehenen und von Experten gefertigten Strukturschema der FDLR dieses Bataillon aufgezeichnet gewesen sei, es sich hierbei aber nicht um Originalinformationen von HRW handle.
Auch begründete sie plausibel, warum der Kontext und Inhalt der Schreiben für eine Urheberschaft von Seiten der FDLR sprachen. So machte sie deutlich, dass in den Schreiben wiederholt Ereignisse angesprochen wurden, die in konkretem Bezug zur FDLR standen. Insoweit verwies sie beispielhaft auf den vom Autor im Schreiben vom 22. März 2009 erwähnten Ausschluss „seiner Leute“ vom Markt von Karasi, dies sei HRW im genannten Zeitraum im Hinblick auf FDLR-Angehörige berichtet worden. Eine Verbindung zur FDLR ergab sich nach ihren Angaben insbesondere im Hinblick auf das nur vier Tage vor dem Angriff auf die Siedlung Chiriba datierte Schreiben vom 22. Mai 2009 an die Oberleutnante 1K. und 2N.. So hätten ihre Recherchen ergeben, dass es sich bei der vom Autor des Schreibens angesprochenen Festnahme von zweier seiner Leute auf der Brücke oberhalb des Marktes Karasi nur um die Festnahme von zwei FDLR-Kämpfern durch die kongolesische Armee wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung zweier Kongolesinnen handeln konnte. Dabei sei es um die zwei jungen Kongolesinnen gegangen, die sie selbst interviewt habe und die angegeben hätten, wenige Tage vor dem Angriff auf die Siedlung Chiriba von FDLR-Kämpfern vergewaltigt worden zu sein. Dass sich das Schreiben auf diesen Vorfall bezogen habe, habe sich aus den Angaben eines örtlichen Menschenrechtsaktivisten, von Angehörigen der kongolesischen Armee, den Opfern der Vergewaltigungen und örtlichen Personen, die bei der Verhaftung der beiden Männer anwesend gewesen seien, ergeben. Auch habe dazu gepasst, dass es sich bei den Adressaten des Schreibens, den Oberleutnanten 1K. und 2N., um die für das Gebiet Chiriba, Karasi, Kacofu und Umgebung zuständigen kongolesischen Offiziere gehandelt habe. Zudem habe das nachfolgende Geschehen gezeigt, dass es bei dem Schreiben tatsächlich um ein Schreiben der FDLR gegangen sei. So sei ihnen berichtet worden, dass Oberleutnant 1K. die beiden festgenommenen FDLR-Kämpfer nach dem Brief von „3G.“ zu seinem Vorgesetzten mitgenommen habe und dieser sie später aus Angst vor der FDLR freigelassen habe.
bb) Ermittlungen der UN
(1) Angaben der UN-Experten 4D.M. und 1C.G.
Umfangreich belegt werden der Angriff der FDLR auf den Ort Chiriba und vorausgegangene Droh- und Warnschreiben durch die FDLR zusätzlich durch die Angaben der Zeugen 1C.G. und 4D.M., die im Einklang miteinander und sich gegenseitig schlüssig ergänzend über die insoweit erfolgten Untersuchungen der UN-Expertengruppe berichteten. Dabei bestätigten die von den UN-Zeugen erhaltenen Informationen voneinander unabhängiger Quellen in vielen Punkten die Erkenntnisse von HRW. Übereinstimmend schilderten die beiden UN-Experten, während einer Mission in die Zone Hombo/Bunyakiri im Juli 2009 Recherchen zu Zwischenfällen und Angriffen, die der FDLR in dem Gebiet in den letzten Monaten zugeschrieben worden waren, durchgeführt und hierzu schätzungsweise 15 bis 20 Personen, nämlich örtliche Behördenmitarbeiter, FARDC-Angehörige, mit der FDLR verbundene Personen, Zivilisten aus angegriffenen Dörfern, einen Menschenrechtsaktivisten einer lokalen Organisation sowie einen leitenden Arzt des Krankenhauses von Hombo befragt sowie interne UN-Berichte ausgewertet zu haben. Laut den Angaben des Zeugen 1C.G. kamen auch sie dabei zum Ergebnis, dass es Angriffe der FDLR auf Siedlungen in der dortigen Region gab und es bei diesen vor allem darum ging, die Bevölkerung zu terrorisieren und auszuplündern. Nach Augenzeugenberichten seien die Angriffe von FDLR-Einheiten, die schon vor dem Jahr 2009 dort gelebt hatten, ausgeführt und als verantwortliche FDLR-Kräfte vor allem die Einheit von Major G.S., eine Einheit namens Ninja und eine für die Aufklärungsarbeit zuständige CRAP-Einheit genannt worden. Auch habe die UN-Expertengruppe im Zusammenhang mit den Angriffen in der Region Hombo/Bunyakiri Berichte über Exekutionen, sexuelle Übergriffe, Geiselnahmen, das Niederbrennen von Häusern sowie weitere gewalttätige und unmenschliche Taten erhalten und geschildert bekommen, dass die örtliche Bevölkerung ihre eigenen Besitztümer zur FDLR tragen musste. Zu den Informationen über niedergebrannte Häuser berichtete er, nach ihren Ermittlungen sei davon auszugehen gewesen, dass die Feuer von FDLR-Einheiten im Anschluss an die Angriffe als letzte Handlung gelegt worden seien, bevor sich diese zurückgezogen hätten. Ihm sei insoweit kein Fall erinnerlich, bei dem es auf einen Angriff hin Kämpfe gegeben habe. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Feuer zufällig ausgebrochen seien, sei deshalb gering.
(a)
Zu den Untersuchungen der UN-Expertengruppe zum Geschehen in Chiriba führte der Zeuge aus, dass nach ihren Recherchen die Siedlung am 26./27. Mai 2009 von FDLR-Leuten angegriffen worden sei, die FDLR das Dorf gründlich geplündert und Häuser in der Siedlung angezündet habe. Hierzu hätten sie Informationen von acht Quellen erhalten, die dies bestätigt hätten. Dabei habe die von diesen angegebene Zahl an niedergebrannten Häuser zwischen 117 und 125 geschwankt. Auch seien danach ein Angehöriger der FARDC sowie vier Zivilisten getötet worden. Als Quellen hierfür benannten die UN-Zeugen einen Vertreter einer Menschenrechtsorganisation aus Bunyakiri, Überlebende des Angriffs, einen Offiziellen aus Bunyakiri, einen kongolesischen Zivilisten, Angehörige der FARDC sowie interne UN-Berichte. Dabei erinnerten sich beide UN-Zeugen noch gut an die von ihnen durchgeführten Befragungen und schilderten weitere Details zu den von ihnen durchgeführten Recherchen.
So handelte es sich nach den Angaben der Zeugen bei dem von ihnen gemeinsam befragten lokalen Menschenrechtsaktivisten um eine Person, die von Beobachtern von Menschenrechtsorganisationen sowie der UN und MONUC ausgebildet worden war, die Menschenrechtssituation in der Region seit langem verfolgt und Informationen über Menschenrechtsverletzungen und Übergriffe, soweit möglich, vor Ort überprüft und diese auf der Grundlage vieler bestätigender Zeugenaussagen in einer Liste vermerkt hatte. Wie der Zeuge 1C.G. ausführte, hatte der Vertreter der lokalen Menschenrechtsorganisation ihm bereits bei einem früheren Interview in Bukavu von dem Angriff der FDLR auf Chiriba Ende Mai berichtet. Bei ihrer Mission in das Gebiet Hombo/Bunyakiri habe er seine Angaben dann mit Hilfe einer von ihm selbst erstellten Liste näher belegt. In dieser seien insgesamt 54 Vorfälle der letzten Monate in der Region, unter anderem auch der Überfall der FDLR auf Chiriba, exakt mit Datum und Uhrzeit aufgezeichnet gewesen. Um die Zuverlässigkeit von dessen Angaben zu überprüfen, hätten sie bei einem Teil der dort dokumentierten Vorfälle selbst Recherchen vor Ort durchgeführt. Dabei hätten sich die von dem Menschenrechtsaktivisten ermittelten Fakten, bis auf kleine Unterschiede bei der Zahl der angegebenen Opfer, durchgehend als zutreffend erwiesen und mit den Auskünften gedeckt, die sie selbst von den Territorialbehörden, Bewohnern der betroffenen Siedlungen und einem leitenden Arzt des Krankenhauses in Hombo, der Opfer von Angriffen behandelt habe, erhalten hätten. Aufgrund ihrer Stichproben seien sie davon ausgegangen, dass die Informationen des Menschenrechtsaktivisten glaubwürdig seien.
Nähere Informationen zum Verlauf des Angriffs der FDLR in Chiriba erhielt die UN-Expertengruppe nach den Angaben des Zeugen 1C.G. vor allem durch zwei Überlebende des Angriffs, die er gemeinsam in Bunyakiri befragt hatte. Nach deren übereinstimmenden Angaben habe der Angriff der FDLR ungefähr um Mitternacht vom 26. auf den 27. Mai 2009 stattgefunden. Beide Augenzeugen hätten berichtet, dass die Angreifer Gummistiefel angehabt und die gleichen Uniformen oder Uniformteile, wenn auch ältere Modelle, wie die FARDC getragen und Kinyarwanda gesprochen hätten. Dabei habe einer der beiden Dorfbewohner geschildert, dass er zunächst durch Geschrei und das Geräusch von drei oder vier Schüssen aufgeweckt worden sei, sich die Angreifer dann genähert hätten, vermehrt Schüsse und zwar nicht nur von Kalaschnikows, sondern auch von großkalibrigeren Waffen gefallen seien und die kleine Einheit der FARDC, die sich zu diesem Zeitpunkt im Dorf aufgehalten habe, nicht fähig gewesen sei, die Bevölkerung zu verteidigen. Bei seiner Flucht aus dem Dorf, habe er die Leiche eines Soldaten der kongolesischen Armee gesehen, der wohl erschossen worden sei. Der andere Augenzeuge habe angegeben, zusammen mit anderen Bewohnern einige Stunden nach dem Angriff in das Dorf zurückgekehrt zu sein und bei dem Gang durch das Dorf die Leichen von vier zivilen Opfern, die in ihren Häusern verbrannt seien, gesehen zu haben.
Nach den Ausführungen der UN-Experten bestätigten zudem ein Offizieller aus Bunyakiri, dessen Informationen auf Gesprächen mit Flüchtlingen beruhten, sowie eine wichtige Person aus Karasi, die angegeben hatte, gut mit dem FDLR-Kommandanten 3G. bekannt zu sein, und zwei in der Region stationierte FARDC-Angehörige den Angriff der FDLR auf die Siedlung Chiriba am 26./27. Mai 2009. Dabei hatte nach den Angaben des Zeugen 4D.M. der Offizielle aus Bunyakiri zusätzlich geschildert, dass im Gebiet Bunyakiri/Hombo im Zeitraum zwischen Ende April bis Anfang Juni Hunderte von Häuser niedergebrannt worden seien und ihm eine lange Liste mit den Namen der betroffenen Dörfern gezeigt. Auch habe dieser von Drohungen der FDLR im Vorfeld des Angriffs auf Chiriba berichtet. Der Zivilist aus Karasi habe angegeben, bei dem Angriff der FDLR am 26./27. Mai 2009 auf Chiriba seien fünf Personen getötet worden. Zudem habe dieser eine vor dem Angriff auf Chiriba erfolgte Attacke der FDLR auf Karasi und eine am 12./13. Juni 2009 stattgefundene Operation auf die ebenfalls in dem Gebiet liegende Siedlung Kacofu bestätigt und dabei jeweils von vielen niedergebrannten Häusern und der zeitweiligen Gefangennahme von Bewohnern der Siedlungen zum Tragen der Beute berichtet. Nähere Angaben zum Angriff der FDLR auf Chiriba habe darüber hinaus ein kongolesischer Oberst, ein Kommandeur einer in Bunyakiri stationierten Einheit der kongolesischen Armee, gemacht. Dieser habe angegeben, dass ca. 70 seiner Soldaten in der dortigen Gegend stationiert gewesen seien und diese nach dem Angriff auf Chiriba 119 niedergebrannte Häuser und mindestens fünf Tote sowie eine vollständige Plünderung des Ortes festgestellt hätten. Auch habe der Oberst als Anführer des Angriffs auf Chiriba den FDLR-Kommandanten 3G. genannt. Nach den Angaben des Zeugen 1C.G. erhielt die Expertengruppe durch einen weiteren FARDC-Angehörigen eine genauere Beschreibung der bei dem Angriff getöteten Opfer. So habe dieser von vier in Chiriba getöteten Zivilisten berichtet und diese wie folgt identifiziert, nämlich einen 47-jährigen Mann namens 3K., zwei Kinder von einundhalb und vier Jahren namens C.K. und C.I. sowie die dreijährige Tochter des 6M.. Auch seien nach dessen Angaben beim Angriff 25 Ziegen, 15 Schweine und alles, was nicht niet- und nagelfest gewesen sei, von der FDLR mitgenommen worden.
Dass die Siedlung Chiriba von der FDLR angegriffen wurde, wurde nach den Ausführungen des Zeugen 1C.G. darüber hinaus durch interne UN-Berichte der UN-Friedensmission, nämlich Situationsberichte von Zivilbeobachtern und Militärbeobachtern, die der Expertengruppe zugingen, bestätigt. Laut seinen Angaben passten diese Berichte zu Berichten der Territorialverwaltung vom 7. Mai 2009 und des Büros der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten OCHA vom 19. Mai 2009, in denen die Folgen der bis dahin verübten Angriffe der FDLR auf Siedlungen in der Region Süd-Kivu näher dargestellt worden waren. So sei von der Territorialverwaltung von einer Vertreibung eines Großteils der ländlichen Bevölkerung entlang der Achse Bitale, Kambali, Hombo, Chiriba und Karasi berichtet worden, weil es keine Sicherheit mehr gegeben habe und die Leute nicht mehr zu ihren Feldern gekonnt hätten. Im Bericht von OCHA seien 1128 angezündete Häusern während der Angriffe der FDLR im Süd-Kivu vom frühen März 2009 bis Mitte Mai 2009 vermerkt gewesen.
(b)
Im Einklang mit den Recherchen von HRW berichteten auch die UN-Experten von Warn- und Drohschreiben der FDLR im Vorfeld des Angriffs auf Chiriba und einem Zusammenhang der Schreiben mit danach erfolgten Angriffen auf Siedlungen in der Region. Nach Angaben des Zeugen 4D.M. bestätigten der lokale Menschenrechtsaktivist sowie der Offizielle aus Bunyakiri, eine wichtige und mit „3G.“ gut bekannte Persönlichkeit aus Karasi sowie Bewohner und Leiter von Dorfgemeinschaften, die von der FDLR angegriffen worden waren, die Existenz und Verteilung von Warn- und Drohschreiben von 3G. im Zeitraum von März bis Mai 2009 in Dörfern der Region. Nach den übereinstimmenden Angaben beider UN-Experten waren ihnen darüber hinaus ebenso wie HRW drei von 3G. unterzeichnete und teilweise mit FOCA-Stempeln und dem Absendervermerk „FDLR-FOCA Spezialbrigade Bataillon ROMEO“ versehene Schreiben durch den Menschenrechtsaktivisten aus Bunyakiri zugänglich gemacht und von ihnen fotografiert worden, da die Originale an die kongolesischen Behörden weitergereicht werden sollten. Dabei bestätigten beide Zeugen, dass es sich bei den vom Zeugen 4D.M. im Ermittlungsverfahren vorgelegten und in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen und in der Übersetzung verlesenen drei Schreiben vom 7. März 09 und 22. März 09 um die von ihnen fotografierten Schreiben handelte. Wie die Inaugenscheinnahme der Schreiben und die Verlesung von deren Übersetzungen zeigten, entsprachen Form und Text sowie Inhalt der Schreiben den von HRW fotografierten und in die Hauptverhandlung in gleicher Weise eingeführten Schreiben vom 7. März, 22. März und 22. Mai 2009. Soweit in der verlesenen Übersetzung des von den UN-Experten vorgelegten Schreibens an die FARDC-Offiziere anders als in dem entsprechenden Schreiben von HRW die Adressaten des Schreibens mit “1K. und 1N.“ anstelle von „1K. und 2N.“ und das Datum des Schreibens mit 22. März 2009 anstelle des 22. Mai 2009 angegeben werden, beruhen diese Abweichungen, wie ein Vergleich der Schreiben in der Originalsprache zeigte, offensichtlich nicht auf unterschiedlichen Angaben in den Schreiben selbst, sondern auf Erkennungsschwierigkeiten der Übersetzerin aufgrund der schlechteren Qualität und Lesbarkeit des Schreibens der UN-Experten. Insoweit geht der Senat davon aus, dass richtigerweise auch beim Schreiben der UN-Experten vom Datum des 22. Mai 2009 und als Adressaten der Schreiben von „1K. und 2N.“ auszugehen ist, zumal diese Namen auch in dem Schreiben an den Leiter bzw. Chef von Karasi genannt werden.
(aa)
Ebenso wie die Zeugin VW. berichteten auch die UN-Zeugen davon, umfangreiche Recherchen zur Abklärung der Authentizität und Herkunft der von ihnen fotografierten Schreiben getätigt zu haben. Dabei hätten auch ihre Untersuchungen bestätigt, dass die Schreiben von der FDLR stammten. Dafür, dass die Schreiben der Rebellenmiliz zuzuordnen waren, sprachen nach den Ausführungen des Zeugen 4D.M. zunächst die Angaben des Menschenrechtsaktivisten, der ihnen die Schreiben vorgelegt hatte. Dieser habe geschildert, dass es solche Schreiben in den Gegenden gegeben habe, die vor den Operationen im Jahr 2009 unter der Kontrolle der FDLR gestanden hätten und in denen die FDLR gelebt und Steuern erhoben habe. Während der militärischen Operationen habe die FDLR dann die einheimische Bevölkerung dazu angehalten, darauf zu achten, mit wem sie zusammenarbeite, und gesagt, dass sie nichts zu befürchten habe, wenn sie nicht mit der kongolesischen Armee zusammenarbeite. Wenn die Bevölkerung nicht mit der FDLR zusammengearbeitet habe, sei sie bedroht worden. Die Schreiben von „3G.“ habe er selbst von Anführern von Dörfern, in denen diese verteilt worden seien, erhalten. Wie der Zeuge 4D.M. des Weiteren berichtete, gab auch der von ihnen gemeinsam befragte Offizielle aus Bunyakiri an, dass die FDLR im Monat April Botschaften und Flugblätter an die örtlichen Behörden geschickt und diese darin aufgefordert habe, ihre Anti-FDLR-Strategie zu überprüfen. Auch sei darin die Bevölkerung bedroht worden für den Fall, dass sie ihre Haltung bis Ende Mai nicht ändere. Auch dieser Zeuge habe bestätigt, Schreiben, wie sie sie fotografiert hätten, selbst gesehen zu haben, und geschildert, die Drohschreiben nach Bukavu weitergeschickt zu haben, woraufhin man mit ihm Kontakt aufgenommen habe, um die Drohungen zu überprüfen.
Nach Angaben des Zeugen hatten die UN-Experten darüber hinaus die drei zeitweilig in ihrem Besitz befindlichen handschriftlichen Schreiben von „3G.“ mehreren Bewohnern und Leitern von Dorfgemeinschaften vorgelegt, die von der FDLR angegriffen worden waren. Dabei sei auch von diesen einhellig die Echtheit der Schreiben bestätigt worden. Auch hätten diese ebenfalls berichtet, entsprechende Drohbriefe von der FDLR, mit der sie jahrelang Seite an Seite gelebt hätten, erhalten zu haben. Bestätigt wurde nach den Ausführungen der UN-Experten die Echtheit der Schreiben und deren Herkunft von der FDLR insbesondere auch durch den mit 3G. gut bekannten Bürger aus Karasi. So habe dieser die Handschriften und Unterschriften auf den vorgelegten Schreiben eindeutig als diejenigen von 3G. identifiziert. Auch habe er ebenfalls angegeben, entsprechende Schreiben selbst erhalten zu haben, und davon berichtet, dass es danach zum Angriff auf die Siedlung Karasi gekommen sei, bei dem 3G. eine aktive Rolle gespielt habe und Leute zeitweilig gefangen genommen sowie viele Häuser niedergebrannt worden seien. Wie sich aus den Aussagen der UN-Zeugen ergab, konnte der kongolesische Zivilist das Aussehen von 3G. genau beschreiben und machte Angaben zu dessen Person, die zeigten, dass es sich bei ihm um einen nicht ganz unbedeutenden FDLR-Kommandanten handelte. So hatte nach Angaben des Zeugen 1C.G. der Bekannte von 3G. unter anderem geschildert, dass 3G. gegenüber S.M. zur Rechenschaft verpflichtet gewesen sei und Befehle von diesem erhalten habe, was meistens frühmorgens und spät abends geschehen sei. Auch hatte er den UN-Experten darüber hinaus zwei Telefonnummern von „9S.“ genannt. Beide Zeugen schilderten, unter einer der angegebenen Nummern tatsächlich eine Person erreicht zu haben, die auf Nachfrage bestätigt habe, S.G. zu sein. Auch sei es ihnen anschließend gelungen, 107 Verbindungen von dieser Nummer, also von 3G., zum Stab von S.M. allein in der Zeit von Januar bis April 2009 zu identifizieren.
Dass es sich bei dem Unterzeichner der Schreiben „3G.“ bzw. „SW.G.“ um einen für die Region zuständigen FDLR-Kommandanten handelte, bestätigten nach den Aussagen der beiden UN-Zeugen neben dem kongolesischen Bekannten von 3G. im Übrigen noch zahlreiche weitere Personen. Auch sprachen die von ihnen erhaltenen Informationen dafür, dass es sich bei dem in den Drohschreiben erwähnten „Bataillon ROMEO“ tatsächlich um die für die Gegend zuständige FDLR-Einheit handelte. So bestätigten nach Angaben des Zeugen 4D.M. FARDC-Offiziere, die im Bereich Hombo/Bunyakiri operierten und an Operationen gegen die FDLR beteiligt waren oder davor mit der FDLR zusammengearbeitet hatten, die Position von 3G. als zuständigen FDLR-Kommandanten in der Region. Dabei erinnerte er sich insbesondere an zwei Offiziere, die von einer früheren Zusammenarbeit mit 3G. berichtet hatten. Davon habe der eine angegeben, dass 3G. zuvor seinen Stützpunkt in Ngokwe gehabt und parallel zur CRAP gearbeitet habe, der andere habe 3G. als Anführer des Angriffs auf Chiriba genannt. Zudem hätten auch ein Mai-Mai-Kommandant aus dem Kampfgebiet und der Menschenrechtsaktivist aus Bunyakiri die Zugehörigkeit von 3G. zur FDLR bestätigt. Nach Angaben des Zeugen bezeichneten darüber hinaus kongolesische Zivilisten 3G. als den FDLR-Führer in der Region. Einige Zivilisten, die täglich in Kontakt mit diesem gewesen seien, hätten ausdrücklich angegeben, dass dies sein Herrschaftsgebiet sei. Des Weiteren habe der Offizielle aus Bunyakiri berichtet, in vielen voneinander unabhängigen Interviews von dem FDLR-Kommandanten 3G. gehört zu haben. Dieser habe von Flüchtlingen erzählt, die ihm geschildert hätten, von der FDLR angegriffen worden zu sein und als Kommandanten der Angriffe 3G. und V. genannt hätten.
(bb)
Zu dem in den Schreiben erwähnten Bataillon ROMEO gab der Zeuge 4D.M. an, dass dies nach ihren Recherchen zwar keine offizielle Bezeichnung der FDLR für eine FOCA-Einheit gewesen sei. Bei ihren Befragungen hätten ehemalige FDLR-Kämpfer aber häufig von „Zodiaque“ und „ROMEO“ berichtet. Zudem hätten drei Zeugen aus dem Bereich Hombo-Bunyakiri, nämlich der Menschenrechtsaktivist, der kongolesische Zivilist aus Karasi sowie ein kongolesischer Militäroffizier angegeben, dass es sich dabei um die FDLR-Einheit in der Region gehandelt habe. Dass es sich bei 3G. und dem Bataillon ROMEO tatsächlich um einen zur FDLR gehörigen Kommandanten und dessen Einheit gehandelt habe, hätten darüber hinaus nachträglich Nachforschungen seines Kollegen R.D. ergeben, der im Rahmen der Expertengruppe für die Struktur der FDLR zuständig gewesen sei und danach als Ermittler bei der Weltbank auf diesem Gebiet weitergearbeitet habe. Dieser habe ihm nach Abschluss der Arbeit der Expertengruppe von neuen Erkenntnissen berichtet, wonach es sich beim Bataillon ROMEO in Wirklichkeit um eine Kompanie des Bataillons Mirage und bei S.G. um deren Kommandanten gehandelt habe. Nach den Ermittlungen seines Kollegen habe dessen richtiger Name 1P.R. gelautet.
(2) OCHA Situationsbericht Nr. 2 vom 29. Mai 2009 „DRK-humanitäre Situation in Süd-Kivu
Passend zu den Untersuchungen von HRW und den UN-Experten wird im verlesenen Situationsbericht des UN-Büros für die Koordination von humanitären Angelegenheiten OCHA vom 29. Mai 2009 für den Zeitraum vom 19. bis 29. Mai 2009 ausgeführt, dass sich die humanitären Organisationen große Sorgen über die Verschlechterung der Sicherheit im Süd-Kivu machten, insbesondere in den Zonen, in denen sich die FDLR aufhalte und die FARDC stationiert sei, da die Zahl der Übergriffe auf die Bevölkerung im letzten Monat kontinuierlich gestiegen sei. Auch wird unter der Rubrik „Taten der FDLR“ berichtet, dass ein Angriff der FDLR in Chiriba (in der Nähe von Mubugu) am 25. Mai stattgefunden habe und vorläufige Ermittlungen bestätigt hätten, dass fünf Menschen getötet und mehrere verwundet sowie mehr als 100 Häuser angezündet worden seien. Auch seien im Zusammenhang mit diesem Angriff und einer weiteren von einer Nichtregierungsorganisation berichteten Attacke der FDLR auf die Siedlung Mulonge in der Bunyakiri-Hombo-Zone mit 70 angezündeten Häusern Bevölkerungsbewegungen entlang der Bunyakiri-Hombo-Achse und der Kalehe-Nyabibwe-Achse gemeldet worden.
(3) DDRRR-Organigramm der FOCA vom Oktober 2010
Dass die Erkenntnisse von HRW und der UN-Expertengruppe hinsichtlich der Zugehörigkeit des Unterzeichners der Drohschreiben vom März und Mai 2009 3G. zur FDLR zutreffend sind und es sich bei diesem um einen Kommandanten einer FDLR-Einheit handelte, wird zudem gestützt durch das vom Zeugen 3B. übergebene und nach seinen Ausführungen von der DDRRR auf der Grundlage vieler Aussagen von FDLR-Kämpfern erstellte sowie in der Hauptverhandlung verlesene Dokument vom Oktober 2010 über die Struktur der FOCA. Dort wird als Kommandant der 2. Kompanie des Bataillons Mirage der Reservebrigade „Hauptmann 1P.R.“ alias „S.G.“ genannt.
cc) Angaben ehemaliger FDLR-Angehöriger
(1)
Unter den vernommenen ehemaligen FDLR-Angehörigen gab lediglich der Zeuge 10N. an, die Siedlung Chiriba von Besuchen zu kennen und gehört zu haben, dass die Siedlung im Jahr 2009 unmittelbares Kriegsgebiet gewesen sei und es dort in der Nähe in fast allen Orten Kämpfe gegeben habe.
(2)
Allerdings machten mehrere der ehemaligen FDLR-Angehörigen Angaben zur Person von 3G. und dem Bataillon ROMEO, die die Richtigkeit der Recherchen von HRW und der UN-Experten bestätigten und zu den Feststellungen der DDRRR passten.
So gaben die Zeugen 1S.B., J.B., 8N., 7N., 10N. und 9N. an, 3G. als einen Kompanieführer der FDLR zu kennen. Hierzu bekundete der Zeuge 1S.B., dass 3G. Kommandeur einer Kompanie des Bataillons Mirage gewesen sei, oft in Kalehe und Kahuzi-Biega geplündert habe und in Kalehe Richtung Bukavu stationiert gewesen sei. Auch der Zeuge J.B. bezeichnete 3G. als Kommandanten einer Kompanie des Bataillons Mirage. Nach Beginn der Operationen im Jahr 2009 habe sich das Bataillon Mirage geteilt und der Teil, der sich auf der anderen Seite der Straße befunden habe, sei von 3G. geführt worden. Zur Zone von 3G., dessen Stützpunkt in Ramba im Territorium Kalehe gewesen sei, habe auch das in der Nähe von Ramba gelegene Karasi gehört, Chiriba kenne er nicht. Der Zeuge bestätigte des Weiteren als 3G.s richtigen Namen 1P.R. und gab an, dieser habe zusätzlich den Kampfnamen 9S. geführt. Er berichtete ebenfalls davon, die Kompanie von 3G. habe oft Operationen und Plünderungen in Bunyakiri und Kahuzi-Biega durchgeführt. Als Kompanieführer des Bataillons Mirage, der Anfang des Jahres 2009 seinen Sitz in Bunyakiri hatte, kannte auch der Zeuge 8N. 3G. und nannte als dessen richtigen Namen gleichfalls 1P.R.. Er berichtete, dass es die Aufgabe von 3G. und dessen Leuten gewesen sei, die FDLR-Kämpfer daran zu hindern, nach Ruanda zurückzukehren, weil diese in Bunyakiri in der Nähe der MONUC stationiert gewesen seien. Die Soldaten von 3G. hätten an der Straße von Kangebeli nach Bunyakiri patrouilliert. Der Zeuge 9N. gab an, 3G. persönlich zu kennen, und nannte ihn gleichfalls einen Führer einer Kompanie der Reservebrigade, dessen Stützpunkt mindestens ab 2007 bis zu seiner eigenen Rückkehr nach Ruanda im Juli 2009 im Groupement Mubugu gewesen sei.
Auch nach den Angaben des Zeugen 10N., der das Groupement Mubugu selbst kannte, handelte es sich bei 3G. um den Kompanieführer eines Bataillons der Reservebrigade im Süd-Kivu. Er sprach von ihm als einem Major und hochrangigen Soldaten, der die Region Ramba, Karasi, Chiriba als Führer unter sich gehabt habe. Dort, wo 3G. als Kommandant gewesen sei, habe es keine anderen Soldaten der FOCA gegeben. 3G. habe sich bereits seit dem Jahr 2005 in der dortigen Region aufgehalten und bis zu seinem eigenen Weggang von der FDLR im Jahr 2010 das Gebiet mit seinen Leuten kontrolliert. Wenn FDLR-Soldaten nach Karasi gegangen seien, ohne bei seiner Kompanie vorbeizuschauen, habe er auf diese geschossen. Auch dieser Zeuge berichtete davon, dass 3G. seine Leute zum Stehlen geschickt habe. Dass 3G. bzw. S.G. Kompanieführer im Bataillon Mirage war und mit Klarnamen 1P.R. hieß, bestätigte darüber hinaus der Zeuge 7N.. Er schilderte ebenfalls, dass 3G. lange in Ramba gelebt habe und dort die Hauptstraße gewesen sei, die man genommen habe, um in Bunyakiri, in Kahuzi-Biega und dort, wo sich der Flughafen befinde, zu plündern. Dass ihm das Bataillon „ROMEO“ als FDLR-Einheit bekannt war, berichtete im Übrigen der Zeuge 15N.. Er gab an, dieses habe zur Reservebrigade gehört.
(3)
Passend zu den Erkenntnissen von HRW und der UN-Expertengruppe berichtete darüber hinaus der Zeuge J.B. davon, innerhalb der FDLR gehört zu haben, dass 3G. Flugblätter mit seiner Unterschrift an die Bevölkerung in der Region übersandt habe. Die Schreiben seien nach seinen Informationen erfolgt, damit der FDLR-Kommandant und dessen Soldaten etwas zum Essen bekommen hätten, da sie sich in den Wäldern verstecken mussten. Dass es sich, wie dies die Zeugin VW. berichtet hatte, bei den im Schreiben vom 22. Mai 2009 erwähnten festgenommenen Personen tatsächlich um FDLR-Kämpfer handelte, wird im Übrigen durch die Angaben des Zeugen 10N. gestützt, wonach ruandische Zivilisten, aber auch Kameraden aus der FDLR, die im relevanten Zeitraum den Markt in Karasi besuchen wollten, berichtet hatten, dass dort FOCA-Soldaten durch die FARDC festgenommen worden seien. Er schilderte, viele Personen hätten nach ihrer Rückkehr an seinen Standort in Shario davon gesprochen. Solche Informationen seien für sie aus Sicherheitsgründen wichtig gewesen.
(4)
Soweit die ehemaligen FDLR-Angehörigen mehrheitlich davon berichteten, dass es sich bei 3G. vom offiziellen Dienstgrad her um einen Hauptmann und nicht wie in den Drohschreiben vermerkt um einen Major gehandelt habe, zeigten die Angaben des Zeugen J.B., dass es sich hierbei nur scheinbar um einen Widerspruch handelte und dies nicht gegen die Echtheit der Schreiben sprach. So berichtete der Zeuge glaubhaft, dass 3G. in Wirklichkeit zwar nur Hauptmann und Kompanieführer gewesen sei, er sich allerdings gegenüber den Kongolesen, um diesen Angst und Respekt einzuflößen, als Oberst bzw. Major dargestellt und auch angegeben habe, ein Bataillon zu führen, das ROMEO heiße. Aus eigener Wahrnehmung wisse er, dass 3G. die Urlaubserlaubnisse für seine Soldaten ebenfalls unter der Bezeichnung „Kommandant des Bataillons ROMEO“ unterschrieben habe. Entsprechend unterzeichnete Urlaubsscheine habe er selbst gesehen, wenn die Soldaten des von ihm geführten Bataillons PM Angehörige der Einheit von 3G. kontrolliert hätten. Im Einklang hiermit schilderte auch der Zeuge 1S.B., dass die Kongolesen sehr viel Wert auf Dienstgrade und Titel gelegt und Kompanieführer der FDLR sich deshalb manchmal Major genannt hätten, um von einem Kommandanten einer Brigade der FARDC überhaupt empfangen werden zu können. Weil die unrichtige Angabe des Dienstgrades in einem solchen Fall im Interesse der Arbeit der FDLR erfolgt sei, sei dies innerhalb der FDLR nicht bestraft worden. Dazu passt die Aussage des Zeugen 10N., 3G. eigentlich als Hauptmann zu kennen, dieser sei dann aber auf einmal Major gewesen.
(5)
Auch soweit der Zeuge 15N. der Meinung war, dass es sich bei den auf den fotografierten Schreiben von HRW und der UN-Expertengruppe vorhandenen Stempeln nicht um Originalstempel, sondern Fälschungen handle, weil dort einige an sich erforderliche Details wie zum Beispiel der Name des Bataillons fehlten, bedingte auch dies keine andere Bewertung der Urheberschaft für die von HRW und den UN-Experten fotografierten Schreiben. Angesichts der zuvor genannten zahlreichen Umstände, die unabhängig von den Stempeln für die Echtheit der Schreiben von 3G. und deren Herkunft von der FDLR sprachen, wäre nämlich selbst dann, wenn es sich insoweit tatsächlich um nachgemachte Stempel handeln sollte, eher davon auszugehen, dass diese von 3G. bzw. FDLR-Leuten nachgemacht wurden, um den Schein eines Bataillonskommandeurs zu wahren und den Schreiben mehr Gewicht zu verleihen, als von Personen außerhalb der FDLR. Wie unter anderem die Zeugen 1S.B. und 7N. berichteten, verfügten die Einheiten nämlich regelmäßig nur bis zur Ebene des Bataillons über einen FOCA-Stempel, also nicht ohne Weiteres ein Kompaniekommandant wie 3G.. Dass FOCA-Stempel von FDLR-Angehörigen mehrfach selbst angefertigt worden waren, hatte der Zeuge 15N. im Übrigen selbst berichtet. So habe er als Kommandant des Bataillons PM immer wieder erlebt, dass Soldaten Stempel benutzt hätten, die sie selbst gebastelt hätten, wenn sie verspätet aus dem Urlaub gekommen seien.
e) Angriff auf Manje am 20./21. Juli 2009
Auch im Fall des Angriffs auf die Siedlung Manje am 20./21 Juli 2009 stützen sich die Feststellungen auf mehrere Beweismittel. Die Angaben zu den beteiligten FDLR- Kräften und den Gründen des Angriffs werden dabei wiederum maßgeblich durch die entsprechenden Aussagen repatriierter FDLR-Kämpfer, zu letzterem aber auch durch die Ermittlungen von HRW gestützt. Grundlage für die festgestellten Übergriffe auf Zivilisten bildeten neben den Angaben ehemaliger FDLR-Kämpfer, dem Bericht des MONUC-Pressesprechers und den Angaben der Zeugen Z 2 und Z 3 vor allem die näher belegten Ausführungen der Zeugin VW. über die Untersuchungsergebnisse von HRW, wobei der Senat im Hinblick auf die Anzahl der beim Angriff der FDLR getöteten Zivilisten zu Gunsten der Angeklagten von lediglich 16 Opfern auf Seiten der Zivilbevölkerung ausging. Soweit den FDLR-Kämpfern darüber hinaus durch die Anklage die Entführung mehrerer Frauen sowie die mehrfache Vergewaltigung einer Frau anlässlich des Angriffs zur Last gelegt wird, ließ sich dies nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen.
aa) Festgestellte Tötungen und Brandstiftungen
Die Feststellungen werden im Einzelnen durch die nachfolgend genannten Beweismittel gestützt:
(1) Angaben der ehemaligen FDLR-Angehörigen
An der Operation in der Siedlung Manje hatte zwar keiner der vernommenen ehemaligen FDLR-Angehörigen teilgenommen, insgesamt neun ehemalige FOCA-Angehörige bestätigten aber den Angriff der FDLR und verfügten entsprechend ihren Ausführungen über nähere Informationen hierzu, weil ihnen dort eingesetzte Kameraden darüber berichtet hatten, sie Berichte über die Operation kannten oder im Zusammenhang mit dem Angriff eigene Wahrnehmungen gemacht hatten. Dabei nannten die Zeugen wiederum weitgehend die gleichen Gründe für den Angriff und bestätigten übereinstimmend, dass der Angriff hauptsächlich von Einheiten der Reserve-brigade ausgeführt wurde. Letzteres passt zu den Angaben weiterer Zeugen aus dem FDLR-Bereich, die zwar keine Informationen über den Angriff hatten, aber wie beispielweise die Zeugen 15N. oder 5N. davon berichteten, dass sich Einheiten der Reservebrigade in der Nähe von Manje befanden. Auch bestätigte die Mehrheit der ehemaligen FDLR-Kämpfer, dass in Manje Häuser angezündet oder Zivilisten getötet wurden.
(a)
Nähere Kenntnisse über den Angriff auf Manje hatte insbesondere der Zeuge 3H.. Diesem hatten Kampfteilnehmer aus verschiedenen Einheiten der Reservebrigade, unter anderem einer Kompanie, die in Ekingi stationiert war, sowie Kameraden, die zur selben Eskorte wie er selbst gehörten und zur Unterstützung der Kämpfer hinzugezogen worden waren, hierüber berichtet. Er gab an, dass nach seinen Informationen in Manje stationierte FARDC-Soldaten zuvor eine Stellung der FDLR in Shario als Reaktion auf die Ereignisse in Busurungi angegriffen und 50 unter dem Schutz der FDLR stehende ruandische Flüchtlinge mitgenommen hätten. Einige der Flüchtlinge seien getötet worden, andere danach spurlos verschwunden gewesen. Es habe deshalb Wut bei der FDLR geherrscht. Die FDLR habe daraufhin einen Racheangriff gegen die FARDC-Soldaten in Manje - dort sei ein Bataillon stationiert gewesen - durchgeführt. Es sei ein großer Angriff mit 800 bis 1.000 FDLR-Kämpfern gewesen, bei dem die Einheiten der Reservebrigade durch Soldaten aus anderen Bataillonen unterstützt worden seien. Weil die FARDC immer mit den Zivilisten zusammen gewesen sei und die Zivilisten nicht gewarnt worden seien, habe es bei dem Angriff viele Tote unter den kongolesischen Zivilisten gegeben. In Manje wie auch in Mianga, Busurungi und Kibua sei die Bevölkerung gegen die FDLR gewesen und habe die Koalition gegen die FDLR unterstützt. In den Ort Manje seien viele Bürger aus Busurungi nach dem Angriff der FDLR auf die Siedlung geflohen. Die FDLR-Soldaten hätten gewusst, dass sich in Manje zu diesem Zeitpunkt Zivilisten aufgehalten hätten. Zum einen sei die Lage zuvor erkundet worden. Auch habe man die Bewohner von Manje auf ihren Feldern gesehen. Als die Kämpfe in Manje zu Ende gewesen seien und die FARDC aus dem Ort geflüchtet sei, habe die FDLR die Häuser niedergebrannt, weil die FARDC-Soldaten in deren Häusern gewohnt und kein eigenes Lager gehabt hätten. Er selbst habe Manje im August 2009 besucht und gesehen, dass es in der Siedlung außer den FDLR-Soldaten, die dort patrouilliert hätten, keine Menschen mehr gegeben habe. Auch seien die Häuser der Zivilisten niedergebrannt gewesen.
(b)
Von einem Vergeltungsangriff der FDLR in Manje sprach auch der Zeuge 1S.B.. In der Nähe von Manje hätten sich die Reservebrigade und viele Flüchtlinge aufgehalten. Die Siedlung befinde sich in der Region, in der auch Busurungi gelegen sei und die Tembo gelebt hätten. Die FARDC habe dort immer wieder die FDLR angegriffen und Flüchtlinge getötet. Ziel des Angriffs sei es deshalb in Manje wie auch in Mianga gewesen, Vergeltung hierfür zu üben und die FARDC aus ihrer Stellung wegzujagen, um wieder Sicherheit für die Flüchtlinge herzustellen. Nach den von ihm gelesenen Berichten über die Operation sei Manje von der Reservebrigade angegriffen worden. An nähere Einzelheiten des Angriffs erinnerte sich der Zeuge allerdings nicht und wusste nur noch, dass dort viele FARDC-Soldaten getötet wurden.
(c)
Auch der Zeuge 2S. hatte aufgrund seiner Tätigkeit als ehemaliger Sekretär des FOCA-Kommandos und Chef des Informationsbüros vom Angriff der FDLR auf die Siedlung Manje Kenntnis erhalten. Er sprach davon, dass die Siedlung aus den gleichen Gründen wie Mangele und Mianga angegriffen worden sei. In Manje habe es eine Stellung der FDLR gegeben, die Leute geschützt habe, die nach Hombo gegangen seien. Diese Stellung sei vom Feind angegriffen und eingenommen worden. Das Gebiet habe zur Zone der Reservebrigade gehört. Es sei die Reservebrigade gewesen, die daraufhin einen Angriff durchgeführt habe, um die Leute von dort wieder zu verjagen. Er habe nicht viele Informationen darüber, wisse aber, dass die Häuser in Manje angezündet worden seien. Es sei oft passiert, dass die Dörfer angezündet worden seien, wenn die Bürger in den Siedlungen mit den ruandischen Soldaten oder der FARDC zusammengearbeitet hätten.
(d)
Dass nach dem Angriff auf die Siedlung Busurungi in Manje eine Operation der FDLR stattfand und dort durch die FDLR eine Lektion erteilt wurde, berichtete zudem der damals als Zugführer im Bataillon Concorde der Reservebrigade tätige Zeuge 2K.. Er hatte über die Operation, bei der es nach seinen Angaben um eine große Aktion ging, über Soldaten aus dem benachbarten Bataillon erfahren, wusste insoweit aber keine Einzelheiten mehr. Er meinte, sich erinnern zu können, dass das Bataillon Zodiaque dort gekämpft habe. Im Übrigen gab er an, keine Kenntnis davon zu haben, ob in Manje Soldaten getötet oder Häuser angezündet worden seien.
(e)
Der Zeuge 7N. berichtete, dass die kongolesische Armee nach dem Angriff der FDLR auf Busurungi nicht nach Busurungi zurückgekehrt, sondern in dem Gebiet hinter Busurungi bis Manje geblieben sei. Er selbst sei an einer größeren Operation der Reservebrigade beteiligt gewesen, die Manje zum Ziel gehabt habe. Bei diesem Angriff habe man die Siedlung aber wegen der starken Gegenwehr der kongolesischen Streitkräfte nicht erreicht. Dass es weitere, allerdings kleinere Angriffe auf die Siedlung Manje gegeben habe, habe er von anderen Soldaten gehört. Dort seien seiner Erinnerung nach auch Zivilisten gestorben und Häuser in Brand gesetzt worden. Grund für diese Angriffe sei gewesen, dass die Kongolesen ihnen von dort aus etwas Schlechtes zugefügt hätten und es den Befehl des Kommandos gegeben habe, jedem Kongolesen, den man in einem solchen Fall erwische, auch etwas Schlechtes anzutun und ihn als Feind zu behandeln.
(f)
Von dem Angriff der FDLR auf die Siedlung Manje und dabei niedergebrannten Häusern und getöteten Zivilisten wusste darüber hinaus der Zeuge 5B. von Soldaten, die in Manje gekämpft hatten und mit denen er danach gesprochen hatte. In Manje starben laut seinen Angaben Zivilisten, weil die Siedlung in der Zone der Tembo lag und die Soldaten mit den Zivilisten vermischt waren.
(g)
Nach den Ausführungen des Zeugen 1G.N. hatten ihm Kampfteilnehmer aus dem Bataillon Zodiaque der Reservebrigade von dem Angriff der FDLR auf die Siedlung berichtet. Diese hätten geschildert, dass nur Einheiten der Reservebrigade in Manje angegriffen hätten und die Truppen nicht gemischt gewesen seien. Den Namen des Kommandanten des Angriffs habe er vergessen, aber dessen Stellvertreter sei ein Hauptmann 12M. gewesen. Bei dem Angriff sei viel geschossen worden. Die Kameraden hätten ihm erzählt, dass im Rahmen der Operation fünf Leute auf ihrer Seite gestorben seien. Auf die Frage, ob dort auch Zivilisten umgekommen seien, antwortete der Zeuge, dass die FARDC oder Mai-Mai immer mit ihren Frauen zusammen seien. Die Bewohner von Manje seien beim Angriff schon geflohen gewesen. Nach den Kämpfen habe die FDLR die Siedlung angezündet. Er habe gehört, dies sei erfolgt, weil FDLR-Soldaten dort gestorben seien.
(h)
Einen Angriff der FDLR auf die Siedlung Manje am 20./21. Juli 2009 bestätigten des Weiteren die Zeugen 2MM. und 10N., die beide die Siedlung aus Besuchen kannten. Der Zeuge 2MM. hatte über die beim FOCA-Kommando eingehenden Nachrichten der Einheit, die den Angriff ausführte, von der Operation der FDLR in Manje erfahren. Danach hätten FARDC-Truppen FDLR-Soldaten angegriffen. Später hätten sich die FDLR-Truppen verteidigt und die Operation in Manje durchgeführt. Die schweren Waffen der FARDC hätten sich dabei etwas abseits der Häuser der Siedlung befunden, manchmal hätten die FARDC-Soldaten aber auch mitten unter der Bevölkerung gelebt. Informationen darüber, ob bei dem Angriff Zivilisten getötet oder Häuser niedergebrannt worden seien, besitze er nicht. Kommandant der kämpfenden FDLR-Truppe vor Ort sei J. gewesen, der eine Kompanie der Reservebrigade befehligt habe. Ob dessen Einheit bei dem Angriff weitere Unterstützung erhalten habe, wisse er nicht. Dass eine Kompanie der Reservebrigade von einem 1J. geführt wurde, bestätigte der Zeuge 2S..
Der Zeuge 10N. wusste ebenfalls von einem Unteroffizier J. in der Reservebrigade, der dort in der Gegend stationiert gewesen sei, konnte aber nicht sagen, ob dieser beim Angriff auf Manje dabei war. Er berichtete, die Kämpfe in Manje hätten nach dem Angriff auf Busurungi stattgefunden. Zur Zeit des Angriffs sei er ca. zwei Stunden von Manje entfernt stationiert gewesen und habe deshalb selbst gesehen, dass es Kämpfe in der Siedlung gegeben habe. Die FDLR habe Manje angegriffen, den Feind vertrieben und sei dorthin zurückgekehrt. Er habe gehört, dass die feindlichen Soldaten zuvor die FDLR von dort aus angegriffen hätten. Beim Angriff sei die Spezialkompanie unter V. dabei gewesen. Ohne konkrete Details hierzu zu benennen, gab er pauschal an, nur von einem angezündeten Haus zu wissen. Wenn mehr Häuser angezündet worden wären, hätte er es gewusst, weil er die Kämpfe gesehen habe.
(2) Erkenntnisse der UN
Ausdrücklich von einem Angriff der FDLR in Mandje - es bestehen insoweit unterschiedliche Schreibweisen für den Ort Manje - und hierbei getöteten Zivilisten wird in der in der Hauptverhandlung verlesenen Zusammenfassung der wöchentlichen Pressekonferenz des MONUC-Sprechers Oberstleutnant J.D. vom 29. Juli 2009 berichtet. Dort wird ausgeführt, dass ein am 20. Juli 2009 durchgeführter Angriff der FDLR auf das im Gebiet Walikale vier Kilometer von Hombo entfernt liegende Dorf Mandje vom Befehlshaber der Militäroperation Kimia II bestätigt wurde. Berichten zufolge seien während des Angriffs auf das Dorf 24 Personen getötet worden, wobei sich unter diesen 16 Zivilisten, fünf FDLR-Rebellen und drei FARDC-Soldaten befunden hätten. Die genaue Zahl der Opfer könne derzeit nicht ermittelt werden. Einige Quellen deuteten aber an, dass die Zahl höher sein könnte.
(3) Untersuchungen von HRW
Belegt werden ein Angriff der FDLR in Manje am 20./21. Juli 2009 und insbesondere die hierbei erfolgte Tötung von Zivilisten und das Niederbrennen von Häusern vor allem durch die Untersuchungen von HRW, über welche die Zeugin VW. berichtete. Dabei zeigten die Ausführungen der Zeugin, dass HRW auch im Fall von Manje umfangreiche und den üblichen Standards der Nichtregierungsorganisation entsprechende Recherchen durchgeführt hatte und deren Erkenntnisse auf einer durch Kontrollmechanismen abgesicherten zuverlässigen Tatsachengrundlage basierten. Wie die Zeugin VW. darlegte, beruhten die Untersuchungsergebnisse von HRW zum Geschehen in Manje im Wesentlichen auf 16 Zeugenaussagen, nämlich den Aussagen von neun direkten Augenzeugen/Opfern sowie sieben weiteren Personen mit wesentlichen Informationen, und der Auswertung eines Berichts der MONUC über eine durchgeführte Menschenrechts-Bewertungsmission nach Manje. Dabei wurden die Zeugen auch in diesem Fall im Rahmen getrennter Missionen, die von ihr und ihrer Kollegin I.S. durchgeführt wurden, an verschiedenen Orten, an die die ehemaligen Bewohner von Manje geflüchtet waren, gleichzeitig befragt, um die Geschehnisse in der Siedlung umfassend aufzuklären und die Glaubhaftigkeit der erhaltenen Informationen überprüfen zu können. Nach den Angaben der Zeugin erhielt dabei insbesondere ihre Kollegin bei einer Mission nach Minova umfangreiche Informationen, die ein klares Bild der Ereignisse in Manje zeichneten. Da die Zeugin auch in diesem Fall über ihre leitende Funktion hinaus maßgeblich selbst mitrecherchiert hatte, verfügte sie wiederum über wichtige Detailkenntnisse zu den von HRW durchgeführten Ermittlungen sowie den hierbei gewonnenen Erkenntnissen und erläuterte diese sachkundig und plausibel.
Nach den Ausführungen der Zeugin VW. bestätigten zahlreiche Zeugen und Opfer, dass Manje am 20./21. Juli 2009 von der FDLR angegriffen worden war. Hierzu verwies sie auf entsprechende Aussagen der Zeugen, in denen diese die Angreifer eindeutig als FDLR-Soldaten identifiziert und dies nachvollziehbar damit begründet hatten, vorher mit diesen Personen Geschäfte gemacht und sie deshalb wiedererkannt zu haben. Wie die Zeugin schilderte, war auch aufgrund ihrer Ermittlungen davon auszugehen, dass es sich bei dem Angriff der FDLR um einen Bestrafungsangriff handelte. Wesentlicher Zweck sei die Bestrafung der örtlichen Bevölkerung der Siedlung gewesen. Nach Berichten befragter Zeugen habe die FDLR die Bewohner von Manje im Vorfeld des Angriffs ausdrücklich beschuldigt, mit der feindlichen Armee zusammenzuarbeiten. Eine direkte Verbindung zu einem konkreten Ereignis hätten sie zwar nicht feststellen können. Manje sei insoweit aber in einem größeren Kontext zu sehen, es sei nach ihren Erkenntnissen um einen „Repressalienangriff“ gegen die örtliche Bevölkerung gegangen. Darüber hinaus sei die Bevölkerung zwar auch beschuldigt worden, ihre Schulden nicht bezahlt zu haben. Hierbei habe es sich aber höchstens um einen zweit- oder drittrangigen Grund für den Angriff gehandelt. Dies passe allerdings gut zu den von HRW gewonnenen Erkenntnissen, wonach die FDLR-Kämpfer bis unmittelbar vor „Umoja Wetu“ und noch während des laufenden Kriegs bis zu ihrer Flucht versucht hätten, ihre Außenstände bei der Bevölkerung einzutreiben. Ähnlich wie bei anderen Angriffen der FDLR habe HRW auch im Fall von Manje von einem Drohbrief der FDLR gegenüber der einheimischen Zivilbevölkerung Kenntnis erhalten. So habe ihnen ein Bewohner der Siedlung berichtet, dass er zusammen mit zwei weiteren Männern bei dem Angriff von der FDLR mitgenommen worden sei und bei seiner Freilassung einen Drohbrief erhalten habe, während die beiden anderen Männer getötet worden seien. Darin sei gestanden, die FDLR werde in Kürze Hombo, eine nicht weit von Manje entfernte Stadt, angreifen. Dass Personen von der FDLR mitgenommen worden seien, um als Träger zu dienen, beschrieb die Zeugin insoweit als nicht ungewöhnlich. Auch konnte nach ihren Angaben der Drohbrief klar der FDLR zugeordnet werden, weil der Dorfbewohner diejenigen, die ihn mitgenommen hatten, eindeutig als FDLR-Kämpfer identifiziert habe. Dass sie nur mündliche Zeugnisse erhalten hätten, die die Existenz des Briefs bestätigt hätten, aber nicht das Schreiben selbst, habe daran gelegen, dass der Chef von Hombo, an den der Brief weitergegeben worden sei, zum Zeitpunkt ihrer Recherchen ortsabwesend gewesen sei.
Zu den Angaben der befragten Personen zum Angriff selbst berichtete die Zeugin, dass es danach in Manje einen Stützpunkt der kongolesischen Streitkräfte gegeben habe und viele Menschen, die aus anderen Orten geflüchtet seien, in die Siedlung gekommen seien, weil sie sich dort Sicherheit erhofft hätten. In Manje habe es gegenüber anderen Massakern der FDLR nach den von ihnen erhaltenen Informationen insoweit eine Besonderheit gegeben, als die FDLR hier wohl unbemerkt in den Ort eingedrungen sei, indem sie sich unter Nennung eines von ihr erlangten Passworts der kongolesischen Armee Zugang zu der Siedlung verschafft habe. Die FDLR-Kämpfer hätten dann zunächst die Soldaten der kongolesischen Armee in Manje angegriffen, seien anschließend aber sehr schnell auf die Zivilisten übergegangen. In der Siedlung sei es daraufhin wieder zu einem sehr „bösartigen“ Massaker gekommen. Nach ihren auf der Grundlage der üblichen Standards von HRW erfolgten Recherchen seien 30 Menschen getötet worden, von denen mehr als die Hälfte zu Tode gehackt oder erschossen worden sei. Unter den Opfern seien viele Frauen und Kinder gewesen. Im HRW-Bericht vom Dezember 2009 wird hierzu ergänzend ausgeführt, dass auch ein Teil der Zivilisten in ihren Häusern verbrannte. Auch gab die Zeugin an, dass in Manje ebenso wie in anderen Orten viele Häuser durch die FDLR niedergebrannt worden seien. Insoweit nannte sie aufgrund der von HRW durchgeführten Recherchen die Zahl von 182 niedergebrannten Häusern. Befragt nach den unterschiedlichen Zahlen an niedergebrannten Häusern und getöteten Zivilisten, die von HRW sowie in dem im Bericht von HRW zitierten wöchentlichen MONUC-Menschenrechtsbericht vom 2. bis 8. August 2009 auf der Grundlage einer von der MONUC nach Manje durchgeführten Menschenrechts-Bewertungsmission genannt würden, vermochte die Zeugin nachvollziehbar zu begründen, warum HRW insoweit ihre eigenen Untersuchungsergebnisse für zuverlässiger einschätzte als die Zahlen der MONUC. Dort war von nur 40 niedergebrannten Häusern und 14 getöteten Zivilisten berichtet worden. So waren nach Angaben der Zeugin die Ermittlungen von HRW auf einer wesentlich breiteren Basis erfolgt als dies bei der MONUC-Bewertungskommission der Fall war. Die Mission der MONUC hatte danach nämlich nur kurze Zeit gedauert und war zu einem Zeitpunkt erfolgt, als Manje größtenteils verlassen war und deshalb nur sehr wenige Personen befragt werden konnten. Im Gegensatz hierzu hatte HRW nach den Ausführungen der Zeugin ausreichend Gelegenheit gehabt, ehemalige Bewohner von Manje nach ihrer Flucht zu befragen. Auch gab es nach ihren Angaben keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die von ihnen interviewten Augenzeugen und örtlichen Quellen nicht korrekt gezählt hätten. Zweifel an der Richtigkeit der Untersuchungsergebnisse von HRW ergaben sich für den Senat insoweit nicht. Angesichts der unterschiedlichen Angaben zu den Opferzahlen seitens der MONUC, von HRW und des nachfolgend genannten Zeugen Z 3 geht der Senat zu Gunsten der beiden Angeklagten von der niedrigst genannten Anzahl von 16 getöteten Zivilisten aus.
(4) Angaben der Zeugen Z 2 und Z 3
Zu den durch die UN und HRW erlangten Informationen passen die Angaben des Zeugen Z 2, der ebenfalls den Angriff der FDLR auf die Siedlung Manje sowie Übergriffe auf Zivilisten bestätigte und plausibel schilderte, weshalb er hierzu selbst eigene Erkenntnisse hatte. So gab der Zeuge an, zu diesem Zeitpunkt zwar nicht in Manje selbst gewesen zu sein, sich aber am Rande eines Waldes in der Nähe von Manje aufgehalten und daher den Angriff auf die Siedlung mitbekommen zu haben. Hierzu erläuterte er in Übereinstimmung mit den Angaben anderer Zeugen, dass viele Bewohner von Busurungi nach dem Niederbrennen der Siedlung in Richtung Manje geflüchtet seien, weil dieser Ort zum gleichen Groupement gehört und sich in der Nähe einer Straße befunden habe. Zum Angriff auf Manje selbst berichtete er, dass die etwa 20 km von Busurungi entfernt liegende Siedlung von der FDLR angegriffen worden sei, nachdem bereits die anderen Dörfer überfallen worden seien. In Manje seien Soldaten der FARDC gewesen. Die FDLR-Leute hätten das Dorf in Brand gesetzt. Von seinem Standort aus habe er die Schüsse in der Siedlung gehört und Häuser in Manje brennen gesehen. Auch seien nach seinen Informationen Bewohner von Manje bei dem Angriff getötet worden.
Davon, dass die Siedlung Manje von der FDLR angegriffen und dort Leute getötet sowie Häuser angezündet worden seien, hatte auch der Zeuge Z 3 in Goma gehört, konnte sich aber nicht mehr konkret daran erinnern, ob dies von Leuten aus der Region, bei einem der üblichen Treffen in Goma oder im Radio berichtet worden war. Er nannte den Angriff auf die Siedlung Manje einen der großen Angriffe neben den Überfällen der FDLR auf die Siedlungen Mianga und Busurungi und wusste ebenfalls davon, dass es zum damaligen Zeitpunkt Soldaten der FARDC in Manje gab. Auf Vorhalt seiner Angaben bei seiner Vernehmung durch Beamte des Bundeskriminalamts und der Bundesanwaltschaft vom 4. Dezember 2009 in Gisenyi, in der er berichtet hatte, bei dem Angriff auf den Ort Manje habe es 17 Tote gegeben und alles sei verbrannt worden, erklärte der Zeuge, dass er sich heute zwar nicht mehr an die dort genannte Zahl von Toten erinnern könne, er damals aber wahrheitsgemäße Angaben gemacht habe und er in der Regel alle Informationen, die er hierzu beispielsweise bei den Treffen in Goma erhalten habe, in sein Notizbuch aufgeschrieben habe.
bb) Vorwurf der Entführung und Vergewaltigung anlässlich des Angriffs vom 20./21. Juli 2009
Soweit in der Anklage der Vorwurf erhoben wird, FDLR-Kämpfer hätten 11 Frauen bei dem Angriff auf Manje entführt und mindestens eine Frau sei nacheinander von vier FDLR-Kämpfern vergewaltigt worden, ergab sich hierfür aufgrund der Beweisaufnahme kein ausreichender Nachweis. So führte die Zeugin VW. zwar glaubhaft aus, ein entsprechendes Geschehen sei ihrer Kollegin I.S. in Minova vom mutmaßlichen Opfer der Vergewaltigungen und der Entführung so geschildert worden wie es im Einzelnen im Bericht von HRW wiedergegeben ist. Auch erinnerte sie sich, dass ihre Kollegin von der Aussage der Frau sehr beeindruckt war, weil diese so viele Familienangehörige bei dem Angriff verloren habe. Nach den im Bericht von HRW aufgeführten Angaben berichtete die von HRW befragte Zeugin auch durchaus detailliert und plausibel, wie die Bewohner von Manje nachts von der FDLR angegriffen, Menschen in ihre Häuser eingesperrt und verbrannt wurden, insgesamt 19 Personen aus ihrer Verwandtschaft und der Nachbarschaft beim Angriff umkamen und sie selbst bei der Flucht zusammen mit zehn weiteren Frauen und Mädchen von der FDLR in ein Lager im Urwald verbracht und dort von vier Kämpfern vergewaltigt wurde. Allerdings konnte weder das besagte Opfer, deren Identität aus Quellenschutzgründen nicht offenbart wurde und zu deren Person dem Senat über die Zeugenaussage hinaus keine näheren Umstände bekannt waren, noch die HRW-Mitarbeiterin, die die anonyme Zeugin befragt hatte, in der Hauptverhandlung gehört werden. Eine Überprüfung der Glaubwürdigkeit der Angaben des mutmaßlichen Opfers anhand entsprechender Fragen zu ihrer Person, ihrer damaligen Situation und den von ihr geschilderten Ereignissen sowie zur Entstehung ihrer Aussage war deshalb nicht möglich. Da sich über die mittelbar erlangten Angaben des von HRW befragten Opfers hinaus aufgrund der Beweisaufnahme keine weiteren Belege für ein entsprechendes Geschehen anlässlich des Angriffs der FDLR auf Manje ergaben, ließen sich Feststellungen entsprechend dem Anklagevorwurf nicht mit der erforderlichen Sicherheit treffen.
D. Zu den Aktivitäten des Angeklagten Dr. M.
I. Tätigkeiten vor der Wahl zum Präsidenten der FDLR
Bereits aus den eigenen Angaben des Angeklagten Dr. M. beim Ermittlungsrichter des BGH Dr. G. anlässlich des Haftprüfungstermins am 30. März 2010 ergibt sich, dass der Angeklagte Dr. M. an der Gründungsversammlung der FDLR am 1. Mai 2000 in Lubumbashi anwesend war und dort das Amt eines Beauftragten für auswärtige Angelegenheiten erhielt. Darüber hinaus hatte der Angeklagte Dr. M. in einer am 3. Mai 2006 erstellten und verschrifteten Datei mit dem Titel „Defense“ angegeben, dass er seit Gründung der FDLR deren Vorstandsmitglied sei und bis zu seiner Wahl zum Präsidenten am 1. Juli 2001 das Amt des Kommissars für Auswärtige Angelegenheiten ausgeübt habe.
Beides bestätigte zudem der Angeklagte M., der nach seiner Einlassung ebenfalls an der Gründungsversammlung teilgenommen hatte.
II. Wahl zum Präsidenten der FDLR
Die Feststellungen zur Stellung des Angeklagten Dr. M. als Präsident der FDLR und der damit verbundenen Machtfülle und Autorität innerhalb der Organisation beruhen insbesondere auf der Aussage des Zeugen 2P.R., der bis zu seiner Repatriierung im November 2003 das Amt des 2. Vizepräsidenten bekleidet hatte und Kommandeur der Streitkräfte der FDLR gewesen war.
Dieser sagte aus, dass die FDLR im Jahr 2001 beschlossen hatte, eine Auswechslung ihrer politischen Führungspersonen gegen solche vorzunehmen, die mit dem Völkermord in Ruanda nicht in Verbindung gebracht werden konnten. Dies sei der Grund gewesen, weshalb in diesem Jahr der zu diesem Zeitpunkt schon seit vielen Jahren in Deutschland lebende Angeklagte Dr. M. zum Präsidenten der FDLR gewählt worden sei. Zunächst habe der Angeklagte Dr. M. die FDLR nur formell nach außen geführt, während der Militärkommandeur 3A.N. der starke Mann hinter ihm und der eigentliche Führer der FDLR gewesen sei Nachdem dieser allerdings 2002 außer Landes habe fliehen müssen, habe der Angeklagte Dr. M. auch intern an Einfluss in der FDLR gewonnen. Aus diesem Grund sei Dr. M. auch über die neuerlichen Angriffspläne des Militärs auf Ruanda im Jahr 2003 unterrichtet worden. Die Pläne seien jedoch infolge seiner Repatriierung nach Ruanda in der Folge nicht umgesetzt worden.
III. Tätigkeiten als Präsident der FDLR vor „Umoja Wetu“
Sowohl der Angeklagte Dr. M. selbst gegenüber dem Ermittlungsrichter Dr. G. und im Textdokument „Defense“ als auch der Angeklagte M. und mehrere FDLR-Zeugen gaben übereinstimmend an, der Angeklagte Dr. M. habe nach seiner Absetzung im November 2003 den Machtkampf um das Präsidentenamt gewonnen. Der Zeuge 2G. gab als Begründung, weshalb Dr. M. den Machtkampf gewonnen habe, an, dass sich S.M., der nach der Repatriierung 2P.R.s zum neuen Kommandeur der FOCA gewählt geworden war, im Juni 2004 öffentlich auf die Seite des früheren Präsidenten Dr. M. gestellt habe.
1. Ausgeübte Tätigkeiten im Einzelnen
Die vom Senat festgestellten tatsächlich vom Angeklagten Dr. M. ausgeübten Tätigkeiten und wahrgenommenen Funktionen als Präsident der FDLR beruhen insbesondere auf Folgendem:
a) Rechtlicher Vertreter der FDLR und oberste Autorität
Der Senat ist aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Angeklagte Dr. M. als satzungsgemäßer Vertreter der FDLR
- Verträge und Erklärungen unterzeichnete (aa));
- Gesetzestexte der FDLR ausfertigte und den Kongress der FDLR im Januar 2006 leitete (bb));
- die Zahlung von 250.000 US-Dollar der kongolesischen Regierung für geleistete militärische Hilfe entgegennahm (cc)) sowie
- von den Führungspersonen der FDLR sowie anderer Organisationen als höchste Autorität der FDLR angesehen wurde (dd)).
aa)
Der Angeklagte M. berichtete im Rahmen seiner Einlassung über die vom 29. bis 31. März 2005 unter Vermittlung der katholischen Gemeinschaft Sant’ Egidio in Rom stattgefundenen Verhandlungen zwischen der Regierung der DR Kongo und der FDLR. Hierbei handelte es sich um die bedeutendste diplomatische Tätigkeit der FDLR zur Beilegung ihrer kriegerischen Auseinandersetzungen. Nach seiner Schilderung und der Aussage des Zeugen 2G., wurde die Verhandlungsdelegation der FDLR von dem Anklagten Dr. M. angeführt. Der Angeklagte Dr. M. unterzeichnete und verlas für die FDLR-Führung am 31. März 2005 in Rom eine Erklärung, wonach sich die FDLR zu einer Aufgabe des bewaffneten Kampfes und zur freiwilligen Rückkehr nach Ruanda verpflichtete. Dieser Umstand fand auch seine Bestätigung in den Ausführungen des Sachverständigen Dr. T..
In einer an 4L. gerichteten SMS vom 31. August 2007 wies der Angeklagte Dr. M. diesen darauf hin, dass nach den Gesetzen der FDLR lediglich der Präsident sowie der 1. und 2. Vizepräsident dazu berechtigt sind, die offiziellen Dokumente der FDLR zu unterzeichnen und mit Stempeln zu versehen.
bb)
Der stellvertretende Kommissar für Rechtsangelegenheiten 2G. berichtete detailliert über die Entstehung der Gesetzestexte der FDLR. Er sagte aus, dass zahlreiche Gesetzestexte durch den im Januar 2006 tagenden Kongress verabschiedet worden seien. Dass allein die „Strafgesetze der FDLR“ anders als die übrigen vom Kongress verabschiedeten Regelwerke nicht während des laufenden Kongresses vom Präsidenten der FDLR unterschrieben und in Kraft getreten seien, sei darin begründet gewesen, dass an dem Entwurf des „FDLR-Strafgesetzbuches“ im Gegensatz zu den übrigen Gesetzesentwürfen noch Änderungen durch den Kongress beschlossen worden seien. Der Präsident der FDLR, der allein zur Unterzeichnung der Gesetze berechtigt gewesen sei, habe das neue „FDLR-Strafgesetzbuch“ erst nach seiner Abreise aus der DR Kongo unterschreiben können.
cc)
Zahlreiche vernommene FDLR-Zeugen berichteten gleichlautend, dass der Angeklagten Dr. M. von der kongolesischen Regierung den Betrag von 250.000 US-Dollar als Sold für die frühere Unterstützung der Regierung Kabila entgegengenommen habe. Die Zeugen wussten von diesem Umstand, weil den übereinstimmenden Aussagen zufolge jedem FDLR-Kämpfer anlässlich des an die Verhandlungen von Rom anschließenden Besuches des Angeklagten Dr. M. im Kongo vom 28. April bis zum 11. Juni 2005 aus diesem Betrag jeweils 10 US-Dollar für den Kauf von Stiefeln ausgehändigt wurden.
dd)
Dass der Angeklagte Dr. M. sowohl von den Führungspersonen der FDLR als auch von den Führungspersonen anderer Organisationen als höchste Autorität der FDLR angesehen wurde, ergibt sich neben den bereits geschilderten Zeugenaussagen unter anderem aus folgenden Telefongesprächen:
(1)
Am 3. Oktober 2008 wurde der Angeklagte Dr. M. von 3L.M. alias 26M., Kommandant des Sektors SOSUKI, darüber informiert, dass der neue Leiter der UN-DDRRR im Süd-Kivu mit 26M. über die Repatriierung von Kranken und Behinderten sprechen wolle. 26M. lehnte dies jedoch ab und sagte, dass er diese Frage mit dem Präsidenten diskutieren solle.
(2)
In Telefongesprächen vom 3. und 10. Januar 2009 begrüßte der PARECO-General 22M. den Angeklagten Dr. M. mit „Exzellenz“ und unterrichtete ihn über einen bevorstehenden Angriff auf die FDLR. Dabei wurde der Angeklagte aufgefordert, „seine Jungs“ anzurufen, damit sie sich mit der PARECO in Verbindung setzen. Daraufhin teilte der Angeklagte Dr. M. ihm die Telefonnummer von Oberst O., dem Vizekommandeur der Division SONOKI, mit.
(3)
Am 14. Januar 2009 wurde der Angeklagte Dr. M. vom Präsidenten der PARECO 10M. angerufen, um ihre Kontaktdaten im Hinblick auf eine künftige Kommunikation auszutauschen.
(4)
Zudem gab der Angeklagte Dr. M. in einem Schreiben, das er während seiner Abschiebehaft im Zeitraum 7. April bis 24. April 2006 verfasste, detaillierte Anweisungen an FDLR-Führungspersonen in der DR Kongo: Den 2. Vizepräsidenten G.I. alias 8R. forderte er darin auf, sämtliche Beschlüsse der vergangenen Versammlungen und Tagungen umzusetzen, gegenüber dem abtrünnigen Oberst 20M. solle eine Annäherung versucht werden. Oberst P.N. alias O. wies er an, 2M.M. alias 4L. anzuweisen, eine Nachricht an Generalmajor S.M. zu fertigen, wonach zwei bestimmte FDLR-Kämpfer von jetzt an bei ihrer Kompanie in Kalongi zu bleiben hätten und nicht mehr unter seinem (Dr. M.s) persönlichen Schutz stünden. Der FOCA-Kommandeur S.M. erhielt die Anweisungen, allen Einheiten im Nord-Kivu einen Besuch abzustatten und einem Major namens 3S. in Binja ein Funkgerät mit großer Reichweite auszuhändigen. Dies macht deutlich, dass der Angeklagte als Präsident und Führer auch von den FDLR-Mitgliedern respektiert wurde.
Zudem zeigen beim Angeklagten Dr. M. sichergestellte Fotografien diesen anlässlich einer seiner Reisen in die Kivu-Gebiete beim Abschreiten einer zur Ehrenformation angetretener Milizionäre.
b) Vorsitzender des Comité Directeur
Die Feststellungen zu der mit dem Präsidentenamt verbundenen Funktion als Vorsitzender des Comité Directeur, beruhen insbesondere auf folgenden Beweismitteln:
aa)
Vor allem die Zeugen 2G. und 1S.B., die selbst an CD-Versammlungen teilgenommen haben, sowie der Zeuge 2S., der mit anderen für die Abfassung des Protokolls des CD-Ost zuständig war, sagten übereinstimmend und detailliert aus, dass der Angeklagte Dr. M. während seiner Besuche in den Kivu-Provinzen die Versammlungen des Comité Directeur leitete, sofern sie während seiner dortigen Anwesenheit stattfanden. Diese Aussagen werden zudem bestätigt durch eine Reihe weiterer vernommener FDLR-Zeugen, die während der Besuche des Angeklagten in den Kivu-Provinzen sich im FOCA-Hauptquartier aufhielten.
bb)
Aber auch wenn der Angeklagte Dr. M. nicht persönlich in den Kivu-Provinzen anwesend war, leitete er die Versammlung der Mitglieder des CD-West und führte mittels Telekommunikationsmitteln von Europa aus den Vorsitz in den Versammlungen des Comité Directeur.
Eine solche Vorgehensweise bei der Abhaltung von Versammlungen des Comité Directeur schilderten wiederum die Zeugen 2G., 1S.B. sowie 2S.. Nach deren Aussagen wurde das Treffen der Mitglieder des CD-Ost vom 2. Vizepräsidenten 8R. geleitet.
Diese Art der Abhaltung der Versammlungen des Comité Directeur wird aber auch in der detaillierten Einlassung des Angeklagten M. hierzu geschildert, der in seiner Funktion als 1. Vizepräsident neben dem Exekutivsekretär 16M. und dem Kommissar für auswärtige Angelegenheiten 1D.N. als Mitglied des CD-West an den CD-Versammlungen teilgenommen hat. Darüber hinaus gab der Angeklagte M. an, dass er gemeinsam mit dem Angeklagten Dr. M. und 2C.M. Ende Dezember 2008 und Anfang Januar 2009 die Tagesordnung für die am 19. Januar 2009 stattfindende Versammlung des Comité Directeur erstellt habe. Dies wiederum wird durch die Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung bestätigt. Danach schickte am 25. Dezember 2008 der Angeklagte Dr. M. an die Mitglieder des CD-West eine E-Mail mit unter anderem folgendem Inhalt: „Ich schicke euch hiermit die Tagesordnung der Versammlung. Teilt bitte eure Reaktionen dazu dem Exekutivsekretär bis zum 5. Januar mit. Er wird dann unsere Ideen, das heißt die Ideen von Mitgliedern, die außerhalb [des Kongos] sind, zusammenfassen und an das CD-Ost schicken, bis zum 10. Januar 09“. Am 5. Januar 2009 erwiderte der Angeklagte M. hierauf mit einer E-Mail, in der er Vorschläge zu den Texten der Tagesordnungspunkte 2 und 7 sandte und mitteilte, er habe die anderen Punkte nicht vergessen, aber bislang zu wenig Zeit gehabt. Am 6. Januar 2009 sandte der Angeklagte Dr. M. eine E-Mail an den Exekutivsekretär 16M. und an den Angeklagten M., in der er mitteilte, dass er aufgrund der Kommentare, die aus Kibua und von 17M. gekommen seien, Änderungen an der Tagesordnung vorgenommen habe, die er hiermit schicke. Am 6. Januar 2009 übermittelte der Exekutivsekretär eine E-Mail an die Mitglieder des CD-West, in der er seine Änderungsvorschläge in roter Farbe vorgenommen hatte. Der Angeklagte M. erklärte in einer mit „1. Vizepräsident“ unterzeichneten E-Mail an die Mitglieder des CD-West sein Einverständnis mit der geänderten Texten zu den Tagesordnungspunkten. Die endgültige Fassung der Texte zu den Tagesordnungspunkten des CD-West versandte der Angeklagte Dr. M. sodann per E-Mail am 7. Januar 2009.
c) Verhandlungstätigkeiten
aa)
Wie bereits ausgeführt berichtete der Mitangeklagte M. ausführlich über die vom 29. bis 31. März 2005 in Rom stattgefundenen Verhandlungen zwischen der Regierung der DR Kongo und der FDLR. Danach wurde die Verhandlungsdelegation der FDLR nicht nur von dem Anklagten Dr. M. angeführt, sondern dieser unterzeichnete und verlas für die FDLR-Führung am 31. März 2005 in Rom eine Erklärung. Der genaue Inhalt dieser Erklärung wurde durch Verlesung der selbigen eingeführt. Danach verpflichteten sich die FDLR-Angehörigen zu einer Aufgabe des bewaffneten Kampfes und zur freiwilligen Rückkehr nach Ruanda. Zudem erkannte die FDLR den Völkermord in Ruanda 1994 an und verpflichtete sich, mit der internationalen Justiz zusammenzuarbeiten. Ein Komitee aus Vertretern der kongolesischen Regierung, der MONUC und der FDLR sollte zur Koordinierung der Umsetzung der Repatriierung eingesetzt werden.
bb)
Die letztlich erfolglosen Versuche der Angeklagte Dr. M. anlässlich seiner Reise in den Kongo 2006, die Abspaltung eines Teils der Militärs unter Oberst 1J.N. alias 20M. zu verhindern bzw. rückgängig zu machen, schilderte der Zeuge 5B., der zu dieser Zeit als Militärrichter im FOCA-Hauptquartier tätig war. Der Angeklagte Dr. M. habe 2006 eine Reise ins FOCA-Hauptquartier nach Kalongi unternommen, um diese Krise zu lösen und die Rebellen zur Rückkehr zu bewegen. Dies sei ihm jedoch nicht gelungen und in der Folge habe es Kämpfe zwischen der FDLR und der RUD gegeben.
cc)
Die Linie des Angeklagten Dr. M., eine Entwaffnung der FDLR und Verhandlungen hierüber mit Vertretern der Regierung der DR Kongo und der internationalen Gemeinschaft abzulehnen und statt dessen direkte Verhandlungen mit der Regierung Ruandas als gleichberechtigte Partner im Rahmen eines innerruandischen Dialogs zu fordern, ergibt sich aus zahlreichen Erkenntnissen aus der Telekommunikationsüberwachung.
So besprach am 19. Januar 2009 der Angeklagte Dr. M. zunächst mit dem Angeklagten M. und dann telefonisch mit dem Exekutivsekretär 16M. die Reaktion der FDLR auf einen Erklärungsentwurf des Sondergesandten der DR Kongo 8K., in welchem sich die FDLR zur Niederlegung der Waffen ohne vorherige Verhandlungen verpflichten sollte. Die Beteiligten kamen überein, den Entwurf abzulehnen und statt dessen direkte Verhandlungen mit Ruanda zu fordern, weil sonst der Eindruck entstehen würde, die FDLR habe kapituliert. In einem Telefongespräch mit dem Angeklagten M. am 31. Januar 2009 bekräftigten beide diese Position. Auch in einem Telefongespräch mit Pater 15M. am 11. September 2009 lehnte der Angeklagte Dr. M. als Verantwortlicher der FDLR Verhandlungen mit der DR Kongo über eine Entwaffnung ab, da nicht die FDLR den Krieg begonnen habe.
dd)
Dass der Angeklagte Dr. M. der Ansprechpartner der FDLR für die Gemeinschaft Sant’ Egidio, insbesondere für deren Beauftragten Pater 15M., war, ergibt sich aus zahlreichen Gesprächen, die im Rahmen der Telekommunikationsüberwachung aufgezeichnet werden konnten.
So unterrichtete Pater 15M. in einem Telefongespräch vom 25. Januar 2009 den Angeklagten Dr. M. über Gespräche mit dem Sondergesandten der DR Kongo 8K. und den Vermittlern R.M. und Bischof 10K.. Pater 15M. erklärte hierbei, er werde diesen die Kontaktdaten des Angeklagten Dr. M. mitteilen, damit ein Treffen vorbereitet werden könne. In einem weiteren Telefongespräch vom 26. Januar 2009 besprachen der Angeklagte Dr. M. und Pater 15M. Einzelheiten eines geplanten Treffens zwischen Gesandten der kongolesischen Regierung und der FDLR unter Beteiligung von Sant’ Egidio. Dabei erklärte Pater 15M., für ihn sei der Ansprechpartner seitens der FDLR nur der Präsident, weil dieser für die ganze Organisation spreche, und nicht S.M.. Der Angeklagte Dr. M. erwiderte, er habe kein Interesse Bischof 10K zu treffen, weil dieser schon überall verkündet habe, er werde bei dem Treffen die FDLR auffordern, die Waffen niederzulegen. Der Angeklagte Dr. M. teilte weiter mit, er wolle dies aber zunächst mit 2C.M. und dem Angeklagten M. besprechen und dann Pater 15M. per SMS seine Antwort mitteilen.
d) Festlegung der Kommunikation der FDLR
Hauptsächlich folgende Beweismittel begründen die Überzeugung, dass der Angeklagte Dr. M. als Präsident der FDLR die Entscheidungen traf, ob und gegebenenfalls welche Mitglieder der FDLR etwa mit Journalisten, mit den Vereinten Nationen, mit kirchlichen Vertretern, Regierungsvertretern oder Vertretern von Nichtregierungsorganisationen kommunizieren durften, und wie innerhalb der FDLR zwischen den Organen zu kommunizieren sei.
aa)
Eine beim Angeklagten Dr. M. sichergestellte Weisung der FDLR über die Kommunikation zwischen den Mitgliedern des CD-West und den Mitgliedern des CD-Ost hat unter anderem folgenden Wortlaut:
„… verfüge ich, Dr. M., Präsident der FDLR:
1. Nur der Präsident und der Erste Vizepräsident der FDLR sind, befugt, eine Kommunikation mit dem Terrain zu beginnen.
2. Die Kommunikation zwischen dem Westen und dem Terrain, die vom Westen aus begonnen wird, müssen von dem Präsidenten oder vom Ersten Vizepräsidenten genehmigt werden.
3. Diejenigen, die gegen diese Weisung verstoßen, werden gemäß der geltenden Regelungen bestraft.
Diese Weisung tritt zum Datum der Unterschrift in Kraft.
Geschehen in Bonn, den 7. Juli 2005, Dr. M., Präsident der FDLR.“
bb)
In einer beim Angeklagten Dr. M. beschlagnahmten schriftlichen Anordnung des FOCA-Kommandeurs S.M. bestimmt dieser, dass die vier FOCA-Angehörigen N.G., 3D.M., V.A. und F.C. die Erlaubnis erhalten, das FOCA-Kommando zu verlassen und den Präsidenten der FDLR in Europa zu treffen. Unter Punkt 2 dieser Anordnung ist aufgeführt, dass die Einzelheiten und die Dienstreisedauer vom Präsidenten der FDLR bestimmt werden.
cc)
Am 4. August 2008 erteilte der Angeklagte per SMS den FDLR-Politikern G.I. (2. Vizepräsident) und 2D.M. (Kabinetts-Direktor), bzw. den FOCA-Offizieren S.N. alias 2I.D. alias 9B. (stellv. FOCA-Kommandeur) und 1L.M. alias 2L.M. (Generalstabschef) die Dienstreiseerlaubnis zu einem Treffen mit Vertretern der Evangelischen Kirche in der DR Kongo (EEC) in Nyabiondo.
e) Reisetätigkeit als Präsident
Als Präsident der FDLR unternahm der Angeklagte Dr. M. mehrere Reisen in die Kivu-Provinzen. Dies folgt bereits aus der Einlassung des Angeklagten M. und wird auch durch zahlreiche eingeführte Asservate und Aussagen ehemaliger FDLR-Kämpfer belegt.
aa)
Die vom Angeklagten Dr. M. im Zeitraum von August bis Oktober 2003 über Uganda unternommene Reise in die DR Kongo ist belegt durch die ugandischen Sichtvermerke im Reiseausweis des Angeklagten Dr. M.. Danach erfolgte die Einreise am 15. August 2003, die Ausreise am 15. Oktober 2003. In einer beim Angeklagten Dr. M. sichergestellten Aufstellung über die Verwendung von FDLR-Geldern finden sich unter anderem Kosten für ein Visum der DR Kongo, Aufenthaltskosten für eine Woche mit acht Personen in Beni, Transportkosten Beni - Lubero und Transportkosten Lubero - Kasindi.
Bei diesem Besuch ist der Angeklagte Dr. M. vom Zeugen 10N., der als Leibwächter für FDLR-Politiker eingesetzt war, gesehen worden. Dieser sagte aus, der Präsident habe seine Einheit im Jahr 2003 besucht. Dies sei nördlich von Hombo gewesen. Dr. M. habe hochrangige Offiziere wie Oberst O. und auch den FOCA-Kommandeur S.M. besucht. Er selbst habe mit dem Präsidenten nicht gesprochen, er sei jedoch für dessen Sicherheit zuständig gewesen.
bb)
Die weiteren Reisen zu den Führungskräften der FDLR in den Kongo sind belegt durch zahlreiche Aussagen der vernommenen ehemaligen FDLR-Zeugen.
Beispielsweise sagte der Zeuge 1S.B. zur Person des Angeklagten Dr. M. befragt aus, er habe diesen schon zweimal gesehen, an die genauen Daten könne er sich jedoch nicht erinnern. Er habe ihn das erste Mal 2004 oder 2005 gesehen, das zweite Mal Ende 2005 oder Anfang 2006. Beim ersten Mal sei der Angeklagte Dr. M. nach der Versammlung von Rom in den Kivu gekommen. Mit ihm sei über das, was in Rom verhandelt wurde, debattiert worden. Beim zweiten Besuch habe der Angeklagte Dr. M. den Kongress der FDLR geleitet. Dies sei der einzige Kongress der FDLR gewesen, der bislang stattgefunden habe.
Der Zeuge 5B. schilderte, er habe den Angeklagten Dr. M. das erste Mal in Kalongi gesehen. Dieser habe als Präsident der FDLR das FOCA-Hauptquartier besucht. Der Präsident habe den Soldaten Mut zugesprochen und gesagt, sie müssten mutig sein, um ihre Aufgabe zu erfüllen, nämlich zu kämpfen und Ruanda zu erobern. Insgesamt habe er den Angeklagten Dr. M. dreimal gesehen, im März 2005, Ende 2005 und im Januar oder Februar 2006. Dr. M. habe bei seinem ersten Besuch über die Verhandlungen in Rom unter der Führung von Sant’ Egidio berichtet. Der Präsident habe die Botschaft mitgebracht, dass man über eine friedliche Rückkehr verhandeln solle. Beim zweiten Besuch habe es eine Krise innerhalb der FDLR gegeben. Ein Teil der FDLR habe rebelliert und die FDLR verlassen. Der Angeklagte Dr. M. sei gekommen, um zu versuchen, diese Krise zu lösen und die Rebellen zur Rückkehr zu bewegen. Er habe den Angeklagten Dr. M. jeweils in Kalongi gesehen. Man habe den Angeklagten Dr. M. als den FDLR-Präsidenten respektiert, so habe es einen Empfang aus Anlass des Besuchs gegeben. Dr. M. habe eine Rede vor den Soldaten und denjenigen Zivilbürgern gehalten, die gekommen seien, um ihn zu sehen. Beim ersten Besuch habe Dr. M. Geld von der Regierung des Kongo mitgebracht, denn es habe FDLR-Soldaten gegeben, die früher für den Kongo gekämpft hatten. Das Geld sei Sold gewesen, den sie bislang nicht erhalten hatten.
Der Zeuge 2G. sagte aus, dass er als Stellvertreter des Kommissars für juristische Angelegenheiten an allen Versammlungen des Comité Directeur teilgenommen habe. Es habe eine CD-Versammlung im Frühjahr 2005 gegeben, die von Dr. M. geleitet worden sei und in der die Verhandlungen von Rom vorbereitet worden seien. Die Repräsentanten der FDLR in Rom seien nicht einer Meinung gewesen, sie hätten jedoch schließlich die Erklärung von Rom unterschrieben, um nicht ergebnislos zurückzukehren. In einer weiteren Versammlung habe Dr. M. für die Ergebnisse von Rom geworben. Jedoch seien die Soldaten die Leute in der FDLR, welche die Macht hätten. Diese hätten Dr. M.s Linie nicht akzeptiert, auch Zivilisten hätten dies teilweise nicht akzeptiert. Die Ergebnisse von Rom seien dann im Kongo von den Repräsentanten vorgestellt worden, aber die Leute dort hätten nicht überzeugt werden können. Sowohl die Versammlung des Oberkommandos als auch die Versammlung des Comité Directeur seien gegen die Ergebnisse der Verhandlungen von Rom gewesen. Aus diesem Grund sei in der CD-Versammlung über eine Umsetzung der Ergebnisse von Rom gar nicht mehr formell abgestimmt worden.
Der Zeuge 7N. wusste als ehemaliger Personenschützer S.M.s eine Vielzahl von Details zu den Besuchen des Angeklagten Dr. M. zu berichten. Auch er sagte aus, dass der Angeklagte Dr. M. die FOCA-Soldaten zweimal besucht habe, einmal im Jahr 2005 und einmal in 2006. Beim ersten Besuch habe Dr. M. Geld von Kinshasa mitgebracht. Kinshasa habe den FOCA-Soldaten Geld geschuldet. Das zweite Mal sei Dr. M. zu einem Kongress der FDLR gekommen. Als Leibwächter S.M.s sei er auch in Dr. M.s Nähe gewesen. Dieser habe Kommunikationsgeräte, nämlich Computer und Thuraya-Telefone, mitgebracht, die S.M. bekommen habe.
Der Zeuge 2S. war als Sekretär unmittelbar in S.M.s Nähe. Auch er berichtete von zwei Besuchen Dr. M.s bei den FOCA-Soldaten. Dr. M. habe während seiner Aufenthalte im Kongo Versammlungen abgehalten. Der Zeuge erinnerte sich an eine Versammlung des Comité Directeur, die Dr. M. während seines Besuchs abgehalten habe. Damals habe es das Abkommen von Rom gegeben und Dr. M. habe dieses Abkommen erklären wollen, damit die Leute es verstehen. Vor dieser CD-Versammlung habe zunächst die Versammlung des Oberkommandos stattgefunden. Der Zeuge erinnerte sich, dass man den Angeklagten Dr. M. an diesem Tag zur Versammlung des Oberkommandos eingeladen hatte, dieser habe dann das Ergebnis von Rom erklärt. Er selbst habe mit Dr. M. gesprochen, weil er im Sekretariat gearbeitet und Protokolle von diesen Versammlungen verfasst habe. In seinem Rang innerhalb der Hierarchieebene hätte er sonst mit Dr. M. nicht sprechen können. Bei einem seiner Besuche habe Dr. M. einen hohen Geldbetrag in US-Dollar mitgebracht. Man habe gesagt, dass es sich um Soldrückstände der Soldaten vom Westen gehandelt habe. Nach den Versammlungen der FDLR habe es Veranstaltungen gegeben, zu denen die ruandischen Flüchtlinge und einheimische kongolesische Zivilisten gekommen seien, um Dr. M. zu sehen.
cc)
Die Reisen werden zusätzlich durch weitere beim Angeklagten Dr. M. sichergestellte Asservate belegt, wie den Reservierungsbeleg der Air France, die Sichtvermerke im Reiseausweis Dr. M.s und den Flugschein der MONUC sowie Fotografien, welche den Angeklagten Dr. M. beim Abschreiten einer Formation angetretener Milizionäre zeigen.
Des Weiteren fand sich bei Dr. M. die handschriftliche Tagesordnung für eine am 31. Dezember 2005 abgehaltene Versammlung mit der Führung des Bataillons Bahama.
Beim Angeklagten Dr. M. wurde zudem ein Beschlussprotokoll des FDLR-Kongresses vom 24. bis 31. Januar 2006 sichergestellt. Das Dokument wurde mit Datum 1. Februar 2006 in Kalongi von einem „14K." als Berichterstatter und dem Angeklagten als Präsident der FDLR gezeichnet.
f) Ernennung von Führungspersonen und Abnahme von Eiden
Die Ernennung von Führungspersonen der FDLR durch den Angeklagten Dr. M. als Präsident der FDLR und die Abnahme von Eidesleistungen durch ihn als Präsidenten ergibt sich beispielsweise aus Folgendem:
aa)
Mit einer SMS vom 22. April 2007 forderte der 2. Vizepräsident B. den Angeklagten Dr. M. auf, 5T. [Echtname: 1I.N.], der im Büro des 2. Vizepräsidenten arbeitete, telefonisch den Eid abzunehmen.
bb)
In einer auf dem Laptop des Angeklagten Dr. M. sichergestellten Datei namens „Promotions au Grade de Gen de Brigade - SMS doc“ fanden sich mehrere versandte SMS mit diesem Wortlaut:
„Akt Nr. 04 /Juli/2007; Beförderung in den Rang eines FDLR/FOCA-Brigadegenerals Dadurch dass unser Organisation in einer außergewöhnlichen Situation ist, dass sie weiter in einer dynamischen geopolitische Umfeld funktionieren soll und ihre festgelegte ehrenhafte Ziele erreichen soll, …, nach § 40 FDLR-Manifest und Satzung und nach der üblichen Sitzung des FDLR/ FOCA (Abacunguzi) Oberkommandos vom 26. -30. Juni 2007 entschied Dr. M. (FDLR Präsident): Folgende Offiziere werden zum General befördert:
Oberst 2L.M., Oberst 1A.L., Oberst 2I.D.-
Diese Entscheidung tritt am Tag der Unterzeichnung in Kraft.
Bonn, den 15. Juli 2007
Dr. M.
FDLR Präsident“
g) Gerichtsmitglied und Entscheidung über Gnadengesuche
aa)
Als Präsident der FDLR war der Angeklagte Dr. M. nach Art. 25 des Reglements über die Gerichtsinstanzen auch Mitglied von FDLR-Gerichten. Art. 25 hat folgenden Wortlaut:
„Der Präsident des Allgemeinen Kriegsgerichts muss mindestens den Dienstgrad eines Oberst haben. Der Präsident des Gerichts muss einen höheren Dienstgrad haben als der Beschuldigte. Wenn die Anklage gegen den FOCA-Kommandanten gerichtet ist oder einen Angeklagten, der im Rang eines Generals steht, muss der PRESIDEF [Präsident der FDLR] oder sein Vertreter Präsident des Gerichts sein“.
So wurde er etwa am 2. Februar 2008 per SMS vom FOCA-Kommandanten S.M. alias 17M. über den Prozess gegen den Generalstabschef 2L.M. informiert und darauf hingewiesen, dass er oder ein Vertreter nach Art. 25 des Reglements über die Gerichtsinstanzen an dem Prozess teilnehmen müsse.
bb)
Zudem war der Angeklagte Dr. M. als Präsident der FDLR mit der Entscheidung über Gnadengesuche von durch FDLR-Gerichte Verurteilter zuständig und tatsächlich auch tätig.
Am 29. Dezember 2008 wurde er vom 2. Vizepräsidenten G.I. mittels SMS über einen am Standort des FOCA-Hauptquartiers durchgeführten Prozess gegen 14 Personen wegen Giftmordes informiert, im Rahmen dessen zwei Personen zum Tode verurteilt worden waren. In der am 13. November 2008 durchgeführten Verhandlung zweiter Instanz wurden diese Personen erneut zum Tode verurteilt. Der Angeklagte Dr. M. wurde in dieser Mitteilung aufgefordert, über die am 21. Dezember gestellten Gnadengesuche zu entscheiden. Am 20. Januar 2009 wurde er vom 2. Vizepräsidenten in einer SMS erneut um Entscheidung gebeten und darauf hingewiesen, dass nur der Präsident Leute begnadigen könne.
h) Motivation der FDLR-Mitglieder
Der Senat fand zahlreiche Belege dafür, dass der Angeklagte als Präsident und „oberster Führer“ Botschaften an die FDLR-Angehörigen in den Kivu-Provinzen richtete, in denen er sie in ihrer Arbeit für die Organisation bestärkte.
In einer auf dem Laptop des Angeklagten Dr. M. befindlichen SMS an die Mitglieder des FOCA-Oberkommandos anlässlich dessen Versammlung vom 24. Juni 2007 informierte er über den Kabinettsdirektor die Mitglieder des Oberkommandos unter anderem über die Sanktionen der Vereinten Nationen gegen die Organisation, über seine kurzzeitige Inhaftierung in Deutschland und forderte sie auf, mit Geduld, Fleiß und Disziplin an der Rückkehr nach Ruanda zu arbeiten. Die Botschaft unterzeichnete er mit seinem Namen und dem Zusatz „Euer oberster Führer“.
Zu solchen Botschaften sagte etwa Oberleutnant 5N. aus, dass der Angeklagte Dr. M. den kämpfenden Soldaten Botschaften gesandt habe. So habe dieser vor „Umoja Wetu“ in einer Botschaft den Kämpfern Mut zugesprochen und gesagt, dass es bald viele Probleme geben werde. Dr. M.s Botschaften hätten unter anderem bewirkt, dass die Soldaten an den kirchlichen Festtagen gebetet und gefastet und die schlechten Tage, in denen sie lebten, Gott gewidmet hätten. An historischen Gedenktagen hätten die Botschaften dazu beigetragen, dass sich die Leute an ihr Heimatland erinnert hätten.
Der Zeuge 8N., der als Leutnant im Hauptquartier der Reservebrigade diente, machte ebenfalls Angaben zum Inhalt der Botschaften des Angeklagten Dr. M.. Diese Botschaften seien beispielsweise zum Neuen Jahr gekommen und hätten Wünsche zu einem guten Leben enthalten. Die Soldaten im Hauptquartier hätten diese Botschaften an die Untereinheiten geschickt und diese seien in der Folge den Soldaten von deren Vorgesetzten vorgelesen worden. In diesen Botschaften sei es hauptsächlich um Glückwünsche gegangen, er selbst habe nie von einer Botschaft Dr. M.s gehört, die militärische Befehle enthalten habe.
Ähnliches sagte auch der Zeuge 9N. aus, der im Schutzbataillon des Hauptquartiers für den Schutz von FDLR-Politikern zuständig war. Danach hätten die Soldaten vom Angeklagten Dr. M. nie Befehle erhalten. Die Soldaten hätten allerdings von ihm Botschaften erhalten, etwa mit der Aufforderung, für den Erfolg im Krieg zu beten.
i) Entgegennahme von Berichten der Organisation aus dem Kivu
Der Angeklagte Dr. M. wurde als Präsident von politischen und militärischen Verantwortlichen fortlaufend über die Ereignisse in den Kivu-Provinzen informiert. So übermittelten in den Jahren 2007 und 2008 insbesondere 2M.M. alias 4L., G.I. alias 8R. und Oberst P.N. alias O. dem Angeklagten Dr. M. mittels SMS und Thuraya-Telefon militärische Einzelheiten zu Kämpfen gegen den CNDP, die FARDC und andere militärische Gruppierungen. Zahlreiche dieser SMS konnten auf dem Laptop des Angeklagten Dr. M. sichergestellt und in die Hauptverhandlung eingeführt werden.
Einzelheiten und Inhalte dieser Berichte und Meldungen sind nachfolgend unter Teil 3 D. V. 3. b) dargestellt.
j) Öffentlichkeits- und Propagandaarbeit
Dass die umfangreiche Öffentlichkeits- und Propagandaarbeit der FDLR bereits vor „Umoja Wetu“ im Wesentlichen vom Angeklagten Dr. M. in enger Absprache mit dem Exekutivsekretär 16M. geleistet wurde, ergibt sich aus den Aussagen ehemaliger FDLR-Kämpfer, die berichteten, über BBC Ansprachen ihres Präsidenten gehört zu haben und durch diese in ihrer Arbeit und im Kampf für die FDLR motiviert worden zu sein. Bestätigt wird die Wirkung dieser Öffentlichkeitsarbeit auch durch den Inhalt zahlreicher SMS von FDLR-Angehörigen aus den Kivu-Gebieten an den Angeklagten Dr. M.. Der Umfang der Öffentlichkeitsarbeit ergibt sich darüber hinaus vor allem aus zahlreichen Pressekommuniqués, die über die Internetseite www...org verbreitet und vom Angeklagten Dr. M. als Präsident der FDLR unterzeichnet wurden.
2. Keine Ausübung des Oberbefehls über die FDLR-Streitkräfte
Der Senat konnte sich nach Durchführung der umfangreichen Beweisaufnahme nicht davon überzeugen, dass der Angeklagte Dr. M. als Präsident der FDLR tatsächlich auch Oberbefehlshaber über deren militärischen Teil - der FOCA - war.
Zwar können mehrere Argumente dafür sprechen, dass der Angeklagte Dr. M. Oberbefehlshaber der FDLR gewesen sein soll, jedoch lassen sich diese nach der durchgeführten Beweisaufnahme entweder nicht ausreichend belegen oder sind durch die Aussagen der vernommenen Zeugen und die Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung widerlegt.
a) Entkräftete Argumente für eine Befehlshaberschaft des Angeklagten
Nachfolgende Argumente wurden von der Anklage ins Feld geführt, dass der Angeklagte Dr. M. Oberbefehlshaber der FDLR gewesen sein soll. Diese sind aber im Rahmen der Beweisaufnahme widerlegt worden.
aa)
Nach Art. 24 des Reglement der Inneren Ordnung der FDLR zählt es zu den Aufgaben des Präsidenten der FDLR, den Oberbefehl über die Streitkräfte auszuüben. Art. 24 ROI hat folgenden Wortlaut:
„Die hauptsächlichen Zuständigkeitsbereiche des Vorsitzenden der FDLR sind:
- die rechtliche Vertretung der FDLR auf nationaler und internationaler Ebene,
- Einberufung und Vorsitz der Sitzungen des Exekutivkomitees, des Leitungskomitees, des Nationalen Widerstandskomitees sowie des Nationalkongresses der FDLR;
- Wahrnehmung der obersten Führung der Streitkräfte;
- Einsatz und Abzug der Streitkräfte nach Entscheidung des Nationalen Widerstandskomitees;
- Abschluss und Abbruch von Allianzen sowie Ernennung von Vertretern der FDLR nach Entscheidung des Nationalen Widerstandskomitees;
- Ergreifen einer jeden Maßnahme und jeglichen Initiative, die geeignet ist, der Organisation das Erreichen ihrer Ziele zu gestatten.“
bb)
Auch bezeichnete der Angeklagte Dr. M. sich selbst in einem Gespräch mit den HRW-Mitarbeitern A.VW. und T.P. am 10. August 2009 in M... als „Supreme Commander“, relativierte diese Aussage jedoch bereits im Verlaufe des Gesprächs wieder.
Die Zeugin VW. schilderte hierzu in ihrer Aussage in der Hauptverhandlung detailliert die Einzelheiten des Treffens und den Inhalt des dabei geführten Gesprächs. Sie berichtete, dass das Gespräch ca. vier Stunden gedauert und sie sich dabei Notizen in ein Notizbuch geschrieben habe. Sie hätten das Gespräch in französischer Sprache geführt, die Unterhaltung sei fließend gewesen. Im Gespräch habe sie den Angeklagten Dr. M. zunächst über seinen eigenen Hintergrund befragt. Sie hätten über seinen Hintergrund in Ruanda und über seine Familie im Genozid und über das Schicksal der Flüchtlinge, als die ruandische Armee die Lager angegriffen habe, gesprochen. Danach habe sie ihn über seine Rolle in der FDLR befragt und wie er Präsident der FDLR geworden sei. Sie hätten sich einige Zeit über dieses Thema unterhalten, denn sie habe Klarheit über seine Befehlsverantwortung haben wollen. Dr. M. habe die Struktur der FDLR und die Entscheidungsfindung beschrieben. Er habe über die FDLR-Organe Comité Directeur und Kongress berichtet. Sie habe wissen wollen, wie die Entscheidungsfindung funktioniere, wenn die Mitglieder der Organe so verstreut seien. Er habe erwidert, dass man sich nicht persönlich treffen müsse und Entscheidungen auch über Telefon oder E-Mail getroffen würden. Weiter habe er gesagt, dass sich das Comité Directeur halbjährlich treffe. Sie habe wissen wollen, wie seine Rolle im Verhältnis zum Comité Directeur sei. Er habe ihr gegenüber zu diesem Zeitpunkt eindeutig gesagt, dass er Oberbefehlshaber sei, er habe dabei mehrfach die Worte „Supreme Commander“ gebraucht. Auf Nachfrage zum Verhältnis des „Supreme Commander“ gegenüber dem FOCA-Kommandeur S.M. habe Dr. M. eindeutig gesagt, dass er derjenige sei, der S.M. Befehle erteile. Die Zeugin fügte hinzu, dass es allerdings nicht ungewöhnlich sei, wenn sie die Führer von Tätern befrage, dass sich diese zu Beginn in eine „Rüstung von Macht begeben“ und sich als Schlüsselfigur bezeichnen. Anschließend hätten sie über die Verbrechen gesprochen, die HRW im Ostkongo dokumentiert habe. Sie sei mit Dr. M. mehrere konkrete Fälle der Tötung von Zivilisten, insbesondere den Angriff auf Busurungi durchgegangen. Nach der Diskussion über die konkreten Verbrechen habe sie ihn mit den Drohbriefen konfrontiert, die HRW in der DR Kongo gesammelt habe. Als Reaktion habe er immer wieder erklärt, dass Leute versuchten, den Namen der FDLR schlecht zu machen. Sie hätten vereinbart, dass er weitere Ermittlungen bzgl. der Verbrechensvorwürfe und Drohbriefe durchführen werde. Sie sei daraufhin zur Frage zurückgekehrt, ob er der oberste Befehlshaber sei. Sie habe ihn gefragt, ob er diese Angriffe angeordnet habe. Zu diesem Zeitpunkt habe Dr. M. allerdings seine Rolle als oberster Befehlshaber mit dem Argument, dass im Wald [d.h. im Kriegsgebiet] S.M. für die Befehle zuständig sei, wieder deutlich relativiert. Dr. M. habe sich auch mit Worten von den Verbrechen distanziert.
cc)
Des Weiteren äußerte der Angeklagte Dr. M. in einem Interview mit dem Fernsehmagazin „FAKT“ des Mitteldeutschen Rundfunks vom 3. November 2008, die FDLR sei eine vom Präsidenten bis zu den unteren Ebenen straff organisierte Organisation. Er betreue die Organisation, sei ihr Präsident und wisse ganz genau, was passiere.
dd)
Schließlich bezeichnete er sich gegenüber Pater 15M. 2Z. von der Gemeinschaft Sant’ Egidio als „Präsident der FDLR und gleichzeitig höchster Chef der FOCA“ und erklärte diesem, dass nach der Satzung der FDLR ihm das Oberkommando der FOCA den neuen Kommandanten der FOCA vorschlage, und er diese Entscheidung akzeptieren könne oder nicht.
b) Keine Befehlsgebung durch den Angeklagten
Der Senat teilt aufgrund der im Folgenden aufgeführten Umstände und seines vom Angeklagten Dr. M. in der Hauptverhandlung gewonnenen Eindrucks die Vermutung der Zeugin VW., dass der Angeklagte Dr. M. seine Rolle innerhalb der Organisation und insbesondere seine Einflussmöglichkeiten auf die FOCA gegenüber Medienvertretern und auch anderen Gesprächspartnern unrealistisch darstellte.
Denn tatsächlich übte der Angeklagte Dr. M. diese ihm formell als Präsident der FDLR zugewiesene oberste militärische Befehlsgewalt zu keiner Zeit aus.
Zwar hat der Senat nach Vernehmung zahlreicher ehemaliger FOCA-Soldaten die Überzeugung gewonnen, dass die Soldaten der FDLR - vom einfachen Dienstgrad bis zum hohen Offizier - den Angeklagten Dr. M. zumeist persönlich aufgrund dessen Besuchen in den Jahren 2005 und 2006 in den Kivu-Provinzen, zumindest aber aufgrund dessen von den Führungsoffizieren verlesenen Botschaften oder aus Berichten und Erzählungen kannten. Demzufolge akzeptieren und respektierten sie ihn als politischen Führer der Gesamtorganisation FDLR.
Jedoch hat der Angeklagte Dr. M. tatsächlich in den Jahren 2008 und 2009 keinen militärischen Befehl oder eine konkrete strategische Weisung zur Umsetzung an die FOCA-Führung erteilt (dazu aa)); sich als Präsident der FDLR in keinem Fall gegen die Praktiken und Wünsche des Militärs gestellt, selbst wenn sie ihm missfielen und sich selbst auch nicht in der Lage gesehen, den Soldaten Befehle oder Anweisungen zu geben (dazu bb)).
aa)
Der von Deutschland aus sein Präsidentenamt ausübende Angeklagte Dr. M. hat zu keiner Zeit einen militärischen Befehl oder eine konkrete strategische Weisung zur Umsetzung an die FOCA-Führung erteilt, also Befehlsgewalt jemals persönlich ausgeübt.
Schon der Angeklagte M. beteuerte im Rahmen seiner Einlassung mehrfach, dass er und der Angeklagte Dr. M. als Politiker keine Befehle an FOCA-Soldaten hätten erteilen dürfen.
Diese Einlassung wird zumindest insoweit durch die Aussagen sämtlicher zu dieser Frage vernommener ehemaliger FOCA-Soldaten bestätigt, als keiner der in Stuttgart vernommenen Zeugen aussagte, dass er vom Angeklagten Dr. M. oder dem Angeklagten M. einen unmittelbaren militärischen Befehl erhalten habe. Ebenso verneinten sie übereinstimmend, jemals selbst erlebt oder auch nur davon gehört zu haben, dass der Angeklagte Dr. M. unter Umgehung der Führung der FOCA einzelnen FOCA-Angehörigen oder FOCA-Einheiten Befehle erteilt habe. Vielmehr betonten die Zeugen, dass die kämpfenden Einheiten der FDLR im Osten der DR Kongo - wie in militärischen Strukturen üblich - ausschließlich Befehle der militärischen Führung vor Ort erhalten hätten.
So sagte etwa der Zeuge 1S.B., der als Generalstabsoffizier (G 5) im FOCA-Hauptquartier diente, aus, er habe nie von einem Befehl gehört oder einen solchen gesehen, der vom Präsidenten gekommen sei, denn der Präsident habe keinen Generalstab, der für ihn gearbeitet habe. Dieser sei Laie in militärischen Angelegenheiten. Der FOCA-Kommandant S.M. habe auch nicht gewollt, dass die Politik Einfluss auf die Soldaten habe.
Oberleutnant 5N., Angehöriger des Bataillons Sabena, formulierte die Rolle des Angeklagten Dr. M. wie folgt: „Von einem militärischen Befehl Dr. M.s habe ich nichts gehört, weil die Befehle vom militärischen Flügel gekommen sind. Die Befehle an uns wurden immer vom militärischen Flügel gegeben. Dr. M. hatte als Präsident nicht die Macht, uns Befehle zu geben, militärische Befehle haben wir von der FOCA bekommen. Was er uns geben konnte, waren Botschaften. So hat er vor „Umoja Wetu“ die Botschaft gegeben, dass er den Kämpfern Mut zugesprochen und gesagt hat, dass es bald viele Probleme geben wird.“
Ähnliches sagte auch der Zeuge 9N. aus, der im Schutzbataillon des Hauptquartiers eingesetzt war. Danach hätten die Soldaten vom Angeklagten Dr. M. nie Befehle erhalten, da er dafür nicht zuständig gewesen sei. Die Soldaten hätten allerdings Botschaften bekommen, etwa des Inhalts, dass die Leute für den Erfolg im Krieg beten sollten. Die Politiker könnten den Militärs keine Befehle erteilen, sie könnten allenfalls die Militärs informieren.
In Übereinstimmung hierzu sagte der Zeuge 15N., der Vizekommandant des Bataillons PM war, aus, dass der Angeklagte Dr. M. den Soldaten Botschaften gesandt habe. Diese Botschaften hätten Glückwünsche für das neue Jahr beinhaltet oder dass die Soldaten sich gedulden sollen, weil es Verhandlungen gebe. Es habe von Dr. M. nur solche Botschaften gegeben, jedoch keine militärischen Befehle. Zwischen Botschaften und militärischen Befehlen müsse unterschieden werden. Wenn es eine geplante militärische Aktion gegeben habe, habe Generalmajor S.M. diese Aktion vorbereitet. Dieser habe nach deren Ausführung Dr. M. über das informiert, was passiert sei. S.M. habe Dr. M. nicht nach seiner Meinung gefragt, er habe diesen nur im Nachhinein informiert. Auf Vorhalt von Art. 24 der ROI erwiderte der Zeuge, dass er nicht verstehen könne, wie Dr. M. Führer der Armee sein solle. Dieser sei Zivilist und könne keine Befehle geben. Der Präsident spiele eine Rolle in der Politik, aber keine Rolle beim Militär. Der Präsident habe nie militärische Befehle erteilt und er denke, dass die Soldaten solche auch nicht befolgt hätten. Auch wenn es in der FDLR zwei Flügel gebe, so habe der militärische Flügel doch mehr Kraft. Dieser habe mehr zu sagen.
bb)
Der Angeklagte Dr. M. hat sich - soweit feststellbar - als Präsident der FDLR in keinem Fall gegen die Praktiken und Wünsche des militärischen Flügels gestellt, selbst wenn diese ihm missfielen, und er sah sich selbst auch nicht in der Lage, den Soldaten Befehle zu geben.
Dies zeigt sich deutlich in einem Telefongespräch, das zwischen ihm und dem 2. Vizepräsidenten G.I. (8R.) am 10. Oktober 2009 geführt wurde. In dem Gespräch sagte der Angeklagte Dr. M., er halte es für besser „mit dem Kommandanten-FOCA nicht die Kräfte zu messen“ und erwiderte auf die ihm mitgeteilten Plünderungen und illegalen Eheschließungen durch das Militär, er werde die Leute indirekt an die Disziplin erinnern und ihnen sagen, dass sie die Besitztümer der lokalen Bevölkerung respektieren müssten.
In einem Gespräch zwischen dem FDLR-Sympathisanten V.K. und dem Angeklagten M. am 10. Mai 2009 sagte dieser, der Angeklagte Dr. M. habe den Leuten auf dem Terrain gesagt, dass alle Kämpfer mit dem Handel aufhören sollten. Diese hätten Dr. M. jedoch widersprochen und gesagt, er könne den Leuten nicht das verbieten, wovon sie sonst leben müssen, wenn sie stattdessen keinen Sold erhielten.
In einer E-Mail vom 11. Mai 2009 wurde der Angeklagte Dr. M. von 4L. darüber informiert, dass Soldaten des Bataillons Someca die Ortschaft Butolongola in Brand gesetzt hätten. In seiner E-Mail vom selben Tag antwortete der Angeklagte Dr. M. wie folgt:
„Danke, dass du mich über die Situation dort auf dem Terrain informierst hast. Die Situation wird wirklich für die FARDC/APR/MONUC nicht einfach sein, vor allem, wenn sie mit den Angriffen im Süd-Kivu anfangen. Man muss immer wieder den „Abacunguzi" überall, wo sie sich befinden sagen, dass sie Disziplin halten sollen. Sie sollen nicht die Bevölkerung quälen. Kinshasa hat diesen Krieg verursacht. Die Bevölkerung kann nichts dafür. Die Bürger haben nichts gegen uns, sie wollen uns in Ruhe lassen, bis wir in unsere Heimat zurückkehren können. Wir müssen für die Folgen dieses Kriegs nur noch beten. Mehr können wir nicht machen …“
Obwohl er somit diesen Angriff auf die Zivilbevölkerung verurteilte, erließ der Angeklagte Dr. M. keinen Befehl, die Zivilbevölkerung zu schonen, sondern sah in diesem Appell an die Disziplin der FDLR-Soldaten und in Gebeten das einzige Mittel, die lokale Bevölkerung vor Übergriffen der FDLR zu schützen. Er unterließ diesen, obwohl er von 4L. in einer weiteren E-Mail vom 13. Mai 2009 ausdrücklich aufgefordert wurde, einen entsprechenden Befehl zu schicken oder mit den Kommandeuren der Einheiten zu sprechen.
c) Keine Kontrollmöglichkeit des Angeklagten
Auch hatte der in Deutschland lebende Angeklagte Dr. M. keine Möglichkeit, irgendeine Kontrolle über die FOCA auszuüben. Der letzte Besuch des Angeklagten Dr. M. in der Kriegsregion war im Jahr 2006 erfolgt. Vom FOCA-Kommando wurde er nicht im Voraus über deren geplante militärische Operationen informiert. Wenn der Angeklagte Dr. M. vom FOCA-Kommando über die Durchführung militärischer Operationen informiert wurde, erfolgte dies erst im Nachhinein nach deren Durchführung. Mitteilungen über das Verhalten von FOCA-Soldaten, wenn solches den Regeln der FDLR bzw. FOCA oder dem humanitären Völkerrecht widersprach, erfolgten an den Angeklagten Dr. M. nicht durch die militärischen Führer.
So erklärte der Zeuge 1S.B. (G 5), dass der Angeklagte Dr. M. bei den Soldaten und Flüchtlingen zwar sehr beliebt gewesen sei. Aber weil Dr. M. nicht vor Ort gelebt habe, habe dieser nicht richtig gewusst, was dort laufe. Deswegen habe Dr. M. auch keine Anweisungen geben können, dass mit manchen Sachen aufgehört werden müsse. S.M. und 8R. hätten daher tatsächlich die Führung innegehabt. Dr. M. habe geglaubt, was diese ihm gesagt hätten, denn diese seien seine direkten Untergebenen gewesen. Er habe immer wieder gehört, dass Dr. M. 9B. und 2D.M. nicht geglaubt habe. Denn man habe diese für junge Leute gehalten, die ehrgeizig seien und die Älteren von der Macht weghaben wollten. Deswegen habe man 9B. und 2D.M. nicht geglaubt. Der Angeklagte Dr. M. sei von S.M. nicht über alles informiert worden, was in der FOCA geschehen sei.
Der Zeuge 15N. (Vizekommandant PM) schilderte dazu, wenn eine militärische Aktion geplant wurde, habe Generalmajor S.M. diese Aktion vorbereitet. Erst nach deren Ausführung habe S.M. den Angeklagten Dr. M. über das informiert, was passiert sei. S.M. habe Dr. M. nicht nach seiner Meinung gefragt, er habe diesen nur im Nachhinein informiert.
d) Keine tatsächliche Möglichkeit der Verbrechensverhinderung
Der Senat ist aus den nachfolgenden Umständen der Überzeugung, dass der Angeklagte Dr. M. auch nicht die tatsächlichen Möglichkeiten besaß, gegen den Willen der militärischer Führung Kriegsverbrechen der FOCA-Soldaten zu verhindern, weil diesbezüglich das Militär der mächtige und bestimmende Flügel der Organisation FDLR war und ist.
Der Angeklagte Dr. M. hatte zwar nach der Satzung der FDLR eine herausgehobene Stellung und wurde nach den übereinstimmenden Aussagen der hierzu vernommenen ehemaligen FDLR-Angehörigen von den FDLR-Mitgliedern als „oberster Führer“ betrachtet.
Er hatte jedoch weder nach den Gesetzen der FDLR noch nach den tatsächlichen Machtverhältnissen innerhalb der Organisation als Präsident der FDLR oder als Vorsitzender des Comité Directeur die Möglichkeit, den FOCA-Kommandanten S.M. seines Amtes zu entheben. Hierüber entschied nämlich das FOCA-Oberkommando, dessen Vorsitzender gerade S.M. war und ist, und dessen Mitglieder hohe FOCA-Offiziere waren, die in ihrer Funktion von diesem eingesetzt worden waren und von dessen Wohlwollen abhingen. Aus diesem Grund konnte sich S.M. vollumfänglich auf die von ihm in der Kommandostruktur und im FOCA-Oberkommando platzierten Gefolgsleute verlassen. Zudem genoss Generalmajor S.M. als erfahrener Militärstratege, der die „Forces speciales“ aus dem eingekesselten Lager Kamina bis in den Osten des Kongo geführt hatte, die Achtung nahezu sämtlicher FOCA-Angehöriger. Des Weiteren waren ihm die innerhalb der FOCA am besten ausgerüsteten Einheiten der Reservebrigade treu ergeben. Wer ihn daher innerhalb der FOCA nicht achtete, fürchtete jedenfalls die Macht S.M.s, so dass es zu ernsthaften Widerständen gegen seine Linie innerhalb des Militärs nie kam.
Hierzu sagte der Zeuge 1S.B. (G 5) aus, dass diejenigen im Comité Directeur ein Übergewicht hätten, die im Kongo lebten. Die gesamte militärische Kraft habe dort das Sagen gehabt. Diejenigen, die in Europa lebten, hätten weniger Einfluss gehabt, sie hätten auch die Realität vor Ort nicht gekannt. Es sei daher nicht möglich gewesen, dass die Leute aus Europa den Leuten aus dem Kongo Vorschriften machen konnten. Die Arbeit der Leute in Europa sei „eher diplomatisch als operationell“ gewesen. Jedoch habe es im Comité Directeur keinen Fall gegeben, in dem die beiden Flügel sich nicht hätten einigen können. Seiner Meinung nach hätte der Angeklagte Dr. M. nicht die Möglichkeit gehabt, Plünderungen oder andere Übergriffe zu verbieten. Diese seien nämlich in Kenntnis und mit Willen von S.M. geschehen. Dieser habe erklärt, dass Plünderungen durchgeführt werden müssten. In solchen Fällen habe er abschätzig von Dr. M. wegen dessen hellerer Hautfarbe vom „kleinen Weißen“ (Kasungu) gesprochen und gesagt, dass die in Europa keine Ahnung hätten, wie sie hier lebten, die hätten ja „Brot mit Mayonnaise“ zu essen.
Ähnlich schätzte der Zeuge 2G. die Machtverhältnisse ein, der aussagte, dass die Politiker nicht in der Lage gewesen seien, eine Entscheidung des Militärs rückgängig zu machen. Sie seien zu schwach dafür gewesen. Derjenige, der die Waffen habe, habe auch die Macht. Die Militärs hätten immer befürchtet, dass ihre Souveränität durch die Einmischung der Politiker beeinträchtigt werde. Bei der Wahl Dr. M.s zum Präsidenten hätten die Militärs einen unbelasteten Nichtmilitär als Repräsentanten für die Weltöffentlichkeit gesucht. Dr. M. verdanke sein Präsidentenamt, wie sich bei seiner zeitweiligen Entmachtung gezeigt habe, dem Einfluss des FOCA-Kommandanten S.M., nicht umgekehrt. Nur durch die Entscheidung S.M.s, als Führer des militärischen Flügels Dr. M. als gewählten Präsidenten anzuerkennen, sei der Putsch gegen diesen gescheitert. Auch habe sich S.M. der von Dr. M. anlässlich seines Besuch im Februar 2005 getätigten Anweisung, Plünderungen zu unterlassen, widersetzt. Er habe dies im November 2005 im Oberkommando damit begründet, dass die Soldaten im Wald nicht anders überleben könnten, und die Plünderungen eine Form des militärischen Training seien und die Motivation aufrecht erhielten. Außerdem hätten die Soldaten nicht gewollt, dass sich der Präsident als Zivilist in ihre Angelegenheiten einmische. Die FDLR-Angehörigen im Kongo hätten sich manchmal gefragt, ob es nicht besser sei, wenn der Führer der Armee der Präsident wäre, weil der Armeeführer „richtig etwas zu sagen“ habe.
Der Zeuge 15N. (Vizekommandant PM) sagte auf Vorhalt von Art. 24 der ROI aus, dass er nicht verstehen könne, wie Dr. M. Führer der Armee sein solle. Der Präsident spiele eine Rolle in der Politik, aber keine Rolle beim Militär. Der Präsident habe nie militärische Befehle erteilt, und er denke, dass die Soldaten solche auch nicht befolgt hätten. Auch wenn es zwei Flügel gebe, so habe der militärische Flügel doch mehr Kraft. Dieser habe mehr zu sagen. Auf die Frage, wer innerhalb der FDLR die Entscheidung über Krieg und Frieden getroffen habe, antwortete der Zeuge, dass diese Entscheidung von den Soldaten getroffen worden sei, da diese mehr Macht hätten. Der FOCA-Kommandant bzw. das Oberkommando, das über ihm stehe, habe die Entscheidung über Krieg und Frieden getroffen. Mit dieser in Art. 11, 2. Spiegelstrich der Regelungen des Oberkommandos normierten Zuständigkeit bezüglich der Entscheidung über Kampfeinsätze und deren Beendigung habe man den Präsidenten entlasten wollen. Denn dieser habe in Europa und nicht im Wald gelebt und deshalb keine genaue Kenntnis der Lage gehabt. Auch sei die Kommunikation mit Europa in Kriegszeiten schlecht möglich gewesen, weil dann zu wenig Strom zur Verfügung gestanden habe.
Noch plastischer schilderte dies der Zeuge 7N., der in der Eskorte S.M.s diente, bevor er in das Bataillon PM und die Reservebrigade versetzt wurde, und damit einen unmittelbaren Eindruck über das Verhalten S.M.s geben konnte. Der General und seine Leute hätten im Gegensatz zum Präsidenten Dr. M. im Wald gelebt. Sie hätten Dr. M. einen Vorschlag gemacht und dieser habe etwas dazu gesagt, entweder habe dieser zugestimmt oder er es abgelehnt. Wenn Dr. M. etwas abgelehnt habe, hätten sie es trotzdem gemacht, weil er nicht auf dem Terrain gewesen sei. Das sei aber nicht oft passiert. Nach einem Beispiel hierfür befragt, schilderte er, dass es begonnen habe, als Dr. M. das zweite Mal die FDLR im Kongo besucht habe. Beim ersten Besuch des Präsidenten hätten dieser und S.M. viel miteinander diskutiert. Ab 8:00 Uhr morgens habe es Versammlungen mit Offizieren gegeben. Die Kommissare vom Exekutivkomitee seien auch dabei gewesen. Danach habe ein kleiner Empfang stattgefunden und dann sei man auseinander gegangen. Nachdem die anderen sich in ihre Unterkünfte zurückgezogen hätten, seien Dr. M. und S.M. allein zurückgeblieben. Sie hätten lange miteinander zu zweit gesprochen. Um 24 Uhr seien sie auseinander gegangen. Am nächsten Tag sei es wieder so gewesen. Zu dieser Zeit habe Dr. M. Alkohol zum Beispiel Whisky getrunken. Beim zweiten Besuch sei Dr. M. „christlich gesinnt“ gewesen. Anstatt die ganze Zeit mit General S.M. zu sprechen, sei er lieber zu seinen Gebetsgruppen gegangen. S.M. sei darüber sauer gewesen und habe darüber mit dem Generalstabsoffizier (G 1) BR. gesprochen. S.M. habe gesagt „Wenn ein Hund nicht mehr Fleisch essen kann, dann ist dieser Hund tot. Wenn Dr. M. anfängt sich zu ändern, werden seine Gedanken geändert“. Dies werde Probleme in der Arbeit mit Dr. M. machen. Er habe den Eindruck gehabt, dass S.M. traurig gewesen sei, als er dies gesagt habe.
Als weiteres Beispiel nannte der Zeuge 7N., dass es den Antrag gegeben habe, einen Leutnant, der seinen Leibwächter erschossen habe, zu begnadigen. Bevor Dr. M. eine Antwort gegeben habe, hätten sie den Leutnant schon getötet. Zudem berichtete der Zeuge, Dr. M. habe in seinen Botschaften, die er nach seinen Besuchen im Kongo geschickt habe, gesagt, dass die FDLR mit den kongolesischen Zivilisten sehr gut zusammenleben solle, wie „der Fisch mit dem Wasser“, denn wenn die FDLR nicht gut mit den Zivilisten zusammenlebe, werde sie ihre Ziele nicht erreichen. Aber nicht nur in Botschaften, sondern auch bei seinem Besuch habe er dies gesagt. Die kongolesischen Zivilisten seien bei der Rede des Präsidenten anwesend gewesen und hätten sich gefreut, sie hätten gesungen und getanzt. Dr. M. habe gesagt, dass die FDLR nicht solche negativen Aktionen im Kongo begehen solle. Die FOCA-Führung habe Dr. M. zwar nicht widersprochen, sie hätten aber dessen Forderung nicht umgesetzt.
Nach den Aufgaben des 2. Vizepräsidenten 8R. befragt sagte der Zeuge 7N. aus, dass dieser höchster Politiker vor Ort und Mitglied des Exekutivkomitees, dem die Kommissare angehört hätten, gewesen sei. Die Soldaten hätten die Politiker im Exekutivkomitee eigentlich nicht so ernst genommen. S.M. habe selbst so viel Macht, dass er nie Anweisungen von den Politikern akzeptieren würde.
Dass der Angeklagte Dr. M. sich nicht gegen den FOCA-Kommandeur durchsetzen konnte, schilderte anhand von Beispielen auch der Zeuge 2S.. So sagte dieser aus, Dr. M. sei zwar der oberste Führer der FDLR gewesen sei und hätte daher nach den Regelungen der FDLR dem Oberkommando befehlen können, das Ergebnis der Verhandlungen von Rom zu akzeptieren, also die Waffen niederzulegen. Jedoch habe das Militär die Ergebnisse der Verhandlungen von Rom eben nicht akzeptiert und das Militär habe mehr Kraft als die Politik, wie man an diesem Beispiel sehen könne. Auch in anderen Dingen habe sich die Politik nicht gegen das Militär durchsetzen können. Als der FDLR-Präsident gesagt habe, diejenigen, die von Arusha gesucht würden, sollten ausgeliefert werden, seien die Leute vom Militär dagegen gewesen und dies sei auch nicht durchgeführt worden. Auch hätten die Mitglieder des Comité Directeur in Europa im Jahr 2005 im Rahmen einer CD-Versammlung gefordert, dass die Verpflegungsoperationen aufhören sollten. Das Militär habe den Politikern gesagt, diese müssten dann eine Alternative suchen, welche die Verpflegungsoperationen ersetzen könne. Da die Politiker eine Alternative nicht gefunden hätten, seien die Verpflegungsoperationen in der Folge weiter durchgeführt worden. Die Soldaten im Wald hätten gesagt, dass die Politiker in Europa lebten und daher nicht wüssten, wie hart das Leben im Wald sei.
Auf die Frage, ob er gehört habe, ob S.M. und Dr. M. im Wald als Hardliner galten, erwiderte der Zeuge 2S., dass die Leute gesagt hätten, S.M. sei ein Hardliner. S.M. würde Vorschläge Dr. M.s ablehnen und selbst Dr. M. Vorschläge aufzwingen. Von Dr. M. habe er nicht gehört, dass dieser ein Hardliner sei. Weiter schilderte der Zeuge 2S., dass Dr. M. in der Osterbotschaft 2009 die Abacunguzi darauf hingewiesen habe, dass sie verpflichtet seien, Zivilisten, die mit ihnen zusammen lebten, und auch die Kongolesen, die Zuflucht gewährt hätten, zu schützen. Die Anweisungen, die S.M. dagegen gegeben habe, seien andere gewesen. Nach dessen Anweisungen sei jeder Kongolese als Feind der FDLR zu betrachten gewesen. Anhand dieser Beispiele könne man sehen, dass die Anweisungen der politischen Führung in militärischen Angelegenheiten nicht umgesetzt worden seien. Gerade mit der Umsetzung dieses Befehls, kongolesischen Zivilisten Schaden zuzufügen, hätten mehrere Offiziere Probleme gehabt, darunter auch er und deshalb die FOCA verlassen.
e) Keine Einflussmöglichkeit auf das Militär als Vorsitzender des Comité Directeur
Die Überzeugung des Senats, dass der Angeklagte Dr. M. letztlich auch über seine ihm als Präsident der FDLR vermittelte Funktion als Vorsitzender des Comité Directeur keinen Einfluss auf den militärischen Flügel nehmen und damit die abgeurteilten Kriegsverbrechen verhindern konnte, ergibt sich aus Folgendem:
aa)
Sowohl die Nichtumsetzung der Forderung der in Europa lebenden Mitglieder des Comité Directeur, die Verpflegungsmissionen zu beenden, durch das FOCA-Kommando als auch die im gleichen Jahr erfolgte Nichtumsetzung der Ergebnisse der Verhandlungen von Rom wegen des Widerstands der Militärs im Vorfeld der CD-Versammlung, mit der Folge, dass hierüber in der CD-Versammlung schon gar nicht mehr formell abgestimmt wurde, belegen, dass der politische Flügel sich gegenüber dem Militär insoweit nicht durchsetzen konnte. Vielmehr zeigt der letztgenannte Umstand exemplarisch, dass die Versammlung des Comité Directeur sich Wünschen und Beschlüssen des Oberkommandos, welches im Vorfeld der CD-Versammlung tagte, nicht widersetzte, sondern vielmehr die zuvor vom Militär festgelegte Linie akzeptierte.
Schon aus diesem Grund spricht alles dafür, dass der militärische Flügel eine Beschlussfassung, Kriegsverbrechen durch FOCA-Einheiten kategorisch zu verbieten, verhindert hätte, weil aus Sicht der FOCA-Führung die militärische Notwendigkeit für Plünderungen und ein Vorgehen gegen die kongolesische Zivilbevölkerung bestanden hatte. Dies belegt bereits der von den Zeugen geschilderte Umstand, dass die FOCA-Führung die als Verpflegungsoperationen benannten Plünderungen bei der Zivilbevölkerung trotz entsprechender Aufforderung des Präsidenten nicht beendet hatte.
Spätestens zum Ende von „Umoja Wetu“ und mit dem Beginn von „Kimia II“ ignorierte die FOCA-Führung in ihren Befehlen die in Botschaften des Präsidenten enthaltene Ermahnung, kongolesischen Zivilisten keinen Schaden zuzufügen. Das FOCA-Kommando gab vielmehr die Anweisung, bei der Verfolgung von militärischen Zielen auf die Belange der kongolesischen Zivilisten, die nicht mit der FDLR zusammenarbeiteten, keinerlei Rücksicht mehr zu nehmen, wie dies in den Befehlen zu den sogenannten Vergeltungsoperationen eindeutig zum Ausdruck kommt. Die militärische Lage der FOCA hatte sich infolge der Militäroperation „Umoja Wetu“ dramatisch verschlechtert und diese militärisch bedrohliche Lage hielt während der nachfolgenden Monate durch die Militäroperation „Kimia II“ weiter an. So hatten in einer kopflosen Flucht das Hauptquartier der Reservebrigade und der Ort Kibua, in dem sich die Mitglieder des Exekutivkommandos, weitere führende FDLR-Politiker und deren Schutztruppen aufhielten, verlassen werden müssen, das FOCA-Hauptquartier hatte ebenso aufgegeben werden müssen. Auch aus vielen anderen militärischen Stellungen im Nord-Kivu hatten sich FDLR-Truppen zurückgezogen und in den Wäldern verborgen. Folgen dieser Militäraktionen gegen die FDLR waren unter anderem die Aufspaltung des FOCA-Kommandos in zwei Teile sowie Kommunikationsprobleme zwischen dem Kommando und den Einheiten sowie den Einheiten untereinander, Angriffe auf ruandische Flüchtlinge sowie Nachschub- und Verpflegungsprobleme bei der FOCA. Einnahmen durch die Erhebung von Wegezöllen und Schutzgelder sowie aus dem Handel konnte die FDLR nicht mehr erzielen. Aus dieser Bedrängnis erfolgten auf Befehl des FOCA-Kommandos durch verschiedene FOCA-Einheiten Plünderungen bei der kongolesischen Zivilbevölkerung, durch die insbesondere Lebensmittel und Medikamente erbeutet werden sollten, und Angriffe auf Dörfer wie Busurungi und Mianga als Vergeltungsmaßnahmen für zuvor erfolgte Angriffe auf ruandische Flüchtlinge.
bb)
Vor allem ist aber zu sehen, dass der Angeklagte Dr. M. seit Beginn von „Umoja Wetu“ Ende Januar 2009 faktisch gar nicht mehr die Möglichkeit hatte, als Vorsitzender des Comité Directeur Einfluss auf das Oberkommando oder das FOCA-Kommando zu nehmen, denn seit Beginn der Militäroperation „Umoja Wetu“ bis zur Verhaftung der beiden Angeklagten im November 2009 hatten aus Gründen der Sicherheit für die Teilnehmer keine Versammlungen des Comité Directeur mehr stattgefunden.
IV. Tätigkeiten als Präsident der FDLR nach dem Beginn von „Umoja Wetu“
Der Angeklagte Dr. M. setzte seine Tätigkeiten als Präsident der FDLR auch nach dem Beginn der Militäroperation „Umoja Wetu“ Ende Januar 2009 unverändert und mit großer Intensität fort, da er die terroristischen Tätigkeiten und Kriegsverbrechen zur Erreichung des Zieles seiner Organisation - des Sturzes des Regimes in Ruanda - für notwendig hielt und daher zumindest billigend in Kauf nahm.
Dies belegen unter anderem folgende Umstände:
1. Entgegennahme von Berichten
Der Angeklagte Dr. M. wurde in seiner Funktion als Präsident der FDLR auch während der gegen die FDLR gerichteten Militäroperationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ von hohen FDLR-Politikern bzw. Militärs fortwährend über die militärische Lage und die Situation der ruandischen Flüchtlinge in den Kivu-Provinzen mittels SMS, E-Mails oder Telefonanrufen informiert.
Neben den bereits vorstehend aufgeführten zahlreichen Berichten über Militäroperationen und militärischen Lagemeldungen kam es mindestens zu folgenden weiteren Berichten.
a)
Am 25. Januar 2009 berichtete dem Angeklagten Dr. M. Hauptmann K.V., stellvertretender Kommandant der FDLR-Verbindungseinheit „Antenne Miroir“ in einer SMS, dass seine Einheit angegriffen worden sei.
In einem E-Mail Schriftverkehr zwischen dem Angeklagten Dr. M. und Hauptmann K.V. vom Februar 2009 berichtete dieser Einzelheiten über eine durch seine Einheit bei einem Angriff am 11. Februar 2009 um 22.30 Uhr zerstörte Radiostation, nachdem der Angeklagte Dr. M. auf die Erstberichterstattung des „15K." von diesem weitere Informationen zu dem Angriff angefordert hatte. Demnach habe es sich bei der zerstörten Anlage um einen Radiosender gehandelt, über den die kongolesischen Behörden versucht hätten, die FDLR-Angehörigen zur Repatriierung zu bewegen, sowie die kongolesische Bevölkerung, die mit den FDLR-Angehörigen zusammenlebe, dazu zu bringen, sich von der FDLR zu distanzieren. Die Sendeanlage habe zu der Universität von Katoyo gehört. Daraufhin lobte der Angeklagte Dr. M. den mutigen Angriff und erklärte, dass andere Radiosender es sich jetzt zweimal überlegen würden, bevor sie Propaganda für den Feind machten.
b)
In einer SMS vom 29. Januar 2009 wurde der Angeklagte Dr. M. vom FOCA-Kommandanten S.M. darüber informiert, dass der stellvertretende Kommandant 4K. und der Stabsoffizier S 4 6T. der Reservebrigade am 27. Januar 2009 getötet wurden.
Nach den übereinstimmenden Aussagen mehrerer vernommener ehemaliger FDLR-Angehöriger sind diese beiden Personen an diesem Tag tatsächlich bei einem von König 11B. initiierten Hinterhalt in der Nähe von Kibua getötet worden.
c)
Am 17. Februar 2009 erhielt der Angeklagte Dr. M. Kenntnis von einem Hubschrauberangriff der Koalition auf eine bei Kashebere stationierte Kompanie der FDLR. Daraufhin erkundigte er sich bei dem stellvertretenden Kommandanten der Division SONOKI 2S.S.und Major O.U. alias IP.O., dem stellvertretenden Kommandeur des Bataillons Montana des Sektors SONOKI, per E-Mail nach Einzelheiten. Bei Major O.U. erfragte er, wie die FDLR am besten Hubschrauber der MONUC abschießen oder bei Angriffen auf die Basis am Boden zerstören könne. Dieser antwortete, man müsse sich gedulden, bis sie im Besitz der hierfür erforderlichen Geschosse seien.
d)
Am 10. März 2009 erkundigte sich der Angeklagte Dr. M. bei 4L. nach der Telefonnummer von Oberstleutnant E.K. alias „1S.S.“, um von diesem Einzelheiten zu einem Angriff der FDLR auf feindliche Stellungen in Luibo am 10. März 2009 zu erfragen. Am 11. März 2009 erhielt er von 8S. in vier SMS eine ausführliche Bilanz über zwei erfolgreiche Angriffe. Danach haben die Soldaten von Montana und Marteau gleichzeitig feindliche Stellungen bei von Kinyaongo, Luibo, und Kishehe in der Nähe von Nyabiondo angegriffen, die mehrheitlich von ehemaligen CNDP-Soldaten besetzt waren. Sämtliche feindlichen Stellungen seien aufgegeben worden. Unter anderem seien Munition aller Art, militärische Ausrüstung, 2 Motorola-Funkgeräte und 10 Kalaschnikows erbeutet worden,15 feindliche Soldaten seien getötet und mehrere verletzt worden. Auf eigener Seite habe es einen getöteten und drei verletzte Soldaten gegeben. Bei einem Angriff unter dem Kommando von 3S. bei Peti seien drei feindliche Offiziere getötet worden, darunter der Kommandant der Brigade.
e)
Am 12. März 2009 erhielt der Angeklagte Dr. M. von Oberst O. eine Gesamtbilanz der Angriffe der FDLR auf die feindlichen Stellungen in Miliki am 7. März 2009, in Peti am 9. März 2009 und Luibo am 10. März 2009.
f)
In einer E-Mail vom 22. März 2009 teilte der Angeklagte Dr. M. Oberst O. mit, er habe dem RUD-Kommandeur 20M. gesagt, dieser könne Unterstützung von O.s Soldaten erhalten, falls 20M. seine marodierenden RUD-Angehörigen nicht unter Kontrolle bringen könne.
g)
In einer SMS vom 13. April 2009 wurde der Angeklagte Dr. M. vermutlich von dem Kabinettsdirektor 2D.M. darüber informiert, dass FDLR-Soldaten in Mianga und in Cyanyundo angriffen und dabei große Verluste beim Feind herbeigeführt hätten. Unter anderem seien der Kommandant eines Bataillons, dessen Stabsoffizier S 2 und ein Kompanieführer getötet worden. Der Feind habe zuvor 63 Flüchtlinge getötet.
h)
Am 20. und 21. April 2009 wurde der Angeklagte Dr. M. vom 2. Vizepräsidenten G.I. alias 8R. in zahlreichen SMS über den Überraschungsangriff der Koalition auf Kibua und die anschließende kopflose Flucht des Exekutivkomitees und der Reservebrigade, über den Vergeltungsangriff der FDLR auf Mianga, die Desertionen des FOCA-Sprechers 1M.H. und Major 3R. und über den bevorstehenden Angriff der FARDC auf FDLR-Einheiten im Süd-Kivu sowie die Notwendigkeit von Rekrutierungen informiert.
i)
In einer SMS vom 12. Mai 2009 beglückwünschte der Angeklagte Dr. M. Oberst O. für einen erfolgreichen Angriff der FDLR gegen die FARDC. Er betonte, es sei notwendig zu verhindern, dass die FARDC Boden gewinne, wenn immer dies möglich ist. Auch solle man bei den Angriffen auf die FARDC das von der FDLR benötigte Material erbeuten.
j)
In einem Telefongespräch vom 15. Mai 2009 mit Generalmajor S.M. forderte der Angeklagte Dr. M. diesen zweimal auf, man müsse dem Gegner immer wieder eine Schlappe beibringen, damit der Gegner verstehe, dass die FDLR noch nicht tot sei. Darauf antwortete S.M., dass man dies in Busurungi gemacht habe und erfolgreich gewesen sei. In diesem Gespräch berichtete S.M. dem Angeklagten Dr. M. auch davon, dass im Süd-Kivu ein Angriff der FARDC wegen derer Angst noch nicht erfolgt sei. Die Bevölkerung fliehe aber schon vor den Kämpfen, wie dies die FDLR geplant habe.
k)
In einer E-Mail vom 8. Juni 2009 informierte 4L. den Angeklagten Dr. M. darüber, dass sich das Bataillon Sabena langsam von den Angriffen erhole, die RUD ohne Unterstützung der FDLR eine FARDC-Stellung in Kisegeru angegriffen habe und 30 Männer in Nakivala/Uganda für die FDLR rekrutiert worden seien. Der Angeklagte Dr. M. antwortete ihm am 10. Juni 2009, dass die Rekrutierungen in Nakivale unbedingt von FDLR-Angehörigen durchgeführt werden müssten, um eine Infiltrierung durch den Feind zu vermeiden.
l)
Am 4. Juli 2009 informierte Oberst O. den Angeklagten Dr. M. in einer E-Mail über Maßnahmen gegen die FDLR, die bei einem Treffen mit Vertretern der kongolesischen und amerikanischen Regierung sowie der MONUC am 2. und 3. Juli 2009 in Goma beschlossen worden seien.
m)
Am 28. Juli 2009 teilte der Angeklagte Dr. M. Pater 15M. in einem Telefongespräch seine Kenntnisse von der militärischen Lage mit, indem er mitteilte, dass es im Süd-Kivu vermehrt Kämpfe zwischen der FARDC und der FDLR gebe, während es sich im Nord-Kivu eher um kleinere Zusammenstöße handele. Er sei vom 2. Vizepräsidenten zudem über einen unmittelbar bevorstehenden Angriff der FARDC bei Nyabiondo unterrichtet worden.
n)
Am 13. und 15. August 2009 erörterte der Angeklagte Dr. M. mit „S.M.“, dem Präsidenten des Regionalwiderstandskomitees im Territorium Rutshuru, Einzelheiten darüber, wie sich feindliche, von einem Offizier namens 6B. befehligte Einheiten der FDLR anschließen könnten, ohne dabei unter Beschuss zu geraten.
o)
Am 5. September 2009 übermittelte Oberst P.N. alias O. dem Angeklagten Dr. M. eine ausführliche Liste von FDLR-Angehörigen, die in der Zeit vom 4. Juli bis zum 25. August 2009 bei Angriffen der FARDC ums Leben kamen.
p)
In einer SMS vom 9. September 2009 berichtete der 2. Vizepräsident G.I. dem Angeklagten Dr. M. über einen Angriff der FDLR auf FARDC-Truppen, bei dem 12 Feinde getötet und 6 Waffen sowie ein Funkgerät erbeutet wurden. Bei dem Angriff seien auch 4 FDLR-Soldaten gefallen.
q)
In zwei SMS vom 20. September 2009 bedankte sich der Angeklagte Dr. M. bei Oberstleutnant 3A.M. alias 2J., Kommandeur des 4. Bataillons des Sektors SOSUKI, für Informationen zu Vergewaltigungen von Frauen, die der FDLR zur Last gelegt wurden. Er äußerte ebenfalls, dass die FDLR nur ihre Truppen disziplinieren müsse.
r)
Am 1. Oktober 2009 telefonierte der Angeklagte Dr. M. mit dem FOCA-Offizier mit dem Kampfnamen „3L.“, höchstwahrscheinlich mit 1L.M. alias 2L.M., dem Generalstabschef im FOCA-Kommando. 3L. informierte Dr. M. zunächst über die militärische Situation im Sektor SONOKI und über den Tod eines Bataillonskommandanten der FOCA im Süd-Kivu. Beide unterhielten sich über die Versuche der Internationalen Gemeinschaft, die Führung der FDLR zu entzweien. Der Angeklagte Dr. M. erklärte, die freiwillige Repatriierung über DDRRR und das Niederlegen von Waffen, wie es 2S.B. und andere getan hätten, sei nicht der Weg der FDLR. Diese werde weiterkämpfen, bis von der Gegenseite Verhandlungen akzeptiert würden. Am Ende des Gespräches sprach Dr. M. über eine mögliche Unterstützung der FDLR im Kivu durch Angehörige in Europa mittels des Ankaufs von Telefoneinheiten bei Vodacom und Celltel.
2. Angeklagter als maßgeblicher politischer Entscheidungsträger
Auch während der Militäroperationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ war der Angeklagte Dr. M. maßgeblich für die politischen Entscheidungen der Organisation zuständig, obwohl während dieser Zeit die turnusmäßigen Versammlungen des Comité Directeur aus Furcht vor gezielten Angriffen der Koalition und aufgrund der Kriegshandlungen nicht abgehalten werden konnten.
Dies zeigt sich an folgenden, vornehmlich aus der Telekommunikationsüberwachung gewonnenen Erkenntnissen:
a)
Am 27. März 2009 fand in Paris ein Treffen von Vertretern der evangelischen Kirche im Kongo (ECC), der norwegischen Nichtregierungsorganisation SIK und der RUD statt, welches der Aufnahme von Verhandlungen über eine friedliche Rückkehr der ruandischen Flüchtlinge dienen sollte. Über den Inhalt dieses Treffens wurde der Angeklagte Dr. M. vom Exekutivsekretär 16M. informiert. Im Rahmen dieser Vermittlungsversuche wandten sich K.L. (SIK), der in der Hauptverhandlung hierzu als Zeuge vernommen wurde, und Bischof 10K (ECC) auch an die FOCA-Führung im Kongo. Nach Rücksprache mit dem FOCA-Kommandeur S.M. und dem Exekutivsekretär 16M. forderte der Angeklagte Dr. M. K.L. auf, die Friedensvermittlungen einzustellen. Allein die Gemeinschaft Sant’ Egidio von Rom sei ein vertrauenswürdiger Vermittler zwischen der kongolesischen Regierung und der FDLR. Aus vielen Gründen könne die ECC zwischen der FDLR und den Behörden der DR Kongo und Ruanda nicht vermitteln.
Dem Angeklagten M. teilte der Angeklagte Dr. M. in einem Telefongespräch vom 14. Juni 2009 mit, er habe dem FOCA-Kommandanten 17M. geschrieben, 10K, 21M. usw. seien Feinde, Kontakt mit diesen Leuten sei zu unterlassen, denn mit ihnen gäbe es nichts zu verhandeln. Mit dem stellvertretenden FOCA-Kommandanten habe er darüber 40 Minuten lang mittels Thuraya gesprochen. Er habe den Eindruck gewonnen, dieser habe seine Anweisung ebenfalls verstanden.
b)
In einer SMS vom 15. Juni 2009 teilte Generalmajor S.M. dem Angeklagten Dr. M. mit, dass Vertreter der Vereinten Nationen das Massaker von Shario untersuchen würden und die FDLR um einen Beitrag ersuchten. Er fragte beim Angeklagten Dr. M. an, was er denen antworten solle.
c)
Am 9. Juli 2009 erhielt der Angeklagte Dr. M. - vermittelt über Generalmajor S.M. - eine Audiobotschaft des stellvertretenden FOCA-Kommandanten 9B., in der dieser unter anderem wegen des prekären Zustandes der FDLR eine Aufnahme von Verhandlungen mit der Regierung der DR Kongo und die Einberufung einer Versammlung des Comité Directeur vor September 2009 forderte.
d)
Am 24. August 2009 informierte 4L. in einer E-Mail den Angeklagten Dr. M. abermals über eine bevorstehende Rebellion gegen den kongolesischen Staatspräsidenten Kabila. Die Rebellen würden bei der FDLR um eine Zusammenarbeit nachfragen. 4L. fragte bei Dr. M. nach der Haltung der FDLR zu diesen Plänen. Dr. M. antwortete ihm in der E-Mail vom 25. August 2009, er habe den Kommandanten der Division SONOKI beauftragt, Leute zu der Delegation der Rebellen zu schicken. Es werde jedoch keine Zusammenarbeit der FDLR mit diesen Rebellen geben und die FDLR werde sich auch nicht in deren Organisation eingliedern.
e)
Am 10. September 2009 fand in Ntoto, Nord-Kivu, ein Treffen zwischen Politikern und Militärs der FDLR, Vertretern der MONUC und MW., der als Vertrauter der kongolesischen Regierung von der MONUC hinzugezogen war, statt. MW. erklärte dabei, dass die FDLR-Führung ihren Verhandlungswillen schriftlich gegenüber der Regierung der Demokratischen Republik Kongo erklären solle.
Der Angeklagte Dr. M. verweigerte jedoch in einem Gespräch mit Pater 15M., in dem er sich als Verantwortlichen der Organisation bezeichnete, ein solches Schreiben mit der Begründung, Kabila habe den Krieg begonnen, also solle er ihn auch beenden. In einem weiteren Gespräch mit Pater 15M. begründete er diese Weigerung zudem damit, dass das geforderte Schreiben sonst so ausgelegt werden könne, dass die FDLR kriegsmüde sei und die Waffen niederlegen wolle.
Über dieses Treffen tauschten sich der Angeklagte Dr. M. und der Angeklagte M. in einem Telefongespräch vom 17. September 2009 aus. Dr. M. erklärte hierbei, die Kongolesen würden das Treffen als ein Anzeichen der Kriegsmüdigkeit bei der FDLR deuten, jedoch sei das Gegenteil der Fall.
f)
Am 13. Oktober 2009 informierte der Angeklagte Dr. M. den FOCA-Kommandanten S.M. und den 2. Vizepräsidenten 8R. über ein geplantes Treffen zwischen der FDLR und Vertretern der kongolesischen Regierung sowie der MONUC unter Vermittlung der Gemeinschaft Sant’ Egidio. Am 18. Oktober 2009 besprach der Angeklagte Dr. M. mit Pater 15M. Einzelheiten dieses geplanten Treffens und kommunizierte daher am selben Tag und am 9. November 2009 mit den beiden Vorgenannten.
3. Motivation der FDLR-Mitglieder
In seiner Funktion als Präsident der FDLR und „oberster Führer“ wandte sich der Angeklagte Dr. M. regelmäßig an die Mitglieder der FDLR und „Abacunguzi“, d.h. die Soldaten der FOCA. Unter anderem dankte er ihnen für ihren Einsatz im Krieg und forderte sie auf, trotz aller Widrigkeiten durchzuhalten und im Kampf nicht nachzulassen.
a)
In Absprache mit dem Angeklagten M., dem Exekutivsekretär 16M. und 1D.N. fertigte er die Botschaft vom 26. März 2009 an die Mitglieder der FDLR anlässlich des Osterfestes. In dieser Botschaft bedankte er sich bei allen Abacunguzi, die an den Gebetsprogrammen teilgenommen haben, und betonte, dass es wichtig sei, für die Organisation zu beten. Er erklärte, weshalb die Organisation FDLR gegründet wurde, und sagte, dass diese Gründe immer noch aktuell seien. Er rekapitulierte in der Botschaft die Geschichte Ruandas seit der Ankunft der FPR im Jahre 1990 aus seiner Sicht und schilderte ausführlich deren angeblichen Machtmissbrauch. Er dankte den Abacunguzi für ihre Tapferkeit, vor allem während der aktuellen Kämpfe. Sie sollten weiter so bravourös kämpfen, zusammenhalten und sich auch um die Schwächeren (Kranke, ältere Leute, Kinder ...). kümmern und sich nicht bereichern. Er erinnerte daran, dass die FDLR gegründet wurde, um den Machtmissbrauch der FPR zu beenden. Er appellierte an diejenigen Abacunguzi, die kriegsmüde sind, nicht auf die Seite des Feindes zu wechseln. Er forderte die Abacunguzi auf, Jesus Christus als Vorbild zu betrachten.
b)
In einer Botschaft vom 29. Juni 2009 zum Unabhängigkeitstag von Ruanda (1. Juli 1962) erinnerte der Angeklagte Dr. M. daran, dass für die Unabhängigkeit Ruandas hart gekämpft worden sei und für diese Freiheit auch Menschen gestorben seien. Er appellierte daran, am Unabhängigkeitstag nicht nur der Menschen zu gedenken, die sich dafür eingesetzt haben, sondern auch daran zu denken, dass die Einwohner Ruandas aktuell aufgrund des diktatorischen Regimes der FPR keine Freiheit mehr genießen würden, sondern von diesem Regime verfolgt und bestraft würden. Besonders solle der Menschen gedacht werden, die nicht mehr als Sklaven leben wollten und sich entschieden hätten, den Kampf gegen das Regime aufzunehmen, auch wenn sie dabei ihr Leben verlieren. Dieser Kampf diene dazu, dass alle Ruander ihre Freiheit und Unabhängigkeit wieder genießen könnten, da das blutige Regime der FPR dann durch eine von der Bevölkerung gewählte und für die Bevölkerung arbeitende Regierung ersetzt werde. Weiter bedankte er sich bei allen Abacunguzi, die sich nicht ergeben haben und stattdessen immer weiter kämpfen.
c)
In einer für alle Abacunguzi bestimmten Botschaft vom 6. September 2009 stellte der Angeklagte Dr. M. die Ereignisse seit Beginn der Offensive gegen die FDLR aus seiner Sicht dar. Hierbei hob er hervor, dass das diktatorische und blutige Regime der FPR sich nunmehr öffentlich vorgenommen habe, die FDLR und deren Führung endgültig zu zerstören, während es sich früher hinter dem CNDP versteckt habe. Diejenigen, die die FDLR bekämpften, setzten weiterhin viele Mittel ein, neben tatsächlichen Waffen auch Lügen, falsche Versprechungen, Verrat und alle anderen Mittel, um die FDLR in einem schlechten Licht darzustellen. Aber egal auf welche Weise die FPR diesen Krieg führe, sie könne die FDLR nicht besiegen, weil der Allmächtige auf Seiten der FLDR sei. Anschließend appellierte der Angeklagte Dr. M. an alle Abacunguzi, in diesen schwierigen Zeiten zusammenzuhalten, Opfer, Geduld und Disziplin zu erbringen, um dem Feind Widerstand zu leisten, denn nur so werde der Feind, der die FLDR in diesen Krieg geführt habe, zerstört werden. Jeder Abacunguzi solle seine Aufgabe für die FDLR erfüllen, damit sie ihr Ziel, Ruanda von der FPR zu befreien, bald und endgültig erreichen könnten. Auch die Führung ruhe sich nicht aus, sondern arbeite ununterbrochen, damit der Krieg, in den sie geführt worden seien, durch Verhandlungen zwischen der Führung und dem schrecklichen Regime in Kigali beendet werden könne.
Die Schlussformel der Botschaft lautet:
„Schließen wir uns zusammen, dann wird unser Gott uns helfen, diesen Krieg zu gewinnen. Ich wünsche Euch allen die Kraft diesen Kampf, in dem wir uns befinden, bis zur Erfüllung zu führen. Unser Gott, der Allmächtige sei gelobt und gepriesen, er soll hinter und vor uns auf allen Märschen sein und er soll alle unsere Vorhaben weiterhinführen.
Gemeinsam werden wir gewinnen.
Deutschland, den 06.09.2009
Euer Vorsitzender/Führer
Dr. M."
Dass die Botschaften des Angeklagten Dr. M. für die Motivation der FDLR-Soldaten von erheblicher Bedeutung waren, eine Mutlosigkeit bei den FDLR-Kämpfern nach Bekanntwerden der Verhaftung des Präsidenten Dr. M. eintrat und anschließend die Zahl der repatriierten ehemaligen FOCA-Soldaten zunahm, berichtete in der Hauptverhandlung insbesondere der Zeuge 3B. vom Repatriierungsprogramm DDRRR. Dieser hatte in seiner Funktion zahlreiche ehemalige FDLR-Soldaten nach deren Rückkehr unter anderem zu deren Motiven für die Repatriierung befragt. Er sagte aus, er habe dabei von desertierten FDLR-Kämpfern erfahren, dass Grund für deren Desertion unter anderem die Hoffnungslosigkeit nach Dr. M.s Verhaftung gewesen sei.
4. Öffentlichkeits- und Propagandaarbeit sowie Einwerbung von Geldern durch den Angeklagten
Die umfangreiche Öffentlichkeits- und Propagandaarbeit der FDLR wurde, wie insbesondere die Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung und über die Internetseite der FDLR sowie die eingeführten Pressekommuniqués belegen, im Wesentlichen vom Angeklagten Dr. M. in enger Absprache mit dem Exekutivsekretär 2C.M. und oftmals unter Beteiligung des Angeklagten M. und 1D.N. geleistet. Sie erfolgte ganz überwiegend über die Internetseite www...org. Diese Propagandaarbeit motivierte nach Aussage mehrerer vernommener ehemaliger FDLR-Kämpfer und des Zeugen 3B. ähnlich wie die Botschaften des Präsidenten die in den Kivu-Provinzen kämpfenden Einheiten der FDLR. Zugleich unterstützte diese Propagandatätigkeit die Begehung von Kriegsverbrechen durch die kämpfenden Einheiten der FDLR, da diese und das FOCA-Kommando wussten, dass die politische Führung von der FDLR begangene Kriegsverbrechen entweder abstreiten oder dem Gegner anlasten werde.
a) Einwerbung von Geldern für die Öffentlichkeitsarbeit
Der Angeklagte Dr. M. warb bei verschiedenen FDLR-Mitgliedern in Europa erfolgreich um Geld für die Kosten der Internetseite, um die Propagandaarbeit über diese Plattform weiter betreiben zu können.
Dies lässt sich einer beim Angeklagten Dr. M. sichergestellten Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben des Angeklagten Dr. M. von Januar 2008 bis August 2009 entnehmen, wonach er jedenfalls in fünf Fällen mit Erfolg von FDLR-Mitgliedern oder FDLR-Sympathisanten Geldbeträge zwischen 50 und 100 EUR eingeworben hatte.
Des Weiteren ergibt sich aus Gesprächen im Rahmen der Telekommunikationsüberwachung, dass der Angeklagte Dr. M. im August 2009 den Wechsel dieser Internetseite nach deren Sperrung beim Provider OVH zum Provider amen.fr. organisierte. Inhaber der Internet-Adresse war nach dem Wechsel 2I.N., der vom Angeklagten Dr. M. hierzu in einem Telefongespräch vom 31. August 2009 überredet worden war, und der schließlich auch in einem weiteren Telefongespräch mit dem Angeklagten Dr. M. vom selben Tag seine VISA-Kreditkartendaten zur Bezahlung der laufenden Kosten der Internetseite zur Verfügung stellte.
b) Propaganda und Öffentlichkeitsarbeit
Im Zeitraum von Januar bis November 2009 erschienen monatlich mehrere Presse-mitteilungen der FDLR. Diese wurden zumeist vom Angeklagten Dr. M. und 2C.M. verfasst, unter Mitwirkung des Angeklagten M. und 1D.N. überarbeitet und anschließend veröffentlicht. Zudem erfolgten Erklärungen der FDLR durch den Angeklagten Dr. M., wie beispielsweise die Erklärung vom 5. Februar 2009 zum andauernden Krieg im Ostkongo und die Erklärung (Memorandum) vom 18. Februar 2009 an den Präsidenten des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, an deren Erstellung der Angeklagte M. mitwirkte. Schwerpunkt der Öffentlichkeitsarbeit war es, die ruandische Regierung zu diskreditieren und ihr bzw. dem von Ruanda unterstützten CNDP die Verantwortung für die kriegerischen Auseinandersetzungen im Ost-Kongo und die dabei verübten Kriegsverbrechen gegen die kongolesische Zivilbevölkerung zuzuweisen. Die FDLR hingegen stellte sich in ihrer Propaganda stets als friedliebend dar und betonte, sie fordere konstruktive Vorschläge zu einer würdevollen Rückkehr nach Ruanda. In diesem Zusammenhang wiederholte der Angeklagte Dr. M. gegenüber den Medien ständig die Aussage und Forderung, dass nur ein Dialog zwischen der ruandischen Regierung und der FDLR die Problematik im Ostkongo endgültig lösen und so dauerhaften Frieden bringen könne.
Schon vor der Militäroperation „Umoja Wetu“ verfolgte die politische Führung der FDLR im Kongo und in Europa einhellig diese Strategie des Dementierens von Kriegshandlungen und Kriegsverbrechen bzw. des Leugnens eigener Verantwortlichkeit hierfür.
So berichtete beispielsweise 4L. in der SMS vom 10. August 2007 dem Angeklagten Dr. M. über eine Plünderung, die in der Nacht vom 8. auf den 9. August 2007 durch eine Kompanie des Bataillons Bahama in Butogota durchgeführt wurde und bei der drei Zivilisten getötet wurden. Am 12. August und am 23. September 2007 teilte 4L. dem Angeklagten Dr. M. mit, dass die FDLR es schließlich geschafft habe, die Leute davon zu überzeugen, dass nicht die FDLR, sondern 1L.N. [d.h. der CNDP] für den Angriff von Butogota verantwortlich gewesen sei.
In der SMS vom 27. Oktober 2007 teilte Oberst O. dem Angeklagten Dr. M. mit, dass die FDLR-Bataillone Sabena und Someca den CNDP in Mweso angegriffen hätten. Sie würden jedoch verlautbaren, die PARECO habe diesen Angriff durchgeführt.
Insbesondere mit der Intensivierung der kriegerischen Auseinandersetzungen seit Januar 2009 und der Zunahme der von der FDLR verübten Verbrechen mutierten die Pressemitteilungen mehr und mehr zu einem Instrument, sämtliche in den Medien, von den Vereinten Nationen und Menschenrechtsorganisationen erhobenen Vorwürfe gegen die FDLR abzustreiten und insbesondere die Kriegsverbrechen der FDLR dem politischen und militärischen Gegner anzulasten. So wurden Berichte über konkrete Massaker der FDLR an der Zivilbevölkerung unverzüglich und ohne eine Nachprüfung durch FDLR-Führungskräfte vor Ort von der politischen Führung in Europa stets zu bösartigen Falschmeldungen erklärt, die allein dazu dienten, das Ansehen der FDLR zu schädigen. Trotz Wissens um die Ausbeutung der kongolesischen Zivilbevölkerung seitens der FDLR mittels Wegezöllen, Steuern und Schutzgeldern sowie Kenntnis der gegen die Zivilbevölkerung verübten Verpflegungsoperationen erklärte die FDLR-Führung, seit jeher friedlicher Nachbar der kongolesischen Bevölkerung zu sein. Die außergewöhnlich disziplinierten Truppen der FDLR hätten noch nie Übergriffe gegenüber der Zivilbevölkerung verübt, vielmehr schütze die FDLR die Zivilbevölkerung vor kriminellen Gruppierungen. Tatsächlich würden ruandische Truppen und deren Verbündete die Massaker an der kongolesischen Zivilbevölkerung verüben und diese der FDLR anlasten, um so die Fortsetzung ihres „schmutzigen“ Kriegs zu legitimieren.
Diese Vorgehensweise wird durch folgende Geschehnisse und die anschließende Propagandaarbeit der FDLR exemplarisch belegt:
aa)
In einem Telefongespräch vom 25. Januar 2009 berichtete der Angeklagte Dr. M. dem Angeklagten M. von acht Kongolesen, die bei einem Angriff auf die FDLR im Norden getötet worden seien. Der Angeklagte Dr. M. schilderte hierbei, er habe bereits abgestritten, dass die FDLR diese Kongolesen getötet habe, er habe vielmehr behauptet, diese seien in einen Hinterhalt der Mai-Mai und PARECO geraten.
bb)
Am 30. Januar 2009 hatte die italienische Nachrichtenagentur MISNA berichtet, dass die lokale Presse im Kivu von der Ermordung von 36 Zivilisten durch Soldaten der FDLR geschrieben hatte und der Militärsprecher der MONUC Oberst J.D. MISNA gegenüber angegeben habe, die FDLR habe auf Personen geschossen, die dagegen demonstriert hätten, dass die FDLR Tiere und Geld geplündert habe. In einem Entwurf einer Presseerklärung, den der Angeklagte Dr. M. bereits einen Tag später, nämlich am 31. Januar 2009 per E-Mail an den Angeklagten M., den Exekutivsekretär 16M. und an 1D.N. sandte, behauptete Dr. M., ohne Nachforschungen durchgeführt zu haben, die FDLR verfüge über zuverlässige Informationen darüber, dass die überwiegende Mehrheit der im Kongo eingesetzten ruandischen Soldaten aus ehemaligen FDLR-Mitgliedern bestünde, die zuvor nach Ruanda repatriiert seien. Des Weiteren verfüge die FDLR über Informationen, dass die ruandische Armee die Aufgabe habe, im Kongo das Bild der FDLR zu beschädigen, indem sie Massaker an der kongolesischen Bevölkerung begehe und die Verantwortlichkeit für diese Massaker absichtlich der FDLR zuschiebe.
cc)
Am 13. Februar 2009 versandte der Angeklagte Dr. M. eine E-Mail an den Angeklagten M., 2C.M. und 1D.N., in der auf einen Bericht von Human Rights Watch (HRW) mit der Überschrift „DR Kongo: Ruandische Rebellen metzeln über 100 Zivilisten nieder“ hingewiesen wurde, und erklärte, die FDLR werde diese Lügen am Wochenende bestreiten. Der Bericht beinhaltet unter anderem, dass nach Recherchen von Human Rights Watch die FDLR in der Zeit vom 20. Januar bis 8. Februar 2009 mindestens 100 kongolesische Zivilisten in den Kivu-Provinzen brutal niedergemetzelt habe. HRW habe mit vielen Zeugen und Opfer gesprochen, die aus den Nachbarregionen von Ufamandu, Waloaluanda (Nord-Kivu) und Ziralo (Süd-Kivu) in einem Lager in Goma ankamen. A.VW. von HRW kam in dem Bericht zu dem Schluss, dass HRW bereits viele Misshandlungen durch Truppen der FDLR dokumentiert habe, aber diese Morde hätten nun grauenhafte Ausmaße angenommen. Vor dem Angriff der Koalition auf das FDLR-Hauptquartier in Kibua in Ufamandu habe die FDLR zahlreiche Einwohner als menschliche Schutzschilde entführt. Beim Angriff der Koalitionstruppen auf Kibua am 27. Januar 2009 hätten diese zu fliehen versucht und seien dabei von FDLR-Soldaten getötet worden oder seien im Kreuzfeuer gestorben. Des Weiteren werden in dem Bericht mehrere Vergewaltigungen durch FDLR-Kämpfer genannt. Nach den Angriffen in Ufamandu seien die FDLR-Truppen durch Waloaluanda in die Region Ziralo geflohen, wo sie weitere Zivilisten töteten.
Obwohl der Angeklagte diesen Bericht von HRW sogleich als Lüge bezeichnete, erkundigte er sich in einem Telefongespräch am 14. Februar 2009 bei der in P... wohnhaften 4A.M., ob es sein könne, dass in Kibua 100 Kongolesen gelebt hätten, worauf diese erwiderte, dass dies sein könne, es hätten dort viele Kongolesen gelebt. Sodann sagte er ihr in dem Gespräch, er wolle dies nur wissen, weil er ein Kommuniqué vorbereite, um den Vorwurf zu dementieren. Dementsprechend bestritt er beispielsweise in einer E-Mail an Priester PG.L.vom 24. Februar 2009 den HRW-Bericht, nach dem die FDLR 100 Leute getötet habe.
dd)
In einem Telefoninterview mit der BBC vom 6. März 2009 wurde der Angeklagte Dr. M. mit dem Vorwurf eines Abgeordneten aus dem Nord-Kivu konfrontiert, wonach die FDLR-Soldaten nach dem Ende der Militäraktion „Umoja Wetu“ in ihre Stellungen zurückgekehrt seien, die lokale Bevölkerung getötet und deren Häuser angezündet hätten, weshalb sich die Bevölkerung auf der Flucht befinde. Grund für diese Übergriffe sei, dass die Bevölkerung während „Umoja Wetu“ nicht zur FDLR gehalten habe. Sofort dementierte der Angeklagte Dr. M. eine Täterschaft der FDLR und bezichtigte einmal mehr ehemalige FDLR-Soldaten, die nach Ruanda zurückgekehrt und nun Mitglieder der ruandischen Armee seien, dieser Taten. Gleiches gelte für die Mitglieder der PARECO.
ee)
In einem weiteren Telefoninterview mit der BBC am 2. April 2009 dementierte der Angeklagte Dr. M. sofort den Vorwurf, die FDLR fordere Zivilisten im Süd-Kivu dazu auf, ihre Dörfer zu verlassen. Mit Fakten zu diesem Vorwurf konfrontiert räumte er am Ende des Gesprächs ein, er könne nicht ausschließen, dass einzelne Soldaten der FDLR zu Märkten gingen, um die Bevölkerung wegen bevorstehender Kriegshandlungen zu vertreiben. Er versuchte dies damit zu rechtfertigen, dass er sagte, man müsse dies dann aber so betrachten, dass die Leute deshalb vertrieben würden, damit sie in den bevorstehenden Kampfhandlungen nicht ums Leben kommen und die FARDC oder Kigali anschließend die Tötungen auf die FDLR schieben könne.
ff)
Am 9. April 2009 wurde der Angeklagte Dr. M. von BBC erneut in einem Telefoninterview mit den Ergebnissen der Recherche von BBC-Journalisten in der DR Kongo konfrontiert. Der FDLR werden darin die Ausbeutung von Bodenschätzen, die Erhebung von Wegzöllen und die Vertreibung der Zivilbevölkerung vorgeworfen. Der Angeklagte Dr. M. zeigte sich an den Ergebnissen der Recherchen nicht interessiert, sondern stritt sofort wieder sämtliche Vorwürfe ab. Es handele sich hierbei um Lügen, um den Krieg gegen die FDLR zu rechtfertigen. Als er mit den Vorwürfen im HRW-Bericht vom selben Tag konfrontiert wurde, bestritt er auch diese sofort, ohne überhaupt Hintergründe zu den erhobenen Vorwürfen zu kennen.
gg)
Ein weiteres Beispiel für das Agieren der FDLR-Führung ist deren Reaktion auf die Vorwürfe von Human Rights Watch vom 9. April 2009. In der E-Mail vom 9. April 2009 an den Angeklagten M., den Exekutivsekretär 16M. und an 1D.N. schickte der Angeklagte Dr. M. einen Entwurf eines Kommuniqués, in dem die Vorwürfe von HRW vom selben Tag bezüglich des Angriffs der FDLR auf Kipopo bestritten werden. Diesen Entwurf fertigte der Angeklagte Dr. M. somit offensichtlich sogleich nach Bekanntwerden der Vorwürfe an, ohne über die tatsächlichen Geschehnisse von der FOCA-Führung oder anderer Seite informiert worden zu sein. Nach Abstimmung mit den Adressaten seines Entwurfs, die zu den Vorwürfen ebenfalls über keine Kenntnisse verfügten, veröffentlichte die FDLR hierzu die Pressemitteilung Nr. 01/SE/CD/April/2009. Diese hat folgenden Wortlaut:
„Die FDLR dementiert kategorisch die verleumderischen, von der amerikanischen Orga-nisation Human Rights Watch am 9. April 2009 veröffentlichten Informationen, die behaupten, die FDLR-Truppen seien verantwortlich für Vergewaltigungen, Massaker und Repressionen gegen die kongolesische Zivilbevölkerung in der Region Kivu, Diese Beschuldigungen von Human Rights Watch sind ungerecht, falsch und unbegründet und bezwecken ausschließlich eine Beschmutzung des guten Rufes der FDLR in den Medien, der Öffentlichkeit und innerhalb der internationalen Gemeinschaft. Die FDLR versichert der Öffentlichkeit, den Medien und insbesondere der kongolesischen Bevölkerung, dass nicht nur keine der in dem am 9. April 2009 veröffentlichten Bericht genannten Beschuldigungen jemals stattfand, zudem handelt es sich um eine Wiederholung und Erweiterung der Beschuldigungen, die dieselbe Organisation im Februar 2009 gegen die FDLR erhob, und die durch unwiderlegbare Beweise zu belegen diese fünfte Kolonne der Totengräber der Völker der Großen Afrikanischen Seen niemals in der Lage war.“
hh)
Obwohl der Angeklagte Dr. M. von 4L. in einer E-Mail vom 11. Mai 2009 darüber informiert worden war, dass das Dorf von Butolongola im Süden von Lubero von Soldaten des Bataillons Someca in Brand gesetzt worden war und in einer SMS vom 11. Mai 2009 Oberst O., der Kommandant des Sektors SONOKI, dem Angeklagten Dr. M. den Angriff der FDLR auf Butolongola bestätigt hatte, leugnete die FDLR in ihrem Pressekommuniqué Nr. 3/SE/CD/Mai/2009 ihre Verantwortlichkeit für diesen Angriff. Diese Presseerklärung war zuvor vom Exekutivsekretär 16M. auf Geheiß und in Absprache mit dem Angeklagten Dr. M. verfasst worden.
ii)
Das deutlichste Beispiel für die Strategie der FDLR-Führung, Kriegsverbrechen der Gegner propagandistisch auszuschlachten und ihre eigenen Kriegsverbrechen hingegen zu leugnen, ist ihre Reaktion nach dem Angriff der FDLR-Truppen auf den Ort Busurungi:
So berichtete die FDLR in ihrer Pressemitteilung Nr. 06/SE/CD/Mai/2009 ausführlich über das vorangegangene Massaker der FARDC an ruandischen Flüchtlingen in Shario Ende April 2009. Ihre als Vergeltung hierfür durchgeführte „opération punitive“ gegen die Zivilbevölkerung von Busurungi leugnete sie in ihrer Pressemitteilung Nr. 01/SE/CD/Juli/2009 jedoch und machte in der weiteren Pressemitteilung Nr. 04/SE/CD/Oktober/2009 die ruandische Regierung für die Morde verantwortlich. Dabei war der Angeklagte Dr. M. bereits am 15. Mai 2009 von Oberst O. per E-Mail und am 17. Mai 2009 per SMS zusätzlich vom politischen Flügel über den Umstand informiert worden, dass bei dem Angriff der FDLR auf Busurungi Zivilisten getötet worden waren.
In einem ersten Entwurf einer Presseerklärung, den der Angeklagte Dr. M. am 21. Mai 2009 um 16.12 Uhr an den Angeklagten M., 2C.M. und 1D.N. versandt hatte, war noch davon die Rede, dass die FDLR es ablehne, die Verantwortung für den Tod von Zivilisten zu übernehmen, die bei den feindlichen Soldaten lebten, und es möglich sei, dass einige Zivilisten, die mit den feindlichen Soldaten in Symbiose lebten, bei den Angriffen auf Mianga und Busurungi getötet worden seien.
In einer anschließenden telefonischen Diskussion mit dem Exekutivsekretär 16M. am selben Tag um 20.58 Uhr über den Inhalt des zu veröffentlichenden Pressekommuniqués zu Busurungi schlug dieser vor, dort nichts über die von der FDLR getöteten Zivilisten zu veröffentlichen. In diesem Gespräch erklärte der Angeklagte Dr. M., er wisse von vielen Leuten, wie etwa B. und dem Kommandeur SONOKI, dass die gegnerischen Soldaten sich mit ihren ganzen Familien in den angegriffenen Siedlungen aufhielten. Die beiden diskutierten sodann, ob man verlautbaren könne, man habe dies nicht gewusst, kamen dann aber zu dem Schluss, in diesem Fall könne man eine Erklärung dazu gleich lassen, denn dies verhindere eine Verantwortlichkeit für die Tötung von Zivilisten nicht. In einer wenige Minuten später an 16M. versandten E-Mail mit dem Entwurf einer Presseerklärung (Nr. 6/SE/CD/Mai/2009) teilte der Angeklagte Dr. M. mit, er lese den Entwurf morgen nochmals durch, um einige Passagen „wegzunehmen“, die „später Probleme bringen könnten“.
In der von der FDLR schließlich am 27. Mai 2009 veröffentlichten Presseerklärung Nr. 07/SE/CD/Mai 2009 zu den Angriffen der Koalition auf Flüchtlinge in Shario und zu den Angriffen der FDLR auf Mianga und Busurungi werden sodann die Passage, „dass es normal sei, dass die FDLR Vergeltungsangriffe durchführe“ und die Passage, „dass diese unter anderen in Mianga und Busurungi erfolgten“, gestrichen. Zudem geht die FDLR auf die von der FDLR getöteten Zivilisten nicht ein. Vielmehr behauptet die FDLR darin, die Gegner der FDLR in Mianga und Busurungi seien Soldaten und keine Zivilisten gewesen. An anderer Stelle in dem Kommuniqué erklärt die FDLR, sie könne für die Opfer der Angriffe der Koalition gegen die als Sündenbock benutzte Zivilbevölkerung nicht verantwortlich gemacht werden. Für die durch diese Angriffe der Koalition aus APR und FARDC verursachten Schäden sollten an erster Stelle jene, die entschieden hätten, diesen Krieg zu führen und jene, die die FDLR zwingen, ihre Interessen zu schützen, verantwortlich gemacht werden. An zweiter Stelle kämen jene, die diese tödlichen Angriffe durchführten, nämlich die Soldaten der Koalition.
Konsequent versuchte die FDLR-Führung in der Folge, eine Aufklärung der Umstände und Folgen des Angriffs auf Busurungi zu verhindern. So informierte am 17. Juni 2009 der FOCA-Kommandant S.M. den Angeklagten Dr. M. in einem Telefongespräch darüber, dass der UN-Sicherheitsrat eine Untersuchung der Ereignisse in Busurungi plane. Um zu verhindern, dass das Untersuchungsteam bei einer Befragung von Personen vor Ort die Wahrheit über den Angriff auf Busurungi und die dabei getöteten Zivilisten herausfindet, schlug S.M. vor, dass der stellvertretende Exekutivsekretär oder ein Offizier die Leute vor einer Befragung trainieren oder sich gleich selbst als Bauer verkleiden und anschließend die Fragen des Untersuchungsteams beantworten solle. Der Angeklagte Dr. M. begrüßte diesen Vorschlag und forderte, dass ein Kommissar des Exekutivkomitees sich als Bauer verkleiden und unter einem falschen Namen eine Zeugenaussage machen solle. Zudem müsse sichergestellt sein, dass der Untersuchungskommission nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung gestellt werde und sie nicht jeden Beliebigen treffen dürfe.
jj)
Am 3. Juli 2009 versandte der Angeklagte Dr. M. eine E-Mail an den Angeklagten M., 2C.M. und 1D.N. mit dem Inhalt eines Berichts von Human Rights Watch (HRW) vom vorangegangenen Tag mit der Überschrift „DR Kongo: Massive Zunahme der Angriffe auf Zivilisten“ und erklärte, auf diese Vorwürfe müsse mit einem Kommuniqué reagiert werden, das Montag veröffentlicht werde, er selbst fertige bis Samstag einen Kommuniquéentwurf. In diesem HRW-Bericht wird unter anderem geschildert, dass FDLR-Kämpfer in Busurungi mindestens 96 Zivilisten brutal massakriert hätten, darunter 25 Kinder, 23 Frauen und 7 ältere Männer, in Chiriba 10 Zivilisten und in Mianga 45 Zivilisten getötet hätten, darunter den Ortsvorsteher, der enthauptet worden sei.
Am 6. August 2009 informierte der Angeklagte Dr. M. mit einer E-Mail die drei Vorgenannten, dass A.VW. von HRW ihn telefonisch um ein Treffen, in dem unter anderem über die von der FDLR begangenen Machtmissbräuche gegenüber der kongolesischen Bevölkerung gesprochen werden solle, und um Übersendung von Informationen und Argumenten zu den Gesprächsthemen gebeten habe. Auf diese Mail antwortete 2C.M. am 7. August 2009, man dürfe in dem Gespräch mit HRW auf keinen Fall sagen, dass die FDLR Offensiven oder Angriffe führe, um sich zu rächen, man müsse vielmehr betonen, dass die FDLR nur gegen Soldaten kämpfe.
Tatsächlich reagierte der Angeklagte Dr. M. sodann in dem Gespräch mit A.VW. und deren Kollegen von HRW, welches am 10. August 2009 in M... stattgefunden hat, mit der üblichen Verteidigungslinie der FDLR auf Vorwürfe über Kriegsverbrechen. Wie diese in der Hauptverhandlung detailliert und ausführlich berichtete, habe Dr. M. auf die Konfrontation mit Einzelheiten zu den Kriegsverbrechen in Busurungi, Mianga, Manje, Remeka, Kibua, Luofu und Ziralo entgegnet, dass er über diese Geschehnisse nicht informiert sei und weitere Informationen benötige. Da sich ca. 10.000 Soldaten der ruandischen Armee APR im Ostkongo aufhielten, könne es leicht möglich sein, dass diese sich als FDLR-Soldaten ausgegeben hätten. Er wisse, dass Kigali Operationen durchführe, um den Namen der FDLR zu beschmutzen. Tatsächlich war der Angeklagte aber über die Angriffe der FDLR auf die Orte Busurungi, Manje und Mianga sowie die Geschehnisse in Kibua ausführlich informiert worden.
In einer E-Mail vom 13. August 2009 informierte der Angeklagte Dr. M. den Angeklagten M., 2C.M. und 1D.N. über den Gesprächsinhalt des Treffens mit den beiden Vertretern von HRW vom 10. August 2009, in dem diese ihm mitgeteilt hätten, dass HRW über Informationen verfüge, wonach die FDLR seit letztem Januar mehr als 452 Kongolesen getötet habe, und dass ein Bericht darüber in 2 Wochen veröffentlicht werde. Sie verlangten Ermittlungen über die Anschuldigungen von HRW, was die Massaker an den Hutu-Flüchtlingen und die von den FDLR begangenen Massaker betreffe. Die FDLR-Führung solle die Ergebnisse innerhalb einer Frist von zwei Wochen an HRW senden. Über diese Vorwürfe informierte der Angeklagte Dr. M. zudem am 17. August 2009 Generalmajor S.M. und den 2. Vizepräsidenten 8R. per SMS. In seiner Antwort-SMS gestand S.M. die Tötung von Zivilisten ein, indem er antwortete, der Angeklagte Dr. M. könne die Kommandanten ruhig fragen, man müsse aber wegen der Toten vermeiden, sich zu loben. Fehler würden passieren und HRW sei kein Richter in ihren Angelegenheiten.
In einem Telefongespräch am 20. August 2009 sprachen der Angeklagte Dr. M. und 2C.M. daraufhin eine gemeinsame Linie hinsichtlich der Reaktion der FDLR auf die Vorwürfe von HRW ab. In dem Gespräch kamen sie auf Drängen des Angeklagten Dr. M. überein, nicht einzugestehen, dass es innerhalb der FDLR Gruppen gebe, die die FDLR-Führung nicht kontrollieren könne. Vielmehr solle weiterhin behauptet werden, dass wenn Kriegsverbrechen begangen würden, diese von der FARDC, der APR und Gruppen begangen würden, welche die Vorgenannten gegründet hätten.
kk)
In dem vom Angeklagten Dr. M. und 2C.M. gemeinsam erstellten Pressekommuniqué 04/SE/CDS/September 2009 weist die FDLR die im Bericht der UN-Expertengruppe über die DR Kongo vom Mai 2009 aufgelisteten und der FDLR angelasteten Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung, die Ausbeutung der Bodenschätze und Rekrutierung von Kindersoldaten sämtlich zurück und bezeichnet den Inhalt des Berichts als unbegründete und falsche Anschuldigungen. Dabei hatten beide Verfasser inzwischen Kenntnis von den Kriegsverbrechen der FDLR in Kipopo, Mianga, Busurungi und Manje.
ll)
In Fortführung dieser bewussten Täuschung der Öffentlichkeit verfassten der Angeklagte Dr. M., der Angeklagte M., 2C.M. und 1D.N. das Pressekommuniqué 04/SECD/OKTOBER/2009, in welchem Folgendes behauptet wird:
„Von den Verbrechen, die vor kurzem von den Agenten des Regimes von Kigali verübt worden sind, kann man folgende nennen:
- Morde an der kongolesischen Zivilbevölkerung in Busurungi (Walikale, Nord-Kivu), in Mianga/Shario (Walikale-Nord-Kivu), in Kipopo (Masisi, Nord-Kivu), in Remeka ...“
Dabei war allen Vorgenannten hinlänglich bekannt, dass die Kriegsverbrechen in Busurungi, Mianga und Kipopo von Truppen der FDLR und nicht etwa der APR begangen worden waren.
mm)
Besonders offenbar wird die Taktik und Strategie der Führung der FDLR, Anschuldigungen wegen begangener Kriegsverbrechen umgehend und ohne nähere Informationen zu dementieren, in einem Telefongespräch zwischen den beiden Angeklagten Dr. M. und M.. Darin führt der Angeklagte Dr. M. unter anderem aus:
„… über die Verbrechen, die sie uns beschuldigen, bin ich mir im Klaren. Ich kann Dir eine Antwort sofort geben. Wir bestreiten jedes Verbrechen, dessen sie uns beschuldigen. Falls Du ein Verbrechen kennst, das wir nicht bestritten haben, kannst Du es uns wissen lassen. … Ich rufe ab und an 4L. an und lasse mich über die Aktionen im Terrain informieren. Dieser gibt mir dann eine Version der Dinge, welche ich in einem Kommuniqué bringe. Dann ist die Angelegenheit für mich abgeschlossen. … Was sollen wir über dieses Thema diskutieren. Wenn eine Anschuldigung gegen uns bekannt wird, dementieren wir normalerweise sofort. Verstehst Du? ... Du als Verantwortlicher solltest auf die Webseite der FDLR gehen, die bestreitenden Kommuniqués suchen und sie in einem Ordner ablegen. Falls man Dich nach dem Massaker in Busurungi fragt, dann zeigst Du hier: Dieses Massaker in Busurungi haben wir dementiert, das oder dieses Massaker haben wir dementiert. …“
nn)
Aber nicht nur über die Verantwortlichkeit der FDLR für Kriegsverbrechen täuschte die FDLR-Führung in ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Auch belog die FDLR die Öffentlichkeit bezüglich der Zugehörigkeit von für den Völkermord im Jahre 1994 verantwortlicher Hutu zur FDLR. Ein Beispiel hierfür ist die Pressemitteilung Nr. 03/SE/CD/August 2009 über die Verhaftung von 1G.N.. Dieser wurde vom Arusha-Tribunal wegen Völkermordes zu 15 Jahren Haft verurteilt. In dieser vom Angeklagten Dr. M. gemeinsam mit dem Exekutivsekretär 16M. verfassten Erklärung teilt die FDLR mit:
„… Die FDLR erklärt, dass Herr 1G.N. ein einfacher ruandischer Flüchtling war, der im Osten der DR Kongo lebt. Er war nie Mitglied einer der Strukturen der FDLR und deshalb war er kein Mitglied dieser Organisation.“
Tatsächlich handelt es sich bei dieser Person jedoch, wie dem Angeklagten Dr. M. zuvor auf seine telefonische Nachfrage vom Präsidenten eines Regionalwiderstandskomitees S.M. gesagt worden war, um dessen Sekretär.
Des Weiteren täuschte die FDLR-Führung die Öffentlichkeit bewusst über die Moral und den Rückkehrwillen ihrer Kämpfer und Führungspersönlichkeiten. So stellte die FDLR die freiwillige Rückkehr hochrangiger FDLR-Mitglieder als deren Entführung oder Gefangennahme durch ruandische Regierungssoldaten dar.
Prominentestes Beispiel ist die Desertion des FOCA-Sprechers E.N. alias 1M.H. im Februar 2009.
Am 12. Februar 2009 teilte der FOCA-Kommandant S.M. dem Angeklagten Dr. M. telefonisch mit, dass 27M. [6H.] sich in Gisenyi den alliierten Kräften gestellt habe. Dieser wolle sich im Radio dazu äußern. Dr. M. antwortete in dem Telefongespräch, dass er diese Verlautbarung gegebenenfalls sogar dementieren werde.
Am 20. Februar 2009 besprachen die beiden Angeklagten in einem Telefongespräch die Desertion des 1M.H.. Der Angeklagte Dr. M. zeigte sich hierin gegenüber dem Angeklagten M. davon überzeugt, dass 1M.H. desertiert ist, dieser „habe einfach die Treue gebrochen“. Auch der Angeklagte M. vertrat die Meinung, dass alles, was 6H. in Ruanda sage, dementiert werden müsse. Man müsse verlautbaren, 6H. habe keine andere Wahl, denn er befinde sich in den Händen Kigalis. Der Angeklagte M. bat jedoch den Angeklagten Dr. M., kein Pressekommuniqué über die Desertion zu veröffentlichen, denn dies würde zeigen, dass die FDLR-Führung die Situation nicht unter Kontrolle habe. In einem weiteren Telefongespräch vom 1. Juni 2009 unterhielten sich die beiden Angeklagten erneut über die Flucht 1M.H.s nach Ruanda. Beide waren sich darüber einig, dass sie es sich nicht hätten vorstellen können, dass 1M.H. tatsächlich für den Feind arbeiten würde. Der Angeklagte M. sagte darin aber auch zum Angeklagten Dr. M., er habe 1M.H. seit ca. zwei Jahren nicht mehr vertraut.
Gleichwohl war es stets die Linie der FDLR-Führung, zu behaupten, dass 1M.H. in Goma festgenommen und zwangsweise nach Ruanda verbracht worden sei.
In der Öffentlichkeitsarbeit der FDLR stellte der Angeklagte Dr. M. somit bewusst der Wahrheit zuwider die FDLR als alleinige Stimme der Wahrheit im Bereich der Großen Seen dar: Berichte von Human Rights Watch, der International Crisis Group, der Expertengruppe der Vereinten Nationen und des Büros der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) werden als völlig haltlos bezeichnet. Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen manipuliere die Wahrheit. Aussagen des MONUC-Leiters 1A.D. seien eine „Orgie von Lügen, Hass und extremer Verantwortungslosigkeit.“ Die Journalisten in Europa seien „gekauft“.
5. Sicherstellung der militärischen Kommunikation
Der Angeklagte Dr. M. unterstützte die militärischen und politischen Führungspersonen in den Kivu-Gebieten sowohl vor der Militäroperation „Umoja Wetu“ aber vor allem danach maßgeblich durch den Ankauf von Thuraya-Telefoneinheiten und ermöglichte dadurch insbesondere eine Kommunikation der FOCA-Führungsoffiziere untereinander und damit auch die Durchführung von Vergeltungsangriffen, im Rahmen derer Kriegsverbrechen - wie bei den Angriffen auf die Ortschaften Mianga, Busurungi, Chiriba und Manje -, nämlich die Tötung von Zivilisten, Brandstiftungen und Plünderungen, begangen wurden.
a)
Die Führungspersonen in der FDLR waren für ihre Kommunikation untereinander zwingend auf Satellitentelefone angewiesen. Denn das herkömmliche Mobilfunknetz ist in den Kivu-Provinzen nicht flächendeckend, so dass eine Kommunikation mit Mobiltelefonen nicht von überall aus möglich ist. Eine Kommunikation über Funkgeräte war gewöhnlich nur bei Tage möglich, da die Stromversorgung regelmäßig über Solarzellen sichergestellt wurde und Treibstoff für den Betrieb von Notstromaggregate sehr begrenzt für die FOCA-Einheiten zur Verfügung stand. Dies gilt vor allem für Kriegszeiten, in denen der Ankauf von Benzin der FDLR nicht möglich war. Aus diesem Grund verfügten unter anderem der FOCA-Kommandant, dessen Stellvertreter, die Kommandeure der Sektoren und einige Kommandeure von Bataillonen sowie der 2. Vizepräsident und der FOCA-Sprecher über dienstliche Satellitentelefone.
Die Telefoneinheiten für die Satellitentelefone wurden ganz überwiegend von der Firma Thuraya als sogenannte scratch cards bezogen. Insbesondere in den Kriegszeiten waren die FDLR-Führungskräfte auf die Versorgung ihrer Satellitentelefone mit Telefoneinheiten durch den Angeklagten Dr. M. und andere Personen im Ausland angewiesen, da sie in dieser Zeit aus den Ansiedlungen in den Wald geflüchtet waren und sich deshalb in Regionen aufhielten, in denen kein Mobilfunknetz zur Verfügung stand und auch kaum Treibstoff für den Betrieb von Notstromaggregaten vorhanden war.
Dem Angeklagten Dr. M. war durch seine Besuche im Kongo sowie insbesondere durch SMS und Telefonate, in denen er um den Ankauf von Thuraya-Telefonen oder Thuraya-Telefoneinheiten gebeten wurde, bekannt, dass die FOCA-Offiziere zur Kommunikation zwecks Vorbereitung und Durchführung ihrer Militäroperationen die Satellitentelefone als Kommunikationsmittel einsetzen und diese die Thuraya-Einheiten hierfür dringend benötigten.
b)
Aus den beim Angeklagten Dr. M. sichergestellten Unterlagen, SMS-Dateien und den Erkenntnissen aus der Telefonkommunikationsüberwachung lässt sich die Versorgung von Führungskräften mit Thuraya-Einheiten seitens des Angeklagten Dr. M. durch zumindest folgende Handlungen belegen:
aa)
Aus der beim Angeklagten Dr. M. sichergestellten Aufstellung der Ausgaben der FDLR ergeben sich folgende Ankäufe:
- Im Dezember 2007 erwarb der Angeklagte Dr. M. Thuraya-Einheiten im Wert von 140 EUR für den FOCA-Kommandanten S.M..
- Am 19. Januar und 20. März 2008 und nochmals im März 2008 erwarb der Angeklagte Dr. M. für jeweils 140 EUR Thuraya-Einheiten für den 2. Vizepräsidenten.
- Am 15. April 2008 erwarb der Angeklagte Dr. M. für 4L. Telefoneinheiten im Wert von 140 EUR.
- Im August 2008 erwarb der Angeklagte Dr. M. ein Thuraya-Telefon für 580 EUR sowie acht scratch cards für insgesamt 1.120 EUR.
- Am 27. Dezember 2008 erwarb ein 3J. [vermutl. J.M.] im Auftrag und mit dem durch den Angeklagten Dr. M. verwalteten Geld der FDLR eine Thuraya-Karte im Wert von 150 EUR für das Satellitentelefon des stellvertretenden Exekutivsekretärs.
- Am 27. und 29. Januar 2009 erwarb ein 3J. [vermutl. J.M.] im Auftrag und mit dem durch den Angeklagten Dr. M. verwalteten Geld der FDLR jeweils eine scratch card im Wert von 140 EUR. Mit einer dieser Karten wurde das Telefonguthaben des FOCA-Kommandanten S.M. aufgeladen.
- Am 7. April 2009 kaufte 3J. [vermutl. J.M.] für den FOCA-Kommandanten S.M. eine Thuraya-Karte im Wert von 160 EUR.
- Anfang August 2009 kaufte 3J. [vermutl. J.M.] im Auftrag und mit dem durch den Angeklagten Dr. M. verwalteten Geld der FDLR eine Karte für den 2. Vizepräsidenten im Wert von 160 EUR.
- Am 15. August 2009 kaufte 3J. [vermutl. J.M.] im Auftrag und mit dem durch den Angeklagten Dr. M. verwalteten Geld der FDLR eine zweite Thuraya-Karte für den stellvertretenden FOCA-Kommandanten S.N., alias 9B. oder 2I.D. im Wert von 140 EUR sowie je 80 Einheiten für den stellvertretenden Exekutivsekretär und den Kommandanten des Sektors SONOKI O..
bb)
Die beim Angeklagten Dr. M. sichergestellte Datei „SMS VENANT D‘EN BAS.doc“ belegt unter anderem folgende Ankäufe:
- Am 30. August 2008 bedankte sich 26M., Kommandant des Sektors SOSUKI, in einer SMS beim Angeklagten Dr. M. für die ihm gutgeschriebenen Telefoneinheiten.
- Am 25. September 2008 bedankte sich Oberst O. per SMS beim Angeklagten Dr. M. dafür, dass sein Telefon aufgeladen worden sei.
- Am 18. Oktober 2008 teilten sowohl der 2. Vizepräsident als auch der FOCA-Kommandant dem Angeklagten Dr. M. per SMS mit, dass sie Telefoneinheiten empfangen hätten.
cc)
Aus der Telekommunikationsüberwachung ergeben sich folgende Unterstützungshandlungen des Angeklagten Dr. M.:
- Am 27. Februar 2009 teilte der Angeklagte Dr. M. dem 2. Vizepräsidenten bzw. seinem Kabinettsdirektor mit, dass er gleich nach Beendigung des Telefongesprächs Einheiten im Wert von 200 US-Dollar gutschreiben lassen werde.
- Am 14. März 2009 erklärt der Angeklagte Dr. M. sich gegenüber Oberst P.N. alias O. in einer E-Mail bereit, für diesen ein Thuraya-Telefon zu kaufen.
- Am 31. März 2009 berichtete der Angeklagte Dr. M. in einer E-Mail dem Exekutivsekretär 16M., dass er für den FOCA-Kommandanten 17M. Thuraya-Einheiten im Wert von 160 EUR besorgt habe.
- In einer SMS vom 1. April 2009 an den Angeklagten Dr. M. berichtete Kommandant O., dass die Thuraya-SIM-Karte bei ihm eingetroffen sei.
- Am 1. April 2009 informierte Oberst 28M., Kommandeur des Sektors SOSUKI, in einer SMS den Angeklagten Dr. M. darüber, dass die von diesem besorgte SIM-Karte bei ihm eingetroffen sei.
- Am 8. Mai 2009 teilte der Angeklagte in einer SMS O. mit, dass er dem FOCA-Kommandanten 17M. Thuraya-Einheiten besorgt habe und dass er auch ihm Thuraya-Einheiten in F... besorgen werde. Diese Ankündigung setzte er alsbald in die Tat um und beauftragte 3J. [vermutl. J.M.] mit dem Kauf. Bereits am Abend desselben Tages bedankt sich O. per SMS für die erhaltenen Einheiten.
- Am 17. Mai 2009 versprach der Angeklagte Dr. M. dem 2. Vizepräsidenten, diesen wie üblich mit Telefoneinheiten zu versorgen. Er habe vor einer Woche allerdings feststellen können, dass der 2. Vizepräsident noch über 300 Einheiten verfüge.
- Am 3. August 2009 bedankte sich Oberst O. in einer SMS beim Angeklagten Dr. M. für die übersandten Akkus und Thuraya-SIM-Karten [Die SIM-Karte (subscriber identity module für „Teilnehmer-Identitätsmodul“) ist eine Chipkarte, die in ein Mobiltelefon eingesteckt wird und zur Identifikation des Nutzers im Netz dient. Mit ihr stellen MobilfunkanbieterTeilnehmern mobile Telefonanschlüsse und Datenanschlüsse zur Verfügung], die allerdings nicht funktionierten.
- Am 13. August 2009 wurde der Angeklagte Dr. M. von S.M. gebeten, für den 2. Vizepräsidenten einen neuen Telefon-Akku zu besorgen, was er auch tat. Denn am 9. September 2009 teilte ihm 8R. in einer SMS mit, dass dieser die Batterien erhalten habe und mit den anderen kommunizieren könne.
- Am 7. Oktober 2009 bedankte sich der 2. Vizepräsident beim Angeklagten Dr. M. für die von diesem besorgten Telefoneinheiten.
- Am 10. November 2009 wurde der Angeklagte Dr. M. vom Kabinettsdirektor 2D.M. in einer SMS gebeten, ihm Telefoneinheiten zukommen zu lassen.
dd)
Folgende weitere Erkenntnisse aus den vorgenannten Beweismitteln belegen exemplarisch, dass der Angeklagte Dr. M. wusste, dass die FDLR-Führungskräfte dringend auf seine Hilfe angewiesen waren:
- In einer SMS vom 21. September 2007 teilte der 2. Vizepräsident 8R. dem Angeklagten Dr. M. mit, dass er Telefoneinheiten benötige.
- Wiederum der 2. Vizepräsident 8R. erinnerte den Angeklagten Dr. M. in einer SMS vom 13. Oktober 2007, dass dieser ihm versprochen habe, Einheiten für das Satellitentelefon zu besorgen, er habe diese aber noch nicht erhalten.
- Am 14. Dezember 2007 forderte der FOCA-Kommandeur S.M. (17M.) den Angeklagten auf, bis zum 18. dieses Monats ihnen Telefoneinheiten im Wert von mehr als 100 US-Dollar zukommen zu lassen. Es sei sehr dringend, sie könnten sich diese vor Ort nicht besorgen.
- In einer SMS vom 15. Januar 2008 informierte der FOCA-Kommandeur S.M. den Angeklagten Dr. M., dass sein Telefon aufgeladen werden müsse.
- In einer E-Mail vom 27. Januar 2009 forderte der Angeklagte M. den Angeklagten Dr. M. auf, dringend Telefoneinheiten aus dem dafür vorgesehenen Geld zu kaufen, diese Einheiten würden sehr dringend benötigt werden.
- Am 28. Januar 2009 schickte der Kabinettsdirektor dem Angeklagten Dr. M. eine SMS mit folgendem Wortlaut:
„Hallo. Wir haben Kibua verlassen. der Feind ist jetzt dort. Machen Sie alles was möglich ist, um uns Einheiten zu geben, damit ich mit allen anderen kommunizieren kann“.
- Am 6. Februar 2009 teilte der Kabinettsdirektor 2D.M. dem Angeklagten Dr. M. mit, dass er vergeblich auf die Telefoneinheiten gewartet habe, diese aber dringend benötige, um mit den anderen kommunizieren zu können.
- In einer SMS vom 24. Oktober 2009 informierte der FOCA-Kommandeur S.M. den Angeklagten Dr. M. darüber, dass er die von 1E. über C. besorgten Telefoneinheiten immer noch nicht erhalten habe. Das dauere und er benötige sie. Dr. M. solle sich schnell darum kümmern.
V. Kenntnis des Angeklagten von den terroristischen Tätigkeiten der FDLR
Dem Angeklagten Dr. M. war bekannt und bewusst, dass die FDLR während seiner Präsidentschaft an der Ausbeutung von Bodenschätzen im Kivu verdiente (V. 1.), der örtlichen Bevölkerung Schutzzölle und Zwangsabgaben auferlegte (V. 2.), bereits die Jahre vor „Umoja Wetu“ in Kriege verwickelt war (V. 3.) und vor „Umoja Wetu“, insbesondere aber während der Militäroperationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“, Kriegsverbrechen (V. 4.) beging.
1. Profit an der Ausbeutung von Bodenschätzen
Dem Angeklagten Dr. M. war der Umstand bekannt, dass Führungspersonen in der FDLR an der Ausbeutung von Bodenschätzen in den Kivu-Provinzen verdienten.
a)
Dies ergibt sich zum einen daraus, dass der Angeklagte Dr. M. sämtliche Berichte über die FDLR in den Medien aufmerksam verfolgte, was die oben dargestellten, vom Angeklagten Dr. M. maßgeblich mitverfassten Presseerklärungen der FDLR belegen, in denen die Organisation Vorwürfe gegen die FDLR dementierte. So wurde beispielsweise im Bericht der Expertengruppe der Vereinten Nationen vom 12. Dezember 2008, dort unter Nr. 72 bis 101 sowie in den früheren Berichten der Expertengruppen der Vereinten Nationen zur DR Kongo, auf die der erstgenannte Bericht Bezug nimmt, detailliert aufgeführt, dass sich die FDLR durch die Ausbeutung von Bodenschätzen, insbesondere Gold und Kassiterit, finanziere.
Im Bericht der Expertengruppe der Vereinten Nationen vom 12. Dezember 2008 kommt diese aufgrund ihrer Untersuchungen zu dem Schluss, dass sich die FDLR zum Aufbringen von Kapital hauptsächlich des illegalen Handels mit Bodenschätzen bedient. Die Gruppe schildert dort, dass sie die von den FDLR kontrollierten Bergbaureviere besichtigt, Mitarbeiter nichtstaatlicher Organisationen, Zivilpersonen und Mineralienhändler innerhalb dieser Gebiete und ehemalige Kämpfer der FDLR in Goma und Ruanda befragt habe. Die Expertengruppe hat in dem Bericht detailliert den Umfang der Tätigkeiten der FDLR ausgearbeitet und den Handel mit in den Provinzen Süd-Kivu und Nord-Kivu ansässigen Exportfirmen und anschließend mit ausländischen Endnutzern in Verbindung gebracht. In dem Bericht weist die Expertengruppe darauf hin, dass ihre Vorgänger bereits seit 2006, dem Jahr, in dem der Sicherheitsrat die Gruppe in Paragraph 5 (d) ihrer Resolution 1698 (2006) mit der Erforschung der Verbindung zwischen dem Handel mit Mineralien und dem Waffenhandel beauftragt hat, auf Mineralienhändler in Nord- und Süd-Kivu gestoßen sind. Seitdem bringe die Expertengruppe ständig den Zusammenhang zwischen nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen und dem Abbau von Mineralien zur Sprache. Die Expertengruppe erläutert, dass die FDLR ihre Gewinne aus dem Handel mit Mineralien im Osten der DR Kongo erziele, insbesondere aus dem Handel mit Kassiterit, Coltan und Wolframit. Das Geschäft mit Mineralien habe hohe Priorität für die FDLR; ihre Befehlshaber stellten daher Einheiten zur Besteuerung und Kontrolle des Mineralienhandels in einem System ab, das sie als „nicht konventionelle Logistik“ bezeichnen. Einige ehemalige Kämpfer hätten der Expertengruppe mitgeteilt, dass die von den FDLR erzielten Einnahmen in der Organisation über die Hierarchie verteilt würden. Die Expertengruppe kommt in ihrem Bericht zu dem Schluss, dass die FDLR die meisten der wichtigsten handwerklich betriebenen Bergbaustandorte in Süd-Kivu kontrolliert, bei denen es sich zumeist um Kassiterit-, Gold- und Coltanminen handelt. In Nord-Kivu kontrolliere die FDLR viele im Dschungel westlich der Stadt Lubero gelegene Gruben, in denen nach Gold geschürft wird. Die Rebellengruppe sei auch in den Handel mit Mineralien auf dem Straßenweg von Walikale aus verwickelt und kontrolliere die überwiegende Mehrheit des Gebiets im mineralienreichen Nationalpark Kahuzi Biega.
In dem Bericht vom 18. Mai 2009, über dessen Inhalt deren Mitglied 4D.M. als Zeuge Angaben machte, legte die Expertengruppe erneut die Verbindungen zwischen der Ausbeutung von Bodenschätzen und illegalen bewaffneten Gruppen, insbesondere auch der FDLR, dar.
b)
Zum anderen ergibt sich das tatsächliche Wissen des Angeklagten Dr. M. darüber, dass Führungspersonen der FDLR an der Ausbeutung von Bodenschätzen in den Kivu-Provinzen verdienten, auch daraus, dass der Angeklagte in Telefongesprächen dieses Wissen gegenüber anderen Gesprächsteilnehmern offenbarte.
aa)
In einem Telefongespräch am 19. Dezember 2008 zwischen dem Angeklagten Dr. M. und B.T. alias J.M. schlägt dieser die Ausbeutung von Erzen im Kivu durch I.T.. als für die FDLR nützlich vor. In diesem Gespräch zeigte sich der Angeklagte Dr. M. informiert darüber, dass führende Mitglieder der FDLR für den Abbau von Bodenschätzen verantwortlich sind. Der Angeklagte Dr. M. sagte nämlich dazu, dass dies innerhalb der Organisation verboten sei, da dies die Mitglieder vom Befreiungskampf ablenke und diejenigen, die Geld verdient hatten, zur Desertion verleitete. Aus diesem Grund werde dies heimlich von manchen FDLR-Angehörigen getan. Letztlich sah der Angeklagte Dr. M. aber die Organisation nicht in der Lage, dies zu verhindern.
bb)
Am 9. Januar 2009 bat der Angeklagte Dr. M. telefonisch JP.S. um finanzielle Unterstützung in Höhe von ca. 35 EUR für Kosten der Internetseite der FDLR. Dieser fragte in diesem Zusammenhang nach dem Wahrheitsgehalt eines Berichts aus dem Internet, nach dem Dr. M. Geld mit dem Reichtum des Kongo verdiene. Dr. M. antwortete, er würde nicht um 35 EUR bitten, wenn er tatsächlich an diesem Reichtum verdiente. Man könne dies (vor Ort) machen, man könne 100 oder 200 Leute hinschicken, um Coltan abzubauen und dadurch 40.000 oder 50.000 US-Dollar monatlich verdienen, aber man sei dann vollständig vom (eigentlichen) Kampf (der FDLR) Weg. Deswegen mache die FDLR so etwas nicht. Auch würde der Profit aus der Ausbeutung von Bodenschätzen zu Problemen innerhalb der FDLR führen, da einige sagen würden, sie würden von dem Geld nicht profitieren. Auch die regionale Aufteilung der FDLR in den Regionen Nord- und Süd-Kivu würde zu Neid führen. Im weiteren Verlauf räumte er allerdings ein, dass einige FDLR-Offiziere dies heimlich gemacht hätten, ohne dass die FDLR es gewusst habe. Diese Offiziere seien aber nicht in der FDLR geblieben, sondern desertiert. Aus diesem Grund sei es innerhalb der FDLR streng verboten, in solche Geschäfte einzusteigen. Die Behauptungen, die FDLR beute die Bodenschätze des Kongos aus, kämen von der FPR, um dem Ruf der FDLR zu schaden.
2. Erhebung von Wegezöllen und Schutzsteuern
Der Angeklagte Dr. M. hatte auch Kenntnis davon, dass die lokale Zivilbevölkerung von FDLR-Einheiten durch Wegezölle und Schutzsteuern ausgebeutet wurde.
a)
Dies ergibt sich wiederum daraus, dass der Angeklagte Dr. M. sämtliche Berichte über die FDLR in den Medien aufmerksam verfolgte und Vorwürfe gegen die FDLR sogleich dementierte. Im Bericht der Expertengruppe der Vereinten Nationen vom 12. Dezember 2008 und deren Bericht vom 18. Mai 2009, aber auch in den früheren Berichten der Expertengruppen der Vereinten Nationen zur DR Kongo, auf die der erstgenannte Bericht Bezug nimmt, ist ausführlich und unter Nennung von konkreten Fällen beschrieben, dass sich die FDLR durch die Erhebung von Wegegeldern und Schutzzöllen finanziere.
So ist im Bericht der Expertengruppe der Vereinten Nationen vom 12. Dezember 2008 [unter Nr. 113] etwa als ausführliches Beispiel für die Erhebung von Schutzgeldern, die nicht im Rahmen des Handels mit Bodenschätzen erhoben wurden, der illegale Kohlehandel im Virunga-Nationalpark genannt, von dem die FDLR und die FARDC profitierten. Da das Fällen von Bäumen und die Herstellung von Kohle im Park gesetzwidrig sei, werde entlang der Lieferkette nach Goma Schutz benötigt. Im Gebiet Rutshuru sorge überwiegend Personal der FDLR für Schutz für die Herstellung von Kohle im Park und erhebe eine Steuer von 4 bis 6 US-Dollar pro Sack Kohle. Die Kohlehändler transportierten ihre Waren danach mit Lastwagen nach Goma und zahlten Schutzgeld an die 83. und 9. Brigade der FARDC, die die Straße in Rutshuru bis Ende Oktober 2008 kontrolliert hätten.
b)
Die Kenntnis des Angeklagten Dr. M. von diesen Aktivitäten der FDLR wird aber vor allem durch die Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung und die Aussagen ehemaliger hochrangiger FDLR-Kämpfer belegt.
aa)
In einem Telefongespräch zwischen den beiden Angeklagten am 22. Juni 2009 unterhielten sich die beiden über ein Gespräch des Angeklagten Dr. M. mit dem Vermittler R.M.. Dieser habe der FDLR vorgeworfen, von FOCA-Kommandanten würden Wegezölle erhoben. Der Angeklagte Dr. M. erklärte, er habe auf solche Vorwürfe dahingehend reagiert, dass er gesagt habe, diese Wegzölle gingen in solchen Fällen in die Tasche dieses Kommandanten, nicht aber in die Kasse der FDLR.
bb)
Am 10. Juli 2009 wurde der Angeklagte Dr. M. von seinem Kabinettsdirektor 2D.M. telefonisch darüber informiert, dass sowohl von hochrangigen Offizieren als auch von einfachen Soldaten der FOCA geäußert werde, die Armee sei fest in Korruption verstrickt. Um in eine verantwortungsvolle Position wie die eines Bataillonskommandant zu gelangen, komme es nicht auf die Befähigung des Bewerbers an, vielmehr müsse dieser Geld bezahlen, dann bekäme er die Position.
Dies deckt sich mit den Aussagen der Zeugen 1S.B. und J.B., die ebenfalls berichteten, dass der Posten eines Bataillonskommandanten in der FOCA äußerst begehrt und wesentlich lukrativer sei als etwa der Rang eines Generalstabsoffiziers im FOCA-Kommando. Beide gaben an, den Posten eines Bataillonskommandanten bekleidet zu haben, bevor sie zum FOCA-Kommando versetzt worden seien. Die Zeugen schilderten anschaulich, dass dies deshalb so sei, weil der Bataillonskommandant vor Ort sei und unmittelbar an der Erhebung von Wegezöllen und Schutzgeldern durch seine Einheiten verdiene. Als Bataillonskommandant verfüge man über hundert Soldaten, während einem Generalstabsoffizier nur wenige Leibwächter unterstünden. Der Zeuge J.B. sagte offen aus, dass man mit den unterstellten Soldaten Verpflegungsoperationen habe durchführen können. Mit diesem „erwirtschafteten“ Geld sei dann der FOCA-Kommandant für die erfolgte Ernennung zum Bataillonskommandant bezahlt worden. Der Zeuge 1S.B. machte aus seiner Enttäuschung darüber, dass er vom FOCA-Kommandeur S.M. als Kommandant des 2. Bataillons der Division SOSUKI im Jahr 2008 abgelöst und zum G 5 im Generalstab „befördert“ worden war, keinen Hehl. Der Zeuge J.B. bezeichnete den Posten, den der Zeuge 1S.B. als Bataillonskommandant innegehabt hatte, als sehr lukrativ, denn dort habe man viel Geld durch Straßensperren und Wegezölle verdienen können.
Allem nach geht der Senat davon aus, dass der Angeklagte Dr. M. trotz gegenteiliger öffentlicher Beteuerungen wusste, dass von der lokalen Bevölkerung mit Billigung des FOCA-Kommandos, das an den Wegzöllen und Schutzsteuern ebenfalls partizipierte, durch FDLR-Einheiten Schutzgelder und Wegezölle erhoben wurden.
3. Kenntnis von Kriegshandlungen
Der Angeklagte Dr. M. hatte durch vielfältige Informationen Kenntnis von den Kriegshandlungen, in welche die FDLR verwickelt war.
a)
Dies ergibt sich schon daraus, dass der Angeklagte Dr. M., der sämtliche Informationen über die FDLR in den Medien auswertete, bereits hierdurch Kenntnis von Kriegshandlungen der FDLR erlangte.
Im Bericht der Expertengruppe der Vereinten Nationen vom 12. Dezember 2008 [dort unter Nr. 102 -105] schildert diese, dass die Streitkräfte der FARDC mit der FDLR zusammengearbeitet habe, so unter anderem durch Bereitstellung militärischer Ausrüstung und in gemeinsamen Militäroperationen gegen den CNDP. Die FDLR habe während der Kämpfe mit dem CNDP in den Gebieten Masisi und Rutshuru im Dezember 2007 flächendeckend mit der FARDC zusammengearbeitet und habe die Zusammenarbeit mit den FARDC während der Kämpfe, die am 28. August 2008 begonnen haben, fortgesetzt. Von den Einheiten der FDLR seien an diesen Operationen und der Zusammenarbeit hauptsächlich das Bataillon Sabena unter dem Kommando von Oberstleutnant 2M.H. (alias 2N.M.) und das Bataillon Bahama unter dem Kommando von Oberstleutnant H.M. beteiligt gewesen. Die Hauptbereiche dieser Zusammenarbeit hätten in den Gebieten von Masisi und Rutshuru im Nord-Kivu auf den Achsen Ngungu-Mushaki, Katale-Mushaki, Kiwanja-Kinyandoni und Rugari-Kikumba gelegen. Typischerweise werde die militärische Zusammenarbeit durch anstehende Angriffs- oder Verteidigungsoperationen gegen den CNDP ausgelöst. Normalerweise erfolge die Hilfe in Form von gemeinsamen Angriffen, bei denen die beiden Truppen die Achsen des Einsatzes aufspalten. Als Gegenleistung für die geleistete militärische Hilfe versorge die FARDC die FDLR mit Munition.
b)
Außerdem wurde der Angeklagte von FDLR-Angehörigen unmittelbar über Operationen der FDLR im Rahmen kriegerischer Auseinandersetzungen mit der FARDC, dem CNDP und der ruandischen Armee informiert.
Zwar begann die Telekommunikationsüberwachung der beiden Angeklagten erst kurze Zeit vor dem Beginn von „Umoja Wetu“. Jedoch konnte anlässlich der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten Dr. M. ein Laptop beschlagnahmt und die Speichermedien ausgewertet werden. Auf dem Speicher des Laptops befanden sich mehrere Dateien, in denen ein- und abgehender SMS-Verkehr des Angeklagten Dr. M. abgespeichert ist. Bei den Absendern bzw. Empfängern dieser SMS-Nachrichten handelt es sich insbesondere um den Kabinettsdirektor 2D.M., den Leiter einer Antenne 2M.M. alias 4L., den 2. Vizepräsidenten G.I. alias 8R. und den Kommandeur des Sektors SONOKI Oberst P.N. alias O.. Zu diesen Personen und Generalmajor S.M. hatte der Angeklagte Dr. M., wie sich aus dem Inhalt der Nachrichten und der Aussage des Zeugen 1S.B. ergibt, ein besonderes Vertrauensverhältnis. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte Dr. M. dem Inhalt dieser Nachrichten keinen Glauben schenkte, hat der Senat nicht. Vielmehr teilte gerade der Angeklagte Dr. M. dem Kabinettsdirektor 2D.M. in einem Telefongespräch am 13. Juli 2009 mit, dass er sehr gut über die Militäroperationen informiert sei. Er sagte ihm weiter, dass er in jeder FOCA-Einheit Informanten habe, die ihn direkt nach den Militäroperationen informieren würden.
Durch folgende, dort gespeicherte SMS-Nachrichten erhielt der Angeklagte Dr. M. somit positive Kenntnis von Kriegshandlungen der FDLR vor „Umoja Wetu“:
aa)
In zwei SMS vom 7. und 9. Dezember 2006 wurde der Angeklagte Dr. M. von 4L. und auch Oberst O. darüber informiert, dass die FDLR im Krieg sei und die Streitkräfte von SONOKI gemeinsam mit der FARDC 1L.N., d.h. den CNDP, geschwächt hätten. Dieser habe schon mehr als 5 Städte (Tongo, Nyanzare, Gikuku, Gishishi, Mutanda, Mulimbi) und auch viele Soldaten, darunter einen Major und einen Hauptmann, verloren. Munition und Waffen, unter anderem auch Maschinengewehre seien erbeutet worden, auf Seiten der FDLR habe es einige Tote und Verletzte gegeben.
bb)
In drei SMS im Zeitraum vom 17. bis 21. Februar 2007 berichtete 4L. dem Angeklagten Dr. M., dass Oberst 2M. von der gemischten Brigade der FARDC am 6. Februar 2007 während einer Versammlung mit der Bevölkerung in Katwiguru den Leuten, die er als Interahamwe bezeichne, offiziell den Krieg erklärt habe. Am 17. Februar um 8:00 h sei daraufhin die FDLR angegriffen worden, sie hätten sich gut verteidigt und in der Nacht den Konvoi der gemischten Brigade angegriffen und zwei Hinterhalte gelegt.
cc)
In einer SMS vom 7. März 2007 wurde der Angeklagte Dr. M. von 4L. darüber informiert, dass die FDLR sich in Alarmbereitschaft befinde, weil sie eine endgültige Militäroperation fürchte, nachdem sie einen Zusammenstoß mit dem Feind am 3. März 2007 in Ngwenda gehabt hätten.
dd)
Am 10. März 2007 erhielt der Angeklagte Dr. M. von 4L. zwei SMS, in denen dieser über einen Angriff des Bataillons Sabena vom 6. März 2007 auf die in Kalembei stationierten Kräfte von 1L.N. und deren Vertreibung sowie eine Offensive der Streitkräfte 1L.N.s gegen die Reservebrigade der FDLR berichtete, welche eine Vertreibung der FDLR aus Mashaki und Kazinga zur Folge gehabt habe.
ee)
Am 15. März 2007 erfuhr der Angeklagte Dr. M. von 4L., dass eigene Kräfte Kazinga zurückerobert und den Feind nach Mitimingi zurückgedrängt hätten.
ff)
Am 13. April 2007 unterrichtete 4L. den Angeklagten Dr. M. per SMS darüber, dass das Bataillon Montana am 12. April 2007 den Feind angegriffen und geschlagen habe. Dabei seien 10 feindliche Soldaten getötet sowie leichte und schwere Waffen erbeutet worden.
gg)
Am 24. April 2007 berichtete 4L. dem Angeklagten Dr. M. von Kämpfen in Rutshuru. Die FARDC und die gemischte Brigade hatten gegen 15:30 h angegriffen.
hh)
Am 30. April 2007 informierte 4L. den Angeklagten Dr. M. in zwei SMS über einen erneuten Angriff auf die FDLR in Rutshuru, der aber zurückgeschlagen werden konnte.
ii)
Am 5. und 7. Mai 2007 wurde der Angeklagte Dr. M. von Oberst O. und 4L. über einen Angriff der FOCA auf die FARDC in Karengere/Rutshuru unterrichtet, bei dem drei FDLR-Soldaten getötet und zwei verwundet wurden. Bei der 2. Brigade der FARDC seien 30 Soldaten getötet und 35 verwundet worden. Es habe 14 getötete Zivilisten gegeben, die aber alle von der FARDC getötet worden seien. anderslautende Berichte seien nur „Medienpropaganda“.
jj)
Am 10. Mai 2007 informierte 4L. dem Angeklagten Dr. M. darüber, dass der CNDP sich immer noch in der von der FDLR kontrollierten Zone befinde. Die Operationen des CNDP würden durchgeführt, um die FDLR aus ihren Stellungen zu verjagen und um Kanyabayonga zu erobern sowie anschließend in Lubero-Butembo einzumarschieren.
kk)
Am 15. Mai 2007 berichtete 4L. dem Angeklagten Dr. M. über zwei Gefechte bei Busesa und Kisharu in Rutshuru. Dabei seien vier Feinde getötet und vier Kalaschnikows erbeutet worden.
ll)
Am 23. Juli 2007 informierte 4L. den Angeklagten Dr. M. über zwei Militäroperationen der FDLR. Danach erbeutete diese bei einem Angriff auf die gemischte Brigade in Buramba einen Granatwerfer samt Munition und Kalaschnikows. Bei diesem Angriff habe der Feind schwere Verluste erlitten. Bei einem weiteren Angriff des Bataillons Bahama in Rutare seien ein Maschinengewehr und drei Funkgeräte erbeutet worden.
mm)
Am 11. und 12. September 2007 erstattete 4L. dem Angeklagten Dr. M. einen umfangreichen Bericht über die aktuelle militärische Lage. Danach griffen die FARDC, PARECO und das FDLR-Bataillon Sabena am 9. September den CNDP in Kichanga an, des Weiteren gab es Gefechte in Runyoni.
nn)
In einer SMS vom 27. Oktober 2007 informierte Oberst O. den Angeklagten Dr. M. über einen soeben erfolgten Angriff der FDLR-Bataillone Sabena und Someca auf den CNDP von 1L.N. in der Nähe von Mweso. Sie würden behaupten, die PARECO habe diesen Angriff durchgeführt.
oo)
Am 11. November 2007 erstattete 4L. eine detaillierte Lagemeldung an den Angeklagten Dr. M.. Danach hat der CNDP am 6. November 2007 den Krieg erklärt und die ruandische Armee (APR) war mit zwei Bataillonen an heftigen Kämpfen mit der Division SONOKI beteiligt.
pp)
Oberst O. informierte am 22. April 2008 den Angeklagten Dr. M. darüber, dass die FARDC das Bataillon Someca angegriffen habe, die Bilanz und die Gründe seien noch nicht bekannt. Des Weiteren habe die FARDC Oberstleutnant 2J., den Kommandeur des Bataillons Sabena festgenommen. In zwei weiteren SMS vom selben Tag berichtete O., dass bei Kämpfen in Chala Munition erbeutet und zwei Oberfeldwebel der FARDC gefangen genommen worden seien.
qq)
Wiederum Oberst O. berichtete dem Angeklagten Dr. M. am 23. September 2008 darüber, dass die FDLR nunmehr die FARDC im Kampf gegen den CNDP und die ruandische Armee unterstütze und verhindert habe, dass diese vorrücken. Diese geleistete Unterstützung würden sie aber der PARECO „in die Schuhe schieben“.
rr)
Am 26. November 2008 unterrichtete 4L. den Angeklagten Dr. M. darüber, dass die ruandische Armee mit einem Bataillon und fünf Fahrzeugen in Begleitung der MONUC in Richtung Ishasha unterwegs seien. Während dieser Operation seien sie von FDLR-Streitkräften angegriffen worden.
4. Kenntnis des Angeklagten von Kriegsverbrechen der FDLR
Jedoch hatte der Angeklagte Dr. M. nicht nur über kriegerischen Auseinandersetzungen der FDLR Kenntnis. Er wusste zudem auch von bei Kriegshandlungen vor und während der Militäroperationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ durch die FDLR verübten Kriegsverbrechen. Bei diesen Kriegsverbrechen handelt es sich insbesondere um Plünderungen bei Zivilisten (sog. Verpflegungsoperationen, „operation de ravitaillement“), die mit Billigung des FOCA-Kommandos erfolgten, das wiederum an der Beute partizipierte, und die Tötung von Zivilisten durch FOCA-Einheiten.
Dieses Wissen hat er erlangt durch Mitteilungen und Berichte seiner vorgenannten Gewährs- und Vertrauenspersonen im Kivu (dazu a)) und durch Berichte von Medien, der Vereinten Nationen und Nichtregierungsorganisationen (dazu b)).
a)
Auch über Kriegsverbrechen der FDLR während der Kampfhandlungen erhielt der Angeklagte Dr. M. Informationen insbesondere durch den Kabinettsdirektor 2D.M., den Regionalkommissar 2M.M. alias 4L., den 2. Vizepräsidenten G.I. alias B. alias 8R. und den Kommandeur des Sektors SONOKI Oberst P.N. alias O.. Zudem wurden dem Angeklagten durch die katholischen Geistlichen Pater 15M., Mitglied der Gemeinschaft Saint´ Egidio und dortiger Ansprechpartner, sowie Pater PG.L. Kriegsverbrechen der FOCA berichtet.
So konnten folgende Nachrichten seiner Gewährs- und Vertrauensleute auf Speichermedien beim Angeklagten Dr. M. sichergestellt bzw. im Rahmen der Telekommunikationsüberwachung aufgezeichnet werden:
aa)
In einer SMS vom 19. März 2007 wurde dem Angeklagten Dr. M. von 4L. die Beute einer „operation de ravitaillement“, die auf der Straße zwischen Butembo und Goma stattgefunden hatte, berichtet. Die dort aufgeführten Gegenstände (1 Kassettenradio, 8 Lendenschürze, 4 Boubou [afrikanische Kleidungsstücke], 8 Kinderhemden und 41 T-Shirts) haben sämtlich keinen Bezug zum Militär, so dass nichts dafür spricht, dass diese Gegenstände in einer feindlichen Stellung und nicht bei einem Angriff auf Zivilisten erbeutet wurden.
bb)
Am 21. Juli 2007 wurde der Angeklagte Dr. M. von 4L. darüber unterrichtet, dass nach durchgeführten Verpflegungsoperationen die ausführende Einheit ihre Beute zu den höheren Einheiten bringt. In den 15 Monaten, die sie hier verbracht hätten, seien zwei Verpflegungsoperationen durchgeführt worden. Dies sei die einzige Möglichkeit, an Medikamente, Munition und Geld zu kommen. Wenn es gelinge, zusätzlich zu den Sachen aus den Operationen auch Fleisch, Salz und Öl für die Militärs zu bekommen, würde dies verhindern, dass diese klauen und die Zone [die Stimmung in dem von der FDLR beherrschten Gebiet] verschlechtern. Er fragte den Angeklagten Dr. M., wer diese Beute letztlich bekäme, wenn die ausführenden Einheiten sie abliefern und was diese als Ausgleich/Belohnung bekämen. Die Einheiten müssten von ihm (dem Angeklagten Dr. M.) darüber informiert werden.
Gerade diese SMS macht deutlich, dass der Angeklagte Dr. M. wusste, dass die FOCA-Einheiten auch nach seinem letzten Besuch im Kongo die Verpflegungsoperationen fortsetzten und das FOCA-Kommando an diesen Verpflegungsoperationen partizipierte.
cc)
In einer SMS vom 10. August 2007 wurde der Angeklagte Dr. M. von 4L. informiert über eine Plünderung, die in der Nacht vom 8. auf den 9. August 2007 durch eine Kompanie des Bataillons Bahama in Butogota durchgeführt wurde und bei der drei Zivilisten getötet wurden.
Am 12. August 2007 teilte 4L. schließlich dem Angeklagten Dr. M. mit, dass sie es geschafft hätten, die Leute zu überzeugen, dass die FDLR nicht für den Angriff von Butogota verantwortlich gewesen sei.
dd)
Am 19. August 2007 schrieb 4L. dem Angeklagten Dr. M., dass das Bataillon Bahama immer mehr die Zone verschlechtere. Es wäre wünschenswert, dass entweder die Regeln und Strafen als Pflicht beachtet würden oder andere Soldaten gebracht würden, die sich so wie die Soldaten des Bataillons Montana benehmen.
ee)
In einer SMS vom 27. August 2007 bedauerte der 2. Vizepräsident B. gegenüber dem Angeklagten Dr. M. das schlechte Verhalten, das man bei den Abacunguzi finde.
ff)
In einer SMS vom 5. September 2007 teilte der 2. Vizepräsident B. dem Angeklagten Dr. M. mit, dass der Feind es geschafft habe, in ihre Nähe zu kommen, weil die FDLR-Leute mit einem Diebstahl von Kühen beschäftigt gewesen seien, zurzeit befinde sich der Feind aber in einer schwierigen Situation.
gg)
Am 19. September beklagte sich der 2. Vizepräsident B. gegenüber dem Angeklagten Dr. M. darüber, dass er fast jeden Tag mit gravierenden Machtmissbräuchen konfrontiert werde, die von den Abacunguzi [FOCA-Kämpfer] begangen würden, einige mit Unterstützung von den Führungskräften. Dies sei eine schlimme Angelegenheit.
hh)
Am 1. Oktober und 4. Oktober 2007 informierte der Sprecher der FOCA E.N. den Angeklagten Dr. M. darüber, dass der Diebstahl von Kühen im Süd-Kivu von der Führung unterstützt werde, dies geschehe sogar weit Weg von der Zone, wo sich der Feind befinde, zum Beispiel in Kalehe. Mit diesem Diebstahl würden sie nicht weiter kommen. Er finde aber keine Lösung. Der Angeklagte Dr. M. könne den FOCA-Kommandanten und den Kommandanten der Reservebrigade über den Diebstahl der Kühe befragen.
Am 14. Oktober teilte der Sprecher der FOCA dem Angeklagten Dr. M. Einzelheiten zu dem Kuhdiebstahl mit. Dieser habe in der Nacht vom 25. auf den 26. September in Kalehe, in den Dörfern Kafunzi und Tchiyumbu stattgefunden. Die Anzahl der geraubten Kühe sei noch nicht sicher, man rechne mit einem Wert in Höhe von 250 US-Dollar.
ii)
Am 27. Oktober 2007 nannte der Sprecher der FOCA E.N. dem Angeklagten Dr. M. die Namen der Leute, die den FOCA-Soldaten befohlen hätten, mit Waffengewalt Plünderungen zu begehen. Bei diesen Führungspersonen handele es um 4P., 1I.N. und 5M.. Diese hätten Soldaten geschickt, um in den Regionen Masisi, Walikale, Kalehe und Bunyakiri Diebstähle mit Waffen zu begehen. In Bunyakiri habe Oberstleutnant 4F. diese Soldaten festgenommen.
jj)
Im Rahmen der Vorbereitung einer Versammlung des Comité Directeur teilte der 2. Vizepräsident B. dem Angeklagten Dr. M. am 15. November 2007 bei der Nennung von Tagesordnungspunkten unter Nr. 7 mit, dass sich die Disziplin der Militärs verschlechtere und ein Ansatz zur Lösung dieses Problems gefunden werden müsse.
kk)
Am 8. Januar 2008 schrieb der 2. Vizepräsidenten B. dem Angeklagten Dr. M. in einer SMS, dass ihr Verbindungsmann bei der PARECO ihn über den Diebstahl von 35 Kühen bei Ngungu informiert habe, welcher der FDLR zur Last gelegt werde. Aus diesem Grund bestünden starke Spannungen in Goma und in der Zone.
ll)
Am 2. Februar 2008 wurde dem Angeklagten Dr. M. vom 2. Vizepräsidenten B. mitgeteilt, dass das Verfahren gegen den stellvertretenden Exekutivsekretär (SEA) wegen der von ihm im Januar 2007 finanzierten Verpflegungsoperation ohne juristische oder disziplinarrechtliche Folgen eingestellt worden sei.
mm)
Am 12. März 2008 schrieb der stellvertretende FOCA-Kommandant 9B. dem Angeklagten Dr. M., er hoffe, dass der 2. Vizepräsident und der stellvertretende Exekutivsekretär dem Angeklagten den detaillierten Bericht über die Verteilung der aus der letzten Verpflegungsoperation resultierenden Beute zukommen ließen, weil diese (entweder die Verpflegungsoperation oder die Aufteilung der Beute) eine schlechte Atmosphäre verursacht habe, woran der 2. Vizepräsident und der stellvertretenden Exekutivsekretär schuld seien.
nn)
Bereits unmittelbar nach dem Beginn der Militäroperation „Umoja Wetu“ in einem Telefongespräch vom 25. Januar 2009 informierte Pater 15M. den Angeklagten Dr. M. über Verbrechen („Dummheiten“) der FDLR gegenüber der kongolesischen Bevölkerung. Er sagte ihm im Telefongespräch, 9R. [R.M., ein Vertreter der katholischen Kirche in der DR Kongo] habe ihm mitgeteilt, die FDLR begehe auf dem Terrain Verbrechen gegen Zivilisten. Der Angeklagte erwiderte, Pater 15M. solle den kongolesischen Vertreter fragen, um welche Verbrechen es sich handele. Das größte Verbrechen sei es allerdings, einer ausländischen Armee [der ruandischen Armee] die Erlaubnis zu geben, das eigene Territorium [der DR Kongo] zu betreten.
oo)
Am 20. Februar 2009 wurde der Angeklagte Dr. M. vom FOCA-Kommandanten S.M. in einer SMS darüber informiert, dass der Generalsekretär der Vereinten Nationen in der kommenden Woche die DR Kongo bereisen und dabei Frauen besuchen werde, die von FDLR-Soldaten vergewaltigt worden sein sollen.
pp)
Am 8. Mai 2009 wurde der Angeklagte Dr. M. von dem der FDLR zugetanen katholischen Geistlichen PG.L. in einer E-Mail über Raubüberfälle der FDLR in Nzovu und Kigulube sowie zwei weiteren Orten informiert und aufgefordert, dagegen etwas zu unternehmen. Der Angeklagte Dr. M. antwortete PG.L., er solle sich an 4A. (Oberst 3L.M., Kommandant SOSUKI) wenden. Dieser müsse etwas darüber wissen, wenn die genannten Orte in der Zone Shabunda lägen.
qq)
In einer E-Mail vom 11. Mai 2009 wurde der Angeklagte Dr. M. von 4L. darüber informiert, dass das Dorf von Butolongola im Süden von Lubero von Soldaten des Bataillons Someca in Brand gesetzt wurde.
In einer SMS vom 11. Mai 2009 berichtete Oberst O., der Kommandant des Sektors SONOKI dem Angeklagten Dr. M. ebenfalls vom Angriff der FDLR auf Butolongola und dass bei dem Angriff sechs feindliche Soldaten getötet worden seien. Die Soldaten seien mit den Zivilisten zusammen gewesen, die Zivilisten seien jedoch nicht angegriffen worden.
Über diesen Vorfall erhielt der Angeklagte Dr. M. darüber hinaus Kenntnis durch eine Presseerklärung des Leiters der MONUC 1A.D., welche ihm am 12. Mai 2009 von 2C.M. per E-Mail zugeleitet wurde. In dieser Presseerklärung berichtete die MONUC, dass die FDLR bei einem Angriff auf Butalongola 130 Häuser in Brand gesetzt und zwei kongolesische Soldaten getötet habe.
rr)
In einem Telefongespräch vom 13. Mai 2009 mit dem Geistlichen der Gemeinschaft Sant’ Egidio Pater 15M. gestand der Angeklagte Dr. M. ein, dass es bei Vergeltungsangriffen der FDLR auf Stellungen der FARDC auch immer Opfer unter der kongolesischen Zivilbevölkerung geben werde, weil die FARDC mit der kongolesischen Zivilbevölkerung zusammenlebe. Er bezeichnete dies als Problem für die FDLR.
ss)
Am 15. Mai 2009 wurde dem Angeklagten Dr. M. von Oberst O. in einer E-Mail mitgeteilt, dass die FDLR den Ort Busurungi in der Nähe von Hombo am 10. Mai 2009 um 2:00 Uhr angegriffen habe. Der Angriff sei von der Reservebrigade, von PM und Soldaten des FOCA-Kommandos durchgeführt worden. Auf der Seite des Feindes seien 37 Männer und einige Frauen getötet worden. Denn die Ehefrauen der feindlichen Soldaten hätten auch dort geschlafen.
Den Inhalt dieser E-Mail gab der Angeklagte Dr. M. daraufhin ca. eine Viertelstunde später an den Angeklagten M. und 2C.M. weiter.
tt)
In einem Telefongespräch am 17. Mai 2009 informierte der 2. Vizepräsident B. den Angeklagten Dr. M. über die Angriffe der FDLR auf die Orte Mianga und Busurungi. Er gab genaue Bilanzen über getötete feindliche und eigene Soldaten sowie über die bei den Angriffen erbeuteten Waffen. In diesem Zusammenhang teilte er dem Angeklagten Dr. M. mit, dass die FDLR beschuldigt werde, die Bevölkerung in Mianga und Busurungi angegriffen zu haben. Zudem informierte er ihn darüber, dass die FDLR die kongolesische Verwaltung, die FARDC und die Mai-Mai aufgefordert habe, nicht in den Dörfern bei den Zivilpersonen Stellungen zu beziehen. Denn die FDLR werde den Feind überall und jederzeit angreifen, wenn sich Gelegenheit dazu biete. Die FDLR lehne jede Verantwortung ab, falls die Zivilbevölkerung bei solchen Angriffen getötet werde. Denn grundsätzlich fänden die Angriffe nachts statt, und deshalb sei es schwierig, zwischen Zivilisten und feindlichen Soldaten zu unterscheiden. Im Verlaufe dieses Gesprächs äußerte der Angeklagte Dr. M., man solle die nach Mianga und Busurungi eingerückten Brigaden der FARDC immer wieder attackieren, damit sie nicht weiter die ruandischen Flüchtlinge töten und „sie wissen, dass der Krieg auch sie betreffe“.
uu)
In einer SMS vom 17. Mai 2009 wurde der Angeklagte Dr. M. darüber informiert, dass bei dem Angriff auf Busurungi Zivilisten unter den Getöteten gewesen seien, da diese „sich dazwischen befunden hätten“.
vv)
In drei E-Mails vom 19. Mai 2009 informierte Oberst O. den Angeklagten Dr. M. über den FDLR-Angriff auf Busurungi und übersandte ihm eine Aufstellung des bei dem Angriff erbeuteten feindlichen Kriegsmaterials. In der letzten dieser E-Mails teilte Oberst O. unter 3. mit, dass die FARDC-Soldaten in ihren Stellungen immer mit ihren Familien und Zivilisten, die sie versorgen, zusammen seien.
ww)
In einer telefonischen Diskussion mit dem Exekutivsekretär 16M. am 21. Mai 2009 über den Inhalt eines zu veröffentlichen Pressekommuniqués zu Busurungi gab der Angeklagte Dr. M. sein eigenes Wissen über die bei dem Angriff auf Busurungi getöteten Zivilisten an den Exekutivsekretär 16M. weiter. So sagte er, er wisse von vielen Leuten, etwa von B. und dem Kommandeur SONOKI, dass sich die gegnerischen Soldaten mit ihren ganzen Familien in den angegriffenen Siedlungen aufhielten. 16M. schlug vor, in der Presseerklärung nichts über die von der FDLR getöteten Zivilisten zu veröffentlichen. Beide diskutierten, ob man sagen könne, man habe dies nicht gewusst, kamen dann aber zu dem Schluss, dass man in diesem Fall eine Erklärung dazu gleich lassen könne, denn dies verhindere eine Verantwortlichkeit für die Tötung von Zivilisten nicht.
xx)
Seine Kenntnis von zahlreichen Opfern unter der kongolesischen Zivilbevölkerung äußerte der Angeklagte Dr. M. auch in einem Telefongespräch mit Pater 15M. am 2. Juni 2009, als er diesem erklärte, dass es, wie immer wenn gekämpft werde, viele Opfer unter der kongolesischen Zivilbevölkerung und den ruandischen Flüchtlingen gebe.
yy)
In einem Telefongespräch am 10. Oktober 2009 informierte der 2. Vizepräsident B. den Angeklagten Dr. M. darüber, dass FDLR-Soldaten wieder anfangen würden, Kühe zu stehlen und ähnliches. Dies zu verhindern sei schwierig. Der Angeklagte Dr. M. antwortete darauf, er werde dies in einem Kommuniqué indirekt ansprechen, indem er die Leute an die Disziplin und das Respektieren der Güter der lokalen Bevölkerung erinnere.
b)
Mindestens folgende Berichte von Medien, den Vereinten Nationen und Nichtregierungsorganisationen, in denen über Kriegsverbrechen der FDLR berichtet wurde, nahm der Angeklagte Dr. M. zur Kenntnis, wie sich aus seinen anschließenden Reaktionen darauf ergibt:
aa)
In einem Telefonat vom 17. Dezember 2008 unterhielten sich die beiden Angeklagten über die von den Vereinten Nationen erhobenen Vorwürfe und die verhängten Sanktionen gegen die FDLR. Der Angeklagte M. äußerte, er habe an seinem Arbeitsplatz im Internet den veröffentlichten UN-Bericht und die Sanktionen gelesen. Der Angeklagte Dr. M. antwortete, dass dies nichts neues sei, worauf der Angeklagte M. erwiderte, man müsse die darin enthaltenen Sachen aufmerksam, weiterverfolgen.
bb)
Auch die oben unter Teil 3, D. IV. 4 b) bb), cc) und jj) (E-Mail vom 3. Juli und 6. August 2009) geschilderten Reaktionen des Angeklagten belegen dessen Kenntnisse.
cc)
Am 9. April 2009 versandte der Angeklagte Dr. M. per E-Mail an den Angeklagten M., 2C.M. und 1D.N. einen Bericht von Human Rights Watch (HRW) vom gleichen Tag mit der Überschrift: „DR Kongo: Brutale Vergewaltigungen durch Rebellen und Soldaten“ und erklärte, diese Lügen müssten bis nachmittags bestritten werden, er bereite bereits einen Entwurf eines dementsprechenden Kommuniqués vor. In diesem Bericht wird unter anderem geschildert, dass die FDLR in den letzten Wochen Dutzende von Dörfern und Städten in den Gebieten Masisi und Lubero (Nord-Kivu) und Kalehe (Süd-Kivu) angegriffen, diese niedergebrannt und dabei zahlreiche Morde, Vergewaltigungen und Plünderungen begangen habe. Den von HRW befragten Zeugen und Opfern zufolge sei die FDLR seit dem 23. Januar 2009 an der Ermordung von mindestens 154 Zivilisten beteiligt gewesen. Bei einem Angriff auf Kipopo am 13. Februar 2009 seien mindestens 13 Personen getötet worden, die lebendig in ihren Häusern verbrannt worden seien.
Ca. zwei Stunden später sandte der Angeklagte Dr. M. an die vorgenannten Personen den angekündigten Entwurf der von ihm vorbereiteten Presseerklärung zum HRW-Bericht mit der Bitte, Verbesserungen bis 20.00 Uhr vorzunehmen und dem Exekutivsekretär zuzuleiten. In diesem Entwurf werden die von HRW erhobenen Vorwürfe gegen die FDLR pauschal in Abrede gestellt. Der Angeklagte Dr. M. nennt in dem Entwurf die Beschuldigungen von HRW ungerecht, falsch und unbegründet. Sie bezweckten ausschließlich eine Beschmutzung des guten Rufs der FDLR in den Medien und der Öffentlichkeit.
Am 10. April 2009 versandte der Angeklagte an die drei vorgenannten Personen die anhand der Anregungen von 1D.N. in Kleinigkeiten abgeänderte und dann veröffentlichte Presseerklärung der FDLR Nr. 01/SE/CD/April/2009.
dd)
Am 14. Mai 2009 erhielt der Angeklagte Dr. M. von 2C.M. per E-Mail eine Information des Pressezentrums der UNO über den Angriff der FDLR auf Busurungi. In der Mitteilung, die die Überschrift „Die MONUC verurteilt einen mörderischen Angriff auf Zivilisten in Busurungi“ trägt, wird berichtet, dass die Bewohner des Gebiets dem vor Ort befindlichen Team der MONUC geschildert hätten, dass sie mindestens 35 bei dem Angriff getötete Zivilisten beerdigt hätten. Der Angriff habe zudem dazu geführt, dass eine große Anzahl der Bewohner des Orts Busurungi vertrieben worden sei.
ee)
Am 10. August 2009 fand das Treffen zwischen dem Angeklagten und den HRW-Mitarbeitern A.VW. und T.P. in einem Gasthaus in M... statt. Dabei wurde der Angeklagte Dr. M. detailliert mit den von HRW erhobenen Vorwürfen gegen die FDLR bezüglich der Kriegsverbrechen in Busurungi, Mianga, Manje, Remeka, Kibua, Kipopo Luofu und Ziralo konfrontiert.
Die Zeugin VW. schilderte dazu in ihrer Aussage in der Hauptverhandlung ausführlich die Einzelheiten des Treffens mit dem Angeklagten Dr. M. und den Inhalt des dabei geführten Gesprächs. Sie berichtete, dass das Gespräch ca. vier Stunden gedauert und sie sich dabei Notizen in ein Notizbuch geschrieben habe. Sie hätten das Gespräch in französischer Sprache geführt, die Unterhaltung sei fließend gewesen. Wenn ihr etwas wichtig gewesen sei, habe sie sich die Zeit genommen, dies sorgfältig aufzuschreiben. Sie habe auch nachgefragt, um sicherzugehen, dass sie wichtige Aussagen des Angeklagten Dr. M. richtig verstanden habe. Ihr Kollege, der bei dem Gespräch anwesend gewesen sei, habe sich ebenfalls Notizen gemacht. Sie habe noch am gleichen Tag die Notizen abgetippt und die Arbeit am folgenden Tag fertiggestellt. Anschließend habe sie die Notizen ihrem Kollegen gegeben, der kleine Änderungen gemacht habe. Dadurch würden die gefertigten Notizen des Gespräches korrekt wiedergeben. Sie habe mit dem Angeklagten Dr. M. vereinbart, dass die Kopien der Notizen ihm und den Justizbehörden zur Verfügung gestellt werden können. Dies sei die normale Vorgehensweise von HRW. Den Beginn des Gesprächs hat die Zeugin so geschildert, wie dies bereits zur Frage der Befehlshaberschaft des Angeklagten dargestellt wurde. Anschließend hätten sie über die Verbrechen, die HRW im Ostkongo dokumentiert hatte, gesprochen. Sie sei mit Dr. M. mehrere konkrete Fälle durchgegangen, und habe mit ihm insbesondere über das Massaker von Busurungi, aber auch über andere Verbrechen gesprochen. Sie habe mit ihm über Tötungen, sexuelle Verbrechen, das Nehmen von Schutzschilden und über Folterungen von Zivilisten gesprochen. Sie habe ihm die Verbrechen geschildert, von denen HRW ausgehe, dass die FDLR diese Verbrechen begangen habe. Sie habe von ihm Antworten auf die Vorwürfe verlangt, um zu prüfen, welches Wissen er über die Verbrechen gehabt habe. Dr. M. habe daraufhin bestritten, dass die FDLR diese Verbrechen begangen hat. Er habe vielmehr ruandische Truppen dieser Verbrechen bezichtigt, welche sie der FDLR in die Schuhe schieben würden. Sie habe ihn auf Busurungi angesprochen und damit konfrontiert, dass 96 Zivilisten getötet worden seien, die Hälfte davon Frauen und Kinder. Dr. M. habe geantwortet, dass er etwas von Tötungen gehört habe. Die Getöteten seien aber Soldaten gewesen. Als sie ihn mit den Vorwürfen von getöteten Kindern, Frauen und Babys konfrontiert habe, habe er die Frage ignoriert. Über andere Ereignisse habe er entweder wenig Kenntnis gehabt oder sein Wissen nicht offenbaren wollen. Er habe gesagt, dass weitere Ermittlungen notwendig seien und zugesagt, Ermittlungen über die weiteren Vorwürfe durchzuführen. Sie hätten vereinbart, dass er sich am 24. August 2009 wieder mit Ergebnissen der Ermittlungen an sie wenden würde. Er habe sich aber nie mehr gemeldet. Nach der Diskussion über die Massaker habe sie ihn mit den Drohbriefen konfrontiert, die sie im Kongo gesammelt habe. Als unmittelbare Reaktion darauf habe er erwidert, dass Leute versuchten, den Namen der FDLR schlecht zu machen und er nicht sicher sei, dass es sich um FDLR-Drohbriefe handele. Sie hätten auch hier vereinbart, dass er weitere Ermittlungen durchführen werde. Sie sei zur Frage zurückgekehrt, ob er der oberste Befehlshaber sei. Sie habe ihn gefragt, ob er diese Angriffe angeordnet habe. Zu diesem Zeitpunkt habe Dr. M. versucht, seine Rolle als oberster Befehlshaber zu minimieren und darauf verwiesen, dass im Wald S.M. für die Befehle zuständig sei. Er habe sich mit Worten von den Verbrechen distanziert.
Die Aussage der Zeugin steht im Einklang mit den von ihr und ihrem Mitarbeiter gefertigten Notizen über das Gespräch mit dem Angeklagten Dr. M. und dem Inhalt der nachfolgend genannten E-Mail, in welcher der Angeklagte Dr. M. über den Inhalt des Gesprächs mit der Zeugin VW. berichtete. Die Gesprächsnotizen von HRW über das Gespräch mit dem Angeklagten Dr. M. haben folgenden Wortlaut:
„…Reaktion auf die von den FDLR begangenen Misshandlungen
Anmerkung: A.VW. erläuterte IM die von HRW erhobenen Informationen zu den von Januar an von FDLR-Truppen im Ost-Kongo begangenen Misshandlungen sowie Informationen zu den Ermordungen und Massakern in Busurungi, Mianga, Manje, Remeka, Kibua, Kipopo, Luofu, und Ziralo.
Sie sagte, HRW habe sich mit Dutzenden von Zeugen und Opfern unterhalten, die die FDLR identifizierten; zum Teil kannten sie die Angreifer namentlich, da sie häufig mit ihnen mehrere Jahre zusammen gelebt hatten. Sie machte nähere Angaben zu den Tötungen sowie weiteren Menschenrechtsverletzungen und sagte, es habe sich um Kriegsverbrechen und möglicherweise um Verbrechen gegen die Menschlichkeit gehandelt. Sie unterrichtete IM, die Tötungen seien anscheinend Teil gewesen einer breiter angelegten Strategie der FDLR zur Bestrafung von Zivilpersonen und händigte Kopien von fünf Schreiben der FDLR, …, aus; darin kommen die speziellen Drohungen der FDLR gegenüber den lokalen kongolesischen Gemeinden zum Ausdruck; sie wies auf das auf einigen Schreiben vorhandene Erkennungszeichen der FDLR hin.
[IM schien von den Anschuldigungen schockiert zu sein, insbesondere von den Schreiben]
Er wurde gedrängt, sie genau zu untersuchen und zu lesen. HRW räumte ihm hierzu einige Zeit ein und ließ ihn mit den Kopien der Schreiben zurück.] …“
Die Aussage der Zeugin VW. belegt auch deutlich, dass der Angeklagte Dr. M. stets die Linie verfolgte, die Tötung von Zivilisten durch FDLR-Soldaten in Abrede zu stellen, obwohl er doch von eigenen Informanten zuvor über die Tötung von Frauen bei dem Angriff auf Busurungi informiert worden war.
ff)
In einer E-Mail vom 13. August 2009 informierte der Angeklagte Dr. M. daraufhin den Angeklagten M., 2C.M. und 1D.N. über den Gesprächsinhalt des Treffens mit A.VW. von HRW. Unter 7. teilte er den Empfängern mit, dass seiner Meinung nach Beweggrund von HRW für das Treffen gewesen sei, zu überprüfen, ob die Führung der FDLR von den verschiedenen Verbrechensvorwürfen gegenüber der FDLR Kenntnis habe, eigene Ermittlungen durchgeführt und die Täter bestraft habe. Er informierte die Empfänger darüber, dass Frau VW. viele Orte genannt habe, an denen die FDLR Verbrechen begangen haben soll: Zum Beispiel die Orte Busurungi (96 Tote), Mianga (45 Tote), Mandje (20 Tote), Kipopo (17 Tote), Remeka (40 Tote) Chiriba (13 Tote), Ziraro, Nzovu usw.. Frau VW. habe ihre Einschätzung dargelegt, die FDLR verfolge die Strategie, die Zivilbevölkerung zu terrorisieren. Sie habe ihm Kopien von Drohbriefen an Zivilisten gezeigt, die man der FDLR zuschreibe und die er als Anlage der E-Mail beifüge. Sie habe ihm mitgeteilt, dass sie über Informationen verfüge, wonach die FDLR seit Januar 2009 mehr als 452 Kongolesen getötet habe, und dass HRW einen Bericht darüber in zwei Wochen veröffentlichen werde. Sie verlange Ermittlungen über die Anschuldigungen von HRW bezüglich der Massaker an den Hutu-Flüchtlingen und den von der FDLR begangenen Massaker. Die FDLR-Führung solle die Ergebnisse innerhalb einer Frist von zwei Wochen an HRW senden.
Über diese HRW-Vorwürfe informierte der Angeklagte Dr. M. zudem am 17. August 2009 Generalmajor S.M. und den 2. Vizepräsidenten 8R. per SMS. Darin teilte er auch mit, er werde die Kommandanten der Reservebrigade und des Sektors SONOKI befragen, da die vorgeworfenen Taten in deren Gebieten geschehen seien. Tatsächlich wandte er sich per SMS am 18. August 2009 an den Kommandanten der Reservebrigade 13K..
In seiner Antwort-SMS gestand S.M. die Tötung von Zivilisten ein, indem er mitteilte, der Angeklagte Dr. M. könne die Kommandanten ruhig fragen, man müsse aber wegen der Toten vermeiden sich zu loben. Fehler würden passieren und HRW sei kein Richter in ihren Angelegenheiten.
In einer E-Mail vom 24. September 2009 wurde der Angeklagte Dr. M. durch A.VW. an die Mitteilung der Ergebnisse der Untersuchung der FDLR bzgl. der beim Treffen am 10. August 2009 von HRW erhobenen Kriegsverbrechensvorwürfe erinnert. Nach Aussage der Zeugin VW. und den dazu passenden Erkenntnissen aus der Telekommunikationsüberwachung erhielt sie jedoch in der Folge keine Antwort der FDLR-Führung auf die detaillierten Anschuldigungen.
gg)
In einer E-Mail vom 14. August 2009 versandte der Angeklagte Dr. M. die Kopien der Drohbriefe, die ihm als von der FDLR stammend von A.VW. (HRW) übergeben worden waren, erneut an den Angeklagten M., an 2C.M. und 1D.N..
VI. Folgen der Verhaftung
Dass eine Mutlosigkeit bei den FDLR-Kämpfern nach Bekanntwerden der Verhaftung des Präsidenten Dr. M. eintrat und anschließend die Zahl der Repatriierung ehemaliger FOCA-Soldaten zunahm, berichtete in der Hauptverhandlung, wie bereits erwähnt, der Zeuge 3B.. Auch mehrere ehemalige FDLR-Kämpfer, wie etwa die Zeugen 2S. und J.B., schilderten, dass die Verhaftung der beiden Angeklagten die Moral der FOCA erschüttert habe. Die Kämpfer hätten zum einen erkennen müssen, dass durch die im Januar 2009 begonnenen Militäroffensiven nicht nur die militärische Lage schwierig und eine Machtübernahme in Ruanda in weite Ferne gerückt waren, sondern auch dass sich ihre persönlichen Lebensumstände deutlich verschlechtert hatten. Als nun auch noch die politische Führung in Europa verhaftet wurde, sei auch die Hoffnung geschwunden, die Politik könne international etwas für die FDLR bewegen oder einen Dialog mit der ruandischen Regierung über eine Rückkehr und Teilhabe an der politischen Macht herbeiführen.
E. Zu den Tätigkeiten des Angeklagten M.
I. Tätigkeiten als 1. Vizepräsident
1. Einlassung des Angeklagten
Bereits aus der Einlassung des Angeklagten M. ergibt sich, dass er Gründungsmitglied der FDLR war, zur Gründungsversammlung nach Lubumbashi anreiste und an den dort gefertigten Texten mitgearbeitet hatte. Ebenso ist dieser zu entnehmen, dass er bei Gründung der FDLR das Amt als Leiter des Regionalwiderstandskomitees in Europa übernommen und bis zum Putsch gegen Dr. M. sowie dessen vorläufiger Absetzung im November 2003 ausgeübt hatte. Der Angeklagte M. schilderte ausführlich und glaubhaft, dass er nach der Rückgewinnung des Präsidentenamts durch Dr. M. am 1. Juni 2004 zum 1. Vizepräsidenten ernannt und ein Jahr später auf der Versammlung des Comité Directeur bei zwei Gegenkandidaten mit großer Stimmenmehrheit zum 1. Vizepräsidenten gewählt worden ist. In seiner Einlassung schilderte der Angeklagte M. außerdem, dass er sein Amt als 1. Vizepräsident mit Engagement ausübte und nach außen als solcher in Erscheinung getreten ist. Er habe aber seine Tätigkeiten infolge beruflicher und privater Probleme in den Folgejahren und insbesondere im Jahr 2009 reduziert.
Dass er weniger als der Mitangeklagte Dr. M. mit den in der DR Kongo lebenden FDLR-Mitgliedern in Kontakt stand, steht im Einklang mit den Erkenntnissen aus der Telekommunikationsüberwachung und Angaben der in der Hauptverhandlung vernommenen ehemaligen FDLR-Soldaten. Dennoch stand der Angeklagte M. telefonisch mit der FOCA-Führung in Kontakt. Dies belegen unter anderem vom Zeugen 4D.M. vorgelegte Telefonlisten der Firma Thuraya über neun Telekommunikationskontakte aus dem Jahr 2008 mit einer Dauer von 6 bis1293 Sekunden zwischen Satellitentelefonnummern, die Generalmajor S.M. bzw. dem FOCA-Hauptquartier zugeordnet werden, und einem Telefonanschluss, der dem Angeklagten M. zuzurechnen ist.
2. Nachgewiesene Tätigkeit als 1. Vizepräsident
Der Angeklagte M. spielte zur Überzeugung des Senats eine wichtige Rolle in der Organisation FDLR. So entfaltete er als 1. Vizepräsident der FDLR unter anderem folgende Tätigkeiten:
a)
In einer vom Angeklagten Dr. M. an 4L. gerichteten SMS vom 31. August 2007 wies der Angeklagte Dr. M. diesen darauf hin, dass nach den Gesetzen der FDLR lediglich der Präsident sowie der 1. und 2. Vizepräsident dazu berechtigt sind, die offiziellen Dokumente der FDLR zu unterzeichnen und mit Stempeln zu versehen.
In Ausübung dieser Berechtigung seines Amts unterzeichnete der Angeklagte M. als 1. Vizepräsident beispielsweise am 2. Dezember 2004 eine Mitgliedschaftsbescheinigung der FDLR für J.H.. Diese Mitgliedschaftsbescheinigung fand im Rahmen des Asylverfahrens des J.H. in Deutschland Verwendung. Sie hat folgenden Wortlaut:
„Ich, M., 1. Vizepräsident der Demokratischen Befreiungskräfte für Ruanda (FDLR) bescheinige, dass Herr J.H. seit 2002 unserer Organisation FDLR angehört.
Er ist aktiv und ist unser Informant für seinen Geburtsort (Nord-West Ruanda) über die Aktivitäten der ruandischen Armee gegen die Zivilbevölkerung in der Region….
Stuttgart, den 02. Dezember 2004
M.
1. Vizepräsident der FDLR“
b)
Am 23. Dezember 2004 richtete er als 1. Vizepräsident der FDLR ein Schreiben mit dem Briefkopf der FDLR an den EU-Kommissar für Kooperation und Entwicklung, in welchem er sich über dessen Aussagen beim belgischen Fernsehsender RTL-TVI am 21. Dezember 2004 empört zeigte. Dieses Schreiben wurde beim Angeklagten M. sichergestellt.
c)
Im Zeitraum von Februar bis November 2005 führte der Angeklagte M. 182 Telefongespräche mit dem FOCA-Kommandanten S.M., elf Gespräche mit dem späteren stellvertretenden FOCA-Kommandanten S.N. alias 9B. und acht Gespräche mit G.I. alias 8R.. Die bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten M. sichergestellten Rechnungen des Festnetzanschlusses 070254187, der auf 2B.M. eingetragen ist, der aber - wie sich aus Telekommunikationsüberwachung ergibt - im großen Umfang vom Angeklagten M. genutzt wurde, enthalten Verbindungsnachweise mit Telefonaten zu Satellitentelefonen. Es handelt sich um Rechnungen der Monate Februar bis November 2005. Danach wurden in diesem Zeitraum insgesamt 176 Anrufe mit einer Gesamtdauer von 26:40 Stunden getätigt. Eine Minute dieser Verbindung kostet hierbei ca. 1,50 EUR. Die meisten Anrufe fanden in den Monaten April und Mai (jeweils 44) statt, was zu jeweiligen Rechnungsbeträgen von 870,06 EUR bzw. 564,40 EUR führte. Anhand der aus der Telekommunikationsüberwachung vorgenommenen Zuordnung der Satellitentelefonnummern ließen sich die vorgenannten Gespräche belegen.
Der Angeklagte M. hat hierzu glaubhaft angegeben, dass diese Telefongespräche vornehmlich zur Vorbereitung der Verhandlung von Rom und zur Umsetzung von deren Ergebnissen geführt worden seien. So sei er für die Logistik der aus der DR Kongo anreisenden Delegationsmitglieder der FDLR zuständig gewesen und habe auch an der Schlusserklärung mitgewirkt..
d)
Am 7. Mai 2005 leitete der Angeklagte M. in seiner Funktion als 1. Vizepräsident eine Sitzung des CRN-West in Paris, an der auch der Exekutivsekretär sowie die Kommissare für Finanzen, Information und Politik teilnahmen. Dies ergibt sich aus einem beim Angeklagten M. sichergestellten DIN A4 Blatt mit Empfehlungen der CRN-West-Sitzung am 7. Mai 2005 in Paris, auf welchem auch die Teilnehmer der Versammlung vermerkt sind. Die Empfehlungen untergliedern sich in die drei Abschnitte: Verlängerung des CD-Mandats bis zur nächsten Wahl, die Deklaration von Rom mit diversen Unterpunkten und die Wahl von FDLR-Organen mit verschiedenen Unterpunkten.
e)
Im September 2005 unterzeichnete der Angeklagte M. in Vertretung für den Angeklagten Dr. M. die am 28. September 2005 veröffentlichte Pressemitteilung der FDLR zur Umsetzung der Festlegungen in der Erklärung von Rom. Die Erklärung ist vom Angeklagten M. unterschrieben mit „i. o. M., 1st Vice-President“.
f)
Als sich der Angeklagte Dr. M. vom 7. April bis zum 24. April 2006 in Abschiebehaft befand, richtete er in einem anlässlich der Durchsuchung seiner Wohnung sichergestellten Schreiben detaillierte Anweisungen an den Angeklagten M., welche Tätigkeiten dieser in seiner Vertretung als Präsident der FDLR ausführen solle.
Unter anderem folgende Anweisungen erteilte der Angeklagte Dr. M. seinem Vertreter M.:
- 17M. bitten, im Namen des Präsidenten einen Truppenbesuch im Norden zu machen, wenn möglich bei allen Einheiten.
- Mit dem 2. Vizepräsidenten die vom Kongress beschlossenen Kommissionen aufstellen.
- Das CD in Europa zu Kommuniqués, Interviews etc. auffordern.
- Mit 7M. eine Verpflichtungserklärung machen.
- Sämtliche Kommuniqués für mich ausdrucken.
- Die in Europa lebenden Mitglieder der FDLR auf kommende Ausweisungen vorbereiten, so dass diese begreifen, dass sie sich zusammentun müssen und die kämpfende Armee unterstützen.
- Die Angaben zu dem von 13B. durchgeführten Transfer nach Goma an O. übermitteln.
g)
Beim Angeklagten M. konnte eine Rückzahlungsvereinbarung über einen Kredit zwischen der FDLR und deren Mitglied 2A.M. sichergestellt werden. Nach deren Inhalt schuldete dieser der FDLR am 22. April 2007 29.000 EUR. In der auf seiten der FDLR vom Angeklagten M. als 1. Vizepräsident sowie dem Präsidenten Dr. M. und dem Exekutivsekretär 16M. unterzeichneten Urkunde wurden die Rückzahlungsmodalitäten geklärt. 2A.M. musste danach bis zum 13. Mai 2007 10.000 EUR an die FDLR zahlen, die weiteren 19.000 EUR sollten in monatlichen Raten zu 1.670 EUR ab dem 11. Juni 2007 gezahlt werden.
Dieses Asservat belegt somit, dass für die Entscheidung über die Verwendung finanzieller Mittel der FDLR deren Präsident Dr. M., der 1. Vizepräsident M. und der Exekutivsekretär zuständig waren und diese bei derartigen Finanzgeschäften die FDLR vertraten.
h)
In beim Mitangeklagten sichergestellten SMS-Nachrichten aus dem Jahr 2007 wird unter anderem die führende Rolle des Angeklagten M. in der FDLR deutlich Dr. M. weist in einer SMS den 2. Vizepräsidenten B. an, seine Antwort sowohl an den Präsidenten als auch an den 1. Vizepräsidenten zu senden. In einer weiteren SMS von Dr. M. an 4L. belehrte er diesen, dass er keinen Stempel benutzen dürfe, weil nur der „Presidef“, der 1. Vizepräsident und der 2. Vizepräsident berechtigt seien, die offiziellen Dokumente der FDLR zu unterschreiben und zu stempeln.
Aus der bereits bei den Aktivitäten des Angeklagten Dr. M. aufgeführten Weisung der FDLR über die Kommunikation zwischen dem CD-West und dem CD-Ost vom 7. Juli 2005 folgt darüber hinaus, dass lediglich der Präsident und der 1. Vizepräsident befugt waren, eine Kommunikation mit dem CD-Ost zu beginnen.
i)
In einem Telefongespräch am 1. Januar 2009 bat der Angeklagte M. den Angeklagten Dr. M. um die aktuelle Telefonnummer des FOCA-Kommandanten S.M., um dort anzurufen und zu fragen, wie dieser [und seine Leute] ins neue Jahr gekommen seien.
j)
Am 25. Januar 2009 schilderte der Angeklagte M. dem Angeklagten Dr. M. telefonisch Informationen zu Vorbereitungen der ruandischen Armee, die er von 1C.H. aus Brazzaville erhalten habe. Dr. M. berichtete ihm von acht Kongolesen, die bei einem Angriff auf die FDLR im Norden getötet worden seien. Der Angeklagte Dr. M. sagte weiter, er habe bereits abgestritten, dass die FDLR die Kongolesen getötet habe, er habe vielmehr behauptet, diese seien in einen Hinterhalt der Mai-Mai und PARECO geraten. Die beiden Angeklagten erörterten das Versenden von Geld für Guthaben für Satellitentelefone, die demnächst im Krieg gebraucht würden. Der Angeklagte M. forderte zudem, dass die Leute in Ostkongo die Telefone ausschalten und nur unter sich kommunizieren sollen, denn sonst könnten sie geortet werden. Die Aufforderung gab der Angeklagte Dr. M. umgehend an diese weiter.
k)
Am 28. Januar 2009 berichtete der Angeklagte Dr. M. telefonisch dem Angeklagten M. ausführlich über die militärische Situation in den Kivu-Gebieten, insbesondere über die Kämpfe in Kibua und Kalongi. Er informierte den Angeklagten M. unter anderem darüber, dass der stellvertretende Kommandant der Reservebrigade bei den Kämpfen bei Kibua getötet wurde. Die beiden erörterten, die Namen der Gefallenen auf Seiten der ruandischen Armee sofort zu veröffentlichen, und planten, Methoden zu entwickeln, um unzufriedene Soldaten der ruandischen Armee dazu zu bewegen, zur FDLR überzulaufen, denn dies demotiviere den Gegner.
l)
In einem Gespräch vom 5. Februar 2009 sprachen die beiden Angeklagten erneut über die Situation im Ostkongo. Der Angeklagte M. erklärte, man müsse etwas unternehmen, wenn FOCA-Soldaten nach Ruanda zurückkehren. Beide waren sich einig, dass der Krieg aufhören werde, wenn der Feind merkt, dass er keine Ergebnisse erzielt. Der Angeklagte M. erläuterte weiter, die FDLR müsse militärisch Widerstand leisten und gleichzeitig weiter den Dialog verlangen. Er verlangte die Namen von Soldaten, die er anrufen könne. Dr. M. erklärte, es sei sinnvoll, wenn auch M. dort anrufe und benannte als Ansprechpartner den FOCA-Kommandanten, den 2. Vizepräsidenten, den FOCA-Sprecher und die Einheitskommandeure. Der Angeklagte M. schlug vor, die Namen der ruandischen und kongolesischen Soldaten, die in den Kämpfen getötet wurden, zu veröffentlichen, um den Feind zu demoralisieren.
In einem Telefongespräch vom 22. Februar 2009 setzte sich der Angeklagte M. beim Angeklagten Dr. M. nochmals dafür ein, die Namen getöteter gegnerischer Soldaten zu veröffentlichen, weil dies den Gegner und die dortige Öffentlichkeit demoralisieren würde. M. erklärt sich bereit, die Namen gefallener gegnerischer Soldaten ausfindig zu machen.
m)
Am 14. Februar 2009 korrigierte der Angeklagte M. im E-Mail-Verkehr ein vom Angeklagten Dr. M. formuliertes Schreiben der FDLR, gerichtet an den Präsidenten des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen.
n)
Am 22. März 2009 wirkte der Angeklagte M. mittels E-Mail gemeinsam mit dem Angeklagten Dr. M. und dem Exekutivsekretär 16M. an der Fertigung eines Schreibens der FDLR an den französischen Präsidenten Sarkozy anlässlich dessen bevorstehenden Besuches in der DR Kongo durch Korrekturen und Ergänzungen mit.
o)
Am 26. März 2009 forderte der Angeklagte Dr. M. in einem Telefongespräch den Angeklagten M. auf, sich mehr um seine Funktionen in der FDLR zu kümmern. Es sei möglich, dass er in den „Wald“, [das Kampfgebiet in den Kivu-Provinzen] gehe, der Angeklagte M. solle in diesem Fall seine Rolle übernehmen.
p)
Am 12. Mai 2009 teilte 1C.H. dem Angeklagten M. telefonisch mit, dass man sich auf Verhandlungen vorbereiten solle. 1C.H. unterbreitete dem Angeklagten folgenden Plan: Er wolle einem Offizier der FARDC 10.000 US-Dollar geben, damit dieser absprachegemäß genau dort angreife, wo die FDLR eine Falle gestellt habe. Dadurch würde die FDLR ungefähr 20 bis 30 Offiziere der FARDC gefangen nehmen und könne diese als Faustpfand für Verhandlungen mit der kongolesischen Regierung benutzen. 1C.H. berichtete dem Angeklagten M. ausführlich über die Organisation des Angriffs und fragte ihn nach seiner Meinung. Der Angeklagte M. erklärte, dass 1C.H. ihn auf dem Laufenden halten solle, wenn sich etwas ändere. Man werde sofort reagieren, wenn die Offiziere gefangen genommen wurden. Er werde sich höchstens mit dem Präsidenten darüber unterhalten.
Am 27. Mai 2009 erklärte 1C.H. dem Angeklagten M. in einem Telefongespräch erneut, dass man viele FARDC-Soldaten, darunter Offiziere, gefangen nehmen wolle, damit die kongolesische Regierung Verhandlungen mit der FDLR suche. 1C.H. fragte den Angeklagten M., was er darüber denke. Dieser erklärte, dass diese Operation schwierig werde, da die FARDC die Logistik der MONUC benutze. Weiter erklärte M., bei der Gefangennahme von FARDC-Soldaten werde es, wie erst kürzlich geschehen, kein Pardon geben. Als Begründung führte er an, die FARDC-Soldaten hätten auch keine Gnade mit „unseren Flüchtlingen oder Soldaten“.
Am selben Tag unterhielten sich der Angeklagte M. und 1C.H. in einem weiteren Telefongespräch über den Ankauf von Thuraya-SIM-Karten und Batterien. Der Angeklagte M. erklärte, 1C.H. solche schicken zu wollen, worauf dieser erwiderte, M. solle besser Geld schicken, man werde dann die Sachen vor Ort kaufen. Die beiden stellten ferner Überlegungen darüber an, wie die FDLR-Führung mit einem Schreiben des Kommandanten der FOCA verfahren sollte.
q)
Am 8. Juni 2009 teilte der Angeklagte M. telefonisch dem Angeklagten Dr. M. den Namen und die Telefonnummer eines Oberst der FARDC mit, der zur FDLR überlaufen wolle. Der Angeklagte Dr. M. erklärte, er wolle prüfen, ob die Sache wirklich ernst gemeint sei.
r)
In einem Telefongespräch am 10. Juni 2009 teilte B.T. dem Angeklagten M. mit, er kenne Personen in Brüssel, die die FDLR finanziell unterstützen wollten. Diese wollten mit der FDLR-Führung sprechen. Auf Vorschlag des Angeklagten M. erklärte sich B.T. bereit, den Personen in Brüssel die Telefonnummern der beiden Angeklagten zu geben und den beiden Angeklagten deren Telefonnummern zukommen zu lassen.
s)
Am 14. Juni 2009 erörterten die beiden Angeklagten in einem Telefongespräch die zunehmenden Desertionen von FDLR-Angehörigen nach Ruanda. Zudem beklagten sie, dass es Mitglieder der FDLR gebe, die eigenständige Verhandlungen führten. Der Angeklagte Dr. M. teilte mit, er habe deswegen dem Kommandanten S.M. geschrieben sowie mit dem Vizekommandanten 40 Minuten lang mittels Thuraya-Telefon gesprochen und diesem gesagt, dass die Leute, mit denen sie verhandeln, eigentlich Feinde seien. Der Vizekommandant solle die Hierarchie der Organisation respektieren. Zudem bot der Angeklagte Dr. M. dem Angeklagten M. an, an einem Treffen mit Pater 15M. von Sant‘ Egidio teilzunehmen, was der Angeklagte M. jedoch aus terminlichen Gründen ablehnte.
t)
In einem Telefongespräch vom 12. Juli 2009 sagte der Angeklagte M. zu dem Anrufer 16K.: „Wenn es ein gut auf gestelltes Team gibt, ist es unser Team mit Dr. M., S.M. usw., wir arbeiten immer zusammen.“
u)
In einem Telefongespräch am 13. Juli 2009 informierte 1C.H. aus Kongo-Brazzaville den Angeklagten M. darüber, dass BBC mitgeteilt habe, sie versuche mit der FDLR-Führung Kontakt aufzunehmen, was jedoch nicht gelänge. Daraufhin erwiderte M., BBC habe bestimmt versucht, den Präsidenten zu erreichen. Bei ihm [M.] habe sich BBC nicht gemeldet, obwohl BBC seine [M.s] Telefonnummer habe.
v)
Am 30. Juli 2009 informierte sich der Angeklagte M. in einem Telefongespräch bei Dr. M. über die aktuelle militärische Lage, weil er jetzt lange nicht mehr mit ihm gesprochen habe. Der Angeklagte M. fragte, wie sie beide auf die Ankündigung der Regierung Ruandas, Soldaten in die DR Kongo zu entsenden, sowie auf die Reise Hillary Clintons nach Ruanda reagieren sollen. Der Angeklagte Dr. M. erwiderte, es bringe nichts, Briefe an Politiker zu schreiben, und entschied, dass die „üblichen Kommuniqués“ ausreichten.
w)
Am 7. August 2009 erhielt der Angeklagte M. von 1C.H. telefonisch die Mitteilung, dass zwei Oberste der FARDC, die sich in Goma befänden, zur FDLR überlaufen wollten. Er teilte dies sofort dem Angeklagten Dr. M. mit und kündigte an, er werde ihm die Namen und Telefonnummern der Offiziere geben, sobald 2C. ihm diese mitgeteilt habe. Am 8. August 2009 nannte 2C. dem Angeklagten M. den Namen L.K. und dieser übermittelte den Namen und die Telefonnummer umgehend dem Angeklagten Dr. M.. Als Code für das Gespräch mit L.K. solle „1C.H. 16B.“ verwendet werden. Der Angeklagte Dr. M. telefonierte daraufhin am 8., 11. und 12. August 2009 mit L.K. und sondierte dessen Übertritt zur FDLR und informierte am 11. August 2009 hierüber telefonisch den FOCA-Kommandanten S.M. und den Präsidenten des Regionalwiderstandskomitees von Rutshuru, S.M..
x)
Am 9. August 2009 erkundigte sich der Angeklagte M. im Rahmen eines Telefongesprächs beim Angeklagten Dr. M. nach Neuigkeiten aus dessen Telefonaten mit FDLR-Führungskräften im Kivu. Der Angeklagte Dr. M. antwortete, er habe am Tag zuvor länger als eine Stunde mit B. gesprochen. Außer den Gesprächen zwischen dem Vizekommandanten 9B. mit Bischof 10K und anderen über die Desertionen von 1M.H. und weiteren Personen gebe es nicht Neues.
y)
Kurz vor dem 21. August 2009 sprach der Angeklagte M. mit dem Kommandanten der FDLR der Sektion SOSUKI über Desertionen von FOCA-Kämpfern.
z)
In einem Telefongespräch am 12. November 2009 teilte der Angeklagte Dr. M. dem FOCA-Kommandanten S.M. mit, er werde am kommenden Samstag gemeinsam mit dem Exekutivsekretär und dem Angeklagten M. ein Papier des Kabinettsdirektor über die Ziele der FDLR als Basis für die Zusammenarbeit der FDLR mit anderen Organisationen überarbeiten. Auch diese Äußerung belegt die aktive Mitarbeit des Angeklagten M..
II. Mitwirkung im Comité Directeur
1. Einlassung des Angeklagten
Der Angeklagte M. hat in seiner Einlassung ebenfalls ausgeführt, dass er neben seinen Aufgaben als 1. Vizepräsident gemeinsam mit dem Angeklagten Dr. M., dem Exekutivsekretär 16M. und dem Außenkommissar 2D. als ordentliches Mitglied im CD-West tätig war, welches die FDLR außerhalb der DR Kongo leitete. Vor dem Jahr 2008 hatten dem CD-West noch weitere in Europa lebende FDLR-Politiker angehört. Ebenso schilderte er den Umstand, dass die Mitglieder des CD-West sich regelmäßig berieten, wie dies etwa bei der Vorbereitung der Tagesordnung der Versammlung des Comité Directeur im Januar 2009 der Fall gewesen sei, und einvernehmlich mit den Mitgliedern des CD-Ost die grundsätzlichen politischen Entscheidungen trafen.
2. Weitere Belege
Neben der Einlassung des Angeklagten stützt sich die Überzeugung des Senats zu den Tätigkeiten und Aufgaben des Angeklagten M. als Mitglied des Comité Directeur, der damit eine Schlüsselposition in der FDLR besetzte und mit dem Mitangeklagten eng zusammenarbeitete, auf folgende weitere Indizien:
a)
Am 20. Januar 2008 forderte der Angeklagte M. per SMS den 2. Vizepräsidenten 8R. als Leiter des CD-Ost auf, sich wegen der Beschlüsse und Empfehlungen des CD-West an den Präsidenten zu wenden, der diese dann telefonisch mitteilen werde.
b)
Am 22. April 2008 sandte der FOCA-Kommandant S.M. eine SMS an den Angeklagten Dr. M., in der er ihn um die Mitteilung M.s Telefonnummer bat, da er diese dringend benötige.
c)
Am 14. Dezember 2008 sprachen die Angeklagten Dr. M. und M. am Telefon ausführlich über die Situation in den Kivu-Gebieten und insbesondere über das Verhalten des FDLR-Offiziers „5T.“. Dieser sei fast schon ein Deserteur, gehe nicht mehr zu den Versammlungen, komme mit dem Leben im Wald nicht mehr zurecht und sei nur zum Teil „dabei“. Der Angeklagte M. gab an, er habe mit „5T.“ mehrfach ausführlich gesprochen und ihm einige SMS geschickt. Sobald er Urlaub und Zeit habe, werde er Dr. M. wieder kontaktieren, um die Versammlung des Comité Directeur im Januar 2009 gut vorzubereiten. Dr. M. erklärte, dass sie sich auf jeden Fall vorher treffen sollten, um über die Tagesordnung zu sprechen. Es wäre nicht gut, wenn er dies alleine mache, M. erklärte darauf, er werde auch etwas machen.
d)
In einem Telefongespräch am 17. Dezember 2008 nahm der Angeklagte Dr. M. den Rat des Angeschuldigten M. an, sich mit einem Politiker namens „Onesime“ zu treffen, da dieser früher Stellvertreter des Präsidenten des Parlaments gewesen und wegen seiner Erfahrung wichtig sei. Sodann erörterten die beiden Angeklagten die geplante Versammlung des Comité Directeur im Januar 2009, an der neben ihnen der Exekutivsekretär 16M. und 1D.N. teilnehmen sollten.
e)
Am 4. Januar 2009 informierte der Angeklagte Dr. M. per E-Mail den Angeklagten M. und den Exekutivsekretär 16M. über die Kommentare und Änderungswünsche des CD-Ost zu der Tagesordnung der geplanten CD-Versammlung im Januar 2009. Der Angeklagte M. machte daraufhin in einer E-Mail vom 5. Januar 2009 an die drei übrigen Mitglieder des CD-West Vorschläge zu den geplanten Themen der CD-Versammlung. Am 6. Januar 2009 erklärte der Angeklagte M. mittels E-Mail in seiner Funktion als 1. Vizepräsident sein o.k. zur Tagesordnung der CD-Versammlung.
f)
In einer E-Mail vom 30. September 2009 an den Angeklagten Dr. M. teilte der Angeklagte M. die Ansicht der Mehrheit der übrigen CD-Mitglieder, dass aufgrund der Kriegssituation die reguläre Versammlung des CD derzeit nicht abgehalten werden kann.
III. Mitwirkung an der Öffentlichkeitsarbeit der FDLR und Kenntnis von den Verbrechen der FDLR
In seiner Funktion als 1. Vizepräsident und Mitglied des CD-West war der Angeklagte M. maßgeblich an der bereits oben dargestellten Öffentlichkeitsarbeit der FDLR beteiligt. So wirkte er im Zeitraum von Januar bis November 2009 an den erschienenen Pressemitteilungen der FDLR mit, indem er diese vor ihrer Veröffentlichung entweder erstellte, korrigierte oder ergänzte.
Gerade aus dieser Tätigkeit in der Öffentlichkeitsarbeit in der FDLR, aber auch aus seiner Funktion als ordentliches Mitglied des Comité Directeur wusste auch der Angeklagte M., dass die FDLR während seiner Amtszeit als 1. Vizepräsident im Kivu an der Ausplünderung von Bodenschätzen verdiente, der örtlichen Bevölkerung Schutzzölle und Zwangsabgaben auferlegte, und bereits vor „Umoja Wetu“, insbesondere aber während der Militäroperationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ Kriegsverbrechen beging.
1. Einlassung des Angeklagten
Der Angeklagte M. hat in seiner Einlassung eingeräumt, aus Berichten von Menschenrechtsorganisationen, der Vereinten Nationen und aus den Medien über die Ausbeutung von Bodenschätzen, die Erpressung von Schutzgeldern und Wegezöllen durch Angehörige der FDLR sowie über die Kriegsverbrechen der FDLR informiert worden zu sein.
Er gab an, die dort berichteten Geschehnisse jedoch nicht für glaubhaft, sondern für Propaganda Ruandas und der Vereinten Nationen sowie (gezielte) Falschmeldungen gehalten zu haben. Nur aus diesem Grund habe er weder als 1. Vizepräsident der Organisation noch innerhalb des Comité Directeur ausdrücklich versucht, solche Taten zu verhindern. Er habe jedoch bei der Erstellung der Tagesordnung der CD-Versammlung im Januar 2009 die Tagesordnungspunkte aufgenommen, in denen darauf hingewiesen wurde, dass Machtmissbräuche. Kriegsverbrechen, Vergewaltigungen und die Rekrutierung von Kindersoldaten zu unterlassen seien. Mehr habe er als Politiker in der Organisation ohne direkten Einfluss auf das Militär nicht tun können. Zudem habe er von Dr. M. die Information erhalten, dass die Vorkommnisse in Busurungi durch eine Kommission der FDLR untersucht würden.
2. Nachgewiesene Öffentlichkeitsarbeit
Die Behauptung des Angeklagten M., er habe im Frühjahr 2009 wegen privater und beruflicher Probleme wenig über die FDLR in den Medien und im Internet gelesen und den Darstellungen der Taten der FDLR im Internet, in Berichten und Medien nicht geglaubt, ist zur Überzeugung des Senats eine bloße Schutzbehauptung. So sagte er am 26. März 2009 in einem Telefongespräch zu Dr. M., dass er alles lese, was dieser ihm schicke. Er lese parallel und schnell, er habe jedoch nicht die Zeit, auf jeden Artikel zu reagieren. Zudem ist es der Angeklagte M., der in einem Telefongespräch am 17. Dezember 2008 dem Angeklagten Dr. M. von einem UNO-Bericht berichtete und wegen der darin enthaltenen Vorwürfe gegen die FDLR zur Wachsamkeit mahnte sowie davon abriet, darüber am Telefon zu sprechen. Außerdem zeigen die nachfolgend geschilderten zahlreichen Tätigkeiten des Angeklagten M., dass er sich weiterhin um die Öffentlichkeitsarbeit der Organisation kümmerte.
Aus den zahlreichen, in der Telekommunikationsüberwachung aufgeführten Berichte wusste der Angeklagte um die Taten, die von der FDLR begangen wurden. Diese Berichte las er auch, da er in einer Vielzahl von Fällen an Pressekommuniqués der FDLR mitwirkte, in denen gerade die in den Berichten erhobenen Vorwürfe abgestritten, bagatellisiert oder anderen militärischen Gruppen untergeschoben wurden. Dabei ging er, anders als er sich einlässt, auch nicht davon aus, dass es sich in den Berichten um haltlose Behauptungen oder gar um Kriegspropaganda handelte. Hinter diesen Berichten standen nämlich nicht nur bekannte Menschenrechtsorganisationen wie HRW, sondern auch Kommissionen der Vereinten Nationen und geschätzte Nachrichtenorganisationen wie MISNA sowie Medien wie BBC, ARD und Voice of America. Weshalb diese für eine Kriegspartei Partei ergreifen sollten, ist weder dargetan noch ersichtlich. Vielmehr haben beispielsweise sowohl HRW als auch die Expertengruppe der Vereinten Nationen über Verbrechen sämtlicher an den kriegerischen Auseinandersetzungen in den Kivu-Provinzen beteiligter Parteien berichtet. Zudem wurde der Angeklagte M. in zahlreichen Telefonanrufen von Mitgliedern der FDLR über die Geschehnisse im Kongo unterrichtet.
Folgende Mitwirkung des Angeklagten M. an der Propagandaarbeit lässt sich allein aus den Erkenntnissen der Telekommunikationsüberwachung belegen.
a)
Am 29. Dezember 2008 vereinbarten die Angeklagten Dr. M. und M. telefonisch, dass der Angeklagte M., der Exekutivsekretär 16M. und 1D.N. den Inhalt eines Presseartikels in einer Presseerklärung bestreiten werden. In diesem Presseartikel wurde entweder über die Entführung von Personen durch FDLR-Angehörige oder die Verhaftung von FDLR-Angehörigen berichtet. (Die Übersetzung aus der Sprache Kinyarwanda lässt beide Möglichkeiten zu.) Der Angeklagte Dr. M. stimmte im Gespräch der geplanten Veröffentlichung des Angeklagten M. zu diesem Thema zu. Des Weiteren forderte der Angeklagte Dr. M. den Angeklagten M. auf, mit der Festlegung der Tagesordnung für die geplante Versammlung des Comité Directeur im Januar 2009 zu beginnen.
Tatsächlich wirkte der Angeklagte M. über E-Mail am gleichen Tag bei der Formulierung der Presseerklärung mit.
b)
Am 20. Januar 2009 erklärte sich der Angeklagte M. in einem Telefongespräch gegenüber dem Angeklagte Dr. M. bereit, eine Presseerklärung der FDLR zu verfassen, in welcher der Beginn von „Umoja Wetu“ verurteilt wird. Dieser zeigte sich skeptisch gegenüber deren Nutzen, da der Krieg ohnehin nicht mehr verhindert werden könne.
c)
Am 30. Januar 2009 hatte die italienische Nachrichtenagentur MISNA berichtet, dass die lokale Presse im Kivu von der Ermordung von 36 Zivilisten durch Soldaten der FDLR geschrieben hatte und der Militärsprecher der MONUC Oberst J.D. MISNA gegenüber angegeben habe, die FDLR habe auf Personen geschossen, die dagegen demonstriert hätten, dass die FDLR Tiere und Geld geplündert habe.
In einem Kommuniqué-Entwurf, den der Angeklagte Dr. M. bereits am 31. Januar 2009 per E-Mail an den Angeklagten M., den Exekutivsekretär 16M. und an 1D.N. sandte, behauptete Dr. M. ohne Nachforschungen durchgeführt zu haben, die FDLR verfüge über zuverlässige Informationen darüber, dass die überwiegende Mehrheit der im Kongo eingesetzten ruandischen Soldaten aus ehemaligen FDLR-Mitgliedern bestünde, die nach Ruanda repatriiert seien. Des Weiteren verfüge die FDLR über Informationen, dass die ruandische Armee die Aufgabe habe, im Kongo das Bild der FDLR zu beschädigen, indem sie Massaker an der kongolesischen Bevölkerung begehe und die Verantwortlichkeit für diese Massaker absichtlich der FDLR zuschiebe. Der Angeklagte M. beteiligte sich an dieser Pressearbeit, indem er am 1. Februar 2009 seine Korrekturen und Ergänzungen in der Presseerklärung per E-Mail an den Angeklagten Dr. M. sandte.
d)
Am 13. Februar 2009 hatte der Angeklagte Dr. M. eine E-Mail an den Angeklagten M., 2C.M. und 1D.N. versandt, in der auf einen Bericht von Human Rights Watch mit der Überschrift „DR Kongo: Ruandische Rebellen metzeln über 100 Zivilisten nieder“ hingewiesen wurde, und erklärt, die FDLR werde diese Lügen am Wochenende bestreiten und den Bericht von HRW ohne Nachforschungen durchgeführt bzw. sogar Hinweise für dessen Richtigkeit erhalten zu haben, als Lüge bezeichnete. An dieser Presseerklärung wirkte der Angeklagte M. durch Korrekturen daran per E-Mail mit.
e)
In einem Telefongespräch am 2. April 2009 forderte der Angeklagte Dr. M. den Angeklagten M. auf, mehr Zeit für die FDLR zu verwenden. Der Angeklagte M. versicherte darauf, sich zumindest an der Vorbereitung von Presseerklärungen zu beteiligen. Des Weiteren sagte er zu, das Einstellen von Erklärungen in die FDLR-Homepage und deren Betreuung zu übernehmen.
f)
Diese Aufforderung wiederholte Dr. M. kurz darauf in einem Telefongespräch am 3. April 2009. Er kündigte erneut an, möglicherweise in den Ostkongo zu gehen, zumal es dort viele Probleme, insbesondere Desertionen, gebe. Er forderte den Angeklagten M. auf, sich an Disziplin zu gewöhnen und für die Organisation zu arbeiten. Er erklärte dem Angeklagten M., dass dieser mittels SMS über Thuraya mit S.M., B. und O. kommunizieren und sich dadurch informieren solle, um Kommuniqués und Briefe vorzubereiten. Des Weiteren solle er sich mehrmals täglich bei MISNA und auf der Homepage der MONUC über die Situation im Kongo und Ruanda informieren und morgens die BBC-Nachrichten hören. Daraufhin erwiderte der Angeklagte M., dass er sich ebenfalls informiere, was wiederum seine Behauptung widerlegt, er habe in dieser Zeit keine oder nur wenige Berichte über die FDLR zur Kenntnis genommen.
g)
Am 9. April 2009 versandte der Angeklagte Dr. M. eine E-Mail an den Angeklagten M., 2C.M. und 1D.N. mit dem Inhalt eines Berichts von Human Rights Watch (HRW) vom gleichen Tag mit der Überschrift „DR Kongo: Brutale Vergewaltigungen durch Rebellen und Soldaten“ und erklärte, diese Lügen müssten bis nachmittags bestritten werden, er bereite bereits einen Kommuniquéentwurf vor. In diesem Bericht wird unter anderem geschildert, dass die FDLR in den letzten Wochen Dutzende von Dörfern und Städten in den Gebieten Masisi und Lubero (Nord-Kivu) und Kalehe (Süd-Kivu) angegriffen, diese niedergebrannt und dabei zahlreiche Morde, Vergewaltigungen und Plünderungen begangen habe. Den von HRW befragten Zeugen und Opfern zufolge, seien die FDLR seit dem 23. Januar 2009 an der Ermordung von mindestens 154 Zivilisten beteiligt gewesen. Bei einem Angriff auf Kipopo am 13. Februar 2009 seien mindestens 13 Personen getötet worden, die lebendig in ihren Häusern verbrannt wurden.
Ca. zwei Stunden später sandte der Angeklagte Dr. M. an den Angeklagten M., 2C.M. und 1D.N. den Entwurf der von ihm vorbereiteten Presseerklärung zum HRW-Bericht mit der Bitte, Verbesserungen bis 20.00 Uhr vorzunehmen und dem Exekutivsekretär zuzuleiten. In der Presseerklärung werden die von HRW erhobenen Vorwürfe gegen die FDLR pauschal in Abrede gestellt. Die Beschuldigungen von HRW seien ungerecht, falsch und unbegründet. Sie bezweckten ausschließlich eine Beschmutzung des guten Rufs der FDLR in den Medien und der Öffentlichkeit.
Am 10. April 2009 versandte der Angeklagte an die drei vorgenannten Personen die anhand der Anregungen von 1D.N. in Kleinigkeiten abgeänderte und dann veröffentlichte Presseerklärung der FDLR Nr. 01/SE/CD/April/2009.
h)
In einem Telefongespräch am 20. April 2009 berichtete der Angeklagte Dr. M. dem Angeklagten M. von einem Angriff auf den Ort Luofu, bei dem Häuser angezündet und sieben Personen getötet wurden. Man spreche davon, dass die FDLR den Angriff begangen habe, es sei jedoch die RUD gewesen. Der Angeklagte M. erwiderte, dass er sich nicht sicher sei, ob es die RUD oder nicht eine andere Gruppierung gewesen sei. Er halte es für wichtig, die Leute der FDLR wissen zu lassen, dass dies zu vermeiden ist, dies sei nicht die Mission der FDLR.
i)
In einem Telefongespräch am 14. Mai 2009 teilte der Angeklagte M. dem Angeklagten Dr. M. mit, dass er beginne, sich um die FDLR-Homepage zu kümmern, er habe aber wegen vieler Probleme sehr wenig Zeit. Er schaffe es, sich um die Nachrichten zu kümmern und die E-Mails zu lesen. Er könne die E-Mails aber nicht beantworten, da ihm sonst die Zeit fehlen würde, alle E-Mails zu lesen. Auch diese Äußerung zeigt somit, dass der Angeklagte M. die Geschehnisse um die FDLR durchaus zur Kenntnis nahm, auch wenn er nicht sogleich darauf schriftlich zu reagieren vermochte.
j)
Am 14. Mai 2009 versandte 1D.N. an den Angeklagten M. eine E-Mail mit Information des Pressezentrums der UNO über den Angriff der FDLR auf Busurungi. In dem Bericht ist von Dutzenden von durch die FDLR getöteten Zivilisten die Rede.
k)
Der Angeklagte M. wurde über die Vorwürfe gegen die FDLR im Zusammenhang mit dem Angriff auf den Ort Busurungi durch eine an ihn weitergeleitete Pressemitteilung der Vereinten Nationen und andere Nachrichten informiert. Er nahm die Vorwürfe zur Kenntnis und riet dem Angeklagten Dr. M. auf den Bericht der Vereinten Nationen zu reagieren und die Vorwürfe zu bestreiten.
Bereits durch eine E-Mail, die er von 16M. am 14. Mai 2009 erhielt, erfuhr er, dass die MONUC der FDLR vorwirft, beim Angriff auf Busurungi mindestens 35 Zivilisten getötet zu haben.
Bestätigt wurde dies durch eine E-Mail des Anschlusses [email protected], die der Angeklagte Dr. M. ihm am 15. Mai 2009 weiterleitete, in der mitgeteilt wird, dass auf der gegnerischen Seite Zivilisten, darunter einige Frauen, gestorben seien. Der Anschluss [email protected] ist dem Kommandanten der Division Nord-Kivu zuzurechnen. Der Angeklagte M. räumte in seiner Befragung selbst ein, er habe sich, nachdem er erfahren habe, dass in Busurungi Zivilisten „zu Schaden gekommen“ seien, die Frage gestellt, ob dies ein Kriegsverbrechen gewesen sei oder nicht. Danach habe er noch eine E-Mail von 16M. erhalten mit der Frage, ob man vor einem Angriff die Anwesenheit von Zivilisten in der Stellung überprüfen müsse und ob man bei deren Anwesenheit nicht angreifen dürfe. Er habe sich jedoch auf den Standpunkt gestellt, dass die FOCA schon wisse, was sie zu tun habe. Er konnte allerdings nicht erklären, warum in einer Pressemitteilung der FDLR von Ende Mai 2009, die er ebenfalls erhalten hatte, getötete Zivilisten in Busurungi nicht erwähnt bzw. sogar abgestritten werden, obwohl er im Zeitraum vom 20. bis 27. Mai 2009 E-Mails zur Korrektur des Entwurfs einer von Dr. M. und 16M. erstellten Presseerklärung erhielt, in der wider besseres Wissen bestritten wurde, dass sich in Mianga und Busurungi unter den Getöteten auch Zivilisten befunden haben, so dass er die Gelegenheit gehabt hätte, bei den beiden Verfassern des Entwurfs darauf hinzuwirken, die Urheberschaft der FDLR für die an den Zivilisten begangenen Taten einzuräumen bzw. sie zu missbilligen.
Derartige dementierende Erklärungen motivierten die Milizionäre der FDLR, weitere gleichartige Taten zu begehen, weil sie sahen, dass die Täter keine Konsequenzen für derartige Verhaltensweisen zu fürchten hatten.
Der Angeklagte M. räumte auch im Übrigen ein, Vorwürfe nicht selbst überprüft, sondern sich auf den Mitangeklagten und 16M. verlassen zu haben. Bei Vergewaltigungsvorwürfen gegenüber der FDLR habe er ohnehin gedacht, dass dies nicht sein könne und es daher auch nicht überprüft.
l)
Am 3. Juli 2009 versandte der Angeklagte Dr. M. eine E-Mail an den Angeklagten M., 2C.M. und 1D.N. mit dem Inhalt eines Berichts von Human Rights Watch (HRW) vom vorangegangenen Tag mit der Überschrift „DR Kongo: Massive Zunahme der Angriffe auf Zivilisten“ und erklärte, auf diese Sachen müsse mit einem Kommuniqué reagiert werden, das Montag veröffentlicht werde, er fertige bis Samstag einen Kommuniquéentwurf. In diesem Bericht wird unter anderem geschildert, dass FDLR-Kämpfer in Busurungi mindestens 86 Zivilisten brutal massakriert hätten, darunter 25 Kinder, 23 Frauen und 7 ältere Männer, in Chiriba 10 Zivilisten und in Mianga 45 Zivilisten getötet hätten, darunter den Ortsvorsteher, der enthauptet worden sei.
m)
Am 13. Juli 2009 sagte der Angeklagte M. in einem Telefongespräch zu 1C.H., dass er nicht angerufen habe, da er sehr beschäftigt sei. Er und andere setzten sich zur Zeit mit den UNO-Berichten auseinander. Auch dies belegt, dass der Angeklagte M. sich zu dieser Zeit mit Berichten über die FDLR beschäftigte.
n)
Am 3. August 2009 informierte der Exekutivsekretär 16M. per E-Mail die Angeklagten Dr. M. und M. sowie 1D.N. über den Inhalt einer Erklärung des Leiters der UN-Mission im Ostkongo 1A.D., der schwere Vorwürfe gegen FDLR-Führungspersonen in Europa erhoben hatte. Diese würden die Gewalt im Ostkongo schüren. Die FDLR sei dort täglich an Vergeltungsangriffen beteiligt, an Morden, Vergewaltigungen und Plünderungen. 16M. forderte die Adressaten auf, schnell und entschieden auf diese Vorwürfe zu reagieren. Der Angeklagte M. sandte daraufhin an die anderen beteiligten Führungskräfte in Europa eine E-Mail, in der er den Entwurf einer Gegenerklärung formulierte. Darin warf er den Vereinten Nationen vor, Partei gegen die FDLR und für Kagame zu ergreifen und bestritt die der FDLR vorgeworfenen Verbrechen. In einem am selben Tag geführten Telefongespräch waren sich die beiden Angeklagten darüber einig, dass ein Dementi veröffentlicht werden müsse.
o)
In der Pressemitteilung Nr. 03/SE/CD/August 2009 vom 14. August 2009 über die Verhaftung von 1G.N. (dieser wurde vom Arusha-Tribunal wegen Völkermordes zu 15 Jahren Haft verurteilt) teilte die FDLR mit:
„… Die FDLR erklärt, dass Herr 1G.N. ein einfacher ruandischer Flüchtling war, der im Osten der DR Kongo lebt. Er war nie Mitglied einer der Strukturen der FDLR und deshalb war er kein Mitglied dieser Organisation.“
Tatsächlich handelt es sich bei dieser Person jedoch, wie dem Angeklagten Dr. M. zuvor auf seine telefonische Nachfrage von S.M., dem Präsidenten des Regionalwiderstandskomitees von Rutshuru, gesagt worden war, um dessen Sekretär.
Der Angeklagte M. hatte zuvor in einer Mail vom 14. August 2009 an den Angeklagten Dr. M. den Entwurf dieser Pressemitteilung als sehr gut bezeichnet.
p)
Am 20. August 2009 führte der Angeklagte M. ein Telefongespräch mit dem Exekutivsekretär 16M.. Die beiden sprachen dabei über nach Burundi desertierte FDLR-Soldaten. Hierüber waren der Angeklagte M. und 16M. zuvor von 1C.H. informiert worden, der auf eine BBC-Sendung dazu hingewiesen hatte. Der Angeklagte M. sagte in dem Gespräch zu, sich die BBC-Sendung anzuhören und ein Kommuniqué vorzubereiten, in welchem die Desertionen bestritten werden sollten.
q)
Am 11. November 2009 wirkte der Angeklagte M. per E-Mail an der Erstellung des Pressekommuniqués Nr. 03/SE/CD/November 2009 mit, indem er Ergänzungen in dem Entwurf des Angeklagten Dr. M. vornahm.
3. Weitere Informationen an M. über Taten der FDLR
Die Kenntnis des Angeklagten M. davon, dass die FDLR während seiner Amtszeit als 1. Vizepräsident und Mitglied des Comité Directeur im Kivu an der Ausplünderung von Bodenschätzen verdiente, der örtlichen Bevölkerung Schutzzölle und Zwangsabgaben auferlegte und bereits vor „Umoja Wetu“, insbesondere aber während der Militäroperationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ Kriegsverbrechen beging, belegen zudem folgende weitere Indizien:
a)
In einem Telefongespräch vom 17. Dezember 2008 informierte der Angeklagte M. den Angeklagten Dr. M. über den am 12. Dezember 2008 veröffentlichten Bericht der UN-Expertengruppe und die darin enthaltenen Vorwürfe gegen die FDLR. In diesem Bericht kommt die Expertengruppe aufgrund ihrer Untersuchungen zu dem Schluss, dass sich die FDLR zum Aufbringen von Kapital hauptsächlich des illegalen Handels mit Bodenschätzen bedient.
Am 10. Mai 2009 berichtete V.K. dem Angeklagten M., dass die FDLR-Milizionäre in Süd-Kivu nur „Geschäfte“ machten und nur ans Geld dächten. Der Angeklagte M. antwortete, der Angeklagte Dr. M. habe Initiativen unternommen, damit die Soldaten mit den Geschäften aufhörten. Wir, die Führung der Organisation, haben dann aber die Initiativen wieder eingestellt, weil die FDLR nicht in der Lage sei, Gehälter zu zahlen.
Dies zeigt exemplarisch, dass dem Angeklagten M. bewusst war, dass Führungspersonen der FDLR an der Ausbeutung von Bodenschätzen in den Kivu-Provinzen verdienen.
b)
In einem Telefongespräch zwischen den beiden Angeklagten am 22. Juni 2009 unterhielten sich beide über Wegezölle, die von FOCA-Kommandanten erhoben werden. Der Angeklagte Dr. M. erklärte, er habe auf solche Vorwürfe dahingehend reagiert, dass er sagte, diese Wegzölle gingen in die Tasche dieses Kommandanten, nicht in die Kasse der FDLR. Der Angeklagte M. wusste daher, dass die lokale Zivilbevölkerung durch Wegezölle und Schutzsteuern ausgebeutet wurde.
c)
Dass der Angeklagte M. auch positive Kenntnis von während der Kriegshandlungen vor und während der Militäroperationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ durch die FDLR verübten Kriegsverbrechen hatte, zeigen diese Umstände:
aa)
Im Rahmen der Vorbereitung einer CD-Versammlung teilte der 2. Vizepräsident B. dem Angeklagten Dr. M. in einer SMS vom 15. November 2007 bei der Nennung von Tagesordnungspunkten unter Nr. 7 mit, dass sich die Disziplin der Militärs verschlechtert habe und ein Ansatz für die Lösung dieses Problems zu suchen sei. Der Angeklagte M. war Mitglied des CD-West und erhielt daher von diesem Tagesordnungspunkt Kenntnis.
bb)
In einem Telefonat vom 17. Dezember 2008 unterhielten sich die beiden Angeklagten über die von den Vereinten Nationen erhobenen Vorwürfe und die verhängten Sanktionen gegen die FDLR. Der Angeklagte M. äußerte, er habe an seinem Arbeitsplatz im Internet den veröffentlichten UN-Bericht und die Sanktionen gelesen. Der Angeklagte Dr. M. antwortete, dass dies nichts neues sei, worauf der Angeklagte M. erwiderte, man müsse die darin enthaltenen Sachen aufmerksam, weiterverfolgen.
Diese Telefonat belegt, dass sich der Angeklagte M. mit Berichten über Vorwürfe gegen die FDLR im Tatzeitraum genau beschäftigte.
cc)
In einem Telefonat vom 16. Juni 2009 gab ein Bekannter von M. den Bericht eines Korrespondenten wieder, dass die Flüchtlinge in Goma sagen würden, die FDLR habe die Bevölkerung gequält, weil sie mit dem Feind zusammen gearbeitet habe und wenn man nicht flüchte, dann brenne die FDLR alles ab.
dd)
Aus einer von Dr. M. an M. gerichteten E-Mail vom 16. Juli 2009 ist ersichtlich, dass beide von den Vorwürfen des ICG (International Crisis Group) gegenüber der FDLR bzgl. der Vorfälle in Busurungi und Chiriba wissen.
ee)
Am 18. Juli 2009 berieten sich die beiden Angeklagten über eine Verteidigungsstrategie im Falle einer Anklage gegen sie. Der Angeklagte Dr. M. sprach dabei davon, dass gegen ihn und M. die Vorwürfe der Vergewaltigungen, der Massaker, der Ausbeutung des Reichtums der DR Kongo sowie der Verweigerung der Entwaffnung im Raum stünden. Er gab M. den Rat, Argumente zu sammeln, um diese Vorwürfe zu bestreiten, gab aber zu bedenken, dass dies sehr schwierig sein dürfte.
Weiter sagte er zu M.:
„Ich frage mich manchmal, warum man uns nicht verhaftet hat … die Bemba und so sind nicht viel krimineller als wir … . Wir haben Glück, dass es Leute gibt, die für uns sprechen … ohne die wärst du oder ich Weg.“
ff)
Am 6. August 2009 versandte der Angeklagte Dr. M. eine E-Mail an den Angeklagten M., an 2C.M. und 1D.N. in der er die Empfänger darüber informierte, dass A.VW. von HRW ihn telefonisch um ein Treffen, in dem unter anderem über die von der FDLR begangenen Machtmissbräuche gegenüber der kongolesischen Bevölkerung gesprochen werden sollte, gebeten habe und bat um Übersendung von Informationen und Argumenten zu den Gesprächsthemen.
gg)
Am 10. August 2009 fand das Treffen zwischen dem Angeklagten und den HRW-Mitarbeitern A.VW. und T.P. in einem Gasthaus in M... statt. Dabei wurde der Angeklagte Dr. M. detailliert mit den von HRW Vorwürfen gegen die FDLR bezüglich der Taten in Busurungi, Mianga, Manje, Remeka, Kibua, Kipopo Luofu und Ziralo konfrontiert.
In einer E-Mail vom 13. August 2009 informierte der Angeklagte Dr. M. den Angeklagten M., 2C.M. und 1D.N. über den Gesprächsinhalt des Treffens mit A.VW. von HRW. Unter 7. informierte er die Empfänger darüber, dass seiner Meinung nach Grund für das Treffen gewesen sei, zu überprüfen, ob die Führung der FDLR von den verschiedenen Verbrechensvorwürfen gegenüber der FDLR Kenntnis hat, ob sie eigene Ermittlungen gemacht und die Täter bestraft hat. Frau VW. habe viele Orte genannt, an denen die FDLR Verbrechen begangen haben soll: Zum Beispiel die Orte Busurungi (96 Tote), Mianga (45 Tote), Mandje (20 Tote), Kipopo (17 Tote), Remeka (40 Tote) Chiriba (13 Tote), Ziraro, Nzovu usw.. Frau VW. habe die Einschätzung gegeben, die FDLR verfolge die Strategie, die Zivilbevölkerung zu terrorisieren. Sie habe ihm Kopien von Drohbriefen an Zivilisten gezeigt, die man der FDLR zuschreibe und die er als Anlage der E-Mail beifüge. Sie habe ihm mitgeteilt, dass sie über Informationen verfüge, wonach die FDLR seit letztem Januar mehr als 452 Kongolesen getötet habe, und dass ein Bericht darüber in zwei Wochen veröffentlicht werde. Sie verlange Ermittlungen über die Anschuldigungen der HRW, was die Massaker an den Hutu-Flüchtlingen und die von der FDLR begangenen Massaker betrifft. Die FDLR-Führung solle die Ergebnisse innerhalb einer Frist von 2 Wochen an HRW senden.
hh)
In einer E-Mail vom 14. August 2009 versandte der Angeklagte Dr. M. erneut an den Angeklagten M., an 2C.M. und 1D.N. die Kopien der Drohbriefe, die ihm als von der FDLR stammend von A.VW. (HRW) übergeben worden waren.
ii)
Der Angeklagte M. informierte in einem Telefongespräch am 27. Oktober 2009 V.K. über Angriffe der FDLR auf kongolesische Fahrzeugkonvois, bei denen nach einem Bericht der MONUC auch kongolesische Zivilisten getötet wurden.
Er fügte hinzu, da es Kämpfe gegeben habe, bedeute dies, dass es stimme.
In einer Erklärung hierzu in der Hauptverhandlung gab er an, dass diese Informationen für ihn plausibel geklungen hätten.
Weiter habe es geheißen, die FDLR habe dabei Material beschlagnahmt und er kommentierte dies dahingehend, wenn sie Lkws mit Essen oder Waffenladungen erwischten, würden sie diese selbstverständlich angreifen, wörtlich: „Das ist üblich, das müssen sie wissen.“
jj)
In einem weiteren Telefongespräch mit dem Mitangeklagten am 10. November 2009 sagte M., dass eine Dame von HRW via Radio Franc International gesagt habe, sie habe Beweise, dass die FDLR fast 610 Menschen getötet habe. Dr. M. sagte hierzu, sie würden jedes Verbrechen, das ihnen vorgeworfen wird, sofort dementieren; wenn sie angeschuldigt würden, rufe er 4L. an, lasse sich informieren, was auf dem Terrain passiert sei und bringe diese Version in ein Kommuniqué; dann sei es für ihn abgeschlossen. M. bezweifelte in diesem Gespräch, ob dies für ein Gerichtsverfahren ausreiche.
IV. Weitere Tätigkeiten des Angeklagten für die FDLR
Folgende Beweismittel belegen, dass der Angeklagte M. für die Organisation folgende weitere Tätigkeiten ausführte, bei welchen insbesondere seine beruflichen Kenntnisse im IT-Bereich gefragt waren:
1. Einrichtung und Gestaltung der FDLR-Internetseite
a)
Aus Unterlagen in einem Leitzordner mit der Aufschrift „Adresse“, welcher beim Angeklagten M. sichergestellt wurde, folgt, dass dieser am 10. August 2005 für den Angeklagten Dr. M. ein Internet-Account bei der Firma GMX angemeldet hat. Die Adresse lautete [email protected].
b)
Wiederum aus Unterlagen in einem Leitzordner mit der Aufschrift „Adresse“, welcher beim Angeklagten M. sichergestellt wurde, folgt, dass dieser im April 2007 den Wechsel der FDLR-Internetseite ...org vom Anbieter 1 & 1 zum Anbieter STRATO AG vorbereitete.
c)
Am 22. Januar 2009 informierte der Angeklagte Dr. M. den Exekutivsekretär 16M. in einer E-Mail darüber, dass er derzeit zusammen mit M. und E. an der Homepage der FDLR arbeiten würde für den Fall, dass diese gesperrt werden sollte.
Am 29. und 30. August 2009 diskutierte der Angeklagte M. mit dem Angeklagten Dr. M. telefonisch über den Wechsel der FDLR-Homepage vom Anbieter OVH zum Anbieter amen.fr.. Hierbei erklärte der Angeklagte M. dem Angeklagten Dr. M. Details für die Durchführung des geplanten Wechsels.
d)
In einem Telefonat vom 20. April 2009, in dem der Angeklagte Dr. M. beim Angeklagten M. nachfragte, ob dieser die Übersetzungen der Kommuniqués in die Sprache Kinyarwanda vorgenommen habe, antwortet dieser, dass er noch nicht dazu gekommen sei, da er sich mit dem Programm beschäftigt habe, um die Website neu zu gestalten.
2. Betreuung der E-Mail-Adresse [email protected]
Dass der Angeklagte M. für die Nutzung und Betreuung dieser E-Mail-Adresse zuständig war, ergibt sich aus seiner Einlassung und daraus, dass sämtliche oben dargestellte Beiträge, die der Angeklagte schriftlich per E-Mail zur Öffentlichkeitsarbeit der FDLR leistete, über diese E-Mail-Adresse versandt wurden.
3. Behebung von Computerproblemen
a)
Am 29. Dezember 2008 sprachen die Angeklagten Dr. M. und M. in einem Telefongespräch über ein Computerproblem bei der Versendung der vom CD-Ost gewünschten Tagesordnung für die geplante Versammlung des Comité Directeur im Januar 2009 durch den FOCA-Kommandanten S.M.. Der Angeklagte M. hielt den Umstand, dass S.M. die Versendung mittels E-Mail nicht gelang, für einen Verbindungsfehler, der nur beim Provider gelöst werden könne.
b)
Am 21. Juli 2009 versuchte Generalmajor S.M. mehrfach, den Angeklagten M. telefonisch zu erreichen. Grund der Anrufe war, wie sich aus einem Telefongespräch S.M.s mit dem Angeklagten Dr. M. ergibt, dass er Probleme mit dem Bildschirm seines Laptops hatte, die M. lösen sollte.
Der Angeklagte M. unternahm daraufhin am 21. und 22. Juli 2009 insgesamt 13 Anwählversuche auf die Thuraya-Nummer von S.M.. In einem Telefongespräch vom 22. Juli 2009 kommen die beiden Angeklagten überein, dass das Computerproblem so schwerwiegend sein müsse, dass es nicht mittels eines Telefonanrufes gelöst werden kann.
4. Finanzielle Unterstützung
Die nicht unerhebliche finanzielle Unterstützung der FDLR durch den Angeklagten M. vor der Zeit seiner Arbeitslosigkeit belegt ein Telefongespräch, das zwischen den beiden Angeklagten am 3. April 2009 geführt wurde. Darin stellte der Angeklagte Dr. M. fest, dass die Organisation ohne die finanzielle Unterstützung M.s während dessen Berufstätigkeit nicht so viel erreicht hätte.
5. Beschaffung von Kommunikationsmitteln
a)
Aus beim Angeklagten M. sichergestellten Schriftverkehr ergibt sich, dass dieser am 11. November 2005 für 81,70 EUR von 2T.K. in 12B. eine RIB-Box für Motorola-Funkgeräte, die als Handsprechfunkgeräte bei der FOCA in den Kivu-Provinzen zur örtlichen Kommunikation innerhalb der Einheiten Verwendung finden, erwarb. Nach dem Auswertevermerk dient diese RIB-Box zum Programmieren von Handfunkgeräten.
b)
Am 26. Januar 2009 sicherte der Angeklagte M. in einem Telefongespräch dem Angeklagten Dr. M. zu, am Folgetag den Betrag von 160 EUR für Telefoneinheiten für den FOCA-Kommandanten S.M. zu überweisen. Der Angeklagte Dr. M. hatte auf die Dringlichkeit hingewiesen, da S.M. kein Guthaben mehr auf seinem Telefon habe.
c)
In einem Telefongespräch vom 17. Februar 2009 wurde der Angeklagte M. vom Angeklagten Dr. M. aufgefordert, J.M. das Geld für den Kauf von Telefoneinheiten zu überweisen, was der Angeklagte M. zusagte und am 21. Februar 2009 auch durchführte, wie er in einem weiteren Telefongespräch am 22. Februar 2009 mit dem Angeklagten Dr. M. bestätigte.
F. Hilfsbeweisanträge
I.
Die Verteidiger haben in der Hauptverhandlung am 10. und 14. August 2015 hilfsweise bzw. bedingt folgende Anträge gestellt:
Wir beantragen für den Fall, dass der Senat in seiner Schlussberatung nicht zu einem Freispruch unserer Mandanten gelangen sollte,
„1.
die Titel, Daten und Kommunikationspartner der Depeschen, veröffentlicht
unter
https://cablegatesearch.wikileaks.org/search.php?q=Dr. M.,
in die deutsche Sprache zu übersetzen und die Übersetzung als Urkunden zu verlesen
2010, Jan 11 NSS OFFICIAL WARNS AGAINST 11N. ARREST; CALLS FOR IMPLEMENTATION OF MARCH 23AGREEMENT IN DRC - EMBASSY KIGALI (RWANDA)
2010, Jan 7 DDRRR AWARENESS ACRIVITIES APPEARS TO DELIVER RESULTS; BUT MORE RESOURCES NEEDED - EMBASSY KINSHASA (DEMOCRATIC REPUBLIC OF THE CONGO)
2009, Nov 27 GOR DISCUSSES REGIONAL ECONOMICS & SECURITY WITH SPECIAL ADVISOR W. - EMBASSY KIGALI (RWANDA)
2009, Nov 18 MONUC PERSPECTIVE ON ARREST OF FDLR PRESIDENT DR. M. - EMBASSY KINSHASA (DEMOCRATIC REPUBLIC OF THE CONGO)
2009, Nov 5 (C) CATHOLIC INTERMEDIARY REQUESTS SUPPORT FOR HOSTAGE RELEASE INITIATIVE - EMBASSY VATICAN (VATICAN)
2009, Nov 3 UNSC DRC SANCTIONS COMMITTEE: OBJECT TO FOCAL POINT DELISTING REQUEST - SECRETARY OF STATE (UNITED STATES)
2008, Dec 22 BACK ON TRACK: 43RD MEETING OF THE JMG TASK FORCE ON DECEMBER 19 - EMBASSY KINSHASA (DEMOCRATIC REPUBLIC OF THE CONGO)
2008, Dec 8 DRC AND RWANDA AGREE ON PLAN TO COMBAT THE FDLR - EMBASSY KINSHASA (DEMOCRATIC REPUBLIC OF THE CONGO)
2008, Nov 10 SENIOR RWANDAN OFFICIAL ARRESTED IN GERMANY - EMBASSY KIGALI (RWANDA)
2008, Sep 13 CHAIRMAN’S SUMMARY OF SEPTEMBER 1, 2008 SPECIAL ENVOYS MEETING OF THE JOINT MONITORINGGROUP - EMBASSY KINSHASA (DEMOCRATIC REPUBLIC OF THE CONGO)
2008, Jun 11 RWANDA HOSTS SUCCESSFUL JOINT MONITORING GROUP MEETING - EMBASSY KIGALI (RWANDA)
2007, May 30 MASSACRE IN EASTERN CONGO LINKED TO RASTATS - EMBASSY KINSHASA (DEMOCRATIC REPUBLIC OF THE CONGO)
2006, Nov 21 MEDIA REACTION: EXECUTIVE ORDER BLOCKING PROPERTY OF INDIVIDUALS CONTRIBUTING TO CONFLICT IN D.R. CONGO - EMBASSY KINSHASA (DEMOCRATIC REPUBLIC OF THE CONGO)
2006, Nov 3 FDLR DENOUNCES U.S. SANCTIONS DECISION - EMBASSY KINSHASA (DEMOCTRATIC REPUBLIC OF THE CONGO)
2006, May 23 DRC SANCTIONS: UK PROPOSES REVISED LIST OF NAME - USUN NEW YORK (UNITED NATIONS)
2006, May 23 DRC SANCTIONS: UK PROPOSES REVISED LIST OF NAME - USUN NEW YORK (UNITED NATIONS)
2006, Apr 18 VISIT OF ASSISTANT SECRETARY 5F. TO RWANDA APRIL4-8 - EMBASSY KIGALI (RWANDA)
2006; Apr 12 GOR RESPONSE TO ARREST OF FDLR PRESIDENT IN GERMANY - EMBASSY KIGALI (RWANDA)
2005, Jul 7 FDRL REPATRIATION INITIATIVE UPDATE - EMBASSY KINSHASA (DEMOCRATIC REPUBLIC OF THE CONGO)
2005, Jul 1 THE CURRENT FDLR SITUATION - EMBASSY KINSHASA (DEMOCRATIC REPUBLIK OF THE CONGO)
2005, May 13 FDLR REPATRIATION UPDATE - EMBASSY KINSHASA (DEMOCRATIC REPUBLIC OF THE CONGO)
2005; May 5 FDLR PRES. PLANNING VISIT TO SOUTH KIVU - EMBASSY KINSHASA (DEMOCRATIC REPUBLIC OF THE CONGO)
2005, May 2 FDLR PRESIDENT DR. M. IN CONGO - EMBASSY KINSHASA (DEMOCRATIC REPUBLIC OF THECONGO)
2.
die folgenden Depeschen in ihrem Gesamttext zu übersetzen und die Übersetzung als Urkunden in der Hauptverhandlung zu verlesen
2010, Jan 11 NSS OFFICIAL WARNS AGAINST 11N. ARREST; CALLS FOR IMPLEMENTATION OF MARCH 23AGREEMENT IN DRC - EMBASSY KIGALI (RWANDA)
2010, Jan 7 DDRRR AWARENESS ACTIVITIES APPEARS TO DELIVER RESULTS, BUT MORE RESOURCES NEEDED - EMBASSY KINSHASA (DEMOCRATIC REPUBLIC OF THE CONGO)
2009; Nov 27 GOR DISCUSSES REGIONAL ECONOMICS & SECURITY WITH SPECIAL ADVISOR W. - EMBASSY KIGALI (RWANDA)
2009, Nov 18 MONUC PERSPECTIVE ON ARREST OF FDLR PRESIDENT DR. M. - EMBASSY KINSHASA (DEMOCRATIC REPUBLIC OF THE CONGO)
2009, Nov 5 (C) CATHOLIC INTERMEDIARY REQUESTS SUPPORT FOR HOSTAGE RELEASE INITIATIVE - EMBASSY VATICAN (VATICAN)
2008, Dec 22 BACK ON TRACK: 43RD MEETING OF THE JMG TASK FORCE ON DECEMBER 19 - EMBASSY KINSHASA (DEMOCRATIC REPUBLIC OF THE CONGO)
2008, Nov 10 SENIOR RWANDAN OFFICIAL ARRESTED IN GERMANY - EMBASSY KIGALI (RWANDA)
2008, Jun 11 RWANDA HOSTS SUCCESSFUL JOINT MONITORING GROUP MEETING - EMBASSY KIGALI (RWANDA
zum Beweis der Tatsachen, dass
a. die ruandischen Behörden in Treffen mit amerikanischen Botschaftsangehörigen im Januar 2010 vor einer Verhaftung 11N. zur Auslieferung an den ICC warnten und eine Destabilisierung der Beziehungen zwischen Ruanda und der DRC und der Region der großen Seen ankündigten und die USA aufforderten, die FDLR auf die UN-Terrorliste zu setzen, weil die FDLR für Ruanda das sei, was Al Qaida für die USA sei;
b. Mitarbeiter der US-Botschaft in Kinshasa mit MONUC-Vertretern im Januar 2010 über Möglichkeiten der medialen Beeinflussung von FOCA-Soldaten sprach, um mit der finanziellen Unterstützung der Briten und Amerikaner eine Bereitschaft zur Demobilisierung hervorzurufen; dass es in mehreren Gesprächen um die Hilfe bestimmter Medien wie Radio Okapi, Verlautbarungen von NGOs über Radio, Verbreitung von DDRRR-Positionen nicht unter dem Namen der DDRRR und um die Kontrolle und Begrenzung der Veröffentlichung von Gegenpositionen der FDLR ging und europäische Staaten zur Unterstützung der Linie aufgefordert werden sollten:
c. der ruandische Erziehungsminister Murigande am 09.11.2009 in einem Gespräch mit Dr. H.W. verlangte, den Druck auf die FDLR beizubehalten, kritisierte, dass nichts gegen die europäischen Führer der FDLR getan werde, dass es nicht sein könne, dass Deutschland 10 Jahre brauche, um die hiesigen Angeklagten zu verhaften und die Botschaft übermittelte, die USA müssten die FDLR in der DRC verfolgen und die wirtschaftliche Entwicklung (Ruandas) unterstützen:
d. Der Zeuge 3B. vor der Fertigstellung der Haftbefehle gegen die beiden Angeklagten bereits in der DRC FOCA-Mitglieder über die bald bevorstehende Verhaftung ihrer Führung informierte; dass er in Deutschland an der Feinabstimmung der Haftbefehle mitwirkte und hierzu die Vertreter des GBA traf; dass 3B. und die deutschen Ermittler der Meinung waren, dass die Beweislage für Haftbefehle, nicht aber für eine Anklage reiche und dass insbesondere die Kriegsverbrechen der FDLR in der DRC nicht nachzuweisen seien, so dass dazu weitere Untersuchungen und Beweise nötig seien; dass er Haftbefehl aus 3B.s Sicht zu einer günstigen Zeit komme, um die FDLR in der DRC zu destabilisieren;
e. in einem Gespräch zwischen Dr. H.W. und Pater 15M. am 28.10.2009 letzterer dem ersten bestätigte, dass die politische Führung der FDLR nicht in der Lage sei, für die militärische Führung der FOCA zu sprechen; dass der Einfluss von Dr. M. fraglich sei und dieser mehr ein Pressesprecher, denn ein Präsident sei;
f. die ruandische Regierung scharf gegen die Verhaftung von R.K. protestierte und belgische und spanische Ermittlungen gegen Mitglieder der ruandischen Regierung wegen deren Beteiligung am Bürgerkrieg, insbesondere am Absturz der Präsidentenmaschine, scharf verurteilte und verlangte, statt sich um die justizielle Aufarbeitung der Taten der Regierungsmitglieder zu kümmern, die in Europa untergekommenen Völkermörder wie verschiedene FDLR-Mitglieder verfolgt werden müssten.
Ferner beantragen wir, für den weiteren Fall, dass die Sitzungsvertreter des GBA ein Treffen und Gespräch mit dem Zeugen 3B. und dessen Einbindung in die Fertigstellung der Haftbefehle gegen die Angeklagten bestreiten sollten,
den Zeugen 3B. erneut zu vernehmen
zum Beweis der Tatsachen, dass
der Zeuge 3B. vor der Fertigstellung der Haftbefehle gegen die beiden Angeklagten bereits in der DRC FOCA-Mitglieder über die bald bevorstehende Verhaftung ihrer Führung informierte; dass er in Deutschland an der Feinabstimmung der Haftbefehle mitwirkte und hierzu die Vertreter des GBA traf; dass er und die deutschen Ermittler der Meinung waren, dass die Beweislage für Haftbefehle, nicht aber für eine Anklage reiche und dass insbesondere die Kriegsverbrechen der FDLR in der DRC nicht nachzuweisen seien, so dass dazu weitere Untersuchungen und Beweise nötig seien; dass der Haftbefehl aus 3B.s Sicht zu einer günstigen Zeit komme, um die FDLR in der DRC zu destabilisieren.
[…]
Begründung
Am 05.08.2015 gab Frau Rechtsanwältin L. folgende Erklärung ab:
„Heute, am 5.08.2015 habe ich (Rechtsanwältin L.) in FFB meinen PC, der defekt war, abgeholt. Auf dem Rückweg ins Büro rief mich gegen 16:00 Uhr meine Kollegin und Freundin J.W. an und fragte mich, ob mir der Wikipedia-Eintrag über Dr. M. bekannt sei, dort würde auf veröffentlichte Geheimdokumente bei Wikileaks hingewiesen werden u.a. würde dort stehen, dass die US-Botschaft davon ausginge, dass Dr. M. keine Macht innerhalb der FDLR besitze. Ich legte sofort auf und rief die Kollegin (Rechtsanwältin) GB. an und bat sie, sofort auf Wikileaks nach den Dokumenten zu suchen.“
Die Unterzeichnerin (Rechtsanwältin GB.) hat am späten Nachmittag des 05.08. die Dokumente auf Wikileaks gesucht und 23 Dokumente, die oben aufgeführt sind, gefunden. Es konnten am 05.08. nur Teile der Dokumente ausgedruckt und gelesen werden. Die weiteren Dokumente hat die Unterzeichnerin am 06.08.2015 gelesen.
Die darin enthaltenen Informationen waren sämtlichen Verteidigern neu. Eine frühere Antragstellung war daher nicht möglich.
Die Dokumente sind in mehrfacher Hinsicht für dieses Verfahren von Bedeutung:
1)
Die Dokumente belegen durch Originaläußerungen ruandischer Regierungsmitglieder das enorme Interesse Ruandas an der Ausschaltung der FDLR im Allgemeinen und der politischen Führung im Besonderen. Diese sei die Gefahr, diese müsse beseitigt werden. Ruanda drängt auf Verhaftungen und Strafverfahren, beschuldigt unseren Mandanten wahrheitswidrig der Teilnahme am Völkermord. Die USA und GB gehen auf dieses Drängen und diese Wünsche ein.
Aus diesen Umständen ergeben sich konkrete Hinweise dafür, dass Ruanda die beiden Angeklagten als Staatsfeind Nr. 1 - ähnlich der AQ in den USA - verurteilt sehen will.
2)
Die Dokumente belegen, dass Einfluss auf die Berichterstattung genommen wird und Medien instrumentalisiert werden zu Propagandazwecken, um die Repatriierung der FOCA-Mitglieder zu erreichen. Gleichzeitig richtet sich die Aufmerksamkeit jedoch nicht nur auf eine Entwaffnung, sondern auf eine politische Schwächung und Zerstörung der FDLR. Die Verbreitung von Dementis und klarstellenden Presseerklärungen soll erschwert oder unmöglich gemacht werden.
3)
Pater 15M. bestätigt die in den USA bereits vorhandene Erkenntnis, dass der politische Flügel der FDLR allgemein und Dr. M. im Besonderen keinen ausreichenden Einfluss auf die FOCA hat.
4)
Die FDLR wurde seit 2005 regelmäßig beobachtet, war Gegenstand von Berichten und im Fokus der US-Behörden. Dass eine Listung der FDLR als angeblich terroristisch erst 2012 erfolgte, ist ein deutlicher Hinweis dafür, dass es zuvor zu keiner Zeit ausreichend Vorwürfe gegen die FDLR gab. Dies ist u.a. im Hinblick auf das Wissen und den Vorsatz unserer Mandanten bedeutsam, Ferner zeigt dies - wie von der Verteidigung mehrfach vorgetragen -, dass die Entscheidung des UN-Sicherheitsrates, die FDLR zu listen, keine Entscheidung ist, die von Sachargumenten getragen ist, sondern ausschließlich eine rein politische. Es wird auf die in den oben genannten Dokumenten klar zutage tretenden Einflussnahmen der ruandischen Regierung auf die US-Regierung hingewiesen.
5)
Als gravierendsten Punkt empfinden wir, dass der Zeuge 3B. mit den Vertretern des GBA bei der Erstellung der Haftbefehle zusammengearbeitet hat, ohne dass dies durch die Akten, durch dienstliche Erklärungen der Sitzungsvertreter des GBA oder den Zeugen im Rahmen seiner Vernehmung in der HV bekannt gemacht wurde. Erneut - wie im Fall der Zeugin VW. - findet eine geheim gehaltene Hilfe nicht-staatlicher Stellen bei der Ermittlung statt.
Es ergibt sich dadurch nicht nur die Frage, warum diese Tatsache vom GBA geheim gehalten und die übrigen Verfahrensbeteiligten, einschließlich des Senats für dumm verkauft werden. Es ergibt sich auch die Frage, ob nicht ein bewusstes outsourcing bei der Generierung von „Beweisen“ betrieben wurde, um so nicht an gesetzliche Hemmnisse und Begrenzungen gebunden zu sein. Jedenfalls fehlten dem GBA nach diesen Dokumenten die Beweise für tatsächliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch die FOCA.
Wir müssen daran zweifeln, dass die uns präsentieren Beweise mit rechtsstaatlichen Mitteln gewonnen und auch nur einigermaßen zuverlässig sind. Der GBA hat sich der Zeugen, die hier als besonders zuverlässig präsentiert werden (UN-Zeugen, 3B., VW.) als Ermittlungshelfer in Geheimkonferenzen bedient. Was abgestimmt wurde, welcher Einfluss von wem auf wen bestand, lässt sich nicht mehr sagen. Einer jetzt möglicherweise erfolgenden Erklärung der Sitzungsvertreter des GBA ist kein Glauben mehr zu schenken.
Die Verfahrensbeteiligten sollten getäuscht, dumm gehalten und manipuliert werden, um eine Verurteilung zu erreichen. Die Sitzungsvertreter des GBA haben keinerlei Aktenvermerke gefertigt - entgegen dem Grundsatz der Aktenwahrheit und Aktenklarheit -, sie haben in der laufenden Hauptverhandlung in dienstlichen Erklärungen dazu nichts gesagt und auch bei der Vernehmung der UN-Zeugen nicht auf deren vollständige Aussage in diesem wichtigen Punkt hingewirkt.
Den Prozessbeteiligten ist bis heute nicht bekannt, wie oft, mit welchem Inhalt und welchem Zweck die Vertreter des GBA Gespräche mit Zeugen geführt haben. Durch die oben aufgeführten Dokumente wird aufgezeigt werden, dass die GBA-Vertreter entgegen ihren gesetzlichen Verpflichtungen agiert und für die Tat- und Schuldfrage erhebliche Erkenntnisse verschwiegen haben.“
[…]
Im Nachgang zu dem Hilfsbeweisantrag vom 10.8.15 wird folgendes mitgeteilt: „In einem Telefonat mit Dr. M. und der Unterzeichnerin (Rechtsanwältin L.) am 12.8.15 fragte Dr. M. die Unterzeichnerin, ob sie bei Wikileaks auch weitere Suchbegriffe außer seinen Namen u.a. FDLR und S.M. eingegeben hätte, was verneint wurde. Die Unterzeichnerin holte dies am 12.8.15 umgehend nach. Gibt man auf Wikileaks die Suchworte FDLR + Congo ein, werden 536 Dokumente angezeigt (Geheimdienstinformationen, vertrauliche Berichte, Emails ect.) Die Unterzeichnerin war nicht in der Lage aufgrund des Umfangs die Unterlagen auszuwerten. Es wird daher beantragt, während der Sommerunterbrechung zu veranlassen, dass sämtliche auf Wikileaks vorhandenen Dokumente unter den Stichworten FDLR und Congo, S.M. ect. auswerten und übersetzen zu lassen.“
II.
Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die in der Hauptverhandlung am 10. August 2015 und 14. August 2015 (316. und 317. Hauptverhandlungstag) von Rechtsanwältin GB., Rechtsanwalt T. und Rechtsanwältin L. gestellten Hilfsbeweisanträge sowie den bedingten Antrag auf Vernehmung des Zeugen 3B. abzulehnen und zu diesen Anträgen wie folgt Stellung genommen:
„I.
Die genannten Verteidiger beantragten am 10. August 2015 (316. Hauptverhandlungstag) für den Fall, dass der Senat in seiner Schlussberatung nicht zu einem Freispruch der Angeklagten gelangen sollte, die Titel, Daten und Kommunikationspartner von 23 im Internet von Wikileaks veröffentlichten Depeschen zu übersetzen und zu verlesen sowie acht dieser Depeschen in ihrem Gesamttext zu übersetzen und zu verlesen.
Weiter wurde die erneute Vernehmung des Zeugen 3B. für den Fall beantragt, dass die Sitzungsvertreter des Generalbundesanwalts ein Treffen und Gespräch mit dem Zeugen 3B. und dessen Einbindung in die Fertigstellung der Haftbefehle gegen die Angeklagten bestreiten sollten.
[…]
Am 14. August 2015 (317. Hauptverhandlungstag) beantragte Rechtsanwältin L. mündlich und ohne nähere Begründung, 500 weitere Dokumente von Wikileaks, die über die Suchbegriffe „FDLR“ und „Kongo“ zu finden seien, durch das Bundeskriminalamt auswerten zu lassen. Auf Nachfrage des Vorsitzenden erklärte sie, es handele sich insoweit um eine Ergänzung des vorgenannten Hilfsbeweisantrags.
II.
Die Anträge werden schon deshalb sämtlich abzulehnen sein, weil sie ersichtlich der Prozessverschleppung dienen. Im Übrigen wären die Hilfsbeweisanträge lediglich als Beweisermittlungsanträge zu qualifizieren; dem bedingten Antrag wäre wegen fehlenden Eintritts der Bedingung nicht nachzukommen. Zudem gebietet es die Aufklärungspflicht nicht, die begehrten Beweiserhebungen durchzuführen. Im Einzelnen ist hierzu anzumerken:
1. Mit Vorsitzendenanordnung vom 10. Juni 2015 (304. Hauptverhandlungstag) wurde den Verteidigern und den Angeklagten zur Stellung von weiteren Beweisanträgen eine Frist bis zum 22. Juni 2015 gesetzt. Es wurde darauf hingewiesen, dass bei einer Antragstellung nach Fristablauf der Antragsteller die Gründe hierfür substantiiert darzulegen habe. Bei Stellung von Beweisanträgen nach Fristablauf sei eine Ablehnung wegen Verschleppungsabsicht möglich, dies gelte gleichermaßen für Hilfsbeweisanträge. Diese Anordnung des Vorsitzenden wurde mit Senatsbeschluss vom 15. Juni 2015 (305. Hauptverhandlungstag) bestätigt.
Eine tragfähige Begründung für die verspätete Stellung der vorliegenden Anträge ist nicht erfolgt. Die Antragsteller haben hierzu lediglich vorgetragen, Rechtsanwältin L. sei am 5. August 2015 von ihrer Freundin und Kollegin J.W. auf den Wikipedia-Eintrag über Dr. M. gestoßen worden, in dem auf veröffentlichte Geheimdokumente bei Wikileaks hingewiesen werde. Daraufhin habe Rechtsanwältin GB. noch am selben Tag sowie am folgenden Tag entsprechende Internetrecherchen betrieben und die im Antrag aufgelisteten Dokumente gefunden. Zuvor seien die darin enthaltenen Informationen sämtlichen Verteidigern nicht bekannt gewesen.
Dieses Vorbringen muss schon deshalb als unplausibel angesehen werden, weil die entsprechende Thematik im FDLR-Verfahren beim Oberlandesgericht Düsseldorf (3 StE 3/13-4) verfahrensgegenständlich war und - wie allen Verfahrensbeteiligten hinlänglich bekannt ist - ein reger und intensiver Informationsaustausch zwischen den dortigen Verteidigern und den Antragstellern stattfand. Insoweit sei nur auf den Beweisantrag der hiesigen Verteidiger vom 12. Januar 2015 verwiesen. Der Verteidiger des dortigen Angeklagten 17B. überreichte dem Düsseldorfer Strafsenat am 21. August 2014 (70. Hauptverhandlungstag mit Vernehmung des Zeugen 3B.) ein auf Wikileaks veröffentlichtes angebliches Dokument der US-amerikanischen Botschaft in Kinshasa vom 18. November 2009 mit der Überschrift „MONUC PERSPECTIVE ON ARREST OF FDLR PRESIDENT DR. M.“, welches als Anlage 1 zum dortigen Sitzungsprotokoll genommen wurde. Dieses Schriftstück, das hier ebenfalls als Anlage vorgelegt wird, gehört zu den acht Dokumenten, deren vollständige Übersetzung und Verlesung die Antragsteller begehren. Ferner wird diesem, was sich aus den Ausführungen unter Ziffer 5 der Antragsschrift entnehmen lässt, eine besondere Beweisbedeutung beigemessen.
Vor diesem Hintergrund können die Erklärungen, warum erst jetzt die in Rede stehenden Hilfsbeweisanträge gestellt werden, nicht nachvollzogen werden. Sie sind nach Maßgabe der Vorsitzendenanordnung vom 10. Juni 2015 nicht als ausreichend substantiiert zu qualifizieren. Daher ist davon auszugehen, dass mit den Hilfsbeweisanträgen nichts anderes als die weitere Verzögerung des Verfahrens bezweckt werden soll, zumal nach dem 22. Juni 2015 mit dieser Zielsetzung bereits zahlreiche Anträge gestellt wurden, die der Senat mit zutreffender Begründung wegen beabsichtigter Prozessverschleppung zurückgewiesen hat.
Unabhängig hiervon wäre es den Antragstellern ohne großen Aufwand möglich und zumutbar gewesen, vor dem Fristablauf am 22. Juni 2015 (erneute) Internetrecherchen durchzuführen, bei denen sie unschwer auf den oben genannten Wikipedia-Eintrag und sie interessierende Wikileaks-Dokumente hätten aufmerksam werden können. Soweit sie in Kenntnis der Vorsitzendenanordnung vom 10. Juni 2015 entsprechende Aktivitäten unterlassen haben, sind sie für die verfristete Antragstellung selbst verantwortlich, so dass auch allein unter diesem Aspekt eine Zurückweisung der Anträge wegen beabsichtigter Prozessverschleppung zu erfolgen hätte.
2. Bei den hilfsweise gestellten Anträgen auf Übersetzung und Verlesung zahlreicher Depeschen handelt es sich lediglich um Beweisermittlungsanträge und nicht um Beweisanträge. Denn ein Beweisantrag setzt das Verlangen voraus, dass zum Nachweis eines bestimmt behaupteten Sachverhalts, der die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch Gebrauch eines bestimmten Beweismittels Beweis erhoben wird (vgl. KK-StPO/Krehl § 244 Rn. 67 mit weiteren Nachweisen). Diesen Anforderungen werden die Antragsteller hier nicht gerecht, da sie nicht ausführen, mit welchem Beweismittel welche konkrete Beweistatsache belegt werden soll. Stattdessen werden 23 Wikileaks-Dokumente aufgelistet, mit denen sechs - im Übrigen weitgehend unspezifische -Tatsachen bewiesen werden sollen. Dies ist insofern unzureichend, als eine Zuordnung eines bestimmten Beweismittels zu einer bestimmten Beweistatsache fehlt.
Soweit Rechtsanwältin L. den Antrag am 14. August 2015 dahingehend ergänzte, dass 500 weitere Wikileaks-Dokumente seitens des Bundeskriminalamts auszuwerten seien, erfolgte dies ohne jegliche Begründung. Da weder spezifische Beweistatsachen noch konkrete Beweismittel genannt werden und überdies der Antrag nur auf eine Auswertung abzielt, liegt diesbezüglich ein zulässiger Beweisantrag ebenfalls nicht vor.
3. Eine Stellungnahme der Sitzungsvertreter des Generalbundesanwalts zu einem „Treffen und Gespräch mit dem Zeugen 3B. und dessen Einbindung in die Fertigstellung der Haftbefehle gegen die Angeklagten“ ist nicht veranlasst und wird nicht erfolgen.
Allerdings ist klarzustellen, dass der Zeuge Matthew 3B. bei seiner Vernehmung im Düsseldorfer FDLR-Verfahren am 21. August 2014 jeweils auf Frage der Verteidigung zu den benannten Beweisthemen keine Angaben gemacht hat, die das jetzige Vorbringen der Antragsteller stützen.
4. Der Senat wird unter dem Gesichtspunkt der Amtsaufklärung nicht verpflichtet sein, die beantragten Beweiserhebungen durchzuführen. Die genannten Beweistatsachen sind unter Berücksichtigung des Ergebnisses der langjährigen Beweisaufnahme nicht aufklärungsbedürftig, wobei insbesondere auf Folgendes hinzuweisen ist:
a) Durch eine Verlesung der genannten Depeschen wäre lediglich zu beweisen, dass diese auf der Internetseite von Wikileaks publiziert worden sind. Sichere Rückschlüsse auf die Herkunft, die Echtheit oder gar auf die inhaltliche Richtigkeit der Schriftstücke ließen sich indes nicht ziehen, so dass diesen schon deshalb kein wesentlicher Beweiswert mit Blick auf die Beweisbehauptungen zugesprochen werden könnte.
b) Die in Rede stehenden Gespräche zwischen US-amerikanischen Diplomaten einerseits und ruandischen Behörden oder MONUC-Vertretern andererseits sowie hieraus folgende Einschätzungen und Bewertungen sind für die Tat- und Schuldfrage ohne jegliche Bedeutung. Im Übrigen hat der Senat zum historischen und politischen Kontext der Anklagevorwürfe ausreichend Beweis erhoben, wobei deutlich wurde, dass sich diverse politische Akteure - nationale Regierungen wie supranationale Organisationen - zu Recht und aus gutem Grund um eine Schwächung der die Region destabilisierenden und Menschenrechtsverletzungen begehenden FDLR bemühten.
c) Für die Entscheidung über die Anklagevorwürfe ist es irrelevant, ob und gegebenenfalls wie sich der ruandische Erziehungsminister anlässlich eines Treffens mit Dr. H.W. am 9. November 2009 geäußert hat. Aus dem Inhalt eines solchen Gesprächs ließen sich jedenfalls keinerlei Rückschlüsse für die Entscheidungsfindung ziehen.
d) Gleiches gilt für ein mögliches Gespräch zwischen Dr. H.W. und Pater 15M. 2Z. vom 28. Oktober 2009 über den Einfluss der politischen Führung der FDLR auf die militärische Leitungsebene der FOCA. Zum einen ist diese Frage durch die erfolgte Beweisaufnahme bereits hinreichend geklärt worden. Zum anderen ist zu bedenken, dass eine Äußerung von Pater 15M. 2Z., wonach der Einfluss von Dr. M. fraglich sei, aufgrund gesicherter Erkenntnisse aus den Telefonüberwachungsmaßnahmen als inhaltlich falsch einzustufen wäre. Denn es gab - dies wurde auch im hiesigen Schlussvortrag detailliert dargestellt - mehrere Telefonate zwischen dem Angeklagten Dr. M. und Pater 15M. 2Z., in denen der Präsident der FDLR seinem Vertrauten unmissverständlich erklärte, dass er in der Hierarchie über dem FOCA-Kommandeur S.M. stehe und seine Leute zu 100 Prozent unter Kontrolle habe.
e) Wie sich die ruandische Regierung zu nicht näher genannten Zeitpunkten zu der Verhaftung von R.K., zu Ermittlungen in Spanien und Belgien sowie zur gewünschten Verfolgung von Völkermördern und FDLR-Mitgliedern positionierte, ist für die Beurteilung der Anklagevorwürfe ohne Belang; ein Zusammenhang ist nicht erkennbar.
f) Schließlich ist eine erneute Vernehmung des bereits an sechs Sitzungstagen vernommenen Zeugen 3B. nicht geboten. Weder aus dem Verteidigervortrag noch aus sonstigen Zusammenhängen ergeben sich Anhaltspunkte, dass hieraus neue, für die Tat- und Schuldfrage relevante Erkenntnisse gewonnen werden könnten.
[…]“
III.
Hierzu gab Rechtsanwältin L. noch folgende Erklärung ab:
Der Vollständigkeit halber wird mitgeteilt, „dass im Zusammenhang mit dem damaligen Verfahren vor dem OLG Düsseldorf RA M. an die Unterzeichnerin herangetreten ist. Es fanden wenige Telefonate/Emailverkehr statt. Der Antrag und die darin enthaltenen Erkenntnisse, wie von den Vertretern des GBA vorgetragen, waren der Unterzeichnerin nicht bekannt.“
IV.
Diese Anträge der Verteidiger waren aus den nachfolgend genannten Gründen zurückzuweisen.
1.
Die Anträge wurden am 10. bzw. 14. August 2015, also nach Ablauf der durch Vorsitzendenanordnung vom 10. Juni 2015 gesetzten Frist zur Stellung weiterer Beweisanträge gestellt. Nachvollziehbare Gründe für die Fristüberschreitung werden nicht substantiiert dargelegt und sind auch sonst nicht erkennbar. Insbesondere wird nicht mitgeteilt, seit wann die mit Daten aus den Jahren 2005 bis 2010 versehenen „Wikileaks“-Unterlagen, deren Übersetzung und Verlesung beantragt wird, im Internet zu finden sind.
2.
Die Anträge vom 10. August 2015 enthalten jedenfalls keine bestimmten Beweistatsachen und der Antrag vom 14. August 2015 benennt weder ein bestimmtes Beweismittel noch eine Beweistatsache.
3.
Die Bedingung, unter der die erneute Vernehmung des Zeugen 3B. beantragt wurde, ist nicht eingetreten, da der Generalbundesanwalt zu einem „Treffen und Gespräch mit dem Zeugen 3B. und dessen Einbindung in die Fertigstellung der Haftbefehle gegen die Angeklagten“ keine Stellungnahme abgegeben hat; außerdem benennt dieser Antrag ebenfalls keine bestimmte Beweistatsache.
4.
Die Amtsaufklärungspflicht gebietet - auch unter Berücksichtigung des Antragsvorbringens - die Beweiserhebung nicht.
Abgesehen davon, dass die Verlesung der beantragten Dokumente lediglich bestätigen würde, dass deren Inhalt so niedergeschrieben bzw. veröffentlicht wurde, jedoch weder deren Herkunft noch den Wahrheitsgehalt des Inhalt beweisen würde, handelt es sich bei den unter Beweis gestellten Äußerungen, Meinungen, Bewertungen und Motiven der ruandischen Behörden bzw. Regierung, von Mitarbeitern der amerikanischen Botschaft in Kinshasa, des ruandischen Erziehungsministers, des bereits mehrere Tage in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen 3B. und des Zeugen 15M. 2Z. um Umstände, die unter Berücksichtigung der umfangreich durchgeführten Beweisaufnahme den Senat weder drängen noch nahelegen, ihnen nachzugehen.
Bzgl. der beantragten erneuten Vernehmung des Zeugen 3B. spricht bereits die Behauptung, dieser Zeuge und „die deutschen Ermittler“ seien der Meinung gewesen, dass die Beweislage für Haftbefehle, nicht aber für eine Anklage reiche, gegen deren Wahrheitsgehalt, da für den Erlass eines Haftbefehls ein dringender Tatverdacht erforderlich ist, für die Erhebung einer Anklage aber schon ein hinreichender Tatverdacht ausreicht. Außerdem hat der Generalbundesanwalt in seiner in der Hauptverhandlung vom 14. September 2015 verlesenen Stellungnahme mitgeteilt, dass dieser Zeuge in seiner am 21. August 2014 erfolgten Vernehmung in einem Strafverfahren vor dem OLG Düsseldorf, in dem es unter anderem um die Mitgliedschaft in der FDLR ging, jeweils auf Frage der Verteidigung zu den vorliegend benannten Beweisthemen keine Angaben gemacht habe, die das Antragsvorbringen stützen würde.
5.
Ergänzend wird auf die zutreffende, oben aufgeführte Stellungnahme des Generalbundesanwalts verwiesen.
Teil 4: Rechtliche Würdigung
A. Strafbarkeit des Angeklagten Dr. M.
I. Strafbarkeit wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Der Angeklagte Dr. M. ist hinsichtlich der von den FOCA-Soldaten begangenen Völkerstraftaten (dazu 1.) nicht wegen deren Nichtverhinderung gemäß § 4 VStGB (dazu 2.) bzw. nicht als mittelbarer Unterlassungstäter gemäß § 13 Abs. 1 StGB in Verbindung mit § 25 Abs.1 Alt. 2 StGB, § 2 VStGB (dazu 3.) oder wegen (untauglichen) Versuchs gemäß § 4 VStGB in Verbindung mit §§ 22, 23 StGB, § 2 VStGB (dazu 4.) sondern wegen einer Beihilfehandlung hierzu (dazu 5.) zu bestrafen.
1. Strafbarkeit der beteiligten FDLR-Milizionäre nach dem VStGB
a) Rechtliche Würdigung der festgestellten Angriffe im Überblick
Ausgehend von dem festgestellten Sachverhalt haben sich die an den geschilderten Angriffen beteiligten FOCA-Soldaten jedenfalls wegen Kriegsverbrechen nach § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 Nr. 2, § 9 Abs. 1 VStGB strafbar gemacht.
aa) Die Tötung von Zivilpersonen und das Niederbrennen von Häusern in Kipopo
In Kipopo wurden von FOCA-Soldaten im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt mindestens 13 nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen im Sinne des § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB getötet (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB) und, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten war, in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterlagen, zerstört (§ 9 Abs. 1 VStGB).
bb) Die Tötung von Zivilpersonen und das Niederbrennen von Häusern in Mianga
In Mianga wurden von Milizionären der FDLR im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt mindestens 45 nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen im Sinne des § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB getötet (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB) und, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten war, in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterlagen, zerstört (§ 9 Abs. 1 VStGB).
cc) Die Tötung von Zivilpersonen, das Plündern und das Niederbrennen von Häusern in Busurungi
In Busurungi wurden von Milizionären der FDLR im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt mindestens 96 nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen im Sinne des § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB getötet (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB), geplündert und, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten war, in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterlagen, zerstört (§ 9 Abs. 1 VStGB).
dd) Die Tötung von Zivilpersonen und das Niederbrennen von Häusern in Chiriba
In Chiriba wurden von Soldaten der FOCA im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt mindestens 4 nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen im Sinne des § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB getötet (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB) und, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten war, in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterlagen, zerstört (§ 9 Abs. 1 VStGB).
ee) Die Tötung von Zivilpersonen und das Niederbrennen von Häusern in Manje
In Manje wurden von Soldaten der FOCA im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt mindestens 16 nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen im Sinne des § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB getötet (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB) und, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten war, in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterlagen, zerstört (§ 9 Abs. 1 VStGB).
b) Vorliegen von Kriegsverbrechen
aa)
Die tatbestandsmäßigen Verletzungen des humanitären Völkerrechts zum Nachteil der kongolesischen Zivilbevölkerung in den angegriffenen Dörfern und Ortschaften erfolgten im Zusammenhang (vgl. dazu MüKo-StGB, Nebenstrafrecht III, 2. Aufl., Vor §§ 8 ff. VStGB Rn. 35) mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt im Sinne der §§ 8 bis 12 VStGB (Kriegsverbrechen).
Denn während der Jahre 2007 bis 2009 fanden in den beiden Kivu-Provinzen mit verschiedener Intensität geführte kriegerische Auseinandersetzungen zwischen der FDLR und deren wechselnden Kriegsgegnern, also insbesondere den staatlichen Armeen der DR Kongo (FARDC) und Ruandas (RDF) sowie anderen Gruppierungen wie dem CNDP und den Mai-Mai statt. Das Anzünden der Wohnhäuser, die Plünderungen und die Tötung von Zivilisten standen in einem funktionalen Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt. Die kongolesische Zivilbevölkerung war dabei den militärischen Angriffen der FDLR-Milizionäre wehrlos ausgesetzt.
bb)
Die Tötungen von Zivilisten erfüllen sämtlich den Straftatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB und nicht den des § 11 Abs. 1 Nr. 1 VStGB, denn die getöteten Zivilisten waren nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen im Sinne von § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB. Die kongolesischen Zivilisten befanden sich im Machtbereich und in der Gewalt der FDLR, als sie getötet wurden, denn der Begriff des „Sich-in-der-Gewalt-befinden“ ist weit auszulegen. Die in § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB formulierte Einschränkung, dass sich die zu schützenden Personen in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden müssen (vgl. dazu MüKo-StGB, Nebenstrafrecht III, 2. Aufl., Vor §§ 8 ff. VStGB Rn. 43 und § 8 VStGB Rn. 92, BT-Drucksache 14/8524, S. 30), dient dem gesetzgeberischen Ziel, zwischen Kriegsverbrechen gegen zu schützende Personen einerseits und Kriegsverbrechen wegen des Einsatzes verbotener Kampfmethoden andererseits zu unterscheiden.
Grundlage des Vorwurfs bei der Tötung der Zivilisten in den überfallenen Dörfern und Ortschaften ist jedoch nicht ein Einsatz verbotener Kampfmethoden, wie er von § 11 VStGB unter Strafe gestellt wird, etwa durch einen Beschuss mittels Distanzwaffen wie Raketen oder schwerer Artillerie. Bei den abzuurteilenden Angriffen waren die FDLR-Milizionäre vielmehr zum Zeitpunkt der Tötung in allen Fällen in die Dörfer bzw. Ortschaften, zum Teil sogar in die Häuser der Getöteten eingedrungen und brachten diese durch den Einsatz von Schusswaffen bzw. Hieb- und Stichwaffen um, ohne dass die Zivilisten die Möglichkeit hatten, sich zur Wehr zu setzen oder zu fliehen.
cc)
Die FDLR-Milizionäre waren in keinem Fall dazu befugt, die geschilderten Taten zu begehen; sämtliche festgestellten Kriegsverbrechen erweisen sich als tatbestandliche, rechtswidrige und schuldhaft begangene Straftaten.
Einer Strafbarkeit der FDLR-Milizionäre steht nicht etwa entgegen, dass in den angegriffenen Dörfern und Ortschaften unter der Zivilbevölkerung auch feindliche Soldaten lebten.
Zum einen waren die Mai-Mai-Kämpfer schon deshalb mit Zivilisten „vermischt“, weil sie als Angehörige einer „Bürgerwehr“ in den Dörfern zuhause bei ihren Frauen und Kindern wohnten. Auch zahlreiche Soldaten der FARDC hatten, was übliche Praxis war, ihre Ehefrauen und Kinder in den später von der FDLR angegriffenen Dörfern und Ortschaften bei sich untergebracht. Die Beweisaufnahme hat keinen Hinweis darauf ergeben, dass die gegnerischen Soldaten die bei ihnen wohnenden Zivilistinnen und Zivilisten (vor allem ihre Frauen und Kinder) zweckgerichtet als „menschliche Schutzschilde“ gegen die FDLR nutzten, um Kampfhandlungen fernzuhalten (vgl. MüKo-StGB, a.a.O., § 11 VStGB Rn. 104) und zwar auch dann nicht, wenn sie, wie die FARDC-Soldaten, in den Häusern ihnen unbekannter Dorfbewohner lebten.
Zudem hätte auch die Eigenschaft der Dorfbewohner als „menschliches Schutzschild“ kein Schädigungsrecht der FOCA-Soldaten begründet. Selbst wenn für die FOCA-Führung der Eindruck bestanden hätte, dass die kongolesischen Zivilisten in den Dörfern als „Schutzschilde“ missbraucht worden wären - was indes nicht der Fall war -, wären die Soldaten der FDLR völkerrechtlich gehalten gewesen, das Unterscheidungsgebot zu beachten und Zivilisten zu schonen (MüKo-StGB, a.a.O., Vor §§ 8 ff. VStGB, Rn. 42). Es genügt dem Unterscheidungsgebot in Art. 51 Abs. 4 c) ZP I der Genfer Abkommen in keinem Fall, wenn wie bei den meisten Angriffen die FDLR-Milizionäre nachts im Dunkeln mit automatischen Waffen auf menschliche Ziele und Gebäude feuerten, ohne in der Lage zu sein, zwischen Soldaten und Zivilisten zu unterscheiden. Das Verhalten der FOCA-Soldaten wird auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass, wie mehrere Zeugen übereinstimmend aussagten, „die Munition nicht zwischen Soldaten und Zivilisten unterscheiden kann“. Es ist nicht „Aufgabe der Munition“, zwischen Soldaten und Zivilisten zu unterscheiden, sondern dies ist Aufgabe der die Schüsse abgebenden Soldaten. Bei zivilen Objekten wie Dörfern mit Wohnhäusern ist völkerrechtlich im Zweifel immer davon auszugehen, dass von ihnen keine militärische Bedrohung ausgeht (Art. 52 Abs. 3 ZP I). Bei ihren Überfällen auf Dörfer mussten die FOCA-Soldaten mithin immer mit vorhandenen Zivilisten rechnen und aufgrund der vor den Angriffen unternommenen Erkundungsmissionen und der vor den Angriffen stattgefundenen Lagebesprechungen wussten sie von der Anwesenheit von Zivilisten. Gleichwohl haben sie sich um eine Unterscheidung nicht gekümmert und keine effektiven Maßnahmen zum Schutz von in Dörfern befindlichen Zivilisten getroffen. Vielmehr haben die eingesetzten FOCA-Soldaten die in den Dörfern lebenden Zivilisten als Feinde betrachtet, so dass die vielfache Tötung von Einwohnern der angegriffenen Dörfer sich von vornherein als Kriegsverbrechen darstellt. Dass dies den FDLR-Soldaten und insbesondere den eingesetzten Offizieren auch bewusst war, folgt unter anderem aus dem Umstand, dass sie, wie von mehreren Zeugen angegeben wurde, im humanitären Völkerrecht auf den Militärschulen der FOCA unterwiesen worden waren.
Auch der Umstand, dass Einwohner aus Busurungi und Mianga sporadisch oder unorganisiert jedenfalls als Führer, möglicherweise auch mit Waffengewalt an Angriffen auf FOCA-Soldaten oder ruandische Flüchtlinge beteiligt gewesen waren, beseitigt deren Schutz und erst recht nicht den Schutz hieran unbeteiligter Einwohner als Zivilpersonen nicht (vgl. MüKo-StGB, a.a.O., Vor §§ 8 ff. VStGB Rn. 42). Denn deren Beteiligung erfolgte Tage vor den Angriffen der FDLR auf die Dörfer oder Ortschaften. Eine unmittelbare Teilnahme von kongolesischen Zivilisten an Feindseligkeiten in der aktuellen Situation des Angriffs der FDLR auf die Dörfer hat kein einziger Zeuge bekundet und hat auch kein anderes Beweismittel ergeben. Solange aber Zivilpersonen nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen, genießen sie den Schutz des humanitären Völkerrechts, wie sich aus Art. 13 Abs. 3 ZP II ergibt. Aus diesem Grund widerspricht auch die Einstellung der FOCA-Soldaten, ein Zivilist, der mit dem Feind kooperiere, indem er ihm beispielsweise den Weg zu den Stellungen der FDLR zeigt oder die FARDC-Soldaten mit Verpflegung oder Unterkunft versorgt, sei selbst ein Feind und könne als solcher bekämpft werden, dem humanitären Völkerrecht.
Bei den getöteten Zivilisten handelt es sich auch nicht um sogenannte „Kollateralschäden“. Dieser Begriff ist nämlich auf den Umstand zurückzuführen, dass selbst wenn ein militärisches Ziel als solches zwar korrekt identifiziert wurde und dieses Ziel das ausschließliche Objekt eines Angriffs ist, bei Distanzangriffen regelmäßig nicht ausgeschlossen werden kann, dass Zivilpersonen oder zivile Ziele getroffen werden und zu Schaden kommen. Dies kann auf Grund verschiedener Gegebenheiten geschehen: So können sich Zivilpersonen in/auf einem militärischen Ziel befinden, so können Zivilpersonen in der unmittelbaren Umgebung von militärischen Zielen wohnen oder sich zivile Objekte dort befinden und dadurch den Nebeneffekten des Waffeneinsatzes ausgesetzt sein und so können Zivilpersonen und zivile Objekte betroffen sein, wenn Waffen auf Grund von technischem Versagen, Wettereinfluss, falschem Aufklärungsmaterial oder auch menschlichem Versagen bei der Waffensteuerung nicht das anvisierte Ziel treffen.
Die vom Senat festgestellten Umstände, dass die Zivilisten in den angegriffenen Dörfern und Ortschaften als Feinde betrachtet wurden, dass Zivilisten nach der Flucht der gegnerischen Soldaten von den FDLR-Milizionären gezielt mit Hieb- und Schusswaffen getötet wurden, verbieten die Annahme, bei den getöteten Zivilpersonen handele es sich um bloße Begleitschäden bei den Angriffen auf feindliche Positionen und Ziele.
c) Keine Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Die bei den Angriffen auf die fünf Dörfer bzw. Ortschaften durch die FDLR-Milizionäre verübten Kriegsverbrechen sind aufgrund der getroffenen Feststellungen (dazu aa)) bereits nicht als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß § 7 VStGB zu werten (dazu bb)), zudem sind sie bzw. deren Nichtverhinderung nicht dem Angeklagten Dr. M. zuzurechnen (dazu cc)).
aa)
Der Senat hat festgestellt, dass die Zivilbevölkerung nicht primäres Objekt der Angriffe der FDLR auf Dörfer war, dies waren die dort anwesenden gegnerischen Soldaten und Milizionäre, sondern dass sie sekundäres Ziel waren. Den festgestellten Angriffen auf Kipopo, Busurungi, Mianga, Chiriba und Manje ist nämlich zu eigen, dass zuvor aus diesen Dörfern heraus Angriffe der FARDC auf ruandische Flüchtlinge oder auf Soldaten der FDLR begangen worden waren, wobei Zivilisten aus diesen Dörfern als Führer dienten oder diese die FARDC bei den Angriffen unterstützten. Bei den Angriffen auf die fünf Dörfer bzw. Ortschaften handelt es sich mithin nicht um einen Teil einer großangelegten Strategie zur „Herbeiführung einer humanitären Katastrophe“ durch Tötung oder Vertreibung der in Teilen der Kivu-Provinzen lebenden kongolesischen Zivilbevölkerung, sondern es handelt sich um Vergeltungsangriffe der FDLR-Milizionäre auf diejenigen Dörfer, aus denen heraus zuvor durch dort stationierte gegnerische militärische Einheiten Angriffe auf sie oder ruandische Flüchtlinge begangen worden waren.
bb)
Diese Feststellungen rechtfertigen es daher nicht, die bei diesen Angriffen verübten Kriegsverbrechen auch als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß § 7 VStGB zu werten. Denn es fehlt bereits an einem tauglichen Tatobjekt im Sinn des § 7 VStGB. Tatobjekt der Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist nämlich eine Zivilbevölkerung als ganze. Eine Zivilbevölkerung ist jede Personenmehrheit, die durch gemeinsame Merkmale verbunden ist, welche sie zum Ziel eines Angriffs machen (MüKo-StGB, a.a.O., § 7 VStGB Rn. 15). Dabei hebt die Präsenz einer gewissen Anzahl von Soldaten oder Kombattanten in einer angegriffenen Zivilbevölkerung deren zivilen Charakter nicht auf, entscheidend ist, dass der zivile Charakter der Gruppe überwiegt (MüKo-StGB, a.a.O., § 7 VStGB Rn. 16).
Trotz durchgeführter umfangreicher Beweisaufnahme konnte der Senat keine Feststellungen dazu treffen, dass in den fünf angegriffenen Dörfern der zivile Charakter der angegriffenen Personengruppe überwog. Insbesondere in Busurungi und Mianga waren nach den Zeugenaussagen starke militärische Einheiten der FARDC stationiert, die auch über schwere Waffen verfügten.
Zudem stellten die fünf festgestellten Angriffe auf Dörfer und Ortschaften, unterstellt sie hätten sich gegen eine Zivilbevölkerung als solche gerichtet, - auch nicht als Gesamttat zusammengefasst - keinen ausgedehnten Angriff im Sinne des § 7 VStGB dar.
Das Tatbestandsmerkmal des ausgedehnten Angriffs ist quantitativer Natur: Ein ausgedehnter Angriff bedingt daher ein in großem Maßstab durchgeführtes Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung mit einer großen Anzahl von Opfern. Die Ausgedehntheit des Angriffs kann sich insbesondere daraus ergeben, dass er sich gegen eine Vielzahl von Personen richtet oder sich über ein großes geografisches Gebiet erstreckt. (vgl. MüKo-StGB, a.a.O., § 7 VStGB Rn. 26). Die Gewaltanwendung der FDLR gegen die kongolesische Zivilbevölkerung war nach den Feststellungen, die getroffen werden konnten, weder ein in großem Maßstab durchgeführtes Unterfangen mit einer Vielzahl von Opfern, noch zog es sich über weite Landstriche in den Kivu-Provinzen hin. Sämtliche Angriffe fanden trotz der Größe der von der FDLR vor Beginn vom „Umoja Wetu“ kontrollierten Gebiete, die sich über mehrere Territorien im Nord- und Süd-Kivu erstreckten, in einem Gebiet mit den Ausmaßen von circa 60 x 60 km² statt.
Insgesamt wurden bei den fünf Angriffen 174 Zivilisten getötet. Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind jedoch von der Deliktsnatur Massenverbrechen, die gegen eine Zivilbevölkerung begangen werden. Erfasst werden insbesondere Massentötungen, die auch für den Tatbestand des Völkermordes charakteristisch sind; so wurden die Geschehnisse des Holocaust im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher als Verbrechen gegen die Menschlichkeit geahndet (MüKo-StGB, a.a.O., § 7 VStGB Rn. 2).
cc)
Zwar würden die Angriffe - wiederum unterstellt sie hätten sich gegen eine Zivilbevölkerung als solche gerichtet - das Tatbestandsmerkmal des systematischen Angriffs erfüllen. Denn mit dem Merkmal des systematischen Angriffs wird ein qualitatives Element der Gesamttat bezeichnet. Es bezeichnet die Organisiertheit der Gewaltanwendung und die Unwahrscheinlichkeit ihres zufälligen Auftretens und dient dazu isolierte Taten aus dem Anwendungsbereich des Tatbestands auszuscheiden (vgl. MüKo-StGB, a.a.O., § 7 VStGB Rn. 27). Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den fünf Angriffen um spontane, isolierte Taten einzelner FOCA-Einheiten handelte, vermochte der Senat nicht zu finden.
Nach der Legaldefinition des Art. 7 Abs. 2 IStGH-Statut, der für die Auslegung des § 7 VStGB maßgeblich ist, muss der Angriff gegen eine Zivilbevölkerung zudem „in Ausführung oder mit der Unterstützung der Politik eines Staates oder einer Organisation, die einen solchen Angriff zum Ziel hat“, erfolgen (vgl. MüKo-StGB, a,a.O., § 7 VStGB Rn. 30). Unter Politik im Sinne der vorangegangenen Definition ist eine geplante, geleitete oder organisierte Tatbegehung zu verstehen, die im Gegensatz zu spontanen und isolierten Gewaltakten steht. Das Vorliegen einer derartigen Politik ist aus den Gesamtumständen der Gesamttat zu erschließen (vgl. MüKo-StGB, a.a.O., § 7 VStGB Rn. 34). Die den Angriffen vorangegangene generalstabmäßige Planung durch die Einheiten der FOCA, die Einbindung des FOCA-Kommandos bzw. dessen Information über die Angriffe, die festgestellte Bezeichnung kongolesischer Zivilisten, die mit dem militärischen Gegner kooperierten oder ihn durch die Aufnahme in Siedlung sowie Verpflegung unterstützen, als „Feinde“ durch Führungsoffiziere des FOCA sowie das Ausmaß an getöteten Zivilisten bei den Angriffen und die dabei durchgeführten Plünderungen und Brandstiftungen am Eigentum von Zivilbürgern, belegen, dass es sich um geplante, geleitete und organisierte Einzeltaten im Rahmen einer Gesamttat handelte.
Jedoch setzt § 7 VStGB Vorsatz bezüglich der Einzeltaten und der Gesamttat voraus, das heißt der Täter muss also wissen, dass ein ausgedehnter oder - hier unterstellter - systematischer Angriff gegen die Zivilbevölkerung stattfindet und dass sich seine Tat in diesen Angriff einfügt (MüKo-StGB, a.a.O., § 7 VStGB Rn. 44). Einer Strafbarkeit des Angeklagten Dr. M. wegen täterschaftlicher Nichtverhinderung dieser Verbrechen gegen die Menschlichkeit bzw. wegen einer Beteiligung hieran steht daher in jedem Fall entgegen, dass sich der Senat nicht davon überzeugen konnte, der Angeklagte Dr. M. habe Kenntnis von einer Politik des militärischen Flügels gehabt, systematisch und planmäßig durch vorsätzliche Tötungen gegen diejenige kongolesische Zivilbevölkerung vorzugehen, die mit dem militärischen Gegner der FDLR kooperierte oder diesen bei sich in den Ortschaften aufnahm.
2. Keine Verantwortlichkeit des Angeklagten als militärischer Befehlshaber nach § 4 Abs. 1 VStGB
Mangels Vorgesetzteneigenschaft ist der Angeklagte Dr. M. wegen dieser Kriegsverbrechen der FDLR-Milizionäre nicht gemäß § 4 VStGB wie ein Täter zu bestrafen. Vorliegend fehlt es in der Person des Angeklagten Dr. M. an den die Strafbarkeit nach § 4 VStGB begründenden Tatbestandsmerkmalen der Befehls- bzw. Führungsgewalt, vor allem aber an der Kontrolle im Sinne einer Tatverhinderungsmacht.
a) Definition des Befehlshabers
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 55, 157, [168]) hat derjenige die Stellung als militärischer Befehlshaber oder anderer Vorgesetzter inne, der die faktisch ausübbare, gegebenenfalls auch rechtlich fundierte Möglichkeit hat, dem Untergebenen verbindliche Anweisungen zu erteilen und die Ausführung dieser Anweisungen durchzusetzen.
Dabei besteht in der Literatur Einigkeit, dass § 4 VStGB tendenziell restriktiv auszulegen ist (so MüKo-StGB, a.a.O., § 4 VStGB Rn. 16; Safferling et alt. ZIS 2013, 447). Strukturell normiert § 4 VStGB eine Unterlassungsstrafbarkeit. Allein aus der besonderen Stellung als Vorgesetzter wird die Pflicht hergeleitet, Straftaten der Untergebenen zu verhindern. Der Vorgesetzte haftet primär für die mangelhafte Aufsicht und nur sekundär - gleichsam als Folge - für die Grundverbrechen selbst. Anders als bei sonstigen Konstellationen, aus denen sich häufig eine Unterlassungsstrafbarkeit ergibt, „begeht“ der Vorgesetzte die Straftaten mithin nicht durch sein Unterlassen. Vielmehr bewirkt die Verletzung seiner Kontroll- und Schadensabwendungspflicht, dass die Verbrechen nicht verhindert werden (Safferling et alt. a.a.O.). Trotz dieses qualitativen Unterschieds zu anderen Unterlassungstätern ist der Vorgesetzte aufgrund seiner besonderen Verantwortlichkeit „wie ein Täter“ zu bestrafen, denn das durch ihn verwirklichte Unrecht ist erheblich, der Vorgesetzte hat innerhalb der hierarchischen Organisationsstruktur eine herausragende Stellung, Aufgrund der ihm zustehenden Kontrollmöglichkeiten trifft ihn hinsichtlich seiner Untergebenen die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass diese keine Straftaten begehen (Safferling et alt. a.a.O.). Die Orientierung an der Strafe für die Tat des Untergebenen ist durch die besonderen Pflichten, die dem Vorgesetzten obliegen, und die weitreichenden Erfolgsabwendungsmöglichkeiten gerechtfertigt. Darüber hinaus gilt es, das hohe Gefahrenpotenzial für die Zivilbevölkerung und den Distanzdeliktscharakter von Völkerrechtverbrechen zu beachten, welche diesen Straftaten regelmäßig eine differenzierte Struktur verleihen, und das Bedürfnis entstehen lassen, auch dem kollektiven Charakter der völkerrechtlichen Kernverbrechen bis in die „Spitze der Befehlskette“ durch entsprechende Sanktionierung Rechnung zu tragen.
Unter „Befehlsgewalt“ im Sinne des § 4 VStGB ist die Durchsetzungsmöglichkeit auf Grund der spezifisch militärischen Kommandostruktur zu verstehen, die auch (und gerade) innerhalb einer im rechtlosen Raum agierenden militärischen Einheit existieren kann; demgegenüber ist die „Führungsgewalt“ stärker auf Fälle bezogen, in denen sich der Täter auf Grund persönlicher Eigenschaften als maßgebliche Autorität innerhalb der Truppe präsentiert (MüKo-StGB, a.a.O., § 4 VStGB Rn. 29).
In jedem Fall muss neben der Befehls- oder Führungsgewalt aufgrund des oben ausgeführten Umstandes, dass der Befehlshaber wie ein Täter zu bestrafen ist, zusätzlich zwingend die Ausübung von Kontrolle gegeben sein. Dies bedeutet, dass der Vorgesetzte (in seiner Person) die Möglichkeit hat, das Verhalten seiner Untergebenen zu bestimmen und auch wirksam zu unterbinden, sodass er notfalls die Befolgung seiner Anordnungen auch gegen den Willen des Untergebenen physisch durchsetzen kann. Diese faktische „Tatverhinderungsmacht“ geht daher über einen Titel oder die formale rechtliche Stellung als Befehlshaber oder Vorgesetzter hinaus (MüKo-StGB, a.a.O., § 4 VStGB Rn. 30).
b) Fehlen der Befehls- bzw. Führungsgewalt beim Angeklagten
Vorliegend fehlt es in der Person des Angeklagten Dr. M. bereits an dem Tatbestandsmerkmal der Befehls- bzw. Führungsgewalt.
Zwar gehört nach Art. 24 des Reglements der inneren Ordnung der FDLR zu den Aufgaben des Angeklagten Dr. M., als Präsident der FDLR den Oberbefehl über die Streitkräfte auszuüben.
Jedoch hat die Beweisaufnahme keinerlei Anhaltspunkte dafür erbracht, dass der Angeklagte Dr. M. einen militärischen Befehl oder eine konkrete strategische militärische Weisung erteilt hätte, also Befehlsgewalt jemals persönlich ausgeübt hätte.
c) Fehlende Kontrolle des Angeklagten
Vor allem fehlt es in der Person des in Deutschland lebenden Angeklagten Dr. M. an der den Strafvorwurf des § 4 VStGB begründenden und für einen Befehlshaber kennzeichnenden Kontrolle im Sinne einer Tatverhinderungsmacht.
Zwar ist es ausreichend, wenn ein oberster Befehlshaber vermittelt über ihm nachgeordnete Personen der militärischen Führung, also über eine Befehlskette, bestimmenden Einfluss auf das Agieren der militärischen Einheiten nehmen kann (MüKo-StGB, a.a.O., § 4 VStGB Rn. 26). Aber auch eine solche Möglichkeit der Einflussnahme im Sinne einer für eine Strafbarkeit nach § 4 VStGB erforderlichen Tatverhinderungsmacht hatte der Angeklagte Dr. M. nicht, denn er verfügte weder über ausreichende Informationen über die Aktivitäten der FOCA in den Kivu-Provinzen (dazu aa)) noch über die tatsächlichen Möglichkeiten, Kriegsverbrechen der FOCA-Soldaten gegen den Willen deren militärischer Führung zu verhindern (dazu bb)).
aa)
Der Angeklagte Dr. M. wurde vom FOCA-Kommando im Voraus nicht über geplante militärische Operationen informiert. Er verfügte somit - im Gegensatz zu anderen Politikern, welchen die Stellung eines militärischen Oberbefehlshaber zugeschrieben wird bzw. wurde - weder im Jahr 2008 noch im Jahr 2009 über ausreichende Informationen, die eine wirksame Kontrolle der FOCA-Einheiten ermöglicht hätten. Es gibt im vorliegenden Fall keinen politischen Staat und eine von diesem kontrollierte Armee, es gibt nur eine Rebellenarmee, die sich mit der Schaffung politischer Ämter einen politischen und sogar demokratischen Anstrich verschaffte.
bb)
Zudem besaß der Angeklagte Dr. M. nicht die tatsächlichen Möglichkeiten, Kriegsverbrechen der FOCA-Soldaten gegen den Willen derer militärischer Führung zu verhindern. Es ist nicht ersichtlich, wie der Angeklagte Dr. M., der zuletzt Anfang 2006 im Kongo aufhältlich war, von ihm aus Deutschland erteilte Befehle gegen den Willen des im Kivu-Gebiet amtierenden FOCA-Kommandeurs physisch hätte durchsetzen können. So hatte er keine eigene Möglichkeit, den FOCA-Kommandeur S.M. seines Amtes zu entheben. Hierüber entschied nämlich das FOCA-Oberkommando, dessen Vorsitzender Generalmajor S.M. war und ist. Zudem konnte sich S.M. auf die von ihm im FOCA-Kommando und FOCA-Oberkommando platzierten Vertrauten und die ihm ergebenen Einheiten der Reservebrigade verlassen.
Hinzu kommt, dass sich die militärische Lage der FOCA infolge der Militäroperation „Umoja Wetu“ dramatisch verschlechterte und diese militärisch bedrohliche Lage während der nachfolgenden Monate durch die Militäroperation „Kimia II“ weiter anhielt. Dies spricht dagegen, dass das FOCA-Kommando Verbote bzgl. Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit aus Deutschland überhaupt hätte nachkommen können oder wollen.
d) Fehlende hypothetische Kausalität
Zudem macht sich der Vorgesetzte - wie in allen „unechten“ Unterlassungsfällen - nur dann strafbar, wenn er die Tat durch den gebotenen und zumutbaren Einsatz seiner Befehls- oder Führungsgewalt in einer ihm zurechenbaren Weise tatsächlich hätte verhindern können (hypothetische Kausalität; MüKo-StGB, a.a.O., § 4 VStGB Rn. 53, Burghardt ZIS 2010, 695 [707]). Allein die Feststellung, dass der Vorgesetzte die Ausführung der Untergebenen-Tat hätte erschweren oder ihre Begehung weniger wahrscheinlich machen können, genügt nicht zu seiner Verurteilung. Lässt sich etwa nicht sicher feststellen, dass der unmittelbar handelnde Soldat ein Verbot der Tatbegehung durch den Vorgesetzten beachtet hätte, so kann der Vorgesetzte nicht nach § 4 VStGB wie ein Täter der Untergebenen-Tat verurteilt werden. Das deutsche Recht stellt in diesem Punkt strengere Voraussetzungen als das Völkerstrafrecht auf, bei dem das Erfordernis der (hypothetischen) Kausalität bei der „superior responsibility“ nicht allgemein anerkannt ist (MüKo-StGB, a.a.O., § 4 VStGB Rn. 53).
Der vom Generalbundesanwalt gezogene Schluss, die in der Telekommunikationsüberwachung bei zahlreichen Themen zutage getretene Übereinstimmung des Angeklagten Dr. M. mit dem FOCA-Kommandeur S.M. sowie die für die obrigkeitshörigen Ruander der FDLR wichtige formale Stellung als Präsident und Oberbefehlshaber der FDLR ließen den sicheren Schluss darauf zu, dass der Angeklagte Dr. M. die faktische Tatverhinderungsmacht gehabt habe, um die Kriegsverbrechen der FDLR-Milizionäre im Osten der DR Kongo zu verhindern, lässt sich mithin nicht mit der für eine Verurteilung nach § 4 VStGB erforderlichen Sicherheit führen, er ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme sogar fernliegend.
Eine Strafbarkeit des Angeklagten Dr. M. gemäß § 4 VStGB scheidet daher aus.
3. Keine Verantwortlichkeit als mittelbarer Unterlassungstäter kraft organisatorischen Machtapparats
Auch eine Strafbarkeit des Angeklagten Dr. M. wegen durch Unterlassen begangener Kriegsverbrechen gemäß §§ 8, 9 VStGB in Verbindung mit § 13 Abs. 1 StGB in Verbindung mit § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB, § 2 VStGB im Hinblick auf seine führenden Stellung im Comité Directeur scheidet aus.
a)
Eine solche Strafbarkeit des Angeklagten Dr. M. wäre gegeben, wenn das Comité Directeur als Kollektiv die Befehlsgewalt gehabt hätte, mithin die militärische FOCA-Führung Entscheidungen des Comité Directeur zur Unterbindung völkerstrafrechtlicher Verbrechen befolgt hätte. Dann hätten die Mitglieder als Überwachungsgaranten sämtlich rechtlich dafür einzustehen, dass die ihnen unterstellten FOCA-Soldaten keine Völkerstraftaten begehen.
Dies war nach Überzeugung des Senats faktisch jedoch nicht der Fall.
b)
Auf tatsächlicher Ebene ist zu sehen, dass das Comité Directeur der FDLR sich eben maßgeblich von dem Politbüro der ehemaligen DDR unterscheidet, welches der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (in BGHSt 48, 77) zugrunde lag.
Zwar ist das Comité Directeur nach der Satzung der FDLR unter anderem für die allgemeine Politik der Verteidigung und der Sicherheit der Organisation sowie für die personelle Besetzung der Spitze der Armee zuständig.
Jedoch tagte das Comité Directeur im Tatzeitraum der Anklage letztmals im Januar 2009 unmittelbar vor der militärischen Offensive „Umoja Wetu“ gegen die FDLR im Kivu und somit weit vor den festgestellten fünf Angriffen auf die Dörfer und Ortschaften mit den dabei begangenen Kriegsverbrechen. Zum Zeitpunkt dieser Angriffe hatte das Comité Directeur wegen der Kriegszustände noch nicht erneut getagt, so dass der Angeklagte Dr. M. tatsächlich gar nicht die Möglichkeit hatte, im Comité Directeur auf eine Beendigung der gegen das Völkerrecht verstoßenden Übergriffe der FOCA hinzuwirken. Soweit der Generalbundesanwalt darauf abstellt, der Angeklagte Dr. M. habe durch die ihm als Präsidenten in Art. 41 der Satzung der FDLR eingeräumte Befugnis, selbst Initiativen zu Gunsten der Organisation zu ergreifen, die Möglichkeit gehabt und sei auch verpflichtet gewesen, gegebenenfalls auf eine außerordentliche Sitzung des Comité Directeur hinzuwirken, ist zu sehen, dass ein Zusammentreten dieses Organs tatsächlich nicht möglich war. Sowohl das FOCA-Kommando als auch das Exekutivkomitee waren aufgeteilt und befanden sich auf der Flucht. Eine Kommunikation unter den einzelnen Mitgliedern war großteils nicht möglich.
Zudem bestehen ernsthafte Zweifel, ob zum Zeitpunkt der militärischen Offensiven „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ das FOCA-Oberkommando bzw. FOCA-Kommando Anweisungen des Comité Directeur, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu unterlassen, wegen der schlechten militärischen Lage tatsächlich umgesetzt hätte. Dem Angeklagten Dr. M. wäre es zwar nach Rechtsprechung des BGH [BGHSt 48, 77, [94]) verwehrt, sich mit der Argumentation zu entlasten, dass sein Bemühen, die gebotene Entscheidung des Comité Directeur herbeizuführen, möglicherweise erfolglos geblieben wäre, weil ihn dessen andere Mitglieder im Streitfall überstimmt hätten. Eine Strafbarkeit des Angeklagten Dr. M. wegen mittelbarer Täterschaft durch Unterlassen hat aber zur Voraussetzung, dass die Entscheidung des Comité Directeur überhaupt möglich gewesen und dann auch umgesetzt worden wäre, denn sonst ist sein Unterlassen nicht kausal für den Erfolgseintritt (SSW-Kudlich, StGB, 2. Aufl., § 13 Rn. 10). Erforderlich ist auch hier wie beim Vorgesetzten im Sinne des § 4 VStGB das Bestehen von Befehls- oder Führungsgewalt und Kontrolle, die ja erst die Garantenstellung als Überwachergarant begründen. Hieran bestehen aber schon nach Aussage der Zeugen 2G. und 15N. massive Zweifel.
Auch darin unterscheidet sich das vorliegende Verfahren in tatsächlicher Hinsicht von der zitierten Politbüro-Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Denn dort tagte das Politbüro regelmäßig, und es war unzweifelhaft, dass die unterlassenen Entscheidungen des Politbüros als oberstes Staatsorgan auch tatsächlich von den Exekutivorganisationen der Nationalen Volksarmee und Grenztruppen umgesetzt worden wären. Während in der ehemaligen DDR aufgrund des Gehorsams der Armeeführung im Staatsgebilde keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Armeeführung sich geweigert hätte, die Entscheidungen des Politbüros zu befolgen, war die Situation in der FDLR völlig anders. Danach oblag es dem Comité Directeur, die allgemeine Politik der Organisation vorzugeben, die Planung und Durchführung militärischer Operationen bestimmte allein die Armeeführung. Anders als im Politbüro besaß im Comité Directeur das Militär auch bezüglich der Anzahl der Mitglieder die Oberhand. So waren die Hälfte der Mitglieder aktive Militärs, unter den übrigen Mitgliedern befanden sich zahlreiche Militärs, deren militärische Funktion allein wegen ihrer konkreten Tätigkeit als Mitglied des politischen Comité Executive zeitweilig ruhte. Daher ist die These des Generalbundesanwalts, das Comité Directeur hätte als Kollektivorgan die völkerstrafrechtlichen Verbrechen der FOCA verhindern können, sei es, indem die FOCA und ihre Milizionäre wirksam auf eine im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht befindliche Kampfführung verpflichtet worden wären, sei es, dass zur Verhinderung völkerrechtlicher Verbrechen der militärische Kampf gänzlich und unbedingt beendet worden wäre, bloße Spekulation, für die sich in der gesamten Beweisaufnahme keinerlei Anhaltspunkte ergeben haben. So zeigt der Umstand des Scheiterns der Umsetzung der Ergebnisse der Friedensverhandlung von Rom wegen der Weigerung des Militärs, die Waffen niederzulegen, exemplarisch, dass die Politik innerhalb des Comité Directeur gerade keinen bestimmenden Einfluss hatte.
Letztlich ist - ohne dass diesem Punkt entscheidende Bedeutung zukommt - zu sehen, dass der Angeklagte Dr. M. letztmals bei seinem Besuch im Jahr 2006 an einer Versammlung des Comité Directeur körperlich anwesend war und an einer Diskussion unmittelbar persönlich teilnehmen konnte. In den Folgejahren tagten die im Kongo lebenden Mitglieder (CD-Ost) und die im Ausland lebenden Mitglieder (CD-West) räumlich getrennt und kommunizierten meistens per E-Mail, sonst mittels Telefon miteinander. Auch hierin unterscheidet sich das Comité Directeur grundlegend vom DDR-Politbüro.
4. Keine Verantwortlichkeit wegen irrtümlich angenommener militärischer Befehlshaberschaft
Eine Strafbarkeit wegen (untauglichen) Versuchs von fünf Kriegsverbrechen gemäß §§ 8, 9 VStGB in Verbindung mit § 4 VStGB und §§ 22, 23 StGB, § 2 VStGB wäre zwar grundsätzlich möglich (MüKo-StGB, a.a.O., § 4 VStGB Rn. 62). Ihr steht vorliegend entgegen, dass sich der Senat nicht davon zu überzeugen vermochte, der Angeklagte Dr. M. habe irrtümlich angenommen, als Befehlshaber oder Mitglied eines Gremiums mit Befehlsgewalt die Untergebenen an der Tatbegehung hindern zu können, und trotzdem nichts unternommen, wenn der Untergebene die Tat ausführt (MüKo-StGB, a.a.O., § 4 VStGB Rn. 62).
Zwar sprechen für eine irrtümliche Annahme einer Befehlshaberschaft die formale Stellung des Angeklagten Dr. M. als Präsident und oberster Führer der FDLR sowie seine eigenen Äußerungen gegenüber Dritten. So äußerte er beispielsweise in einem Interview in der Fernsehsendung „Fakt“ vom 3. November 2008, die FDLR sei straff organisiert, er sei ihr Präsident und wisse ganz genau, was passiere. Gegenüber der Zeugin VW. erklärte er unter anderem, dass er oberster Befehlshaber sei, S.M. ihm keine Befehle gebe, sondern er S.M. Befehle gebe. Im gleichen Gespräch rückte er aber dann von dieser Aussage ab und sprach davon, dass S.M. allgemeine Weisungen erteilt worden seien, was er tun solle, und dieser befolge diese Weisungen. Er (Dr. M.) gebe ihm keine Befehle. Ähnlich großspurig zeigte er sich in Telefongesprächen gegenüber Pater 15M., etwa als er am 11. Dezember 2008 äußerte, S.M. sei sehr transparent, dieser sage ihm eigentlich alles und er habe seine Leute hundertprozentig unter Kontrolle oder am 4. Januar 2009, als er behauptete, er sei Vertreter der FDLR und oberster Führer der FOCA, der jederzeit das Oberkommando der FOCA auffordern könne, zusammenzutreten und einen neuen FOCA-Kommandanten einzusetzen.
Jedoch zeigten die oben festgestellten Umstände dem durchaus intelligenten Angeklagten Dr. M. so deutlich, dass er nur formal oberster militärischer Führer der FDLR war, tatsächlich aber vom militärischen Zweig abhängig war und in militärischen Angelegenheiten keinerlei Befehlsgewalt gegenüber dem Militär hatte, dass der Senat sich nicht davon überzeugen konnte, der Angeklagte Dr. M. habe dies gänzlich ignoriert und sich irrtümlich für einen Befehlshaber im Sinne des § 4 VStGB oder als Mitglied eines befehlshabenden Gremiums gehalten.
5. Beteiligung des Angeklagten an den festgestellten Kriegsverbrechen nach § 27 StGB
Der Angeklagte Dr. M. hat sich jedoch der Beihilfe zu vier Kriegsverbrechen gemäß §§ 8, 9 VStGB in Verbindung mit § 27 StGB schuldig gemacht.
a) Vorliegen der Haupttaten
Fünf in Kipopo, Mianga, Busurungi, Chiriba und Manje vorsätzlich und rechtswidrig begangene Kriegsverbrechen liegen vor.
b) Beihilfehandlungen
Zu den vier letztgenannten dieser fünf Kriegsverbrechen hat der Angeklagte Dr. M. willentlich auch Beihilfe geleistet.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist als Hilfeleistung „jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolgs des Haupttäters objektiv fördert“, wobei Kausalität für die Haupttat nicht erforderlich ist (BGHSt 46, 107 [109]; BGH NStZ 2008, 284). Auf das Gewicht des tatfördernden Beitrags kommt es für dessen Einstufung als Hilfeleistung grundsätzlich nicht an; dieses ist allein für die Strafzumessung relevant (BGH NJW 2007, 384).
Vorliegend hat der Angeklagte Dr. M. die begangenen Kriegsverbrechen auf zweifache Weise gefördert.
Zum einen durch physische Beihilfe, indem er das Beschaffen von Telefonkarten, Telefoneinheiten und Zubehör für Thuraya-Telefone zur Sicherstellung der Kommunikation unter den FOCA-Führungsoffizieren zusagte und dementsprechend vornahm. Auf diese Kommunikationsmittel waren die Führungsoffiziere der FOCA insbesondere im Rahmen militärischer Auseinandersetzungen auch angewiesen, da herkömmliche Mobiltelefone in den meisten Regionen der von der FOCA bewohnten Gebiete keinen Netzempfang hatten und für eine Kommunikation unter den Einheiten mittels Funkgeräten Sonnenlicht zur Sicherstellung der Solarstromversorgung benötigt wurde.
Zum anderen hat der Angeklagte vor allem psychische Beihilfe zu den begangenen Kriegsverbrechen geleistet. Psychische Beihilfe kann zum einen in Form der technischen Rathilfe geleistet werden, also durch die Vermittlung von Wissen, das sich in verbesserten Aussichten auf eine erfolgreiche Tatausführung niederschlägt, was vorliegend nicht der Fall war. In der Rechtsprechung anerkannt ist aber auch die Möglichkeit einer auf den Willen des Haupttäters einwirkenden psychischen Beihilfe durch Bestärkung des Tatentschlusses (BGHSt 40, 307 [315]; BGH NStZ 1999, 609 [610]).
Eine solche psychische Beihilfe hat der Angeklagte dadurch geleistet, dass er sich konkludent dazu bereit erklärte, in Interviews, Memoranden und Presseerklärungen die von der FOCA-Führung befohlenen bzw. nicht verhinderten Kriegsverbrechen zu dementieren oder zu bagatellisieren und dies auch während der Militäroperationen „Umoja Wetu“ und vor allem „Kimia II“ tat. Durch diese Propaganda in der Öffentlichkeit half er der FOCA-Führung, die von ihr zu verantwortenden Kriegsverbrechen vor der Weltöffentlichkeit zu verbergen, um zu verhindern, dass diese ein stärkeres Einschreiten der Vereinten Nationen gegen die FDLR und die Bestrafung der Verantwortlichen für die Kriegsverbrechen verlangte. Da die FOCA-Führung und selbst die einfachen Soldaten um die Öffentlichkeitsarbeit des Angeklagten Dr. M. wussten, kannten sie auch dessen die Taten fördernden Beitrag. Der Tatbeitrag des Angeklagten Dr. M. schlug sich somit dadurch in den Haupttaten nieder, dass durch die zugesagte Propagandaarbeit die Wahrscheinlichkeit erhöht wurde, dass der Entschluss der FOCA-Verantwortlichen zur Begehung von Kriegsverbrechen durchgehalten wird, und - umgekehrt - die (von einer freien Person normativ zu erwartende und auch tatsächlich immer mögliche) Abstandnahme von den Kriegsverbrechen weniger wahrscheinlich wurde. Vielmehr steigerte der Angeklagte Dr. M. durch seine Botschaften und Öffentlichkeitsarbeit die Moral und damit die Kampfkraft der FOCA-Milizionäre.
c) Doppelter Gehilfenvorsatz
Der Angeklagte Dr. M. handelte sowohl hinsichtlich seiner Hilfeleistung als auch hinsichtlich der Begehung der vier Haupttaten (Mianga, Busurungi, Chiriba und Manje) und deren Vollendung vorsätzlich (doppelter Gehilfenvorsatz).
Sein Gehilfenvorsatz richtete sich zumindest billigend auf die Begehung von mehreren Kriegsverbrechen durch die Tötung von Zivilisten, wobei er die Anzahl von Opfern, die nach den ihm bekannten Umständen der getätigten Angriffe in Betracht kamen, zumindest billigend in Kauf nahm. Lediglich beim Angriff auf Kipopo konnte sich der Senat angesichts des damaligen Wissensstandes des Angeklagten Dr. M.s nicht von dessen Vorsatz mit einer zur Verurteilung ausreichenden Sicherheit überzeugen, da dieser Angriff noch während der Operation „Umoja Wetu“ durch das ruandische Militär erfolgte.
Es bedurfte keiner Kenntnis der „Unrechtsdimension" der tatsächlich von der FOCA ausgeführten Angriffe. Denn das Maß des tatsächlich verwirklichten Unrechts im Sinne der Intensität der Rechtsgutsbeeinträchtigung oder der Zahl der durch den Tatbeitrag über die Vorstellung des Gehilfen hinaus geförderten weiteren Rechtsgutsverletzungen ist kein Umstand der Tat, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört und daher zur Begründung des Schuldspruchs wegen Beihilfe vom Gehilfenvorsatz umfasst sein muss. Wer weiß oder - wie der Angeklagte Dr. M. - es zumindest für möglich hält und billigt, durch sein Tun ein Verhalten des Haupttäters zu fördern, das den Tatbestand einer Strafnorm erfüllt, ist somit auch dann der Beihilfe zu dieser Straftat schuldig, wenn der Haupttäter - durch den Gehilfenbeitrag gefördert - eine größere Zahl von rechtswidrigen Taten begeht oder den tatbestandsmäßigen Erfolg in schuldspruchrelevanter Weise in zahlreicheren Fällen verwirklicht, als es sich der Gehilfe vorgestellt hatte (vgl. BGH NJW 2007, 384, [389]). Würde man vom Angeklagten Dr. M. eine genaue Kenntnis der von den Haupttätern letztlich seit „Kimia II“ begangenen Kriegsverbrechen verlangen, hätte dies zur Folge, dass ein Gehilfe, der durch seine Tatbeiträge bewusst die Begehung einer Mehrzahl von Kriegsverbrechen gefördert hat und fördern wollte, nur deshalb nicht wegen Beihilfe zu mehreren Kriegsverbrechen bestraft werden könnte, weil die von ihm unterstützten Haupttäter ihre Taten in eine Dimension getrieben haben, die von den Vorstellungen des Gehilfen nicht mehr erfasst war. Selbst wenn der Gehilfe seine Tatbeiträge dann nicht erbracht hätte, wenn er sich des gesamten Umfangs der geplanten Haupttaten bewusst gewesen wäre, ihm dieser Umfang also letztlich unerwünscht war, stünde das seiner Verurteilung nicht entgegen (vgl. BGH, a.a.O. und BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 8).
d) Eine Beihilfetat
Durch die zumindest konkludent erklärte Bereitschaft, sowohl Telefoneinheiten zu beschaffen als auch die Propagandaarbeit zur Verheimlichung bzw. Bagatellisierung von der FOCA begangener Kriegsverbrechen zu übernehmen, und deren Umsetzung hat der Angeklagte Dr. M. eine Beihilfehandlung zu vier Kriegsverbrechen begangen. Denn nach ständiger Rechtsprechung ist die Frage der Handlungseinheit oder -mehrheit nach dem individuellen Tatbeitrag eines jeden Beteiligten zu beurteilen. Fördert deshalb der Gehilfe durch ein und dasselbe Tun mehrere rechtlich selbstständige Taten des Haupttäters, so ist nur eine Beihilfe im Rechtssinne gegeben (vgl. BGH NJW 2013, 2211; BGHSt 49, 306, [316]; Fischer, StGB, 63 Aufl., § 27 Rn. 31, jeweils m.w.N.).
II. Strafbarkeit wegen Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung
Der Angeklagte Dr. M. ist darüber hinaus der Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß §§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, 129b Abs. 1 StGB schuldig.
1. Verfolgungsermächtigung
Die nach § 129b Abs. 1 Satz 3 bis 5 StGB erforderliche Verfolgungsermächtigung des Bundesministeriums der Justiz wurde am 8. Dezember 2008 erteilt.
2. FDLR als Vereinigung
Voraussetzung für die Annahme einer Vereinigung im Sinne der §§ 129a, b StGB ist ein freiwilliger organisatorischer, auf eine gewisse Dauer angelegter Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (BGHSt 28, 147; 31, 202, [204 f.]; 45, 26, [35]).
Die in hierarchischen Ebenen aufgebaute FDLR und ihr straff organisierter militärischer Flügel weisen diese organisatorische Struktur auf, in der sich eine Vereinigung im Sinne des § 129a Abs. 1 StGB von einem losen Haufen von Mittätern oder einer Bande im Rechtssinne unterscheidet.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist das Vorliegen einer Vereinigung auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die FDLR als militärische Organisation nach den §§ 7 und 8 VStGB anzusehen ist, denn weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck der §§ 129 ff. StGB oder der §§ 7 ff. VStGB legen eine solche Ansicht nahe (BGHSt 55, 157, [173]). Das Völkerstrafgesetzbuch trifft keine abschließenden Sonderregelungen für Straftaten, die in bewaffneten Konflikten oder im Zusammenhang mit Angriffen gegen die Zivilbevölkerung begangen werden (vgl. Bundestags-Drucksache 14/8524, „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Völkerstrafgesetzbuches“, S. 13). Nach § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB können die Zwecke oder die Tätigkeit einer terroristischen Vereinigung vielmehr gerade darauf gerichtet sein, Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch zu begehen. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund dies nur für Verbände gelten soll, die im Normgefüge des Völkerstrafgesetzbuches keine Rolle spielen können. Zudem würde auch der Schutzzweck der §§ 129 ff. StGB nicht unerheblich beeinträchtigt, fielen militärische oder paramilitärische Einheiten von vorneherein aus dem Anwendungsbereich der Vorschriften heraus. Denn gerade von solchen Gruppierungen gehen regelmäßig etwa aufgrund ihrer Bewaffnung oder wegen ihrer Struktur besondere Gefahren für die öffentliche Sicherheit aus.
Das Parteienprivileg des § 129 Abs. 2 Nr. 1 StGB gilt bei § 129a StGB nicht. Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, das Parteienprivileg des § 129 Abs. 2 StGB auf § 129a zu erstrecken, denn die Begehung schwerster Straftaten kann nicht durch das Parteienprivileg gedeckt sein (SSW-Lohse, a.a.O., § 129a Rn. 15; LK-StGB/Krauß, 12. Aufl., § 129a Rn. 28).
3. FDLR als terroristische Vereinigung
Darüber hinaus handelt es sich bei der FDLR sowohl im politischen als auch im militärischen Zweig um eine terroristische Vereinigung, da ihre Zwecke und ihre Tätigkeit - wahrscheinlich bereits seit ihrer Gründung, jedenfalls aber in den Jahren 2007 bis 2009 - darauf gerichtet waren, Katalogstraftaten im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB, namentlich Kriegsverbrechen zum Nachteil der kongolesischen Zivilbevölkerung zu begehen. Der Bewertung dieser Zielsetzung als terroristisch im Sinne von § 129a StGB steht nicht entgegen, dass die Begehung derartiger Straftaten der Erreichung des von der FDLR stets formulierten weitergehenden politischen Ziels dient, mit der gegenwärtigen Regierung Ruandas in einen innerruandischen Dialog zu treten und schließlich die Macht sogar gänzlich zu übernehmen. Denn § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt nicht voraus, dass die Begehung der dort näher bezeichneten Straftaten der alleinige, der Hauptzweck oder das Endziel der Vereinigung ist. Vielmehr genügt es, dass die Katalogtaten der Erreichung der weitergehenden Ziele dienen oder diese vorbereiten sollen (BGHSt 55, 157, 174). Das ist hier unzweifelhaft der Fall.
a)
Die fünf festgestellten Kriegsverbrechen stellen sich sämtlich als Katalogtaten im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB dar, so dass die FDLR, da ihre Tätigkeit auf die Begehung solcher Taten gerichtet war, schon deshalb als terroristische Vereinigung gemäß §§ 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB zu qualifizieren ist. Hierfür genügt es, wenn sich die Mitglieder der Vereinigung bewusst sind, dass es bei der Verfolgung ihrer Pläne zur Begehung von Katalogtaten kommen kann und sie dies auch wollen; die Vereinigung muss nicht ausschließlich das Ziel der Begehung solcher Taten verfolgen (BGHSt 55, 157, [174]).
b)
Doch über die fünf geschilderten Kriegsverbrechen, die sich im Jahr 2009 ereignet haben und jedenfalls für diesen Zeitraum die FDLR als terroristische Vereinigung charakterisieren, hinaus ist festzuhalten, dass auch die in den Jahren zuvor - insbesondere in dem vom angeklagten Zeitraum umfassten Jahr 2008 - die Tätigkeit der FDLR darauf gerichtet war, Kriegsverbrechen gemäß § 9 Abs. 1, 1. Var. VStGB zu begehen.
Bereits vor Beginn des Jahres 2009 gehörten zumindest systematische Plünderungen gemäß § 9 VStGB zur Kriegsführung der FDLR/FOCA. Dieses Kriegsverbrechens macht sich schuldig, wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt unter Ausnutzung der Gesamtsituation fremde bewegliche Sachen stiehlt oder einem anderen in Zueignungsabsicht abnötigt (vgl. BGHSt 55, 157 - 174 [Rn. 34]; MüKo-StGB, a.a.O., § 9 VStGB Rn. 6). Die FDLR nimmt seit ihrer Gründung im Jahre 2000 fortlaufend an den bewaffneten Konflikten im Osten der DR Kongo teil. Dabei standen sie nicht nur den ruandischen Streitkräften, sondern auch einzelnen von der ruandischen Regierung zum Zweck der Führung eines Stellvertreterkrieges instrumentalisierten Rebellengruppen wie insbesondere dem CNDP und auch den Einheiten der kongoesischen Armee gegenüber. Im Zusammenhang mit diesen Kampfhandlungen haben sich die Soldaten der FDLR durchgängig Besitztümer der kongolesischen Zivilbevölkerung angeeignet. Diese Plünderungen wurden von der FDLR Verpflegungsoperationen genannt. Dabei nutzten sie das durch die Kampfhandlungen entstandene staatliche Machtvakuum und die damit verbundene hilf- und wehrlose Situation der Zivilbevölkerung aus.
Diese Verpflegungsoperationen erfolgten nicht nur vereinzelt und als Exzesse einzelner Soldaten oder Offiziere, sondern generell und wurden von der Kommandoebene der FOCA befohlen. Die Grundlagen dieser Verpflegungsoperationen sind bereits in der Organisationsstruktur der FOCA angelegt. Denn mit den CRAP-Einheiten verfügt der militärische Zweig der FDLR nach seiner planmäßigen Gliederung auf verschiedenen Hierarchieebenen über spezielle Truppenteile, zu deren originären Aufgaben das Plündern gehört. Organisationsintern wurden dafür sogar feste Regeln aufgestellt, welche die Verteilung der durch Plünderung erlangten Beute regeln. Diese Plünderungen geschahen insbesondere in den Phasen, in denen die FDLR militärisch unter Druck geriet und von legalen Möglichkeiten der Nachschubbeschaffung abgeschnitten war. Zugleich dienten diese Plünderungen dazu, der Zivilbevölkerung, die in vom Gegner kontrollierten Zonen lebte, vor Augen zu führen, dass der Gegner nicht in der Lage sei, die Zivilbevölkerung ausreichend zu schützen, und diese damit zur Kooperation mit der FDLR zu motivieren.
Die Plünderungen stehen damit offensichtlich in einem Zusammenhang mit einem bewaffneten nichtinternationalen Konflikt (vgl. MüKo-StGB, a.a.O., Vor §§ 8 ff VStGB Rn. 34 f.).
Angesichts dessen ist der Vereinigungszweck bereits vor 2008 - und erst recht im Anklagezeitraum - auf die Begehung von Kriegsverbrechen der genannten Art gerichtet gewesen.
4. Vereinigung im außereuropäischen Ausland
Bei der FDLR handelt es sich um eine Vereinigung im außereuropäischen Ausland gemäß § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB.
a)
Als wesentliche Kriterien für eine solche Einordnung sind von der Rechtsprechung der Schwerpunkt der Organisationsstruktur, der Ort, an dem der durch die entscheidungsbefugten Organe der Vereinigung gebildete Verbandswille zustande kommt und erstmals durch konkrete Umsetzungsakte nach außen in Erscheinung tritt, sowie das eigentliche Aktionsfeld, an dem die Straftaten, auf deren Begehung die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung gerichtet sind, begangen werden sollen, anerkannt (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2010, StB 5/10, und Beschluss vom 13. September 2011, 3 StR 262/11, Rn. 15 bis 19, zitiert nach juris).
b)
Bei der FDLR handelt es sich um eine bewaffnete Miliz, die bei ihrer Gründung ganz überwiegend aus ruandischen Staatsangehörigen der Bevölkerungsgruppe der Hutu bestand und auch heute noch überwiegend besteht. Sie wurde in Lubumbashi in der DR Kongo gegründet und agiert bis heute in den beiden Kivu-Provinzen der DR Kongo. Das Exekutivkomitee mit den politischen Kommissaren hat seinen Sitz in der DR Kongo. Der militärische Flügel der FDLR ist mit seinen gesamten personellen Kräften, der Ausrüstung und dem FOCA-Kommando ausnahmslos im Osten der DR Kongo stationiert. Von hier aus wurden daher auch die Straftaten begangen, die der Umsetzung der terroristischen Zielsetzung der FDLR dienten. Spätestens seit der Verhaftung der Spitzenfunktionäre Dr. M., M. und 2C.M. in den Jahren 2009 und 2010 halten sich auch deren Nachfolger in der politischen Führung ausschließlich in der DR Kongo auf. Dass die politische Führungsspitze zuvor in Europa ansässig gewesen ist, steht der Einordnung der FDLR als terroristischer Vereinigung im (außereuropäischen) Ausland nicht entgegen, weil der bloße Wohnsitz ihrer Mitglieder nicht von entscheidendem Belang ist (vgl. BGHSt 30, 328, [331 f]; Fischer, a.a.O., § 129b Rn. 5a).
Danach stellt die FDLR eine terroristische Vereinigung in der DR Kongo dar.
5. Angeklagter als Rädelsführer
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist Rädelsführer im Sinne des §§ 129, 129a StGB, wer in der Vereinigung dadurch eine führende Rolle spielt, dass er sich in besonders maßgebender Weise für sie betätigt (BGHSt 57, 160 - 165, Rn. 8). Entscheidend ist dabei nicht der Umfang, sondern das Gewicht, welches der geleistete Beitrag für die Vereinigung hat. Besonders maßgebend ist eine Tätigkeit dann, wenn sie von Einfluss ist auf die Führung der Vereinigung im Ganzen oder in wesentlichen Teilen, wenn also der Täter, falls er nicht schon selbst zu den Führungskräften gehört, doch durch sein Tun gleichsam an der Führung mitwirkt (BGHSt 19, 109, [110]). Der vom Täter ausgeübte Einfluss muss der Sache nach beträchtlich sein (BGHSt 20, 121, [123 f.]). Eine rein formale Stellung innerhalb eines Führungsgremiums reicht für sich genommen noch nicht aus (BGHSt 57, 160 - 165, Rn. 8).
Der Angeklagte Dr. M. hat sich an dieser Vereinigung durch seine in der Bundesrepublik Deutschland entfalteten umfangreichen Tätigkeiten für die FDLR in maßgeblicher Weise beteiligt. Als Präsident und Vorsitzender des Comité Directeur hatte er innerhalb der FDLR die maßgebliche politische Führungsrolle inne und damit beträchtlichen Einfluss, so dass er als Rädelsführer im Sinne des § 129a Abs. 4 StGB anzusehen ist.
Dabei handelte der Angeklagte Dr. M. auch mit dem erforderlichen Vorsatz. Ihm war neben seiner politischen Führungsrolle als Präsident insbesondere bekannt, dass die Soldaten der FOCA über Jahre hinweg auf Befehl des FOCA-Kommandos Verpflegungsoperationen bei der kongolesischen Zivilbevölkerung durchführten. So forderte er im Jahr 2005 die FOCA-Führung vergeblich auf, dass solche Verpflegungsoperationen zu unterbleiben hätten. Auch in zahlreichen SMS aus den Jahren 2007 und 2008 wurde er von Verpflegungsoperationen und der Tötung von Zivilisten und feindlichen Soldaten unterrichtet. Dies gilt erst recht für die Aktionen der FOCA während der verzweifelten militärischen Lage anlässlich der Operation „Kimia II“.
III. Konkurrenzen
Die eine Beihilfehandlung zu den während der vier Angriffe auf Mianga, Busurungi, Chiriba und Manje begangenen Kriegsverbrechen gemäß §§ 8 Abs. 1 Nr. 1, 9 Abs. 1, 1 und 2. Var. VStGB, § 27 StGB steht in Idealkonkurrenz (§ 52 StGB) zur Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung gemäß §§ 129a Abs. 1 Nr. 1, und Abs. 4, 129b Abs.1 StGB.
B. Strafbarkeit des Angeklagten M.
Der Angeklagte M. hat sich ebenfalls wegen Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach §§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, 129b Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
Als 1. Vizepräsident hatte der Angeklagte M. innerhalb der FDLR eine maßgebliche Führungsrolle inne. Durch die oben angeführten Tätigkeiten und die Zusammenarbeit mit dem Angeklagten Dr. M. hat er einen bestimmenden Einfluss auf diese Organisation ausgeübt.
Dabei handelte der Angeklagte M. mit dem erforderlichen Vorsatz. Auch er wusste nicht nur von seiner führenden Rolle und Tätigkeit in der FDLR als 1. Vizepräsident, sondern auch von den Taten der FOCA gegenüber der kongolesischen Zivilbevölkerung durch an ihn weitergeleitete E-Mails, durch die Kommunikation mit FDLR-Angehörigen und durch Medienveröffentlichungen. Ebenso war er auf diese Weise über diesbezügliches wahrheitswidriges öffentliches Vorbringen seiner Organisation, an dem er selbst mitwirkte, informiert und nahm dies alles zumindest billigend in Kauf.
Teil 5: Strafzumessung
A. Dr. M.
Ausgangspunkt für die Strafzumessung war im Hinblick auf die Vorschrift des § 52 Abs. 2 StGB der für die Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland vorgesehene Strafrahmen des § 129b Abs. 1 StGB in Verbindung mit § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, 1. HS StGB, also Freiheitsstrafe von drei Jahren bis zu 15 Jahren. Für die vom Angeklagten tateinheitlich begangene Beihilfe zu vier Kriegsverbrechen gemäß §§ 8 Abs. 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 VStGB in Verbindung mit §§ 27, 52 Abs. 2 StGB beträgt der nach § 27 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB obligatorisch zu mildernde Strafrahmen ebenfalls drei bis zu 15 Jahre Freiheitsstrafe.
Innerhalb dieses Strafrahmens war zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass seine Aktivitäten für die FDLR durch negative persönliche Erfahrungen motiviert waren. So löste die infolge der Ereignisse in Ruanda im Jahr 1994 erfolgte Tötung vieler seiner Angehöriger und das Schicksal ihm nahe stehender Personen sein Engagement und seine spätere Tätigkeit in der FDLR gegen das in Ruanda regierende Regime aus. Strafmildernd war des Weiteren die sehr lange Verfahrensdauer und der unter anderem dadurch eingetretene lange Zeitablauf zwischen Tatbeendigung und Verurteilung zu werten. Zwar ist die nach § 51 StGB anzurechnende Untersuchungshaft in der Regel ohne strafmildernde Bedeutung. Vorliegend führte jedoch die außergewöhnlich lange Dauer der Untersuchungshaft mit den damit verbundenen erheblichen Einschränkungen unter anderem dazu, dass die sozialen Kontakte des Angeklagten, insbesondere zu seinen Kindern, ganz erheblich litten, was nicht nur zu einer erhöhten Haftempfindlichkeit des Angeklagten führte, sondern auch strafmildernd zu berücksichtigen ist. Hierbei war auch zu sehen, dass der Angeklagte bis auf einen kurzen Aufenthalt in Abschiebehaft erstmals die Erfahrung einer länger andauernden Freiheitsentziehung machte. Des Weiteren war der Angeklagte zu Beginn seiner strafbaren Betätigung für die FDLR noch nicht vorbestraft.
Zu Lasten des Angeklagten war zu werten, dass es sich bei der FDLR aufgrund ihrer guten Organisation sowie der Flexibilität und Schlagkraft ihrer Milizionäre um eine sehr gefährliche terroristische Vereinigung handelt. Hierbei war insbesondere die Art und Weise ihres Vorgehens gegen die Zivilbevölkerung eines Landes, das den Mitgliedern dieser Organisation als Zufluchtsort diente, mit zahlreichen getöteten zivilen Opfern und einer massiven Zerstörung von Wohnstätten zu sehen. Straferschwerend fiel insbesondere ins Gewicht, dass der Angeklagte als höchste politische Führungsperson der Organisation, an der sich die Kämpfer ausrichteten und für die er durch sein Auftreten in den Medien und auf internationaler Ebene von besonderer Bedeutung war, an vorderster Stelle tätig wurde. Durch den außerordentlichen Umfang und langen zeitlichen Einsatz für die Organisation sowie die Vielzahl seiner für die Vereinigung geleisteten Aktivitäten und Initiativen sicherte er maßgeblich den Zusammenhalt der verschiedenen Teile der FDLR. Von seiner umfassenden strafbaren Betätigung für die Organisation ließ sich der Angeklagte auch nicht abhalten, nachdem gegen ihn durch das am 7. August 2009 rechtskräftig gewordene Berufungsurteil des Landgerichts M... vom 18. Juni 2009 eine auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt worden war. Strafschärfend wirkte sich beim Angeklagten zudem aus, dass er durch seine Handlungen gleichzeitig mehrere Straftatbestände, die verschiedene Rechtsgüter schützen, verwirklichte, auch wenn dies teilweise als Gehilfe erfolgte.
Nachdem die eben erwähnte Freiheitsstrafe von sechs Monate inzwischen erlassen wurde, kam insoweit weder die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe nach § 55 StGB in Betracht noch war von einem Nachteil auszugehen, der einen Härteausgleich erfordern würde (BGH NStZ-RR 2004, 330).
Unter Gesamtabwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte hat der Senat die Festsetzung der
Freiheitsstrafe von 13 Jahren
für tat- und schuldangemessen erachtet.
B. M.
Beim Angeklagten M. war ebenfalls vom Strafrahmen des § 129b Abs. 1 StGB in Verbindung mit § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, 1. HS StGB mit Freiheitsstrafe von drei Jahren bis zu 15 Jahren auszugehen.
Auch bei ihm wirkte sich zu seinen Gunsten aus, dass seine Betätigung in der FDLR durch das Schicksal seiner Angehörigen und anderer ruandischer Flüchtlinge motiviert war. So machten seine Einlassungen in der Hauptverhandlung deutlich, dass der Tod und das ungewisse Schicksal vieler seiner nächsten Angehörigen im Zusammenhang mit den Ereignissen in Ruanda im Jahr 1994 sowie die schlechten Bedingungen, unter denen die ruandischen Flüchtlinge lebten und die er beim Besuch eines Flüchtlingslagers in der DR Kongo erlebte, den Grund und den wesentlichen Antrieb für sein späteres Handeln bildeten.
Ebenso wie beim Angeklagten Dr. M. ist die ungewöhnlich lange Verfahrensdauer und der dadurch entstandene lange Zeitraum zwischen Tatbeendigung und Verurteilung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Strafmildernd ist bei ihm ebenfalls die sehr lange Dauer der Untersuchungshaft zu werten, da er bei seiner erstmaligen Inhaftierung, während der die Scheidung von seiner Ehefrau erfolgte, der Kontakt zu seinen beiden Kindern stark beeinträchtigt wurde und er den Anschluss an den Arbeitsmarkt verlor, als besonders haftempfindlich anzusehen ist.
Zu seinen Gunsten ist des Weiteren zu werten, dass er im Bundeszentralregister keine Eintragung aufweist und im Rahmen seiner Einlassungen zumindest in Teilen Umstände, die Grundlage für die Verurteilung bilden, eingeräumt hat. So machte er unter anderem umfangreiche Angaben zu seinem Werdegang und seinen Aufgaben in der Organisation, die seine Position als Führungsperson in der FDLR bestätigten. Auch hat er sich während der laufenden Hauptverhandlung von der FDLR losgesagt und damit ein Signal in Richtung der noch in der Organisation befindlichen FDLR-Mitglieder gesandt (ohne dass hierdurch die Voraussetzungen der §§ 129b Abs. 1, 129a Abs. 7 in Verbindung mit § 129 Abs. 6 StGB erfüllt wären), auch wenn nach seinem Einlassungsverhalten nicht auszuschließen ist, dass die Niederlegung seines Amtes und seiner Mitgliedschaft in der Vereinigung zumindest auch taktischen Überlegungen geschuldet ist. Zudem hat der Senat berücksichtigt, dass der Umfang und das Gewicht seiner Aktivitäten für die FDLR geringer war als beim Angeklagten Dr. M..
Andererseits war zu Lasten des Angeklagten die besondere Gefährlichkeit der FDLR als terroristische Vereinigung zu werten. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen beim Mitangeklagten Bezug genommen. Außerdem war zu seinen Lasten zu berücksichtigen, dass er lange Zeit als 1. Vizepräsident der FDLR zu den höchsten politischen Führungspersonen einer Vereinigung gehörte, die im Tatzeitraum durch ein besonders rücksichtsloses Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung der DR Kongo mit vielen Opfern und Schäden auffiel. Durch seine bekundete Bereitschaft, die Vertretung des Angeklagten Dr. M. bei dessen eventueller Abwesenheit zu übernehmen und damit die Kontinuität in der Organisation zu sichern, war er auch ein stabilisierender Faktor in der Vereinigung.
Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten M. sprechenden Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung seines geringeren Tatbeitrags, erachtete der Senat bei ihm insgesamt gesehen eine
Freiheitsstrafe von acht Jahren
für tat- und schuldangemessen.
Teil 6: Kostenentscheidung
Die Kostenentscheidung beruht bei beiden Angeklagten auf § 465 Abs. 1 S. 1 StPO.

Sonstige Literatur

 
1887 
Inhaltsübersicht
1888 
Überblick
1889 
Teil 1: Feststellungen zur Person
1890 
A. Der Angeklagte Dr. M.
1891 
B. Der Angeklagte M.
1892 
Teil 2: Feststellungen zur Sache
1893 
A. Die Vereinigung FDLR
1894 
I. Entstehung und Entwicklung der Organisation
1895 
1. Geschichtlicher Hintergrund
2. Gründung der FDLR
3. Entwicklung der Organisation bis zum Zusammenschluss der Armeeteile unter der einheitlichen Bezeichnung FOCA
4. Entwicklung der FDLR bis zur Erklärung von Rom im März 2005
5. Konferenz von Rom im März 2005 und ihre Folgen
6. Weitere Ereignisse von 2006 bis Anfang 2009
1896 
II. Aufbau, Struktur und Arbeitsweise der Organisation
1897 
1. Regelwerke der Organisation und deren Umsetzung
2. Struktur und Aufbau der FDLR
1898 
III. Zielsetzung und Ideologie der FDLR
1899 
IV. Wirtschaftliche Grundlagen der FDLR
1900 
V. Vorgehen der FDLR-Miliz im Jahr 2009
1901 
1. Situation und Strategie
2. Taten der FDLR in Kipopo, Mianga, Busurungi, Chiriba und Manje
1902 
a) Angriff auf Kipopo am 13. Februar 2009
b) Angriff auf Mianga am 12. April 2009
c) Angriff auf Busurungi am 10. Mai 2009
d) Angriff auf Chiriba zwischen dem 25. und 27. Mai 2009
e) Angriff auf Manje am 20./21. Juli 2009
1903 
B. Aktivitäten des Angeklagten Dr. M.
1904 
I. Tätigkeiten vor seiner Wahl zum Präsidenten der FDLR
1905 
II. Wahl zum Präsidenten der FDLR
1906 
III. Tätigkeiten als Präsident der FDLR vor „Umoja Wetu“
1907 
IV. Tätigkeiten als Präsident der FDLR nach dem Beginn von „Umoja Wetu“
1908 
V. Kenntnis des Angeklagten von den terroristischen Tätigkeiten der FDLR
1909 
VI. Folgen der Verhaftung
1910 
C. Aktivitäten des Angeklagten M.
1911 
I. Tätigkeiten als 1. Vizepräsident
1912 
II. Mitwirkung im Comité Directeur
1913 
III. Mitwirkung an der Öffentlichkeitsarbeit der FDLR
1914 
IV. Weitere Tätigkeiten des Angeklagten
1915 
V. Kenntnis des Angeklagten von den terroristischen Tätigkeiten der FDLR
1916 
Teil 3: Beweiswürdigung
1917 
A. Vorbemerkungen
1918 
I. Zeugenvernehmungen
1919 
II. Telekommunikationserkenntnisse
1920 
B. Zu den persönliche Verhältnissen und Einlassungen der Angeklagten
1921 
I. Persönliche Verhältnisse des Angeklagten Dr. M.
1922 
II. Persönliche Verhältnisse des Angeklagten M.
1923 
III. Einlassungen der Angeklagten zu den Tatvorwürfen
1924 
C. Zur Vereinigung FDLR
1925 
I. Entstehung und Entwicklung der FDLR bis Anfang 2009
1926 
II. Aufbau, Struktur und Arbeitsweise der Organisation
1927 
III. Zielsetzung und Ideologie der FDLR
1928 
IV. Wirtschaftliche Grundlagen der FDLR
1929 
V. Vorgehen der FDLR-Miliz während der bewaffneten Konflikte im Jahr 2009
1930 
1. Militärischer Verlauf und Folgen der Operationen „Umoja Wetu“ und „Kimia II“ für die FDLR
2. Verhalten der FDLR gegenüber der Zivilbevölkerung
1931 
a) Zivilisten als „Feind“ bei einer „Zusammenarbeit“ mit dem Feind
b) Durchführung von Strafangriffen („opérations punitives“)
c) Keine Angriffe auf die Zivilbevölkerung als primäres Objekt bzw. zur Herbeiführung einer humanitären Katastrophe
1932 
3. Angriffe der FDLR auf die Siedlungen Kipopo, Mianga, Busurungi, Chiriba und Manje
1933 
a) Angriff auf Kipopo am 13. Februar 2009
b) Angriff auf Mianga am 12. April 2009
c) Angriff auf Busurungi am 10. Mai 2009
d) Angriff auf Chiriba zwischen dem 25. und 27. Mai 2009
e) Angriff auf Manje am 20./21. Juli 2009
1934 
D. Zu den Aktivitäten des Angeklagten Dr. M.
1935 
I. Tätigkeiten vor der Wahl zum Präsidenten der FDLR
1936 
II. Wahl zum Präsidenten der FDLR
1937 
III. Tätigkeiten als Präsident der FDLR vor „Umoja Wetu“
1938 
IV. Tätigkeiten als Präsident der FDLR nach dem Beginn von „Umoja Wetu“
1939 
V. Kenntnis des Angeklagten von den terroristischen Tätigkeiten der FDLR
1940 
VI. Folgen der Verhaftung
1941 
E. Zu den Tätigkeiten des Angeklagten M.
1942 
I. Tätigkeiten als 1. Vizepräsident
1943 
II. Mitwirkung im Comité Directeur
1944 
III. Mitwirkung an der Öffentlichkeitsarbeit der FDLR und Kenntnis von den Verbrechen der FDLR
1945 
IV. Weitere Tätigkeiten für die FDLR
1946 
F. Hilfsbeweisanträge
1947 
Teil 4: Rechtliche Würdigung
1948 
A. Strafbarkeit des Angeklagten Dr. M.
1949 
I. Strafbarkeit wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
1950 
II. Strafbarkeit wegen Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung
1951 
B. Strafbarkeit des Angeklagten M.
1952 
Teil 5: Strafzumessung
A. Dr. M.
B. M.
1953 
Teil 6: Kosten

Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 28. Sept. 2015 - 5 - 3 StE 6/10

Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 28. Sept. 2015 - 5 - 3 StE 6/10

Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 28. Sept. 2015 - 5 - 3 StE 6/10 zitiert 27 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafgesetzbuch - StGB | § 52 Tateinheit


(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafgesetzbuch - StGB | § 27 Beihilfe


(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu milde

Strafprozeßordnung - StPO | § 465 Kostentragungspflicht des Verurteilten


(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im

Strafgesetzbuch - StGB | § 23 Strafbarkeit des Versuchs


(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt. (2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1). (3) Hat der Täter aus grobem Unv

Strafgesetzbuch - StGB | § 129a Bildung terroristischer Vereinigungen


(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, 1. Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völ

Strafgesetzbuch - StGB | § 22 Begriffsbestimmung


Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

Strafgesetzbuch - StGB | § 129b Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland; Einziehung


(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausg

Strafgesetzbuch - StGB | § 51 Anrechnung


(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann

Strafprozeßordnung - StPO | § 55 Auskunftsverweigerungsrecht


(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 13 Begehen durch Unterlassen


(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichun

Völkerstrafgesetzbuch - VStGB | § 8 Kriegsverbrechen gegen Personen


(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt 1. eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,2. eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,3. ein

Strafgesetzbuch - StGB | § 129 Bildung krimineller Vereinigungen


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstm

Strafprozeßordnung - StPO | § 53 Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträger


(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner berechtigt 1. Geistliche über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;2. Verteidiger des Beschuldigten über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anv

Strafgesetzbuch - StGB | § 7 Geltung für Auslandstaten in anderen Fällen


(1) Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt. (2) Für andere Taten, die im Ausland begangen werden, g

Völkerstrafgesetzbuch - VStGB | § 9 Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte


(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt plündert oder, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten ist, sonst in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der ge

Völkerstrafgesetzbuch - VStGB | § 11 Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Methoden der Kriegsführung


(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt 1. mit militärischen Mitteln einen Angriff gegen die Zivilbevölkerung als solche oder gegen einzelne Zivilpersonen richtet, die an den Feindseligkeiten n

Völkerstrafgesetzbuch - VStGB | § 7 Verbrechen gegen die Menschlichkeit


(1) Wer im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung 1. einen Menschen tötet,2. in der Absicht, eine Bevölkerung ganz oder teilweise zu zerstören, diese oder Teile hiervon unter Lebensbedingungen stellt, die g

Völkerstrafgesetzbuch - VStGB | § 2 Anwendung des allgemeinen Rechts


Auf Taten nach diesem Gesetz findet das allgemeine Strafrecht Anwendung, soweit dieses Gesetz nicht in den §§ 1, 3 bis 5 und 13 Absatz 4 besondere Bestimmungen trifft.

Völkerstrafgesetzbuch - VStGB | § 4 Verantwortlichkeit militärischer Befehlshaber und anderer Vorgesetzter


(1) Ein militärischer Befehlshaber oder ziviler Vorgesetzter, der es unterlässt, seinen Untergebenen daran zu hindern, eine Tat nach diesem Gesetz zu begehen, wird wie ein Täter der von dem Untergebenen begangenen Tat bestraft. § 13 Abs. 2 des Strafg

Referenzen - Urteile

Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 28. Sept. 2015 - 5 - 3 StE 6/10 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 28. Sept. 2015 - 5 - 3 StE 6/10 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Sept. 2011 - 3 StR 262/11

bei uns veröffentlicht am 13.09.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 262/11 vom 13. September 2011 in der Strafsache gegen wegen schweren Bandendiebstahls u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers 13. Septembe

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Apr. 2010 - StB 5/10

bei uns veröffentlicht am 14.04.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS ________________ StB 5/10 vom 14. April 2010 BGHR: ja BGHSt: nein Veröffentlichung: ja __________________________ StGB § 129 Abs. 1, § 129 a Abs. 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 und 2 Haben sich Mitglieder einer ausländis

Referenzen

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner berechtigt

1.
Geistliche über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
2.
Verteidiger des Beschuldigten über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
3.
Rechtsanwälte und Kammerrechtsbeistände, Patentanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Apotheker und Hebammen über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist; für Syndikusrechtsanwälte (§ 46 Absatz 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung) und Syndikuspatentanwälte (§ 41a Absatz 2 der Patentanwaltsordnung) gilt dies vorbehaltlich des § 53a nicht hinsichtlich dessen, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
3a.
Mitglieder oder Beauftragte einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
3b.
Berater für Fragen der Betäubungsmittelabhängigkeit in einer Beratungsstelle, die eine Behörde oder eine Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt oder bei sich eingerichtet hat, über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
4.
Mitglieder des Deutschen Bundestages, der Bundesversammlung, des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland oder eines Landtages über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder dieser Organe oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst;
5.
Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben.
Die in Satz 1 Nr. 5 genannten Personen dürfen das Zeugnis verweigern über die Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten sowie über die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, über deren Inhalt sowie über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand berufsbezogener Wahrnehmungen. Dies gilt nur, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen und Materialien für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste handelt.

(2) Die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 bis 3b Genannten dürfen das Zeugnis nicht verweigern, wenn sie von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden sind. Die Berechtigung zur Zeugnisverweigerung der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 Genannten über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand entsprechender Wahrnehmungen entfällt, wenn die Aussage zur Aufklärung eines Verbrechens beitragen soll oder wenn Gegenstand der Untersuchung

1.
eine Straftat des Friedensverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats oder des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 80a, 85, 87, 88, 95, auch in Verbindung mit § 97b, §§ 97a, 98 bis 100a des Strafgesetzbuches),
2.
eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1 des Strafgesetzbuches oder
3.
eine Geldwäsche nach § 261 des Strafgesetzbuches, deren Vortat mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist,
ist und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Der Zeuge kann jedoch auch in diesen Fällen die Aussage verweigern, soweit sie zur Offenbarung der Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten oder der ihm im Hinblick auf seine Tätigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 gemachten Mitteilungen oder deren Inhalts führen würde.

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

(1) Ein militärischer Befehlshaber oder ziviler Vorgesetzter, der es unterlässt, seinen Untergebenen daran zu hindern, eine Tat nach diesem Gesetz zu begehen, wird wie ein Täter der von dem Untergebenen begangenen Tat bestraft. § 13 Abs. 2 des Strafgesetzbuches findet in diesem Fall keine Anwendung.

(2) Einem militärischen Befehlshaber steht eine Person gleich, die in einer Truppe tatsächliche Befehls- oder Führungsgewalt und Kontrolle ausübt. Einem zivilen Vorgesetzten steht eine Person gleich, die in einer zivilen Organisation oder einem Unternehmen tatsächliche Führungsgewalt und Kontrolle ausübt.

(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Auf Taten nach diesem Gesetz findet das allgemeine Strafrecht Anwendung, soweit dieses Gesetz nicht in den §§ 1, 3 bis 5 und 13 Absatz 4 besondere Bestimmungen trifft.

(1) Ein militärischer Befehlshaber oder ziviler Vorgesetzter, der es unterlässt, seinen Untergebenen daran zu hindern, eine Tat nach diesem Gesetz zu begehen, wird wie ein Täter der von dem Untergebenen begangenen Tat bestraft. § 13 Abs. 2 des Strafgesetzbuches findet in diesem Fall keine Anwendung.

(2) Einem militärischen Befehlshaber steht eine Person gleich, die in einer Truppe tatsächliche Befehls- oder Führungsgewalt und Kontrolle ausübt. Einem zivilen Vorgesetzten steht eine Person gleich, die in einer zivilen Organisation oder einem Unternehmen tatsächliche Führungsgewalt und Kontrolle ausübt.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

Auf Taten nach diesem Gesetz findet das allgemeine Strafrecht Anwendung, soweit dieses Gesetz nicht in den §§ 1, 3 bis 5 und 13 Absatz 4 besondere Bestimmungen trifft.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt plündert oder, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten ist, sonst in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterliegen, zerstört, sich aneignet oder beschlagnahmt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt völkerrechtswidrig anordnet, dass Rechte und Forderungen aller oder eines wesentlichen Teils der Angehörigen der gegnerischen Partei aufgehoben oder ausgesetzt werden oder vor Gericht nicht einklagbar sind, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt plündert oder, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten ist, sonst in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterliegen, zerstört, sich aneignet oder beschlagnahmt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt völkerrechtswidrig anordnet, dass Rechte und Forderungen aller oder eines wesentlichen Teils der Angehörigen der gegnerischen Partei aufgehoben oder ausgesetzt werden oder vor Gericht nicht einklagbar sind, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt plündert oder, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten ist, sonst in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterliegen, zerstört, sich aneignet oder beschlagnahmt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt völkerrechtswidrig anordnet, dass Rechte und Forderungen aller oder eines wesentlichen Teils der Angehörigen der gegnerischen Partei aufgehoben oder ausgesetzt werden oder vor Gericht nicht einklagbar sind, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt plündert oder, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten ist, sonst in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterliegen, zerstört, sich aneignet oder beschlagnahmt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt völkerrechtswidrig anordnet, dass Rechte und Forderungen aller oder eines wesentlichen Teils der Angehörigen der gegnerischen Partei aufgehoben oder ausgesetzt werden oder vor Gericht nicht einklagbar sind, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt plündert oder, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten ist, sonst in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterliegen, zerstört, sich aneignet oder beschlagnahmt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt völkerrechtswidrig anordnet, dass Rechte und Forderungen aller oder eines wesentlichen Teils der Angehörigen der gegnerischen Partei aufgehoben oder ausgesetzt werden oder vor Gericht nicht einklagbar sind, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt plündert oder, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten ist, sonst in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterliegen, zerstört, sich aneignet oder beschlagnahmt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt völkerrechtswidrig anordnet, dass Rechte und Forderungen aller oder eines wesentlichen Teils der Angehörigen der gegnerischen Partei aufgehoben oder ausgesetzt werden oder vor Gericht nicht einklagbar sind, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
mit militärischen Mitteln einen Angriff gegen die Zivilbevölkerung als solche oder gegen einzelne Zivilpersonen richtet, die an den Feindseligkeiten nicht unmittelbar teilnehmen,
2.
mit militärischen Mitteln einen Angriff gegen zivile Objekte richtet, solange sie durch das humanitäre Völkerrecht als solche geschützt sind, namentlich Gebäude, die dem Gottesdienst, der Erziehung, der Kunst, der Wissenschaft oder der Wohltätigkeit gewidmet sind, geschichtliche Denkmäler, Krankenhäuser und Sammelplätze für Kranke und Verwundete, unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude oder entmilitarisierte Zonen sowie Anlagen und Einrichtungen, die gefährliche Kräfte enthalten,
3.
mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen oder die Beschädigung ziviler Objekte in einem Ausmaß verursachen wird, das außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil steht,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Schutzschild einsetzt, um den Gegner von Kriegshandlungen gegen bestimmte Ziele abzuhalten,
5.
das Aushungern von Zivilpersonen als Methode der Kriegsführung einsetzt, indem er ihnen die für sie lebensnotwendigen Gegenstände vorenthält oder Hilfslieferungen unter Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht behindert,
6.
als Befehlshaber anordnet oder androht, dass kein Pardon gegeben wird, oder
7.
einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei meuchlerisch tötet oder verwundet,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft. In minder schweren Fällen der Nummer 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(2) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 1 bis 6 den Tod oder die schwere Verletzung einer Zivilperson (§ 226 des Strafgesetzbuches) oder einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person, wird er mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. Führt der Täter den Tod vorsätzlich herbei, ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff weit reichende, langfristige und schwere Schäden an der natürlichen Umwelt verursachen wird, die außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
mit militärischen Mitteln einen Angriff gegen die Zivilbevölkerung als solche oder gegen einzelne Zivilpersonen richtet, die an den Feindseligkeiten nicht unmittelbar teilnehmen,
2.
mit militärischen Mitteln einen Angriff gegen zivile Objekte richtet, solange sie durch das humanitäre Völkerrecht als solche geschützt sind, namentlich Gebäude, die dem Gottesdienst, der Erziehung, der Kunst, der Wissenschaft oder der Wohltätigkeit gewidmet sind, geschichtliche Denkmäler, Krankenhäuser und Sammelplätze für Kranke und Verwundete, unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude oder entmilitarisierte Zonen sowie Anlagen und Einrichtungen, die gefährliche Kräfte enthalten,
3.
mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen oder die Beschädigung ziviler Objekte in einem Ausmaß verursachen wird, das außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil steht,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Schutzschild einsetzt, um den Gegner von Kriegshandlungen gegen bestimmte Ziele abzuhalten,
5.
das Aushungern von Zivilpersonen als Methode der Kriegsführung einsetzt, indem er ihnen die für sie lebensnotwendigen Gegenstände vorenthält oder Hilfslieferungen unter Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht behindert,
6.
als Befehlshaber anordnet oder androht, dass kein Pardon gegeben wird, oder
7.
einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei meuchlerisch tötet oder verwundet,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft. In minder schweren Fällen der Nummer 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(2) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 1 bis 6 den Tod oder die schwere Verletzung einer Zivilperson (§ 226 des Strafgesetzbuches) oder einer nach dem humanitären Völkerrecht zu schützenden Person, wird er mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. Führt der Täter den Tod vorsätzlich herbei, ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff weit reichende, langfristige und schwere Schäden an der natürlichen Umwelt verursachen wird, die außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(1) Wer im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung

1.
einen Menschen tötet,
2.
in der Absicht, eine Bevölkerung ganz oder teilweise zu zerstören, diese oder Teile hiervon unter Lebensbedingungen stellt, die geeignet sind, deren Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen,
3.
Menschenhandel betreibt, insbesondere mit einer Frau oder einem Kind, oder wer auf andere Weise einen Menschen versklavt und sich dabei ein Eigentumsrecht an ihm anmaßt,
4.
einen Menschen, der sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er ihn unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
5.
einen Menschen, der sich in seinem Gewahrsam oder in sonstiger Weise unter seiner Kontrolle befindet, foltert, indem er ihm erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, die nicht lediglich Folge völkerrechtlich zulässiger Sanktionen sind,
6.
einen anderen Menschen sexuell nötigt oder vergewaltigt, ihn zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
7.
einen Menschen dadurch zwangsweise verschwinden lässt, dass er in der Absicht, ihn für längere Zeit dem Schutz des Gesetzes zu entziehen,
a)
ihn im Auftrag oder mit Billigung eines Staates oder einer politischen Organisation entführt oder sonst in schwerwiegender Weise der körperlichen Freiheit beraubt, ohne dass im Weiteren auf Nachfrage unverzüglich wahrheitsgemäß Auskunft über sein Schicksal und seinen Verbleib erteilt wird, oder
b)
sich im Auftrag des Staates oder der politischen Organisation oder entgegen einer Rechtspflicht weigert, unverzüglich Auskunft über das Schicksal und den Verbleib des Menschen zu erteilen, der unter den Voraussetzungen des Buchstaben a seiner körperlichen Freiheit beraubt wurde, oder eine falsche Auskunft dazu erteilt,
8.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art, zufügt,
9.
einen Menschen unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts in schwerwiegender Weise der körperlichen Freiheit beraubt oder
10.
eine identifizierbare Gruppe oder Gemeinschaft verfolgt, indem er ihr aus politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Gründen, aus Gründen des Geschlechts oder aus anderen nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts als unzulässig anerkannten Gründen grundlegende Menschenrechte entzieht oder diese wesentlich einschränkt,
wird in den Fällen der Nummern 1 und 2 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummern 3 bis 7 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren und in den Fällen der Nummern 8 bis 10 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 7 Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 8 und 9 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(3) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 3 bis 10 den Tod eines Menschen, so ist die Strafe in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 7 lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren und in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 8 bis 10 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist die Strafe bei einer Tat nach Absatz 1 Nr. 3 bis 7 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren und bei einer Tat nach Absatz 1 Nr. 8 bis 10 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) Wer ein Verbrechen nach Absatz 1 in der Absicht begeht, ein institutionalisiertes Regime der systematischen Unterdrückung und Beherrschung einer rassischen Gruppe durch eine andere aufrechtzuerhalten, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft, soweit nicht die Tat nach Absatz 1 oder Absatz 3 mit schwererer Strafe bedroht ist. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, soweit nicht die Tat nach Absatz 2 oder Absatz 4 mit schwererer Strafe bedroht ist.

(1) Ein militärischer Befehlshaber oder ziviler Vorgesetzter, der es unterlässt, seinen Untergebenen daran zu hindern, eine Tat nach diesem Gesetz zu begehen, wird wie ein Täter der von dem Untergebenen begangenen Tat bestraft. § 13 Abs. 2 des Strafgesetzbuches findet in diesem Fall keine Anwendung.

(2) Einem militärischen Befehlshaber steht eine Person gleich, die in einer Truppe tatsächliche Befehls- oder Führungsgewalt und Kontrolle ausübt. Einem zivilen Vorgesetzten steht eine Person gleich, die in einer zivilen Organisation oder einem Unternehmen tatsächliche Führungsgewalt und Kontrolle ausübt.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt plündert oder, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten ist, sonst in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterliegen, zerstört, sich aneignet oder beschlagnahmt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt völkerrechtswidrig anordnet, dass Rechte und Forderungen aller oder eines wesentlichen Teils der Angehörigen der gegnerischen Partei aufgehoben oder ausgesetzt werden oder vor Gericht nicht einklagbar sind, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Auf Taten nach diesem Gesetz findet das allgemeine Strafrecht Anwendung, soweit dieses Gesetz nicht in den §§ 1, 3 bis 5 und 13 Absatz 4 besondere Bestimmungen trifft.

(1) Ein militärischer Befehlshaber oder ziviler Vorgesetzter, der es unterlässt, seinen Untergebenen daran zu hindern, eine Tat nach diesem Gesetz zu begehen, wird wie ein Täter der von dem Untergebenen begangenen Tat bestraft. § 13 Abs. 2 des Strafgesetzbuches findet in diesem Fall keine Anwendung.

(2) Einem militärischen Befehlshaber steht eine Person gleich, die in einer Truppe tatsächliche Befehls- oder Führungsgewalt und Kontrolle ausübt. Einem zivilen Vorgesetzten steht eine Person gleich, die in einer zivilen Organisation oder einem Unternehmen tatsächliche Führungsgewalt und Kontrolle ausübt.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt plündert oder, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten ist, sonst in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterliegen, zerstört, sich aneignet oder beschlagnahmt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt völkerrechtswidrig anordnet, dass Rechte und Forderungen aller oder eines wesentlichen Teils der Angehörigen der gegnerischen Partei aufgehoben oder ausgesetzt werden oder vor Gericht nicht einklagbar sind, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(1) Ein militärischer Befehlshaber oder ziviler Vorgesetzter, der es unterlässt, seinen Untergebenen daran zu hindern, eine Tat nach diesem Gesetz zu begehen, wird wie ein Täter der von dem Untergebenen begangenen Tat bestraft. § 13 Abs. 2 des Strafgesetzbuches findet in diesem Fall keine Anwendung.

(2) Einem militärischen Befehlshaber steht eine Person gleich, die in einer Truppe tatsächliche Befehls- oder Führungsgewalt und Kontrolle ausübt. Einem zivilen Vorgesetzten steht eine Person gleich, die in einer zivilen Organisation oder einem Unternehmen tatsächliche Führungsgewalt und Kontrolle ausübt.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

Auf Taten nach diesem Gesetz findet das allgemeine Strafrecht Anwendung, soweit dieses Gesetz nicht in den §§ 1, 3 bis 5 und 13 Absatz 4 besondere Bestimmungen trifft.

(1) Ein militärischer Befehlshaber oder ziviler Vorgesetzter, der es unterlässt, seinen Untergebenen daran zu hindern, eine Tat nach diesem Gesetz zu begehen, wird wie ein Täter der von dem Untergebenen begangenen Tat bestraft. § 13 Abs. 2 des Strafgesetzbuches findet in diesem Fall keine Anwendung.

(2) Einem militärischen Befehlshaber steht eine Person gleich, die in einer Truppe tatsächliche Befehls- oder Führungsgewalt und Kontrolle ausübt. Einem zivilen Vorgesetzten steht eine Person gleich, die in einer zivilen Organisation oder einem Unternehmen tatsächliche Führungsgewalt und Kontrolle ausübt.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt plündert oder, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten ist, sonst in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterliegen, zerstört, sich aneignet oder beschlagnahmt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt völkerrechtswidrig anordnet, dass Rechte und Forderungen aller oder eines wesentlichen Teils der Angehörigen der gegnerischen Partei aufgehoben oder ausgesetzt werden oder vor Gericht nicht einklagbar sind, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Wer im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung

1.
einen Menschen tötet,
2.
in der Absicht, eine Bevölkerung ganz oder teilweise zu zerstören, diese oder Teile hiervon unter Lebensbedingungen stellt, die geeignet sind, deren Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen,
3.
Menschenhandel betreibt, insbesondere mit einer Frau oder einem Kind, oder wer auf andere Weise einen Menschen versklavt und sich dabei ein Eigentumsrecht an ihm anmaßt,
4.
einen Menschen, der sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er ihn unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
5.
einen Menschen, der sich in seinem Gewahrsam oder in sonstiger Weise unter seiner Kontrolle befindet, foltert, indem er ihm erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, die nicht lediglich Folge völkerrechtlich zulässiger Sanktionen sind,
6.
einen anderen Menschen sexuell nötigt oder vergewaltigt, ihn zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
7.
einen Menschen dadurch zwangsweise verschwinden lässt, dass er in der Absicht, ihn für längere Zeit dem Schutz des Gesetzes zu entziehen,
a)
ihn im Auftrag oder mit Billigung eines Staates oder einer politischen Organisation entführt oder sonst in schwerwiegender Weise der körperlichen Freiheit beraubt, ohne dass im Weiteren auf Nachfrage unverzüglich wahrheitsgemäß Auskunft über sein Schicksal und seinen Verbleib erteilt wird, oder
b)
sich im Auftrag des Staates oder der politischen Organisation oder entgegen einer Rechtspflicht weigert, unverzüglich Auskunft über das Schicksal und den Verbleib des Menschen zu erteilen, der unter den Voraussetzungen des Buchstaben a seiner körperlichen Freiheit beraubt wurde, oder eine falsche Auskunft dazu erteilt,
8.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art, zufügt,
9.
einen Menschen unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts in schwerwiegender Weise der körperlichen Freiheit beraubt oder
10.
eine identifizierbare Gruppe oder Gemeinschaft verfolgt, indem er ihr aus politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Gründen, aus Gründen des Geschlechts oder aus anderen nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts als unzulässig anerkannten Gründen grundlegende Menschenrechte entzieht oder diese wesentlich einschränkt,
wird in den Fällen der Nummern 1 und 2 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummern 3 bis 7 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren und in den Fällen der Nummern 8 bis 10 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 7 Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 8 und 9 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

(3) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 3 bis 10 den Tod eines Menschen, so ist die Strafe in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 7 lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren und in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 8 bis 10 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist die Strafe bei einer Tat nach Absatz 1 Nr. 3 bis 7 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren und bei einer Tat nach Absatz 1 Nr. 8 bis 10 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) Wer ein Verbrechen nach Absatz 1 in der Absicht begeht, ein institutionalisiertes Regime der systematischen Unterdrückung und Beherrschung einer rassischen Gruppe durch eine andere aufrechtzuerhalten, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft, soweit nicht die Tat nach Absatz 1 oder Absatz 3 mit schwererer Strafe bedroht ist. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, soweit nicht die Tat nach Absatz 2 oder Absatz 4 mit schwererer Strafe bedroht ist.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.

(2) Eine Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,

1.
wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat,
2.
wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder
3.
soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten nach den §§ 84 bis 87 betreffen.

(4) Der Versuch, eine in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar.

(5) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern der Vereinigung gehört. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Zweck oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet ist, in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, b, d bis f und h bis o, Nummer 2 bis 8 und 10 der Strafprozessordnung genannte Straftaten mit Ausnahme der in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h der Strafprozessordnung genannten Straftaten nach den §§ 239a und 239b des Strafgesetzbuches zu begehen.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung nach den Absätzen 1 und 4 absehen.

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter

1.
sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können;
erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.

(2) Eine Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,

1.
wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat,
2.
wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder
3.
soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten nach den §§ 84 bis 87 betreffen.

(4) Der Versuch, eine in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar.

(5) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern der Vereinigung gehört. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Zweck oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet ist, in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, b, d bis f und h bis o, Nummer 2 bis 8 und 10 der Strafprozessordnung genannte Straftaten mit Ausnahme der in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h der Strafprozessordnung genannten Straftaten nach den §§ 239a und 239b des Strafgesetzbuches zu begehen.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung nach den Absätzen 1 und 4 absehen.

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter

1.
sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können;
erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt plündert oder, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten ist, sonst in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterliegen, zerstört, sich aneignet oder beschlagnahmt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt völkerrechtswidrig anordnet, dass Rechte und Forderungen aller oder eines wesentlichen Teils der Angehörigen der gegnerischen Partei aufgehoben oder ausgesetzt werden oder vor Gericht nicht einklagbar sind, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
________________
StB 5/10
vom
14. April 2010
BGHR: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
__________________________
StGB § 129 Abs. 1, § 129 a Abs. 1, § 129 b Abs. 1 Satz 1 und 2
Haben sich Mitglieder einer ausländischen kriminellen oder terroristischen Vereinigung
im Inland zu einer organisatorischen Struktur zusammengeschlossen,
deren Zwecke oder Tätigkeit der Zielsetzung der ausländischen Vereinigung
entsprechen, so können sie sich nur dann tateinheitlich auch wegen Mitgliedschaft
in einer inländischen kriminellen Vereinigung strafbar machen, wenn ihre
inländische Organisation einen eigenständigen, von der ausländischen Vereinigung
unabhängigen Gesamtwillen bildet.
BGH, Beschl. vom 14. April 2010 - StB 5/10 - Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung
hier: Haftbeschwerde des Beschuldigten
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts am 14. April 2010 gemäß § 304 Abs. 5
StPO beschlossen:
1. Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 2009 aufgehoben und durch den nachfolgenden Haftbefehl ersetzt: Der Beschuldigte ist in Untersuchungshaft zu nehmen. Er ist dringend verdächtig, sich jedenfalls in der Zeit zwischen Juli 2008 und Januar 2009 den srilankischen "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) angeschlossen und deren auf die Begehung von Mord oder Totschlag gerichtete Tätigkeit durch seine Mitarbeit im Büro des von ihnen eingerichteten "Tamil Coordination Committee" (TCC) in O. gefördert zu haben, indem er in deren Angelegenheiten Telefonanrufe entgegengenommen , ihm mitgeteilte Informationen an die zuständigen Personen weitergeleitet und begehrte Auskünfte erteilt hat; strafbar als mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union durch eine in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübte Tätigkeit (§ 129 b Abs. 1 Satz 2, § 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB).
2. Dieser Haftbefehl wird aufgehoben werden, wenn das Bundesministerium der Justiz nicht binnen einer Woche nach Zugang dieses Beschlusses gegenüber dem Bundesgerichtshof - 3. Strafsenat - die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt (§ 130 StPO, § 129 b Abs. 1 Satz 3, § 77 e StGB).
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
4. Der Antrag des Beschuldigten, die Vollziehung des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 2009 auszusetzen, ist damit gegenstandslos.

Gründe:

I.


1
Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs am 16. Dezember 2009 angeordnet, den Beschuldigten in Untersuchungshaft zu nehmen. Er hat den Beschuldigten für dringend verdächtig gehalten, sich jedenfalls ab Sommer 2008 als "Führungskader" des "Tamil Coordination Committee" (TCC) in O. mit mindestens sechs weiteren Personen zu dem Zweck zusammengeschlossen zu haben, von Deutschland aus den "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) in Sri Lanka Vermögensund Sachwerte zur Verfügung zu stellen und die entsprechenden Gelder von tamilischen Immigranten in Deutschland mit teilweise erpresserischen Mitteln einfordern zu lassen (Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 StGB).
2
Nach der Festnahme des Beschuldigten am 3. März 2010 hat der Ermittlungsrichter mit Beschluss vom selben Tage den Haftbefehl aufrechterhalten und in Vollzug gesetzt. Seitdem befindet sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft. Mit seiner gegen die Entscheidungen des Ermittlungsrichters gerichteten Beschwerde begehrt er die Aufhebung des Haftbefehls. Der Ermittlungsrichter hat der Beschwerde nicht abgeholfen; der Generalbundesanwalt tritt ihr entgegen.

II.


3
Auf die zulässige Beschwerde des Beschuldigten ist der Haftbefehl des Ermittlungsrichters aufzuheben und durch den aus der Beschlussformel ersichtlichen Haftbefehl zu ersetzen.
4
1. Die gegenwärtigen Erkenntnisse ergeben nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit, dass sich der Beschuldigte als Mitglied einer inländischen kriminellen Vereinigung nach § 129 Abs. 1 StGB angeschlossen hat. Der Beschuldigte ist indes dringend verdächtig, sich durch seine Mitarbeit im "Tamil Coordination Committee" (TCC) in O. an einer terroristischen Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union - den srilankischen "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) - durch eine in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübte Tätigkeit als Mitglied beteiligt zu haben (§ 129 b Abs. 1 Satz 2, § 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB).
5
a) Nach den vorliegenden Erkenntnissen ergibt sich im Sinne eines dringenden Tatverdachts folgender Sachverhalt:
6
aa) Allgemeinkundig entstanden die LTTE im Jahre 1976 durch den Zusammenschluss verschiedener tamilischer Bewegungen in Sri Lanka, deren gemeinsames Ziel die Loslösung des mehrheitlich von Tamilen besiedelten Nord- und Ostteils der Insel vom singhalesisch geprägten Reststaat war. Hierarchisch auf die Person ihres Führers Vellupillai Prabhakaran und dessen Ideologie ausgerichtet, verfolgten sie ihr Ziel eines selbständigen "Tamil Eelam" in erster Linie durch bewaffneten Kampf, der sich nicht nur gegen die srilankischen Regierungstruppen, sondern auch gegen rivalisierende Gruppierungen richtete. Bis 1986 gelang es ihnen, neben der Halbinsel Jaffna weite Teile der Nord- und der Ostprovinzen des Landes unter ihre Kontrolle zu bringen, wo sie nach und nach eigene staatsähnliche Strukturen schufen. Ab 2002 wurden dort ein zentrales "politisches Büro" mit Sitz in Kilinochchi sowie "Ministerien" für Justiz, Polizei, Finanzen und Verteidigung errichtet. Der zudem erhobene Alleinvertretungsanspruch für alle Tamilen weltweit führte in der Zuständigkeit eines "Außenministeriums" zur Entwicklung von Organisationsstrukturen auch über Sri Lanka hinaus. Der Finanzierung der LTTE dienten die in den besetzten Gebieten erhobenen "Steuern" und die "Spendengeldsammlungen" unter den Auslandstamilen.
7
Militärisch verfügten die LTTE über Infanterieeinheiten ("Tigers") sowie über eine Anzahl zu Kampfzwecken umgerüsteter Schnellboote ("Sea Tigers") und Flugzeuge ("Air Tigers"). Daneben unterhielten sie eine Spezialeinheit ("Black Tigers"), deren Aufgabe neben militärischen Kommandoaktionen auch Anschläge auf zivile Ziele waren. Ihren auf insgesamt mehr als 200 geschätzten Selbstmordattentaten fielen unter anderem am 21. Mai 1991 bei Madras der indische Premierminister Rajiv Ghandi und am 1. Mai 1993 in Colombo der srilankische Staatspräsident Ranasinghe Premadasa zum Opfer.
8
Im Guerillakampf mit ihrem abtrünnigen Kommandeur Muralitharan ("Karuna" ) verloren die LTTE ab 2004 zunächst die Ostprovinzen. Verstärkte Offensiven der Armee ab 2007 drängten sie weiter zurück, bis es im Frühjahr 2009 zu ihrer militärischen Zerschlagung kam. Ihr Führer Vellupillai Prabhakaran wurde am 18. Mai 2009 von srilankischen Regierungstruppen getötet.
9
bb) Die Strukturen des TCC erhellen sich in erster Linie aus den Angaben ihm unterstellter Gebietsverantwortlicher in mehreren Gesprächen mit dem Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg zwischen März 2006 und Januar 2007. Danach galt das TCC als die "LTTE in Deutschland" und dessen Leiter Sr. alias V. als der "Chef der LTTE für Deutschland". Zuständig war das TCC insbesondere für die politische Öffentlichkeitsarbeit und für die Geldsammlungen unter den in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Tamilen. Seine Vorgaben und Befehle erhielt es unmittelbar aus der Zentrale der LTTE in Kilinochchi. Bei seiner Arbeit stützte sich das TCC auf ein bundesweites, hierarchisch aufgebautes Netz aus Gebiets-, Stadt- und Raumverantwortlichen. Diese waren - wie die mindestens sechs weiteren im Büro des TCC in O. tätigen Personen - an die Weisungen des V. gebunden und ihm gegenüber rechenschaftspflichtig. Gleichermaßen hat der im O. er Büro für Pressearbeit und Behördenkontakte zuständige W. das TCC in einer Zeugenaussage beim Polizeipräsidium D. am 8. Mai 2007 als "politische Abteilung der LTTE für Deutschland" bezeichnet.
10
Bestätigt werden diese Angaben durch Erkenntnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz aus der Überwachung des Post- und Telefonverkehrs des TCC im Rahmen von G 10 - Maßnahmen. Ein Telefongespräch belegt, dass die Funktionäre der LTTE in Sri Lanka Immigranten in Deutschland bei Fragen an das TCC verweisen (Sachakte Bd. II Reiter Erkenntnisse BfV Bl. 97). Tamilen in Deutschland, die sich schriftlich an das TCC wandten, bezeichneten dieses regelmäßig als "LTTE Deutschland" und dessen Leiter V. als "Verwalter" oder "Verantwortlichen" der "LTTE Deutschland" (Bl. 177, 183, 191, 198, 205, 209, 217, 235, 262). Andere Telefongespräche bestätigen die umfassenden Direktionsbefugnisse V. s innerhalb des TCC (Bl. 124, 126, 214 ff., 217).
11
cc) Der Beschuldigte hat sich, wie seine eigenen Äußerungen gegenüber Dritten belegen, gegenüber den LTTE zur Mitarbeit bereiterklärt, um die Freilassung seiner in Sri Lanka zwangsrekrutierten Schwester zu erreichen. Er wurde von den LTTE deshalb - ohne nennenswerte Bezahlung - dem Büro der TCC in O. zugewiesen, um dort zu "lernen"; danach sollte er nach Sri Lanka zurückkehren und sich dort anstelle der Schwester einer kämpfenden Einheit anschließen (Sachakte Bd. II Reiter Erkenntnisse BfV Bl. 113 - 116). Unter der Aliaspersonalie M. diente er als telefonischer Ansprechpartner nach außen, nahm Informationen für das Büro entgegen und erteilte Auskünfte allgemeiner Art, etwa zu Besprechungsterminen oder zum Undiyal-Banking, dem vom TCC organisierten privaten Geldtransfer hier wohnhafter Tamilen in die Heimat (Bl. 97, 132, 140, 147, 148).
12
Die Identität des M. mit dem Beschuldigten ergibt sich aus zwei Telefongesprächen , die vom Festnetzanschluss der TCC aus geführt wurden. Am 30. Juli 2008 rief ein R. seinen Vater an; der Angerufene führt den Namen S. (Bl. 108). Am 20. August 2008 sprach M. mit einer Verwandten , die ihn R. nannte; sie gab das Gespräch an eine andere Person weiter, die ihn als R. begrüßte (Bl. 115).
13
b) Danach ist das dem Beschuldigten vorgeworfene Tatgeschehen rechtlich wie folgt zu bewerten:
14
aa) Die LTTE waren - jedenfalls bis zu ihrer mutmaßlichen Zerschlagung durch die srilankischen Regierungstruppen im Frühjahr 2009 - eine Vereinigung, deren Zwecke und deren Tätigkeit (auch) darauf gerichtet waren, Mord oder Totschlag zu begehen (§ 129 a Abs. 1 Nr. 1 StGB). Sie bestand im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (§ 129 b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB), denn der Schwerpunkt ihrer organisatorischen Strukturen und ihr eigentliches Aktionsfeld befanden sich in Sri Lanka. Allein der Umstand, dass die Strukturen und Aktivitäten einer Vereinigung teilweise in die Bundesrepublik Deutschland hereinreichen - hier: Einrichtung eines "Büros" als Kontaktstelle für Unterstützer und zur Vermittlung der Ziele in der Öffentlichkeit; Aufbau eines Netzes zur Erschließung von Finanzierungsquellen - macht sie noch nicht zu einer Vereinigung (auch) im Inland.
15
bb) Das TCC war keine selbständige Teilorganisation der LTTE in Deutschland; entgegen der Auffassung des Ermittlungsrichters und des Generalbundesanwalts bildeten dessen Mitglieder deshalb keine - neben die LTTE tretende - Vereinigung gemäß § 129 StGB.
16
(1) Eine Vereinigung im Sinne der Vorschriften der §§ 129 ff. StGB ist ein auf eine gewisse Dauer angelegter freiwilliger organisatorischer Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (st. Rspr.; zuletzt BGHSt 54, 69 = NJW 2009, 3448 Rdn. 116 m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich des TCC nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit belegt. Denn die bisherigen Erkenntnisse er- geben nicht, dass sich innerhalb der TCC eine eigenständige, von der ausländischen Vereinigung abgrenzbare Willensbildung vollzog.
17
Die Beziehungen der im TCC tätigen Personen untereinander erschöpften sich vielmehr in der gemeinsamen Mitgliedschaft in der LTTE. Das TCC war nicht nur eingegliedert in deren Hierarchie, sondern nach den Angaben des Beschuldigten oblag es allein der Entscheidung der LTTE, ob Personen in einer Einrichtung wie dem TCC oder in einer kämpfenden Einheit eingesetzt wurden. Auch nach außen hin trat das TCC auf als Repräsentanz der LTTE in Deutschland. Sein Leiter V. war zwar weisungsberechtigt gegenüber den anderen Mitarbeitern im TCC sowie den nachgeordneten Gebiets-, Stadt- und Raumverantwortlichen , unterstand aber selbst unmittelbar dem politischen Büro in Kilinochchi und war abhängig von dessen Weisungen. Gerade im Hinblick auf die Spendensammlungen verfügte das TCC nicht über Freiräume, aus denen sich die Gesamtorganisation zurückgezogen hätte. Die LTTE hatte die Beitreibung von Spenden in Deutschland nicht etwa aus ihrem Organisationsbereich ausgegliedert. Vielmehr gab es in Sri Lanka Zuständige für die "Auslandsfinanzen" (Sachakte Bd. II Reiter Erkenntnisse BfV Bl. 22). Die eigene Nähe der LTTE zu den "Spendensammlungen" wird aber vor allem dadurch belegt, dass sie angebliche Zahlungspflichten in Deutschland lebender Tamilen ausschließlich mittels Verschleppung oder Zwangsrekrutierung von Familienangehörigen in Sri Lanka durchzusetzen trachtete (Bl. 11, 25, 93). Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand kam dem TCC damit lediglich die Funktion zu, die Entscheidungsprozesse der ausländischen Kernorganisation bei gleichzeitiger Unterordnung unter deren Willensbildung im Inland umzusetzen und zu vollstrecken. Angesichts dieser Umstände sind dringende Anhaltspunkte für einen eigenständigen, von der ausländischen Vereinigung unabhängigen Willensbildungsprozess der TCC nicht ersichtlich.

18
(2) Eine eigene Willensbildung ist jedoch für eine Strafbarkeit nach § 129 StGB auch dann nicht entbehrlich, wenn sich im Inland organisatorische Strukturen zur Unterstützung der Ziele einer ausländischen Vereinigung gebildet haben. Zwar ist der Bundesgerichtshof in früheren Entscheidungen von einer Anwendbarkeit der §§ 129, 129 a StGB ausgegangen, wenn die ausländische Vereinigung zumindest in Form einer Teilorganisation auch auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland existierte und diese ihrerseits die Voraussetzungen der §§ 129, 129 a StGB erfüllte, wobei in diesen Fallkonstellationen nicht verlangt wurde, dass sich die organisierte Willensbildung innerhalb der inländischen Teilorganisation vollzog. Es genügte vielmehr, dass deren Mitglieder in die Willensbildung der ausländischen oder internationalen Organisation integriert waren und sich den auf dieser Ebene getroffenen Entschlüssen gegebenenfalls unter Zurückstellung ihrer individuellen Meinungen unterwarfen (vgl. BGH NJW 1966, 310, 312; BGH, Beschl. vom 12. Oktober 2001 - AK 14/01; Krauß in LK 12. Aufl. § 129 Rdn. 36; Schmidt NStZ-RR 2002, 161).
19
An dieser Auffassung kann aber mit Blick auf die Einführung des § 129 b StGB durch das 34. StrÄndG vom 22. August 2002 nicht mehr festgehalten werden. Die hierdurch veränderte Rechtslage lässt vielmehr die Verfolgung eines Mitglieds oder Unterstützers einer ausländischen Vereinigung (auch) unter dem Gesichtspunkt der Mitgliedschaft in oder Unterstützung einer inländischen Teilorganisation nach §§ 129, 129 a StGB nur noch dann zu, wenn die inländische Teilorganisation unabhängig von der ausländischen Gesamtorganisation auch einen eigenen Willensbildungsprozess vollzieht, dem sich ihre Mitglieder unterwerfen. Dies ergibt sich aus Folgendem:
20
§ 129 b StGB erfasst - soweit hier von Belang - nunmehr jede Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung durch eine im Inland ausgeübte Tätigkeit. Auf das Vorhandensein von Organisationsstrukturen der Vereinigung im Inland kommt es dabei nicht an. Es ist gerade die für § 129 b Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB typische Fallgestaltung, dass das Handeln des Täters im Inland bestimmt wird durch seine Einbindung in die ausländische Organisation und seine Unterwerfung unter die auf deren Ebene getroffenen Entscheidungen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es bei isoliertem Handeln eines Einzelnen verbleibt oder ob die Vorgaben der Gesamtorganisation ein Zusammenwirken des Täters mit anderen Beteiligten im Inland bedingen, denn allein aus einer gemeinschaftlichen Beteiligungshandlung im Inland lässt sich das Bestehen einer gesonderten Vereinigung im Sinne der §§ 129, 129 a StGB nicht ableiten.
21
Bilden die im Inland handelnden Mitglieder einer ausländischen Vereinigung keinen eigenständigen Gesamtwillen, so weist die Tat auch keinen Unrechtsgehalt auf, der über den bereits von § 129 b Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB erfassten hinausginge. Strafgrund der §§ 129 ff. StGB ist die erhöhte kriminelle Intensität, die in der Gründung oder Fortführung einer festgefügten Organisation ihren Ausdruck findet, die kraft der ihr innewohnenden Eigendynamik eine erhöhte Gefährlichkeit für wichtige Rechtsgüter der Gemeinschaft mit sich bringt (BGHSt 31, 202, 207). Diese für größere Personenzusammenschlüsse typische Eigendynamik hat ihre spezifische Gefährlichkeit darin, dass sie geeignet ist, dem einzelnen Beteiligten die Begehung von Straftaten zu erleichtern und bei ihm das Gefühl persönlicher Verantwortung zurückzudrängen (BGH NJW 1992, 1518). Ohne eine organisierte und auf Dauer angelegte Bildung eines Gesamtwillens , dem sich die einzelnen Mitglieder unter Zurückstellung ihrer individuellen Meinungen unterwerfen, kann sich eine solche Eigendynamik indes nicht entfalten (vgl. Miebach/Schäfer in MünchKomm-StGB § 129 Rdn. 4). Mangelt es der inländischen Gruppierung also an einer eigenständigen organisierten Willensbildung, so kann sie die bereits von der Gesamtorganisation ausgehende (abstrakte) Gefährdung der Allgemeinheit nicht noch weiter intensivieren.
22
Des weiteren knüpft § 129 b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB die Verfolgung der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch dann an eine Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und damit an eine besondere Prozessvoraussetzung (Krauß aaO Rdn. 31), wenn die Tat durch eine im Inland ausgeübte Tätigkeit begangen wird. Das Ermächtigungserfordernis dient der Wahrung der außenpolitischen Belange der Bundesrepublik Deutschland; so können gegen eine "undifferenzierte" Strafverfolgung dann durchgreifende Bedenken bestehen, wenn ein Prozess der Verständigung zwischen den Beteiligten an einem bewaffneten Konflikt im Ausland eingeleitet wurde (BTDrucks. 14/8893 S. 8). Es entspricht damit einer gesetzgeberischen Grundentscheidung , die Verfolgung einer Tat im Sinne des § 129 b Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB von der Prüfung abhängig zu machen, ob solche Belange im Einzelfall berührt sein können. Diese würde umgangen, nähme man unter Verzicht auf das Merkmal der eigenständigen Willensbildung gleichzeitig eine inländische Vereinigung an.
23
cc) Der Beschuldigte ist dringend verdächtig, sich den LTTE als Mitglied angeschlossen zu haben.
24
(1) Der Beteiligung an einer ausländischen Vereinigung als Mitglied steht - anders als der Generalbundesanwalt nunmehr in der Erwiderung auf die Beschwerde meint - nicht entgegen, dass sich der Täter ausschließlich im Inland und damit außerhalb des unmittelbaren Betätigungsgebiets der Kernorganisation aufgehalten hat; in einem solchen Falle bedürfen nur die tatbestandlichen Voraussetzungen der Mitgliedschaft besonderer Prüfung (BGHSt 54, 69 = NJW 2009, 3448 Rdn. 128). Die mitgliedschaftliche Beteiligung setzt allgemein voraus , dass der Täter sich, getragen von beiderseitigem übereinstimmendem Willen und angelegt auf eine gewisse Dauer, in die Organisation eingliedert, sich ihrem Willen unterordnet und eine aktive Tätigkeit zur Förderung ihrer Ziele entfaltet (BGH aaO Rdn. 123). Nach den oben dargelegten Erkenntnissen sind diese Voraussetzungen gegeben, denn der Beschuldigte hat sich willentlich in die nach Deutschland hineinreichende Hierarchie der LTTE eingegliedert und dort die ihm von der Organisation zugedachten Funktionen übernommen.
25
(2) Zwar hat sich der Beschuldigte zur Mitarbeit bei den LTTE nur deshalb bereiterklärt, weil er die Entlassung seiner in Sri Lanka zwangsrekrutierten Schwester erreichen wollte. Es spricht aber nichts für eine solche Zwangslage des Beschuldigten, dass er sich ohne willentliche Übereinstimmung mit der Organisation lediglich dem autoritären Verlangen ihrer Verantwortlichen unterworfen hätte. Der Mitgliedschaft steht auch nicht entgegen, dass die Tätigkeit des Beschuldigten von untergeordneter Art blieb, denn er hat dennoch den Zusammenhalt der Organisation gestärkt und zur Verwirklichung ihrer Ziele beigetragen. Gleichwohl ist festzuhalten, dass beide Umstände die Tat in milderem Licht erscheinen lassen und die Straferwartung deutlich einschränken.
26
2. Es besteht der Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO. Nach den Umständen ist zu besorgen, dass ohne die Festnahme des Beschuldigten die Verfolgung der Tat gefährdet wäre. Trotz der eingeschränkten Straferwartung bleibt eine nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit, dass sich der Beschuldigte, auf freien Fuß gesetzt, dem weiteren Strafverfahren durch Ausreise entziehen wird.
Er ist srilankischer Staatsangehöriger, hat in Sri Lanka familiäre Bindungen und ist nur für einen von vornherein begrenzten Zeitraum in der Bundesrepublik Deutschland eingereist. Weniger einschneidende Maßnahmen können den Zweck der Untersuchungshaft nicht erreichen (§ 116 Abs. 1 StPO). Der Beschuldigte ist nach den vorliegenden Erkenntnissen eingebunden in die nach Deutschland hereinreichenden Strukturen der LTTE und verfügt so über ein Netzwerk von Unterstützern, das ihm auch entgegen möglichen Auflagen und Weisungen ein Untertauchen wesentlich erleichtert.
27
3. Die Fortdauer der Untersuchungshaft ist noch verhältnismäßig. Erteilt das Bundesministerium der Justiz die erforderliche Ermächtigung zur Strafverfolgung (nachfolgend 4.), wird das Verfahren indes, auch wegen der eingeschränkten Straferwartung, alsbald zum Abschluss zu bringen sein. Weitere Ermittlungsansätze, die zur Vertiefung des Tatvorwurfs gegen den Beschuldigten führen könnten, sind gegenwärtig nicht ersichtlich. Der Senat geht deshalb davon aus, dass die Anklage noch vor der Haftprüfung nach § 121 Abs. 1 StPO erhoben werden kann.
28
4. Der Anordnung der Untersuchungshaft steht nicht entgegen, dass das Bundesministerium der Justiz am 28. Oktober 2009 erklärt hat, die nach § 129 b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur Strafverfolgung nicht zu erteilen. Ein endgültiges Verfahrenshindernis ist damit nicht eingetreten, denn nach dem Wortlaut der Erklärung hat das Bundesministerium der Justiz auf eine Ermächtigung nicht verzichtet. Es ist lediglich davon ausgegangen, eine Strafverfolgung werde auch ohne Ermächtigung möglich sein.
29
Indes ist dem Bundesministerium der Justiz nunmehr gemäß § 130 StPO eine Erklärungsfrist zu setzen, denn der Haftbefehl lässt sich nach den bisherigen Ermittlungen ausschließlich auf den dringenden Verdacht der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung stützen. Insbesondere haben sich über das Organisationsdelikt hinaus keine Hinweise auf konkrete dem Beschuldigten zuzurechnende Ausführungstaten ergeben.
Sost-Scheible Pfister Mayer
15
a) Die Kriterien, an denen die Einordnung einer Organisation als in- oder ausländische Vereinigung - im letzten Fall zudem als Vereinigung innerhalb oder außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union - auszurichten ist, sind gesetzlich nicht bestimmt und in der Gesetzesbegründung bei Einführung des § 129b StGB nicht näher erörtert worden (vgl. etwa BT-Drucks. 14/7025 S. 1, 6). In der Rechtsprechung (BGH, Beschluss vom 14. April 2010 - StB 5/10, BGHR StGB § 129 Gruppenwille 6) und dem Schrifttum (vgl. etwa Stein, GA 2005, 433, 443; Zöller, Terrorismusstrafrecht, 2009, S. 523; Nehring, Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland, 2007, S. 177 ff.; LK/Krauß, aaO § 129b Rn. 26 ff.) sind sie verschiedentlich angedeutet bzw. erörtert worden , indessen noch nicht abschließend geklärt. Hierzu gilt:

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.

(2) Eine Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,

1.
wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat,
2.
wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder
3.
soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten nach den §§ 84 bis 87 betreffen.

(4) Der Versuch, eine in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar.

(5) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern der Vereinigung gehört. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Zweck oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet ist, in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, b, d bis f und h bis o, Nummer 2 bis 8 und 10 der Strafprozessordnung genannte Straftaten mit Ausnahme der in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h der Strafprozessordnung genannten Straftaten nach den §§ 239a und 239b des Strafgesetzbuches zu begehen.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung nach den Absätzen 1 und 4 absehen.

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter

1.
sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können;
erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder
2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b
3.
(weggefallen)
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,

1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen,
2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1,
3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3,
4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder
5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, wenn eine der in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Taten bestimmt ist, die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und durch die Art ihrer Begehung oder ihre Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen kann.

(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.

(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.

(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).

(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person tötet,
2.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person als Geisel nimmt,
3.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person grausam oder unmenschlich behandelt, indem er ihr erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, insbesondere sie foltert oder verstümmelt,
4.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person sexuell nötigt oder vergewaltigt, sie zur Prostitution nötigt, der Fortpflanzungsfähigkeit beraubt oder in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen, eine unter Anwendung von Zwang geschwängerte Frau gefangen hält,
5.
Kinder unter 15 Jahren für Streitkräfte zwangsverpflichtet oder in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingliedert oder sie zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet,
6.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person, die sich rechtmäßig in einem Gebiet aufhält, vertreibt oder zwangsweise überführt, indem er sie unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen in einen anderen Staat oder in ein anderes Gebiet verbringt,
7.
gegen eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person eine erhebliche Strafe, insbesondere die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt oder vollstreckt, ohne dass diese Person in einem unparteiischen ordentlichen Gerichtsverfahren, das die völkerrechtlich erforderlichen Rechtsgarantien bietet, abgeurteilt worden ist,
8.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt, indem er
a)
an einer solchen Person Versuche vornimmt, in die sie nicht zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat oder die weder medizinisch notwendig sind noch in ihrem Interesse durchgeführt werden,
b)
einer solchen Person Gewebe oder Organe für Übertragungszwecke entnimmt, sofern es sich nicht um die Entnahme von Blut oder Haut zu therapeutischen Zwecken im Einklang mit den allgemein anerkannten medizinischen Grundsätzen handelt und die Person zuvor nicht freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
c)
bei einer solchen Person medizinisch nicht anerkannte Behandlungsmethoden anwendet, ohne dass dies medizinisch notwendig ist und die Person zuvor freiwillig und ausdrücklich eingewilligt hat, oder
9.
eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt,
wird in den Fällen der Nummer 1 mit lebenslanger Freiheitsstrafe, in den Fällen der Nummer 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen der Nummern 3 bis 5 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen der Nummern 6 bis 8 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in den Fällen der Nummer 9 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei verwundet, nachdem dieser sich bedingungslos ergeben hat oder sonst außer Gefecht ist, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.

(3) Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt

1.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 rechtswidrig gefangen hält oder ihre Heimschaffung ungerechtfertigt verzögert,
2.
als Angehöriger einer Besatzungsmacht einen Teil der eigenen Zivilbevölkerung in das besetzte Gebiet überführt,
3.
eine geschützte Person im Sinne des Absatzes 6 Nr. 1 mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht nötigt oder
4.
einen Angehörigen der gegnerischen Partei mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel nötigt, an Kriegshandlungen gegen sein eigenes Land teilzunehmen,
wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(4) Verursacht der Täter durch eine Tat nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 den Tod des Opfers, so ist in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Führt eine Handlung nach Absatz 1 Nr. 8 zum Tod oder zu einer schweren Gesundheitsschädigung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und 4 und des Absatzes 2 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 6 und des Absatzes 3 Nr. 1 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(6) Nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen sind

1.
im internationalen bewaffneten Konflikt: geschützte Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I (Anlage zu diesem Gesetz), namentlich Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige, Kriegsgefangene und Zivilpersonen;
2.
im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige sowie Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen und sich in der Gewalt der gegnerischen Partei befinden;
3.
im internationalen und im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt: Angehörige der Streitkräfte und Kämpfer der gegnerischen Partei, welche die Waffen gestreckt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.

(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.

(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.

(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.

(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet oder sich an einer Vereinigung als Mitglied beteiligt, deren Zweck oder Tätigkeit auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren bedroht sind. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine solche Vereinigung unterstützt oder für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt.

(2) Eine Vereinigung ist ein auf längere Dauer angelegter, von einer Festlegung von Rollen der Mitglieder, der Kontinuität der Mitgliedschaft und der Ausprägung der Struktur unabhängiger organisierter Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses.

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden,

1.
wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat,
2.
wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder
3.
soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten nach den §§ 84 bis 87 betreffen.

(4) Der Versuch, eine in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar.

(5) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern der Vereinigung gehört. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu erkennen, wenn der Zweck oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet ist, in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, b, d bis f und h bis o, Nummer 2 bis 8 und 10 der Strafprozessordnung genannte Straftaten mit Ausnahme der in § 100b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe h der Strafprozessordnung genannten Straftaten nach den §§ 239a und 239b des Strafgesetzbuches zu begehen.

(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung nach den Absätzen 1 und 4 absehen.

(7) Das Gericht kann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach diesen Vorschriften absehen, wenn der Täter

1.
sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Vereinigung oder die Begehung einer ihren Zielen entsprechenden Straftat zu verhindern, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß Straftaten, deren Planung er kennt, noch verhindert werden können;
erreicht der Täter sein Ziel, das Fortbestehen der Vereinigung zu verhindern, oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird er nicht bestraft.

(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.

(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.

(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.