Verwaltungsgericht Berlin Urteil, 27. Sept. 2019 - VG 35 K 30.19

bei uns veröffentlicht am28.07.2023

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
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VERWALTUNGSGERICHT BERLIN

URTEIL

Im Namen des Volkes
 

In der Verwaltungsstreitsache

 

1.      des Herrn A,

2.      der Frau B,

3.      des C,

- Gemeinschaftsunterkunft -,

vertreten durch den Vater, Herrn A,

vertreten durch die Mutter, Frau B,

zu 1 bis 3 wohnhaft:

Kläger,

 

Verfahrensbevollmächtigte(r)   zu  1 bis 3: BSP Rechtsanwälte,

Oranienburger Straße 69, 10117 Berlin,

 

g e g e n

 

die Bundesrepublik Deutschland,

 

vertreten durch das Bundesministerium des Innern, fü Bau und Heimat, dieses

vertreten durch

das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

- Außenstelle Berlin -,

Badensche Straße 23, 10715 Berlin,

Beklagte,

 

hat das Verwaltungsgericht  Berlin, 35. Kammer, durch den Richter Prein genannt Roggenkämper als Einzelrichter im Wege schriftlicher Entscheidung am 27. September 2019 für Recht erkannt:

 

Soweit die Kläger die Klagen zurückgenommen haben, wird das Verfahren eingestellt.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22. Dezember 2017 wird aufgehoben.

Die Kläger und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstre­ ckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Voll­ streckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Wesentlichen über die Zuständigkeit der Beklagten für die Durchführung des Asylverfahrens.

Die Kläger sind aserbaidschanische Staatsangehörige. Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) sind die Eltern des achtjährigen Klägers zu 3). Ein weiteres Kind ist im Jahr 2018 in Deutschland geboren und führt ein eigenständiges Verfahren unter dem Aktenzeichen VG 35 K 73.19 A. Die Kläger reisten zunächst mit dem PKW nach Georgien und von dort auf dem Luftweg am 26. September 2017 nach Griechenland ein. Hierbei waren die Kläger in Besitz von Litauen ausgestellter Sehengen-Visa, die vom 26. September 2017 bis zum 26. Oktober 2017 gültig waren. Sie suchten am 11. Oktober 2017 um Schutz nach und beantragten am 13. Oktober 2017 förmlich beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asyl.

Das Bundesamt hörte den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) am 16. Oktober 2017 an. Am 27. Oktober 2017 richtete das Bundesamt ein Aufnahmeersuchen an die litauischen Behörde, welches diese mit Schreiben vom 22. Dezember 2017 beantwortete und darin ihre Zuständigkeit annahm.

Mit Bescheid vom 22. Dezember 2017, zugestellt am 2. Januar 2018, lehnte das Bundesamt die Asylanträge der Kläger als unzulässig ab (Nr. 1 des Bescheids). Fer­ ner stellte es fest, dass keine Abschiebungsverbote vorliegen (Nr. 2 des Bescheids) und ordnete die Abschiebung nach Litauen an (Nr. 3 des Bescheids). Das Einreise­ verbot wurde auf sechs Monate befristet (Nr. 4 des Bescheids).

Mit ihren am 8. Januar 2018 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Klagen verfolgen die Kläger mit Klageanträgen, für deren Wortlaut auf BI. 2 der Gerichtsakte Bezug genommen wird, ihr Begehren weiter (vormaliges Aktenzeichen: VG 31 K 151.18 A) und haben zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht (VG 31 L 10.18 A). Die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Gericht mit Beschluss vom 15. Februar 2018 zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 31. Mai 2018 forderte das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin (Ausländerbehörde) die Kläger auf, sich am 4. Juni 2018 um 4:00 Uhr zur Durchführung ihrer Abschiebung beim Polizeipräsidenten in Berlin einzufinden (sog. Aufforderung zur Selbstgestellung). Nachdem die Kläger am besagten Tage der Aufforderung nicht nachgekommen waren, informierte das Bundesamt die litauischen Behörden am 4. Juni 2018, dass sich die Überstellungsfrist wegen Flüchtigseins auf achtzehn Monate verlängert habe.

Auf ihren Abänderungsantrag vom 17. Oktober 2018 (VG 31 L 905.18 A) ordnete das Gericht mit Abänderungsbeschluss  am selben Tage unter Abänderung des Beschlusses vom 15. Februar 2018 die aufschiebende Wirkung der Klagen an.

Die Kläger sind im Wesentlichen der Ansicht, dass die Überstellungsfrist abgelaufen und die Beklagte für die Durchführung ihres Asylverfahrens zuständig geworden sei.

Sie beantragen mit Schriftsatz vom 29. Oktober noch,

der Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 2017 wird aufgehoben.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie geht von einer wirksamen Verlängerung der Überstellungsfrist infolge Flüchtig­ seins aus.

Mit Beschluss vom 18. Oktober 2018 hat die 31. Kammer den Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Die Verfahrensbeteiligten haben sich mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2018 bzw. allgemeiner Prozesserklärung vom 27. Juni 2017 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Die Entscheidung im Verfahren des weiteren Kindes ist mit Urteil vom heutigen Tage ergangen (VG 35 K 73.19 A).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts­ akte, ferner auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Ausländerakten der Ausländerbehörde Bezug genommen, die dem Gericht vorgelegen haben und jeweils Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

1.   Über die Klagen entscheidet der Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung, da das Verfahren gemäß § 76 Abs. 1 des Asylgesetzes - AsylG - auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden ist und die Beteiligten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

Das Verfahren ist gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen, soweit die Kläger ihre Kla­ gen hinsichtlich der zunächst mit den Klagen verfolgten Verpflichtungsbegehren hin­ sichtlich einer Anerkennung als Asylberechtigte, der Zuerkennung der Flüchtlingsei­ genschaft und Hilfsanträgen zurückgenommen haben. Nach Auslegung (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) enthält die Beschränkung auf den Aufhe­ bungsantrag mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2018 eindeutig eine Rücknahmeerklä­ rung im Übrigen (BFH, Beschluss vom 1. Oktober 1999 - VII R 32/98 -, NVwZ-RR 2000, 334).

2.    Die noch anhängigen Klagen haben Erfolg.

a)    Sie sind zulässig. Sie sind insbesondere als Anfechtungsklagen nach § 42 Abs. 1 1. Alt VwGO gegen alle in den Ziffern 1) bis 4) des Bescheides vom 22. Dezember 2017 getroffenen Verfügungen statthaft (ausführlich VG Berlin, Urteil vom 26. Febru­ ar 2019 - VG 31 K 230.18 A -, juris Rn. 19 ff. m.w.N.).

b)    Die Klagen sind auch begründet. Der Bescheid vom 22. Dezember 2017 ist im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 2. Hs AsylG) rechts­ widrig geworden und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Ablehnung des Schutzbegehrens als unzulässig ist § 29 Abs. 1 Nr. 1 a) AsylG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist - Dublin 111-VO -, ein anderer Staat für die Durchführung des Asylver­ fahrens zuständig ist. Dies ist vorliegend nicht mehr der Fall.

Zwar mag hier zunächst Litauen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig gewesen sein (vgl. insoweit den Beschluss vom 15. Februar 2018 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren [VG 3.1 L 150.18 A]). Die Beklagte ist aber aufgrund des Ab­ laufs der Überstellungsfrist mittlerweile für die Durchführung des Asylverfahrens zu­ ständig geworden.

Nach Art. 29 Abs. 1 Dublin 111-VO erfolgt die Überstellung des Asylantragstellers in den zuständigen Mitgliedstaat, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens in­ nerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wie­ deraufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Ent­ scheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin 111-VO aufschiebende Wirkung hat. Nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin 111-VO ist der zuständige Mitgliedstaat jedoch nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und geht die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat über, wenn die Überstellung nicht innerhalb von sechs Monaten durchgeführt wird. Gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin 111-VO kann diese Frist höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung auf­ grund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist.

Ein solcher Zuständigkeitswechsel  ist erfolgt. Die Überstellungsfrist ist am 20. August 2018, nämlich sechs Monate nach Bekanntgabe des Beschlusses vom 15. Februar 2018 (VG 31 L 151.18 A), abgelaufen. Insoweit wird zunächst auf die zutreffende Begründung des Beschlusses vom 17. Oktober 2018 (VG 31 L 905.18 A) verwiesen, dort S. 2 aE bis S. 3.

Anders als die Beklagte annimmt, hat sich die Überstellungsfrist nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin 111-VO verlängert. Die Kläger waren bis zum Ablauf der sechs­ monatigen Überstellungsfrist  nicht „flüchtig".

Eine Person ist flüchtig im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin 111-VO, wenn sie sich den für die Durchführung der Überstellung zuständigen nationalen Behörden gezielt entzieht, um die Überstellung zu vereiteln.  Dies kann angenommen  werden, wenn die Überstellung  nicht durchgeführt werden kann, weil die Person die ihr zu­ gewiesene Wohnung  verlassen  hat, ohne die zuständigen  nationalen  Behörden  über ihre Abwesenheit  zu informieren, sofern sie über die ihr insoweit obliegenden  Pflich­ ten unterrichtet wurde.  Da allerdings nicht ausgeschlossen werden kann, dass es stichhaltige Gründe dafür gibt, dass eine Person den zuständigen  Behörden  ihre Abwesenheit  nicht mitgeteilt  hat, muss ihr die Möglichkeit des Nachweises erhalten bleiben, dass sie nicht beabsichtigte,  sich den Behörden zu entziehen  (vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-163/17 - [Jawo], juris  Rn. 53 ff.).

Angesichts der erheblichen Folgen, die eine Verlängerung der Überstellungsfrist für den Betroffenen hat, und des Ausnahmecharakters der Regelung wird ihre Anwen­dung zudem durch den auch europarechtlich fundierten Grundsatz der Verhältnis­ mäßigkeit beschränkt. Unerheblich kurze Verzögerungen des Überstellungszugriffs werden daher regelmäßig außer Betracht zu bleiben haben (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet vom 25. Juli 2018 - Rs. C-163/17 - Rn. 59, 68; VG Ans­ bach, Beschluss vom 29. August 2017 - AN 14 E 17.50998 -, juris Rn. 37).

Unter Zugrundelegung des vorgenannten Maßstabs begründete es kein Flüchtigsein, dass die Kläger der ihnen mit Schreiben vom 31. Mai 2018 übermittelten „Aufforde­ rung zur Selbstgestellung", sich am 4. Juni 2018 um 4.00 Uhr zwecks Durchführung der geplanten Abschiebung bei der Polizei einzufinden, nicht Folge geleistet haben.

Zum Zeitpunkt der geplanten Abschiebung am 4. Juni 2018 waren die Kläger einem staatlichen Vollstreckungszugriff schon nicht entzogen. Es bestehen keine Anhalts­ punkte, dass sich die Kläger nicht regelmäßig unter ihrer Meldeanschrift tatsächlich aufgehalten hätten. Einer zu diesem Zeitpunkt versuchten zwangsweisen Durchset­ zung der Ausreisepflicht hätte daher nicht die Unauffindbarkeit der Kläger entgegen­ gestanden. Da eine solche Direktabschiebung nicht unternommen wurde, können sich die Kläger ihr auch nicht in anderer Form entzogen haben.

Ferner ist den Klägern kein Verstoß gegen eine ihnen bekannte Mitwirkungspflicht vorzuwerfen, die der zwangsweisen Durchsetzung ihrer Ausreisepflicht diente. Sie waren nicht verpflichtet, an der zwangsweisen Durchsetzung ihrer Ausreisepflicht durch eine Selbstgestellung mitzuwirken.

Eine Verpflichtung, einer späteren „Aufforderung zur Selbstgestellung" Folge zu leis­ten, resultiert nicht bereits aus dem Bescheid vom 22. Dezember 2017 und der darin enthaltenen Abschiebungsanordnung. Denn die dadurch begründete gesetzliche Ausreisepflicht (§ 50 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - i.V.m. § 67 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 34a Abs. 2 S. 4 AsylG) beinhaltet keine Verpflichtung zu einer aktiven Mit­ wirkung in Form einer freiwilligen eigeninitiativen Ausreise oder einer freiwilligen Selbstgestellung zur Abschiebung.  Der Ausreisepflichtige  hat vielmehr ein Wahl­ recht, ob er freiwillig ausreist oder seine zwangsweise Abschiebung in Kauf nimmt und ggf. duldet.

Zwar mag die eigeninitiative Ausreise bzw. freiwillige Selbstgestellung gegenüberder zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht mittels polizeilicher Abholung in der  Unterkunft und Begleitung zum Flughafen (sog. Direktabschiebung) ein milderes Mittel darstellen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass den Adressaten einer Ab­ schiebungsanordnung keine Pflicht trifft, die Eingriffsintensität dadurch zu minimie­ ren, dass er selbst ausreist bzw. sich selbst stellt, um sich abschieben zu lassen (vgl. VG Berlin, Urteil vom 31. Mai 2018 - VG 22 K 462.17 A -, juris Rn. 34; Be­ schluss vom 9. März 2018 - VG 28 L 129.18 A -, juris Rn. 14; Beschluss vom 23.Februar 2018 - VG 3 L 49.18 A -, juris Rn. 12, jeweils m.w.N.).

Eine Verpflichtung zur Selbstgestellung ergibt sich auch nicht aus der entsprechen­ den Aufforderung im Schreiben vom 31. Mai 2018.

Dieses Schreiben stellt keinen Verwaltungsakt dar, dessen Vollziehbarkeit für sich genommen eine Verpflichtung zur Mitwirkung begründen würde. Denn ein Rege­ lungswille der Ausländerbehörde, eine Ordnungsverfügung zu erlassen, mit der zu­ sätzliche Pflichten des Ausländers begründet werden, ist dem Schreiben nicht zu entnehmen. Die hierfür in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen - § 46 Abs. 1 AufenthG bzw. § 82 Abs. 4 AufenthG - werden in dem Schreiben nicht benannt.

Ebenso fehlt es an einer Rechtsbehelfsbelehrung.

Auch könnte entgegen der von der Beklagten in anderen Verfahren vertretenen An­ sicht eine Aufforderung zur Selbstgestellung nicht auf § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG gestützt werden (vgl. ausführlich VG Berlin, Urteil vom 26. Februar 2019 - VG 31 K 230.18 A -, juris Rn. 41 m.w.N.).

Ebenso wenig konkretisiert das Schreiben vom 31. Mai 2018 eine gesetzliche Mitwir­ kungsverpflichtung der Kläger.

Die asylrechtliche Mitwirkungspflicht nach § 15 AsylG erstreckt sich nicht auf eine Selbstgestellung zur Abschiebung. Denn die in § 15 Abs. 2 Nr. 3 AsylG bestimmte Verpflichtung, gesetzlichen und behördlichen Anordnungen Folge zu leisten, sich bei bestimmten Behörden oder Einrichtungen zu melden oder dort persönlich zu er­ scheinen, dient nach § 15 Abs. 1 AsylG lediglich dem Zweck, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirke , welcher im Rahmen einer Überstellung nicht mehr verfolgt wird (vgl. VG Berlin, Urteil vom 31. Mai 2018 - VG 22 K 462.17 A -, juris Rn. 51).

 

Schließlich begründet auch das Unionsrecht und insbesondere die Durchführungs­ verordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verord­ nung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsan­ gehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist

- Durchführungs-VO - keine Verpflichtung des Betroffenen, durch Selbstgestellung an seiner Abschiebung mitzuwirken (vgl. ausführlich VG Berlin, Urteil vom 26. Feb­ ruar 2019 - 31 K 230.18 A -, juris Rn. 46).

Auch konnte die bereits abgelaufene Überstellungsfrist durch den Abänderungsbe­ schluss vom 17. Oktober 2018 (VG 31 L 905.18 A), mit dem die aufschiebende Wir­ kung der Klagen angeordnet wurde, nicht mehr unterbrochen werden. Denn eine Fristunterbrechung setzt voraus, dass die zu unterbrechende Frist noch läuft, was hier - wie dargelegt - nicht mehr der Fall war.

Erweist sich der Asylantrag danach nicht mehr als unzulässig, so fehlt nunmehr auch eine Grundlage für die Feststellung des Nichtvorliegens von Abschiebungsverboten gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 AsylG, die Anordnung der Abschiebung gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthalts­ verbots gemäß § 11 Abs. 2 i.V.m. § 75 Nr. 12 AufenthG.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Die Ent­ scheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO und § 708 Nr. 11 i.V.m. § 711 der Zivilprozessordnung - ZPO -.

Prein genannt Roggenkämpfer

Richter

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