Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 23. Sept. 2022 - 19 K 297/22

bei uns veröffentlicht am05.05.2024

Rechtsgebiete

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

EnglischDeutsch

Gericht

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen

Beteiligte Anwälte

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
EnglischDeutsch
Zusammenfassung des Autors

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gab am 23.09.2022 in zwei Verfahren (19 K 297/22 und 19 K 317/22) Zuwendungsempfängern Recht, die sich gegen Rückforderungen erhaltener Corona-Finanzhilfen gewandt hatten.

Tenor

Der Schlussbescheid des Beklagten vom 17. Dezember 2021 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist selbstständiger Veranstaltungstechniker. Mit Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie und der anlässlich dessen auch in Nordrhein-Westfalen erlassenen infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Ansteckungsgeschehens (sogenannter "Harter Lockdown") wurden die Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Betätigung und Umsatzerzielung erheblicher Teile der Bevölkerung, namentlich im Dienstleistungssektor, in massiver Weise eingeschränkt. Hiervon war auch der Kläger betroffen.

Zur Milderung der hiermit einhergehenden wirtschaftlichen Notlage der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer legte der Bund das Hilfsprogramm "Corona-Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Soloselbstständige" auf. Hierzu veröffentlichte das damalige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zusammen mit dem Bundesministerium für Finanzen unter dem 23. März 2020 ein Eckpunktepapier und nachfolgend ein Kurzfaktenpapier vom 30. März 2020.

Auf Grundlage einer entsprechenden Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und dem beklagten Land übernahm Letzteres die eigenverantwortliche Organisation, Bewilligung und Auszahlung der Soforthilfen. Dabei entschied sich das beklagte Land dazu, die Bundesmaßnahme für gewerbliche Kleinunternehmen vollständig an die Zielgruppe (Unternehmen mit bis zu 10 Beschäftigen) weiterzureichen und zugleich auf gewerbliche Kleinunternehmen bis einschließlich 50 Beschäftigte im Rahmen eines eigenen Soforthilfeprogramms auszuweiten. Beide Maßnahmen wurden in der "NRW-Soforthilfe 2020" gebündelt. Die federführende Verantwortung für die Organisation und Ausgestaltung des Programms lag beim damaligen Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen (nachfolgend: Landeswirtschaftsministerium). Eine Beantragung der NRW-Soforthilfen konnte im Zeitraum zwischen dem 27. März 2020 und dem 31. Mai 2020 erfolgen. Hierzu war auf der Internet-Seite des Landeswirtschaftsministeriums,

https://www.wirtschaft.nrw/nrwsoforthilfe-2020,

ein Antragsformular

"Antrag auf Gewährung einer Soforthilfe für von der Corona-Krise 03/2020 besonders geschädigte Unternehmen und Angehörige Freier Berufe einschließlich Soloselbstständige aus dem Soforthilfeprogramm des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen sowie dem Bundesprogramm "Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Soloselbstständige"

abrufbar. Im Rahmen dieses Internetauftritts waren sogenannte "FAQ" (Frequently Asked Questions) in mindestens 13 nachfolgend veröffentlichen Versionen bereitgestellt, deren Inhalt während des laufenden Bewilligungsverfahrens kontinuierlich verändert bzw. ergänzt wurde.

Auszugsweise befanden sich in den "FAQ" u.a. folgende Aussagen (Anmerkung der Kammer: Soweit nicht gesondert darauf hingewiesen, befanden sich die Aussagen (annährend) inhaltsgleich jeweils auch in nachfolgenden FAQ-Versionen; Hervorhebungen erfolgten jeweils im Original)

Version vom 25.03.2020

"Wird geprüft, ob dem Antragsteller die Hilfe auch wirklich zugestanden hat und wenn nein, muss die Hilfe dann ggfls. zurückgezahlt werden?

Der Antragsteller versichert in dem Formular, dass er alle Angaben nach bestem Wissen und Gewissen und wahrheitsgetreu gemacht hat. Falsche Angaben, die zu einer unberechtigten Inanspruchnahme der Leistungen führen, sind Subventionsbetrug. Die Leistung muss dann nicht nur zurückgeführt werden, es kann dann zu einer strafrechtlichen Verfolgung kommen. Der Antragsteller ist gehalten, den Zuschuss in seiner Steuererklärung für 2020 aufzunehmen. Da dem Antrag die Steuernummer bzw. die Steuer-ID beizufügen ist, hat das Finanzamt die Möglichkeit, die Plausibilität der Inanspruchnahme im Nachhinein zu überprüfen.

Der Zuschuss wird als sogenannte Billigkeitsleistung ausgezahlt. Auch im Falle einer Überkompensation (z.B. durch Versicherungsleistungen oder andere Fördermaßnahnahmen) muss die erhaltene Soforthilfe zurückgezahlt werden.

[...]

Muss nachgewiesen werden, wofür der Zuschuss eingesetzt wird?

Nein, ein solcher Nachweis muss nicht erbracht werden."

Version vom 26.03.2020

"Was wird gefördert?

Die Unternehmen sollen bei Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz und Überbrückung von akuten Finanzierungsengpässen, u.a. für laufende Betriebskosten wie Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten u.a. sowie dem Erhalt von Arbeitsplätzen durch einen Zuschuss unterstützt werden (Zur Reduzierung von Personalkosten gibt es das Kurzarbeitergeld.)

Voraussetzung erhebliche Finanzierungsengpässe und wirtschaftliche Schwierigkeiten in Folge von Corona. Dies wird angenommen, wenn

- mehr als die Hälfte der Aufträge aus der Zeit vor dem 1. März durch die Corona-Krise weggefallen sind

oder

- sich für den Monat, in dem der Antrag gestellt wird, ein Umsatz- bzw. Honorarrückgang von mindestens 50 Prozent verglichen mit dem durchschnittlichen monatlichen Umsatz (bezogen auf den aktuellen und die zwei vorangegangenen Monate) im Vorjahr ergibt. Rechenbeispiel: Durchschnittlicher Umsatz Januar bis März 2019 10.000 Euro, aktueller Umsatz März 2020 5.000 Euro. Kann der Referenzmonat nicht herangezogen werden (z.B. bei Gründungen) gilt der Vergleich mit dem Vormonat)

oder

- der Umsatz durch eine behördliche Auflage im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie massiv eingeschränkt wurde

oder

- die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten des Unternehmens (bspw. Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten) zu zahlen (=Finanzierungsengpass)

Der Antragsteller muss versichern, dass der Finanzierungsengpass nicht bereits vor dem 1. März bestanden hat. Der Antragsteller muss zusätzlich erklären, dass sich das Unternehmen zum Stichtag 31. Dezember 2019 nicht um ein "Unternehmen in Schwierigkeiten" handelte."

(Anmerkung: in etwas anderer Form bereits in der Version vom 25.03. enthalten; ab der Version vom 28.03. hinsichtlich der zweiten und dritten Variante wiederum mit geänderten Wortlaut, insbesondere geänderter Vergleichsgröße hinsichtlich des Umsatzrückgangs)

"Wie ist eine Überkompensation definiert?

Eine Überkompensation entsteht dann, wenn der Antragsteller mehr Zuwendungen erhält, als erforderlich wäre, um den Finanzierungsengpass zu beseitigen.

[...]

Wird immer der Maximalbetrag ausgezahlt?

Ja. Die Zuschüsse sind nach Mitarbeiterzahl gestaffelt. Innerhalb der entsprechenden Staffelung erhalten Sie den vollen Betrag. Bis zu 5 Mitarbeiter 9.000 Euro, bei bis zu 10 Mitarbeitern 15.000 Euro und bei bis zu 50 Mitarbeitern 25.000 Euro. Bei Überkompensation können Beträge zurückgefordert werden."

Version vom 27.03.2020

"Wie ist eine Überkompensation definiert?

Eine Überkompensation entsteht dann, wenn der Antragsteller mehr Zuwendungen erhält, als sein tatsächlich eingetretener Schaden - also insbesondere der durch die Corona-Krise eingetretene Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung) ist. Überkompensation ist nach der dreimonatigen Förderphase zurückzuerstatten."

Version vom 29.03.2020

"Wofür darf der Zuschuss genutzt werden?

Der Zuschuss kann genutzt werden, um finanzielle Engpässe, wie z.B. Bankkredite, Leasingraten, Mieten usw. zu bedienen. [...].

Soloselbständige im Haupterwerb beziehen ihren Lebensunterhalt aus ihrer selbstständigen Tätigkeit und müssen daher auch ihr eigenes Gehalt erwirtschaften, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Sofern der Finanzierungsengpass beim Soloselbstständigen im Haupterwerb dazu führt, dass er sein regelmäßiges Gehalt nicht mehr erwirtschaften kann, dient die Soforthilfe auch dazu, das eigene Gehalt und damit den Lebensunterhalt zu finanzieren.

(Anmerkung: letzter Absatz war nur in den Versionen vom 29.03. und vom 31.03. enthalten.)

Die Bewilligung und Auszahlung der Hilfeleistungen erfolgte anschließend durch die örtlich zuständigen Bezirksregierungen.

Am 27. März 2020 beantragte der Kläger unter Verwendung des genannten Antragsformulars die Bewilligung einer Soforthilfe in Höhe von 9.000,- €. In dem Antragsformular heißt es unter

"5. Art und Umfang der Förderung:

Die Soforthilfe wird als Billigkeitsleistung auf der Grundlage der Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 ("Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020") zur Überwindung der existenzbedrohlichen Wirtschaftslage bzw. des Liquiditätsengpasses gewährt."

In dem Formular gab der Kläger zudem u.a. folgende vorgegebene Erklärungen ab:

"6.1

Ich versichere, dass meine wirtschaftliche Tätigkeit durch die COVID-19-Pandemie wesentlich beeinträchtigt ist, da entweder

- mehr als die Hälfte der Aufträge aus der Zeit vor dem 1. März 2020 durch die COVID-19-Pandemie weggefallen sind oder

- die Umsätze gegenüber dem Vorjahresmonat mehr als halbiert sind (Gründungen: Vormonat) oder

- die Umsatzerzielungsmöglichkeiten durch eine behördliche Auflage im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie massiv eingeschränkt wurden oder

- die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens zu erfüllen (z.B. Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten)

[...]

6.2

Ich versichere, dass die in Nr. 1.1. benannten Antragsvoraussetzungen sämtlich vorliegen und ein Liquiditätsengpass nicht bereits vor dem 1. März bestanden hat.

[...]

6.11

Mir ist bekannt, dass ich den Zuschuss als Billigkeitsleistung erhalte und im Falle einer Überkompensation (Entschädigungs-, Versicherungsleistungen, andere Fördermaßnahmen) die erhaltene Soforthilfe zurückzahlen muss".

Nachfolgend bewilligte die Bezirksregierung Münster dem Kläger mit Bescheid vom selben Tag die Gewährung einer Soforthilfe in beantragter Höhe. Der Betrag wurde dem Kläger am 1. April 2020 ausgezahlt. In dem Bescheid hieß es auszugsweise:

"1. Bewilligung

Auf Ihren o. g. Antrag bewillige ich gemäß § 53 LHO i. V. m. dem Programm zur

Gewährung von Soforthilfen aus dem Bundesprogramm "Corona-Soforthilfen für

Kleinstunternehmen und Selbständige" und dem ergänzenden Landesprogramm "NRW-Soforthilfe 2020" eine Soforthilfe i. H. v.

9000,00 €

(in Worten: neuntausend Euro)

als einmalige Pauschale.

[...]. Bei der Soforthilfe handelt es sich um eine Kleinbeihilfe gemäß der Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 ("Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020").

2. Aufrechnungsverbot

Für die bewilligte Soforthilfe gilt ein direktes Verrechnungs- beziehungsweise

Aufrechnungsverbot mit bereits bestehende Kreditlinien beim jeweiligen Kreditinstitut. Bei Überweisung der Soforthilfe darf es nicht zu einer zwangsläufigen Bedienung bereits bestehender Kontokorrentforderungen oder sonstiger Zins- und Tilgungsforderungen kommen. Die bewilligte Soforthilfe muss vollumfänglich zur Kompensation der unmittelbar durch die Corona-Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Engpässe genutzt werden. Ihnen als Empfänger/-in obliegt die Entscheidung, welche Forderungen mit höchster Relevanz für die Existenzsicherung ausgestattet sind (bspw. Mietforderungen, Lieferantenforderungen) und daher vorrangig durch den Zuschuss bedient werden sollen. [...]

II. Nebenbestimmungen

Die Soforthilfe wird unter folgenden Nebenbestimmungen gewährt:

1. [...]

2. Grundlage und Bestandteil des Bescheides ist Ihr Antrag vom 27.3.2020.

3. Sollten Sie am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums feststellen,

dass diese Finanzhilfe höher ist als Ihr Umsatzausfall abzüglich eventuell

eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung) und Sie die Mittel nicht (vollständig)

zur Sicherung Ihrer wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich Ihres

Liquiditätsengpasses benötigen, sind die zu viel gezahlten Mittel auf

das Konto der Landeskasse [...] unter Angabe des

Aktenzeichens zurückzuzahlen.

[...].

4. Die Finanzhilfe ist zurückzuerstatten, wenn der Bescheid aufgrund falscher oder unvollständiger Angaben erteilt wurde oder Entschädigungsleistungen, Versicherungsleistungen und/oder andere Fördermaßnahmen einzeln und/oder zusammen zu einer Überkompensation führen. Darlehen sind von einer Anrechnung ausgenommen.

In diesem Fall ist die gewährte Soforthilfe vom Eintritt der Überkompensation

an mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinsatz nach § 247 BGB jährlich

nach Maßgabe des § 49a Abs. 3 VwVfG NRW zu verzinsen.

5. Ich behalte mir im Einzelfall eine Prüfung der Verwendung der Soforthilfe vor.

In diesem Fall ist die Bewilligungsbehörde berechtigt, Bücher, Belege und sonstige Geschäftsunterlagen anzufordern sowie die Verwendung der Soforthilfe durch örtlich Erhebungen zu prüfen oder durch Beauftragte prüfen zu lassen. Sie haben die erforderlichen Unterlagen bereitzuhalten und die notwendigen Auskünfte zu erteilen. Die Bewilligungsbehörde, Ihr zuständiges Finanzamt, der Landesrechnungshof NRW sowie die nachgeordneten Behörden (vgl. § 91 LHO), der Bundesrechnungshof, das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und die Europäische Kommission sind ebenfalls berechtigt, Prüfungen vorzunehmen."

Am 31. Mai 2020, dem letzten Tag des Bewilligungszeitraums, veröffentlichte das Landeswirtschaftsministerium die "Richtlinie des Landes zur Gewährung von Soforthilfen für gewerbliche Kleinunternehmen, Selbstständige und Angehörige Freier Berufe, die infolge der Sars-CoV-2-Pandemie in ihrer Existenz gefährdet sind" (nachfolgend: Soforthilferichtlinie) im Rahmen eines Runderlasses. Dieser gelte nach Ziffer 9. mit Wirkung vom 27. März 2020.

Unter dem 3. Juli, dem 5. Oktober und dem 2. Dezember 2020 sowie dem 14. Juni 2021 versandte der Beklagte an sämtliche Antragsteller E-Mails, in denen er auf die Notwendigkeit zur Durchführung eines Rückmeldeverfahrens, den hierfür bereit gestellten Vordruck sowie auf aus seiner Sicht geltende Regelungen und Fristen hinwies.

In einem den Vordrucken vorangestellten Informationsschreiben ist u.a. folgendes festgehalten:

"3. Erfassung eines Liquiditätsengpasses

Ein Liquiditätsengpass liegt vor, wenn im dreimonatigen Förderzeitraum die tatsächlich fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb nicht ausgereicht haben, um die tatsächlich laufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzausgaben zu bezahlen. Private und betriebliche Finanzreserven müssen nicht berücksichtigt werden."

Den entsprechenden Vordruck füllte der Kläger am 28. Oktober 2021 aus und übersandte diesen. Hierbei machte er für den gewählten Förderzeitraum vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 insbesondere folgende Angaben:

1. Monat

2. Monat

3. Monat

bereinigte Einnahmen

1.815

708

Ausgaben

1.482

3.458

1.491

Liquiditätsengpass pro Monat

333

- 2.750

- 1.491

Summer des betrieblichen Liquiditätsengpasses für den gesamten Förderzeitraum

- 3.908

Fiktiver Unternehmerlohn(Pauschale i.H.v. 2.000,-; nur angesetzt, wenn Voraussetzungen unter "Fiktiver Unternehmerlohn" erfüllt sind)

2.000

Gesamtergebnis Liquiditätsengpass

- 5.908

Ausgehend von dem so ermittelten Liquiditätsengpass ergab sich ein Rückzahlungsbetrag des Klägers von 3.092 Euro als Differenz zwischen der ausgezahlten Soforthilfe und dem Liquiditätsengpass (9.000,- € - 5.908 €).

Unter dem 17. Dezember 2021 erließ der Beklagte den dem Kläger am selben Tag per E-Mail übermittelten und mit "Schlussbescheid" überschriebenen streitbefangenen Bescheid. In Ziffer 1. des Bescheides stellte er einen Liquiditätsengpass in Höhe von 5.908 Euro fest und setzte entsprechend in Ziffer 2. die Höhe der Soforthilfe auf diesen Betrag fest. Zugleich forderte er den Kläger in Ziffer 3. dazu auf, den überbezahlten Betrag bis zum 31. Oktober 2022 an die Landeshauptkasse zurückzuzahlen. Zur Begründung führte der Beklagte insbesondere folgendes aus:

Die Feststellung des Liquiditätsengpasses und die Festsetzung der Soforthilfe beruhe auf § 53 LHO NRW i. V. m. der Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch von Sars-CoV-2 ("Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020"), der Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen über die "Corona-Soforthilfen insbesondere für kleine Unternehmen und Solo-Selbstständige" vom 01.04.2020 einschließlich der dazu erlassenen Vollzugshinweise sowie den Soforthilfe-Richtlinien. Nach Ziffern 3.1, 3.2, 5.2 und 5.3 der Soforthilfe-Richtlinien werde die NRW-Soforthilfe 2020 antragsberechtigten Leistungsempfängern, die die Antragsvoraussetzungen erfüllten, zunächst in voller Höhe gewährt. Die endgültige Festsetzung erfolge nach Meldung der Berechnung der Höhe des Liquiditätsengpasses. Ergebe sich dabei, dass der vorläufig vollständig gezahlte Soforthilfebetrag nicht oder nur teilweise vom Liquiditätsengpass abgedeckt sei, werde die Soforthilfe nur in Höhe des Liquiditätsengpasses gewährt; anderenfalls sei die vorläufige Zahlung endgültig. Auf dieser Grundlage sei ein Liquiditätsengpass in Höhe von 5.908 Euro festzustellen und eine Soforthilfe in Höhe von 5.908 Euro festzusetzen gewesen. Auf den Antrag des Klägers sei ihm als antragsberechtigten Leistungsempfänger die Soforthilfe zunächst vorläufig gemäß Nr. 3 der Nebenbestimmungen des Bewilligungsbescheides über den Billigkeitszuschuss in Höhe von 9.000 Euro ausgezahlt worden. Dieser Betrag werde von dem von ihm gemeldeten Betrag des Liquiditätsengpasses in Höhe von 5.908 Euro nicht vollständig abgedeckt. Es verbleibe ein Differenzbetrag von 3.092 Euro.

Die Rückforderung des überbezahlten Differenzbetrages beruhe im Übrigen auf § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW in entsprechender Anwendung.

Der Kläger hat am 17. Januar 2022 Klage erhoben.

Er rügt zunächst, dass die durch den Beklagten im Schlussbescheid getroffene Feststellung eines Liquiditätsengpasses in Ziffer 1. rechtswidrig sei, weil darin die Höhe seines Umsatzausfalles nicht berücksichtigt worden sei. Das alleinige Abstellen auf einen Liquiditätsengpass widerspreche Ziffer II. 3 des Bewilligungsbescheides. Diese Ziffer habe auch durch die erst später erlassene Soforthilferichtlinie nicht mehr abgeändert werden können. Ohnehin verstoße die Soforthilferichtlinie gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Die vom Beklagten vertretene Auffassung, dass der Begriff des Umsatzausfalles "untechnisch" zu verstehen und allein im Zusammenhang mit der Feststellung eines Liquiditätsengpasses relevant sei, widerspreche dem für die Auslegung des Bewilligungsbescheides maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont. Dem Wortlaut des Bescheides, dessen Zweckbestimmung sowie dem Antragsformular und den "FAQ" lasse sich nicht entnehmen, dass die Soforthilfe ausschließlich zur Deckung eines Liquiditätsengpasses habe verwendet werden dürfen und deren Höhe daher von der Höhe eines Liquiditätsengpasses abhänge. Zudem sei die Feststellung des Liquiditätsengpasses auch deshalb rechtswidrig, weil diese seine tatsächlichen Lebenshaltungskosten unberücksichtigt lasse und ihm stattdessen nur einen "fiktiven Unternehmerlohn" zubillige. Seine Lebenshaltungskosten gehörten ebenso zu seiner wirtschaftlichen Existenz. Bei Berücksichtigung dieser Positionen hätte ihm die Soforthilfe in voller Höhe zugestanden. Insoweit sei auch die Festsetzung der Höhe der Soforthilfe in Ziffer 2. des angefochtenen Bescheides rechtswidrig.

Ziffer 3. des Schlussbescheides sei rechtswidrig, weil es für ein Erstattungsverlangen analog § 49a VwVfG NRW an einem vorläufigen Verwaltungsakt fehle. Der Bewilligungsbescheid habe nicht unter dem Vorbehalt einer nur vorläufigen Regelung gestanden. Nach einer am Empfängerhorizont des Adressaten ausgerichteten Auslegung des Bewilligungsbescheides lasse sich ein entsprechender Vorbehalt nicht feststellen. Der Schlussbescheid lasse sich im Übrigen auch weder in eine Rücknahme noch einen Widerruf umdeuten.

Zudem verstoße das vollautomatisierte Rückmeldeverfahren gegen § 35a VwVfG NRW. Schließlich verletze der Bewilligungsbescheid auch Art. 22 Abs. 1 und 3 DSGVO.

Der Kläger beantragt,

den Schlussbescheid des Beklagten vom 17. Dezember 2021 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht geltend, dass der Bewilligungsbescheid nur einen vorläufigen Verwaltungsakt dargestellt habe. Daher habe erst der Schlussbescheid die Höhe der Soforthilfe endgültig bestimmt. Die Voraussetzungen für den Erlass eines vorläufigen Verwaltungsaktes lägen vor. Es habe eine Ungewissheit hinsichtlich der Höhe der zu gewährenden Soforthilfe bestanden. Diese habe sich nämlich entsprechend den Vorgaben des Bundes nach der Höhe des zum Beginn des Förderungszeitraums noch ungewissen Liquiditätsengpasses bemessen sollen.Die Vorläufigkeit der Bewilligung sei auch hinreichend bestimmt zum Ausdruck gekommen. Sie ergebe sich schon zwingend aus den Regelungen des Bewilligungsbescheides selbst. Bereits durch den in Ziffer 1. enthaltenen Begriff der "Pauschale" habe sich die Vorläufigkeit aufdrängen müssen. Die Verwendung des Begriffes "Pauschale" trage dem Umstand Rechnung, dass die Höhe der einem Antragsteller zustehenden Soforthilfe im Zeitpunkt der Bewilligung ungewiss gewesen sei. Die Vorläufigkeit der Bewilligung habe sich den Empfängern auch deshalb aufdrängen müssen, weil Beträge von 9.000, 15.000 und 25.000 Euro den wirtschaftlichen Verhältnissen und den pandemiebedingten Risiken in dieser Höhe schlichtweg nicht gerecht werden könnten. Jedem Verständigen müsse klar sein, dass das Land die zur Verfügung stehenden Gelder nicht unter Außerachtlassung des tatsächlich eingetretenen Bedarfs gewähren dürfe. Das Rückmeldeverfahren habe erwartungsgemäß ergeben, dass unzählige Antragsberechtigte trotz Vorliegens der formulierten Antragsvoraussetzungen ihre wirtschaftliche Tätigkeit ohne bzw. ohne gravierende Einschränkungen hätten fortführen können. Auch mit Blick auf die in Ziffern 2. und 3. enthaltenen Bestimmungen zum Zuwendungszweck und zum Bewilligungszeitraum habe sich die Vorläufigkeit der Bewilligung aufgedrängt. Wäre der Bewilligungsbescheid kein vorläufiger Verwaltungsakt, wären derartige Bestimmungen obsolet. Auch der in Ziffer II. 3 enthaltene Passus, dass zu viel gezahlte Mittel zurückzuerstatten seien, belege die Vorläufigkeit der Bewilligung.

Abgesehen davon ergebe sich auch aus dem "Eckpunkte"-Papier vom 23. März 2022 und den "Kurzfakten" zum Bundesprogramm vom 30. März 2022 eindeutig, dass die Bewilligung vorläufiger Natur und zu viel gezahlte Beträge zurückzuerstatten seien. Ergänzend sei auf die mit Wirkung zum 27. März 2020 erlassene Soforthilferichtlinie vom 31. Mai 2020 abzustellen. Dieser sei eindeutig zu entnehmen, dass die Bewilligung der Soforthilfe nur vorläufig erfolgt sei. Ihr rückwirkender Erlass verstoße nicht gegen das Rückwirkungsverbot. Die Lesart des Beklagten werde zudem dadurch gestützt, dass über 99% der Soforthilfeempfänger diese Sichtweise geteilt und gegen die Schlussbescheide keine Klage erhoben hätten.

Die Feststellung des Liquiditätsengpasses und die damit einhergehende Festsetzung der NRW-Soforthilfe seien im Übrigen entsprechend seiner Verwaltungspraxis erfolgt. Diese habe er an den Vorgaben von Ziffer 5.3 Abs. 2 der aus den vorstehenden Gründen anwendbaren Soforthilferichtlinie ausgerichtet. Der hiernach maßgebliche Liquiditätsengpass des Klägers ergebe sich nur in der festgesetzten Höhe. Irrelevant sei hingegen, ob im maßgeblichen Zeitraum ein Umsatzausfall vorgelegen habe. Ein solcher betreffe nur die Antragsvoraussetzungen, nicht aber die "Anspruchsvoraussetzungen / Höhe der Leistungen". Es komme insoweit nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides an, sondern allein auf die durch die Soforthilferichtlinie gesteuerte Verwaltungspraxis bis zum Erlass des Schlussbescheides. Infolge der Vorläufigkeit der Bewilligung bestehe auch kein Vertrauensschutz hinsichtlich der endgültigen Höhe der Soforthilfe und der Berechnungsgrundlage. Aufgrund der Formulierungen in dem Antragsformular, dass die Soforthilfe zur Überwindung der "existenzbedrohlichen Wirtschaftslage bzw. des Liquiditätsengpasses" gewährt werde, habe jedem objektiven Empfänger klar sein müssen, dass die Soforthilfe nicht dem Zweck dienen könne, den wirtschaftlichen "Status Quo" aufrechtzuerhalten. Von Umsatzausfällen sei auch im Antragsformular nur dort die Rede, wo es um die Antragsvoraussetzungen ginge. Auch die bereits erwähnten Verlautbarungen des Bundes brächten dies klar zum Ausdruck.

 

Gründe

Die Klage ist zulässig (dazu unter I.) und hat auch in der Sache Erfolg (dazu unter II.).

I.

Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO) statthaft. Denn der Kläger begehrt mit dem streitbefangenen Schlussbescheid die Aufhebung eines Verwaltungsaktes. Aus Gründen der Klarstellung weist die Kammer darauf hin, dass Ziffer 1. des Schlussbescheides mit der Feststellung der Höhe des Liquiditätsengpasses gegenüber der in Ziffer 2. erfolgten Festsetzung der Höhe der Soforthilfe keinen eigenständigen Regelungsgehalt aufweist. Nach der erkennbaren Regelungsabsicht des Beklagten dient die Feststellung des Liquiditätsengpasses allein der Berechnung der betragsmäßig gleichlautenden Festsetzung der Höhe der Soforthilfe. Erst in der Festsetzung der Höhe der Soforthilfe kommt das eigentliche Regelungsvorhaben des Beklagten zum Ausdruck, deren Höhe endgültig zu bestimmen.

Der Kläger ist im Hinblick auf den angegriffenen Schlussbescheid auch klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Er kann geltend machen, durch diesen in seinen Rechten verletzt zu sein. Für die Annahme der Klagebefugnis genügt bereits die schlüssige Rechtsbehauptung, durch einen Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Ob dies hingegen tatsächlich der Fall ist, ist eine Frage der Begründetheit. Hiernach ergibt sich die Klagebefugnis bereits aus der Behauptung des Klägers, dass es sich bei dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid nicht bloß um einen vorläufigen Bescheid handelt. Damit stellt er nämlich die Rechtsbehauptung auf, dass der angegriffene Schlussbescheid, der die Soforthilfe geringer als der Bewilligungsbescheid vom 27. März 2020 festsetzt, eine ihm mit diesem Bescheid bereits endgültig zugewiesene Rechtsposition ohne Rechtsgrundlage verkürzt.

II.

Die Klage ist auch begründet. Der angegriffene Schlussbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Feststellung des Liquiditätsengpasses und der Festsetzung der Höhe der Soforthilfe (dazu unter 1.) als auch der Rückforderung der vermeintlich durch den Kläger zu viel erhaltenen Soforthilfe (dazu unter 2.).

1.

Der Beklagte stützt die Festsetzung der Höhe der Soforthilfe zu Unrecht auf die Annahme, dass er dem Kläger die Soforthilfe in Höhe von 9.000,- € zunächst nur vorläufig und vorbehaltlich einer Schlussabrechnung bewilligt habe. Vielmehr handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Bescheid um die nachträgliche Teilaufhebung einer mit dem Bewilligungsbescheid vom 27. März 2020 ohne einen solchen Vorbehalt gewährten Zuwendung, die nicht im vorliegend verfolgten Wege eines "Schlussbescheids" erfolgen durfte.

Die Möglichkeit, zunächst einen sogenannten vorläufigen Verwaltungsakt (besser: einen Verwaltungsakt, der eine vorläufige Regelung trifft) zu erlassen, der zu einem späteren Zeitpunkt durch einen abschließenden Verwaltungsakt ersetzt wird, ist allgemein anerkannt. Der Regelungsgehalt eines vorläufigen Bescheides im Zusammenhang mit der Bewilligung staatlicher Förderungsleistungen beschränkt sich darauf, dem Leistungsempfänger den Förderungsbetrag bis zur abschließenden Regelung des Sachverhaltes zuzuweisen. Dieser Vorbehalt schränkt die Bindungswirkung des Verwaltungsaktes in der Form ein, dass er sich auf andere Weise i. S. d. § 43 Abs. 2 VwVfG (NRW) erledigt, wenn er durch einen endgültigen Verwaltungsakt ersetzt wird. Der Vorbehalt ist damit unselbständiger Bestandteil der Hauptregelung des Ausgangsbescheides und betrifft dessen innere Wirksamkeit. Da dem Leistungsempfänger allein eine vorläufige Rechtsposition zugewiesen ist, muss sich die Schlussentscheidung nicht an den Voraussetzungen der §§ 48 f. VwVfG (NRW) messen lassen. Einer Aufhebung des (vorläufigen) Bewilligungsbescheides bedarf es folglich nicht.

Vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 14. April 1983 - 3 C 8.82 -, BVerwGE 67, 99, zitiert nach juris Rn. 23 ff und Urteil vom 19. November 2009 - 3 C 7.09 -, BVerwGE 135, 238 - 247, Rn. 15 ff,; OVG NRW, Urteil vom 28. September 1990 - 15 A 708/88 -, NVwZ 1991, 588; Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 35 Rn. 245f. .

Die Vorläufigkeit eines Verwaltungsaktes ebenso wie deren Umfang muss sich aus diesem selbst ergeben. Der Vorbehalt muss dabei, schon um dem in § 37 Abs. 1 VwVfG NRW zum Ausdruck kommendem Bestimmtheitsgebot zu genügen, eindeutig gefasst sein. Dies kann ausdrücklich oder in sonstiger unmissverständlicher Weise erfolgen. Wird ein Verwaltungsakt nicht hinreichend deutlich unter Vorbehalt gestellt, ist von einer endgültigen Regelung auszugehen, auch weil bei Auslegung eines Verwaltungsaktes Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen.

Vgl. Stelkens, a. a. O, § 35 Rn. 247, u. a. unter Hinweis auf namentlich OVG NRW, Urteil vom 28. September 1990, a. a. O.

Insbesondere die in § 165 Abs. 1 Satz 3 AO, § 41a Abs. 2 Satz 1 SGB II und § 328 Abs. 1 Satz 2 SGB III getroffenen Regelungen bieten Anhalt für die Konkretisierung der Bestimmtheitsanforderungen. Die genannten Vorschriften betreffen spezialgesetzlich Konstellationen, in denen ein vorläufiger Verwaltungsakt ergehen darf, und verlangen, dass Umfang bzw. Grund und Umfang der Vorläufigkeit in dem entsprechenden Bescheid anzugeben sind. Diese Vorgaben lassen sich als Ausdruck von allgemein für den Erlass eines vorläufigen Verwaltungsaktes geltenden Anforderungen auffassen.

Eine vom ursprünglichen Bescheid abweichende Regelung in einem diesen ersetzenden Schlussbescheid kommt im Übrigen nur in Betracht, wenn und soweit sie aus den Gründen ergeht, wegen derer die frühere Regelung unter Vorbehalt gestellt wurde.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009, a. a. O, Rn. 17 sowie OVG NRW, Urteil vom 28. September 1990, a. a. O., (S. 589).

Eine Behörde darf vorbehaltlich spezialgesetzlicher Ermächtigungen eine Regelung in einem Verwaltungsakt nicht nach Belieben nur vorläufig treffen, sondern nur, wenn ihr eine bestehende Ungewissheit hierzu sachlichen Grund gibt. Das ist bei einer tatsächlichen Ungewissheit nur dann der Fall, wenn sie Umstände betrifft, die erst künftig eintreten.

BVerwG, Urteil vom 19. November 2009, a. a. O. Rn. 21.

Das Vorliegen einer solchen Ungewissheit ist aber nur Voraussetzung dafür, einen vorläufigen Verwaltungsakt erlassen zu dürfen. Es besagt hingegen nicht, dass eine Regelung auch tatsächlich unter dem Vorbehalt einer abschließenden Regelung getroffen wurde. Einer solchen Unsicherheit kann ggf. auch mit anderen Instrumenten wie z.B. einem Widerrufsvorbehalt (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG NRW) begegnet werden. Ob eine Leistungsbewilligung ggf. unter dem Vorbehalt einer abschließenden Regelung oder einem Widerrufsvorbehalt steht, unterliegt der Würdigung des jeweiligen Einzelfalles. Für den Vorbehalt einer abschließenden Regelung kann dabei sprechen, dass der Förderbescheid die endgültige Höhe in jedem Fall variabel hält. In diesem Fall muss der Leistungsempfänger nämlich in jedem Fall mit einer späteren Festsetzung des Förderungsbetrages rechnen. Bei einer vorbehaltlosen Förderung darf er hingegen davon ausgehen, dass der Widerrufsfall nur bei atypischem Geschehensablauf eintritt und die Ausübung eines Widerrufes auch dann nicht zwingend ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 - 10 C 5.17 -, juris Rn. 26.

Maßgebend für die Auslegung eines Verwaltungsakts einschließlich entsprechender Nebenbestimmungen ist dabei analog der §§ 133, 157 BGB nicht der innere Wille der Behörde, sondern der im Verwaltungsakt zum Ausdruck kommende erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung. Maßgeblicher Auslegungszeitpunkt ist der Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes.

BVerwG, Urteil vom 15. März 2017 - 10 C 1.16 -, juris Rn. 14; Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 35 Rn. 71.

Neben dem Inhalt des Bewilligungsbescheides sowie des Antragsformulars können auch weitere Erkenntnisse den auslegungsrelevanten Empfängerhorizont des Leistungsempfängers beeinflussen und damit für die Auslegung des Bescheides relevant werden. Dabei kann allerdings nur auf solche Quellen - namentlich behördliche Verlautbarungen - abgestellt werden, die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des in Rede stehenden Bewilligungsbescheides bereits veröffentlich waren und daher dem Leistungsempfänger bekannt oder zumindest für ihn erkennbar waren. Nicht nach außen kundgetane Vorbehalte sind unerheblich.

Zu den für den Empfängerhorizont besonders relevanten Informationsquellen zählen vorliegend die auf der Antragsplattform des Beklagten bereitgestellten "FAQ". Denn mittels dieser Informationen hat der Beklagte als Zuwendungsgeber über das federführende Landeswirtschaftsministerium den Zuwendungsempfängern gegenüber unmittelbar Voraussetzungen und Verfahren des Soforthilfeprogramms kommuniziert. Etwaigen Verlautbarungen von Ministerien des Bundes kommt kein gleiches Gewicht zu, weil und soweit sie nicht zwischen Zuwendungsgeber und Zuwendungsempfänger kommuniziert wurden. Ein verständiger Empfänger in der Situation des Antragstellers darf auf die in den FAQs des Zuwendungsgebers bestimmten Maßgaben in aller Regel vertrauen. Er muss nicht ergänzend schwerer greifbare Bundesquellen sichten und auf etwaige Widersprüche zu den Verlautbarungen des Zuwendungsgebers überprüfen.

Völlig unerheblich für die Bestimmung des Bescheidinhaltes ist der vom Beklagten angeführte Umstand, dass sich gemessen an der Gesamtzahl der Soforthilfeleistungsempfänger nur ein verhältnismäßig geringer Teil gerichtlich gegen die Schlussbescheide zur Wehr gesetzt hat. Der objektive Empfängerhorizont wird hierdurch in keiner Weise tangiert. Es liegt im Übrigen auf der Hand, dass viele Empfänger, zumal in einer wirtschaftlichen Notlage, das mit einer Klage einhergehende Prozesskostenrisiko gescheut haben. Dies gilt umso mehr, als sie insbesondere aufgrund der vom Beklagten in den gegen die E-Mails zum eingeforderten Rückmeldeverfahren gerichteten Klageverfahren verfolgten Praxis der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten damit rechnen mussten, dass er sich - wie zum Teil auch geschehen - erneut verfahrenskostenintensiver anwaltlicher Hilfe bedienen würde. Entsprechendes gilt für den Einwand des Beklagten, dass im Rückmeldeverfahren über 60.000 Soforthilfeempfänger freiwillig erklärt hätten, mangels eines Liquiditätsengpasses auf die Zuwendung zu verzichten, zumal auf der Hand liegt, dass zahlreiche Zuwendungsempfänger diese Erklärung abgegeben haben, weil sie auf ein rechtmäßiges Verhalten des an Recht und Gesetz gebundenen Beklagten vertraut haben.

Ähnlich VG Köln, Urteil vom 16. September 2022 - 16 K 125/22 -, juris Rn. 103.

Nach den dargelegten Maßstäben vermag die Kammer die Vorläufigkeit der ursprünglichen Bewilligung nicht festzustellen (dazu unter a). Selbst wenn man aber davon ausginge, dass der Beklagte die Bewilligung in bestimmten Umfang unter den Vorbehalt einer vorläufigen Regelung gestellt hat, wäre der Vorbehaltsfall nicht eingetreten (dazu unter b.).

a)

Der Beklagte sieht im Einklang mit der von ihm angeführten Ziffer 5.3 der Soforthilferichtlinie eine zum Erlass eines vorläufigen Verwaltungsaktes berechtigende Ungewissheit in der Höhe des aus seiner Sicht für die abschließende Festsetzung der Höhe der Soforthilfe maßgeblichen Liquiditätsengpasses. In Anlehnung an diese Bestimmung behauptet er, die Soforthilfebewilligung vom 27. März 2020 habe unter dem Vorbehalt gestanden, dass die Höhe der Soforthilfe in jedem Fall nach Durchführung eines obligatorischen Rückmeldeverfahrens auf Grundlage der Berechnung des Liquiditätsengpasses abschließend festzusetzen gewesen sei. Für einen solchen Vorbehalt geben indes weder der Bewilligungsbescheid noch die zu dessen Auslegung aus objektiver Empfängersicht heranzuziehenden Informationsquellen etwas her.

Dass die vom Beklagten angeführte Soforthilferichtlinie vom 31. Mai 2020 unter Ziffer 5.3 ein obligatorisches Rückmeldeverfahren einschließlich entsprechender Rückzahlungsverpflichtungen der Leistungsempfänger vorsieht und damit die Vorläufigkeit der Bewilligung offensichtlich voraussetzt, ist für die Bestimmung des Regelungsgehalts des Bewilligungsbescheids vom 27. März 2020 nicht maßgeblich. Die Soforthilferichtlinie gehört nicht zum insoweit auslegungsrelevanten Empfängerhorizont, weil sie erst mehr als zwei Monate nach Erlass des Bewilligungsbescheids veröffentlicht wurde. Die Ausführungen des Beklagten zur rückwirkenden Anwendbarkeit der Soforthilferichtlinie gehen an diesem Ansatz vorbei. Es handelt sich bei ihr im Übrigen nicht um eine unmittelbar im Außenverhältnis zum Zuwendungsempfänger relevante Rechtsnorm, sondern um eine zunächst nur nach innen wirkende Handlungsanweisung des federführenden Landeswirtschaftsministeriums gegenüber den ihm nachgeordneten Bezirksregierungen.

Allein aus dem Umstand, dass angesichts der Unklarheiten, in welcher Höhe sich ein Liquiditätsengpass bei den jeweiligen Antragsstellern ergeben würde, eine vorläufige Bewilligung der Soforthilfen hätte erfolgen können, folgt aus den vorstehenden Erwägungen nicht, dass der Beklagte die Soforthilfebewilligung auch unter einen entsprechenden Vorbehalt gestellt hat. Die Vorläufigkeit ergibt sich weder unmittelbar aus dem Bescheid selbst noch aus den weiteren den auslegungsrelevanten Empfängerhorizont bestimmenden Umständen. Entgegen der Darstellung des Beklagten bewirken diese keineswegs, dass sich die Vorläufigkeit der Bewilligung "jedem Verständigen" "hätte aufdrängen müssen" bzw. "hätte klar sein müssen". Im Gegenteil fehlt es hierfür an tragfähigen Anhaltspunkten.

Im Sprachgebrauch des Bewilligungsbescheids vom 27. März 2020 findet der vom Beklagten behauptete Vorbehalt der Vorläufigkeit nicht einmal andeutungsweise Ausdruck. Namentlich die Überschrift des Bescheides, der Bewilligungstenor unter Ziffer 1. und die übrigen (Neben-)Bestimmungen enthalten keine entsprechenden Formulierungen. Für einen vorläufigen Verwaltungsakt typische Wendungen wie "Vorläufige Bewilligung", "Ich bewillige Ihnen folgende Leistungen vorläufig", "Dieser Bescheid ist (teilweise) vorläufig" etc. finden sich an keiner Stelle.

Vgl. insoweit auch VG Düsseldorf, Urteil vom 16. August 2022 - 20 K 7488/20 -, juris Rn. 104.

Das Fehlen jeglichen grammatikalischen Hinweises auf die Vorläufigkeit der Bewilligung steht der gebotenen Eindeutigkeit und Bestimmtheit eines solchen Vorbehalts entgegen. Es liegt sogar nahe, dass es sie bereits für sich gesehen ausschließt. Letztlich bedarf dies aber keiner abschließenden Entscheidung. Denn auch dem übrigen Inhalt des Bescheides und den zu dessen Auslegung heranzuziehenden Informationsquellen lässt sich nichts für die Vorläufigkeit der Bewilligung entnehmen.

Dass dem Kläger die Auszahlung einer einmaligen "Pauschale" in Höhe von 9.000,- € bewilligt wurde, lässt keinen Schluss darauf zu, dass die Bewilligung zunächst nur vorläufig erfolgt ist. Der allgemeine Zweck von Pauschalisierungen, exakte Berechnungen zu vermeiden, legt eher das Gegenteil nahe. Unter einer Pauschale wird im allgemeinen Sprachgebrauch ein Geldbetrag verstanden, durch den eine Leistung, die sich aus verschiedenen einzelnen Posten zusammensetzt, ohne Spezifizierung abgegolten wird.

Vgl. nur: https://www.duden.de/rechtschreibung/Pauschale.

Ein Vorbehalt der späteren Spezifizierung ist dem Begriff der Pauschale nicht zu eigen. Vielmehr hat die Pauschalisierung in vielen Fällen endgültigen Charakter.

Der vom Beklagten angeführte mehrmonatige Bewilligungszeitraum ist ebenfalls kein Indiz für eine bloß vorläufige Regelung. Die Festlegung von solchen Zeiträumen gehört zum Standard von Subventionsverfahren. Sie dient zunächst nur der Definition der Zuwendung und ihres Zwecks durch Zuordnung zu dem bestimmten Zeitraum. Nach der Erfahrung der Kammer finden sich derartige Bestimmungen in einer Vielzahl eindeutig nicht vorläufiger Subventionsbewilligungen. Sie sind oftmals mit einer Pflicht zur Vorlage von Verwendungsnachweisen verknüpft, deren Nichterfüllung einen späteren Widerruf einer - endgültigen - Bewilligung ermöglicht.

Ebenso wenig rechtfertigt die Zweckbestimmung in Ziffer 2. des Bewilligungsbescheides die Annahme eines Vorbehalts der Vorläufigkeit. Entsprechende Zweckbestimmungen finden sich vor dem Hintergrund, dass die einschlägigen Haushaltsordnungen des Bundes bzw. der Länder (vgl. jeweils §§ 23, 46) Zuwendungen außerhalb der Verwaltung nur für die Erfüllung eines bestimmten Zweckes zulassen, regelmäßig in Subventionsbescheiden. Sie dienen insbesondere dazu, eine zweckentsprechende Verwendung der Mittel sicherzustellen und bei zweckwidriger Verwendung den späteren Widerruf der - endgültigen - Bewilligung nach § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG NRW zu ermöglichen.

Vgl. in der Sache übereinstimmend: Stelkens a. a. O., § 36 Rn. 102 und Tiedemann in: BeckOK-VwVfG, 56. Aufl. Stand: 1.7.2022, § 36 Rn. 75

Auch der "Nebenbestimmung" in Ziffer 3. des Bewilligungsbescheides lässt sich die Vorläufigkeit der Bewilligung nicht entnehmen. Ziffer 3. bestimmt eine Rückzahlungspflicht, wenn die dort genannten Voraussetzungen vorliegen, also wenn kumulativ die bewilligte Finanzhilfe höher ist als der Umsatzausfall abzüglich eingesparter Kosten und die Mittel nicht vollständig zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich eines Liquiditätsengpasses benötigt werden.

Dass diese "Nebenbestimmung" Ausdruck einer Ungewissheit ist, die sachlichen Grund für einen Vorbehalt der Vorläufigkeit bieten könnte, besagt nach den oben genannten Maßstäben nicht, dass die Bewilligung tatsächlich unter einen solchen Vorbehalt gestellt wurde. Nach diesen Maßstäben stellt die fragliche Ziffer, sofern es sich überhaupt um eine Nebenbestimmung im Rechtssinne mit Regelungsgehalt und nicht um einen bloßen Hinweis etwa auf die Möglichkeit eines Widerrufs handelt, allenfalls einen Widerrufsvorbehalt dar.

Der Kläger musste aufgrund des Wortlautes der Bestimmung und den übrigen für ihn erkennbaren Umständen nicht damit rechnen, dass in jedem Fall ein Rückmeldeverfahren durchgeführt und die Höhe der Förderung anschließend endgültig festgesetzt würde. Vielmehr durfte er davon ausgehen, dass die in der Bestimmung beschriebene Rückzahlungsverpflichtung nur im dort definierten (Ausnahme-)Fall zum Tragen kommt.

Die an den jeweiligen Adressaten persönlich gerichtete Bestimmung, "Sollten Sie [...] feststellen, dass [...]" beinhaltet dem Wortsinn nach zunächst nur eine von einer Feststellung des Zuwendungsempfängers abhängige Rückzahlungsverpflichtung, wobei die Anknüpfung an die Feststellung durch den Zuwendungsempfänger selbst eher einen appellativen als einen zwingenden Charakter der "Überprüfung" andeutet. Dass eine solche Feststellung im Rahmen eines für jeden Zuwendungsempfänger obligatorischen Abrechnungsverfahrens zur erst dann vorgesehenen Bestimmung der endgültigen Höhe der Zuwendung erfolgen sollte, findet in der Formulierung der Ziffer 3 keine Stütze. Besonders deutlich wird dies im Vergleich mit den in Ziffer 5.3 der - aus den genannten Gründen nicht maßgeblichen - späteren Soforthilferichtlinie getroffenen Bestimmungen. Hiernach ist u.a. bestimmt, dass "jeder Leistungsempfänger [...] verpflichtet sei, [...]. eine Abrechnung [...] anzufertigen und ihr Ergebnis [...] einzureichen" und dass hinsichtlich Soforthilfen, die "nicht oder nur teilweise durch Deckung des [...] Liquiditätsengpasses verwendet wurden", eine Rückzahlung zu veranlassen sei. Diesen Bestimmungen ließe sich der vom Beklagten behauptete Vorbehalt einer vorläufigen Regelung entnehmen. Die Formulierung der Ziffer 3. des Bewilligungsbescheides hat nach dem zuvor Gesagten indes mit den besagten Bestimmungen der Soforthilferichtlinie nichts gemein.

Hinzu kommt, dass die Bestimmung die Rückzahlungsverpflichtung grammatikalisch ("Sollten Sie") und in Würdigung des Zwecks der Soforthilfe an den Eintritt eines atypischen Geschehensablaufs knüpft, der im Verhältnis zum im Bewilligungsverfahren angenommenen Regelfall eine Ausnahme darstellt. Bei der Bewilligung der Soforthilfen wurde nämlich vorausgesetzt, dass die Antragsteller durch die pandemiebedingten Einschränkungen wesentlich in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit beeinträchtigt wurden (vgl. Ziffer 6.1 des Antragsformulars) bzw. in "wirtschaftliche Schwierigkeiten" geraten waren (vgl. Antwort zur Frage "Was wird gefördert?" in den "FAQ"). Es wurde aufgrund entsprechender Versicherungen der Antragsteller in den Anträgen zugrunde gelegt, dass diese Voraussetzungen die Folge von gravierenden (mindestens hälftigen) Umsatzeinbußen oder massiven Einschränkungen der Betätigung im Zusammenhang mit behördlichen Infektionsschutzmaßnahmen waren. Der die Rückzahlungsverpflichtung nach Ziffer 3 des Bewilligungsbescheids auslösende Tatbestand, dass Hilfen über die Umsatzausfälle hinausgingen und nicht zur Existenzsicherung oder Beseitigung von Liquiditätsengpassen benötigt wurden, stellt sich damit als von den regelmäßig der Bewilligung zugrunde gelegten Annahmen abweichender Geschehensablauf dar.

Untermauert wird dieses Verständnis durch die in Ziffer 5. enthaltene Bestimmung, dass "im Einzelfall (Hervorhebung durch die Kammer) eine Überprüfung der Soforthilfen" vorbehalten werde. Die Formulierung besagt nämlich klar und eindeutig, dass eine Überprüfung der Mittelverwendung nur in bestimmten Fällen, nicht aber generell und schon gar nicht in Gestalt eines obligatorisch durchzuführenden Rückmeldeverfahrens erfolgen werde.

Einer vorläufigen Bewilligung unter dem Vorbehalt einer in einem solchen obligatorischen Verfahren nachzuweisenden Verwendung der Mittel, hier zur Deckung eines Liquiditätsengpasses, steht ferner durchgreifend entgegen, dass nach den "FAQ" eine Nachweispflicht für die Verwendung der Mittel gerade ausdrücklich nicht vorgesehen war. Dort heißt es nämlich auf die Frage: "Muss nachgewiesen werden wofür der Zuschuss eingesetzt wird?", "Nein, ein solcher Nachweis muss nicht erfolgen." Der vom Beklagten behauptete Vorbehalt der Vorläufigkeit läuft aber auf eben eine solche Nachweispflicht hinaus.

Die obligatorische Durchführung eines Rückmeldeverfahrens im Nachgang zu der Bewilligung ist in den "FAQ" auch sonst an keiner Stelle erwähnt. Die Antwort auf die Frage: "Wird geprüft, ob dem Antragsteller die Hilfe auch wirklich zugestanden hat und wenn nein, muss die Hilfe dann ggfls. zurückgezahlt werden?" untermauert im Gegenteil, dass keine generelle Prüfung durch die Bezirksregierungen vorgesehen war. Denn stattdessen wird lediglich auf die an die Steuererklärung der Antragsteller anknüpfende Möglichkeit einer Plausibilitätskontrolle durch die Finanzämter verwiesen. Im Übrigen heißt es nur, dass neben Fällen der täuschungsbedingten Erwirkung der Leistung eine Rückzahlung erfolgen müsse, wenn es zu "einer Überkompensation (z.B. durch Versicherungsleistungen oder andere Fördermaßnahmen)" gekommen sei. Einen Hinweis auf einen generellen Überprüfungsvorbehalt beinhaltet auch diese Formulierung nicht.

Schließlich legt auch Ziffer 4. des Bewilligungsbescheides die Annahme nahe, dass Ziffer 3. eher als Hinweis auf die Möglichkeit eines Widerrufes zu verstehen ist. Die "Nebenbestimmung" in Ziffer 4. bezieht sich in den ersten beiden Varianten auf Fälle, in denen die Bewilligung aufgrund falscher oder unvollständiger Angaben erteilt wurde. Bei verständiger Würdigung kann dies als Hinweis auf die in §§ 48 ff. VwVfG NRW vorgesehene Möglichkeit aufgefasst werden, die Bewilligung im Einzelfall aufzuheben. Daneben sieht die Bestimmung im selben Satz als dritte Variante den Fall einer "Überkompensation" vor, der ebenfalls eine Rückerstattung zur Folge habe. Dafür, dass hiermit eine andere Konstellation gemeint sein könnte als in Ziffer 3. hinsichtlich einer Rückzahlungsverpflichtung, ist nichts ersichtlich. Im Gegenteil wird der Begriff der "Überkompensation" in den "FAQ" als ein Mehr an Zuwendung gegenüber dem Umsatzausfall definiert. Es widerspräche der inneren Logik der Bestimmung, im Hinblick auf die Fälle von falschen oder unvollständigen Angaben auf die Möglichkeit einer Rücknahme der Bewilligung zu verweisen, im Falle der Überkompensation hingegen einen im Verwaltungsverfahrensgesetz nicht ausdrücklich vorgesehenen Vorbehalt der Vorläufigkeit zu regeln. Vielmehr drängt es sich auf, die Bestimmung in Ziffer 4. einheitlich und damit auch bzgl. der "Überkompensation" als Hinweis auf die in §§ 48 f. VwVfG NRW vorgesehenen Ermächtigungen zur Aufhebung endgültiger Bewilligungsbescheide zu verstehen. Erhärtet wird dies dadurch, dass die Bestimmung hinsichtlich der Verzinsung auf § 49a Abs. 3 VwVfG NRW verweist.

b)

Selbst wenn man aber davon ausginge, dass der Bewilligungsbescheid - im nachfolgend näher bezeichneten Umfang - unter dem Vorbehalt einer abschließenden Regelung stand, würde dies an der Rechtswidrigkeit des streitigen Schlussbescheides nichts ändern.

Angesichts der bereits erwähnten strengen Anforderungen, die an die Bestimmtheit eines entsprechenden Vorbehaltes zu stellen sind, ließe sich die Unterstellung eines Vorbehalts einer vorläufigen Regelung allein an die Bestimmung in Ziffer 3. des Bewilligungsbescheides knüpfen. Im Übrigen gibt der Bewilligungsbescheid aus den zuvor bereits erwähnten Gründen für die Vorläufigkeit der Bewilligung nichts her. Aus der Anforderung, dass Grund und Umfang der Vorläufigkeit eindeutig bestimmt sein müssen, folgt zugleich, dass die Verwaltungsbehörde nur in dem Umfang zu einer ihre ursprüngliche Bewilligung ersetzenden Regelung befugt ist, in dem sie sich eine abschließende Regelung vorbehalten hat. Betrifft der Vorbehalt dabei die Höhe der Bewilligung, ist die Bewilligungsbehörde generell befugt, die Höhe der Förderung zu einem späteren Zeitpunkt abschließend festzulegen. Hat sie dabei aber im Bewilligungsbescheid bereits die für die abschließende Berechnung der Förderungshöhe maßgeblichen Parameter (zumindest grundlegend) bestimmt, muss die anschließende dem Schlussbescheid zugrunde liegende Berechnung der Förderhöhe diesen Parametern entsprechen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Bindungswirkung eines Bewilligungsbescheides im Falle eines vorläufigen Verwaltungsakts nur im Umfang des konkreten Vorbehaltes eingeschränkt ist. Hält die Bewilligungsbehörde diesen von ihr selbst durch einen entsprechenden Vorbehalt gesteckten Rahmen nicht ein, überschreitet sie die Befugnis zum Erlass einer abschließenden Regelung.

Ähnlich VG Düsseldorf, a. a. O, Rn. 107 ff.

So liegt der Fall - die Vorläufigkeit der Bewilligung unterstellt - hier. Der Beklagte hat die maßgeblichen Parameter für die abschließende Berechnung bereits im Bewilligungsbescheid festgelegt (dazu unter aa.). Die nachfolgende Schlussberechnung erfolgte indes nicht im Einklang mit diesen Parametern (dazu unter bb).

aa)

Die Bestimmung in Ziffer 3. sieht ihrem Wortlaut nach die Rückzahlungsverpflichtung für den Fall vor, dass die Finanzhilfe höher ist als der Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten und (Hervorhebung durch die Kammer) die Mittel nicht (vollständig) zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich eines Liquiditätsengpasses benötigt werden. Nach diesem eindeutigen Wortlaut müssen die genannten tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Rückzahlungsverpflichtung kumulativ vorliegen. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass die Finanzhilfen höher sind als der Umsatzausfall abzüglich eingesparter Kosten.

Diese Annahme wird auch dadurch untermauert, dass sowohl im Antragsformular (vgl. Ziffer 6.11) als auch im Bewilligungsbescheid in Ziffer 4. sowie an verschiedenen Stellen in den "FAQ" die Rede davon ist, dass eine Rückzahlungsverpflichtung im Falle einer "Überkompensation" bestehe. In den "FAQ" wird eine Überkompensation ab der Version vom 27. März 2020 definiert als ein Mehr an Zuwendungen gegenüber dem "tatsächlich eingetretenen Schaden - also insbesondere dem durch die Corona-Krise eingetretenen Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung) [...]". Der hier relevante Begriff des Schadens, der nicht überkompensiert werden soll, wird damit eindeutig mit Umsatzausfällen gleichgestellt.

Die vom Beklagten angenommene Lesart, wonach die Rückzahlungsverpflichtung allein davon abhänge, ob die Finanzhilfen zur Deckung eines Liquiditätsengpasses verwendet wurden, findet hingegen in den für den Empfängerhorizont relevanten Umständen keine Stütze. Gegen diese Lesart spricht zudem, dass der Begriff "Liquiditätsengpass" im Rahmen des Bewilligungsverfahrens keinesfalls als alleine maßgebliches Kriterium für die Höhe der Bewilligung zum Ausdruck gekommen ist.

So legt es die Formulierung der Zweckbestimmung in Ziffer 2. des Bewilligungsbescheides, dass die Soforthilfe insbesondere zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen diene, nahe, dass diese auch für andere nicht näher bestimmte Zwecke verwendet werden durfte. Hierzu passt der Hinweis in den "FAQ", dass ein Verwendungsnachweis nicht erbracht werden müsse. Dass die Soforthilfe hingegen ausschließlich zur Deckung eines Liquiditätsengpasses hätte verwendet werden dürfen, ist mit der vorgenannten Zweckbestimmung nicht in Einklang zu bringen und musste von den Leistungsempfängern auch nicht angenommen werden.

Die Rechtsbehauptung des Beklagten wird ferner dadurch widerlegt, dass sowohl im Antragsformular unter Ziffer 6.1 als auch in den "FAQ" zu der Frage: "Was wird gefördert?" ein Liquiditätsengpass, wie er in der Formulierung "[... ] - vorhandene Mittel nicht ausreichen, um kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen" zum Ausdruck kommen könnte, nur als eine von vier mit der Konjunktion "oder" verbundenen Varianten auftaucht, in denen eine Soforthilfe bewilligt wird. Die weiteren Varianten stellten hingegen insbesondere auf gravierende Umsatzausfälle oder massive Einschränkungen der Umsatzerzielungsmöglichkeiten ab. Dass dann aber schlussendlich alleine die Höhe eines Liquiditätsengpasses für die Höhe der Soforthilfe maßgeblich sein soll, muss sich keineswegs aufdrängen, sondern setzt sich in Widerspruch zu den für die Bewilligung maßgeblichen Vorgaben.

Die vom Beklagten des Weiteren zur Untermauerung seiner Position angeführte Soforthilferichtlinie ist aus den zuvor bereits erläuterten Gründen ohne Belang. Soweit sich dem vom Beklagten angeführten Kurzfakten-Papier des Bundeswirtschaftsministeriums vom 30. März 2020 etwas zugunsten seiner Position entnehmen lassen könnte, tritt dies nach den oben dargelegten Maßstäben jedenfalls gegenüber dem eindeutigen Inhalt des Antragsformulars und des Bewilligungsbescheides sowie den "FAQ" des Landeswirtschaftsministeriums zurück.

bb)

Die vom Beklagten vorgenommene Schlussabrechnung entspricht nicht dem so definierten unterstellten Vorbehalt.

Der Beklagte hat zur Berechnung der abschließenden Höhe der Soforthilfe eine Differenz aus den tatsächlichen fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb und den tatsächlich laufenden, erwerbsmäßigen Sach- und Finanzausgaben während des Bewilligungszeitraumes gebildet. Die Höhe der Soforthilfe beläuft sich hiernach auf den negativen Betrag dieser Differenz und entspricht dem so definierten Liquiditätsengpass.

Damit orientiert sich die Abrechnung nicht einmal ansatzweise am maßgeblichen Parameter des Umsatzausfalls.

Vgl. im Einzelnen VG Düsseldorf, Urteil vom 16. August 2022, a. a. O.

2.

Angesichts der Rechtswidrigkeit der abschließenden Festsetzung der Soforthilfe ist auch das auf analog § 49a Abs. 1 VwVfG NRW gestützte Rückzahlungsverlangen des Beklagten hinfällig.

III.

Die Kostentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung. Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, weil sich in entscheidungserheblicher Weise Tatsachenfragen stellen, die bisher in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht geklärt sind, und weil sich diese Tatsachenfragen gleichermaßen in einer Vielzahl weiterer Verfahren stellen, die an allen Verwaltungsgerichten des Landes Nordrhein-Westfalen anhängig sind.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zu.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, einzulegen und muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Die Begründung ist, wenn sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen.

Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV -) wird hingewiesen.

Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 23. Sept. 2022 - 19 K 297/22

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