Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 23. Sept. 2022 - 19 K 297/22

bei uns veröffentlicht am05.05.2024

Rechtsgebiete

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

EnglischDeutsch

Gericht

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen

Beteiligte Anwälte

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
EnglischDeutsch
Zusammenfassung des Autors

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gab am 23.09.2022 in zwei Verfahren (19 K 297/22 und 19 K 317/22) Zuwendungsempfängern Recht, die sich gegen Rückforderungen erhaltener Corona-Finanzhilfen gewandt hatten.

Tenor

Der Schlussbescheid des Beklagten vom 17. Dezember 2021 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist selbstständiger Veranstaltungstechniker. Mit Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie und der anlässlich dessen auch in Nordrhein-Westfalen erlassenen infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Ansteckungsgeschehens (sogenannter "Harter Lockdown") wurden die Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Betätigung und Umsatzerzielung erheblicher Teile der Bevölkerung, namentlich im Dienstleistungssektor, in massiver Weise eingeschränkt. Hiervon war auch der Kläger betroffen.

Zur Milderung der hiermit einhergehenden wirtschaftlichen Notlage der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer legte der Bund das Hilfsprogramm "Corona-Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Soloselbstständige" auf. Hierzu veröffentlichte das damalige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zusammen mit dem Bundesministerium für Finanzen unter dem 23. März 2020 ein Eckpunktepapier und nachfolgend ein Kurzfaktenpapier vom 30. März 2020.

Auf Grundlage einer entsprechenden Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und dem beklagten Land übernahm Letzteres die eigenverantwortliche Organisation, Bewilligung und Auszahlung der Soforthilfen. Dabei entschied sich das beklagte Land dazu, die Bundesmaßnahme für gewerbliche Kleinunternehmen vollständig an die Zielgruppe (Unternehmen mit bis zu 10 Beschäftigen) weiterzureichen und zugleich auf gewerbliche Kleinunternehmen bis einschließlich 50 Beschäftigte im Rahmen eines eigenen Soforthilfeprogramms auszuweiten. Beide Maßnahmen wurden in der "NRW-Soforthilfe 2020" gebündelt. Die federführende Verantwortung für die Organisation und Ausgestaltung des Programms lag beim damaligen Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen (nachfolgend: Landeswirtschaftsministerium). Eine Beantragung der NRW-Soforthilfen konnte im Zeitraum zwischen dem 27. März 2020 und dem 31. Mai 2020 erfolgen. Hierzu war auf der Internet-Seite des Landeswirtschaftsministeriums,

https://www.wirtschaft.nrw/nrwsoforthilfe-2020,

ein Antragsformular

"Antrag auf Gewährung einer Soforthilfe für von der Corona-Krise 03/2020 besonders geschädigte Unternehmen und Angehörige Freier Berufe einschließlich Soloselbstständige aus dem Soforthilfeprogramm des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen sowie dem Bundesprogramm "Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Soloselbstständige"

abrufbar. Im Rahmen dieses Internetauftritts waren sogenannte "FAQ" (Frequently Asked Questions) in mindestens 13 nachfolgend veröffentlichen Versionen bereitgestellt, deren Inhalt während des laufenden Bewilligungsverfahrens kontinuierlich verändert bzw. ergänzt wurde.

Auszugsweise befanden sich in den "FAQ" u.a. folgende Aussagen (Anmerkung der Kammer: Soweit nicht gesondert darauf hingewiesen, befanden sich die Aussagen (annährend) inhaltsgleich jeweils auch in nachfolgenden FAQ-Versionen; Hervorhebungen erfolgten jeweils im Original)

Version vom 25.03.2020

"Wird geprüft, ob dem Antragsteller die Hilfe auch wirklich zugestanden hat und wenn nein, muss die Hilfe dann ggfls. zurückgezahlt werden?

Der Antragsteller versichert in dem Formular, dass er alle Angaben nach bestem Wissen und Gewissen und wahrheitsgetreu gemacht hat. Falsche Angaben, die zu einer unberechtigten Inanspruchnahme der Leistungen führen, sind Subventionsbetrug. Die Leistung muss dann nicht nur zurückgeführt werden, es kann dann zu einer strafrechtlichen Verfolgung kommen. Der Antragsteller ist gehalten, den Zuschuss in seiner Steuererklärung für 2020 aufzunehmen. Da dem Antrag die Steuernummer bzw. die Steuer-ID beizufügen ist, hat das Finanzamt die Möglichkeit, die Plausibilität der Inanspruchnahme im Nachhinein zu überprüfen.

Der Zuschuss wird als sogenannte Billigkeitsleistung ausgezahlt. Auch im Falle einer Überkompensation (z.B. durch Versicherungsleistungen oder andere Fördermaßnahnahmen) muss die erhaltene Soforthilfe zurückgezahlt werden.

[...]

Muss nachgewiesen werden, wofür der Zuschuss eingesetzt wird?

Nein, ein solcher Nachweis muss nicht erbracht werden."

Version vom 26.03.2020

"Was wird gefördert?

Die Unternehmen sollen bei Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz und Überbrückung von akuten Finanzierungsengpässen, u.a. für laufende Betriebskosten wie Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten u.a. sowie dem Erhalt von Arbeitsplätzen durch einen Zuschuss unterstützt werden (Zur Reduzierung von Personalkosten gibt es das Kurzarbeitergeld.)

Voraussetzung erhebliche Finanzierungsengpässe und wirtschaftliche Schwierigkeiten in Folge von Corona. Dies wird angenommen, wenn

- mehr als die Hälfte der Aufträge aus der Zeit vor dem 1. März durch die Corona-Krise weggefallen sind

oder

- sich für den Monat, in dem der Antrag gestellt wird, ein Umsatz- bzw. Honorarrückgang von mindestens 50 Prozent verglichen mit dem durchschnittlichen monatlichen Umsatz (bezogen auf den aktuellen und die zwei vorangegangenen Monate) im Vorjahr ergibt. Rechenbeispiel: Durchschnittlicher Umsatz Januar bis März 2019 10.000 Euro, aktueller Umsatz März 2020 5.000 Euro. Kann der Referenzmonat nicht herangezogen werden (z.B. bei Gründungen) gilt der Vergleich mit dem Vormonat)

oder

- der Umsatz durch eine behördliche Auflage im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie massiv eingeschränkt wurde

oder

- die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten des Unternehmens (bspw. Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten) zu zahlen (=Finanzierungsengpass)

Der Antragsteller muss versichern, dass der Finanzierungsengpass nicht bereits vor dem 1. März bestanden hat. Der Antragsteller muss zusätzlich erklären, dass sich das Unternehmen zum Stichtag 31. Dezember 2019 nicht um ein "Unternehmen in Schwierigkeiten" handelte."

(Anmerkung: in etwas anderer Form bereits in der Version vom 25.03. enthalten; ab der Version vom 28.03. hinsichtlich der zweiten und dritten Variante wiederum mit geänderten Wortlaut, insbesondere geänderter Vergleichsgröße hinsichtlich des Umsatzrückgangs)

"Wie ist eine Überkompensation definiert?

Eine Überkompensation entsteht dann, wenn der Antragsteller mehr Zuwendungen erhält, als erforderlich wäre, um den Finanzierungsengpass zu beseitigen.

[...]

Wird immer der Maximalbetrag ausgezahlt?

Ja. Die Zuschüsse sind nach Mitarbeiterzahl gestaffelt. Innerhalb der entsprechenden Staffelung erhalten Sie den vollen Betrag. Bis zu 5 Mitarbeiter 9.000 Euro, bei bis zu 10 Mitarbeitern 15.000 Euro und bei bis zu 50 Mitarbeitern 25.000 Euro. Bei Überkompensation können Beträge zurückgefordert werden."

Version vom 27.03.2020

"Wie ist eine Überkompensation definiert?

Eine Überkompensation entsteht dann, wenn der Antragsteller mehr Zuwendungen erhält, als sein tatsächlich eingetretener Schaden - also insbesondere der durch die Corona-Krise eingetretene Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung) ist. Überkompensation ist nach der dreimonatigen Förderphase zurückzuerstatten."

Version vom 29.03.2020

"Wofür darf der Zuschuss genutzt werden?

Der Zuschuss kann genutzt werden, um finanzielle Engpässe, wie z.B. Bankkredite, Leasingraten, Mieten usw. zu bedienen. [...].

Soloselbständige im Haupterwerb beziehen ihren Lebensunterhalt aus ihrer selbstständigen Tätigkeit und müssen daher auch ihr eigenes Gehalt erwirtschaften, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Sofern der Finanzierungsengpass beim Soloselbstständigen im Haupterwerb dazu führt, dass er sein regelmäßiges Gehalt nicht mehr erwirtschaften kann, dient die Soforthilfe auch dazu, das eigene Gehalt und damit den Lebensunterhalt zu finanzieren.

(Anmerkung: letzter Absatz war nur in den Versionen vom 29.03. und vom 31.03. enthalten.)

Die Bewilligung und Auszahlung der Hilfeleistungen erfolgte anschließend durch die örtlich zuständigen Bezirksregierungen.

Am 27. März 2020 beantragte der Kläger unter Verwendung des genannten Antragsformulars die Bewilligung einer Soforthilfe in Höhe von 9.000,- €. In dem Antragsformular heißt es unter

"5. Art und Umfang der Förderung:

Die Soforthilfe wird als Billigkeitsleistung auf der Grundlage der Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 ("Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020") zur Überwindung der existenzbedrohlichen Wirtschaftslage bzw. des Liquiditätsengpasses gewährt."

In dem Formular gab der Kläger zudem u.a. folgende vorgegebene Erklärungen ab:

"6.1

Ich versichere, dass meine wirtschaftliche Tätigkeit durch die COVID-19-Pandemie wesentlich beeinträchtigt ist, da entweder

- mehr als die Hälfte der Aufträge aus der Zeit vor dem 1. März 2020 durch die COVID-19-Pandemie weggefallen sind oder

- die Umsätze gegenüber dem Vorjahresmonat mehr als halbiert sind (Gründungen: Vormonat) oder

- die Umsatzerzielungsmöglichkeiten durch eine behördliche Auflage im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie massiv eingeschränkt wurden oder

- die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens zu erfüllen (z.B. Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten)

[...]

6.2

Ich versichere, dass die in Nr. 1.1. benannten Antragsvoraussetzungen sämtlich vorliegen und ein Liquiditätsengpass nicht bereits vor dem 1. März bestanden hat.

[...]

6.11

Mir ist bekannt, dass ich den Zuschuss als Billigkeitsleistung erhalte und im Falle einer Überkompensation (Entschädigungs-, Versicherungsleistungen, andere Fördermaßnahmen) die erhaltene Soforthilfe zurückzahlen muss".

Nachfolgend bewilligte die Bezirksregierung Münster dem Kläger mit Bescheid vom selben Tag die Gewährung einer Soforthilfe in beantragter Höhe. Der Betrag wurde dem Kläger am 1. April 2020 ausgezahlt. In dem Bescheid hieß es auszugsweise:

"1. Bewilligung

Auf Ihren o. g. Antrag bewillige ich gemäß § 53 LHO i. V. m. dem Programm zur

Gewährung von Soforthilfen aus dem Bundesprogramm "Corona-Soforthilfen für

Kleinstunternehmen und Selbständige" und dem ergänzenden Landesprogramm "NRW-Soforthilfe 2020" eine Soforthilfe i. H. v.

9000,00 €

(in Worten: neuntausend Euro)

als einmalige Pauschale.

[...]. Bei der Soforthilfe handelt es sich um eine Kleinbeihilfe gemäß der Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 ("Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020").

2. Aufrechnungsverbot

Für die bewilligte Soforthilfe gilt ein direktes Verrechnungs- beziehungsweise

Aufrechnungsverbot mit bereits bestehende Kreditlinien beim jeweiligen Kreditinstitut. Bei Überweisung der Soforthilfe darf es nicht zu einer zwangsläufigen Bedienung bereits bestehender Kontokorrentforderungen oder sonstiger Zins- und Tilgungsforderungen kommen. Die bewilligte Soforthilfe muss vollumfänglich zur Kompensation der unmittelbar durch die Corona-Pandemie ausgelösten wirtschaftlichen Engpässe genutzt werden. Ihnen als Empfänger/-in obliegt die Entscheidung, welche Forderungen mit höchster Relevanz für die Existenzsicherung ausgestattet sind (bspw. Mietforderungen, Lieferantenforderungen) und daher vorrangig durch den Zuschuss bedient werden sollen. [...]

II. Nebenbestimmungen

Die Soforthilfe wird unter folgenden Nebenbestimmungen gewährt:

1. [...]

2. Grundlage und Bestandteil des Bescheides ist Ihr Antrag vom 27.3.2020.

3. Sollten Sie am Ende des dreimonatigen Bewilligungszeitraums feststellen,

dass diese Finanzhilfe höher ist als Ihr Umsatzausfall abzüglich eventuell

eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung) und Sie die Mittel nicht (vollständig)

zur Sicherung Ihrer wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich Ihres

Liquiditätsengpasses benötigen, sind die zu viel gezahlten Mittel auf

das Konto der Landeskasse [...] unter Angabe des

Aktenzeichens zurückzuzahlen.

[...].

4. Die Finanzhilfe ist zurückzuerstatten, wenn der Bescheid aufgrund falscher oder unvollständiger Angaben erteilt wurde oder Entschädigungsleistungen, Versicherungsleistungen und/oder andere Fördermaßnahmen einzeln und/oder zusammen zu einer Überkompensation führen. Darlehen sind von einer Anrechnung ausgenommen.

In diesem Fall ist die gewährte Soforthilfe vom Eintritt der Überkompensation

an mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinsatz nach § 247 BGB jährlich

nach Maßgabe des § 49a Abs. 3 VwVfG NRW zu verzinsen.

5. Ich behalte mir im Einzelfall eine Prüfung der Verwendung der Soforthilfe vor.

In diesem Fall ist die Bewilligungsbehörde berechtigt, Bücher, Belege und sonstige Geschäftsunterlagen anzufordern sowie die Verwendung der Soforthilfe durch örtlich Erhebungen zu prüfen oder durch Beauftragte prüfen zu lassen. Sie haben die erforderlichen Unterlagen bereitzuhalten und die notwendigen Auskünfte zu erteilen. Die Bewilligungsbehörde, Ihr zuständiges Finanzamt, der Landesrechnungshof NRW sowie die nachgeordneten Behörden (vgl. § 91 LHO), der Bundesrechnungshof, das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und die Europäische Kommission sind ebenfalls berechtigt, Prüfungen vorzunehmen."

Am 31. Mai 2020, dem letzten Tag des Bewilligungszeitraums, veröffentlichte das Landeswirtschaftsministerium die "Richtlinie des Landes zur Gewährung von Soforthilfen für gewerbliche Kleinunternehmen, Selbstständige und Angehörige Freier Berufe, die infolge der Sars-CoV-2-Pandemie in ihrer Existenz gefährdet sind" (nachfolgend: Soforthilferichtlinie) im Rahmen eines Runderlasses. Dieser gelte nach Ziffer 9. mit Wirkung vom 27. März 2020.

Unter dem 3. Juli, dem 5. Oktober und dem 2. Dezember 2020 sowie dem 14. Juni 2021 versandte der Beklagte an sämtliche Antragsteller E-Mails, in denen er auf die Notwendigkeit zur Durchführung eines Rückmeldeverfahrens, den hierfür bereit gestellten Vordruck sowie auf aus seiner Sicht geltende Regelungen und Fristen hinwies.

In einem den Vordrucken vorangestellten Informationsschreiben ist u.a. folgendes festgehalten:

"3. Erfassung eines Liquiditätsengpasses

Ein Liquiditätsengpass liegt vor, wenn im dreimonatigen Förderzeitraum die tatsächlich fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb nicht ausgereicht haben, um die tatsächlich laufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzausgaben zu bezahlen. Private und betriebliche Finanzreserven müssen nicht berücksichtigt werden."

Den entsprechenden Vordruck füllte der Kläger am 28. Oktober 2021 aus und übersandte diesen. Hierbei machte er für den gewählten Förderzeitraum vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 insbesondere folgende Angaben:

1. Monat

2. Monat

3. Monat

bereinigte Einnahmen

1.815

708

Ausgaben

1.482

3.458

1.491

Liquiditätsengpass pro Monat

333

- 2.750

- 1.491

Summer des betrieblichen Liquiditätsengpasses für den gesamten Förderzeitraum

- 3.908

Fiktiver Unternehmerlohn(Pauschale i.H.v. 2.000,-; nur angesetzt, wenn Voraussetzungen unter "Fiktiver Unternehmerlohn" erfüllt sind)

2.000

Gesamtergebnis Liquiditätsengpass

- 5.908

Ausgehend von dem so ermittelten Liquiditätsengpass ergab sich ein Rückzahlungsbetrag des Klägers von 3.092 Euro als Differenz zwischen der ausgezahlten Soforthilfe und dem Liquiditätsengpass (9.000,- € - 5.908 €).

Unter dem 17. Dezember 2021 erließ der Beklagte den dem Kläger am selben Tag per E-Mail übermittelten und mit "Schlussbescheid" überschriebenen streitbefangenen Bescheid. In Ziffer 1. des Bescheides stellte er einen Liquiditätsengpass in Höhe von 5.908 Euro fest und setzte entsprechend in Ziffer 2. die Höhe der Soforthilfe auf diesen Betrag fest. Zugleich forderte er den Kläger in Ziffer 3. dazu auf, den überbezahlten Betrag bis zum 31. Oktober 2022 an die Landeshauptkasse zurückzuzahlen. Zur Begründung führte der Beklagte insbesondere folgendes aus:

Die Feststellung des Liquiditätsengpasses und die Festsetzung der Soforthilfe beruhe auf § 53 LHO NRW i. V. m. der Regelung zur vorübergehenden Gewährung geringfügiger Beihilfen im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit dem Ausbruch von Sars-CoV-2 ("Bundesregelung Kleinbeihilfen 2020"), der Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen über die "Corona-Soforthilfen insbesondere für kleine Unternehmen und Solo-Selbstständige" vom 01.04.2020 einschließlich der dazu erlassenen Vollzugshinweise sowie den Soforthilfe-Richtlinien. Nach Ziffern 3.1, 3.2, 5.2 und 5.3 der Soforthilfe-Richtlinien werde die NRW-Soforthilfe 2020 antragsberechtigten Leistungsempfängern, die die Antragsvoraussetzungen erfüllten, zunächst in voller Höhe gewährt. Die endgültige Festsetzung erfolge nach Meldung der Berechnung der Höhe des Liquiditätsengpasses. Ergebe sich dabei, dass der vorläufig vollständig gezahlte Soforthilfebetrag nicht oder nur teilweise vom Liquiditätsengpass abgedeckt sei, werde die Soforthilfe nur in Höhe des Liquiditätsengpasses gewährt; anderenfalls sei die vorläufige Zahlung endgültig. Auf dieser Grundlage sei ein Liquiditätsengpass in Höhe von 5.908 Euro festzustellen und eine Soforthilfe in Höhe von 5.908 Euro festzusetzen gewesen. Auf den Antrag des Klägers sei ihm als antragsberechtigten Leistungsempfänger die Soforthilfe zunächst vorläufig gemäß Nr. 3 der Nebenbestimmungen des Bewilligungsbescheides über den Billigkeitszuschuss in Höhe von 9.000 Euro ausgezahlt worden. Dieser Betrag werde von dem von ihm gemeldeten Betrag des Liquiditätsengpasses in Höhe von 5.908 Euro nicht vollständig abgedeckt. Es verbleibe ein Differenzbetrag von 3.092 Euro.

Die Rückforderung des überbezahlten Differenzbetrages beruhe im Übrigen auf § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW in entsprechender Anwendung.

Der Kläger hat am 17. Januar 2022 Klage erhoben.

Er rügt zunächst, dass die durch den Beklagten im Schlussbescheid getroffene Feststellung eines Liquiditätsengpasses in Ziffer 1. rechtswidrig sei, weil darin die Höhe seines Umsatzausfalles nicht berücksichtigt worden sei. Das alleinige Abstellen auf einen Liquiditätsengpass widerspreche Ziffer II. 3 des Bewilligungsbescheides. Diese Ziffer habe auch durch die erst später erlassene Soforthilferichtlinie nicht mehr abgeändert werden können. Ohnehin verstoße die Soforthilferichtlinie gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Die vom Beklagten vertretene Auffassung, dass der Begriff des Umsatzausfalles "untechnisch" zu verstehen und allein im Zusammenhang mit der Feststellung eines Liquiditätsengpasses relevant sei, widerspreche dem für die Auslegung des Bewilligungsbescheides maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont. Dem Wortlaut des Bescheides, dessen Zweckbestimmung sowie dem Antragsformular und den "FAQ" lasse sich nicht entnehmen, dass die Soforthilfe ausschließlich zur Deckung eines Liquiditätsengpasses habe verwendet werden dürfen und deren Höhe daher von der Höhe eines Liquiditätsengpasses abhänge. Zudem sei die Feststellung des Liquiditätsengpasses auch deshalb rechtswidrig, weil diese seine tatsächlichen Lebenshaltungskosten unberücksichtigt lasse und ihm stattdessen nur einen "fiktiven Unternehmerlohn" zubillige. Seine Lebenshaltungskosten gehörten ebenso zu seiner wirtschaftlichen Existenz. Bei Berücksichtigung dieser Positionen hätte ihm die Soforthilfe in voller Höhe zugestanden. Insoweit sei auch die Festsetzung der Höhe der Soforthilfe in Ziffer 2. des angefochtenen Bescheides rechtswidrig.

Ziffer 3. des Schlussbescheides sei rechtswidrig, weil es für ein Erstattungsverlangen analog § 49a VwVfG NRW an einem vorläufigen Verwaltungsakt fehle. Der Bewilligungsbescheid habe nicht unter dem Vorbehalt einer nur vorläufigen Regelung gestanden. Nach einer am Empfängerhorizont des Adressaten ausgerichteten Auslegung des Bewilligungsbescheides lasse sich ein entsprechender Vorbehalt nicht feststellen. Der Schlussbescheid lasse sich im Übrigen auch weder in eine Rücknahme noch einen Widerruf umdeuten.

Zudem verstoße das vollautomatisierte Rückmeldeverfahren gegen § 35a VwVfG NRW. Schließlich verletze der Bewilligungsbescheid auch Art. 22 Abs. 1 und 3 DSGVO.

Der Kläger beantragt,

den Schlussbescheid des Beklagten vom 17. Dezember 2021 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht geltend, dass der Bewilligungsbescheid nur einen vorläufigen Verwaltungsakt dargestellt habe. Daher habe erst der Schlussbescheid die Höhe der Soforthilfe endgültig bestimmt. Die Voraussetzungen für den Erlass eines vorläufigen Verwaltungsaktes lägen vor. Es habe eine Ungewissheit hinsichtlich der Höhe der zu gewährenden Soforthilfe bestanden. Diese habe sich nämlich entsprechend den Vorgaben des Bundes nach der Höhe des zum Beginn des Förderungszeitraums noch ungewissen Liquiditätsengpasses bemessen sollen.Die Vorläufigkeit der Bewilligung sei auch hinreichend bestimmt zum Ausdruck gekommen. Sie ergebe sich schon zwingend aus den Regelungen des Bewilligungsbescheides selbst. Bereits durch den in Ziffer 1. enthaltenen Begriff der "Pauschale" habe sich die Vorläufigkeit aufdrängen müssen. Die Verwendung des Begriffes "Pauschale" trage dem Umstand Rechnung, dass die Höhe der einem Antragsteller zustehenden Soforthilfe im Zeitpunkt der Bewilligung ungewiss gewesen sei. Die Vorläufigkeit der Bewilligung habe sich den Empfängern auch deshalb aufdrängen müssen, weil Beträge von 9.000, 15.000 und 25.000 Euro den wirtschaftlichen Verhältnissen und den pandemiebedingten Risiken in dieser Höhe schlichtweg nicht gerecht werden könnten. Jedem Verständigen müsse klar sein, dass das Land die zur Verfügung stehenden Gelder nicht unter Außerachtlassung des tatsächlich eingetretenen Bedarfs gewähren dürfe. Das Rückmeldeverfahren habe erwartungsgemäß ergeben, dass unzählige Antragsberechtigte trotz Vorliegens der formulierten Antragsvoraussetzungen ihre wirtschaftliche Tätigkeit ohne bzw. ohne gravierende Einschränkungen hätten fortführen können. Auch mit Blick auf die in Ziffern 2. und 3. enthaltenen Bestimmungen zum Zuwendungszweck und zum Bewilligungszeitraum habe sich die Vorläufigkeit der Bewilligung aufgedrängt. Wäre der Bewilligungsbescheid kein vorläufiger Verwaltungsakt, wären derartige Bestimmungen obsolet. Auch der in Ziffer II. 3 enthaltene Passus, dass zu viel gezahlte Mittel zurückzuerstatten seien, belege die Vorläufigkeit der Bewilligung.

Abgesehen davon ergebe sich auch aus dem "Eckpunkte"-Papier vom 23. März 2022 und den "Kurzfakten" zum Bundesprogramm vom 30. März 2022 eindeutig, dass die Bewilligung vorläufiger Natur und zu viel gezahlte Beträge zurückzuerstatten seien. Ergänzend sei auf die mit Wirkung zum 27. März 2020 erlassene Soforthilferichtlinie vom 31. Mai 2020 abzustellen. Dieser sei eindeutig zu entnehmen, dass die Bewilligung der Soforthilfe nur vorläufig erfolgt sei. Ihr rückwirkender Erlass verstoße nicht gegen das Rückwirkungsverbot. Die Lesart des Beklagten werde zudem dadurch gestützt, dass über 99% der Soforthilfeempfänger diese Sichtweise geteilt und gegen die Schlussbescheide keine Klage erhoben hätten.

Die Feststellung des Liquiditätsengpasses und die damit einhergehende Festsetzung der NRW-Soforthilfe seien im Übrigen entsprechend seiner Verwaltungspraxis erfolgt. Diese habe er an den Vorgaben von Ziffer 5.3 Abs. 2 der aus den vorstehenden Gründen anwendbaren Soforthilferichtlinie ausgerichtet. Der hiernach maßgebliche Liquiditätsengpass des Klägers ergebe sich nur in der festgesetzten Höhe. Irrelevant sei hingegen, ob im maßgeblichen Zeitraum ein Umsatzausfall vorgelegen habe. Ein solcher betreffe nur die Antragsvoraussetzungen, nicht aber die "Anspruchsvoraussetzungen / Höhe der Leistungen". Es komme insoweit nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides an, sondern allein auf die durch die Soforthilferichtlinie gesteuerte Verwaltungspraxis bis zum Erlass des Schlussbescheides. Infolge der Vorläufigkeit der Bewilligung bestehe auch kein Vertrauensschutz hinsichtlich der endgültigen Höhe der Soforthilfe und der Berechnungsgrundlage. Aufgrund der Formulierungen in dem Antragsformular, dass die Soforthilfe zur Überwindung der "existenzbedrohlichen Wirtschaftslage bzw. des Liquiditätsengpasses" gewährt werde, habe jedem objektiven Empfänger klar sein müssen, dass die Soforthilfe nicht dem Zweck dienen könne, den wirtschaftlichen "Status Quo" aufrechtzuerhalten. Von Umsatzausfällen sei auch im Antragsformular nur dort die Rede, wo es um die Antragsvoraussetzungen ginge. Auch die bereits erwähnten Verlautbarungen des Bundes brächten dies klar zum Ausdruck.

 

Gründe

Die Klage ist zulässig (dazu unter I.) und hat auch in der Sache Erfolg (dazu unter II.).

I.

Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO) statthaft. Denn der Kläger begehrt mit dem streitbefangenen Schlussbescheid die Aufhebung eines Verwaltungsaktes. Aus Gründen der Klarstellung weist die Kammer darauf hin, dass Ziffer 1. des Schlussbescheides mit der Feststellung der Höhe des Liquiditätsengpasses gegenüber der in Ziffer 2. erfolgten Festsetzung der Höhe der Soforthilfe keinen eigenständigen Regelungsgehalt aufweist. Nach der erkennbaren Regelungsabsicht des Beklagten dient die Feststellung des Liquiditätsengpasses allein der Berechnung der betragsmäßig gleichlautenden Festsetzung der Höhe der Soforthilfe. Erst in der Festsetzung der Höhe der Soforthilfe kommt das eigentliche Regelungsvorhaben des Beklagten zum Ausdruck, deren Höhe endgültig zu bestimmen.

Der Kläger ist im Hinblick auf den angegriffenen Schlussbescheid auch klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Er kann geltend machen, durch diesen in seinen Rechten verletzt zu sein. Für die Annahme der Klagebefugnis genügt bereits die schlüssige Rechtsbehauptung, durch einen Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Ob dies hingegen tatsächlich der Fall ist, ist eine Frage der Begründetheit. Hiernach ergibt sich die Klagebefugnis bereits aus der Behauptung des Klägers, dass es sich bei dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid nicht bloß um einen vorläufigen Bescheid handelt. Damit stellt er nämlich die Rechtsbehauptung auf, dass der angegriffene Schlussbescheid, der die Soforthilfe geringer als der Bewilligungsbescheid vom 27. März 2020 festsetzt, eine ihm mit diesem Bescheid bereits endgültig zugewiesene Rechtsposition ohne Rechtsgrundlage verkürzt.

II.

Die Klage ist auch begründet. Der angegriffene Schlussbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Feststellung des Liquiditätsengpasses und der Festsetzung der Höhe der Soforthilfe (dazu unter 1.) als auch der Rückforderung der vermeintlich durch den Kläger zu viel erhaltenen Soforthilfe (dazu unter 2.).

1.

Der Beklagte stützt die Festsetzung der Höhe der Soforthilfe zu Unrecht auf die Annahme, dass er dem Kläger die Soforthilfe in Höhe von 9.000,- € zunächst nur vorläufig und vorbehaltlich einer Schlussabrechnung bewilligt habe. Vielmehr handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Bescheid um die nachträgliche Teilaufhebung einer mit dem Bewilligungsbescheid vom 27. März 2020 ohne einen solchen Vorbehalt gewährten Zuwendung, die nicht im vorliegend verfolgten Wege eines "Schlussbescheids" erfolgen durfte.

Die Möglichkeit, zunächst einen sogenannten vorläufigen Verwaltungsakt (besser: einen Verwaltungsakt, der eine vorläufige Regelung trifft) zu erlassen, der zu einem späteren Zeitpunkt durch einen abschließenden Verwaltungsakt ersetzt wird, ist allgemein anerkannt. Der Regelungsgehalt eines vorläufigen Bescheides im Zusammenhang mit der Bewilligung staatlicher Förderungsleistungen beschränkt sich darauf, dem Leistungsempfänger den Förderungsbetrag bis zur abschließenden Regelung des Sachverhaltes zuzuweisen. Dieser Vorbehalt schränkt die Bindungswirkung des Verwaltungsaktes in der Form ein, dass er sich auf andere Weise i. S. d. § 43 Abs. 2 VwVfG (NRW) erledigt, wenn er durch einen endgültigen Verwaltungsakt ersetzt wird. Der Vorbehalt ist damit unselbständiger Bestandteil der Hauptregelung des Ausgangsbescheides und betrifft dessen innere Wirksamkeit. Da dem Leistungsempfänger allein eine vorläufige Rechtsposition zugewiesen ist, muss sich die Schlussentscheidung nicht an den Voraussetzungen der §§ 48 f. VwVfG (NRW) messen lassen. Einer Aufhebung des (vorläufigen) Bewilligungsbescheides bedarf es folglich nicht.

Vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 14. April 1983 - 3 C 8.82 -, BVerwGE 67, 99, zitiert nach juris Rn. 23 ff und Urteil vom 19. November 2009 - 3 C 7.09 -, BVerwGE 135, 238 - 247, Rn. 15 ff,; OVG NRW, Urteil vom 28. September 1990 - 15 A 708/88 -, NVwZ 1991, 588; Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 35 Rn. 245f. .

Die Vorläufigkeit eines Verwaltungsaktes ebenso wie deren Umfang muss sich aus diesem selbst ergeben. Der Vorbehalt muss dabei, schon um dem in § 37 Abs. 1 VwVfG NRW zum Ausdruck kommendem Bestimmtheitsgebot zu genügen, eindeutig gefasst sein. Dies kann ausdrücklich oder in sonstiger unmissverständlicher Weise erfolgen. Wird ein Verwaltungsakt nicht hinreichend deutlich unter Vorbehalt gestellt, ist von einer endgültigen Regelung auszugehen, auch weil bei Auslegung eines Verwaltungsaktes Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen.

Vgl. Stelkens, a. a. O, § 35 Rn. 247, u. a. unter Hinweis auf namentlich OVG NRW, Urteil vom 28. September 1990, a. a. O.

Insbesondere die in § 165 Abs. 1 Satz 3 AO, § 41a Abs. 2 Satz 1 SGB II und § 328 Abs. 1 Satz 2 SGB III getroffenen Regelungen bieten Anhalt für die Konkretisierung der Bestimmtheitsanforderungen. Die genannten Vorschriften betreffen spezialgesetzlich Konstellationen, in denen ein vorläufiger Verwaltungsakt ergehen darf, und verlangen, dass Umfang bzw. Grund und Umfang der Vorläufigkeit in dem entsprechenden Bescheid anzugeben sind. Diese Vorgaben lassen sich als Ausdruck von allgemein für den Erlass eines vorläufigen Verwaltungsaktes geltenden Anforderungen auffassen.

Eine vom ursprünglichen Bescheid abweichende Regelung in einem diesen ersetzenden Schlussbescheid kommt im Übrigen nur in Betracht, wenn und soweit sie aus den Gründen ergeht, wegen derer die frühere Regelung unter Vorbehalt gestellt wurde.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009, a. a. O, Rn. 17 sowie OVG NRW, Urteil vom 28. September 1990, a. a. O., (S. 589).

Eine Behörde darf vorbehaltlich spezialgesetzlicher Ermächtigungen eine Regelung in einem Verwaltungsakt nicht nach Belieben nur vorläufig treffen, sondern nur, wenn ihr eine bestehende Ungewissheit hierzu sachlichen Grund gibt. Das ist bei einer tatsächlichen Ungewissheit nur dann der Fall, wenn sie Umstände betrifft, die erst künftig eintreten.

BVerwG, Urteil vom 19. November 2009, a. a. O. Rn. 21.

Das Vorliegen einer solchen Ungewissheit ist aber nur Voraussetzung dafür, einen vorläufigen Verwaltungsakt erlassen zu dürfen. Es besagt hingegen nicht, dass eine Regelung auch tatsächlich unter dem Vorbehalt einer abschließenden Regelung getroffen wurde. Einer solchen Unsicherheit kann ggf. auch mit anderen Instrumenten wie z.B. einem Widerrufsvorbehalt (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG NRW) begegnet werden. Ob eine Leistungsbewilligung ggf. unter dem Vorbehalt einer abschließenden Regelung oder einem Widerrufsvorbehalt steht, unterliegt der Würdigung des jeweiligen Einzelfalles. Für den Vorbehalt einer abschließenden Regelung kann dabei sprechen, dass der Förderbescheid die endgültige Höhe in jedem Fall variabel hält. In diesem Fall muss der Leistungsempfänger nämlich in jedem Fall mit einer späteren Festsetzung des Förderungsbetrages rechnen. Bei einer vorbehaltlosen Förderung darf er hingegen davon ausgehen, dass der Widerrufsfall nur bei atypischem Geschehensablauf eintritt und die Ausübung eines Widerrufes auch dann nicht zwingend ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 - 10 C 5.17 -, juris Rn. 26.

Maßgebend für die Auslegung eines Verwaltungsakts einschließlich entsprechender Nebenbestimmungen ist dabei analog der §§ 133, 157 BGB nicht der innere Wille der Behörde, sondern der im Verwaltungsakt zum Ausdruck kommende erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung. Maßgeblicher Auslegungszeitpunkt ist der Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes.

BVerwG, Urteil vom 15. März 2017 - 10 C 1.16 -, juris Rn. 14; Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 35 Rn. 71.

Neben dem Inhalt des Bewilligungsbescheides sowie des Antragsformulars können auch weitere Erkenntnisse den auslegungsrelevanten Empfängerhorizont des Leistungsempfängers beeinflussen und damit für die Auslegung des Bescheides relevant werden. Dabei kann allerdings nur auf solche Quellen - namentlich behördliche Verlautbarungen - abgestellt werden, die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des in Rede stehenden Bewilligungsbescheides bereits veröffentlich waren und daher dem Leistungsempfänger bekannt oder zumindest für ihn erkennbar waren. Nicht nach außen kundgetane Vorbehalte sind unerheblich.

Zu den für den Empfängerhorizont besonders relevanten Informationsquellen zählen vorliegend die auf der Antragsplattform des Beklagten bereitgestellten "FAQ". Denn mittels dieser Informationen hat der Beklagte als Zuwendungsgeber über das federführende Landeswirtschaftsministerium den Zuwendungsempfängern gegenüber unmittelbar Voraussetzungen und Verfahren des Soforthilfeprogramms kommuniziert. Etwaigen Verlautbarungen von Ministerien des Bundes kommt kein gleiches Gewicht zu, weil und soweit sie nicht zwischen Zuwendungsgeber und Zuwendungsempfänger kommuniziert wurden. Ein verständiger Empfänger in der Situation des Antragstellers darf auf die in den FAQs des Zuwendungsgebers bestimmten Maßgaben in aller Regel vertrauen. Er muss nicht ergänzend schwerer greifbare Bundesquellen sichten und auf etwaige Widersprüche zu den Verlautbarungen des Zuwendungsgebers überprüfen.

Völlig unerheblich für die Bestimmung des Bescheidinhaltes ist der vom Beklagten angeführte Umstand, dass sich gemessen an der Gesamtzahl der Soforthilfeleistungsempfänger nur ein verhältnismäßig geringer Teil gerichtlich gegen die Schlussbescheide zur Wehr gesetzt hat. Der objektive Empfängerhorizont wird hierdurch in keiner Weise tangiert. Es liegt im Übrigen auf der Hand, dass viele Empfänger, zumal in einer wirtschaftlichen Notlage, das mit einer Klage einhergehende Prozesskostenrisiko gescheut haben. Dies gilt umso mehr, als sie insbesondere aufgrund der vom Beklagten in den gegen die E-Mails zum eingeforderten Rückmeldeverfahren gerichteten Klageverfahren verfolgten Praxis der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten damit rechnen mussten, dass er sich - wie zum Teil auch geschehen - erneut verfahrenskostenintensiver anwaltlicher Hilfe bedienen würde. Entsprechendes gilt für den Einwand des Beklagten, dass im Rückmeldeverfahren über 60.000 Soforthilfeempfänger freiwillig erklärt hätten, mangels eines Liquiditätsengpasses auf die Zuwendung zu verzichten, zumal auf der Hand liegt, dass zahlreiche Zuwendungsempfänger diese Erklärung abgegeben haben, weil sie auf ein rechtmäßiges Verhalten des an Recht und Gesetz gebundenen Beklagten vertraut haben.

Ähnlich VG Köln, Urteil vom 16. September 2022 - 16 K 125/22 -, juris Rn. 103.

Nach den dargelegten Maßstäben vermag die Kammer die Vorläufigkeit der ursprünglichen Bewilligung nicht festzustellen (dazu unter a). Selbst wenn man aber davon ausginge, dass der Beklagte die Bewilligung in bestimmten Umfang unter den Vorbehalt einer vorläufigen Regelung gestellt hat, wäre der Vorbehaltsfall nicht eingetreten (dazu unter b.).

a)

Der Beklagte sieht im Einklang mit der von ihm angeführten Ziffer 5.3 der Soforthilferichtlinie eine zum Erlass eines vorläufigen Verwaltungsaktes berechtigende Ungewissheit in der Höhe des aus seiner Sicht für die abschließende Festsetzung der Höhe der Soforthilfe maßgeblichen Liquiditätsengpasses. In Anlehnung an diese Bestimmung behauptet er, die Soforthilfebewilligung vom 27. März 2020 habe unter dem Vorbehalt gestanden, dass die Höhe der Soforthilfe in jedem Fall nach Durchführung eines obligatorischen Rückmeldeverfahrens auf Grundlage der Berechnung des Liquiditätsengpasses abschließend festzusetzen gewesen sei. Für einen solchen Vorbehalt geben indes weder der Bewilligungsbescheid noch die zu dessen Auslegung aus objektiver Empfängersicht heranzuziehenden Informationsquellen etwas her.

Dass die vom Beklagten angeführte Soforthilferichtlinie vom 31. Mai 2020 unter Ziffer 5.3 ein obligatorisches Rückmeldeverfahren einschließlich entsprechender Rückzahlungsverpflichtungen der Leistungsempfänger vorsieht und damit die Vorläufigkeit der Bewilligung offensichtlich voraussetzt, ist für die Bestimmung des Regelungsgehalts des Bewilligungsbescheids vom 27. März 2020 nicht maßgeblich. Die Soforthilferichtlinie gehört nicht zum insoweit auslegungsrelevanten Empfängerhorizont, weil sie erst mehr als zwei Monate nach Erlass des Bewilligungsbescheids veröffentlicht wurde. Die Ausführungen des Beklagten zur rückwirkenden Anwendbarkeit der Soforthilferichtlinie gehen an diesem Ansatz vorbei. Es handelt sich bei ihr im Übrigen nicht um eine unmittelbar im Außenverhältnis zum Zuwendungsempfänger relevante Rechtsnorm, sondern um eine zunächst nur nach innen wirkende Handlungsanweisung des federführenden Landeswirtschaftsministeriums gegenüber den ihm nachgeordneten Bezirksregierungen.

Allein aus dem Umstand, dass angesichts der Unklarheiten, in welcher Höhe sich ein Liquiditätsengpass bei den jeweiligen Antragsstellern ergeben würde, eine vorläufige Bewilligung der Soforthilfen hätte erfolgen können, folgt aus den vorstehenden Erwägungen nicht, dass der Beklagte die Soforthilfebewilligung auch unter einen entsprechenden Vorbehalt gestellt hat. Die Vorläufigkeit ergibt sich weder unmittelbar aus dem Bescheid selbst noch aus den weiteren den auslegungsrelevanten Empfängerhorizont bestimmenden Umständen. Entgegen der Darstellung des Beklagten bewirken diese keineswegs, dass sich die Vorläufigkeit der Bewilligung "jedem Verständigen" "hätte aufdrängen müssen" bzw. "hätte klar sein müssen". Im Gegenteil fehlt es hierfür an tragfähigen Anhaltspunkten.

Im Sprachgebrauch des Bewilligungsbescheids vom 27. März 2020 findet der vom Beklagten behauptete Vorbehalt der Vorläufigkeit nicht einmal andeutungsweise Ausdruck. Namentlich die Überschrift des Bescheides, der Bewilligungstenor unter Ziffer 1. und die übrigen (Neben-)Bestimmungen enthalten keine entsprechenden Formulierungen. Für einen vorläufigen Verwaltungsakt typische Wendungen wie "Vorläufige Bewilligung", "Ich bewillige Ihnen folgende Leistungen vorläufig", "Dieser Bescheid ist (teilweise) vorläufig" etc. finden sich an keiner Stelle.

Vgl. insoweit auch VG Düsseldorf, Urteil vom 16. August 2022 - 20 K 7488/20 -, juris Rn. 104.

Das Fehlen jeglichen grammatikalischen Hinweises auf die Vorläufigkeit der Bewilligung steht der gebotenen Eindeutigkeit und Bestimmtheit eines solchen Vorbehalts entgegen. Es liegt sogar nahe, dass es sie bereits für sich gesehen ausschließt. Letztlich bedarf dies aber keiner abschließenden Entscheidung. Denn auch dem übrigen Inhalt des Bescheides und den zu dessen Auslegung heranzuziehenden Informationsquellen lässt sich nichts für die Vorläufigkeit der Bewilligung entnehmen.

Dass dem Kläger die Auszahlung einer einmaligen "Pauschale" in Höhe von 9.000,- € bewilligt wurde, lässt keinen Schluss darauf zu, dass die Bewilligung zunächst nur vorläufig erfolgt ist. Der allgemeine Zweck von Pauschalisierungen, exakte Berechnungen zu vermeiden, legt eher das Gegenteil nahe. Unter einer Pauschale wird im allgemeinen Sprachgebrauch ein Geldbetrag verstanden, durch den eine Leistung, die sich aus verschiedenen einzelnen Posten zusammensetzt, ohne Spezifizierung abgegolten wird.

Vgl. nur: https://www.duden.de/rechtschreibung/Pauschale.

Ein Vorbehalt der späteren Spezifizierung ist dem Begriff der Pauschale nicht zu eigen. Vielmehr hat die Pauschalisierung in vielen Fällen endgültigen Charakter.

Der vom Beklagten angeführte mehrmonatige Bewilligungszeitraum ist ebenfalls kein Indiz für eine bloß vorläufige Regelung. Die Festlegung von solchen Zeiträumen gehört zum Standard von Subventionsverfahren. Sie dient zunächst nur der Definition der Zuwendung und ihres Zwecks durch Zuordnung zu dem bestimmten Zeitraum. Nach der Erfahrung der Kammer finden sich derartige Bestimmungen in einer Vielzahl eindeutig nicht vorläufiger Subventionsbewilligungen. Sie sind oftmals mit einer Pflicht zur Vorlage von Verwendungsnachweisen verknüpft, deren Nichterfüllung einen späteren Widerruf einer - endgültigen - Bewilligung ermöglicht.

Ebenso wenig rechtfertigt die Zweckbestimmung in Ziffer 2. des Bewilligungsbescheides die Annahme eines Vorbehalts der Vorläufigkeit. Entsprechende Zweckbestimmungen finden sich vor dem Hintergrund, dass die einschlägigen Haushaltsordnungen des Bundes bzw. der Länder (vgl. jeweils §§ 23, 46) Zuwendungen außerhalb der Verwaltung nur für die Erfüllung eines bestimmten Zweckes zulassen, regelmäßig in Subventionsbescheiden. Sie dienen insbesondere dazu, eine zweckentsprechende Verwendung der Mittel sicherzustellen und bei zweckwidriger Verwendung den späteren Widerruf der - endgültigen - Bewilligung nach § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG NRW zu ermöglichen.

Vgl. in der Sache übereinstimmend: Stelkens a. a. O., § 36 Rn. 102 und Tiedemann in: BeckOK-VwVfG, 56. Aufl. Stand: 1.7.2022, § 36 Rn. 75

Auch der "Nebenbestimmung" in Ziffer 3. des Bewilligungsbescheides lässt sich die Vorläufigkeit der Bewilligung nicht entnehmen. Ziffer 3. bestimmt eine Rückzahlungspflicht, wenn die dort genannten Voraussetzungen vorliegen, also wenn kumulativ die bewilligte Finanzhilfe höher ist als der Umsatzausfall abzüglich eingesparter Kosten und die Mittel nicht vollständig zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich eines Liquiditätsengpasses benötigt werden.

Dass diese "Nebenbestimmung" Ausdruck einer Ungewissheit ist, die sachlichen Grund für einen Vorbehalt der Vorläufigkeit bieten könnte, besagt nach den oben genannten Maßstäben nicht, dass die Bewilligung tatsächlich unter einen solchen Vorbehalt gestellt wurde. Nach diesen Maßstäben stellt die fragliche Ziffer, sofern es sich überhaupt um eine Nebenbestimmung im Rechtssinne mit Regelungsgehalt und nicht um einen bloßen Hinweis etwa auf die Möglichkeit eines Widerrufs handelt, allenfalls einen Widerrufsvorbehalt dar.

Der Kläger musste aufgrund des Wortlautes der Bestimmung und den übrigen für ihn erkennbaren Umständen nicht damit rechnen, dass in jedem Fall ein Rückmeldeverfahren durchgeführt und die Höhe der Förderung anschließend endgültig festgesetzt würde. Vielmehr durfte er davon ausgehen, dass die in der Bestimmung beschriebene Rückzahlungsverpflichtung nur im dort definierten (Ausnahme-)Fall zum Tragen kommt.

Die an den jeweiligen Adressaten persönlich gerichtete Bestimmung, "Sollten Sie [...] feststellen, dass [...]" beinhaltet dem Wortsinn nach zunächst nur eine von einer Feststellung des Zuwendungsempfängers abhängige Rückzahlungsverpflichtung, wobei die Anknüpfung an die Feststellung durch den Zuwendungsempfänger selbst eher einen appellativen als einen zwingenden Charakter der "Überprüfung" andeutet. Dass eine solche Feststellung im Rahmen eines für jeden Zuwendungsempfänger obligatorischen Abrechnungsverfahrens zur erst dann vorgesehenen Bestimmung der endgültigen Höhe der Zuwendung erfolgen sollte, findet in der Formulierung der Ziffer 3 keine Stütze. Besonders deutlich wird dies im Vergleich mit den in Ziffer 5.3 der - aus den genannten Gründen nicht maßgeblichen - späteren Soforthilferichtlinie getroffenen Bestimmungen. Hiernach ist u.a. bestimmt, dass "jeder Leistungsempfänger [...] verpflichtet sei, [...]. eine Abrechnung [...] anzufertigen und ihr Ergebnis [...] einzureichen" und dass hinsichtlich Soforthilfen, die "nicht oder nur teilweise durch Deckung des [...] Liquiditätsengpasses verwendet wurden", eine Rückzahlung zu veranlassen sei. Diesen Bestimmungen ließe sich der vom Beklagten behauptete Vorbehalt einer vorläufigen Regelung entnehmen. Die Formulierung der Ziffer 3. des Bewilligungsbescheides hat nach dem zuvor Gesagten indes mit den besagten Bestimmungen der Soforthilferichtlinie nichts gemein.

Hinzu kommt, dass die Bestimmung die Rückzahlungsverpflichtung grammatikalisch ("Sollten Sie") und in Würdigung des Zwecks der Soforthilfe an den Eintritt eines atypischen Geschehensablaufs knüpft, der im Verhältnis zum im Bewilligungsverfahren angenommenen Regelfall eine Ausnahme darstellt. Bei der Bewilligung der Soforthilfen wurde nämlich vorausgesetzt, dass die Antragsteller durch die pandemiebedingten Einschränkungen wesentlich in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit beeinträchtigt wurden (vgl. Ziffer 6.1 des Antragsformulars) bzw. in "wirtschaftliche Schwierigkeiten" geraten waren (vgl. Antwort zur Frage "Was wird gefördert?" in den "FAQ"). Es wurde aufgrund entsprechender Versicherungen der Antragsteller in den Anträgen zugrunde gelegt, dass diese Voraussetzungen die Folge von gravierenden (mindestens hälftigen) Umsatzeinbußen oder massiven Einschränkungen der Betätigung im Zusammenhang mit behördlichen Infektionsschutzmaßnahmen waren. Der die Rückzahlungsverpflichtung nach Ziffer 3 des Bewilligungsbescheids auslösende Tatbestand, dass Hilfen über die Umsatzausfälle hinausgingen und nicht zur Existenzsicherung oder Beseitigung von Liquiditätsengpassen benötigt wurden, stellt sich damit als von den regelmäßig der Bewilligung zugrunde gelegten Annahmen abweichender Geschehensablauf dar.

Untermauert wird dieses Verständnis durch die in Ziffer 5. enthaltene Bestimmung, dass "im Einzelfall (Hervorhebung durch die Kammer) eine Überprüfung der Soforthilfen" vorbehalten werde. Die Formulierung besagt nämlich klar und eindeutig, dass eine Überprüfung der Mittelverwendung nur in bestimmten Fällen, nicht aber generell und schon gar nicht in Gestalt eines obligatorisch durchzuführenden Rückmeldeverfahrens erfolgen werde.

Einer vorläufigen Bewilligung unter dem Vorbehalt einer in einem solchen obligatorischen Verfahren nachzuweisenden Verwendung der Mittel, hier zur Deckung eines Liquiditätsengpasses, steht ferner durchgreifend entgegen, dass nach den "FAQ" eine Nachweispflicht für die Verwendung der Mittel gerade ausdrücklich nicht vorgesehen war. Dort heißt es nämlich auf die Frage: "Muss nachgewiesen werden wofür der Zuschuss eingesetzt wird?", "Nein, ein solcher Nachweis muss nicht erfolgen." Der vom Beklagten behauptete Vorbehalt der Vorläufigkeit läuft aber auf eben eine solche Nachweispflicht hinaus.

Die obligatorische Durchführung eines Rückmeldeverfahrens im Nachgang zu der Bewilligung ist in den "FAQ" auch sonst an keiner Stelle erwähnt. Die Antwort auf die Frage: "Wird geprüft, ob dem Antragsteller die Hilfe auch wirklich zugestanden hat und wenn nein, muss die Hilfe dann ggfls. zurückgezahlt werden?" untermauert im Gegenteil, dass keine generelle Prüfung durch die Bezirksregierungen vorgesehen war. Denn stattdessen wird lediglich auf die an die Steuererklärung der Antragsteller anknüpfende Möglichkeit einer Plausibilitätskontrolle durch die Finanzämter verwiesen. Im Übrigen heißt es nur, dass neben Fällen der täuschungsbedingten Erwirkung der Leistung eine Rückzahlung erfolgen müsse, wenn es zu "einer Überkompensation (z.B. durch Versicherungsleistungen oder andere Fördermaßnahmen)" gekommen sei. Einen Hinweis auf einen generellen Überprüfungsvorbehalt beinhaltet auch diese Formulierung nicht.

Schließlich legt auch Ziffer 4. des Bewilligungsbescheides die Annahme nahe, dass Ziffer 3. eher als Hinweis auf die Möglichkeit eines Widerrufes zu verstehen ist. Die "Nebenbestimmung" in Ziffer 4. bezieht sich in den ersten beiden Varianten auf Fälle, in denen die Bewilligung aufgrund falscher oder unvollständiger Angaben erteilt wurde. Bei verständiger Würdigung kann dies als Hinweis auf die in §§ 48 ff. VwVfG NRW vorgesehene Möglichkeit aufgefasst werden, die Bewilligung im Einzelfall aufzuheben. Daneben sieht die Bestimmung im selben Satz als dritte Variante den Fall einer "Überkompensation" vor, der ebenfalls eine Rückerstattung zur Folge habe. Dafür, dass hiermit eine andere Konstellation gemeint sein könnte als in Ziffer 3. hinsichtlich einer Rückzahlungsverpflichtung, ist nichts ersichtlich. Im Gegenteil wird der Begriff der "Überkompensation" in den "FAQ" als ein Mehr an Zuwendung gegenüber dem Umsatzausfall definiert. Es widerspräche der inneren Logik der Bestimmung, im Hinblick auf die Fälle von falschen oder unvollständigen Angaben auf die Möglichkeit einer Rücknahme der Bewilligung zu verweisen, im Falle der Überkompensation hingegen einen im Verwaltungsverfahrensgesetz nicht ausdrücklich vorgesehenen Vorbehalt der Vorläufigkeit zu regeln. Vielmehr drängt es sich auf, die Bestimmung in Ziffer 4. einheitlich und damit auch bzgl. der "Überkompensation" als Hinweis auf die in §§ 48 f. VwVfG NRW vorgesehenen Ermächtigungen zur Aufhebung endgültiger Bewilligungsbescheide zu verstehen. Erhärtet wird dies dadurch, dass die Bestimmung hinsichtlich der Verzinsung auf § 49a Abs. 3 VwVfG NRW verweist.

b)

Selbst wenn man aber davon ausginge, dass der Bewilligungsbescheid - im nachfolgend näher bezeichneten Umfang - unter dem Vorbehalt einer abschließenden Regelung stand, würde dies an der Rechtswidrigkeit des streitigen Schlussbescheides nichts ändern.

Angesichts der bereits erwähnten strengen Anforderungen, die an die Bestimmtheit eines entsprechenden Vorbehaltes zu stellen sind, ließe sich die Unterstellung eines Vorbehalts einer vorläufigen Regelung allein an die Bestimmung in Ziffer 3. des Bewilligungsbescheides knüpfen. Im Übrigen gibt der Bewilligungsbescheid aus den zuvor bereits erwähnten Gründen für die Vorläufigkeit der Bewilligung nichts her. Aus der Anforderung, dass Grund und Umfang der Vorläufigkeit eindeutig bestimmt sein müssen, folgt zugleich, dass die Verwaltungsbehörde nur in dem Umfang zu einer ihre ursprüngliche Bewilligung ersetzenden Regelung befugt ist, in dem sie sich eine abschließende Regelung vorbehalten hat. Betrifft der Vorbehalt dabei die Höhe der Bewilligung, ist die Bewilligungsbehörde generell befugt, die Höhe der Förderung zu einem späteren Zeitpunkt abschließend festzulegen. Hat sie dabei aber im Bewilligungsbescheid bereits die für die abschließende Berechnung der Förderungshöhe maßgeblichen Parameter (zumindest grundlegend) bestimmt, muss die anschließende dem Schlussbescheid zugrunde liegende Berechnung der Förderhöhe diesen Parametern entsprechen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Bindungswirkung eines Bewilligungsbescheides im Falle eines vorläufigen Verwaltungsakts nur im Umfang des konkreten Vorbehaltes eingeschränkt ist. Hält die Bewilligungsbehörde diesen von ihr selbst durch einen entsprechenden Vorbehalt gesteckten Rahmen nicht ein, überschreitet sie die Befugnis zum Erlass einer abschließenden Regelung.

Ähnlich VG Düsseldorf, a. a. O, Rn. 107 ff.

So liegt der Fall - die Vorläufigkeit der Bewilligung unterstellt - hier. Der Beklagte hat die maßgeblichen Parameter für die abschließende Berechnung bereits im Bewilligungsbescheid festgelegt (dazu unter aa.). Die nachfolgende Schlussberechnung erfolgte indes nicht im Einklang mit diesen Parametern (dazu unter bb).

aa)

Die Bestimmung in Ziffer 3. sieht ihrem Wortlaut nach die Rückzahlungsverpflichtung für den Fall vor, dass die Finanzhilfe höher ist als der Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten und (Hervorhebung durch die Kammer) die Mittel nicht (vollständig) zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz bzw. Ausgleich eines Liquiditätsengpasses benötigt werden. Nach diesem eindeutigen Wortlaut müssen die genannten tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Rückzahlungsverpflichtung kumulativ vorliegen. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass die Finanzhilfen höher sind als der Umsatzausfall abzüglich eingesparter Kosten.

Diese Annahme wird auch dadurch untermauert, dass sowohl im Antragsformular (vgl. Ziffer 6.11) als auch im Bewilligungsbescheid in Ziffer 4. sowie an verschiedenen Stellen in den "FAQ" die Rede davon ist, dass eine Rückzahlungsverpflichtung im Falle einer "Überkompensation" bestehe. In den "FAQ" wird eine Überkompensation ab der Version vom 27. März 2020 definiert als ein Mehr an Zuwendungen gegenüber dem "tatsächlich eingetretenen Schaden - also insbesondere dem durch die Corona-Krise eingetretenen Umsatzausfall abzüglich eventuell eingesparter Kosten (z.B. Mietminderung) [...]". Der hier relevante Begriff des Schadens, der nicht überkompensiert werden soll, wird damit eindeutig mit Umsatzausfällen gleichgestellt.

Die vom Beklagten angenommene Lesart, wonach die Rückzahlungsverpflichtung allein davon abhänge, ob die Finanzhilfen zur Deckung eines Liquiditätsengpasses verwendet wurden, findet hingegen in den für den Empfängerhorizont relevanten Umständen keine Stütze. Gegen diese Lesart spricht zudem, dass der Begriff "Liquiditätsengpass" im Rahmen des Bewilligungsverfahrens keinesfalls als alleine maßgebliches Kriterium für die Höhe der Bewilligung zum Ausdruck gekommen ist.

So legt es die Formulierung der Zweckbestimmung in Ziffer 2. des Bewilligungsbescheides, dass die Soforthilfe insbesondere zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen diene, nahe, dass diese auch für andere nicht näher bestimmte Zwecke verwendet werden durfte. Hierzu passt der Hinweis in den "FAQ", dass ein Verwendungsnachweis nicht erbracht werden müsse. Dass die Soforthilfe hingegen ausschließlich zur Deckung eines Liquiditätsengpasses hätte verwendet werden dürfen, ist mit der vorgenannten Zweckbestimmung nicht in Einklang zu bringen und musste von den Leistungsempfängern auch nicht angenommen werden.

Die Rechtsbehauptung des Beklagten wird ferner dadurch widerlegt, dass sowohl im Antragsformular unter Ziffer 6.1 als auch in den "FAQ" zu der Frage: "Was wird gefördert?" ein Liquiditätsengpass, wie er in der Formulierung "[... ] - vorhandene Mittel nicht ausreichen, um kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen" zum Ausdruck kommen könnte, nur als eine von vier mit der Konjunktion "oder" verbundenen Varianten auftaucht, in denen eine Soforthilfe bewilligt wird. Die weiteren Varianten stellten hingegen insbesondere auf gravierende Umsatzausfälle oder massive Einschränkungen der Umsatzerzielungsmöglichkeiten ab. Dass dann aber schlussendlich alleine die Höhe eines Liquiditätsengpasses für die Höhe der Soforthilfe maßgeblich sein soll, muss sich keineswegs aufdrängen, sondern setzt sich in Widerspruch zu den für die Bewilligung maßgeblichen Vorgaben.

Die vom Beklagten des Weiteren zur Untermauerung seiner Position angeführte Soforthilferichtlinie ist aus den zuvor bereits erläuterten Gründen ohne Belang. Soweit sich dem vom Beklagten angeführten Kurzfakten-Papier des Bundeswirtschaftsministeriums vom 30. März 2020 etwas zugunsten seiner Position entnehmen lassen könnte, tritt dies nach den oben dargelegten Maßstäben jedenfalls gegenüber dem eindeutigen Inhalt des Antragsformulars und des Bewilligungsbescheides sowie den "FAQ" des Landeswirtschaftsministeriums zurück.

bb)

Die vom Beklagten vorgenommene Schlussabrechnung entspricht nicht dem so definierten unterstellten Vorbehalt.

Der Beklagte hat zur Berechnung der abschließenden Höhe der Soforthilfe eine Differenz aus den tatsächlichen fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb und den tatsächlich laufenden, erwerbsmäßigen Sach- und Finanzausgaben während des Bewilligungszeitraumes gebildet. Die Höhe der Soforthilfe beläuft sich hiernach auf den negativen Betrag dieser Differenz und entspricht dem so definierten Liquiditätsengpass.

Damit orientiert sich die Abrechnung nicht einmal ansatzweise am maßgeblichen Parameter des Umsatzausfalls.

Vgl. im Einzelnen VG Düsseldorf, Urteil vom 16. August 2022, a. a. O.

2.

Angesichts der Rechtswidrigkeit der abschließenden Festsetzung der Soforthilfe ist auch das auf analog § 49a Abs. 1 VwVfG NRW gestützte Rückzahlungsverlangen des Beklagten hinfällig.

III.

Die Kostentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung. Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, weil sich in entscheidungserheblicher Weise Tatsachenfragen stellen, die bisher in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht geklärt sind, und weil sich diese Tatsachenfragen gleichermaßen in einer Vielzahl weiterer Verfahren stellen, die an allen Verwaltungsgerichten des Landes Nordrhein-Westfalen anhängig sind.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zu.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, einzulegen und muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Die Begründung ist, wenn sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen.

Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV -) wird hingewiesen.

Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 23. Sept. 2022 - 19 K 297/22

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VG Düsseldorf: Rückforderung der Corona-Soforthilfen durch Land NRW war rechtswidrig

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 148/09
vom
1. Juli 2010
in dem Restschuldbefreiungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Begeht der Schuldner nach Eintritt in die Wohlverhaltensphase eine Straftat und
wird er deswegen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, schließt dies nicht von vornherein
die Erteilung der Restschuldbefreiung aus.

b) Befindet sich der Schuldner während der Wohlverhaltensphase für längere Zeit
in Haft, entbindet dies einen die Versagung der Restschuldbefreiung beantragenden
Insolvenzgläubiger nicht von der Verpflichtung, den Verstoß des
Schuldners gegen die Erwerbsobliegenheit und die daraus folgende konkrete
Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger glaubhaft zu machen.
BGH, Beschl. vom 1. Juli 2010 - IX ZB 148/09 - AG Stralsund
LG Stralsund
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Dr. Pape und Grupp
am 1. Juli 2010

beschlossen:
Dem Schuldner wird wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stralsund vom 2. Februar 2009 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt.
Auf die Rechtsmittel des Schuldners werden der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stralsund vom 2. Februar 2009 und der Beschluss des Amtsgerichts Stralsund vom 4. November 2008 aufgehoben.
Der Antrag, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 2 als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe:


I.

1
Auf seinen Antrag wurde über das Vermögen des Schuldners nach Verfahrenskostenstundung am 30. Januar 2006 das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet, in dem der weitere Beteiligte zu 1 zum Treuhänder bestellt wurde. Mit Beschluss vom 24. Mai 2006 kündigte das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung an. Am 20. September 2006 wurde das Verfahren aufgehoben. Der Schuldner, der keinen Beruf erlernt hat, war schon vor Verfahrenseröffnung vielfach und erheblich straffällig geworden. Er bezog Arbeitslosengeld II und für eine Nebentätigkeit als Türsteher in einer Diskothek weitere 160 € pro Monat. Hieran änderte sich auch nach Verfahrenseröffnung nichts. Einkommensanteile konnte der Beteiligte zu 1 nicht einziehen und an die Gläubiger verteilen.
2
Im September 2007 beging der Schuldner einen schweren Raub, für den er mit einem seit 2. Juli 2008 rechtskräftigen Urteil zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 9 Monaten verurteilt worden ist. Diese Strafe verbüßt er zur Zeit in einer Justizvollzugsanstalt. Der Schuldner trägt vor, dort zu arbeiten. Nach Ansparen des Überbrückungsgeldes nach § 51 StVollzG werde das dort erzielte Einkommen an seine Gläubiger verteilt werden können. Die beteiligte Insolvenzgläubigerin zu 2 hat allein die Strafhaft zum Anlass genommen, einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung zu stellen. Diesem Antrag hat das Insolvenzgericht stattgegeben und dem Schuldner die Stundung der Verfahrenskosten entzogen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners ist erfolglos geblieben. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Rechtsbeschwerde des Schuldners.

II.



3
Dem Schuldner ist wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§§ 233, 234 Abs. 2, § 575 ZPO).

III.


4
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 296 Abs. 3 InsO statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) ist begründet. Insolvenz- und Landgericht haben die Voraussetzungen , unter denen die Restschuldbefreiung gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 1, § 296 Abs. 1 InsO versagt werden darf, verkannt.
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1. Das Landgericht meint, der Schuldner habe sich durch die Straftat für nahezu die gesamte Wohlverhaltensperiode dem Arbeitsmarkt entzogen und damit gegen die Erwerbsobliegenheit des § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO verstoßen. Entscheidend für die Versagung sei, dass der Schuldner die Straftat nicht etwa vor Beginn jenes Zeitraums begangen habe, sondern gerade in derjenigen Phase, in der er sich hätte bewähren sollen. Von einer Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger sei auszugehen. Die Einkommensverhältnisse des Schuldners in der Vergangenheit ließen nicht den Schluss zu, dass er ohne die Strafhaft auch während des Rests der Wohlverhaltensphase keine pfändbaren Einkünfte mehr hätte erzielen können.
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2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Versagungsantrag der weiteren Beteiligten zu 2 vom 6. Oktober 2008 ist unzulässig und daher ohne weiteres zurückzuweisen.
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a) Gemäß § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO bedarf es zur Versagung der Restschuldbefreiung zwingend eines Gläubigerantrags. Ein solcher Antrag ist nur zulässig, wenn die Versagungsvoraussetzungen glaubhaft gemacht werden, die sich aus § 296 Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO ergeben. Nach § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO muss der Schuldner während der Laufzeit der Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 InsO, der sog. Wohlverhaltensperiode, eine seiner Obliegenheiten schuldhaft verletzt haben. Weitere Voraussetzung ist, dass die Befriedigung der Insolvenzgläubiger durch die Obliegenheitsverletzung beeinträchtigt ist. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut genügt für eine Versagung eine abstrakte Gefährdung der Befriedigungsinteressen der Gläubiger nicht; ausreichend ist nur eine konkret messbare tatsächliche Beeinträchtigung (BGH, Beschl. v. 5. April 2006 - IX ZB 50/05, ZInsO 2006, 547, 548 Rn. 4; v. 8. Februar 2007 - IX ZB 88/06, ZInsO 2007, 322, 323 Rn. 5; v. 12. Juni 2008 - IX ZB 91/06, VuR 2008, 434 Rn. 3; v. 21. Januar 2010 - IX ZB 67/09, ZInsO 2010, 391, 392 Rn. 9). Das in § 296 Abs. 1 Satz 3 InsO bestimmte Erfordernis der Glaubhaftmachung bezieht sich gerade auch auf diese Versagungsvoraussetzung (BGH, Beschl. v. 5. April 2006 aaO; v. 8. Februar 2007 aaO; v. 12. Juni 2008 aaO). Dazu muss im Rahmen einer Vergleichsrechnung die Vermögensdifferenz zwischen der Tilgung der Verbindlichkeiten mit und ohne Obliegenheitsverletzung ermittelt werden (Wenzel in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 296 Rn. 5; MünchKommInsO /Stephan, 2. Aufl. § 296 Rn. 15). Nach Abzug aller vorrangig zu befriedigenden Verbindlichkeiten muss eine pfändbare Summe verblieben und dieser an die Insolvenzgläubiger zu verteilende Betrag durch die Obliegenheitsverletzung verkürzt worden sein (AG Göttingen ZInsO 2006, 384, 385; FKInsO /Ahrens, 5. Aufl. § 296 Rn. 13).
8
b) Diesen Anforderungen genügt der Versagungsantrag vom 6. Oktober 2008 nicht. Die weitere Beteiligte zu 2 hat zu der Frage, inwieweit die Befriedigungsaussichten der Gläubiger durch ein Fehlverhalten des Schuldners beeinträchtigt worden sind, keinen konkreten Sachvortrag gehalten. Ein solcher war auch nicht entbehrlich. Aus den Umständen des vorliegenden Falls folgt keine Vermutung, dass die gegen den Schuldner verhängte Strafhaft die Befriedigungsaussichten der Gläubiger beeinträchtigt. Vor seiner Inhaftierung erzielte der Schuldner kein pfändbares Einkommen. Unter Berücksichtigung des bisherigen Werdegangs des Schuldners und des Fehlens beruflicher Qualifikation und Erfahrung gibt es keinen konkreten Anhaltspunkt für die Annahme, dass sich daran in den verbleibenden viereinhalb Jahren der Wohlverhaltensphase etwas hätte ändern können. Das Landgericht hat eine solche Aussicht auch nicht festgestellt. Es stützt seine Annahme, die Befriedigungsaussichten der Gläubiger seien beeinträchtigt, allein auf die theoretische Möglichkeit, dass der Schuldner ohne Inhaftierung eine Erwerbstätigkeit hätte finden können, mit der er pfändbare Einkünfte hätte erzielen können. Damit ist aber allenfalls eine abstrakte Gefährdung der Befriedigungsaussichten festgestellt, nicht aber die erforderliche konkrete Beeinträchtigung. Demgegenüber hat der Schuldner durch die Verdienstbescheinigung vom 16. Oktober 2008 belegt, dass er in der Strafhaft arbeitet. Der dort erzielte Verdienst wird in absehbarer Zeit dem Zugriff seiner Gläubiger zumindest teilweise zur Verfügung stehen. Sobald er das Überbrückungsgeld gemäß § 51 StVollzG angespart haben wird, wird ihm der nach Abzug des Hausgeldes (§ 47 StVollzG) verbleibende Teil der Einkünfte als Eigengeld gemäß § 52 StVollzG gutgeschrieben werden. Der Anspruch auf Auszahlung dieses Guthabens ist vorbehaltlich des § 51 Abs. 4 Satz 2 StVollzG pfändbar. Es unterliegt insbesondere nicht den Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850c und 850k ZPO (vgl. BGHZ 160, 112, 115 ff; Heyer NZI 2010, 81, 83 f).
9
3. Die Glaubhaftmachung des Verstoßes gegen die Erwerbsobliegenheit und der daraus folgenden Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten ist auch nicht allgemein entbehrlich, wenn der Schuldner während der Wohlverhaltensphase eine Straftat begeht und deswegen inhaftiert wird.
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a) Die Begehung einer Straftat, die zu einer Inhaftierung des Schuldners führt, rechtfertigt nur dann die Versagung der Restschuldbefreiung, wenn der Schuldner durch die Inhaftierung eine Arbeit verliert, aus der er pfändbare Einkünfte erzielt hat. Wie in anderen Fällen auch reicht allein der Verlust der Möglichkeit , sich auf dem Arbeitsmarkt um eine Tätigkeit zu bemühen, nicht aus, um die Restschuldbefreiung zu versagen. So ist eine Versagung nach der Rechtsprechung des Senats nicht gerechtfertigt, wenn der Schuldner eine Erwerbstätigkeit aufgibt, die - etwa aufgrund seiner Unterhaltspflichten - keine pfändbaren Beträge erbracht hat oder wenn der Schuldner eine (etwa nach Kinderbetreuung zumutbare Teilzeit-) Beschäftigung ablehnt, die keine pfändbaren Bezüge ergeben hätte (vgl. BGH, Beschl. v. 3. Dezember 2009 - IX ZB 139/07, ZInsO 2010, 105, 106 Rn. 9). Bei einem beschäftigungslosen Schuldner, der sich gar nicht um eine Beschäftigung bemüht, kommt eine Aufhebung der Stundung der Kosten des Verfahrens mangels Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger dann nicht in Betracht, wenn er nicht in der Lage ist, Einkünfte oberhalb der Pfändungsfreigrenze zu erzielen (BGH, Beschl. v. 22. Oktober 2009 - IX ZB 160/09, ZInsO 2009, 2210, 2212 Rn. 15). Zeigt ein Schuldner, der insgesamt nur unpfändbare Einkünfte erlangt, die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht an, kann darin zwar eine Obliegenheitsverletzung zu sehen sein, diese führt jedoch nicht zu einer Gläubigerbeeinträchtigung und damit auch nicht zur Versagung der Restschuldbefreiung (LG Landshut ZInsO 2007, 615, 616; AG Düsseldorf ZVI 2007, 482, 483; FK-InsO/Ahrens, aaO; MünchKommInsO /Stephan, aaO; HK-InsO/Landfermann, 5. Aufl. § 296 Rn. 3; Bindemann, Handbuch Verbraucherkonkurs, 3. Aufl. Rn. 252).

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An diesen Grundsätzen ist auch der Schuldner zu messen, der in der Wohlverhaltensphase straffällig wird und in Haft kommt. Auch diesem kann die Restschuldbefreiung nur dann versagt werden, wenn er dadurch seine Obliegenheiten verletzt und eine konkret messbare Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten seiner Gläubiger verursacht. Im vorliegenden Fall beging der schon vielfach straffällig gewesene Schuldner zwar eine schwere Straftat. Er konnte bei Tatbegehung erkennen, dass ihm eine langjährige Freiheitsstrafe drohte und er dem Arbeitsmarkt deshalb nicht zur Verfügung stehen würde. Auch befand er sich zum Zeitpunkt der Tatbegehung bereits in der Wohlverhaltensphase. Ihm drohte jedoch weder der Verlust eines oberhalb der Pfändungsfreigrenze liegenden Arbeitseinkommens noch büßte er - soweit bekannt - eine konkrete Aussicht auf eine dermaßen vergütete Stelle ein. Eine wirtschaftlich messbare Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten lag deshalb nicht vor.
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Die b) Auffassung, jeder zu einer längeren Freiheitsstrafe verurteilte Straftäter sei von vornherein von der Möglichkeit ausgeschlossen, Restschuldbefreiung zu erlangen (LG Hannover ZInsO 2002, 449 f mit Anm. Wilhelm; AG Hannover ZVI 2004, 501 f; Foerste, Insolvenzrecht, 4. Aufl. Rn. 552), ist weder mit dem Willen des Gesetzgebers noch dem Regelungszusammenhang der Versagungsgründe vereinbar. Der Wille des Gesetzgebers der Insolvenzordnung ging erkennbar dahin, auch Strafgefangenen die Möglichkeit der Restschuldbefreiung zu eröffnen. Im Regierungsentwurf für die Insolvenzordnung wird das Arbeitsentgelt eines Strafgefangenen ausdrücklich als abzutretende Forderung im Sinne des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO genannt (BT-Drucks. 12/2443, 136, 189). Sollte ein Strafgefangener keine Restschuldbefreiung erlangen können, bedürfte es der Abtretung nicht; sie wird einem Schuldner ausschließlich zu diesem Zweck abverlangt (so auch FK-InsO/Ahrens, aaO § 295 Rn. 14a; Brei, Entschuldung Straffälliger durch Verbraucherinsolvenz und Rest- schuldbefreiung [2005], S. 595; Zimmermann VuR 2009, 150). Des Weiteren hat der Gesetzgeber den Kreis der Straftaten, die einer Restschuldbefreiung von vornherein entgegenstehen, in § 290 Abs. 1 Nr. 1 und § 297 InsO eng begrenzt. Mit dieser Begrenzung ist es unvereinbar, jede Straftat, die zu einer Inhaftierung geführt hat, gleichsam durch die "Hintertür" zu einem Versagungsgrund zu erheben, weil der Schuldner infolge der Haft in seinen Möglichkeiten beschränkt ist, die ihn gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO treffende Erwerbsobliegenheit zu erfüllen (LG Koblenz ZVI 2008, 473 f; Heyer NZI 2010, 81; Riedel ZVI 2002, 131 f; Kohte EWiR 2002, 491, 492; HK-InsO/Landfermann, aaO § 295 Rn. 7; HambKomm-InsO/Streck, 3. Aufl. § 295 Rn. 6; Hess, Insolvenzrecht , 2007 § 295 Rn. 8).
13
4. Ein Grund, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, lag somit nicht vor. Daher durfte auch keine Aufhebung der Verfahrenskostenstundung gemäß § 4c Nr. 5 InsO erfolgen.

IV.


14
Aufhebung Die der angefochtenen Entscheidungen erfolgt nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachver- hältnis. Nach letzterem ist die Sache zur Endentscheidung reif. Das Rechtsbeschwerdegericht hat deshalb in der Sache selbst zu entscheiden, § 577 Abs. 5 ZPO.
Ganter Raebel Kayser
Pape Grupp

Vorinstanzen:
AG Stralsund, Entscheidung vom 04.11.2008 - 14 IK 341/05 -
LG Stralsund, Entscheidung vom 02.02.2009 - 2 T 434/08 -

(1) Aus den in diesem Gesetz geregelten Bezügen und aus den Bezügen der Gefangenen, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen (§ 39 Abs. 1) oder denen gestattet ist, sich selbst zu beschäftigen (§ 39 Abs. 2), ist ein Überbrückungsgeld zu bilden, das den notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sichern soll.

(2) Das Überbrückungsgeld wird dem Gefangenen bei der Entlassung in die Freiheit ausgezahlt. Die Vollzugsbehörde kann es auch ganz oder zum Teil dem Bewährungshelfer oder einer mit der Entlassenenbetreuung befaßten Stelle überweisen, die darüber entscheiden, wie das Geld innerhalb der ersten vier Wochen nach der Entlassung an den Gefangenen ausgezahlt wird. Der Bewährungshelfer und die mit der Entlassenenbetreuung befaßte Stelle sind verpflichtet, das Überbrückungsgeld von ihrem Vermögen gesondert zu halten. Mit Zustimmung des Gefangenen kann das Überbrückungsgeld auch dem Unterhaltsberechtigten überwiesen werden.

(3) Der Anstaltsleiter kann gestatten, daß das Überbrückungsgeld für Ausgaben in Anspruch genommen wird, die der Eingliederung des Gefangenen dienen.

(4) Der Anspruch auf Auszahlung des Überbrückungsgeldes ist unpfändbar. Erreicht es nicht die in Absatz 1 bestimmte Höhe, so ist in Höhe des Unterschiedsbetrages auch der Anspruch auf Auszahlung des Eigengeldes unpfändbar. Bargeld des entlassenen Gefangenen, an den wegen der nach Satz 1 oder Satz 2 unpfändbaren Ansprüche Geld ausgezahlt worden ist, ist für die Dauer von vier Wochen seit der Entlassung insoweit der Pfändung nicht unterworfen, als es dem Teil der Ansprüche für die Zeit von der Pfändung bis zum Ablauf der vier Wochen entspricht.

(5) Absatz 4 gilt nicht bei einer Pfändung wegen der in § 850d Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozeßordnung bezeichneten Unterhaltsansprüche. Dem entlassenen Gefangenen ist jedoch so viel zu belassen, als er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner sonstigen gesetzlichen Unterhaltspflichten für die Zeit von der Pfändung bis zum Ablauf von vier Wochen seit der Entlassung bedarf.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.

(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.

(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.

(1) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn der Schuldner in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist eine seiner Obliegenheiten verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft; im Fall des § 295 Satz 1 Nummer 5 bleibt einfache Fahrlässigkeit außer Betracht. Der Antrag kann nur binnen eines Jahres nach dem Zeitpunkt gestellt werden, in dem die Obliegenheitsverletzung dem Gläubiger bekanntgeworden ist. Er ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 glaubhaft gemacht werden.

(2) Vor der Entscheidung über den Antrag sind der Treuhänder, der Schuldner und die Insolvenzgläubiger zu hören. Der Schuldner hat über die Erfüllung seiner Obliegenheiten Auskunft zu erteilen und, wenn es der Gläubiger beantragt, die Richtigkeit dieser Auskunft an Eides Statt zu versichern. Gibt er die Auskunft oder die eidesstattliche Versicherung ohne hinreichende Entschuldigung nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist ab oder erscheint er trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne hinreichende Entschuldigung nicht zu einem Termin, den das Gericht für die Erteilung der Auskunft oder die eidesstattliche Versicherung anberaumt hat, so ist die Restschuldbefreiung zu versagen.

(3) Gegen die Entscheidung steht dem Antragsteller und dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. Die Versagung der Restschuldbefreiung ist öffentlich bekanntzumachen.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

Dem Schuldner obliegt es, in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist

1.
eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen;
2.
Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht oder durch Schenkung erwirbt, zur Hälfte des Wertes sowie Vermögen, das er als Gewinn in einer Lotterie, Ausspielung oder in einem anderen Spiel mit Gewinnmöglichkeit erwirbt, zum vollen Wert an den Treuhänder herauszugeben; von der Herausgabepflicht sind gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke und Gewinne von geringem Wert ausgenommen;
3.
jeden Wechsel des Wohnsitzes oder der Beschäftigungsstelle unverzüglich dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder anzuzeigen, keine von der Abtretungserklärung erfaßten Bezüge und kein von Nummer 2 erfaßtes Vermögen zu verheimlichen und dem Gericht und dem Treuhänder auf Verlangen Auskunft über seine Erwerbstätigkeit oder seine Bemühungen um eine solche sowie über seine Bezüge und sein Vermögen zu erteilen;
4.
Zahlungen zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger nur an den Treuhänder zu leisten und keinem Insolvenzgläubiger einen Sondervorteil zu verschaffen;
5.
keine unangemessenen Verbindlichkeiten im Sinne des § 290 Absatz 1 Nummer 4 zu begründen.
Auf Antrag des Schuldners stellt das Insolvenzgericht fest, ob ein Vermögenserwerb nach Satz 1 Nummer 2 von der Herausgabeobliegenheit ausgenommen ist.

(1) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn der Schuldner in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist eine seiner Obliegenheiten verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft; im Fall des § 295 Satz 1 Nummer 5 bleibt einfache Fahrlässigkeit außer Betracht. Der Antrag kann nur binnen eines Jahres nach dem Zeitpunkt gestellt werden, in dem die Obliegenheitsverletzung dem Gläubiger bekanntgeworden ist. Er ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 glaubhaft gemacht werden.

(2) Vor der Entscheidung über den Antrag sind der Treuhänder, der Schuldner und die Insolvenzgläubiger zu hören. Der Schuldner hat über die Erfüllung seiner Obliegenheiten Auskunft zu erteilen und, wenn es der Gläubiger beantragt, die Richtigkeit dieser Auskunft an Eides Statt zu versichern. Gibt er die Auskunft oder die eidesstattliche Versicherung ohne hinreichende Entschuldigung nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist ab oder erscheint er trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne hinreichende Entschuldigung nicht zu einem Termin, den das Gericht für die Erteilung der Auskunft oder die eidesstattliche Versicherung anberaumt hat, so ist die Restschuldbefreiung zu versagen.

(3) Gegen die Entscheidung steht dem Antragsteller und dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. Die Versagung der Restschuldbefreiung ist öffentlich bekanntzumachen.

Dem Schuldner obliegt es, in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist

1.
eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen;
2.
Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht oder durch Schenkung erwirbt, zur Hälfte des Wertes sowie Vermögen, das er als Gewinn in einer Lotterie, Ausspielung oder in einem anderen Spiel mit Gewinnmöglichkeit erwirbt, zum vollen Wert an den Treuhänder herauszugeben; von der Herausgabepflicht sind gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke und Gewinne von geringem Wert ausgenommen;
3.
jeden Wechsel des Wohnsitzes oder der Beschäftigungsstelle unverzüglich dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder anzuzeigen, keine von der Abtretungserklärung erfaßten Bezüge und kein von Nummer 2 erfaßtes Vermögen zu verheimlichen und dem Gericht und dem Treuhänder auf Verlangen Auskunft über seine Erwerbstätigkeit oder seine Bemühungen um eine solche sowie über seine Bezüge und sein Vermögen zu erteilen;
4.
Zahlungen zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger nur an den Treuhänder zu leisten und keinem Insolvenzgläubiger einen Sondervorteil zu verschaffen;
5.
keine unangemessenen Verbindlichkeiten im Sinne des § 290 Absatz 1 Nummer 4 zu begründen.
Auf Antrag des Schuldners stellt das Insolvenzgericht fest, ob ein Vermögenserwerb nach Satz 1 Nummer 2 von der Herausgabeobliegenheit ausgenommen ist.

(1) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn der Schuldner in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist eine seiner Obliegenheiten verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft; im Fall des § 295 Satz 1 Nummer 5 bleibt einfache Fahrlässigkeit außer Betracht. Der Antrag kann nur binnen eines Jahres nach dem Zeitpunkt gestellt werden, in dem die Obliegenheitsverletzung dem Gläubiger bekanntgeworden ist. Er ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 glaubhaft gemacht werden.

(2) Vor der Entscheidung über den Antrag sind der Treuhänder, der Schuldner und die Insolvenzgläubiger zu hören. Der Schuldner hat über die Erfüllung seiner Obliegenheiten Auskunft zu erteilen und, wenn es der Gläubiger beantragt, die Richtigkeit dieser Auskunft an Eides Statt zu versichern. Gibt er die Auskunft oder die eidesstattliche Versicherung ohne hinreichende Entschuldigung nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist ab oder erscheint er trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne hinreichende Entschuldigung nicht zu einem Termin, den das Gericht für die Erteilung der Auskunft oder die eidesstattliche Versicherung anberaumt hat, so ist die Restschuldbefreiung zu versagen.

(3) Gegen die Entscheidung steht dem Antragsteller und dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. Die Versagung der Restschuldbefreiung ist öffentlich bekanntzumachen.

(1) Die Restschuldbefreiung setzt einen Antrag des Schuldners voraus, der mit seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden soll. Wird er nicht mit diesem verbunden, so ist er innerhalb von zwei Wochen nach dem Hinweis gemäß § 20 Abs. 2 zu stellen. Der Schuldner hat dem Antrag eine Erklärung beizufügen, ob ein Fall des § 287a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder 2 vorliegt. Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärung nach Satz 3 hat der Schuldner zu versichern.

(2) Dem Antrag ist die Erklärung des Schuldners beizufügen, dass dieser seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder auf an deren Stelle tretende laufende Bezüge für den Zeitraum von drei Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Abtretungsfrist) an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtritt. Ist dem Schuldner auf Grundlage eines nach dem 30. September 2020 gestellten Antrags bereits einmal Restschuldbefreiung erteilt worden, so beträgt die Abtretungsfrist in einem erneuten Verfahren fünf Jahre; der Schuldner hat dem Antrag eine entsprechende Abtretungserklärung beizufügen.

(3) Vereinbarungen des Schuldners sind insoweit unwirksam, als sie die Abtretungserklärung nach Absatz 2 vereiteln oder beeinträchtigen würden.

(4) Die Insolvenzgläubiger, die Forderungen angemeldet haben, sind bis zum Schlusstermin zu dem Antrag des Schuldners zu hören.

(1) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn der Schuldner in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist eine seiner Obliegenheiten verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft; im Fall des § 295 Satz 1 Nummer 5 bleibt einfache Fahrlässigkeit außer Betracht. Der Antrag kann nur binnen eines Jahres nach dem Zeitpunkt gestellt werden, in dem die Obliegenheitsverletzung dem Gläubiger bekanntgeworden ist. Er ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 glaubhaft gemacht werden.

(2) Vor der Entscheidung über den Antrag sind der Treuhänder, der Schuldner und die Insolvenzgläubiger zu hören. Der Schuldner hat über die Erfüllung seiner Obliegenheiten Auskunft zu erteilen und, wenn es der Gläubiger beantragt, die Richtigkeit dieser Auskunft an Eides Statt zu versichern. Gibt er die Auskunft oder die eidesstattliche Versicherung ohne hinreichende Entschuldigung nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist ab oder erscheint er trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne hinreichende Entschuldigung nicht zu einem Termin, den das Gericht für die Erteilung der Auskunft oder die eidesstattliche Versicherung anberaumt hat, so ist die Restschuldbefreiung zu versagen.

(3) Gegen die Entscheidung steht dem Antragsteller und dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu. Die Versagung der Restschuldbefreiung ist öffentlich bekanntzumachen.

(1) Aus den in diesem Gesetz geregelten Bezügen und aus den Bezügen der Gefangenen, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen (§ 39 Abs. 1) oder denen gestattet ist, sich selbst zu beschäftigen (§ 39 Abs. 2), ist ein Überbrückungsgeld zu bilden, das den notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sichern soll.

(2) Das Überbrückungsgeld wird dem Gefangenen bei der Entlassung in die Freiheit ausgezahlt. Die Vollzugsbehörde kann es auch ganz oder zum Teil dem Bewährungshelfer oder einer mit der Entlassenenbetreuung befaßten Stelle überweisen, die darüber entscheiden, wie das Geld innerhalb der ersten vier Wochen nach der Entlassung an den Gefangenen ausgezahlt wird. Der Bewährungshelfer und die mit der Entlassenenbetreuung befaßte Stelle sind verpflichtet, das Überbrückungsgeld von ihrem Vermögen gesondert zu halten. Mit Zustimmung des Gefangenen kann das Überbrückungsgeld auch dem Unterhaltsberechtigten überwiesen werden.

(3) Der Anstaltsleiter kann gestatten, daß das Überbrückungsgeld für Ausgaben in Anspruch genommen wird, die der Eingliederung des Gefangenen dienen.

(4) Der Anspruch auf Auszahlung des Überbrückungsgeldes ist unpfändbar. Erreicht es nicht die in Absatz 1 bestimmte Höhe, so ist in Höhe des Unterschiedsbetrages auch der Anspruch auf Auszahlung des Eigengeldes unpfändbar. Bargeld des entlassenen Gefangenen, an den wegen der nach Satz 1 oder Satz 2 unpfändbaren Ansprüche Geld ausgezahlt worden ist, ist für die Dauer von vier Wochen seit der Entlassung insoweit der Pfändung nicht unterworfen, als es dem Teil der Ansprüche für die Zeit von der Pfändung bis zum Ablauf der vier Wochen entspricht.

(5) Absatz 4 gilt nicht bei einer Pfändung wegen der in § 850d Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozeßordnung bezeichneten Unterhaltsansprüche. Dem entlassenen Gefangenen ist jedoch so viel zu belassen, als er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner sonstigen gesetzlichen Unterhaltspflichten für die Zeit von der Pfändung bis zum Ablauf von vier Wochen seit der Entlassung bedarf.

(1) Der Gefangene darf von seinen in diesem Gesetz geregelten Bezügen drei Siebtel monatlich (Hausgeld) und das Taschengeld (§ 46) für den Einkauf (§ 22 Abs. 1) oder anderweitig verwenden.

(2) Für Gefangene, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen (§ 39 Abs. 1) oder denen gestattet ist, sich selbst zu beschäftigen (§ 39 Abs. 2), wird aus ihren Bezügen ein angemessenes Hausgeld festgesetzt.

Bezüge des Gefangenen, die nicht als Hausgeld, Haftkostenbeitrag, Unterhaltsbeitrag oder Überbrückungsgeld in Anspruch genommen werden, sind dem Gefangenen zum Eigengeld gutzuschreiben.

(1) Aus den in diesem Gesetz geregelten Bezügen und aus den Bezügen der Gefangenen, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen (§ 39 Abs. 1) oder denen gestattet ist, sich selbst zu beschäftigen (§ 39 Abs. 2), ist ein Überbrückungsgeld zu bilden, das den notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sichern soll.

(2) Das Überbrückungsgeld wird dem Gefangenen bei der Entlassung in die Freiheit ausgezahlt. Die Vollzugsbehörde kann es auch ganz oder zum Teil dem Bewährungshelfer oder einer mit der Entlassenenbetreuung befaßten Stelle überweisen, die darüber entscheiden, wie das Geld innerhalb der ersten vier Wochen nach der Entlassung an den Gefangenen ausgezahlt wird. Der Bewährungshelfer und die mit der Entlassenenbetreuung befaßte Stelle sind verpflichtet, das Überbrückungsgeld von ihrem Vermögen gesondert zu halten. Mit Zustimmung des Gefangenen kann das Überbrückungsgeld auch dem Unterhaltsberechtigten überwiesen werden.

(3) Der Anstaltsleiter kann gestatten, daß das Überbrückungsgeld für Ausgaben in Anspruch genommen wird, die der Eingliederung des Gefangenen dienen.

(4) Der Anspruch auf Auszahlung des Überbrückungsgeldes ist unpfändbar. Erreicht es nicht die in Absatz 1 bestimmte Höhe, so ist in Höhe des Unterschiedsbetrages auch der Anspruch auf Auszahlung des Eigengeldes unpfändbar. Bargeld des entlassenen Gefangenen, an den wegen der nach Satz 1 oder Satz 2 unpfändbaren Ansprüche Geld ausgezahlt worden ist, ist für die Dauer von vier Wochen seit der Entlassung insoweit der Pfändung nicht unterworfen, als es dem Teil der Ansprüche für die Zeit von der Pfändung bis zum Ablauf der vier Wochen entspricht.

(5) Absatz 4 gilt nicht bei einer Pfändung wegen der in § 850d Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozeßordnung bezeichneten Unterhaltsansprüche. Dem entlassenen Gefangenen ist jedoch so viel zu belassen, als er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner sonstigen gesetzlichen Unterhaltspflichten für die Zeit von der Pfändung bis zum Ablauf von vier Wochen seit der Entlassung bedarf.

(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als

1.
1 178,59 Euro monatlich,
2.
271,24 Euro wöchentlich oder
3.
54,25 Euro täglich
beträgt.

(2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner, einem Verwandten oder nach den §§ 1615l und 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil Unterhalt, so erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, und zwar um

1.
443,57 Euro monatlich,
2.
102,08 Euro wöchentlich oder
3.
20,42 Euro täglich.
Für die zweite bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 um je
1.
247,12 Euro monatlich,
2.
56,87 Euro wöchentlich oder
3.
11,37 Euro täglich.

(3) Übersteigt das Arbeitseinkommen den Betrag nach Absatz 1, so ist es hinsichtlich des überschießenden Teils in Höhe von drei Zehnteln unpfändbar. Gewährt der Schuldner nach Absatz 2 Unterhalt, so sind für die erste Person weitere zwei Zehntel und für die zweite bis fünfte Person jeweils ein weiteres Zehntel unpfändbar. Der Teil des Arbeitseinkommens, der

1.
3 613,08 Euro monatlich,
2.
831,50 Euro wöchentlich oder
3.
166,30 Euro täglich
übersteigt, bleibt bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz macht im Bundesgesetzblatt Folgendes bekannt (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung):

1.
die Höhe des unpfändbaren Arbeitseinkommens nach Absatz 1,
2.
die Höhe der Erhöhungsbeträge nach Absatz 2,
3.
die Höhe der in Absatz 3 Satz 3 genannten Höchstbeträge.
Die Beträge werden jeweils zum 1. Juli eines Jahres entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes angepasst; der Berechnung ist die am 1. Januar des jeweiligen Jahres geltende Fassung des § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes zugrunde zu legen.

(5) Um den nach Absatz 3 pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu berechnen, ist das Arbeitseinkommen, gegebenenfalls nach Abzug des nach Absatz 3 Satz 3 pfändbaren Betrages, auf eine Zahl abzurunden, die bei einer Auszahlung für

1.
Monate bei einer Teilung durch 10 eine natürliche Zahl ergibt,
2.
Wochen bei einer Teilung durch 2,5 eine natürliche Zahl ergibt,
3.
Tage bei einer Teilung durch 0,5 eine natürliche Zahl ergibt.
Die sich aus der Berechnung nach Satz 1 ergebenden Beträge sind in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung als Tabelle enthalten. Im Pfändungsbeschluss genügt die Bezugnahme auf die Tabelle.

(6) Hat eine Person, welcher der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt; soll die Person nur teilweise berücksichtigt werden, so ist Absatz 5 Satz 3 nicht anzuwenden.

(1) Eine natürliche Person kann jederzeit von dem Kreditinstitut verlangen, dass ein von ihr dort geführtes Zahlungskonto als Pfändungsschutzkonto geführt wird. Satz 1 gilt auch, wenn das Zahlungskonto zum Zeitpunkt des Verlangens einen negativen Saldo aufweist. Ein Pfändungsschutzkonto darf jedoch ausschließlich auf Guthabenbasis geführt werden.

(2) Ist Guthaben auf dem Zahlungskonto bereits gepfändet worden, kann der Schuldner die Führung dieses Kontos als Pfändungsschutzkonto zum Beginn des vierten auf sein Verlangen folgenden Geschäftstages fordern. Das Vertragsverhältnis zwischen dem Kontoinhaber und dem Kreditinstitut bleibt im Übrigen unberührt.

(3) Jede Person darf nur ein Pfändungsschutzkonto unterhalten. Bei dem Verlangen nach Absatz 1 hat der Kunde gegenüber dem Kreditinstitut zu versichern, dass er kein weiteres Pfändungsschutzkonto unterhält.

(4) Unterhält ein Schuldner entgegen Absatz 3 Satz 1 mehrere Zahlungskonten als Pfändungsschutzkonten, ordnet das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers an, dass nur das von dem Gläubiger in seinem Antrag bezeichnete Zahlungskonto dem Schuldner als Pfändungsschutzkonto verbleibt. Der Gläubiger hat den Umstand, dass ein Schuldner entgegen Satz 1 mehrere Zahlungskonten als Pfändungsschutzkonten unterhält, durch Vorlage entsprechender Erklärungen der Drittschuldner glaubhaft zu machen. Eine Anhörung des Schuldners durch das Vollstreckungsgericht unterbleibt. Die Anordnung nach Satz 1 ist allen Drittschuldnern zuzustellen. Mit der Zustellung der Anordnung an diejenigen Kreditinstitute, deren Zahlungskonten nicht zum Pfändungsschutzkonto bestimmt sind, entfallen die Wirkungen dieser Pfändungsschutzkonten.

(5) Der Kontoinhaber kann mit einer Frist von mindestens vier Geschäftstagen zum Monatsende von dem Kreditinstitut verlangen, dass das dort geführte Pfändungsschutzkonto als Zahlungskonto ohne Pfändungsschutz geführt wird. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Die Restschuldbefreiung setzt einen Antrag des Schuldners voraus, der mit seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden werden soll. Wird er nicht mit diesem verbunden, so ist er innerhalb von zwei Wochen nach dem Hinweis gemäß § 20 Abs. 2 zu stellen. Der Schuldner hat dem Antrag eine Erklärung beizufügen, ob ein Fall des § 287a Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder 2 vorliegt. Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärung nach Satz 3 hat der Schuldner zu versichern.

(2) Dem Antrag ist die Erklärung des Schuldners beizufügen, dass dieser seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder auf an deren Stelle tretende laufende Bezüge für den Zeitraum von drei Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Abtretungsfrist) an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtritt. Ist dem Schuldner auf Grundlage eines nach dem 30. September 2020 gestellten Antrags bereits einmal Restschuldbefreiung erteilt worden, so beträgt die Abtretungsfrist in einem erneuten Verfahren fünf Jahre; der Schuldner hat dem Antrag eine entsprechende Abtretungserklärung beizufügen.

(3) Vereinbarungen des Schuldners sind insoweit unwirksam, als sie die Abtretungserklärung nach Absatz 2 vereiteln oder beeinträchtigen würden.

(4) Die Insolvenzgläubiger, die Forderungen angemeldet haben, sind bis zum Schlusstermin zu dem Antrag des Schuldners zu hören.

(1) Die Restschuldbefreiung ist durch Beschluss zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn

1.
der Schuldner in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c des Strafgesetzbuchs rechtskräftig zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist,
2.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden,
3.
(weggefallen)
4.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch beeinträchtigt hat, daß er unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen verschwendet oder ohne Aussicht auf eine Besserung seiner wirtschaftlichen Lage die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verzögert hat,
5.
der Schuldner Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach diesem Gesetz vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat,
6.
der Schuldner in der nach § 287 Absatz 1 Satz 3 vorzulegenden Erklärung und in den nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 vorzulegenden Verzeichnissen seines Vermögens und seines Einkommens, seiner Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat,
7.
der Schuldner seine Erwerbsobliegenheit nach § 287b verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft; § 296 Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(2) Der Antrag des Gläubigers kann bis zum Schlusstermin oder bis zur Entscheidung nach § 211 Absatz 1 schriftlich gestellt werden; er ist nur zulässig, wenn ein Versagungsgrund glaubhaft gemacht wird. Die Entscheidung über den Versagungsantrag erfolgt nach dem gemäß Satz 1 maßgeblichen Zeitpunkt.

(3) Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt hat, die sofortige Beschwerde zu. Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen.

(1) Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn der Schuldner in dem Zeitraum zwischen Schlusstermin und Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c des Strafgesetzbuchs rechtskräftig zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt wird.

(2) § 296 Absatz 1 Satz 2 und 3, Absatz 3 gilt entsprechend.

Dem Schuldner obliegt es, in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist

1.
eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen;
2.
Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht oder durch Schenkung erwirbt, zur Hälfte des Wertes sowie Vermögen, das er als Gewinn in einer Lotterie, Ausspielung oder in einem anderen Spiel mit Gewinnmöglichkeit erwirbt, zum vollen Wert an den Treuhänder herauszugeben; von der Herausgabepflicht sind gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke und Gewinne von geringem Wert ausgenommen;
3.
jeden Wechsel des Wohnsitzes oder der Beschäftigungsstelle unverzüglich dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder anzuzeigen, keine von der Abtretungserklärung erfaßten Bezüge und kein von Nummer 2 erfaßtes Vermögen zu verheimlichen und dem Gericht und dem Treuhänder auf Verlangen Auskunft über seine Erwerbstätigkeit oder seine Bemühungen um eine solche sowie über seine Bezüge und sein Vermögen zu erteilen;
4.
Zahlungen zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger nur an den Treuhänder zu leisten und keinem Insolvenzgläubiger einen Sondervorteil zu verschaffen;
5.
keine unangemessenen Verbindlichkeiten im Sinne des § 290 Absatz 1 Nummer 4 zu begründen.
Auf Antrag des Schuldners stellt das Insolvenzgericht fest, ob ein Vermögenserwerb nach Satz 1 Nummer 2 von der Herausgabeobliegenheit ausgenommen ist.

Das Gericht kann die Stundung aufheben, wenn

1.
der Schuldner vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Angaben über Umstände gemacht hat, die für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die Stundung maßgebend sind, oder eine vom Gericht verlangte Erklärung über seine Verhältnisse nicht abgegeben hat;
2.
die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Stundung nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind;
3.
der Schuldner länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages schuldhaft in Rückstand ist;
4.
der Schuldner keine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich nicht um eine solche bemüht oder eine zumutbare Tätigkeit ablehnt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft; § 296 Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend;
5.
die Restschuldbefreiung versagt oder widerrufen wird.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.