Verwaltungsgericht München Urteil, 21. Okt. 2014 - 3 K 12.4089

bei uns veröffentlicht am21.10.2014

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Der Bescheid der Hochschule ... vom ... Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ... Juli 2012 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, das Berufungsverfahren zur Besetzung einer Professur für Wirtschaftsprivatrecht (W2) an der Fakultät für Betriebswirtschaft der Hochschule ... unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts fortzuführen.

II.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen den Abbruch des bisherigen Stellenbesetzungsverfahrens und anschließende Neuausschreibung einer ausgeschriebenen W 2-Professur für Wirtschaftsprivatrecht an der Fakultät für Betriebswirtschaft der Hochschule ..., (im Folgenden: Hochschule).

Die zum Wintersemester 2010/2011 zu besetzende W2-Professur für Wirtschaftsprivatrecht wurde ursprünglich von der Beklagten am ... November 2009 in der Wochenzeitung „...“, am ... November 2009 in der „... Zeitung“ und im Internet auf der Homepage der Hochschule ausgeschrieben. Die Ausschreibung hatte u. a. folgenden Wortlaut: „Die Bewerberin/der Bewerber soll das Themengebiet Wirtschaftsprivatrecht einschließlich Arbeitsrecht in der Fakultät für Betriebswirtschaft vertreten und durch entsprechende Praxis und Examina (Prädikatsexamen) ausgewiesen sein. Es wird die Bereitschaft erwartet, sich ggf. an weiteren Studiengängen zu beteiligen und nach Bedarf auch Lehrveranstaltungen aus verwandten (Grundlagen-) Fächern bzw. Themengebieten zu übernehmen. Für die Professur gilt:

- Lehrveranstaltungen aus verwandten Gebieten, auch in anderen Fakultäten, sind gegebenenfalls zu übernehmen.

- Es wird vorausgesetzt, dass die Bereitschaft und Fähigkeit vorhanden ist, Lehrveranstaltungen auch in englischer Sprache anzubieten.

- Zum Aufgabengebiet gehört die aktive Mitarbeit an der Weiterentwicklung des Fachgebiets, an der Internationalisierung der Fakultät und in der Selbstverwaltung der Hochschule. Darüber hinaus wird Engagement bei Projekten der angewandten Forschung und im Bereich des Technologie- und Wissenstransfers erwartet.“

Einstellungsvoraussetzung sollte (u. a.) die pädagogische Eignung sein, deren Nachweis „u. a. durch eine Probelehrveranstaltung“ erbracht werden sollte.

Für die ausgeschriebene Stelle lagen insgesamt 32 Bewerbungen vor. Der Kläger war von der Berufungskommission der Hochschule mit elf weiteren als qualifiziert angesehene Bewerberinnen und Bewerbern ausgewählt (Sitzung der Berufungskommission am 17. März 2010) und zunächst zu Vorgesprächen eingeladen worden, die am 20. und 21. April 2010 stattfanden. Die Befugnis, die Vorgespräche zu führen, wurde auf sechs Mitglieder des Berufungsausschusses übertragen. Auf Grundlage dieser Vorgespräche beschloss die Berufungskommission am 28. April 2010, fünf Bewerber zu Probelehrveranstaltungen einzuladen, zu denen der Kläger jedoch nicht gehörte. Der Berufungsausschuss beschloss am 18. Mai 2010 eine Vorschlagsliste mit drei platzierten Bewerbern. Nach Zustimmung des Senats am 28. Juli 2010 zu dem Berufungsvorschlag beschloss das Präsidium der Hochschule am 3. August 2010 den vorgelegten Berufungsvorschlag.

Nachdem dem Kläger mit Schreiben vom 21. Juli 2010 ohne Angabe von Gründen mitgeteilt worden war, dass seine Bewerbung im Berufungsvorschlag nicht berücksichtigt worden sei, legte dieser mit Schreiben vom 28. Juli 2010 gegen die Ablehnung seiner Bewerbung Widerspruch ein.

Eine Berufung der erstplatzierten Beigeladenen erfolgte noch nicht.

Mit Schriftsatz vom 24. September 2010 beantragten die Bevollmächtigten des Klägers gemäß § 123 Abs. 1 VwGO den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Antrag, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, die an der Fakultät für Betriebswirtschaft der Hochschule..., ausgeschriebene Professur für Wirtschaftsprivatrecht (W 2), Kennziffer ..., mit einem anderen Bewerber zu besetzen und eine auf die streitbefangene Stelle bezogene Ernennungsurkunde auszuhändigen, solange über die Bewerbung des Klägers keine erneute Auswahlentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts getroffen worden ist.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Auswahlverfahren sei nicht fehlerfrei durchgeführt worden. Die Ablehnungsgründe ließen sich dahingehend zusammenfassen, dass die Hochschule davon ausgegangen sei, der Kläger habe im Rahmen seiner praktischen Tätigkeit nicht die in der Lehre an der Fakultät für Betriebswirtschaft vorgesehene Basisausbildung im Wirtschaftsprivatrecht (Vertragsrecht, Sachenrecht, Handelsrecht und Arbeitsrecht) erworben. Diese Annahme entspreche nicht der Richtigkeit.

Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. Mai 2011, Az. M 3 E 10.4687, wurde dem Beklagten vorläufig untersagt, die an der Fakultät für Betriebswirtschaft der Hochschule ..., ausgeschriebene Professur für Wirtschaftsprivatrecht (W2), Kennziffer ..., zu besetzen und eine auf diese Stelle bezogene Ernennungsurkunde auszuhändigen, solange über die Bewerbung des Klägers keine erneute Auswahlentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts getroffen worden ist. Bei einer an den Grundsätzen des vorläufigen Rechtsschutzes in Konkurrentenstreitigkeiten orientierten Überprüfung der Sach- und Rechtslage sei davon auszugehen, dass die Entscheidung, den Kläger nach dem Vorgespräch vom weiteren Verfahren auszuschließen, nicht ermessensfehlerfrei getroffen wurde.

Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Januar 2012, Az. 7 CE 11.1432, wurde die Beschwerde der im Ausgangsverfahren beigeladenen Konkurrentin des Klägers zurückgewiesen.

In der Sitzung des Fakultätsrats 10 BW der Hochschule ... vom 9. Februar 2012 wurde festgestellt, dass aufgrund der Gerichtsentscheidungen das Berufungsverfahren nochmals durchgeführt werden müsse. Es wurde ein neuer Berufungsausschuss gebildet und ein neuer Ausschreibungstext beschlossen. Die Ausschreibung erfolgte am ... Mai 2012 in der Wochenzeitung „...“ und auf „...“. Die Ausschreibung hatte nun u. a. folgenden Wortlaut:

„Die Bewerberin/der Bewerber soll das Themengebiet Wirtschaftsprivatrecht in der Fakultät für Betriebswirtschaft, insbesondere im Bachelorstudiengang Betriebswirtschaft, vertreten und dabei in erster Linie für eine Basisausbildung der Studierenden im BGB und im Wirtschaftsprivatrecht (insbesondere in den Fächern Vertragsrecht, Sachenrecht, Handelsrecht mit HGB, GmbHG und AktG) sorgen.

Dafür soll sie/er durch entsprechende Praxis und Examina ausgewiesen sein, anwendungsbezogene Tätigkeiten in den Grundlagen des Wirtschaftsprivatrechts und vor allem vertiefte und aktuelle Erfahrungen in der Lehre gerade in der Vermittlung von Grundwissen der genannten Fächer vorweisen. Ferner wird besonders Wert auf soziale Kompetenzen wie ausgeprägte Kommunikations- und Teamfähigkeit gelegt, da zu den Aufgaben u. a. auch die Koordination von Lehrbeauftragten gehört.

Für die Professur gilt:

- Lehrveranstaltungen aus verwandten Gebieten sind zu übernehmen.

- Es wird vorausgesetzt, dass die Bereitschaft und Fähigkeit vorhanden ist, Lehrveranstaltungen auch in englischer Sprache anzubieten.

- Zum Aufgabengebiet gehört die aktive Mitarbeit an der Weiterentwicklung des Fachgebiets, an der Internationalisierung der Fakultät und in der Selbstverwaltung der Hochschule. Darüber hinaus wird Engagement bei Projekten der angewandten Forschung und im Bereich des Technologie- und Wissenstransfers erwartet.“

Mit Widerspruchsbescheid vom ... Februar 2012 hob die Hochschule ... die Schreiben, mit denen dem Kläger seine Nichtberücksichtigung im weiteren Auswahlverfahren mitgeteilt worden waren, auf und teilte ihm außerdem mit, es sei deshalb eine neue Auswahlentscheidung über die Bewerbung des Klägers zu treffen.

Nachdem das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst mit Schreiben vom ... April 2012 sein grundsätzliches Einverständnis mit den geänderten Ausschreibungstexten (unter Anregung einer Umformulierung) erklärt hatte, teilte die Hochschule ... dem Kläger mit Schreiben vom ... Mai 2012 mit, die Professur für Wirtschaftsrecht werde nochmals ausgeschrieben, die Bewerbung des Klägers werde weiter Berücksichtigung finden.

Den dagegen vom Kläger mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom ... Juni 2012 eingelegten Widerspruch wies die Hochschule ... mit Widerspruchsbescheid vom ... Juli 2012 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Dienstherr sei aufgrund seines Organisationsrechts befugt, ein Auswahlverfahren zur Besetzung einer Stelle aus sachlichen Gründen jederzeit zu beenden; das dabei auszuübende Ermessen unterscheide sich grundlegend von dem Auswahlermessen bei einer Stellenbesetzung; die Beendigung des Auswahlverfahrens berühre grundsätzlich nicht die Rechtsstellung von Bewerbern. Sachlicher Grund für den Abbruch des Besetzungsverfahrens könne auch sein, dass ein Gericht die getroffene Auswahlentscheidung beanstande und die gerichtlichen Erwägungen zumindest bedenkenswert erschienen. Es liege dann im Ermessen des Dienstherrn, ein an wesentlichen Fehlern leidendes Auswahlverfahren nicht unter Heilung dieser Fehler weiter zu betreiben und mit einem neuen Verfahren ganz vorne zu beginnen. Daher hätten hinreichende Gründe für den Abbruch des Auswahlverfahrens und die anschließende zweite Ausschreibung bestanden.

Außerdem hätte sich die Besetzung des Berufungsausschusses geändert und es habe nicht mehr davon ausgegangen werden können, dass noch alle fünf Bewerber, die zu Probevorträgen eingeladen worden seien, noch zur Verfügung stünden.

Wegen der gerichtlichen Hinweise auf mögliche Verfahrensfehler sei die erneute Ausschreibung auch zur Wahrung der Chancengleichheit des Klägers sachgerecht gewesen.

Der vom VG München im Beschluss vom 26. Mai 2011 ausgesprochenen Verpflichtung, über die Bewerbung des Klägers eine erneute Auswahlentscheidung unter Beachtung der Rechtsausauffassung des Gerichts zu treffen, werde auch Genüge getan, wenn das alte Besetzungsverfahren nicht fortgeführt, sondern unter Berücksichtigung der Bewerbung des Klägers ein neues Verfahren begonnen werde.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom ... September 2012, eingegangen am selben Tag, erhob der Kläger dagegen Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom ... März 2013,

den Bescheid der Hochschule ... vom ... Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ... Juli 2012 aufzuheben,

und den Beklagten zu verpflichten, das am ... November 2009 in der ... und am ... November 2009 in der ... Zeitung veröffentlichte Berufungsverfahren mit der Kennziffer ... für eine Professur für Wirtschaftsprivatrecht (W 2) an der Fakultät für Betriebswirtschaft der Hochschule ... fortzuführen und über die Bewerbung des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Abbruch des Berufungsverfahrens verletze den Kläger in seinem Bewerberverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG.

Der Abbruch des Auswahlverfahrens, durch den sich die Zusammensetzung des Bewerberkreises steuern lasse, erfordere einen sachlichen Grund. Falls das Verfahren abgebrochen werde und kein sachlicher Grund vorliege, würden die Bewerber des ursprünglichen Auswahlverfahrens in ihrem Bewerberverfahrensanspruch verletzt.

Es sei eine schriftliche Dokumentation des Abbruchgrundes erforderlich; die vom Beklagten genannten Gründe seien nicht tragfähig. Dass eine Aktualisierung des Bewerberkreises den Abbruch erfordert habe, werde nur behauptet; eine gerichtliche Beanstandung sei kein Grund für einen Abbruch des Berufungsverfahrens.

Ermessensfehler bei der Auswahlentscheidung könnten bei einer Neuentscheidung im laufenden Besetzungsverfahren korrigiert werden.

Der Grund für einen Abbruch sei dann unsachlich, wenn er nicht aus Art. 33 Abs. 2 GG ableitbar sei, sondern auf sachfremder Erwägung beruhe.

Gegenüber dem ursprünglichen Anforderungsprofil in der ersten Stellenausschreibung sei nunmehr insbesondere auf das Erfordernis eines Prädikatsexamens verzichtet und das Kriterium „Erfahrungen in der Lehre gerade in der Vermittlung von Grundwissen der genannten Fächer“ aufgenommen worden. Der Zuschnitt der Professur dürfte sich nicht verändert haben.

Der Kläger erfülle sämtliche Kriterien des ursprünglichen Anforderungsprofils. Das nunmehr eingefügte Erfordernis erfülle jedoch gerade die Konkurrentin, die bereits seit 2004 Lehrbeauftragte an der Hochschule ... sei.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der „Abbruch“ des ursprünglichen Berufungsverfahrens mit anschließender Ausschreibung sei nicht willkürlich erfolgt. Es liege auch kein „Abbruch des Auswahlverfahrens“ im engeren Sinne vor, bei dem ein Verfahren beendet und die Stelle nicht mehr besetzt werden solle. Zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Verfahrens sei das Auswahlverfahren unter automatischer Berücksichtigung der Bewerbung des Klägers von vorne begonnen worden. Es handle sich um eine Verfahrensfortführung, wie sie der Kläger selbst verlangt habe.

Das Bundesverwaltungsgericht habe wiederholt entschieden, dass der Dienstherr aufgrund seines Organisationsrechts befugt sei, ein Auswahlverfahren zur Besetzung einer Stelle aus sachlichen Gründen jederzeit zu beenden, sowie dass sich das im Abbruch des Auswahlverfahrens maßgebliche organisations- und verwaltungspolitische Ermessen grundlegend von dem Auswahlermessen bei einer Stellenbesetzung unterscheide und die Beendigung des Auswahlverfahrens grundsätzlich nicht die Rechtsstellung von Bewerbern berühre. Die gerichtliche Beanstandung einer Auswahlentscheidung stelle grundsätzlich einen sachlichen Grund für einen Abbruch eines Auswahlverfahrens dar, sofern die Ausführungen des Gerichts dem Dienstherrn berechtigten Anlass gäben, seine Entscheidungsfindung zu überdenken. Ein sachlicher Grund für den Abbruch des Besetzungsverfahrens könne auch darin bestehen, dass ein Gericht die durch den Dienstherrn getroffene Auswahlentscheidung beanstande und die gerichtlichen Erwägungen zumindest bedenkenswert erschienen.

Bei Vorliegen von sachlichen Gründen sei also nicht nur ein (vollständiger) Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens gerechtfertigt, sondern es müsse dem Dienstherrn erst recht die Möglichkeit eröffnet sein, das Verfahren mittels eines Beginns von vorne weiter zu betreiben.

Das Verwaltungsgericht München habe den Beklagten dazu verpflichtet, über die Bewerbung des Klägers eine erneute Auswahlentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu treffen. Diese Maßgabe sei erfüllt, wenn unter Berücksichtigung des Bewerbers ein Verfahren von vorne begonnen werde. Die von der Hochschule gewählte Verfahrensweise („von vorne“) stelle die konsequente Umsetzung der Gerichtsbeschlüsse dar.

Die ursprüngliche Stellenausschreibung von 2009 sei bei der Verfahrensfortführung 2012 nicht derart abgeändert worden, dass inhaltlich eine neue Stellenbeschreibung entstanden sei. Die Anforderungen/Inhalte der Stelle seien 2012 lediglich konkretisiert worden.

Zudem habe es in tatsächlicher Hinsicht wesentliche Änderungen zur Ausgangslage im Jahr 2009 gegeben:

Die ursprüngliche Zusammensetzung des Berufungsausschusses habe an maßgeblicher Stelle nicht mehr gewährleistet werden können, da der vormalige Vorsitzende zwischenzeitlich in den Ruhestand getreten sei.

Des Weiteren habe die Hochschule ... aufgrund der erheblichen Dauer des Stellenbesetzungsverfahrens nicht mehr davon ausgehen können, dass von den fünf Bewerbern, die zu den Probevorträgen eingeladen worden seien, noch alle für einen Probevortrag zur Verfügung stünden. Eine Vergleichbarkeit dieser Bewerber unter Einbeziehung des Klägers habe - allein aufgrund der bereits verstrichenen Zeit - nicht mehr gewährleistet werden können. Das Stellenbesetzungsverfahren sei deshalb aus Gründen der Chancengleichheit unausweichlich von vorne zu beginnen gewesen.

Die Streitsache wurde am 21. Oktober 2014 mündlich verhandelt. Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Niederschrift, wegen der weiteren Einzelheiten auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist auch begründet.

Der Bescheid der Hochschule ... vom ... Mai 2012 sowie der Widerspruchsbescheid der Hochschule ... vom ... Juli 2012 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Kläger hat einen Anspruch auf Fortführung des ursprünglichen Berufungsverfahrens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.

Aufgrund der Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. Mai 2011 und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Januar 2012 hatte der Kläger einen Anspruch auf eine erneute Auswahlentscheidung über seine Bewerbung auf die im November 2009 ausgeschriebene Stelle einer W2-Professur für Wirtschaftsprivatrecht. Demzufolge beschloss der Fakultätsrat BW in seiner Sitzung vom 9. Februar 2012, das Berufungsverfahren müsse nun nochmals durchgeführt werden und teilte dem Kläger mit Widerspruchsbescheid vom ... Februar 2012 mit, die Schreiben, mit denen ihm seine Nichtberücksichtigung im weiteren Auswahlverfahren mitgeteilt worden waren, würden aufgehoben. Es sei deshalb eine neue Auswahlentscheidung über die Bewerbung des Klägers zu treffen.

Indem der Fakultätsrat jedoch gleichzeitig beschloss, für eine erneute Ausschreibung der Stelle einen geänderten Ausschreibungstext zu verwenden und sich diesen Text vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst genehmigen ließ, handelte es sich nunmehr nicht mehr um eine bloße erneute Auswahlentscheidung über die Bewerbung des Klägers in Fortführung des bisherigen Auswahlverfahrens, sondern es liegt ein Abbruch des ursprünglichen Bewerbungsverfahrens und der Beginn eines neuen Bewerbungsverfahrens vor. Entgegen der von der Hochschule in der mündlichen Verhandlung dargestellten Meinung ergab sich die Notwendigkeit einer Neuausschreibung der Stelle nicht aus den beiden vorausgegangenen Gerichtsentscheidungen, da hier ausdrücklich nur eine erneute Auswahlentscheidung gefordert wurde. Entgegen der Ansicht der Hochschule wurde bei der Neuausschreibung auch eine inhaltlich neue Stellenbeschreibung verwendet, da maßgebliche Anforderungen an die Bewerber geändert wurden. In diesen geänderten Formulierungen (wie in der neuen Forderung „vertiefte und aktuelle Erfahrungen in der Lehre gerade in der Vermittlung von Grundwissen der genannten Fächer“) kann keine bloße Konkretisierung des ursprünglichen Ausschreibungstextes mehr gesehen werden.

Zwar besteht in der Rechtsprechung Einigkeit darüber, dass die Durchführung einer Stellenausschreibung den Dienstherrn nicht zwingt, den Dienstposten mit einem der Auswahlbewerber zu besetzen, da die Ausschreibung lediglich ein Hilfsmittel zur Gewinnung geeigneter Bewerber darstellt, und dass der Dienstherr demnach rechtlich nicht gehindert ist, ein eingeleitetes Bewerbungs- und Auswahlverfahren aus sachlichen Gründen jederzeit zu beenden (vgl. BayVGH, B. vom 29.9.2005, 3 CE 05.1705). Hinsichtlich der Beendigung eines eingeleiteten Bewerbungs- und Auswahlverfahrens kommt dem Dienstherrn ein weites organisations- und verwaltungspolitisches Ermessen zu.

Allerdings erfordert der Abbruch des Auswahlverfahrens einen sachlichen Grund. Da durch eine Auswahlentscheidung in einem neuen Auswahlverfahren die Bewerber des ursprünglichen Auswahlverfahrens in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt werden, darf von Verfassungs wegen keine Neuausschreibung erfolgen, wenn der Abbruch des Auswahlverfahrens dieser Anforderung nicht gerecht wird (BVerfG, B. vom 28.11.2011, 2 BvR 1181/11 m. w. N.). Der maßgebliche Grund für den Abbruch muss jedenfalls dann, wenn er sich nicht evident aus dem Vorgang selbst ergibt, schriftlich dokumentiert werden. Die Bewerber werden grundsätzlich nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Erwägungen in die Lage versetzt, anhand von Akteneinsicht sachgerecht darüber befinden zu können, ob die Entscheidung des Dienstherrn ihren Bewerbungsverfahrensanspruch berührt. Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation des sachlichen Grundes für den Abbruch des Auswahlverfahrens dem Gericht die Möglichkeit, die Beweggründe für den Abbruch nachzuvollziehen (BVerfG, a. a. O.).

Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen sind der Abbruch des bisherigen Auswahlverfahrens und die neue Stellenausschreibung im vorliegenden Fall rechtswidrig erfolgt.

Bereits die formalen Voraussetzungen wurden nicht erfüllt, da Gründe für den Abbruch des Bewerbungsverfahrens nicht dokumentiert wurden. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten sind sachliche Gründe für den Abbruch des ursprünglichen Bewerbungsverfahrens nicht ersichtlich. Aus dem Auszug aus dem Protokoll über die Sitzung des Fakultätsrats 10 BW vom 9. Februar 2012 ergibt sich lediglich die Feststellung, dass das Gerichtsverfahren in der ersten Instanz dem Kläger Recht gegeben hat und dass die zweite Instanz nun der Entscheidung der ersten Instanz Recht gegeben hat. Dem folgt der Satz: „Das Berufungsverfahren muss daher nun nochmals durchgeführt werden.“ Sachliche Gründe für eine Neuausschreibung mit einem neuen Ausschreibungstext sind daraus nicht ersichtlich. Eine solche wurde auch nicht in den vorausgegangenen Gerichtsentscheidungen gefordert.

Unabhängig von der nicht erfolgten Dokumentation sachlicher Gründe sind auch keine sachlichen Gründe für eine Neuausschreibung mit geänderter Stellenausschreibung ersichtlich.

Die Aufhebung einer rechtswidrigen Auswahlentscheidung ist kein sachlicher Grund für die Aufhebung auch der Stellenausschreibung (BayVGH, a. a. O.).

Auch die Tatsache, dass sich die Zusammensetzung des Berufungsausschusses zwischenzeitlich aufgrund des Ruhestands des früheren Vorsitzenden geändert hat, kann nicht als sachlicher Grund für eine Neuausschreibung der Stelle angesehen werden, da sich derartige Änderungen im Berufungsausschuss jederzeit ergeben können und diese leicht durch entsprechende Neubesetzungen kompensiert werden können.

Auch vermag die bloße Vermutung, es könnten nicht mehr alle fünf zu Probevorträgen eingeladenen Kandidaten zur Verfügung stehen, keinen sachlichen Grund für eine Neuausschreibung der Stelle darzustellen, da diese Frage hätte leicht verifiziert werden können.

Da somit der Abbruch des ursprünglichen Auswahlverfahrens aus den dargestellten Gründen rechtswidrig war und dadurch der Bewerbungsverfahrensanspruch des Klägers verletzt wurde, hat der Kläger einen Anspruch auf Fortführung des ursprünglichen Berufungsverfahrens unter Aufhebung der dem entgegenstehenden Bescheide.

Der Klage war somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 21. Okt. 2014 - 3 K 12.4089

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Urteil, 21. Okt. 2014 - 3 K 12.4089

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
Verwaltungsgericht München Urteil, 21. Okt. 2014 - 3 K 12.4089 zitiert 10 §§.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 28. Nov. 2011 - 2 BvR 1181/11

bei uns veröffentlicht am 28.11.2011

Tenor Der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. März 2011 - 1 B 2/11 - und der Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 13. Dezember 2010 - 1 L 1148/10.DA - verletzen

Referenzen

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. März 2011 - 1 B 2/11 - und der Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 13. Dezember 2010 - 1 L 1148/10.DA - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 33 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. März 2011 - 1 B 2/11 - wird aufgehoben. Die Sache wird an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Damit wird der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. April 2011 - 1 B 508/11.R - gegenstandslos.

...

Gründe

A.

1

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen verwaltungsgerichtliche Eilentscheidungen in einem Konkurrentenstreit.

I.

2

Der Beschwerdeführer ist Studiendirektor im Dienste des Landes Hessen.

3

Er bewarb sich zunächst auf eine 2009 vom Hessischen Kultusministerium unter der Nummer 10316 ausgeschriebene Stelle einer Direktorin beziehungsweise eines Direktors der Gesamtschule H. in F.

4

2010 wurde die Stelle unter der Ausschreibungsnummer 13603 erneut ausgeschrieben. Wiederum bewarb sich der Beschwerdeführer. Nach einem Überprüfungsverfahren wurde ein - im Ausgangsverfahren beigeladener - Mitbewerber des Beschwerdeführers ausgewählt. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer Widerspruch.

5

Gleichzeitig beantragte er den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Antrag, dem Land Hessen die Besetzung der Stelle mit einem anderen Bewerber zu untersagen, bevor nicht über seine Bewerbungen bestandskräftig entschieden worden sei. Er berief sich unter anderem darauf, ihm sei nicht mitgeteilt worden, dass das frühere Auswahlverfahren abgebrochen worden sei. Der Abbruch sei mangels sachlichen Grundes rechtswidrig. Allein die Zahl der verbliebenen Bewerber rechtfertige keinen Abbruch, zumindest hätte die mögliche Eignung des verbliebenen Bewerbers in Erwägung gezogen werden müssen. Das Kultusministerium teilte mit, dass im ersten Auswahlverfahren von ursprünglich fünf Bewerbern drei ihre Bewerbungen wieder zurückgezogen hätten. Der Beschwerdeführer habe ausdrücklich die Aufrechterhaltung seiner Bewerbung erklärt. Daher sei beabsichtigt gewesen, das Besetzungsverfahren mit den restlichen zwei Bewerbern durchzuführen. Nachdem unerwartet auch der Mitbewerber seine Bewerbung zurückgezogen und nur noch die Bewerbung des Beschwerdeführers vorgelegen habe, sei entschieden worden, das Verfahren abzubrechen und zur Erweiterung des Bewerberkreises neu auszuschreiben. Schriftliche Aufzeichnungen seien nicht auffindbar. Der Beschwerdeführer sei jedoch fernmündlich über die Neuausschreibung informiert worden.

6

Mit Beschluss vom 13. Dezember 2010 lehnte das Verwaltungsgericht Darmstadt den Antrag des Beschwerdeführers ab. Der Beschwerdeführer wolle die Besetzung des Dienstpostens unterbinden, weil er aus dem unter Nummer 10316 eingeleiteten Auswahlverfahren für sich einen Anspruch auf Auswahl reklamiere. Ansprüche aus dem - möglicherweise rechtswidrig abgebrochenen - ursprünglichen Auswahlverfahren könnten sich jedoch nicht mehr ergeben, da der Beschwerdeführer in das neue Auswahlverfahren einbezogen worden sei. Ergänzend merkte das Verwaltungsgericht an, der Beschwerdeführer habe die Auswahl des Mitbewerbers in materieller Hinsicht nicht substantiiert beanstandet.

7

Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beschwerdeführers wies der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 1. März 2011 zurück. Wenn der Abbruch eines Auswahlverfahrens mangels sachlichen Grundes den Bewerbungsverfahrensanspruch verletze, dürfe keine Neuausschreibung erfolgen. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts würde die Einbeziehung des Bewerbers in das neue Verfahren daran nichts ändern. Vorliegend sei der Bewerbungsverfahrensanspruch des Beschwerdeführers durch den Abbruch aber letztlich nicht verletzt. Nach Nr. 1.12 des Erlasses vom 22. November 2001 (Amtsblatt 2002, S. 8) könne ein Auswahlverfahren zugunsten einer Neuausschreibung abgebrochen werden, wenn - wie hier - nur eine Bewerbung vorliege und zu erwarten sei, dass sich das Bewerberfeld erweitern werde. Die Gründe für den Abbruch seien dem Beschwerdeführer in der erforderlichen schriftlichen Weise jedenfalls im erstinstanzlichen Verfahren mit einem Schriftsatz mitgeteilt worden. Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Beschwerdeführers sei auch nicht im Rahmen des zweiten Auswahlverfahrens verletzt worden. Diskrepanzen zwischen den im Auswahlvermerk niedergelegten Tatsachen über das Überprüfungsverfahren und dessen tatsächlichem Ablauf habe der Beschwerdeführer nicht konkret dargelegt. Der Umstand, dass die während des Überprüfungsverfahrens von einer Mitarbeiterin des Ministeriums angefertigten Notizen nicht in der Akte enthalten seien, sei unschädlich. Ein schriftliches Wortprotokoll der schulfachlichen Überprüfung sei nicht erforderlich.

8

Eine Gehörsrüge des Beschwerdeführers wies der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28. April 2011 zurück.

II.

9

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 33 Abs. 2 und Art. 19 Abs. 4 GG sowie seiner Menschenwürde.

10

Er sei weder telefonisch noch in sonstiger Weise vom Abbruch des Auswahlverfahrens unterrichtet oder über die Gründe informiert worden. Nur durch Zufall habe er von der Neuausschreibung erfahren. Schriftliche Unterlagen zu beiden Auswahlverfahren seien verschwunden, so dass die Entscheidungen des Ministeriums nicht mehr nachvollzogen werden könnten. Bei Einsicht in die nach dem zweiten Verfahren verfassten Auswahlberichte habe er festgestellt, dass seine eigenen Leistungen ersichtlich abqualifiziert worden seien. Seine Einwände hätten anhand des Protokolls der Überprüfung leicht belegt werden können, dieses sei jedoch nicht auffindbar.

11

Im ersten Auswahlverfahren hätten drei Mitbewerber ihre Bewerbung auf Anraten des Ministeriums zurückgezogen. Er selbst habe seine Bewerbung trotz Drängens des Ministeriums aufrechterhalten. Als der wohl für die Stelle favorisierte Mitbewerber überraschend ebenfalls seine Bewerbung zurückgezogen habe, sei das Verfahren zur Erweiterung des Bewerberkreises abgebrochen worden. Dies sei nicht nachvollziehbar, da das Ministerium selbst für die Verkleinerung des Bewerberkreises gesorgt habe. Die Entscheidung habe sich gegen ihn als noch verbliebenem Bewerber gerichtet, der nicht in die Planung gepasst habe. Mangels Information über den Abbruch habe man provoziert, dass er eine Neuausschreibung verpassen würde.

12

Nach seinen dienstlichen Beurteilungen hätte er, der Beschwerdeführer, zum Zuge kommen müssen. Die beiden Auswahlverfahren basierten auf unterschiedlichen Anforderungsprofilen. Ein Punkt im ersten Anforderungsprofil, der aufgrund seiner Tätigkeit an einer integrierten Gesamtschule besonders gut auf ihn passe, sei für die zweite Stellenausschreibung abgeändert worden.

III.

13

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Land Hessen und dem Beigeladenen des Ausgangsverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Hessische Staatskanzlei trägt vor, die Entscheidung über den Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens sei nach der Rechtsprechung rechtzeitig zu dokumentieren. Wie weit dies im ersten Stellenbesetzungsverfahren geschehen sei, lasse sich den Unterlagen nicht entnehmen. Indes werde davon ausgegangen, dass der Dienstherr dieser Verpflichtung nachgekommen sei. Die Verwaltungsakten und die Akten des Ausgangsverfahrens wurden beigezogen.

B.

14

Die Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Der Verfassungsbeschwerde ist von der Kammer stattzugeben, da die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen vom Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet ist (§ 93b Satz 1 i.V.m. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

I.

15

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

16

1. Insbesondere ist sie innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG erhoben worden. Die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers (§ 152a VwGO), die der Verwaltungsgerichtshof zum Anlass für eingehende ergänzende Ausführungen nahm, war nicht offensichtlich aussichtslos und konnte daher die Verfassungsbeschwerdefrist offenhalten (vgl. BVerfGE 5, 17 <19 f.>; 16, 1 <2 f.>; 19, 323 <330>).

17

2. a) Allerdings ist die Rüge der Verletzung des Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG unzulässig, soweit der Beschwerdeführer vorträgt, dass die auf die erneute Stellenausschreibung hin getroffene Auswahlentscheidung inhaltlich fehlerhaft sei. Es fehlt insoweit an einer hinreichenden Begründung im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG, da der Beschwerdeführer die für eine sachgerechte verfassungsrechtliche Beurteilung erforderlichen Unterlagen nicht vorgelegt hat (vgl. BVerfGK 2, 261 <263 f.>; 13, 557 <559>). Der Beschwerdeführer legt den Bericht über das Auswahlverfahren, in welchem der Dienstherr seine Auswahlerwägungen niedergelegt hat, nicht mit vor. Der Inhalt des Auswahlberichts ergibt sich auch nicht genau genug aus den vorgelegten Gerichtsentscheidungen. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist auch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer über den Auswahlbericht verfügt oder sich im Rahmen von Akteneinsicht eine Kopie hätte verschaffen können. Unsubstantiiert und damit unzulässig ist auch die Rüge der Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG.

18

b) Hinreichend substantiiert ist die Rüge der Verletzung von Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG, soweit der Beschwerdeführer den Abbruch des ersten Auswahlverfahrens rügt.

II.

19

Die Verfassungsbeschwerde ist auch offensichtlich begründet. Die Entscheidungen der Fachgerichte verkennen bei der Prüfung, ob der Abbruch des ersten Auswahlverfahrens der nunmehrigen Besetzung der Stelle entgegensteht, den Gehalt des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Beschwerdeführers. Die Ablehnung des Antrags und die Zurückweisung der Beschwerde verletzen den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG.

20

1. a) Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Daraus folgt der Anspruch eines Beförderungsbewerbers auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung. Nach Art. 33 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG kann der unterlegene Bewerber in einem gerichtlichen Verfahren überprüfen lassen, ob er durch die Auswahlentscheidung in seinem subjektiv-öffentlichen Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt worden ist (stRspr; vgl. BVerfGK 12, 265 <268 f.>).

21

b) Die konkrete Stellenausschreibung und das daran anschließende Auswahlverfahren dienen der verfahrensmäßigen Absicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs der Bewerber (vgl. BVerfGK 10, 355 <357>). Um eine Durchsetzung der in Art. 33 Abs. 2 GG gewährleisteten Rechte sicherstellen zu können, erfordert der Bewerbungsverfahrensanspruch eine angemessene Gestaltung des Auswahlverfahrens (vgl. BVerfGK 10, 355 <357>; zu Art. 12 Abs. 1 GG vgl. BVerfGE 73, 280 <296>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. September 2002 - 1 BvR 819/01 u. a. -, DVBl 2002, S. 1629; BVerfGK 5, 205 <215>).

22

c) Dem Bewerbungsverfahrensanspruch ist auch bei der Entscheidung über den Abbruch eines laufenden Auswahlverfahrens Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGK 5, 205 <215>, zu Art. 12 Abs. 1 GG). Nach der vom Bundesverfassungsgericht gebilligten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt dem Dienstherrn hinsichtlich der Beendigung eines eingeleiteten Bewerbungs- und Auswahlverfahrens ein weites organisations- und verwaltungspolitisches Ermessen zu (vgl. BVerwGE 101, 112 <115>; BVerwG, Urteil vom 22. Juli 1999 - 2 C 14/98 -, NVwZ-RR 2000, S. 172 <173>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2008 - 2 BvR 627/08 -, NVwZ-RR 2009, S. 344 <345>). Der Abbruch des Auswahlverfahrens, durch welchen sich die Zusammensetzung des Bewerberkreises steuern lässt (vgl. zu Art. 12 Abs. 1 GG BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. September 2002 - 1 BvR 819/01 u. a. -, DVBl 2002, S. 1629; BVerfGK 5, 205 <215>), erfordert jedoch einen sachlichen Grund (vgl. BVerfGK 10, 355 <358>; zu den Rechten von Notarbewerbern aus Art. 12 Abs. 1 GG vgl. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. September 2002 - 1 BvR 819/01 u. a. -, DVBl 2002, S. 1629 <1630>; BVerfGK 5, 205 <215>; s. auch BVerwGE 101, 112 <115>; BVerwG, Urteil vom 22. Juli 1999 - 2 C 14/98 -, NVwZ-RR 2000, S. 172 <173>). Wird der Abbruch eines Auswahlverfahrens dieser Anforderung nicht gerecht, so darf von Verfassungs wegen keine Neuausschreibung erfolgen. Durch eine Auswahlentscheidung in einem neuen Auswahlverfahren werden die Bewerber des ursprünglichen Auswahlverfahrens in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt.

23

d) Der maßgebliche Grund für den Abbruch muss jedenfalls dann, wenn er sich nicht evident aus dem Vorgang selbst ergibt, schriftlich dokumentiert werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Juli 2011 - 1 BvR 1616/11 -, juris, Rn. 26; zu Dokumentationspflichten bei der Auswahlentscheidung vgl. BVerfGK 11, 398 <402 f.>). Die Bewerber werden grundsätzlich nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Erwägungen in die Lage versetzt, etwa anhand von Akteneinsicht sachgerecht darüber befinden zu können, ob die Entscheidung des Dienstherrn ihren Bewerbungsverfahrensanspruch berührt und ob Rechtsschutz in Anspruch genommen werden sollte (vgl. zur Auswahlentscheidung BVerfGK 11, 398 <403>). Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation des sachlichen Grundes für den Abbruch des Auswahlverfahrens dem Gericht die Möglichkeit, die Beweggründe für den Abbruch nachzuvollziehen (vgl. zur Auswahlentscheidung BVerfGK 11, 398 <403>). Die Annahme, die maßgeblichen Erwägungen könnten auch erstmals im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens über die Besetzung der betroffenen Stelle dargelegt werden, mindert die Rechtsschutzmöglichkeiten der Bewerber in unzumutbarer Weise (vgl. zur Auswahlentscheidung BVerfGK 11, 398 <403>).

24

2. Diesen Anforderungen des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Beschwerdeführers werden die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht gerecht.

25

a) Zwar entspricht der Ausgangspunkt des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, dass die in einem weiteren Auswahlverfahren getroffene Auswahl bei Unwirksamkeit des Abbruchs eines vorherigen Auswahlverfahrens den Bewerbungsverfahrensanspruch des Beschwerdeführers verletzt, im Gegensatz zu den Ausführungen des Verwaltungsgerichts Darmstadt den verfassungsrechtlichen Maßstäben. Bei der Prüfung, ob der Abbruch des ersten Auswahlverfahrens auf einem sachlichen Grund basierte, hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht beachtet, dass die maßgeblichen Gründe zumindest dann, wenn sie nicht evident sind, in den Akten dokumentiert sein müssen. Er hat vielmehr die erstmalige Darlegung der Gründe im gerichtlichen Eilverfahren für ausreichend gehalten. Damit entfernt sich der Hessische Verwaltungsgerichtshof nicht nur stillschweigend von der - in der Entscheidung zitierten - eigenen Rechtsprechung, wonach die relevanten Gründe für den Abbruch des Auswahlverfahrens zumindest ansatzweise schriftlich festzuhalten und Argumente, die erst im anhängigen Verfahren vorgetragen würden, nicht zu berücksichtigen seien (HessVGH, Beschluss vom 15. Mai 1992 - 1 TG 2485/91 -, ZBR 1993, S. 337 <338>). Er wird auch dem verfassungsrechtlichen Maßstab der Art. 33 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht gerecht, wonach Bewerber die Möglichkeit haben müssen, das Fehlen eines sachlichen Grundes für den Abbruch eines Auswahlverfahrens in zumutbarer Weise zu rügen.

26

b) Darauf, ob die Gerichte in Evidenzfällen davon absehen können, die fehlende Dokumentation des sachlichen Grundes zu beanstanden, kommt es nicht an. Denn der vom Verwaltungsgerichtshof angenommene sachliche Grund stellt keinen solchen Evidenzfall dar. Der in Nr. 1.12 des Erlasses vom 22. November 2001 geregelte Fall, dass nach der Ausschreibung nur eine Bewerbung vorliegt und zu erwarten ist, dass sich das Bewerberfeld erweitern könnte, erfasst nicht die - nach dem unbestrittenen Vorbringen des Beschwerdeführers im Eilverfahren vorliegende - Konstellation der auf Anregung des Dienstherrn erfolgten Rücknahme von Bewerbungen und damit der künstlichen Verknappung des Bewerberfelds. Dass der Abbruch etwa mit dem Ziel erfolgt wäre, nach der zurückgezogenen Bewerbung des aussichtsreichsten Kandidaten den ursprünglichen Bewerberkreis unter Einbeziehung derjenigen, denen vorher eine Rücknahme ihrer Bewerbungen nahegelegt worden war, wiederherzustellen, ist weder vorgetragen noch gerichtlich geprüft worden. Eine solche Zielsetzung ist auch deshalb nicht evident, weil ungeklärt ist, ob der Beschwerdeführer vom Abbruch und der Neuausschreibung überhaupt benachrichtigt wurde.

III.

27

Die Annahme der zulässigen und begründeten Verfassungsbeschwerde erscheint zur Durchsetzung von Rechten des Beschwerdeführers angezeigt, § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG. Die Verkürzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Beschwerdeführers stellt für diesen einen besonders schweren Nachteil dar. Es ist auch nicht sicher, dass der Beschwerdeführer bei der Konkurrenz um die ausgeschriebene Stelle im Ergebnis keinen Erfolg haben würde (vgl. BVerfGK 6, 273 <275 f.>). Der Beschwerdeführer hat bei Fortsetzung des ersten Auswahlverfahrens zwar keinen Anspruch darauf, dass dieses zu Ende geführt wird. Der Behörde steht es offen, das Auswahlverfahren für die Zukunft aus sachlichen Gründen zu beenden. Selbst in diesem Fall müsste es jedoch zu einem neuen Auswahlverfahren kommen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer in diesem - etwa aufgrund eines veränderten Anforderungsprofils oder Bewerberkreises - bessere Chancen hat als in dem bisher durchgeführten zweiten Auswahlverfahren.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.