Verwaltungsgericht München Urteil, 08. Sept. 2016 - M 12 K 14.3776

bei uns veröffentlicht am08.09.2016

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen seine Ausweisung.

Er ist am ... als jüngstes von vier Kindern in ... geboren und türkischer Staatsangehöriger (Bl. 18 d. Behördenakte - BA). Am 28. November 1997 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die seit dem 1. Januar 2005 den Status einer Niederlassungserlaubnis hat. Der Kläger wuchs bei seinen Eltern auf und besuchte vier Jahre die Türkisch sprechende Klasse der Grundschule ... Von 1992 bis 1997 war er in der Hauptschule ..., anschließend in der Staatlichen Berufsschule ... Im November 2002 heiratete der Kläger die deutsche Staatangehörige ... Am ... 2003 kam die gemeinsame Tochter ... und am ... 2004 der gemeinsame Sohn ... auf die Welt. Schon im Alter von etwa 14 Jahren begann der Kläger, Haschisch zu rauchen, und konsumierte seit dem Jahr 2002 Heroin und Kokain.

Der Kläger trat wie folgt strafrechtlich in Erscheinung:

1. Das Verfahren wegen eines am ... Juli 1996 verübten gemeinschaftlichen Hausfriedensbruchs wurde durch Beschluss des Amtsgerichts ... nach § 47 Jugendgerichtsgesetz (JGG) eingestellt. Der Kläger wurde ermahnt (Bl. 8 d. BA).

2. Urteil des Amtsgerichts ... vom ... Februar 1999, Erpressung in Tatmehrheit mit vier Fällen der versuchten Erpressung, drei Wochen Dauerarrest und Weisung, 100 Stunden Sozialdienst zu leisten (Bl. 65 d. BA). Der Kläger wurde vom Beklagten über die möglichen ausländerrechtlichen Folgen der Verurteilung belehrt (Bl. 70 d. BA).

3. Urteil des Amtsgerichts ... vom ... März 2000, versuchte gefährliche Körperverletzung in Tatmehrheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der gefährlichen Körperverletzung in Tatmehrheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, acht Monate Jugendstrafe auf Bewährung (Bl. 126 d. BA). Der Kläger wurde erneut über die möglichen ausländerrechtlichen Folgen der Verurteilung belehrt (Bl. 131 d. BA).

4. Urteil des Amtsgerichts ... vom ... März 2001, unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln, unter Einbeziehung des Urteils vom ... März 2000 zwölf Monate Jugendstrafe (Bl. 145 d. BA).

5. Urteil des Landgerichts ... vom ... Februar 2006, Totschlag in Tatmehrheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, Freiheitsstrafe von neun Jahren und neun Monaten. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wurde angeordnet, wobei vier Jahre und sechs Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe vorweg zu vollstrecken waren (Bl. 202 d. BA).

Dem Urteil des Landgerichts ... lag zugrunde, dass der Kläger am ... Mai 2005 seine Ehefrau getötet hatte. Er stach in der gemeinsamen Wohnung mit drei verschiedenen Messern auf sie ein, um sie zu töten. Insgesamt fügte er ihr 45 Stich- und Schnittverletzungen zu, in deren Folge sie durch Verbluten nach innen und außen verstarb. Der Kläger hatte vor der Tat Heroin und Kokain konsumiert, weshalb er sich in einem drogeninduzierten psychosenahen Zustand befand und nicht ausgeschlossen werden konnte, dass er in der Fähigkeit, nach der Einsicht des Unrechts seines Tuns zu handeln, erheblich vermindert war. Aufgrund des Hanges, Betäubungsmittel im Übermaß zu konsumieren, bestand die Gefahr, dass der Kläger weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird (Bl. 211 d. BA). Außerdem kaufte und übernahm der Kläger bei mindestens vier Gelegenheiten im Zeitraum von Januar 2004 bis April 2005 jeweils mindestens 50 g Heroin und 50 g Kokain von einer unbekannten Person in den Niederlanden und verbrachte es in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) nach ..., wo er es in der Wohnung seiner damaligen Freundin ... lagerte. Die Hälfte des Rauschgifts war jeweils zum Eigenkonsum und die andere Hälfte zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Tatsächlich verkaufte und übergab der Kläger in der Folgezeit jeweils Heroin und Kokain gewinnbringend an verschiedene Abnehmer im Raum ...

Der Kläger räumte die festgestellten Sachverhalte ein. Bei ihm hätten sich am ... Mai 2005 Einbildungen eingestellt, so dass er Geister gesehen und seine Frau den Teufel verkörpert habe, während er sich selbst als Gott gesehen habe. Der Kläger konnte kein Motiv für die Tat nennen. Zur Strafzumessung führte das Gericht Folgendes aus: Der Strafrahmen des § 212 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) wurde über die §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert, da der Kläger zur Tatzeit nicht ausschließbar vermindert schuldfähig war. Zugunsten des Klägers wurde berücksichtigt, dass er die Tat unter dem Einfluss einer drogenbedingten Enthemmung begangen und sie - soweit ihm dies angesichts der Erinnerungslücken möglich war - eingestanden hat. Zu seinen Lasten wurde berücksichtigt, dass er in der Vergangenheit nicht unerheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten war, insbesondere auch mit Gewaltdelikten, was auf eine hohe kriminelle Energie hindeute. Bei der Tathandlung des Totschlags sei eine hohe Intensität festzustellen, die sich in der Setzung zahlreicher Verletzungen bei der Ehefrau manifestiert habe. Unter Abwägung der Strafzumessungsgesichtspunkte gelangte die Kammer zu einer Einzelstrafe für den Totschlag von einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten (Bl. 220 f. d. BA). Bezüglich der Verstöße des Klägers gegen das Betäubungsmittelgesetz wurde zu seinen Gunsten berücksichtigt, dass er die Taten eingestanden und einen Aufklärungsbeitrag geleistet hat sowie dass er aufgrund seines Drogenkonsums den Rauschmittelstraftaten näher stand als die Durchschnittsbevölkerung. Zulasten des Klägers wurde berücksichtigt, dass er bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten war, einmal auch wegen eines Betäubungsmitteldelikts. Es wurde berücksichtigt, dass von Kokain und Heroin ein hohes Gefährdungs- und Suchtpotential ausgeht und dass der Kläger durch ein und dieselbe Handlung gegen mehrere Strafgesetze vorsätzlich verstoßen hat. Unter Abwägung der Strafzumessungsgesichtspunkte gelangte die Kammer zu einer Einzelstrafe von einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten (Bl. 222 d. BA). Unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Kläger sprechenden Umstände wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und neun Monaten als tat- und schuldangemessen, aber auch als ausreichend erachtet. Die Unterbringung in einer Erziehungsanstalt nach § 64 StGB wurde wegen des Hanges des Klägers zu übermäßigem Betäubungsmittelkonsum und der hiermit einhergehenden Gefahr weiterer Straftaten angeordnet (Bl. 223 d. BA).

Seit ... Mai 2005 befand sich der Kläger in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) ..., am ... Februar 2006 begann die zeitige Freiheitsstrafe.

Mit Schreiben vom ... April 2006 (Bl. 226 d. BA) wurde der Kläger durch den Beklagten zur beabsichtigten Ausweisung angehört. Hierauf erklärte der damalige Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom ... Mai 2006 (Bl. 229 d. BA), dass der Kläger Tanten und Onkel in der Türkei habe. Den Wehrdienst habe der Kläger dort nicht abgeleistet. Seine Kinder seien bei den Großeltern in ... untergebracht, das Amt für Jugend und Familie in ... habe das Sorgerecht inne und die Großmutter der Kinder sei deren Pflegerin. Die Kinder und die Eltern des Klägers würden ihn regelmäßig einmal im Monat in der JVA besuchen. Mit Schriftsatz vom 26. Juni 2006 (Bl. 239 d. BA) wurde mitgeteilt, dass der Kläger in Deutschland geboren und assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger sei. Die Beantwortung der Frage, ob eine Ausweisung erforderlich sei, um eine gegenwärtige und schwerwiegende Gefahr für wichtige Rechtsgüter zu vermeiden, könne erst beantwortet werden, wenn der Kläger die Unterbringung in der Entziehungsanstalt durchlaufen und zwei Drittel der Gesamtfreiheitsstrafe verbüßt habe. Daher werde beantragt, das Ausweisungsverfahren auszusetzen und zu gegebener Zeit unter Berücksichtigung des Therapieergebnisses sowie der sich daran anschließenden Entscheidung der Strafvollstreckungskammer über die Ausweisung zu entscheiden.

Mit Schreiben vom 1. Dezember 2008 (Bl. 261 d. BA) eröffnete der Beklagte dem Kläger erneut die Möglichkeit zur Stellungnahme. Hierauf wurde mit Schriftsatz vom ... Dezember 2008 (Bl. 264 d. BA) mitgeteilt, dass der Kläger weiterhin regelmäßigen Kontakt zu seinen Eltern und Kindern habe. Er absolviere in der JVA eine Berufsausbildung und habe ab 3. November 2009 einen Therapieplatz im Bezirkskrankenhaus ... erhalten. Es werde beantragt, das Verfahren auszusetzen, bis Therapieergebnisse vorlägen.

Mit Schriftsatz vom ... Februar 2009 (Bl. 270 d. BA) teilte die Bevollmächtigte des Klägers mit, dass der Kläger faktischer Inländer sei und die türkische Sprache nur rudimentär beherrsche. Er sei Vater zweier deutscher Kinder, seine Eltern wohnten in Deutschland. Eine spezialpräventive Ausweisung käme nur in Betracht, wenn vom Kläger auch in Zukunft ausgehende Gefahren konkret ermittelt würden. Der Risikofaktor der Drogenabhängigkeit sei in der Zwischenzeit weggefallen, da der Kläger seit seiner Verhaftung im Jahr 2005 keine Drogen mehr konsumiere. Die Bevollmächtigte verwies auf die Rückfallquoten bei vorsätzlichen Körperverletzungen in einschlägigen Statistiken sowie der Literatur.

Mit Bescheid vom 5. März 2009 wies der Beklagte den Kläger aus der BRD aus (Bl. 273 d. BA), wogegen der Kläger am ... März 2009 Klage erhob (M 23 K 09.1219 - Bl. 291 d. BA). Er habe bisher keine Langzeittherapie absolviert, sondern sich nur 2001 und 2005 in ambulanter Behandlung befunden. Er sei faktischer Inländer und die Ausweisung sei daher nicht verhältnismäßig. In der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2010 hob der Beklagtenvertreter den Ausweisungsbescheid wieder auf (Bl. 343 d. BA).

Im Juli 2009 bestand der Kläger die Ausbildung zum ... Er wurde am 2. November 2009 in das Bezirkskrankenhaus ... verlegt.

Mit Schriftsatz vom 19. Februar 2010 (Bl. 349 d. BA) wurde mitgeteilt, dass der Kläger den weiterhin guten Kontakt zu seinen Kindern in Zukunft noch intensivieren werde. Es sei ein Antrag auf Wiederbegründung der elterlichen Sorge gestellt. Die Beziehung des Klägers zur Türkei beschränke sich auf gelegentliche Briefkontakte in deutscher Sprache. Der langjährige Konsum von Ecstasy habe beim Kläger zu einer Gedächtnisstörung geführt, wodurch er seine in der zweisprachigen Grundschulklasse erworbenen Kenntnisse der türkischen Sprache weitgehend vergessen habe.

Das Kreisjugendamt ... - das zwischenzeitlich die Vormundschaft der beiden Kinder übernommen hatte - teilte mit Schreiben vom 20. April 2010 (Bl. 355 d. BA) mit, dass es den Antrag des Klägers auf Beendigung des Ruhens der elterlichen Sorge nicht befürworte. Die Kinder hätten einmal wöchentlich Besuchskontakt von zwei Stunden in ..., der erfolge, so lange die Kinder dies möchten. Hinsichtlich der Folgen einer Abschiebung sei eine Prognose schwierig. In der Türkei könnte der Kläger mit den Kindern über die Großeltern Kontakt halten. Außerdem würden die Großeltern regelmäßig in die Türkei fahren, so dass auch persönliche Besuche möglich seien. Eine genauere Beurteilung der Abschiebung könne nur über eine psychologische Begutachtung erfolgen. Mit Schreiben vom 6. Juli 2010 (Bl. 363 d. BA) wurde weiter mitgeteilt, dass das Ruhen der elterlichen Sorge aufgehoben und dem Kläger das Sorgerecht für beide Kinder entzogen worden sei. Aus den Gründen des Beschlusses des Amtsgerichts Landshut vom ... Juli 2010 (Bl. 372 d. BA) ergibt sich, dass durch die Ausübung der elterlichen Sorge durch den Kläger das Wohl der Kinder erheblich gefährdet sei. Eine Trennung der Kinder von den Großeltern wäre mit dem Wohl der Kinder nicht vereinbar.

Das Bezirksklinikum ... berichtete unter dem 1. Oktober 2010 (Bl. 392 d. BA), dass sich der Kläger nach anfänglichen Schwierigkeiten auf eine therapeutische Situation eingelassen und in das stationäre Behandlungssetting eingewöhnt habe. Er zeige bisher keine Tendenzen zu spontanen, impulsiven Reaktionen und verneine einen Suchtdruck. Er sei zum kommunikativen Kontakt bereit, Rückzugsverhalten oder eine Verweigerungshaltung seien bisher nicht zu beobachten. Der Kläger wolle insbesondere aufgrund der Verpflichtung gegenüber seinen Kindern an dem therapeutischen Prozess teilnehmen und in einen Veränderungsprozess eintreten. Nach der Erteilung der Lockerungsstufe A am 22. März 2010 nehme er regelmäßig an der klinikinternen Arbeitstherapie teil, wobei sein gutes soziales Verhalten und sein Engagement erwähnenswert seien. Der Vorsatz zur Drogenabstinenz wirke authentisch und gefestigt, was durch die negativen Drogenscreenings belegt werde. Der Kläger beteilige sich an sämtlichen geforderten Therapiemaßnahmen. Die Einzelgespräche sowie die gruppentherapeutischen Maßnahmen habe er von Anfang an wahrgenommen. Er habe keine Schwierigkeiten gehabt, sich in Gruppen zu integrieren. Außerdem sei der Einstieg in die Deliktbearbeitung erfolgt. Aufgrund der erzielten Fortschritte bei stabiler Abstinenzfestigung sei dem Kläger am 16. Juni 2010 die Lockerungsstufe B 1 erteilt worden. In diesem Zeitraum sei es zu keinen Regelverstößen gekommen, außerdem zeige der Kläger weiter ein ernsthaftes Interesse am Therapieverlauf. In den Gesprächen könne man ein großes Maß an Offenheit, Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit erkennen. Konflikte und Aggressionspotential seien bisher nicht zu registrieren. Der Kläger sei ein gut zu führender Patient, der gute Ansätze in der Deliktbearbeitung und glaubhafte Reue zeige. Er beschäftige sich weiter mit vorgegebenen und eigenen Lösungsstrategien und könne diese in der Theorie bereits gut umsetzen. Gedanklich befasse sich der Kläger sorgfältig mit einem für ihn passenden Rückfallvermeidungsplan und erwarte sich hierfür weitere Anregungen durch die Rückfallvermeidungsgruppe. Der bisherige Therapieverlauf biete derzeit eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen erfolgreichen Abschluss der Therapie gemäß § 64 StGB. Der Kläger bedürfe jedoch dringend weiterer Therapie. Es sei von einer Behandlungsdauer von mindestens zwei Jahren auszugehen.

Im ausführlichen Sachverständigengutachten vom ... Dezember 2010 (Bl. 395 ff. d. BA) wurde festgestellt, dass aus psychologischer Perspektive derzeit eine Abschiebung des Klägers nicht dem Wohl der Kinder dienlich sei. Für seine Tochter wären hierdurch erhebliche Belastungen zu befürchten, die die Entwicklung des Kindes nachhaltig beeinträchtigen würden. Den Kindern müsse aus sachverständiger Sicht die Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit der Tat des Vaters sowie der Rolle des Vaters für sie ermöglicht werden. In der ergänzenden Stellungnahme vom ... März 2011 (Bl. 422 d. BA) führt der Sachverständige aus, dass eine Auseinandersetzung mit dem tatsächlich Geschehenen und die Entwicklung eines realistischen Vaterbildes durch die Kinder bisher nicht stattgefunden habe, da durch die Großeltern ein alternatives Vaterbild geschaffen werde. Es sei für die zukünftige Entwicklung der Kinder wesentlich, das tatsächlich Geschehene zu begreifen und sich damit unter fachlicher Betreuung auseinanderzusetzen, wozu die Verfügbarkeit des Vaters erforderlich sei. Im Rahmen eines therapeutischen Prozesses würden bei den Kindern Fragen auftauchen, die nur deren Vater beantworten könne. Außerdem hätten beide Kinder inzwischen zum Vater eine Beziehung aufgebaut, die die Kinder, wenn sie das tatsächlich Geschehene begriffen, hiermit in Einklang bringen oder sich von ihrem Bild distanzieren müssten. Bezüglich des Rückfallrisikos des Klägers seien verlässliche Aussagen nicht möglich. Allerdings dürfte der Kläger durch den Kontakt zu seinen Kindern, den vorhandenen Willen, wieder als Vater zur Verfügung stehen zu können sowie durch die im Rahmen der Therapie stattfindende Auseinandersetzung mit der Tat eine überdurchschnittlich positive Prognose haben. Ein regelmäßiger Kontakt zu den Kindern sei in diesem Fall stabilisierender Faktor. Bei einer Abschiebung des Klägers wären Kontakte auf wenige Zeitpunkte der Ferienaufenthalte in der Türkei begrenzt, so dass er im Falle eines therapeutischen Prozesses der Kinder in Deutschland nicht ausreichend zur Verfügung stehen könne.

Am 8. November 2011 wurde der Kläger wieder in die JVA ... verlegt (Bl. 437 d. BA).

Das Amt für Jugend und Familie ... hatte zwischenzeitlich wieder die Vormundschaft über die Kinder übernommen und teilte mit Schreiben vom 28. November 2012 (Bl. 493 d. BA) mit, dass nicht absehbar sei, in welcher Weise der Kläger nach der Haftentlassung an der Betreuung und Erziehung der Kinder beteiligt werden könne. Die aktuellen Kontakte seien für die Kinder jedoch positiv und eine Abschiebung des Klägers würde für sie ein einschneidendes, negatives Erlebnis bedeuten.

Mit Schriftsatz vom ... Dezember 2012 (Bl. 496 d. BA) mahnte der damalige Bevollmächtigte des Klägers eine Entscheidung des Beklagten bis zum 31. Dezember 2012 an. Spätestens seit Ende 2010 seien alle bei einer erneuten Entscheidung über die Ausweisung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte bekannt. Der Gutachter habe im Schreiben vom ... März 2011 eindeutig beantwortet, dass für die Kinder die Möglichkeit wesentlich sei, sich mit der Tat des Vaters als real verfügbare Person auseinandersetzen zu können.

Die JVA ... teilte unter dem 8. Mai 2013 (Bl. 532 d. BA) mit, dass der Kläger seit dem Wiedereintritt in die JVA noch nicht disziplinarisch in Erscheinung getreten sei. Er habe die sozialpädagogische Gruppe in der JVA absolviert und an den Sitzungen mit Engagement sowie aktiver Mitarbeit teilgenommen. Die Suchtgruppe der JVA habe er erfolgreich beendet, ebenso das Anti-Gewalt-Training. Derzeit nehme er am internen ...-Training (Maßnahme zur Erhöhung der sozialen Kompetenz) teil. Der Kläger sei bemüht, seine Schulden zu regulieren und befinde sich in der niederschwelligen sozialpädagogischen Schuldnerberatung. Das Insolvenzverfahren sei am ... Dezember 2012 eröffnet worden. Der Kläger befinde sich u. a. zur Bearbeitung der Suchtproblematik in der einzeltherapeutischen Maßnahme bei Herrn Dr. H... Er werde in regelmäßigen Abständen - u. a. von Familienangehörigen und den Kindern - in der JVA besucht.

Der Anstaltspsychologe der JVA ... teilte am 19. März 2013 (Bl. 541 d. BA) mit, dass nur eingeschränkte Aussagen getroffen werden könnten. Der Kläger sei glaubhaft therapiemotiviert, zeige Mitwirkungsbereitschaft und eine entsprechende Compliance. Er habe die hausinterne Suchtgruppe, die sozialpädagogische Gruppe sowie ein Anti-Gewalt-Training absolviert. Außerdem stehe er mit dem hiesigen Drogenberater in Kontakt. Aktuell nehme er an einem ...-Training und an einzelpsychotherapeutischen Sitzungen teil. Der Erfolg bleibe abzuwarten. Der Kläger gebe an, eine freiwillige Suchttherapie nach § 35 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) beginnen zu wollen. Da der Fokus hauptsächlich in der Drogenproblematik liege, würde das Vorgehen, im Rahmen der einzelpsychotherapeutischen Maßnahme die suchtspezifischen und die aggressionsrelevanten Anteile zu bearbeiten, befürwortet.

Die psychiatrische Abteilung der JVA ... ging unter dem 4. April 2013 (Bl. 544 d. BA) aufgrund der Vorgeschichte des Klägers, der Unterlagen der JVA ..., der ärztlichen Gutachten sowie der Stellungnahme der forensischen Klinik ... davon aus, dass der Kläger in Freiheit wieder Drogen konsumieren werde und dadurch eine große Wahrscheinlichkeit für das Wiederauftreten psychotischer Symptome mit daraus resultierenden Gewaltdelikten bestehe.

Der Kläger bat mit Schreiben vom ... Dezember 2013 (Bl. 550 d. BA) den Beklagten um eine Bestätigung, dass seine ausländerrechtliche Situation abschließend geklärt sei. Er verwies auf das Gutachten vom ... Dezember 2010. Gerade in seinem Fall erscheine die Gewährung von Vollzugslockerungen besonders wichtig, damit eine weitere Festigung und Stärkung zwischen ihm und seinen Kindern sowie die geforderte Geschehensverarbeitung erfolgen könne.

Das Amt für Jugend und Familie ... teilte mit Schreiben vom 2. Januar 2014 mit, dass die Kinder zusammen mit der Großmutter den Vater regelmäßig besuchten. Die Kinder hingen sehr am Vater, so dass eine Abschiebung für sie eine massive Belastung und einen weiteren Beziehungsabbruch bedeuten würde (Bl. 552 d. BA).

Mit Schreiben vom 23. Juni 2014 (Bl. 566 d. BA) teilte der Beklagte der damaligen Bevollmächtigten des Klägers mit, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen geplant seien und für Rückfragen zur Verfügung gestanden werde.

In Ergänzung zum Bericht vom 8. Mai 2013 nahm die JVA ... am 18. Juli 2014 dahingehend Stellung (Bl. 585 d. BA), dass der Kläger weiterhin regelmäßig von seinen Angehörigen besucht werde und er insbesondere Kontakt zu seiner Verlobten ... halte, mit der er ein Eheseminar absolviert habe. Die sozialen Kontakte seien gefestigt. Das Vollzugsverhalten sei jedoch nicht beanstandungsfrei, es hätten vier Disziplinarentscheidungen getroffen werden müssen, die sich in die langjährigen Auffälligkeiten in ... vor Einweisung in die Entziehungsanstalt einreihten. Dem Bericht liegt eine Übersicht über die verhängten Disziplinarmaßnahmen bei (Bl. 587 d. BA). Der Konsum von Tramal zeige, dass der Kläger weiterhin unter erheblichem Suchtmitteldruck leide. Der Kläger sei in einem Unternehmerbetrieb zur Arbeit eingeteilt gewesen, wegen häufiger Fehlzeiten jedoch abgelöst worden und seitdem ohne Verschulden ohne Arbeit. Zur Bearbeitung der Suchtmittelproblematik habe er an einzelpsychotherapeutischen Sitzungen bei Herrn Dr. H... teilgenommen, der im Bericht vom ... September 2013 die Fortführung der ambulanten Einzeltherapie als nicht sonderlich effektiv eingeschätzt habe. Gründe hierfür seien die starke Drogenbindung sowie die ausgeprägte Identitätsbildung im Drogenmilieu. Notwendige Lernerfahrungen im Sinne und mit dem Ziel einer stabilen Drogenfreiheit wären nur im Setting einer stationären Langzeitentwöhnungsmaßnahme zu erreichen, so dass die Maßnahme nach fünf Sitzungen abgebrochen worden sei. Sozialtherapeutische Maßnahmen zur Bearbeitung der delinquenzfördernden persönlichkeitsimmanenten Problembereiche seien weiterhin indiziert, jedoch wegen der zeitlichen Rahmenbedingungen nicht mehr durchführbar. Sowohl die Gewalt- als auch die Suchtmittelproblematik seien trotz der vorhandenen niederschwelligen Maßnahmen noch nicht ausreichend bearbeitet.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 31. Juli 2014 (Bl. 597 d. BA) wies der Beklagte den Kläger aus der BRD aus. Die Abschiebung in die Türkei wurde angedroht. Die Wirkungen der Ausweisung und Abschiebung wurden auf sieben Jahre ab Ausreise befristet.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, aufgrund der Verurteilung durch das Landgericht ... vom ... Februar 2006 erfülle der Kläger den zwingenden Ausweisungstatbestand des § 53 Nrn. 1, 2 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG). Er genieße den besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 2 und 4 AufenthG, so dass er nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden dürfe, § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Zudem könnten gemäß Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) einem türkischen Staatsangehörigen die ihm unmittelbar aus Art. 6, 7 ARB 1/80 zustehenden Aufenthaltsrechte nur dann im Wege einer Ausweisung abgesprochen werden, wenn sein persönliches Verhalten auf die konkrete Gefahr von weiteren schweren Störungen der öffentlichen Ordnung hinweise. In das Recht auf Privat- und Familienleben aus Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sei ein Eingriff nur statthaft, soweit er gesetzlich vorgesehen sei und eine Maßnahme darstelle, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheit anderer notwendig sei. Der Rechtsprechung des EGMR könne nicht entnommen werden, dass eine Ausweisung von straffälligen Ausländern der zweiten Generation, die im Vertragsstaat geboren und aufgewachsen seien, regelmäßig gegen Art. 8 EMRK verstoße, vielmehr sei dies von den Einzelfallumständen abhängig. Ein wesentlicher Umstand für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit sei die Schwere der vom Ausgewiesenen begangenen Straftat, wobei die Schwere in erster Linie durch die Höhe der verhängten Strafe gekennzeichnet werde. Das Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik vom 12. Januar 1927 und das für die Türkei am 20. März 1990 in Kraft getretene Europäische Niederlassungsabkommen vom 13. Dezember 1955 (ENA) stünden der Ausweisung ebenfalls nicht entgegen. Der Kläger dürfe nach Art. 3 Abs. 3 ENA nur aus Gründen der Sicherheit oder wenn die Gründe, die zu einer Ausweisung wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung oder Sittlichkeit führen, besonders schwerwiegend seien, ausgewiesen werden. Ein zwingender, die Ausweisung rechtfertigender Grund, liege regelmäßig dann vor, wenn die Anwesenheit des Ausländers trotz des besonderen Status nicht länger hingenommen werden könne. Hierzu gehörten die Fälle schwerer und schwerster Kriminalität, wobei für die Beurteilung maßgeblich sei, dass die Ausweisung künftige Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie andere Beeinträchtigungen erheblicher Belange der BRD verhindern solle. Ob die Straftaten den Tatbestand des zwingenden Grundes i. S. d. § 6 Abs. 5 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) erfüllten und wie dann die gebotene Abwägung jeweils ausfalle, sei eine Einzelfallfrage.

Vorliegend bestünden angesichts der Schwere des spezialpräventiv begründeten Ausweisungserlasses gewichtige öffentliche Belange an der Beendigung des Aufenthalts. Bei den vom Kläger begangenen Straftaten handele es sich um besonders schwere, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich und besonders schwerwiegend störten. Die Ausweisung diene der Verhütung weiterer erheblicher und besonders schwerwiegender Störungen.

Zugunsten des Klägers werde davon ausgegangen, dass er ein Recht aus Art. 7 ARB 1/80 erworben habe, weshalb bei der Prüfung der Ausweisung folgende Ermessenserwägungen vorzunehmen seien:

Die Ausweisung verfolge legitime spezialpräventive Zwecke, da beim Kläger von einer Wiederholungsgefahr auszugehen und dessen weiterer Aufenthalt in der BRD nicht hinnehmbar sei. Die spezialpräventive Ausweisung diene der Vorbeugung gegen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die nach Würdigung des bisherigen Verhaltens und der Persönlichkeit des Ausländers von ihm in Zukunft ausgingen. Habe er Rechtsverstöße begangen, hänge die Rechtfertigung der Ausweisung von einer Gefahrenprognose ab. Der erforderliche, einen ausreichenden Ausweisungsanlass begründende Mindestgrad der Wahrscheinlichkeit neuer Verfehlungen sei durch die Art der Schäden bedingt. Je größer und folgenschwerer die zu erwartenden Schäden seien, umso geringer müsse die Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts sein. Bei Gewalttaten und vergleichbar gewichtigen Fällen dürfe die Ausweisung schon vor der Schwelle einer konkreten Wiederholungsgefahr verfügt werden. Da der Kläger den besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 AufenthG genieße, bedürfe es strenger Anforderungen an den Grad der Wiederholungsgefahr. Es sei auf die Gesamtpersönlichkeit des Klägers, das abgeurteilte Verhalten, Art und Ausmaß möglicher Schäden sowie die persönliche Entwicklung nach der Straftat abzustellen.

Der Kläger habe mit den seiner Verurteilung vom ... Februar 2006 zugrunde liegenden Straftaten erhebliche charakterliche Mängel belegt und es sei davon auszugehen, dass er in Freiheit wieder Drogen konsumieren werde. Außerdem ergebe sich die Wiederholungsgefahr daraus, dass er seit 1996 immer wieder strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Belehrungen durch den Beklagten sowie die Maßnahmen des Jugendgerichts hätten keinerlei Wirkung gezeigt. Daher seien aufgrund der Gesamtpersönlichkeit des Klägers auch künftig von ihm weitere schwere Straftaten zu befürchten. Es liege eine konkrete Wiederholungsgefahr im Bereich der Gewalt- und Betäubungsmitteldelikte vor. Bei der Schwere der zu erwartenden Rechtsgutverletzungen sei eine Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen zulässig, um weitere Straftaten, die die Grundinteressen der Gesellschaft berührten, zu verhindern. Ein Abwarten, ob und inwieweit die Therapie und der Strafvollzug tatsächlich zu einer Festigung der defizitären Persönlichkeitsstruktur des Klägers führten, könne ordnungsrechtlich nicht vertreten werden. Es sei nicht verkannt worden, dass sich der Kläger noch nie im Strafvollzug befunden habe. Zwar führe er sich derzeit ohne Beanstandung, was jedoch nicht ungewöhnlich sei, sondern vor dem Hintergrund eventueller Vollzugslockerungen und zur Vermeidung drohender ausländerrechtlicher Maßnahmen geschehe. Aus dem Normalverhalten in der JVA könne nicht auf ein ordnungsgemäßes Verhalten nach der Entlassung geschlossen werden. Die Intensität der Straftaten des Klägers zeige eine kriminelle Energie von einem Ausmaß, die eine konkrete Wiederholungsgefahr begründe. Ein schwerwiegender Ausweisungsgrund liege vor. Mildere Mittel gegenüber der Ausweisung seien nicht ersichtlich, da sich der Kläger von den strafrechtlichen Konsequenzen und den mehrmals angekündigten aufenthaltsbeendenden Maßnahmen nicht habe abschrecken lassen.

Die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen schutzwürdigen Belange des Klägers würden gemäß § 55 Abs. 3 AufenthG wie folgt berücksichtigt: Der Kläger sei zwar im Bundesgebiet geboren und habe nach eigenen Angaben keinen Kontakt zu Verwandten in seinem Heimatland. Er sei aber trotz des langjährigen Aufenthalts nicht derart integriert, dass eine Aufenthaltsbeendigung unzumutbar wäre. Zu einer gelungenen Integration gehöre auch die Einfügung in die hiesige Rechtsordnung, wogegen der Kläger jedoch wiederholt in erheblichem Maße verstoßen habe. Der Kläger sei nicht so in Deutschland verwurzelt, dass ihn außer der Staatsangehörigkeit nichts mehr mit seinem Heimatland verbinde. Dem Vorbringen, er sei der türkischen Sprache kaum mächtig, werde entgegengehalten, dass nach dem Gutachten vom ... Dezember 2010 die Großeltern nur geringe Sprachkenntnisse hätten. Daher könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger nicht nur in der zweisprachigen Schule überwiegend Türkisch gesprochen habe, sondern dass Türkisch seine Muttersprache sei. In der Türkei lebten Verwandte des Klägers, zu denen er Kontakt unterhalte. Er habe außerdem vier Jahre lang eine zweisprachige Schulklasse besucht. Seine Ehefrau sei vor der Heirat zum Islam konvertiert, was ebenfalls auf eine Verbindung zum Heimatland schließen lasse. Die berufliche Integration weise ebenfalls Defizite auf. Der Kläger habe die Schule ohne Abschluss beendet und anschließend keine Ausbildung absolviert. Er habe auf geringfügiger Basis gejobbt, häufig den Arbeitgeber gewechselt und sei über längere Zeiträume arbeitslos gewesen. Erst drei bis vier Jahre vor der Inhaftierung habe er ununterbrochen bei einer Firma als Hilfsarbeiter gearbeitet. Einen Beruf mit ähnlichen Anforderungen werde er auch in der Türkei ausüben können, so dass er keine gesicherte berufliche Position verliere. Die nun in der JVA abgeschlossene Berufsausbildung führe zu keiner anderen Beurteilung. Der Kläger werde sich nach einigen Anfangsschwierigkeiten in die Lebensverhältnisse in seinem Heimatland einfügen können, ihm dürften die dortigen sozialen und kulturellen Verhältnisse nicht völlig fremd sein. Er werde nicht in ein für ihn völlig fremdes Land zurückkehren, zumal er auf den Rat seiner Eltern zurückgreifen könne. Dem Kläger sei es aufgrund seines Alters, seiner bisherigen Verhältnisse und seiner (Aus-)Bildung zumutbar, in der Türkei trotz eventueller Anfangsschwierigkeiten einen Neustart zu begründen. Auch in Deutschland müsse der Kläger nach seiner Haftentlassung neu anfangen und hätte es im Hinblick auf eine Erwerbstätigkeit schwer. Die Zeiten des rechtmäßigen Aufenthalts seien nachrangig gegenüber den öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung.

Die Geburt und das Aufwachsen im Bundesgebiet führten üblicherweise zu einem besonderen Ausweisungsschutz gemäß § 56 Abs. 1 AufenthG und die Systematik des Ausländerrechts schließe zunächst eine weitergehende Berücksichtigung aus. Gleichwohl werde gesehen, dass der Kläger im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen und damit als faktischer Inländer zu behandeln sei. Dies könne jedoch unter dem Gesichtspunkt der Bekämpfung von Gewaltstraftaten zu keiner anderen Beurteilung führen. Die konkrete Gefahr weiterer Straftaten bestehe trotz erfolgten Strafvollzugs. Der Kläger habe besonders schwerwiegende Straftaten begangen. Er sei schon vor dieser Verurteilung wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten, erstmals 1996 im Alter von 15 Jahren. Darauffolgend habe sich die Intensität der Delikte kontinuierlich gesteigert. Wie auch im Urteil vom ... Februar 2006 ausgeführt werde, sei aufgrund der in der Vergangenheit bereits begangenen Gewaltdelikte von einer hohen kriminellen Energie des Klägers auszugehen. Daher handele es sich bei dem Totschlag nicht um eine einmalige Beziehungstat, welche weitere Gewaltdelikte zumindest unwahrscheinlich erscheinen lasse, was sich auch daraus ergebe, dass der Kläger aufgrund des Drogeneinflusses seine Ehefrau als Teufel wahrgenommen habe. Aufgrund der multiplen Drogenabhängigkeit sowie der vom psychiatrischen Sachverständigen festgestellten Disposition, beim Konsum bestimmter Drogen psychotische Reaktionen zu zeigen, sei von der Gefahr der Begehung weiterer Straftaten auszugehen. Obwohl sich der Kläger einer richterlich angeordneten Rehabilitationsmaßnahme unterzogen habe, sei die Wiederholungsgefahr nicht weggefallen. Der erfolgreiche Abschluss einer Therapie sei angesichts der bekannten Rückfallquote keine Garantie für künftige Abstinenz und Straffreiheit. Vielmehr sei die Gefahr weiterer Straftaten regelmäßig erst in angemessener Zeit nach der Therapie bewertbar. Vor dem erfolgreichen Abschluss einer Entziehungstherapie sei eine konkrete Wiederholungsgefahr bei einem süchtigen Täter gegeben. Ein Abwarten und Erproben, ob der Kläger nach Verbüßung der Haftstrafe und Absolvierung der Therapie keine Straftaten mehr begehen werde, komme aufgrund des hohen Ranges der bedrohten Schutzgüter nicht in Betracht. Auch sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger keine Drogen mehr konsumieren werde. Er habe nach eigenen Angaben bereits von 2001 bis 2003 drogenfrei gelebt und im Herbst 2003 erneut begonnen, Kokain und nunmehr auch Heroin zu konsumieren.

Das Gebot des Schutzes von Ehe und Familie aus Art. 6 Grundgesetz (GG) begründe nicht zwangsläufig ein Aufenthaltsrecht. Im Rahmen der bereits durch den Gesetzgeber erfolgten Güterabwägung habe das Ausweisungsinteresse bei schweren Straftaten grundsätzlich Vorrang. Der Kläger gefährde erheblich die Interessen der BRD, was ein konsequentes ordnungsrechtliches Handeln auch unter Berücksichtigung seiner persönlichen Belange sowie der Belange seiner Familienangehörigen erfordere. Der Eingriff in das Recht der Ehe und Familie sei aus Gründen der Gefahrenabwehr und aus überragenden öffentlichen Interessen gerechtfertigt. Die Beziehung des volljährigen Klägers zu seinen in Deutschland lebenden Eltern und Geschwistern entfalte keine derartige Schutzwirkung, welche eine Ausreise unzumutbar erscheinen ließe. Der Kläger sei als Volljähriger nicht mehr in erheblichem Maße auf die Unterstützung seiner Eltern angewiesen. Nachteile, die über eine räumliche Trennung hinausgingen, seien für die Eltern und Geschwister des Klägers aufgrund seiner Ausweisung nicht zu befürchten. Es müsse der Familie zugemutet werden, entweder eine räumliche Trennung in Kauf zu nehmen, eine gemeinsame Rückkehr in das Heimatland in Erwägung zu ziehen oder die Bindung zueinander in anderweitiger Form aufrecht zu erhalten. Die deutschen Kinder des Klägers lebten bei dessen Eltern, das Sorgerecht befinde sich beim Amt für Jugend und Familie in ... Die Kinder hätten Umgangskontakt mit dem Kläger und besuchten ihn fast wöchentlich. Dass ein Ausländer eine Familie im Gastland gegründet habe, verhindere nicht generell seine Ausweisung, was insbesondere dann gelte, wenn die Geburt eines Kindes nicht eine Zäsur in der Lebensführung des betroffenen Ausländers darstelle, die erwarten lasse, dass er keine Straftaten mehr begehen werde. Hier sprächen vorrangige Gründe gegen einen weiteren Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet. Er sei gerade nach der Geburt seiner Kinder 2003 und 2004 mit schwerwiegenden Gewaltdelikten in Erscheinung getreten. Die einschneidenden Konsequenzen dieser Entscheidung würden nicht verkannt. Das Kindeswohl und die Beziehung des Klägers zu den Kindern seien von erheblichem Gewicht. Dennoch sei die Ausweisung zumutbar, da sie zur Abwehr der Gefährdung höchster Rechtsgüter diene. Das persönliche Interesse an der Fortführung der familiären Lebensgemeinschaft in Deutschland müsse zurücktreten. Insbesondere sei zu beachten, dass das Leben eines Menschen ein unabwägbares Rechtsgut sei, Art. 1 GG. Der Beklagte verweist auf die aktuellen Stellungnahmen des zuständigen Jugendamts und der JVA ... In der JVA werde durch regelmäßige wöchentliche Besuche der Kinder und der Verlobten versucht, den Kontakt konstant aufrecht zu erhalten, um eine positive Beziehung aufzubauen. Das soziale Umfeld und die Kontaktpflege könnten als gefestigt angesehen werden. Der Kläger habe während der Haft an einzelpsychotherapeutischen Sitzungen zur Suchtmittelproblematik teilgenommen. Jedoch habe Herr Dr. H... in seinem Bericht vom ... September 2013 eine Fortführung der Therapie aufgrund einer starken Drogenbindung sowie einer ausgeprägten Identitätsbildung im Drogenmilieu nicht für effektiv gehalten. Notwendige Lernerfahrungen mit dem Ziel einer stabilen Drogenfreiheit wären nur im Setting einer stationären Langzeitentwöhnungsmaßnahme zu erreichen, weshalb die Maßnahme nach fünf Sitzungen abgebrochen worden sei. Ferner sei der Kläger auch an der Arbeitsstelle eines Unternehmensbetriebs häufig ferngeblieben, weshalb er derzeit auf sein Verschulden hin keiner Arbeit nachgehe. Auch hätten während des Aufenthalts in der JVA mehrere disziplinarrechtliche Entscheidungen getroffen werden müssen. Der Konsum von Tramal belege, dass der Kläger nach wie vor unter erheblichem Suchtmitteldruck leide. Es bestehe die Gefahr, dass sich der Kläger nach der Haftentlassung keiner Therapie mehr unterziehe und auch medikamentös nicht auf Dauer einstellen lassen werde. Beim Kläger sei eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit gegeben, im wiederholten Maße Drogen zu konsumieren und erneut schwerwiegende Gewaltdelikte zu begehen. Hierdurch würden erhebliche negative Auswirkungen auf das Kindeswohl und familiäre Verfestigungen auftreten. Der Kläger habe gezeigt, dass er die Rechtsordnung der BRD nicht beachte. Seine Interessen müssten insgesamt hinter dem überwiegenden öffentlichen Belang der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zurückstehen.

Die Abschiebungsandrohung beruhe auf § 58 i. V. m. § 59 AufenthG. Die Befristung der Ausweisung und der Abschiebung ergebe sich aus Art. 3 Nr. 6 i. V. m. Art. 11 Abs. 1 und 2 Satz 1 der Richtlinie 2008/115/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger. Die Dauer von sieben Jahren sei im Hinblick auf die Schwere der begangenen Straftaten angemessen. Eine Verkürzung sei bei der Vorlage von Nachweisen möglich.

Hiergegen hat der Kläger am ... August 2014 Klage erhoben und beantragt,

die Ausweisungsverfügung aufzuheben.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, zu dem Tötungsdelikt sei es dadurch gekommen, dass sich beim Kläger Einbildungen eingestellt hätten, so dass er Geister gesehen und seine Ehefrau den Teufel verkörpert habe, während sich der Kläger als Gott gesehen habe. Der Kläger sei bei der Tatausführung seelisch nicht mehr anwesend gewesen. Als die Ehefrau ihn gefragt habe, ob sie für ihn beten solle, sei alles im Kläger „explodiert“, wobei er sich noch daran erinnern könne, dass er im Schlafzimmer ein großes zur Drogenzubereitung aufbewahrtes Messer zweimal in die Matratze gestochen habe. Der Kläger habe keine Erinnerung daran, dass er auch seine Frau gestochen habe. Dass sie tatsächlich tot war, habe er erst bei der Polizei realisiert, als ihm Fotos gezeigt worden seien. Die Unterbringung habe am 3. November 2009 im Bezirksklinikum ... begonnen. Da der Kläger dort erneut illegale Drogen zu konsumieren begonnen habe, sei er am 8. November 2011 in die JVA ... zurückgekehrt.

Der Kläger dürfe nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Solche Gründe lägen in den Fällen des § 53 AufenthG zwar in der Regel, jedoch nicht generell vor. Als besondere, eine Ausweisung hindernde Gründe kämen alle Umstände in Betracht, die nicht durch die einschlägige Variante des § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG verbraucht seien. Es sei zu berücksichtigen, dass der Kläger nicht nur im Bundesgebiet geboren sei, sondern sein gesamtes Leben hier verbracht habe und die türkische Sprache nur rudimentär beherrsche. Daher sei er als faktischer Inländer anzusehen. Eine nur auf generalpräventive Erwägungen gestützte Ausweisung werde den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit nicht gerecht. Aus der Schwere der abgeurteilten Tat könne nicht generell und schon gar nicht speziell im Fall des Klägers auf eine konkrete Rückfallgefahr geschlossen werden. Denn die statistische Rückfallgefahr sei bei vorsätzlichen Tötungsdelikten überaus gering und liege nur bei 1,0% bis 3,5%. Die Wiederholungsgefahr dürfe nicht allein auf die Schwere der begangenen Straftaten gestützt werden, sondern es sei eine individuelle Gefahrenprognose anzustellen, die die persönlichen Lebensverhältnisse mit einbeziehe, soweit sie für die mögliche zukünftige Gefährdung von Bedeutung sein könnten. Die erhebliche Schuld des Täters oder die besondere Gefährlichkeit der begangenen Delikte begründeten noch keine Wiederholungsgefahr. Ebenso wenig der Umstand, dass sich eine künftige Strafbarkeit nicht ausschließen lasse, da dies bei allen Menschen vorliege. Dass der Kläger nach den beiden Verurteilungen in den Jahren 2000 und 2001 nicht gegen Bewährungsauflagen verstoßen habe und deshalb die Jugendstrafe jeweils erlassen worden sei, zeige, dass er sich von früheren Verurteilungen und deren Folgen habe beeindrucken lassen. Damit sei der Risikofaktor der Verletzung von Bewährungsauflagen nicht gegeben. Wenn ein Ausländer in Kenntnis der ihm drohenden Ausweisung ein vorsätzliches Tötungsdelikt begehe, lasse sich aus diesem Umstand keine konkrete Wiederholungsgefahr herleiten. Hinzu komme, dass das Hemmungsvermögen des Klägers gegenüber dem Durchschnitt der Personen, die keine psychische Störung im Sinn von § 20 StGB aufweisen, herabgesetzt gewesen sei, so dass er dem Tatanreiz weniger Widerstand habe leisten können. Hinsichtlich der behaupteten Kausalität der ärztlichen Unterstützung für die Drogenabstinenz des Klägers in den Jahren 2001 bis 2003 gehe der Beklagte bei der Entscheidung von einem in Wirklichkeit nicht vorliegen Sachverhalt aus, was schon für sich genommen zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids führe. Die Rückfallrate nach Drogenhandel belaufe sich auf 7% bis 37% und sei daher verglichen mit anderen Deliktsgruppen als bloß mittelgradig einzustufen. Die Rückfallgefahr sei dann als gering einzuschätzen, wenn dem Betroffenen die erforderlichen Kontakte zu Komplizen fehlten. Bei den ehemaligen Komplizen des Klägers handele es sich um seine getötete Ehefrau und eine Frau namens ... Keine dieser Frauen stehe mehr als Komplizin zur Verfügung. Zudem verflüchtige sich während der langen Zeit der Haft und Unterbringung erfahrungsgemäß der Kundenstamm. Ein weggebrochener Kundenstamm spreche gegen eine Wiederholungsgefahr. Der Kläger habe im Inland mehrere verlässliche Bezugspersonen, nämlich seine Mutter, seine Kinder und seine Geschwister. Dieser soziale Empfangsraum verringere ebenfalls die Rückfallgefahr. Die Ausweisung des Klägers verstoße gegen Art. 8 EMRK. Die Verhältnismäßigkeit sei angesichts der starken Verwurzelung des Klägers im Inland nicht gegeben. Bei dem erneuten Erlass einer Ausweisungsverfügung nach deren Aufhebung handele es sich um eine Rücknahme des aufhebenden Bescheids, also um eine Rücknahme der Rücknahme. Diese Fallkonstellation sei vergleichbar mit dem erneuten Erlass eines Haftungsbescheids nach der Aufhebung eines früheren Haftungsbescheids für denselben Sachverhalt. Eine Rücknahme setze stets die Rechtswidrigkeit des betreffenden Verwaltungsaktes voraus, wofür es an jeglichen Anhaltspunkten fehle. Unabhängig davon sei die Rechtswidrigkeit allein vom Beklagten verursacht worden, so dass auch aus diesem Grund die Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsakts unzulässig sei.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er auf den streitgegenständlichen Bescheid verwiesen. Die Klagebegründung enthalte kein Vorbringen, das nicht bereits im angefochtenen Bescheid behandelt worden sei.

Das Ende der Haftzeit des Klägers war am 6. Februar 2015.

Der mit der Klage gestellte Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wurde mit Beschluss des Gerichts vom 2. Juni 2015 abgelehnt. Die hiergegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Juni 2016 zurückgewiesen (Az.: 10 C 15.1347). Aus dem Beschluss geht hervor, dass der Kläger mitgeteilt hat, am ... April 2016 seine Verlobte geheiratet zu haben.

Mit Schriftsatz vom ... August 2016 hat die Klägerbevollmächtigte weiter ausgeführt, der Beklagte habe im Anschluss an die Rücknahme der ersten Ausweisungsverfügung einer Erledigterklärung vorab zugestimmt. Dies bedeute, dass sich der damalige Rechtsstreit nach Einschätzung des Beklagten erledigt habe, d. h. dass der Klageanlass vollständig weggefallen sei. Klageanlass sei der Verlust des Aufenthaltsrechts des Klägers gewesen. Daher habe der Klageanlass nur dadurch wegfallen können, dass das Aufenthaltsrecht des Klägers im Bundesgebiet nunmehr dauerhaft gesichert gewesen sei. Dies setze wiederum den Verzicht auf den Erlass einer erneuten Ausweisungsverfügung voraus. Deshalb habe der Beklagte zugleich konkludent den Verzicht auf den Erlass einer erneuten Ausweisungsverfügung erklärt. Daher sei der Beklagte nicht mehr befugt, erneut eine Ausweisung zu verfügen.

In der mündlichen Verhandlung am 8. September 2016 ist für die Klagepartei niemand erschienen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. September 2016 entschieden werden, obwohl die Klagepartei nicht erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Beteiligten sind form- und fristgerecht geladen worden.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 31. Juli 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Der Bescheid ist in formeller Hinsicht rechtmäßig. Zwar wurde der Kläger vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids nicht nochmals ausdrücklich unter Setzung einer Frist zu möglichen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen angehört. Jedoch hat der damalige Bevollmächtigte des Klägers bereits unter dem ... Dezember 2012 eine Entscheidung des Beklagten bis zum 31. Dezember 2012 angemahnt. Der Kläger selbst hat sich mit Schreiben vom ... Dezember 2013 unter Verweis auf das Gutachten vom ... Februar 2010 gegenüber dem Beklagten zu seiner ausländerrechtlichen Situation geäußert. Zuletzt wurde die damalige Bevollmächtigte des Klägers am ... Juni 2014 darauf hingewiesen, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen geplant seien. In Zusammenschau dieser Gesichtspunkte hat der Beklagte seiner Anhörungspflicht genügt. Insbesondere reicht die Mitteilung vom 23. Juni 2014 gegenüber der Klägerbevollmächtigten betreffend das Laufen eines ausländerrechtlichen Verfahrens als Gelegenheit zur Stellungnahme aus. Denn es liegt im Ermessen des Beklagten, wie er die Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) vornimmt (Herrmann in Beck-OK, VwVfG, Stand 1.4.2015, § 28 Rn. 17). Es bedarf nicht zwingend des expliziten Hinweises auf die Äußerungsmöglichkeit oder einer ausdrücklichen Fristsetzung (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 28 Rn. 20; Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 28 Rn. 46). Dies gilt umso mehr, als es sich um die Mitteilung gegenüber einer Rechtsanwältin handelte und der Zeitraum bis zum Bescheiderlass am 31. Juli 2014 als Äußerungsfrist ausreichend bemessen war. Der Beklagte stützt den streitgegenständlichen Bescheid zudem nicht auf Gründe, die im bisherigen Verfahren keine Rolle gespielt hätten.

2. In materieller Hinsicht ist der Bescheid ebenfalls rechtmäßig. Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (BVerwG, U. v. 15.11.2007 - 1 C 45.06 - juris). Demnach beurteilt sich die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids nach dem Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch das Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl I S. 1939).

a) Die in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Ausweisung ist rechtmäßig.

Die bereits am 1. Januar 2016 in Kraft getretenen neuen gesetzlichen Regelungen zur Ausweisung (Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und Aufenthaltsbeendigung vom 27.7.2015, BGBl I. S. 1386) differenzieren nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessensausweisung, sondern verlangen für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang überprüfbar. Eine nach altem Recht verfügte Ausweisung wird auch nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG n. F. nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht (BayVGH, B. v. 24.2.2016 - 10 ZB 15.2080 - juris Rn. 8).

Rechtsgrundlage der Ausweisungsverfügung sind §§ 53 Abs. 1 bis 3, 54 f. AufenthG. Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

Zugunsten des Klägers geht die Kammer mit dem Beklagten davon aus, dass er ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) erworben hat. Gem. § 53 Abs. 3 AufenthG darf der Kläger daher nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Damit gibt die Neufassung von § 53 Abs. 3 AufenthG die Voraussetzungen wieder, die nach ständiger Rechtsprechung (z. B. EuGH, U. v. 8.12.2011 - C-371/08 Ziebell - juris Rn. 80; BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris) für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen im Hinblick auf Art. 14 ARB 1/80 erfüllt sein mussten (vgl. auch BayVGH, B. v. 13.5.2016 - 10 ZB 15.492 - juris Rn. 13).

In der Rechtsprechung ist auch geklärt, dass gegen die Anwendung der ab 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsvorschriften auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige auch mit Blick auf Art. 13 ARB 1/80 (sog. Stillhalteklausel) keine Bedenken bestehen, weil sich die materiellen Anforderungen, unter denen diese Personen ausgewiesen werden dürfen, nicht zu ihren Lasten geändert haben und jedenfalls in der Gesamtschau eine Verschlechterung der Rechtspositionen eines durch Art. 13, 14 ARB 1/80 geschützten türkischen Staatsangehörigen nicht feststellbar ist (vgl. BayVGH, U. v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 28; B. v. 13.5.2016 - 10 ZB 15.492 - juris Rn. 14; B. v. 11.7.2016 - 10 ZB 15.837 - Rn. 11 jeweils m. w. N.).

Die Ausweisung des Klägers ist unter Berücksichtigung des dargelegten Maßstabs rechtmäßig, weil die Gefahr der Begehung erneuter gravierender Straftaten nach wie vor gegenwärtig besteht (aa) und nach der erforderlichen Interessenabwägung die Ausweisung für die Wahrung dieses Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist (bb). Da der Ausweisungsschutz aus Art. 3 Abs. 3 Europäisches Niederlassungsabkommen nicht weiter reicht als der aus ARB 1/80, ergibt sich aus dieser Norm kein anderer Maßstab für die rechtliche Überprüfung der Ausweisung des Klägers (vgl. BVerwG, U. v. 2.9.2009 - 1 C 2/09 - juris Rn. 15).

Aus dem Vortrag des Klägers, beim angegriffenen Bescheid vom 31. Juli 2014 handele es sich um eine Rücknahme der Rücknahme, die die - hier nicht gegebene - Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Aufhebungsverfügung vom 10. Februar 2010 voraussetze, ergibt sich ebenfalls kein anderer Überprüfungsmaßstab. Denn es handelt sich vorliegend nicht um eine Rücknahme der Aufhebungsverfügung vom 10. Februar 2010, so dass der ursprüngliche Bescheid vom 5. März 2009 wieder aufleben würde. Der Beklagte hat vielmehr auf Grundlage früher nicht vorhandener Unterlagen - so etwa dem ausführlichen Sachverständigengutachten vom ... Dezember 2010 und der Stellungnahmen der JVA ... vom 8. Mai 2013 und vom 18. Juli 2014 - einen eigenständigen, neuen Bescheid erlassen, so dass Art. 48 f. BayVwVfG nicht als Grundlage zur Überprüfung des angegriffenen Bescheids heranzuziehen sind.

An der erneuten Ausweisung war der Beklagte auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes gehindert. Zwar kann ein Verzicht auf eine Ausweisung grundsätzlich zu einem „Verbrauch“ des Ausweisungsgrundes führen, wenn dem betroffenen Ausländer hierdurch Vertrauensschutz vermittelt wird, so dass er sich im Vertrauen darauf in besonderer Weise auf einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet einrichten konnte. Vorliegend konnte der Kläger allerdings in keiner Weise darauf vertrauen, dass der Beklagte nach der Aufhebung des ersten Ausweisungsbescheides in der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2010 seine Ausweisung nicht weiter betreiben würde (vgl. BayVGH, B. v. 2.6.2016 - 10 C 15.1347). Es war ihm über seine Bevollmächtigte bekannt (vgl. Schreiben des Gutachters vom ...9.2010; Bl. 382 d. BA), dass der Beklagte die zu erwartenden Folgen einer Ausweisung bzw. Abschiebung des Klägers auf seine beiden Kinder ermittelt hat (Art. 24 Abs. 1 BayVwVfG). Zudem hat der Beklagte gegenüber der Bevollmächtigten des Klägers telefonisch und schriftlich festgestellt, dass eine Ausweisung weiterhin geplant sei (vgl. Bl. 431, 456, 566 d. BA). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Erledigterklärung des Beklagten im vorangegangenen Klageverfahren (M 23 K 09.1219). Entgegen der Auffassung der Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom ... August 2016 ergibt sich daraus nicht, dass sich der Ausweisungsanlass erledigt hat und das Aufenthaltsrecht des Klägers im Bundesgebiet gesichert ist. Vielmehr handelt es sich ausschließlich um eine Prozesserklärung, die notwendig war, weil sich der Klageanlass, nämlich der damals streitgegenständliche Bescheid, nach dessen Aufhebung erledigt hat. Eine Aussage dahingehend, dass die Straftaten nicht mehr zum Anlass einer erneuten Ausweisung genommen werden, kann der Erledigterklärung mitnichten entnommen werden.

aa) Zutreffend ist der Beklagte davon ausgegangen, dass der Aufenthalt des Klägers auch in Zukunft die öffentliche Sicherheit und Ordnung der BRD schwerwiegend beeinträchtigen wird. Vom Kläger geht eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der BRD aus. Es besteht eine erhebliche Wiederholungsgefahr.

Anlass für die Ausweisung des Klägers ist seine Verurteilung durch das Landgericht ... vom ... Februar 2006 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und neun Monaten wegen Totschlags in Tatmehrheit mit unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Bei den vom Kläger begangenen Straftaten handelt es sich um besonders schwere Straftaten, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung in erheblichem Maße beeinträchtigen. Totschlag ist ein Kapitaldelikt, das das Leben als höchstes Schutzgut betrifft und damit die Grundinteressen der Gesellschaft berührt. Außerdem ließ sich beim Kläger eine hohe Intensität der Tathandlung feststellen. Der illegale Handel mit Betäubungsmitteln birgt schwerwiegende Gefahren in sich und berührt damit ebenfalls ein Grundinteresse der Gesellschaft. Er stellt ein großes Übel für den Einzelnen und eine soziale und wirtschaftliche Gefahr für die Menschheit dar (EuGH, U. v. 23.11.2010 - C-145/09 - juris Rn. 47; BVerwG, U. v. 13.12.2012 - 1 C 20/11 - juris Rn. 19).

Die festgestellte schwerwiegende Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung beruht auf dem persönlichen Verhalten des Klägers. Zwar war bei Begehung des Totschlags seine Fähigkeit, nach der Einsicht des Unrechts seines Tuns zu handeln, nicht ausschließbar erheblich vermindert. Der Kläger verursachte jedoch persönlich durch seinen Drogenkonsum den Tod seiner Ehefrau, da er die Tat unter dem Einfluss einer drogenbedingten Enthemmung begangen hat. Laut Stellungnahme der psychiatrischen Abteilung der JVA ... vom 4. April 2013 besteht beim Kläger bei Einnahme von Drogen eine große Wahrscheinlichkeit für das Wiederauftreten psychotischer Symptome mit daraus resultierenden Gewaltdelikten. Das Landgericht ... ordnete gerade wegen des Hanges des Klägers zu übermäßigem Betäubungsmittelkonsum und der hiermit einhergehenden Gefahr weiterer Straftaten die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB an. Auch wenn der Kläger bei der Tat selbst nicht ausschließbar das Geschehene nicht voll umfänglich begreifen konnte, ist der Totschlag auf seinen Drogenkonsum sowie auf sein Aggressionspotential zurückzuführen. Ebenso beruht der Drogenhandel auf dem persönlichen Verhalten des Klägers.

Vom Kläger geht gegenwärtig eine erhebliche Wiederholungsgefahr betreffend Betäubungsmittel- und Gewaltdelikte aus. Zwar trägt er zu Recht vor, dass allein aus der Schwere der abgeurteilten Tat nicht generell auf eine konkrete Rückfallgefahr geschlossen werden könne. Dennoch kann bei der einzelfallbezogenen Beurteilung, ob das persönliche Verhalten des Klägers gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt, im Hinblick auf die erforderliche Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts der Rang der bedrohten Rechtsgüter nicht außer Acht gelassen werden, da dieser die mögliche Schadenshöhe bestimmt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei hochrangigen Rechtsgütern bereits jede auch nur entfernte Möglichkeit eine Wiederholungsgefahr begründet (BVerwG, U. v. 10.7.2012 a. a. O. Rn. 16 m. w. N.).

Auf die vom Kläger genannte statistische Rückfallgefahr bei vorsätzlichen Tötungsdelikten von 1,0% bis 3,5% ist nicht abzustellen. Erstens betrifft diese Quote nur die Rückfallgefahr bezüglich vorsätzlicher Tötungsdelikte, nicht aber bezüglich anderer gefährlicher Gewaltdelikte, zweitens hat der Kläger den Totschlag unter dem Einfluss von Drogen begangen, die bei ihm zum Auftreten psychotischer Symptome und daraus resultierenden Gewaltdelikten führen können. Daher hat die vom Kläger zitierte allgemeine Rückfallquote vorliegend keine Aussagekraft. Aufgrund des Drogeneinflusses ist nicht davon auszugehen, dass es sich bei dem Totschlag um eine einmalige Beziehungstat handelt, die weitere Gewaltdelikte ggf. unwahrscheinlich erscheinen ließe. Vielmehr ist die Tat auf den Drogenkonsum des Klägers zurückzuführen. Er hatte während der Tat Wahnvorstellungen und hat das Opfer nicht als seine Ehefrau, sondern als Teufel wahrgenommen. Dass seine Frau tatsächlich tot war, hat der Kläger nach eigenem Vortrag erst auf dem Polizeipräsidium realisiert. Bisher hat er keine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen. Die gerichtlich angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt begann am 2. November 2009 im Bezirksklinikum ... Die Stellungnahme des Klinikums vom 1. Oktober 2010 zeigt sich zwar noch positiv. Der Vorsatz des Klägers zur Drogenabstinenz wirke authentisch und gefestigt, Konflikte und Aggressionspotential seien bisher nicht zu registrieren gewesen. Der Kläger zeige gute Ansätze in der Deliktbearbeitung und glaubhafte Reue. Gedanklich befasse er sich sorgfältig mit einem für ihn passenden Rückfallvermeidungsplan. Der bisherige Therapieverlauf biete derzeit eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen erfolgreichen Abschluss der Therapie gemäß § 64 StGB. Der Kläger bedürfe jedoch dringend weiterer Therapie, es sei von einer Behandlungsdauer von mindestens zwei Jahren auszugehen. Nach diesem positiven Zwischenbericht wurde der Kläger allerdings bereits am 8. November 2011 in die JVA ... zurückverlegt, da er nach eigenem Vortrag erneut begonnen hatte, Drogen zu nehmen. Die in der Stellungnahme vom 1. Oktober 2010 prognostizierte weitere Behandlungsdauer von mindestens zwei Jahren wurde also nie erreicht. Während die JVA ... unter dem 8. Mai 2013 noch positiv Stellung bezog, berichtete sie in der jüngeren Stellungnahme vom 18. Juli 2014, dass das Vollzugsverhalten des Klägers nicht beanstandungsfrei sei und der Konsum von Tramal belege, dass er weiterhin unter erheblichem Suchtmitteldruck leide. Sozialtherapeutische Maßnahmen zur Bearbeitung der delinquenzfördernden persönlichkeitsimmanenten Problembereiche seien weiterhin indiziert, jedoch wegen der zeitlichen Rahmenbedingungen nicht mehr durchführbar. Sowohl die Gewalt- als auch die Suchtmittelproblematik seien noch nicht ausreichend bearbeitet. Die psychiatrische Abteilung der JVA ... geht unter dem 4. April 2013 davon aus, dass der Kläger in Freiheit wieder Drogen konsumieren werde, woraus eine große Wahrscheinlichkeit für das Wiederauftreten psychotischer Symptome mit daraus resultierenden Gewaltdelikten folge. Aus alledem ergibt sich, dass beim Kläger eine nicht ausreichend behandelte Suchtmittelproblematik und ein hohes Aggressionspotential vorliegt. Daher muss davon ausgegangen werden, dass er auch in Freiheit wieder Drogen konsumieren wird, was eine erhebliche Gefahr der erneuten Begehung von Gewalttaten birgt. Dass - wie der Kläger vorträgt - sein Hemmungsvermögen bei der Tat gegenüber dem Durchschnitt der Personen, die keine psychische Störung i. S. d. § 20 StGB aufweisen, herabgesetzt gewesen sei und er dem Tatanreiz weniger Widerstand habe leisten können, ändert nichts an dieser Beurteilung, da die vorhandene Wiederholungsgefahr ja gerade darin begründet ist, dass der Kläger erneut Drogen nimmt und unter diesem Einfluss Gewaltdelikte begeht.

Ebenso ist es wahrscheinlich, dass der Kläger aufgrund seiner Suchtmittelproblematik weiterhin Betäubungsmitteldelikte begehen wird. Auch wenn seine ehemaligen Komplizinnen nicht mehr zur Verfügung stehen und der damalige Kundenstamm weggebrochen ist, besteht, solange die Suchtmittelproblematik beim Kläger nicht ausreichend behandelt ist, die Gefahr, dass er im Rahmen und zur Finanzierung seiner eigenen Sucht wieder in die Betäubungsmittelkriminalität einsteigt. Der nicht mehr vorhandene Kundenstamm hindert ihn nicht zwangsläufig daran, sich einen neuen aufzubauen. Aufgrund der nicht ausreichend behandelten Drogensucht wird die vom Kläger ausgehende Gefahr auch nicht durch seine Familie gehemmt.

bb) Die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausreise überwiegt und die Ausweisung für die Wahrung des bereits dargestellten Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist.

Es besteht im Fall des Klägers ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift wiegt das Ausweisungsinteresse besonders schwer, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist. Dies ist beim Kläger durch die Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Jahren und 9 Monaten der Fall.

Darüber hinaus besteht auch ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gem. § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG. Danach wiegt das Ausweisungsinteresse besonders schwer, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib und Leben oder mit List begangen worden ist. Dies ist beim Kläger der Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Jahren und 9 Monaten, u. a. wegen Totschlags, der Fall.

Dem steht ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegenüber, da der Kläger eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat.

In der Abwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der Ausreise das Interesse des Klägers am Verbleib im Bundesgebiet. Seine Ausreise ist unerlässlich, um ein Grundinteresse der Gesellschaft zu wahren. § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Dies sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner. Dabei sind die in Absatz 2 aufgezählten Umstände weder abschließend zu verstehen, noch müssen sie nur zugunsten des Ausländers ausfallen. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso (BVerfG, B. v. 10.5.2007 - 2 BvR 304/07 - juris) wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen (VGH B-W, U. v. 13.1.2016, - 11 S 889/15 - juris; OVG NRW, U. v. 10.5.2016 - 18 A 610/14 - juris).

Insbesondere sollen in die Abwägung die Kriterien mit einbezogen werden, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) insoweit zu Art. 8 EMRK entwickelt worden sind: Art und Schwere der Straftat, Dauer des Aufenthalts im Gastland, seit der Tatzeit verstrichene Zeitspanne und Verhalten des Ausländers in dieser Zeit, Staatsangehörigkeit der Betroffenen, familiäre Situation und Dauer einer etwaigen Ehe, etwaige Kenntnis des Ehegatten von der Straftat bei Aufnahme der Beziehung, etwaige aus der Ehe hervorgegangene Kinder, ihr Alter und das Maß an Schwierigkeiten, denen der Ehegatte und/oder die Kinder im Abschiebezielland begegnen können, sowie die Festigkeit der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland und zum Abschiebezielland (BT-Drs 18/4097, S. 49; EGMR, U. v. 12.1.2010 - 47486/06, , in Fortschreibung der Boultif/Üner Kriterien; OVG NRW, U. v. 22.3.2012, - 18 A 951/09 - juris).

Zunächst ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass ausgehend von den festgestellten und in den §§ 54, 55 AufenthG vom Gesetzgeber vertypten Bleibe- und Ausweisungsinteressen ein Gleichklang als jeweils „besonders schwerwiegend“ anzunehmen ist. Gründe, aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles von den vertypten gesetzlichen Wertungen des Ausweisungs- bzw. Bleibeinteresses abzuweichen, bestehen nicht.

Die unter Einstellung sämtlicher berührter Belange vorzunehmende Abwägung ergibt, dass das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers überwiegt. Dabei waren die von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK geschützten Belange auf Achtung des Privat- und Familienlebens entsprechend ihrem Gewicht und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Ihnen muss ein erhebliches Gewicht beigemessen werden. Der Kläger ist faktischer Inländer. Er ist im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen und hat in der JVA eine Berufsausbildung abgeschlossen. Der Kläger hat schützenswerte familiäre Bindungen im Bundesgebiet. Er ist mittlerweile verheiratet und Vater zweier minderjähriger deutscher Kinder. Auch seine Eltern und Geschwister leben in Deutschland.

Dennoch überwiegt angesichts der Schwere und der Art der begangenen Straftaten sowie der bestehenden Wiederholungsgefahr das öffentliche Ausreiseinteresse. Der Schutz der Bevölkerung vor Gewalttaten bis hin zu Tötungsdelikten sowie vor Betäubungsmittelkriminalität stellt ein Grundinteresse der Gesellschaft dar, zu dessen Wahrung die Ausreise des Klägers erforderlich ist. Zwar ist die Ausweisung ein gravierender Eingriff in die familiären Beziehungen des Klägers zu seinen zwei deutschen Kindern, zu seiner Ehefrau sowie zu seinen Eltern und Geschwistern. Der Kläger ist jedoch volljährig und daher nicht mehr in besonderem Maße auf die Unterstützung und Hilfe seiner Eltern angewiesen. Die Eheschließung erfolgte erst nach der Tat, die Anlass für die Ausweisung ist, und damit in Kenntnis derselben. Ihr kann kein entscheidendes Gewicht zukommen, da sie in Kenntnis der unsicheren Aufenthaltsperspektive geschlossen wurde.

Es wird zugunsten des Klägers davon ausgegangen, dass eine familiäre Lebensgemeinschaft des Klägers mit seinen Kindern besteht. Während der Haft und der Zeit im Bezirksklinikum ... haben die Kinder des Klägers ihn regelmäßig besucht. Zu seinen Gunsten wird angenommen, dass sich der Kontakt zu den Kindern nach der Haftentlassung fortgesetzt und sogar intensiviert hat. Sämtliche vorhandenen Stellungnahmen zum Kindeswohl gehen davon aus, dass eine Beziehung zwischen dem Kläger und seinen Kindern bestehe, dass dem Kläger viel an seinen Kindern liege und dass seine Abschiebung derzeit nicht dem Kindeswohl entspreche. Insbesondere das ausführliche Sachverständigengutachten vom ... Dezember 2010 sowie die ergänzende Stellungnahme vom ... Februar 2011 kommen zu dem Ergebnis, dass die Abschiebung des Klägers nicht dem Wohl der Kinder dienlich sei und dass gerade für die Tochter des Klägers erhebliche Belastungen zu befürchten seien. Als Grund hierfür wird genannt, dass beiden Kindern die Auseinandersetzung mit der Tat und der Rolle des Vaters ermöglicht werden solle. Es sei wesentlich, dass sie das tatsächlich Geschehene begriffen und sich damit unter fachlicher Betreuung auseinandersetzten. Bei einer Abschiebung würde der Kläger im Falle eines therapeutischen Prozesses der Kinder nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen können. Beide Kinder hätten inzwischen zu ihrem Vater eine Beziehung aufgebaut. Aus alledem ergibt sich, dass die Abschiebung des Klägers sowohl für seine Kinder als auch für ihn selbst einen tiefgreifenden Eingriff darstellt. Dennoch ist mit Blick auf die erheblichen Straftaten und die vom Kläger ausgehende immense Wiederholungsgefahr für hochrangige Rechtsgüter dessen Abschiebung auch vor dem Hintergrund des Kindeswohls und der familiären Beziehung des Klägers zu seinen Kindern verhältnismäßig. Die vom Kläger begangenen Gewalt- und Betäubungsmitteldelikte sind besonders schwerwiegende Straftaten und dürfen daher in die Abwägung mit dem entsprechenden Gewicht eingestellt werden. Die Schwelle, nach der gem. § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG das Ausweisungsinteresse besonders schwer wiegt, ist beim Kläger um das nahezu Fünffache überschritten. Die Schwelle des § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG ist unter Berücksichtigung der im Urteil des Landgerichts... vom ... Februar 2006 ausgewiesenen Einzelstrafe von 8 Jahren und sechs Monaten für den Totschlag sogar noch deutlicher überschritten.

Bezüglich des Kindeswohls ist zu sehen, dass dem Kläger durch das Amtsgericht ... das Sorgerecht für beide Kinder entzogen worden ist. Seine Kinder sind seit Mai 2005, also seit sie fünf Monate bzw. zwei Jahre alt sind, bei den Großeltern aufgewachsen, so dass diese für die Kinder die ersten und wichtigsten Bezugspersonen darstellen. Laut Gutachten vom ... Dezember 2010, das die Notwendigkeit der Verfügbarkeit des Vaters für eine therapeutische Aufarbeitung des Geschehenen durch die Kinder betont, scheinen beide Kinder des Klägers ihn nicht als Mitglied ihrer Kernfamilie und als Erziehungsperson zu erleben. Hieraus ergibt sich, dass die Anwesenheit des Klägers für die Kinder zwar ideal wäre, dass ihnen durch dessen Abschiebung aber auch nicht ihre engste und vertrauteste Bezugsperson genommen wird. Bezüglich der familiären Beziehungen zwischen dem Kläger und seinen Kindern ist zu berücksichtigen, dass die Eltern des Klägers laut seinen Angaben für das Gutachten vom ... Dezember 2010 etwa jedes Jahr in die Türkei reisen und bisher die Kinder immer mitgenommen haben. Trotz der Abschiebung bleibt dem Kläger also weiterhin die Möglichkeit, seine Kinder im Rahmen von Ferienaufenthalten zu sehen. Außerdem sind die Kinder mit heute zwölf und dreizehn Jahren in einem Alter, in dem auch Telefon- und Briefkontakt möglich ist, so dass die Abschiebung des Klägers zwar eine zeitlich begrenzte räumliche Trennung, aber kein vollständiges Abreißen des Kontakts zu seinen Kindern bedeuten muss. Die Ausweisung ist im Ergebnis also notwendig i. S. d. Art. 8 Abs. 2 EMRK.

Der Status des Klägers als faktischer Inländer macht die Ausweisung nicht unverhältnismäßig. Der Kläger ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, hier bestehen seine wesentlichen sozialen, wirtschaftlichen und familiären Bindungen. Dennoch ist er nicht derart irreversibel in die deutschen Lebensverhältnisse eingefügt, dass ihm ein Leben im Staat seiner Staatsangehörigkeit unzumutbar wäre. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Integration des Klägers im Bundesgebiet ist zu berücksichtigen, dass er über keine gesicherte berufliche Position verfügt. Der Kläger beherrscht die türkische Sprache jedenfalls in ausreichendem Maße. Er hat für vier Jahre eine zweisprachige Klasse besucht und jahrelang bei seinen türkischen Eltern gelebt. Selbst wenn der Vortrag des Klägers, der langjährige Drogenkonsum habe zu einer Gedächtnisstörung und einem weitgehenden Vergessen der türkischen Sprache geführt, zuträfe, ist nicht davon auszugehen, dass er die Sprache vollständig vergessen hat. Vielleicht beherrscht der Kläger die türkische Sprache nicht mehr perfekt, aber doch jedenfalls soweit, dass er sich in der Türkei zurechtzufinden kann. Auch wenn der Kläger nach eigenen Angaben nicht viele Kontakte in die Türkei hat, so hat er dort doch Verwandte, zu denen nach eigenen Angaben Briefkontakt besteht. Es ist dem Kläger zuzumuten, diesen Kontakt ggf. zu intensivieren, um sich ein Leben in der Türkei aufzubauen. Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände erweist sich die Ausweisung und die damit verbundene zeitliche Trennung des Klägers von seiner Familie in Deutschland als verhältnismäßig und damit rechtmäßig.

Nach alledem ist die Ausweisung des Klägers zur Bekämpfung der von ihm ausgehenden hohen Gefahr der Begehung weiterer schwerer Straftaten nicht nur geeignet und erforderlich, sondern auch im engeren Sinne verhältnismäßig und damit unerlässlich.

b) Die Abschiebung aus der Haft heraus (Nr. 2 des Bescheids) beruht auf § 58 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Nr. 1 AufenthG. Die Abschiebungsandrohung (Nr. 4 des Bescheids) ist nicht zu beanstanden. Insbesondere ist eine Frist zur freiwilligen Ausreise von vier Wochen ab Bestandskraft (Nr. 3 des Bescheids) angemessen, vgl. § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.

c) Die Befristungsentscheidung in Nr. 5 des Bescheids ist ebenso rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Ausweisung hat nach § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG zur Folge, dass der Kläger nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf. Ihm wird auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem AufenthG kein Aufenthaltstitel erteilt. Die Befristung dieser Wirkungen, die sich allein nach präventiven Gesichtspunkten bestimmt, ist nach § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei der Bemessung der Länge der Frist sind das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen (vgl. Maor in BeckOK, AuslR, Stand 1.5.2015, § 11 AufenthG Rn. 17). Es bedarf einer Einzelfallprognose, wie lange das Verhalten des Klägers das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die Länge der Frist muss sich aber auch an höherrangigem Recht messen lassen. Die verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK sind zu berücksichtigen, so dass die schutzwürdigen Belange des Klägers und die Folgen der Ausweisung für seine Angehörigen in die Befristungsentscheidung einzubeziehen sind (vgl. zu dem Ganzen BVerwG, U. v. 10.7.2012 a. a. O. Rn. 42 f.; VG München, U. v. 13.2.2014 - M 10 K 13.2626 - juris Rn. 48).

Gemessen an diesen Vorgaben ist eine Frist von sieben Jahren nicht zu beanstanden. Die in § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG genannte Höchstfrist ist vorliegend bedeutungslos, weil der Kläger aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen wurde und außerdem von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht (s.o). Aufgrund des immens hohen Gewichts der gefährdeten Rechtsgüter wäre - ohne Berücksichtigung der familiären und persönlichen Bindungen des Klägers an das Bundesgebiet - auch eine höher bemessene Frist zur Erreichung des Zwecks der Aufenthaltsbeendigung gerechtfertigt. Da sich die Frist aber an den verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Art. 6 GG und Art. 8 EMRK messen lassen muss, ist unter Berücksichtigung der familiären und persönlichen Bindungen des Klägers eine Frist von sieben Jahren nicht zu beanstanden.

3. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,-- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 08. Sept. 2016 - M 12 K 14.3776

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Verwaltungsgericht München Urteil, 08. Sept. 2016 - M 12 K 14.3776 zitiert 34 §§.

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 06. Juni 2016 - 10 C 15.1347

bei uns veröffentlicht am 06.06.2016

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gründe I.Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kläger seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag a

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 13. Mai 2016 - 10 ZB 15.492

bei uns veröffentlicht am 13.05.2016

Tenor I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 10. Februar 2015 wird zugelassen, soweit damit Ziffer 3. des Bescheids vom 1. September 2014 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet wird, die Wirkungen

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 08. März 2016 - 10 B 15.180

bei uns veröffentlicht am 08.03.2016

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsle

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 24. Feb. 2016 - 10 ZB 15.2080

bei uns veröffentlicht am 24.02.2016

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt. Grü

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 11. Juli 2016 - 10 ZB 15.837

bei uns veröffentlicht am 11.07.2016

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 13. Jan. 2016 - 11 S 889/15

bei uns veröffentlicht am 13.01.2016

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2015 - 1 K 102/12 - wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.Die Revision wird zugelassen. Tatbestand   1 Der Kl

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 13. Dez. 2012 - 1 C 20/11

bei uns veröffentlicht am 13.12.2012

Tatbestand 1 Der im Jahr 1981 in Deutschland geborene Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen seine unbefristete Ausweisung.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht München Urteil, 08. Sept. 2016 - M 12 K 14.3776.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 26. März 2019 - 10 ZB 19.129

bei uns veröffentlicht am 26.03.2019

Tenor I. Der Wiederaufnahmeantrag wird verworfen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Wiederaufnahmeverfahrens. III. Der Streitwert für das Wiederaufnahmeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt. Gründe

Referenzen

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 kann unbeschadet des § 2 Absatz 4 und des § 5 Absatz 4 nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit (Artikel 45 Absatz 3, Artikel 52 Absatz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union) festgestellt und die Bescheinigung über das Daueraufenthaltsrecht oder die Aufenthaltskarte oder Daueraufenthaltskarte eingezogen werden. Aus den in Satz 1 genannten Gründen kann auch die Einreise verweigert werden. Die Feststellung aus Gründen der öffentlichen Gesundheit kann nur erfolgen, wenn es sich um Krankheiten mit epidemischem Potenzial im Sinne der einschlägigen Rechtsinstrumente der Weltgesundheitsorganisation und sonstige übertragbare, durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten handelt, sofern gegen diese Krankheiten Maßnahmen im Bundesgebiet getroffen werden. Krankheiten, die nach Ablauf einer Frist von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Einreise auftreten, stellen keinen Grund für eine Feststellung nach Satz 1 dar.

(2) Die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung genügt für sich allein nicht, um die in Absatz 1 genannten Entscheidungen oder Maßnahmen zu begründen. Es dürfen nur im Bundeszentralregister noch nicht getilgte strafrechtliche Verurteilungen und diese nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihnen zu Grunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Es muss eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

(3) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 sind insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen in Deutschland, sein Alter, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration in Deutschland und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

(4) Eine Feststellung nach Absatz 1 darf nach Erwerb des Daueraufenthaltsrechts nur aus schwerwiegenden Gründen getroffen werden.

(5) Eine Feststellung nach Absatz 1 darf bei Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen, die ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, und bei Minderjährigen nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit getroffen werden. Für Minderjährige gilt dies nicht, wenn der Verlust des Aufenthaltsrechts zum Wohl des Kindes notwendig ist. Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit können nur dann vorliegen, wenn der Betroffene wegen einer odermehrervorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betroffen ist oder wenn vom Betroffenen eine terroristische Gefahr ausgeht.

(6) Die Entscheidungen oder Maßnahmen, die den Verlust des Aufenthaltsrechts oder des Daueraufenthaltsrechts betreffen, dürfen nicht zu wirtschaftlichen Zwecken getroffen werden.

(7) Wird der Pass, Personalausweis oder sonstige Passersatz ungültig, so kann dies die Aufenthaltsbeendigung nicht begründen.

(8) Vor der Feststellung nach Absatz 1 soll der Betroffene angehört werden. Die Feststellung bedarf der Schriftform.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kläger seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen seine Ausweisung weiter.

Der 1981 in Deutschland geborene Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, wurde vom Beklagten mit Bescheid vom 31. Juli 2014 ausgewiesen, nachdem ein erster Ausweisungsbescheid vom 5. März 2009 in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 10. Februar 2010 aufgehoben worden war. Anlass für die Ausweisung war seine Verurteilung durch das Landgericht Landshut vom 7. Februar 2006 wegen Totschlags und mehrerer Fälle des Handeltreibens mit und der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Jahren und 9 Monaten. Der Kläger erhob am 27. August 2014 Anfechtungsklage.

Mit Beschluss vom 2. Juni 2015 lehnte das Verwaltungsgericht den gleichzeitig mit der Klageerhebung gestellten Antrag auf Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Bevollmächtigten ab, da keine hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage gegeben seien. Da der Kläger ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 erworben habe, dürfe er nur im Rahmen einer Ermessensentscheidung nach § 55 Abs. 1, § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG und Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 ausgewiesen werden. Es handle sich nicht um eine Rücknahme der Aufhebungsverfügung vom 10. Februar 2010, so dass der ursprüngliche Bescheid vom 5. März 2009 wieder aufleben würde. Der Beklagte habe vielmehr auf der Grundlage früher nicht vorhandener Unterlagen einen neuen Bescheid unter erneuter Beurteilung der Wiederholungsgefahr, erneuter Ermessensausübung und erneuter Prüfung der Verhältnismäßigkeit erlassen, so dass Art. 48 f. BayVwVfG nicht als Grundlage zur Überprüfung des angegriffenen Bescheids heranzuziehen seien.

Vom Kläger gehe eine hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft aus, die auf seinem persönlichen Verhalten beruhe. Er habe seine Ehefrau unter dem Einfluss einer drogenbedingten Enthemmung getötet. Von ihm gehe eine erhebliche Wiederholungsgefahr in Bezug auf Betäubungsmittel- und Gewaltdelikte aus. Nach der psychiatrischen Stellungnahme vom 4. April 2013 bestehe beim Kläger bei der Einnahme von Drogen eine große Wahrscheinlichkeit für das Wiederauftreten psychotischer Symptome mit daraus resultierenden Gewaltdelikten. Er habe bisher keine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen. Nach den Berichten der Justizvollzugsanstalt, zuletzt vom 18. Juli 2014, sei das Vollzugsverhalten des Klägers nicht beanstandungsfrei gewesen; sowohl die Gewalt- als auch die Suchtmittelproblematik seien nicht ausreichend bearbeitet. Die psychiatrische Abteilung der Justizvollzugsanstalt gehe davon aus, dass der Kläger in Freiheit wieder Drogen konsumieren werde. Aus alledem ergebe sich, dass beim Kläger eine nicht ausreichend behandelte Suchtmittelproblematik und hohes Gewaltpotential vorliege.

Die Ermessensausübung des Beklagten sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet sowie sein Status als faktischer Inländer seien angemessen berücksichtigt. Die Ausweisung erweise sich auch unter Berücksichtigung von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK als verhältnismäßig. Sie stelle zwar einen gravierenden Eingriff in die familiären Beziehungen zu seinen zwei deutschen Kindern, zu seiner Verlobten sowie zu seinen Eltern und Geschwistern dar, erweise sich aber dennoch im Hinblick auf die Schwere und die Art der begangenen Straftaten sowie auf die bestehende Wiederholungsgefahr als verhältnismäßig. Bezüglich des Kindeswohls sei zu sehen, dass dem Kläger das Sorgerecht für beide Kinder entzogen worden sei. Die Kinder seien seit Mai 2005, also seit sie fünf Monate bzw. zwei Jahre alt seien, bei den Großeltern aufgewachsen, die für sie die ersten und wichtigsten Bezugspersonen seien. Nach dem Gutachten vom 15. Dezember 2010, das die Notwendigkeit der Verfügbarkeit des Vaters für eine therapeutische Aufarbeitung des Geschehenen (d. h. der Tötung der Mutter durch den Vater) betone, schienen beide Kinder ihn nicht als Mitglied der Kernfamilie und als Erziehungsperson zu erleben. Hieraus ergebe sich, dass die Anwesenheit des Klägers für die Kinder zwar ideal wäre, dass ihnen durch dessen Abschiebung aber auch nicht ihre engste und vertrauteste Bezugsperson genommen werde. Ferner beherrsche der Kläger die türkische Sprache in ausreichendem Maße, und es sei ihm zuzumuten, sich ein Leben in der Türkei aufzubauen.

Hiergegen erhob der Kläger Beschwerde mit dem Antrag,

ihm für die erste Instanz Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihm seine Bevollmächtigte beizuordnen.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, bei der streitgegenständlichen Ausweisungsverfügung handle es sich in Wirklichkeit um eine „Rücknahme der Rücknahme“ der früheren Ausweisungsverfügung, für die aber die rechtlichen Voraussetzungen nicht vorlägen.

Wegen der Einzelheiten wird ergänzend auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.

II. Die zulässige Beschwerde (§ 146 Abs. 1 VwGO) ist unbegründet.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegen nicht vor. Nach dieser Regelung erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Rechtsverfolgung des Klägers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei der Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (vgl. BayVGH, B. v. 11.1.2016 - 10 C 15.724 - juris Rn. 14; B. v. 5.12.2014 - 10 C 13.1035 - juris Rn. 4; B. v. 10.4.2013 - 10 C 12.1757 - juris Rn. 25; B. v. 19.3.2013 - 10 C 13.334, 10 C 1310 C 13.371 - juris Rn. 26 m. w. N.). Die Entscheidungsreife tritt regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO) ein (vgl. BVerwG, B. v. 12.9.2007 - 10 C 39.07 u. a. - juris Rn. 1). Danach ist die Entscheidungsreife hier am 4. Juni 2015 eingetreten, denn an diesem Tag sind die vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen beim Verwaltungsgericht eingegangen. Daran ändert der Umstand nichts, dass das Verwaltungsgericht bereits am 2. Juni 2015 entschieden hat, da es nur auf die mangelnden Erfolgsaussichten abgestellt und die Bedürftigkeit des Klägers nicht geprüft hat. Damit sind für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage aber nicht die §§ 53 ff. AufenthG in der Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386) und des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015 (BGBl I S. 1722), die nach Art. 9 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung und Art. 19 Abs. 2 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes am 1. Januar 2016 in Kraft getreten sind (n. F.), sondern die §§ 53 ff. AufenthG in der vor dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung (a. F.) maßgeblich.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass gegen die Ausweisung voraussichtlich keine rechtlichen Bedenken bestehen.

Es hat insbesondere zu Recht ausgeführt, dass es sich bei dem Erlass der streitgegenständlichen Ausweisungsverfügung vom 31. Juli 2014 nicht um eine Rücknahme der Aufhebungsentscheidung vom 10. Februar 2010 handelte; es war nämlich nie beabsichtigt, die erste Ausweisungsverfügung vom 5. März 2009 wieder aufleben zu lassen. Insofern greift das Vorbringen in der Beschwerdebegründung nicht. Vielmehr hat der Beklagte die Ausweisungsentscheidung vom 5. März 2009 wegen erkannter Defizite (vgl. die Ausführungen in dem Beschluss über die Gewährung von Prozesskostenhilfe vom 1.2.2010 im damaligen Verfahren M 23 K 09.1219) in der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2010 nach der Erörterung der Sach- und Rechtslage aufgehoben und im Anschluss sogleich mit Ermittlungen insbesondere zu den Auswirkungen einer Ausweisung des Klägers auf das Wohl seiner beiden Kinder begonnen. Bei dem Bescheid vom 31. Juli 2014 handelt es sich gegenüber demjenigen vom 5. März 2009 um einen völlig eigenständigen, erneuten Verwaltungsakt mit einer neuen Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen und neuen Ermessenserwägungen.

Der Beklagte war auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes an der erneuten Ausweisung gehindert. Zwar kann ein Verzicht auf eine Ausweisung grundsätzlich zu einem „Verbrauch“ des Ausweisungsgrundes führen, wenn dem betroffenen Ausländer hierdurch Vertrauensschutz vermittelt wird, so dass er sich im Vertrauen darauf in besonderer Weise auf einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet einrichten konnte (BVerwG, U. v. 16.11.1999 - 1 C 11/99 - DVBl 2000, 425 Rn. 20). Im vorliegenden Fall jedoch konnte der Kläger keineswegs darauf vertrauen, dass der Beklagte nach der Aufhebung des ersten Ausweisungsbescheids in der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2010 seine Ausweisung nicht weiter betreiben würde. Es war ihm über seine Bevollmächtigte bekannt (siehe etwa Schreiben des Gutachters vom 13.9.2010; Bl. 382 der Behördenakte), dass die Ausländerbehörde die zu erwartenden Folgen einer Ausweisung bzw. Abschiebung des Klägers auf seine beiden Kinder ermittelte (siehe Art. 24 Abs. 1 BayVwVfG). Auch hat die Ausländerbehörde gegenüber der jetzigen wie auch gegenüber weiteren Bevollmächtigten des Klägers im Telefongespräch bzw. schriftlich festgestellt, dass eine Ausweisung weiterhin geplant sei (siehe etwa Bl. 431, 456, 566 der Behördenakte).

Aber auch unabhängig von dem Vortrag in der Beschwerdebegründung hegt der Senat keine Bedenken an der Einschätzung des Verwaltungsgerichts. Zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife begründete das persönliche Verhalten des Klägers eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft durch eine von ihm ausgehende erhebliche Wiederholungsgefahr in Bezug auf Betäubungsmittel- und Gewaltdelikte. Das Verwaltungsgericht hat dabei zu Recht nicht auf statistische Wahrscheinlichkeiten abgestellt, sondern einzelfallbezogen eine umfassende Würdigung der Persönlichkeit des Klägers vorgenommen. Die Gefahrenprognose wird vor allem gestützt durch die letzten Berichte der Justizvollzugsanstalt vom 8. Mai 2013 (Bl. 532 ff. der Behördenakte; mit der Stellungnahme der Psychiatrischen Abteilung vom 4.4.2013, Bl. 544) und vom 18. Juli 2014 (Bl. 585 der Behördenakte). Hieraus ergibt sich, dass die beim Kläger bestehende starke Suchtmittel- und Gewaltproblematik trotz des langjährigen Aufenthalts im Justizvollzug und in einer Entziehungsanstalt nicht abschließend bearbeitet werden konnte. Laut der Stellungnahme der Psychiatrischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt ist aus psychiatrischer Sicht davon auszugehen, dass der Kläger in Freiheit wieder Drogen konsumieren werde, weshalb eine große Wahrscheinlichkeit für das Wiederauftreten psychotischer Symptome mit daraus resultierenden Gewaltdelikten bestehe. Die zuletzt in der Justizvollzugsanstalt durchgeführten einzeltherapeutischen Sitzungen schätzte der Therapeut als nicht sonderlich effektiv ein; Gründe hierfür seien eine starke Drogenbindung und die ausgeprägte Identitätsbildung im Drogenmilieu. Nach dem Bericht der Justizvollzugsanstalt hatten 2014 mehrere Disziplinarmaßnahmen verhängt werden müssen; diese reihten sich ein in die langjährigen Auffälligkeiten vor der Einweisung in die Entziehungsanstalt.

Auch die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Würdigung der Ermessensentscheidung des Beklagten sowie die Prüfung der Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK begegnet keinen Bedenken. Auf die ausführliche Darstellung in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts (BA S. 33 ff.) wird verwiesen.

Schließlich ist auch nicht zu erkennen, dass aufgrund von nach der Entscheidungsreife für den Antrag auf Prozesskostenhilfe eingetretenen Änderungen der Sach- und Rechtslage sich die Erfolgsaussichten der Klage zugunsten des Klägers geändert hätten.

Zwar sind zur Entscheidung über die Klage nunmehr die §§ 53 ff. AufenthG in der Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386), zuletzt geändert durch das Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 (BGBl I S. 394), heranzuziehen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen nach § 53 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 AufenthG in der jetzigen Fassung entsprechen exakt denjenigen, die nach ständiger Rechtsprechung bereits nach der vorherigen Gesetzesfassung erfüllt sein mussten (hierzu ausführlich BayVGH, B. v. 13.5.2016 - 10 ZB 15.492 - Rn. 13). Ebenso ist nicht erkennbar, dass die nunmehr zu treffende, voll überprüfbare Abwägungsentscheidung zu einem für den Kläger gegenüber der in dem angefochtenen Bescheid getroffenen Ermessensentscheidung günstigeren Ergebnis führen müsste.

Soweit der Kläger sich darauf beruft, dass er am 28. April 2016 seine Verlobte geheiratet habe, führt dies ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage. Bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen kann diesem Umstand kein entscheidendes Gewicht zukommen, da die Ehe im Wissen um die Straftat und die langjährige Haft sowie um die von der Ausländerbehörde (weiterhin) betriebene Ausweisung, also in Kenntnis der unsicheren Aufenthaltsperspektive, geschlossen wurde (vgl. BayVGH, B. v. 3.3.2016 - 10 ZB 14.844 - juris Rn. 18; BayVGH, U. v. 25.8.2014 - 10 B 13.715 - juris Rn. 50).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil die nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) anfallende Gebühr streitwertunabhängig ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 28. Juli 2014 weiter. Mit diesem Bescheid wies die Beklagte den Kläger aus dem Bundesgebiet aus und untersagte die Wiedereinreise für zuletzt fünf Jahre. Den Anlass für die Ausweisung bildeten zwei Verurteilungen des Klägers zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung (Urteil vom 31.1.2011) sowie zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung (Urteil vom 10.2.2014). Der Kläger war aber bereits vor diesen Verurteilungen u. a. mit Körperverletzungsdelikten, die durch richterliche Weisung oder Jugendarrest geahndet wurden, strafrechtlich in Erscheinung getreten.

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen im Zulassungsantrag (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bezüglich der Ausweisungsentscheidung. Die Befristungsregelung ist nicht Gegenstand des Zulassungsvorbringens.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 1814 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch bezüglich der vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellung, dass die Ausweisung des Klägers ermessensfehlerfrei erfolgt und verhältnismäßig im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK sei, nicht der Fall.

Das Erstgericht geht in der Urteilsbegründung davon aus, dass das Verhalten des Klägers nicht nur in der Zusammenschau mit seinen früheren Verurteilungen, sondern auch isoliert bei der letzten Straftat, bei der er einen S-Bahn-Fahrgast mit Schlägen und Tritten auf dem Kopf zusammengeschlagen hatte, eine enorme Gefährlichkeit zeige. Auch bestehe wegen der zahlreichen strafrechtlichen Verfehlungen eine erhebliche Wiederholungsgefahr. Diese werde durch die Tatsache, dass der Kläger zum Tatzeitpunkt der letzten Straftat nach den Feststellungen des Strafgerichts wahrscheinlich deutlich mehr als 2 Promille Blutalkoholkonzentration aufgewiesen habe, nicht relativiert, sondern sogar bekräftigt. Dass der Kläger bei der Begehung eines Teils der Straftaten noch minderjährig gewesen sei, könne vorliegend nicht für ihn sprechen, da sich aus den Akten keinerlei Hinweise auf Reife- oder Entwicklungsverzögerungen ergeben hätten. Bei der der jüngsten Verurteilung zugrunde liegenden Straftat sei der Kläger fast 22 Jahre alt gewesen. Von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr durch die regelmäßige Teilnahme an einem Anti-Gewalttraining sowie die Kontaktierung der Suchtberatung könne nicht die Rede sein. Der Kläger sei in der Justizvollzugsanstalt wegen seiner durchgehend schlechten Arbeitsleistung disziplinarisch geahndet worden. Ihm sei es zuzumuten, in das Land seiner Staatsangehörigkeit auszureisen. Der Kläger habe weder seine Schul- und Berufsausbildung noch seine familiären Bindungen genutzt. Es sei davon auszugehen, dass er jedenfalls rudimentär bosnisch spreche, weil er sich zweimal bei seinem Vater in Bosnien aufgehalten habe, als dieser aus der Bundesrepublik ausgewiesen worden sei. Der Vater sei erstmals im Jahr 1990 nach Deutschland eingereist, so dass zumindest anfangs in der Familie bosnisch gesprochen worden sei. Jedenfalls sei es dem Kläger zuzumuten, seine Sprachkenntnisse wieder aufzufrischen.

Zur Begründung seines Zulassungsantrags bringt der Kläger vor, dass der Verlauf seiner Jugend nicht hinreichend gewürdigt worden sei. Er sei mit 15 Jahren in die Obhut des Jugendamtes gegeben worden, weil sich die Mutter nicht genügend um ihn habe kümmern können. In diesen Zeitraum seien auch die vom ihm in den Jahren 2006 bis 2010 begangenen Straftaten gefallen. Bei ihm hätten durchaus Reife- und Entwicklungsverzögerungen vorgelegen. Alle strafrechtlichen Verurteilungen hätten seine schwere Jugend und die fehlende elterliche Fürsorge und Erziehung berücksichtigt. Trotz der fehlenden Fürsorge von Zuhause habe der Kläger immerhin einen qualifizierenden Hauptschulabschluss und eine abgeschlossene Berufsausbildung erreicht. Es hätte auch gewürdigt werden müssen, dass er bei der letzten Straftat alkoholbedingt enthemmt gewesen sei und mehrjährige Haftstrafen in der Regel dazu führten, dass der Betroffene nach der Verbüßung der Haftstrafe nicht mehr straffällig werde. Auch sei nicht berücksichtigt, dass er inzwischen das Anti-Gewalttraining abgeschlossen habe. Die Folgen einer Rückkehr nach Bosnien seien nicht richtig gewichtet worden, da der Kläger keinen ausreichenden Bezug zu seinem Herkunftsstaat Bosnien habe. Eine Integration in Bosnien erscheine ausgeschlossen.

Mit diesem Vorbringen zieht der Kläger die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils gemessen an den nunmehr maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung (n. F.) im Ergebnis jedoch nicht ernsthaft in Zweifel.

Die Beurteilung, ob ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts. Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ist daher zu berücksichtigen. Die Änderung der Sach- und Rechtslage ist allerdings grundsätzlich nur in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen relevant (Seibert in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2014, § 124a Rn. 57).

Der Senat hat daher das verwaltungsgerichtliche Urteil unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens anhand der gesetzlichen Regelungen über die Ausweisung im Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386) zu überprüfen, das bezüglich der Vorschriften über die Ausweisung am 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist. Seit dieser Rechtsänderung differenziert das Aufenthaltsgesetz nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessensausweisung, sondern verlangt für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang nachprüfbar (Welte, InfAuslR 2015, 426; Cziersky/Reis in Hoffmann, Kommentar zum Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 30; a.A. Marx, ZAR 2015, 245/246). Eine nach altem Recht verfügte (Ermessens-) Ausweisung wird auch nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG n. F. am 1. Januar 2016 nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

Der Senat kommt bezogen auf die im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegenden Tatsachen bei der Prüfung der Ausweisungsentscheidung zu dem Ergebnis, dass diese verhältnismäßig ist, weil das öffentliche Interesse an einer Ausreise das Bleibeinteresse des Klägers überwiegt.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die weitere Anwesenheit des Klägers im Bundesgebiet zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führt. Es besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass aufgrund der zahlreichen Gewaltstraftaten des Klägers und der Brutalität, mit der er vorgegangen ist, die Gefahr besteht, er werde auch weiterhin Straftaten, die sich gegen die körperliche Unversehrtheit anderer richten, begehen. Alleine die Tatsache, dass der Kläger vom 2. Februar 2015 bis 22. Juni 2015 an einem Anti-Gewalttraining teilgenommen hat, lässt diese Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Die im Zulassungsverfahren vorgelegte Teilnahmebestätigung sagt nichts darüber aus, ob der Kläger die Lerninhalte dieses Programms auch verinnerlicht hat und sich mit den eigenen Gewaltstraftaten hinreichend auseinandergesetzt hat. Insbesondere hat sich der noch inhaftierte Kläger noch nicht außerhalb der Justizvollzugsanstalt über einen längeren Zeitraum bewährt und durch gesetzeskonformes Verhalten gezeigt, dass er auch ohne den Druck des Strafvollzugs in der Lage ist, nicht straffällig zu werden. Für die von der Beklagten und dem Erstgericht angenommene Wiederholungsgefahr spricht zudem, dass der Kläger bei der Straftat, wegen der er mit Urteil vom 10. Februar 2014 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt worden ist, alkoholbedingt enthemmt war und er auch bei der Tat, die dem Urteil vom 21. Januar 2013 zugrunde lag, alkoholisiert war. Seine Alkoholproblematik hat der Kläger offensichtlich nicht aufgearbeitet, so dass auch aus diesem Grund zu befürchten ist, er werde auch in Zukunft unter dem Einfluss von Alkohol Straftaten begehen (vgl. zur Wiederholungsgefahr bei Straftaten, die auf einer Suchterkrankung beruhen z. B. BayVGH, B.v. 19.5.2015 - 10 ZB 13.1437 - juris Rn. 13).

Die vom Kläger angeführten etwaigen Reifeverzögerungen lassen die vom Verwaltungsgericht angenommene Wiederholungsgefahr, die sich auf die zahlreichen von ihm seit 2006 begangenen Straftaten stützt, nicht entfallen. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass bei den Straftaten, die der Kläger als Heranwachsender begangen hat, noch gewisse Reifeverzögerungen eine Rolle gespielt haben (vgl. Urteil des Jugendschöffengerichts bei dem Amtsgericht M. vom 20.9.2012, 1034 Ls 461 Js 14658/12 jug). Bei den danach folgenden, gravierenden Straftaten wurden jedoch Reifeverzögerungen seitens des Strafgerichts nicht mehr festgestellt und auch bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt. Insoweit hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass die letzte Straftat, die zur Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten führte, begangen wurde, als der Kläger schon 22 Jahre alt war.

Auch die Tatsache, dass der Kläger erstmals eine mehrjährige Haftstrafe verbüßt, und sein Vorbringen, seine schwere Jugend hätte bei der Beurteilung, ob von ihm nach wie vor eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgehe, berücksichtigt werden müssen, sprechen nicht gegen das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr. Zwar gehen die Straf- und Verwaltungsgerichte davon aus, dass die erstmalige Verbüßung einer Haftstrafe, insbesondere als erste massive Einwirkung auf einen jungen Menschen, unter Umständen seine Reifung fördern und die Gefahr eines neuen Straffälligwerdens mindern kann (BayVGH, U.v. 20.3.2008 - 10 BV 07.1856 - juris Rn. 23 m. w. N.). Es sind beim Kläger aber keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ihn die Verbüßung der Freiheitsstrafe nachhaltig beeindruckt, er sich mit seiner kriminellen Vergangenheit auseinandersetzt und es zu einem nachhaltigen Einstellungswandel gekommen ist. Ein positiver Einfluss der Strafhaft auf die Persönlichkeitsentwicklung wird dem Kläger nicht attestiert. In der Stellungnahme vom 21. April 2015 spricht die Justizvollzugsanstalt Niederschönenfeld nur davon, dass die Führung im Großen und Ganzen ohne Beanstandungen sei, der Kläger allerdings wegen seiner schlechten Arbeitsleistung disziplinarisch geahndet worden sei. Zu Recht weist die Beklagte auch darauf hin, dass sich der Kläger nicht erstmals in Haft befindet, sondern bereits in Untersuchungshaft saß und drei Arreststrafen vollzogen wurden.

Nicht deutlich wird aus dem Zulassungsvorbringen, inwiefern die schwere Jugend des Klägers Einfluss auf das Entfallen einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch den Kläger haben sollte. Selbst wenn - wie der Kläger vorträgt -seine Straffälligkeit in Zusammenhang mit der fehlenden elterlichen Fürsorge stehen sollte, liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er die angeführten Erziehungsdefizite in seiner Jugend jetzt im Erwachsenenalter aufarbeitet.

Die Ausweisung stellt sich auch unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens bei Abwägung des öffentlichen Interesses an der Ausreise des Klägers mit seinem Interesse am weiteren Verbleib im Bundesgebiet als verhältnismäßig dar. Durch die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten liegt ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Dem steht zwar ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG wegen der Niederlassungserlaubnis entgegen. Die im Rahmen des § 53 Abs. 2 AufenthG zusätzlich bei der Abwägung zu berücksichtigen Kriterien führen jedoch zum Überwiegen des Ausreiseinteresses. Zwar ist es dem Kläger gelungen, einen Schulabschluss zu erreichen und eine Berufsausbildung zu beenden, jedoch ist er bereits während der Schulzeit strafrechtlich in Erscheinung getreten. Die eingeleiteten jugendpsychiatrischen Maßnahmen sowie die ambulante Erziehungshilfe konnten nicht verhindern, dass der Kläger weiterhin Straftaten begangen hat, die sich in ihrer Intensität steigerten. Neben den Weisungen und Jugendarresten fällt hier insbesondere die Verurteilung zu einer Jugendstrafe zu einem Jahr und vier Monaten ins Gewicht, die zunächst zur Bewährung ausgesetzt wurde (Urteil vom 31.1.2011), so dass der Tatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt ist (Bauer in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 54 Rn. 10). Die Aussetzung zur Bewährung wurde aber wegen der anhaltenden Delinquenz des Klägers widerrufen. Eine gelungene Integration liegt somit trotz der Geburt im Bundesgebiet nicht vor. Die Ausweisung des Klägers stellt zweifellos einen Eingriff in sein Privatleben dar, weil er nur noch unter erschwerten Bedingungen den Kontakt zu seiner Familie, die ihn auch regelmäßig in der Justizvollzugsanstalt besucht hat, aufrechterhalten kann. Allerdings stellt sich dieser Eingriff nicht als besonders gravierend dar, da der Kläger bereits 24 Jahre alt ist, er daher auf den Beistand seiner Familie im Sinne einer Lebenshilfe nicht angewiesen ist und der Kontakt auch anderweitig aufrechterhalten werden kann. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass der Kläger im Bundesgebiet geboren ist, Bosnien nur von wenigen Ferien- bzw. Besuchsaufenthalten kennt und die bosnische Sprache nur rudimentär spricht. Es entspricht aber ständiger Rechtsprechung, dass auch eine von Art. 8 EMRK geschützte Verwurzelung des Ausländers im Bundesgebiet eine Aufenthaltsbeendigung nicht generell ausschließt, sondern lediglich im Rahmen einer einzelfallbezogenen Würdigung der gegenläufigen Interessen ausreichend berücksichtigt werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 14.7.2015 - 10 ZB 13.1881 - juris Rn. 8 m. w. N.). Zwar wiegt in Fällen einer tiefgreifenden Verwurzelung das Interesse des Ausländers am Verbleib im Bundesgebiet schwer, jedoch ist seine Ausweisung gleichwohl nicht unangemessen, wenn er hochrangige Rechtsgüter gravierend verletzt hat und weiterhin eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr von ihm ausgeht. Das Verwaltungsgericht hat im Rahmen seiner Abwägungsentscheidung bezüglich der Sprachkenntnisse und der Beziehung des Klägers zu dem Land seiner Staatsangehörigkeit darauf abgestellt, dass ihm in seinem Alter das weitere Erlernen der Landessprache und eine Integration in die dortigen Lebensverhältnisse zumutbar sei, so dass das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung das Interesse des Klägers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt. Angesichts der vom ihm nach wie vor ausgehenden Gefahr, dass er auch nach seiner Haftentlassung unter Alkoholeinfluss wieder gravierende Körperverletzungsdelikte begehen wird, begegnet die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch insoweit keinen rechtlichen Bedenken (vgl. BayVGH, B.v. 5.8.2015 - 10 ZB 15.1056 - juris Rn. 11 m. w. N.).

Der Antrag auf Zulassung der Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Tenor

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 10. Februar 2015 wird zugelassen, soweit damit Ziffer 3. des Bescheids vom 1. September 2014 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet wird, die Wirkungen der Ausweisung auf eineinhalb Jahre zu befristen (Zi. I. Satz 1 u. 2 des Urteils).

II.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

III.

Der Kläger trägt die Kosten seines Zulassungsverfahrens.

IV.

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 10. Februar 2015 wird der Streitwert für das Verfahren erster Instanz auf 10.000 Euro festgesetzt. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren des Klägers wird auf 5000 Euro, der Streitwert für das Berufungsverfahren vorläufig auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung (II.) verfolgt der Kläger seine in erster Instanz mit dem Hauptbegehren erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 1. September 2014 weiter, mit dem er unter Anordnung seiner Abschiebung aus der Haft bzw. Androhung der Abschiebung aus dem Bundesgebiet ausgewiesen wurde (Nr. 1 und 2). Die Wirkungen der Ausweisung wurden auf fünf Jahre ab Ausreise befristet (Nr. 3 Satz 1); die Befristung wurde unter dem Vorbehalt des mit mehreren Maßgaben verbundenen Nachweises dauernder Drogenfreiheit verfügt (Nr. 3 Satz 2).

Die Beklagte beantragt demgegenüber, die Berufung zuzulassen (I.), soweit mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 10. Februar 2015 die Nummer 3. des Bescheids aufgehoben und die Wirkungen der Ausweisung auf eineinhalb Jahre ab Ausreise befristet wurden (I.).

I. Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat Erfolg, weil an der Richtigkeit des Urteils insoweit ernstliche Zweifel bestehen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), als das Verwaltungsgericht die Frist für das mit der Ausweisung einhergehende Einreise- und Aufenthaltsverbot von fünf Jahren ab Ausreise auf eineinhalb Jahre herabgesetzt und darüber hinaus die getroffenen Nebenbestimmungen aufgehoben hat.

Die Ausführungen im angefochtenen Urteil, wonach als Orientierung für die Fristlänge die Höhe der zuletzt verhängten Freiheitsstrafe des Klägers dienen könne, steht nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach bei der Bemessung der Frist im Rahmen des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG (in der bis 31.7.2015 geltenden Fassung) in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen sind und es danach einer prognostischen Einschätzung bedürfe, wie lange das Verhalten des Klägers, das der aus spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liege, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermöge (vgl. BVerwG, U. v. 14.5.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 32; U. v. 25.3.2015 - 1 B 18.14 - juris Rn. 27; BayVGH, B. v. 19.5.2015 - 10 ZB 14.2019 - juris Rn. 5; B. v. 17.12.2015 - 10 ZB 15.1394 - juris). Zudem ist nach der im vorliegenden Fall maßgeblichen, zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Änderung des § 11 AufenthG über die Länge der Frist nunmehr nach Ermessen zu entscheiden (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG; a.A. VGH BW, U. v. 9.12.2015 - 11 S 1857/15 - InfAuslR 2016, 138 im Hinblick auf die systemkonform nur im Rahmen einer gebundenen Entscheidung sicherzustellende Verhältnismäßigkeit der Befristung - Revision zugelassen), während noch im angefochtenen Urteil von einer in vollem Umfang gerichtlich überprüfbaren Dauer der Befristung ausgegangen wurde (UA, S. 12, Rn. 33). Es ist auch nicht offensichtlich, dass sich die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Festsetzung der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf eineinhalb Jahre aus anderen Gründen als rechtmäßig erweisen könnte. Ernstliche Zweifel an der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zur Rechtswidrigkeit (auch) der Bedingung ergeben sich außerdem aus der zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Erweiterung des § 11 AufenthG um Absatz 2 Satz 5, der ausdrücklich die Beifügung einer Bedingung (i. S. v. Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG) zur Befristung ermöglicht und hierfür beispielhaft eine „nachweisliche Straf- oder Drogenfreiheit“ benennt.

Die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im Hinblick auf die Aufhebung der Bedingung wegen der von der Beklagten geltend gemachten Abweichung des angefochtenen Urteils vom im Prozesskostenhilfeverfahren ergangenen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofsvom 21. November 2013 (19 C 13.1206) kommt schon deshalb mangels Entscheidungserheblichkeit nicht in Betracht, weil über den gerügten divergierenden Rechtssatz infolge der inzwischen eingetretenen Rechtsänderung (§ 11 Abs. 2 Satz 5 AufenthG) nicht mehr zu befinden wäre.

II. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen im Zulassungsantrag (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne dieser Bestimmung bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch nicht der Fall.

1. Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung des Klägers nach umfassender Ausübung des Ermessens für rechtmäßig erachtet. Es hat auf der Grundlage der §§ 53 ff. AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung (a. F.) das Vorliegen eines zwingenden Ausweisungsgrundes nach § 53 Nr. 1 AufenthG a. F. im Hinblick auf die beiden rechtskräftigen Verurteilungen des Klägers durch die Urteile des Amtsgerichts Augsburg vom 29. September 2011 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr drei Monaten (wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und Körperverletzung) und vom 21. November 2012 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren (wegen unerlaubten Besitzes von und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln) bejaht. Wegen des besonderen Ausweisungsschutzes nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AufenthG a. F. komme nur eine auf spezialpräventiven Gründen beruhende Ermessensentscheidung über die Ausweisung in Betracht. Sie sei rechtmäßig, weil auch in Zukunft vom Kläger eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch erneute Straftaten im Betäubungsmittelbereich (insbesondere Handeltreiben mit Heroin) drohe, so dass von ihm gegenwärtig eine Gefahr für hochrangige Schutzgüter ausgehe. Sämtlichen Straftaten lägen die nach wie vor nicht therapierte Drogensucht des nun fast 40-jährigen Klägers zugrunde. Angesichts vier erfolgloser stationärer Drogentherapien müsse davon ausgegangen werden, dass er auch in Zukunft nicht drogen- und straffrei leben könne. Die Ausweisung sei auch unter Betrachtung sämtlicher biografischen Umstände unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht unverhältnismäßig. Auch der positive Verlauf der seit August 2014 andauernden Drogentherapie, deren Abschluss von zentraler Bedeutung für die Gefahrenprognose sei, lasse angesichts der bisherigen Rückfallhäufigkeit und -geschwin-digkeit noch keine positiven Schlussfolgerungen zu.

Dagegen bringt der Kläger im Zulassungsverfahren vor, die Gefahrenprognose sei unzutreffend, seine Integrationsleistungen nicht ausreichend gewürdigt und seine Eigenschaft als faktischer Inländer nicht richtig gewichtet worden. Er habe von 2005 bis 2009 ein drogenfreies bürgerliches Leben geführt, woran er nun nach mehr als dreijähriger Inhaftierung, während der er keinen Drogenrückfall gehabt habe, wieder anknüpfen wolle. Er empfinde einen erheblichen Widerwillen gegen Drogen und sei während dieser langen Haftstrafe gereift; bisher habe er nur einmal Anfang der 2000er Jahre etwa eineinhalb Jahre im Gefängnis verbracht. Seine erste Therapie habe er im Jahr 2000 nach wenigen Tagen, die zweite 2003 nach etwa fünf Monaten abgebrochen, während die dritte und vierte Therapie erfolgreich gewesen seien. Allerdings habe er anlässlich „persönlicher Niederlagen“ wieder einen Rückfall erlitten. Die letzte Verurteilung zu einer zweijährigen Haftstrafe beruhe auf einem auf Anraten seines Strafverteidigers abgegebenen falschen Geständnis, als er im Glauben, eine niedrigere Haftstrafe zu erhalten, angegeben habe, von den aufgefundenen 34,4 g Heroin habe er die Hälfte weiterverkaufen wollen, obwohl die gesamte Menge zum Eigenverbrauch gedacht gewesen sei. Schließlich sei zu rügen, dass die Ausländerbehörde der Beklagten die maßgeblichen Strafakten des Klägers nicht beigezogen habe. Ergänzend verweist der Kläger darauf, dass die unzureichende Berücksichtigung der Integrationsleistungen des Klägers bei der Ermessensausübung auch bei die Anwendung des ab 1. Januar 2016 geltenden Ausweisungsrechts zur Rechtswidrigkeit der Ausweisung führen müssten.

2. Mit diesem Vorbringen wird aber die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger dürfe grundsätzlich wegen des Vorliegens schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden, gemessen an den nunmehr maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386), zuletzt geändert durch das am 17. März 2016 in Kraft getretene Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 (BGBl I S. 394), im Ergebnis nicht ernsthaft in Zweifel gezogen.

2.1 Die Beurteilung, ob ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsge-richts. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist daher nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12), also hier der Entscheidung über den Zulassungsantrag. Rechtsänderungen während des Zulassungsverfahrens sind zu beachten; allerdings sind Änderungen der Sach- und Rechtslage grundsätzlich nur in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen relevant (Seibert in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2014, § 124a Rn. 57; vgl. a. BVerwG, B. v. 15.12.2003 - 7 AV 2.03 - NVwZ 2004, 744; BayVGH, B. v. 16.3.2016 - 10 ZB 15.2109 - juris).

2.2 Der Senat hat daher die streitbefangene Ausweisungsverfügung (und das diese als rechtmäßig bestätigende verwaltungsgerichtliche Urteil) unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens mangels entgegenstehender Übergangsregelung anhand der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 17. März 2016 gültigen Fassung des Aufenthaltsgesetzes zu überprüfen. Seit dem ab 1. Januar 2016 geltenden Rechtszustand differenziert das Aufenthaltsgesetz nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessensausweisung, sondern verlangt für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang nachprüfbar (Welte, InfAuslR 2015, 426; Cziersky-Reis in Hoffmann, Kommentar zum Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 30; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 11. Aufl. 2016, Vorb §§ 53 - 56 Rn. 13 und § 53 Rn. 5 ff.; a.A. Marx, ZAR 2015, 245/246). Eine nach altem Recht nach Ausübung von Ermessen verfügte Ausweisung wird nicht infolge des Inkrafttretens der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung am 1. Januar 2016 rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG (als Grundtatbestand; vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.) der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (BayVGH, B. v. 24.2.2016 - 10 ZB 15.2080 - juris Rn. 8).

2.3 Steht dem Ausländer - wie hier dem Kläger als türkischem Staatsangehörigen - ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu, sind an die Qualität der erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhöhte Anforderungen zu stellen, denn er darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und wenn die Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Damit gibt die Neufassung von § 53 Abs. 3 AufenthG exakt die Voraussetzungen wieder, die nach ständiger Rechtsprechung (z. B. EuGH, U. v. 8.12.2011 -Rs. C - 371/08 Ziebell -, juris Rn. 80; BayVGH‚ U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris) für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen erfüllt sein mussten.

Weil dem Kläger ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 zustand, kommt er grundsätzlich in den Genuss der ihn gegenüber anderen Drittstaaten privilegierenden Vorschriften des Assoziationsratsbeschlusses, also auch des in Art. 13 ARB 1/80 enthaltenen Verschlechterungsverbots (sog. Stillhalteklausel). Danach dürfen die Mitgliedstaaten keine neuen innerstaatlichen Maßnahmen einführen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen unterworfen wird als denjenigen, die bei Inkrafttreten der Bestimmung am 1. Dezember 1980 in dem Mitgliedstaat galten (vgl. BVerwG, U. v. 28.4.2015 - 1 C 21. 14 - InfAuslR 2015, 327). Allerdings bestehen auch mit Blick auf diese Bestimmung keine Bedenken gegen die Anwendung der ab 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsvorschriften auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige. Geht man davon aus, dass Art. 13 ARB 1/80 auch im Zusammenhang mit der Änderung nationaler Ausweisungsvorschriften Gültigkeit beansprucht, obwohl diese keinen unmittelbaren Bezug zur Regelung des Arbeitsmarktzugangs aufweisen (vgl. hierzu Hailbronner, AuslR, Stand: Januar 2016, D 5.2, Art. 13 Rn. 10 f.), geht mit der Einführung des zum 1. Januar 2016 anwendbaren Ausweisungsrechts keine grundsätzliche Verschlechterung der Rechtsposition eines unter dem Schutz von Art. 14 ARB 1/80 stehenden türkischen Staatsangehörigen einher. Denn er kann auch künftig ausschließlich aus spezialpräventiven Gründen und nur dann ausgewiesen werden, wenn sein Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt (vgl. § 53 Abs. 3 AufenthG); außerdem ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, wie sich aus § 53 Abs. 3 letzter Halbsatz AufenthG und dem System von § 53 Abs. 2, §§ 54, 55 AufenthG ergibt. Dabei sind unter Abwägung der gegenläufigen Interessen alle Umstände und Besonderheiten des konkreten Einzelfalls einzustellen (Bauer in Bergmann/Dienelt, 11. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 56 f.; bisher schon: BVerwG, U. v. 2.9.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3), so dass sich die materiellen Anforderungen, unter denen ein assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger ausgewiesen werden darf, nicht zu seinen Lasten geändert haben. Dass nach dem neuen Recht eine Ausweisung nach Betätigung des ausländerbehördlichen Ermessens nicht mehr in Betracht kommt, ist für einen betroffenen Ausländer nicht ungünstiger (Bauer in Bergmann/Dienelt, a. a. O., Rn. 59; a.A. Cziersky-Reis in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 42), denn es lässt sich schon nicht feststellen, dass es in der Vergangenheit tatsächlich Fälle gab, in denen die Ausländerbehörde von einer eigentlich möglichen Ausweisung aus Ermessensgründen Abstand genommen hat. Im Übrigen ermöglicht das neue Ausweisungsrecht eine volle gerichtliche Kontrolle der Ausweisungsentscheidung, so dass jedenfalls in der Gesamtschau eine Verschlechterung der Rechtspositionen eines durch Art. 13, 14 ARB 1/80 geschützten türkischen Staatsangehörigen nicht feststellbar ist (vgl. BayVGH, U. v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 28).

2.4 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m. w. N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (st. Rspr.; vgl. z. B. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34; BVerwG, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - Rn. 18).

3. Gemessen an diesen Grundsätzen lassen die vom Kläger zu seinen Gunsten geltend gemachten Umstände, insbesondere seine beanstandungsfreie und grundsätzlich positiv zu bewertende Entwicklung während der Strafhaft und die Tatsache der erstmaligen Verbüßung einer langen Haftstrafe, die vom Verwaltungsgericht angenommene Wiederholungsgefahr nicht als ernstlich zweifelhaft erscheinen; vielmehr muss nach dem Verhalten des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, dass von ihm auch künftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, ausgeht und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (§ 53 Abs. 1, 3 AufenthG). Seine diesbezüglichen Einwendungen im Zulassungsvorbringen vermögen keine ernstlichen Zweifel an der vom Verwaltungsgericht nachvollzogenen Gefahrenprognose des Beklagten hervorzurufen.

Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BayVGH‚ B. v. 26.11.2015 - 10 ZB 14.1800 - ; B. v. 18.7.2014 - 10 ZB 13.2440 - juris; B. v. 14.11.2012 -10 ZB 12.1172 - jeweils juris) kann von einem Fortfall der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden‚ solange der Kläger seine (letzte) Drogentherapie nicht erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende nicht glaubhaft gemacht hat. Hiervon kann im für die maßgeblichen Umstände grundsätzlich relevanten Zeitpunkt des Ablaufs der Begründungsfrist für die Zulassung der Berufung (17. April 2015) nicht ausgegangen werden; auch zum Zeitpunkt des vorliegenden Beschlusses sind keine neuen Erkenntnisse, die die Aussicht auf ein dauerhaft drogenfreies Leben des Klägers begründen könnten, bekannt geworden, zumal die vom Bevollmächtigten angekündigte Bestätigung der Therapieeinrichtung (vgl. Schriftsatz vom 9.4.2015, S. 8) nicht nachgereicht wurde. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet‚ dass der Kläger bereits im Alter von 14 Jahren begonnen hat, illegale Betäubungsmittel - seit dem 16. Lebensjahr auch Heroin - zu konsumieren. Die mit seiner Drogensucht einhergehende Kriminalität hat sich nicht nur auf den Erwerb und den Besitz von Betäubungsmitteln sowie das Handeltreiben bezogen, sondern bestand wiederholt in Körperverletzungsdelikten. Auch wenn man den nun fast 40-jährigen Kläger als therapiewillig und -einsichtig ansehen wollte, ist damit ein in die Zukunft gerichteter anhaltender Erfolg der letzten Therapiebemühungen in keiner Weise wahrscheinlicher geworden, wenn man bedenkt, dass er neben zahlreichen stationären Entgiftungen schon vier erfolglose Therapien hinter sich gebracht hat. Selbst wenn man die beiden in den Jahren 2002 und 2003 bereits nach kurzer Zeit abgebrochenen Therapien ausblendet, lebte er in den Zeiträumen nach den am 30. November 2005 bzw. 14. Juni 2010 abgeschlossenen Therapien für höchstens drei Jahre bzw. ein Jahr ohne Drogen. Der Vortrag, er habe ja immerhin von 2005 bis 2009 ein drogenfreies bürgerliches Leben geführt, ist zum einen unrichtig, denn der Verurteilung durch das Amtsgericht Augsburg zu einer Bewährungsstrafe mit Urteil vom 29. September 2011 lag eine bereits am 17. August 2008 begangene Gewaltstraftat zugrunde, bei der die Steuerungsfähigkeit des Klägers ausweislich der strafrichterlichen Feststellungen durch vorangegangenen Drogen- und Alkoholkonsum in erheblichem Umfang gemindert war; insbesondere aber beweisen beide Rückfalle, dass von einer dauerhaften Drogenabstinenz noch nicht ausgegangen werden kann. Hieran ändern auch nichts die für die Rückfälle gegebenen Begründungen des Klägers (aussichtslos erscheinende Lebenssituation nach Verlust des Arbeitsplatzes bzw. Trennung von der Freundin). Weil derartige Situationen auch in Zukunft wieder eintreten können, erscheint ein neuerlicher Rückfall in der entsprechenden Situation sehr wahrscheinlich. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger die längste Haftstrafe (mehr als drei Jahre) seines bisherigen Lebens verbüßt, dabei seine Therapiewilligkeit und -fähigkeit unter Beweis gestellt und keinen Drogenrückfall erlitten hat.

Auch die die bislang nicht geglückte dauerhafte Integration des Klägers, der keine abgeschlossene Ausbildung aufweist, in die Berufswelt spricht ungeachtet der ihm vorliegenden Arbeitsangebote dafür, dass er doch wieder zu Drogen greifen könnte, sollten sich etwa im Rahmen einer Erwerbstätigkeit problematische Situationen ergeben. Vor dem dargestellten Hintergrund sieht der Senat eine nach wie vor vom Kläger ausgehende ernsthafte Gefahr für bedeutsame Schutzgüter durch die Begehung schwerwiegender, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührender Straftaten, zu dessen Wahrung die Ausweisung unerlässlich ist (§ 53 Abs. 1, 3 AufenthG).

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat auch unter Hinweis auf die Eigenschaft des Klägers als faktischer Inländer, dessen Integrationsleistungen nicht ausreichend gewürdigt worden seien, keinen Erfolg. Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet anhand sämtlicher Umstände des Einzelfalls ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (vgl. § 53 Abs. 2, § 54 Abs. 1 Nr. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG).

Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresses (i. S. v. § 53 Abs. 1 AufenthG) ergibt sich aus der rechtskräftigen Verurteilung des Klägers durch das Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 21. November 2012 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Allerdings besteht demgegenüber auch ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, weil der Kläger eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Liegen nach der durch die §§ 54, 55 AufenthG vorgegebenen typisierenden Betrachtung besonders schwerwiegende Gründe vor, die sowohl für die Ausreise des Klägers aus dem Bundesgebiet als auch für seinen weiteren Verbleib sprechen, fällt die in jedem Fall auch im Rahmen des § 53 AufenthG vorzunehmende umfassende Abwägung der gegenläufigen Interessen (§ 53 Abs. 1, 2 AufenthG; vgl. BayVGH, U. v. 8.3.2016 - 10 ZB 15.180 - juris) hier zu seinen Ungunsten aus.

Bei der Abwägungsentscheidung sind sämtliche nach den Umständen des Einzelfalls maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, in erster Linie die Dauer des Aufenthalts, die Bindungen persönlicher, wirtschaftlicher und sonstiger Art im Bundesgebiet und im Land der Staatsangehörigkeit sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige. Danach hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger zwar als faktischer Inländer seine wesentliche Prägung und Entwicklung in Deutschland erfahren hat und seit langem ein Daueraufenthaltsrecht im Bundesgebiet besitzt, wo auch seine nächsten Familienangehörigen - seine Mutter und Schwester, während der Vater 2010 verstorben ist - leben, wenn er auch keine Ehe führt oder Kinder hat. Demgegenüber sind jedoch zulasten des Klägers seine jahrzehntelang andauernde Straffälligkeit (vgl. im einzelnen: Strafurteil des AG Augsburg v. 21.11.2012, S. 3 bis 11), die nur vor dem Hintergrund einer zwar immer wieder bekämpften, aber letztlich nicht erfolgreich überwundenen Drogenabhängigkeit zu verstehen und zu würdigen ist. Drogenfreiheit während der Inhaftierung oder laufender Therapiemaßnahmen lässt angesichts der langjährigen Abhängigkeit ebenso wenig Rückschlüsse auf ein drogenfreie Zukunft außerhalb eines „überwachten“ Lebens zu wie der insoweit behauptete positive Wille. Zu beachten ist auch, dass der Kläger große Lücken in seiner Erwerbsbiographie aufweist, so dass von einer nachhaltigen Eingliederung in den Arbeitsmarkt trotz erfolgversprechender Ansätze nicht ausgegangen werden kann. Es ist weiter nicht ersichtlich, dass er kein Auskommen in der Türkei finden wird, auch wenn gewisse Anfangsschwierigkeiten nicht in Abrede gestellt werden können. Der Senat geht jedenfalls nicht davon aus, dass der Kläger - wie er vorträgt - „in der Türkei weder wirtschaftlich noch sozial noch emotional Fuß fassen könnte“, zumal er dort offenbar bereits 1999/2000 sechs Monate mit dem Ziel zugebracht hat, seine Drogensucht zu überwinden. Ohne Belang im Rahmen der abzuwägenden Umstände bleibt der von ihm geltend gemachte Umstand, die letzte strafrechtliche Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln beruhe auf einem unrichtigen Geständnis; zum einen ist nämlich das entsprechende Strafurteil rechtskräftig geworden, zum anderen vermag auch die Annahme, die gesamte aufgefundene Menge an Heroin sei ausschließlich zum Eigenverbrauch und nicht zur Hälfte zum Weiterverkauf gedacht gewesen, zu keiner entscheidenden Änderung der Gesamtwürdigung der maßgeblichen Umstände zu führen.

Die Kostenentscheidung für den Zulassungsantrag des Klägers beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Kostenentscheidung für das Zulassungsverfahren der Beklagten bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1 und 3, § 39 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Satz 2 sowie § 52 Abs. 2 GKG. Das Verwaltungsgericht hat auch über den vom Kläger hilfsweise gestellten, nach § 88 VwGO ermittelten Klageantrag, der auf Aufhebung der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gerichtet war, soweit mit ihr eine längere Frist als angemessen festgesetzt wurde, entschieden (vgl. BayVGH B. v. 8.10.2014 - 10 ZB 12.2742 - juris Rn. 59). Somit war der Wert des hilfsweise geltend gemachten Streitgegenstandes nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG hinzuzurechnen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf die Ausweisung und die Regelungen zur Abschiebung (Nr. 1 und 2 des

angefochtenen Bescheids) und im Hinblick auf den Ausschluss einer eineinhalb Jahre noch unterschreitenden Länge der Befristung (Nr. 3) rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Belehrung

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Wegen der Verpflichtung, sich im Berufungsverfahren vertreten zu lassen, wird auf die einschlägigen, jeweils geltenden Vorschriften Bezug genommen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

Hinsichtlich der im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung kann auf die Begründung des Zulassungsantrags Bezug genommen werden.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit der Klage gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.

Der am 24. Dezember 1983 im Bundegebiet geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Sein Vater lebt mit seinen zwei Geschwistern‚ der Stiefmutter und drei Stiefgeschwistern in G.; seine Mutter ist 2006 verstorben. Der Kläger‚ der seit 19. Januar 2000 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (jetzt: Niederlassungserlaubnis) ist‚ besitzt einen Hauptschulabschluss, hat jedoch keine Berufsausbildung abgeschlossen. In den Jahren zwischen 2001 und 2010 arbeitete er bei verschiedenen Unternehmen mit Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit.

Im Bundesgebiet ist er strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:

1. Vorsätzlicher unerlaubter Besitz in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Führen und vorsätzlicher unerlaubter Einfuhr einer Schusswaffe (24.8.2000): von der Verfolgung abgesehen, § 45 Abs. 2 JGG

2. Vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei Fällen (14.12.2003): Amtsgericht Dillingen vom 16.2.2004 - Verurteilung zu 70 Tagessätzen Geldstrafe und Sperre für die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis

3. Vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs (14.4.2005): Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 29.11.2005 - fünf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und Sperre für die Fahrerlaubnis

4. Sechs sachlich zusammentreffende Vergehen des vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (29.10.2004): Amtsgericht Dillingen vom 11.1.2006 - Verwarnung und Auflage von Arbeitsleistungen

5. Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis (27.8.2005): Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 2.5.2006 unter Einbeziehung des Urteils vom 29.11.2005 (s. 3.) - Freiheitsstrafe von sechs Monaten zwei Wochen auf Bewährung und Sperre für die Fahrerlaubnis

6. Nachstellung in Tateinheit mit Nötigung‚ Hausfriedensbruch‚ Beleidigung‚ versuchter Nötigung in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung‚ Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung in Tatmehrheit mit Beleidigung (3.9.2009): Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 4.5.2010 - Freiheitsstrafe ein Jahr zehn Monate‚ Strafrest zur Bewährung ausgesetzt bis 27. August 2017

7. Nachstellung in zwei tateinheitlichen Fällen mit schwerer Nachstellung‚ gefährlicher Körperverletzung‚ Bedrohung‚ vorsätzlicher Körperverletzung und Nötigung sowie Beleidigung (25.4.2010): Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 2.3.2011 - Freiheitsstrafe von zwei Jahren zwei Monaten‚ Strafvollstreckung erledigt am 3. Juli 2013

Das Landratsamt belehrte den Kläger am 17. Dezember 2007 wegen der von ihm begangenen Straftaten im Hinblick auf eine mögliche Ausweisung. Den Straftaten (Nr. 6 und 7)‚ aus denen Verurteilungen zu Freiheitsstrafen ohne Aussetzung zur Bewährung resultierten‚ lag die vom Kläger mit der späteren Geschädigten vom April 2005 bis 2009 geführte Beziehung zugrunde. Da sich der Kläger mit der von ihr durchgeführten Trennung nicht abfinden wollte‚ stellte er ihr beständig nach‚ rief sie dauernd an und beleidigte sie‚ ihre Mutter und deren Freund. Trotz einer einstwei-ligen Verfügung vom 7. Juli 2009 nach dem Gewaltschutzgesetz‚ mit der dem Kläger untersagt worden war‚ sich seiner früheren Freundin zu nähern‚ ist er an sie in einer Gaststätte herangetreten und hat dort u. a. ihre ebenfalls anwesende Mutter und deren Freund mit einem Golfschläger bedroht und geschlagen. Zulasten des Klägers wurden seine Rücksichtslosigkeit und Penetranz gewertet‚ außerdem sein rücksichtsloses Vorgehen im Hinblick auf die körperliche Unversehrtheit dritter Personen. Die schlechte Sozialprognose und seine Rückfälligkeit ließen eine Bewährungsaussetzung nicht mehr zu. Der Kläger habe den Zeitraum nach der Außervollzug-setzung des Haftbefehls bis zur Hauptverhandlung für einen massiven tätlichen Angriff genutzt.

Der Verurteilung durch das Amtsgericht Augsburg vom 2. März 2011 (Nr. 7) lag ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Demnach habe der Kläger seine ehemalige Freundin im Zeitraum von April bis Juni 2010 weiterhin mehrfach telefonisch kontaktiert‚ beleidigt und bedroht, außerdem zweimal mit seinem Auto verfolgt und sei des Öfteren an ihrer Wohnung vorbeigefahren. Schließlich habe er sie am 24. April 2010 an den Haaren aus ihrem Auto herausgerissen und über einen Platz gezogen. Einen Tag danach habe er seine Handlung wiederholt, außerdem mit beiden Händen um den Hals der Geschädigten gefasst und solange zugedrückt‚ bis sie Atemnot erlitten habe. Der Kläger habe sich im Laufe der Hauptverhandlung aufbrausend benommen und als das eigentliche Opfer hingestellt. Es liege bei ihm eine narzisstische Problematik vor, die mit einem unangepassten Geltungsbedürfnis und Anfälligkeit zur Kränkung einhergehe.

Der Beklagte wies den Kläger mit Bescheid vom 24. Oktober 2012 aus dem Bundesgebiet aus und befristete die Wirkung dieser Ausweisung auf drei Jahre; die Abschiebung aus der Strafhaft wurde angeordnet. Für den Fall‚ dass die Abschiebung nicht aus der Strafhaft durchgeführt werden könne‚ habe der Kläger das Bundesgebiet innerhalb eines Monats nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheids zu verlassen‚ andernfalls die Abschiebung in die Türkei oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht werde. Da er assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger sei und damit besonderen Ausweisungsschutz genieße‚ dürfe er nur aus spezialpräventiven Gründen auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden. Vor dem Hintergrund der über Jahre hinweg begangenen‚ schwerwiegenden Straftaten drohe die Gefahr wiederum gegen die körperliche Unversehrtheit gerichteter Straftaten. Obwohl eine Behandlung in einer sozialtherapeutischen Abteilung für Gewaltstraftäter erforderlich und auch vorgesehen sei‚ habe sie der Kläger bisher nicht aufgenommen. Die Teilnahme an einem anstaltsinternen sozialen Kompetenztraining reiche nicht aus. Die Straftaten des in vollem Umfang schuldfähigen Klägers stellten keine einmaligen Verfehlungen dar; er verfüge vor dem Hintergrund seiner narzisstischen Persönlichkeit vielmehr über ein erhebliches Gefährdungspotential. Selbst die Verurteilung zu einer Haftstrafe habe ihn nicht davon abhalten können‚ sofort nach der mündlichen Verhandlung erneut straffällig zu werden. Die Ausweisung sei auch unter Berücksichtigung der persönlichen Belange des Klägers im Hinblick auf Art. 8 EMRK verhältnismäßig. Seine Kenntnisse der türkischen Sprache würden ihm eine rasche Eingewöhnung in die türkischen Lebensverhältnisse ermöglichen.

Mit Urteil vom 27. März 2013 wies das Verwaltungsgericht Augsburg die gegen den Bescheid vom 24. Oktober 2012 gerichtete Anfechtungsklage ab. Der Kläger könne nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 ausgewiesen werden, weil sein persönliches Verhalten eine gegenwärtige und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstelle, zu dessen Wahrung die Ausweisung unerlässlich sei. Das erschreckende Maß an Aggressivität‚ das der Kläger nicht nur gegenüber seiner ehemaligen Freundin‚ sondern auch gegenüber deren Angehörigen an den Tag gelegt habe‚ stelle einen Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht dar. Die begangenen Straftaten deckten ein breites Spektrum ab‚ belegten ein außerordentlich rücksichtsloses und hartnäckiges Verhalten und erstreckten sich über einen erheblichen Zeitraum. Die in den Strafurteilen aufgezeigten charakterlichen Probleme führten zur Annahme schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinn von § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Der Kläger nehme zwar in der Justizvollzugsanstalt an einer Therapie teil‚ diese sei jedoch noch nicht abgeschlossen‚ so dass davon ausgegangen werden müsse‚ dass aufgrund der nach wie vor bestehenden Persönlichkeitsdefizite mit weiteren Straftaten‚ insbesondere gefährlichen Körperverletzungen‚ gegenüber seiner früheren Freundin oder einer künftigen Partnerin‚ falls diese sich von ihm trennen wolle‚ zu rechnen sei. Schließlich bewiesen auch sein Verhalten und seine Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht deutlich‚ dass er die in seinem bisherigen Leben begangenen Fehler noch nicht erkannt und aufgearbeitet habe. Die Ermessensentscheidung des Beklagten sei nicht zu beanstanden‚ da alle wesentlichen Gesichtspunkte in die Prüfung eingestellt und keine sachfremden Erwägungen angestellt worden seien. Die Ausweisung sei schließlich auch verhältnismäßig im Hinblick auf Art. 8 EMRK. Obwohl der Kläger als faktischer Inländer zu betrachten und im Besitz eine Niederlassungserlaubnis sei‚ sein Vater und seine Geschwister im Bundesgebiet wohnten und er seine wesentliche Prägung und Sozialisation in Deutschland erfahren habe‚ sei ihm eine Übersiedlung in die Türkei zu der dort lebenden Großmutter zuzumuten. Er werde jedenfalls in der Türkei nicht auf unüberwindbare Hindernisse stoßen. Auch die Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf die Dauer von drei Jahren begegne keinen rechtlichen Bedenken.

Der am 22. Juni 2010 inhaftierte Kläger wurde am 19. August 2013 nach voller Verbüßung der durch Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 2. März 2011 (s. Nr. 7) verhängten Freiheitsstrafe und mehr als hälftiger Verbüßung der durch das Amtsgericht Dillingen mit Urteil vom 4. Mai 2010 (Nr. 6) verhängten Freiheitsstrafe entlassen.

Der Kläger begründet seine mit Beschluss vom 19. Januar 2015 zugelassene Berufung in erster Linie mit dem Verweis auf den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg vom 9. August 2013‚ mit dem die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt und eine Bewährungszeit von vier Jahren angeordnet wurde. Der Kläger habe sämtliche ihm auferlegten Bewährungsauflagen erfüllt und erfülle sie immer noch. Insbesondere habe er die Therapie erfolgreich abgeschlossen‚ wohne nun zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern in G. und habe eine Ausbildung als Industriemechaniker begonnen‚ nachdem er noch während der Haft den qualifizierten Hauptschulabschluss sowie außerdem einen Staplerführerschein erworben habe. Während der Inhaftierung habe er im Rahmen eines Gewaltpräventionstrainings an zehn Einzel- und zehn Gruppensitzungen mit einem Therapeuten teilgenommen. Aus dem Beschluss vom 9. August 2013 ergebe sich‚ dass die Entlassung unter Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung angesichts der überwiegenden Wahrscheinlichkeit möglich sei‚ dass der Kläger künftig keine Straftaten mehr begehen werde. Der Kläger erfülle auch das im Hinblick auf besonders gefährliche Straftaten zu verlangende hohe Maß an Erfolgswahrscheinlichkeit wegen des erfolgreichen Therapieverlaufs‚ der damit einhergehenden Einsicht in das Tatunrecht und dessen Aufarbeitung. Außerdem bestehe offenbar keine Beziehung mehr zum Tatopfer. In der Haft habe eine deutliche Nachreifung bei beanstandungsfreier Führung stattgefunden. Nach der erstmaligen Verbüßung einer Haftstrafe müsse die Gefahrenprognose vor dem Hintergrund des Beschlusses vom 9. August 2013 zu seinen Gunsten ausgehen. Zum für die rechtliche und tatsächliche Beurteilung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sei klar‚ das der Kläger durch die erstmalige Inhaftierung so beeindruckt sei‚ das er künftig keine Straftaten mehr begehen werde. Bei lange andauerndem Strafvollzug komme den Umständen der Begehung der Straftaten nur noch eingeschränkte Aussagekraft zu; je länger die Freiheitsentziehung andauere‚ desto mehr Bedeutung erhielten die augenblicklichen Lebensverhältnisse der verurteilten Person für die anzustellende Prognose. Der Kläger habe sich seit seiner Haftentlassung straffrei geführt.

Der Kläger beantragt‚

das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 27. März 2013 und den Bescheid des Beklagten vom 24. Oktober 2012 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt‚

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte legte zuletzt ein Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 10. Dezember 2015 vor‚ mit dem der Kläger wegen des Vergehens des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 140 Tagessätzen verurteilt wurde. Er war am 31. März 2015 im Rahmen einer Verkehrskontrolle wegen auffälligen Zustands seiner Pupillen aufgefordert worden‚ zur Feststellung seiner Fahrtauglichkeit einen Urintest durchzuführen. Infolge seiner Weigerung veranlasste die Polizei die richterliche Anordnung einer Blutentnahme‚ gegen die sich der Kläger zur Wehr setzte‚ so dass er zur Durchsetzung der Anordnung von fünf Polizeibeamten auf dem Boden fixiert werden musste. Währenddessen beleidigte er die anwesenden Beamten in türkischer Sprache. Im Rahmen der Strafzumessung wertete das Landgericht Dillingen sein Teilgeständnis und sein Bemühen um eine Entschuldigung in der mündlichen Verhandlung zu seinen Gunsten. Zu seinen Lasten gingen die zahlreichen Vorstrafen und der Umstand, dass er während offener Reststrafenbewährung gehandelt habe. Der Kläger habe ausweislich des mittels Blutprobe festgestellten geringen THC-Werts nicht den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit im Sinn von § 24a StVG verwirklicht. Aus der beigezogenen Bewährungsakte gehe hervor‚ das er der ihm auch nach Haftentlassung auferlegten Antigewalttherapie bei dem Therapeuten Dr. S. ambulant nachkomme. Aufgrund der Gesamtumstände werde eine Geldstrafe als noch ausreichend zur Ahndung angesehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Strafakten‚ die Ausländerakte sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage abgewiesen, weil die Ausweisung den geltenden Vorschriften entspricht.

1. Die Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Klägers ist an den im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG, also in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386), zu messen (1.1). Die neue Rechtslage kann ohne Verstoß gegen Art. 13 ARB 1/80 angewendet werden (1.2).

1.1 Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12). Eine während des Berufungsverfahrens bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats eingetretene Änderung der Sach- und Rechtslage ist daher zu berücksichtigen. Der Senat hat dementsprechend die streitbefangene Ausweisungsverfügung und das bestätigende verwaltungsgerichtliche Urteil mangels entgegenstehender Übergangsregelung anhand der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386) zu überprüfen.

Seit dieser Rechtsänderung differenziert das Aufenthaltsgesetz nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessens-ausweisung, sondern verlangt für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang nachprüfbar (Welte, InfAuslR 2015, 426; Cziersky-Reis in Hofmann, Kommentar zum Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 30; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 11. Aufl. 2016, Vorb §§ 53 - 56 Rn. 13 und § 53 Rn. 5 ff.; a.A. Marx, ZAR 2015, 245/246). Eine - wie hier - nach altem Recht verfügte Ermessensausweisung wird nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung am 1. Januar 2016 nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG (als Grundtatbestand; vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.) der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Steht dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsratsabkommen vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu, sind an die Qualität der erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhöhte Anforderungen zu stellen, denn er darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und wenn die Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Damit gibt die Neufassung von § 53 Abs. 3 AufenthG exakt die Voraussetzungen wieder, die nach ständiger Rechtsprechung (z. B. EuGH, U. v. 8.12.2011 - Rs. C - 371/08 Ziebell -, juris Rn. 80; BayVGH‚ U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris) für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen erfüllt sein mussten.

1.2 Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass dem Kläger im Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 zustand. Er kommt damit grundsätzlich in den Genuss der ihn gegenüber anderen Drittstaaten privilegierenden Vorschriften des Assoziationsratsbeschlusses, also auch des in Art. 13 ARB 1/80 enthaltenen Verschlechterungsverbots (sog. Stillhalteklausel). Danach dürfen die Mitgliedstaaten keine neuen innerstaatlichen Maßnahmen einführen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen unterworfen wird als denjenigen, die bei Inkrafttreten der Bestimmung am 1. Dezember 1980 in dem Mitgliedstaat galten (vgl. BVerwG, U. v. 28.4.2015 - 1 C 21. 14 - InfAuslR 2015, 327).

Allerdings bestehen auch mit Blick auf diese Bestimmung keine Bedenken gegen die Anwendung der ab 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsvorschriften auf den Kläger als assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen. Geht man davon aus, dass Art. 13 ARB 1/80 auch im Zusammenhang mit der Änderung nationaler Ausweisungsvorschriften Gültigkeit beansprucht, obwohl diese keinen unmittelbaren Bezug zur Regelung des Arbeitsmarktzugangs aufweisen (vgl. hierzu Hailbronner, AuslR, Stand: Januar 2016, D 5.2, Art. 13 Rn. 10 f.), geht mit der Einführung des zum 1. Januar 2016 anwendbaren Ausweisungsrechts keine grundsätzliche Verschlechterung der Rechtsposition eines unter dem Schutz von Art. 14 ARB 1/80 stehenden türkischen Staatsangehörigen einher. Denn er kann auch künftig ausschließlich aus spezialpräventiven Gründen und nur dann ausgewiesen werden, wenn sein Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt (vgl. § 53 Abs. 3 AufenthG); außerdem ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, wie sich aus § 53 Abs. 3 letzter Halbsatz AufenthG und dem System von § 53 Abs. 2, §§ 54, 55 AufenthG ergibt. Dabei sind unter Abwägung der gegenläufigen Interessen alle Umstände und Besonderheiten des konkreten Einzelfalls einzustellen (Bauer in Bergmann/Dienelt, 11. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 56 f.; bisher schon: BVerwG, U. v. 2.9.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3), so dass sich die materiellen Anforderungen, unter denen ein assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger ausgewiesen werden darf, nicht zu seinen Lasten geändert haben. Dass nach dem neuen Recht eine Ausweisung nach Betätigung des ausländerbehördlichen Ermessens nicht mehr in Betracht kommt, ist für einen betroffenen Ausländer nicht ungünstiger (Bauer in Bergmann/Dienelt, a. a. O., Rn. 59; a.A. Cziersky-Reis in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 42), denn es lässt sich schon nicht feststellen, dass es in der Vergangenheit tatsächlich Fälle gab, in denen die Ausländerbehörde von einer eigentlich möglichen Ausweisung aus Ermessensgründen Abstand genommen hat. Im Übrigen ermöglicht das neue Ausweisungsrecht eine volle gerichtliche Kontrolle der Ausweisungsentscheidung, so dass jedenfalls in der Gesamtschau eine Verschlechterung der Rechtspositionen eines durch Art. 13, 14 ARB 1/80 geschützten türkischen Staatsangehörigen nicht feststellbar ist.

2. Die Ausweisung des Klägers ist unter Berücksichtigung des dargelegten Maßstabs rechtmäßig, weil die vom Verwaltungsgericht angenommene Gefahr der Begehung erneuter gravierender Straftaten nach wie vor gegenwärtig besteht (2.1) und nach der erforderlichen Interessenabwägung die Ausweisung für die Wahrung dieses Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist (2.2).

2.1 Gemessen an den unter 1.1 dargestellten Grundsätzen kommt der Senat zu der Bewertung, dass nach dem Gesamtbild des Klägers, das in erster Linie durch sein Verhalten gekennzeichnet ist, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass er erneut vergleichbare Straftaten begehen wird und damit gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt. Die nach § 53 Abs. 1, 3 AufenthG vorausgesetzte erhöhte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist beim Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats in spezialpräventiver Hinsicht noch gegeben. Seine diesbezüglichen Einwendungen im Berufungsvorbringen greifen letztlich nicht durch. Die Ausweisungsentscheidung hat der Beklagte vor dem Hintergrund des nunmehr von § 53 Abs. 3 AufenthG geforderten persönlichen Verhaltens zu Recht nicht auf generalpräventive Gründe gestützt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei einer spezialpräventiven Ausweisungsentscheidung und ihrer gerichtlichen Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m. w. N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (st. Rspr.; vgl. z. B. BVerwG, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - Rn. 18; BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34 und B. v. 3.3.2016 - 10 ZB 14.844 - juris). Auch der Rang des bedrohten Rechtsguts ist dabei zu berücksichtigen; an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts dürfen andererseits keine zu geringen Anforderungen gestellt werden.

Gemessen an den dargestellten Grundsätzen ist der Senat zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt zu der Überzeugung (§ 108 Abs. 1 VwGO) gelangt, dass eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Kläger erneut die öffentliche Sicherheit durch vergleichbare, insbesondere gegen die körperliche Unversehrtheit dritter Personen gerichtete Straftaten beeinträchtigen wird. Das vom Kläger insoweit geltend gemachte positive Verhalten während der Strafhaft, die dabei durchlaufene Entwicklung, weiter der Umstand, dass er erstmals eine Haftstrafe verbüßen musste, sowie die Aussagen im Bewährungsbeschlusses vom 9. August 2013, und schließlich die Erfüllung der ihm auferlegten Auflagen lassen die angenommene Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Zu Recht hat demgegenüber das Verwaltungsgericht entscheidend darauf abgestellt, dass der Kläger eine ganze Reihe von Straftatbeständen gegenüber seiner ehemaligen Freundin und deren Angehörigen verwirklicht und dabei über einen erheblichen Zeitraum ein hohes Maß an Aggressivität an den Tag gelegt hat. Durch sein Verhalten mit sich steigernder Gewaltbereitschaft hat der Kläger Schutzgüter von hohem Rang (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) verletzt und den betroffenen Personen nicht nur körperliche, sondern auch erhebliche psychische Schäden zugefügt. Das vom Kläger ausgehende Gefährdungspotenzial berührt angesichts dessen ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die Gefahrenprognose wird auch dadurch gestützt, dass er sich in den Jahren 2003 und 2005 zweimal der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs in massiver Weise durch rücksichtsloses Überholen schuldig gemacht hatte (vgl. Darstellung im Urteil des VG Augsburg v. 27.3.2013, S. 17, 18), wobei es einmal zu einem Frontalzusammenstoß kam. Es wurde deswegen eine Freiheitsstrafe auf Bewährung gegen ihn verhängt; die zudem ausgesprochene Entziehung der Fahrerlaubnis hat er offenbar nicht akzeptiert, wie eine weitere Verurteilung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis beweist.

Triebfeder für das Verhalten des Klägers, das den den Anlass für die Ausweisung bildenden Taten zugrunde lag, war seine persönliche Unfähigkeit, die Beendigung der Beziehung durch seine Freundin zu akzeptieren und nicht gewaltsam auf die Rückgängigmachung ihres Entschlusses zu drängen. Die diesem Verhalten zugrunde liegende Disposition seiner Persönlichkeit hat der Kläger zwar in der Haft und auch anschließend entsprechend den ihm auferlegten Maßgaben bearbeitet; der Senat konnte gleichwohl nicht zu der Auffassung gelangen, dass der Kläger ein ähnliches Verhalten in einer vergleichbaren Situation nicht mehr zeigen wird. Zur Begründung ist insbesondere auf die neuerliche Verurteilung durch Urteil des Amtsgerichts Dillingen vom 10. Dezember 2015 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu verweisen, der zwar offenbar keine aktiven Gewalthandlungen des Klägers zugrundelagen, als er sich der richterlich angeordneten Blutentnahme widersetzt hat und die Maßnahme nur nach Fixierung durch mehrere Polizeibeamte vollzogen werden konnte; auch hat er sich für sein Verhalten entschuldigt. Problematisch im Hinblick auf die hier anzustellende Gefahrenprognose ist seine in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholte Meinung, er habe ohne schriftliche richterliche Anordnung die Blutentnahme verweigern und danach handeln dürfen, weil er „im Recht gewesen“ sei. Die auch darin zum Ausdruck kommende Einstellung des Klägers lässt den Schluss zu, dass er auch künftig in bestimmten Konfliktsituationen im privaten wie im öffentlichen Raum - insbesondere wenn er sich „ungerecht behandelt fühlt“ - nach seinen eigenen rechtlichen und sonstigen Vorstellungen agieren wird und es so zu erneuten unkontrollierbaren Eskalationen für den Fall kommen kann, dass der Gegenüber nicht der Meinung des Klägers ist. In dieser Hinsicht haben die in und nach der Haft durchgeführten Therapiemaßnahmen (Persönlichkeits- und Antigewalttherapie), mit denen u. a. die vom Sachverständigen des Amtsgerichts Augsburg mit Gutachten vom 19. Dezember 2010 festgestellte erhebliche narzisstische Problematik bearbeitet werden sollte, noch keinen ausreichenden Erfolg gehabt.

Auch die im Bewährungsbeschlusses vom 9. August 2013 enthaltene Aussage, vor dem Hintergrund einer „deutlichen Nachreifung bei beanstandungsfreier Führung“ in der Haft und einer erfolgreichen Aufarbeitung der für die Straftaten maßgeblichen Defizite sei überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger künftig keine Straftaten mehr begehen werde, vermag nicht zu einer für ihn günstigen Gefahrenprognose zu führen. Bei ihrer Prognoseentscheidung sind die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte an die Feststellungen und Beurteilungen durch die Strafgerichte selbst dann nicht gebunden, wenn die Strafvollstreckungskammer zur Vorbereitung ihrer Entscheidung ein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Bei der Frage, ob ein Strafrest nach § 57 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann, geht es um die Frage, ob die Wiedereingliederung eines inhaftierten Straftäters weiterhin im Vollzug stattfinden muss oder durch vorzeitige Entlassung für die Dauer der Bewährungszeit in „offener Form“ inmitten der Gesellschaft verantwortet werden kann. Dabei stehen in erster Linie Gesichtspunkte der Resozialisierung im Vordergrund; zu prognostizieren ist, ob der Täter das Potenzial hat, sich während der Bewährungszeit straffrei zu führen. Im ausländerrechtlichen Ausweisungsverfahren geht es dagegen um die Frage, ob das Risiko eines Misserfolgs der Resozialisierung von der inländischen Gesellschaft getragen werden muss. Die ausweisungsrechtliche Prognoseentscheidung bezieht sich daher nicht nur auf die Dauer der Bewährungszeit, sondern hat einen längeren Zeithorizont in den Blick zu nehmen. Denn es geht dabei um die Beurteilung, ob dem Ausländer über den Bewährungszeitraum hinaus ein straffreies Leben im Bundesgebiet möglich sein wird. Entscheidend ist, ob er im maßgeblichen Zeitpunkt auf ausreichende Integrationsfaktoren verweisen kann; die beanstandungsfreie Führung während der Haft genügt für sich genommen nicht (BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 19 f.; BayVGH, B. v. 3.3.2016 - 10 ZB 14.844 - juris).

Zu keinem anderen Ergebnis führt deshalb auch der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung mitgeteilte Umstand, dass seine Bewährung nicht infolge der letzten strafrechtlichen Verurteilung widerrufen worden sei. Die soeben dargestellten Grundsätze zur unterschiedlichen Würdigung der Gefahrenprognose im Strafvollzugsrecht einerseits und Ausweisungsrecht andererseits können auch in der Situation des trotz erneuter Verurteilung unterbliebenen Widerrufs der Bewährung angewendet werden.

Auch wenn der Kläger nunmehr offenbar seiner ehemaligen Freundin nicht mehr nachstellt und sich mit den gegen sie und ihre Angehörigen gerichteten Taten, wegen derer er verurteilt wurde, auseinandergesetzt hat, genügt dieser Umstand dem Senat für eine positive Prognose alleine noch nicht. Ohne Überwindung der für das damalige Fehlverhalten maßgeblichen Persönlichkeitsdefizite besteht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit die gegenwärtige Gefahr der Begehung gleich oder ähnlich gelagerter Straftaten.

2.2 Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 und 3 AufenthG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausreise überwiegt und die Ausweisung auch für die Wahrung des (unter 2.1) dargestellten Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist.

Entgegen dem Vortrag im Berufungsverfahren ist die streitbefangene Ausweisung weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG - allerdings nicht abschließend - aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig. Der Beklagte und nachfolgend das Verwaltungsgericht haben bei der vom Kläger angegriffenen Entscheidung sämtliche entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte berücksichtigt, die in diese Interessenabwägung einzustellen sind, und sie im Ergebnis in nicht zu beanstandender Weise gewichtet.

2.2.1 Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse (i. S. v. § 53 Abs. 1 AufenthG) ist beim Kläger infolge seiner rechtskräftigen Verurteilung vom 2. März 2011 durch das Amtsgericht Augsburg zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegeben. Zu seinen Gunsten ergibt sich ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, weil er eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Liegen darüber hinaus weitere Lebenssachverhalte vor, die noch andere Tatbestände eines besonders schwerwiegenden oder (nur) schwerwiegenden Ausweisungs- oder Bleibeinteresses erfüllen, sind diese erst bei der nachfolgenden Abwägung der einzelfallbezogenen Umstände im Rahmen des § 53 Abs. 2 AufenthG mit dem ihnen zukommenden Gewicht zu berücksichtigen; die Annahme eines „doppelt“ oder sogar mehrfach (besonders oder nur) schwerwiegenden Interesses ist weder systematisch geboten noch von seinem Sinngehalt her vorstellbar. Eine rein quantitative Gegenüberstellung der im Rahmen der Prüfung nach §§ 54, 55 AufenthG verwirklichten typisierten Interessen widerspräche auch dem Gebot der Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Deshalb kommt es an dieser Stelle nicht mehr darauf an, dass infolge der weiteren Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht Dillingen vom 4. Mai 2010 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auch der Tatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG verwirklicht ist. Entsprechendes gilt für die nicht den Anlass für die Ausweisung gebenden Verurteilungen durch das Amtsgericht Dillingen (vom 16.2.2004 und vom 2.5.2006), die möglicherweise für sich alleine gesehen - also ohne Vorliegen der zeitlich nachfolgenden Verurteilungen - ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG als strafbare Handlungen, die „einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften“ darstellen, begründen könnten.

2.2.2 Liegen also nach der durch die §§ 54, 55 AufenthG vorgegebenen typisierenden Betrachtung besonders schwerwiegende Gründe vor, die sowohl für die Ausreise des Klägers aus dem Bundesgebiet als auch für seinen weiteren Verbleib sprechen, fällt die in jedem Fall auch im Rahmen des § 53 Abs. 3 AufenthG vorzunehmende umfassende Abwägung der gegenläufigen Interessen (§ 53 Abs. 1, 2 AufenthG) hier zu Ungunsten des Klägers aus; danach ist seine Ausweisung für die Wahrung des betroffenen Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich.

Bei der Abwägungsentscheidung sind sämtliche nach den Umständen des Einzelfalls maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, in erster Linie die Dauer des Aufenthalts, die Bindungen persönlicher, wirtschaftlicher und sonstiger Art im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige (§ 53 Abs. 2 AufenthG). Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger ein „faktischer Inländer“ ist, der seine wesentliche Prägung und Entwicklung in Deutschland erfahren hat, und seit mehr als einem Jahrzehnt ein Daueraufenthaltsrecht im Bundesgebiet besitzt. Sämtliche nahe Verwandte, insbesondere der Vater des Klägers und seine Geschwister sowie Stiefgeschwister leben im näheren Umfeld. Allerdings hat der Kläger bisher keine eigene Familie gegründet und lebt auch nicht mehr - wie noch während der Haft geplant - mit seinem Vater zusammen, sondern hat eine eigene Wohnung. Unter dem Aspekt der Achtung des Privatlebens (Art. 8 Abs. 1, 2 EMRK) ist zu beachten, dass der Kläger eine neue Beziehung zu einer Frau eingegangen ist, über die er in der mündlichen Verhandlung berichtet hat. Zu seinen Gunsten spricht auch sein nach der Haftentlassung an den Tag gelegtes Bemühen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, auch wenn er die zunächst begonnene Ausbildung zum Industriemechaniker abgebrochen hat. Seinen Bewährungsauflagen kommt er offensichtlich nach; er unterzieht sich nach wie vor einmal monatlich einer Persönlichkeits- und Antigewalttherapie.

Zulasten des Klägers ist insbesondere seine während offener Bewährung begangene Straftat am 31. März 2015 hervorzuheben, die auch beweist, dass ihn die erstmalige Inhaftierung offenbar doch nicht derart beeindruckt hat, dass er künftig ein straffreies Leben führen kann, wie dies in der Begründung der Berufung behauptet wird. Die erstmalige Verbüßung einer Haftstrafe ist zwar grundsätzlich geeignet, die persönliche Reifung eines Straftäters zu fördern (vgl. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris, Rn. 44); im vorliegenden Fall ist dies jedoch vor dem Hintergrund der nach wie vor problematischen Persönlichkeitsstruktur des Klägers zu verneinen. Das mit der Therapieauflage verfolgte Ziel, dem Kläger die Mittel für ein Leben ohne Straftaten an die Hand zu geben, ist noch nicht erreicht. Es bleibt daher auch im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung bei der zentralen Bedeutung der Anlassstraftaten, mit denen er über einen langen Zeitraum ein hochaggressives Verhalten an den Tag gelegt hat, dem nicht einmal durch die erste Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung Einhalt geboten werden konnte. In diesem Zusammenhang sind auch die bereits dargestellten Straftaten des Klägers im öffentlichen Straßenverkehr zu nennen, mit denen er eine erhebliche Rücksichtslosigkeit im Hinblick auf die Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit Dritter bewiesen hat. Auch die bisherige Erwerbsbiografie des Klägers spricht nicht zu seinen Gunsten; weder weist er eine abgeschlossene Berufsausbildung auf noch ist er in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum hinweg einer rentenversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen, woraus im angefochtenen Urteil nachvollziehbar gefolgert wird, dass der Kläger offenbar zum Aufbau einer gesicherten wirtschaftlichen Existenz im Bundesgebiet bisher nicht in der Lage war. Auch seine nach der Haftentlassung begonnene Ausbildung konnte er nicht zum Abschluss bringen. Der Senat ist der Auffassung, dass die von ihm bisher ein knappes Jahr lang ausgeübte selbstständige Tätigkeit (Handel mit Kfz-Teilen/Altreifenentsorgung), die durch öffentlichen Leistungen zur Existenzgründung unterstützt wird, noch nicht als dauerhaft nachgewiesene berufliche Existenz angesehen werden kann.

Schließlich hat das Verwaltungsgericht auch zu Recht angenommen, dass dem volljährigen Kläger trotz seiner ausschließlichen Sozialisierung in Deutschland zuzumuten ist, in das Land seiner Staatsangehörigkeit, dessen Sprache er zumindest spricht, zu übersiedeln. Dort wird er als 32-jähriger gesunder Mann trotz fehlender Beziehungen sein Auskommen finden können. Dabei ist hervorzuheben, dass von einer gelungenen sozialen und wirtschaftlichen Integration des Klägers schon in die hiesigen Verhältnisse trotz seines lebenslangen Aufenthalts im Bundesgebiet nicht ausgegangen werden kann; insoweit relativiert sich sein Einwand, er verfüge in der Türkei über keine wirtschaftlichen Beziehungen. Dass im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens inzwischen offenbar auch seine Großmutter in das Bundesgebiet übersiedelt ist und der Kläger damit eigenen Angaben zufolge keine Angehörigen in der Türkei mehr besitzt, erschwert zwar eine Eingewöhnung in die neuen Lebensumstände, führt aber nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Ausweisungsentscheidung. Den Kontakt zum Bundesgebiet und seinen hier lebenden Angehörigen kann der Kläger von der Türkei aus aufrechterhalten, auch wenn dies mit erhöhten Schwierigkeiten verbunden ist.

Im Ergebnis der Gesamtabwägung stellt sich die Ausweisung als verhältnismäßige Maßnahme dar, die zur Abwehr schwerwiegender Gefahren für die verfassungsrechtlichen Schutzgüter von Leben und körperlicher Unversehrtheit unerlässlich ist.

2.3 Keinen rechtlichen Bedenken begegnet schließlich die Befristung der Wirkungen des aus der Ausweisung folgenden Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG auf drei Jahre ab dem Zeitpunkt der Ausreise (vgl. Nr. 2 des angefochtenen Bescheids, S. 18). Die Befristungsentscheidung wurde in der mündlichen Verhandlung auf eine Entscheidung nach Ermessen umgestellt, ohne dass im Übrigen der Kläger Einwände gegen die Länge der Frist erhoben hat. Auch die unter Bestimmung einer Frist erfolgte Ausreiseaufforderung und die daran anknüpfende Abschiebungsandrohung (Nr. 4 des Bescheids) sind rechtmäßig. Die Anordnung der Abschiebung aus der Strafhaft (Nr. 3 des Bescheids) ist dagegen mit der Haftentlassung des Klägers gegenstandslos geworden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozess-kostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 8.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Tenor

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 10. Februar 2015 wird zugelassen, soweit damit Ziffer 3. des Bescheids vom 1. September 2014 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet wird, die Wirkungen der Ausweisung auf eineinhalb Jahre zu befristen (Zi. I. Satz 1 u. 2 des Urteils).

II.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

III.

Der Kläger trägt die Kosten seines Zulassungsverfahrens.

IV.

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 10. Februar 2015 wird der Streitwert für das Verfahren erster Instanz auf 10.000 Euro festgesetzt. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren des Klägers wird auf 5000 Euro, der Streitwert für das Berufungsverfahren vorläufig auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung (II.) verfolgt der Kläger seine in erster Instanz mit dem Hauptbegehren erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 1. September 2014 weiter, mit dem er unter Anordnung seiner Abschiebung aus der Haft bzw. Androhung der Abschiebung aus dem Bundesgebiet ausgewiesen wurde (Nr. 1 und 2). Die Wirkungen der Ausweisung wurden auf fünf Jahre ab Ausreise befristet (Nr. 3 Satz 1); die Befristung wurde unter dem Vorbehalt des mit mehreren Maßgaben verbundenen Nachweises dauernder Drogenfreiheit verfügt (Nr. 3 Satz 2).

Die Beklagte beantragt demgegenüber, die Berufung zuzulassen (I.), soweit mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 10. Februar 2015 die Nummer 3. des Bescheids aufgehoben und die Wirkungen der Ausweisung auf eineinhalb Jahre ab Ausreise befristet wurden (I.).

I. Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat Erfolg, weil an der Richtigkeit des Urteils insoweit ernstliche Zweifel bestehen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), als das Verwaltungsgericht die Frist für das mit der Ausweisung einhergehende Einreise- und Aufenthaltsverbot von fünf Jahren ab Ausreise auf eineinhalb Jahre herabgesetzt und darüber hinaus die getroffenen Nebenbestimmungen aufgehoben hat.

Die Ausführungen im angefochtenen Urteil, wonach als Orientierung für die Fristlänge die Höhe der zuletzt verhängten Freiheitsstrafe des Klägers dienen könne, steht nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach bei der Bemessung der Frist im Rahmen des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG (in der bis 31.7.2015 geltenden Fassung) in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen sind und es danach einer prognostischen Einschätzung bedürfe, wie lange das Verhalten des Klägers, das der aus spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liege, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermöge (vgl. BVerwG, U. v. 14.5.2013 - 1 C 13.12 - juris Rn. 32; U. v. 25.3.2015 - 1 B 18.14 - juris Rn. 27; BayVGH, B. v. 19.5.2015 - 10 ZB 14.2019 - juris Rn. 5; B. v. 17.12.2015 - 10 ZB 15.1394 - juris). Zudem ist nach der im vorliegenden Fall maßgeblichen, zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Änderung des § 11 AufenthG über die Länge der Frist nunmehr nach Ermessen zu entscheiden (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG; a.A. VGH BW, U. v. 9.12.2015 - 11 S 1857/15 - InfAuslR 2016, 138 im Hinblick auf die systemkonform nur im Rahmen einer gebundenen Entscheidung sicherzustellende Verhältnismäßigkeit der Befristung - Revision zugelassen), während noch im angefochtenen Urteil von einer in vollem Umfang gerichtlich überprüfbaren Dauer der Befristung ausgegangen wurde (UA, S. 12, Rn. 33). Es ist auch nicht offensichtlich, dass sich die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Festsetzung der Frist für das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf eineinhalb Jahre aus anderen Gründen als rechtmäßig erweisen könnte. Ernstliche Zweifel an der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zur Rechtswidrigkeit (auch) der Bedingung ergeben sich außerdem aus der zum 1. August 2015 in Kraft getretenen Erweiterung des § 11 AufenthG um Absatz 2 Satz 5, der ausdrücklich die Beifügung einer Bedingung (i. S. v. Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG) zur Befristung ermöglicht und hierfür beispielhaft eine „nachweisliche Straf- oder Drogenfreiheit“ benennt.

Die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im Hinblick auf die Aufhebung der Bedingung wegen der von der Beklagten geltend gemachten Abweichung des angefochtenen Urteils vom im Prozesskostenhilfeverfahren ergangenen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofsvom 21. November 2013 (19 C 13.1206) kommt schon deshalb mangels Entscheidungserheblichkeit nicht in Betracht, weil über den gerügten divergierenden Rechtssatz infolge der inzwischen eingetretenen Rechtsänderung (§ 11 Abs. 2 Satz 5 AufenthG) nicht mehr zu befinden wäre.

II. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen im Zulassungsantrag (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne dieser Bestimmung bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch nicht der Fall.

1. Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung des Klägers nach umfassender Ausübung des Ermessens für rechtmäßig erachtet. Es hat auf der Grundlage der §§ 53 ff. AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung (a. F.) das Vorliegen eines zwingenden Ausweisungsgrundes nach § 53 Nr. 1 AufenthG a. F. im Hinblick auf die beiden rechtskräftigen Verurteilungen des Klägers durch die Urteile des Amtsgerichts Augsburg vom 29. September 2011 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr drei Monaten (wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und Körperverletzung) und vom 21. November 2012 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren (wegen unerlaubten Besitzes von und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln) bejaht. Wegen des besonderen Ausweisungsschutzes nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AufenthG a. F. komme nur eine auf spezialpräventiven Gründen beruhende Ermessensentscheidung über die Ausweisung in Betracht. Sie sei rechtmäßig, weil auch in Zukunft vom Kläger eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch erneute Straftaten im Betäubungsmittelbereich (insbesondere Handeltreiben mit Heroin) drohe, so dass von ihm gegenwärtig eine Gefahr für hochrangige Schutzgüter ausgehe. Sämtlichen Straftaten lägen die nach wie vor nicht therapierte Drogensucht des nun fast 40-jährigen Klägers zugrunde. Angesichts vier erfolgloser stationärer Drogentherapien müsse davon ausgegangen werden, dass er auch in Zukunft nicht drogen- und straffrei leben könne. Die Ausweisung sei auch unter Betrachtung sämtlicher biografischen Umstände unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht unverhältnismäßig. Auch der positive Verlauf der seit August 2014 andauernden Drogentherapie, deren Abschluss von zentraler Bedeutung für die Gefahrenprognose sei, lasse angesichts der bisherigen Rückfallhäufigkeit und -geschwin-digkeit noch keine positiven Schlussfolgerungen zu.

Dagegen bringt der Kläger im Zulassungsverfahren vor, die Gefahrenprognose sei unzutreffend, seine Integrationsleistungen nicht ausreichend gewürdigt und seine Eigenschaft als faktischer Inländer nicht richtig gewichtet worden. Er habe von 2005 bis 2009 ein drogenfreies bürgerliches Leben geführt, woran er nun nach mehr als dreijähriger Inhaftierung, während der er keinen Drogenrückfall gehabt habe, wieder anknüpfen wolle. Er empfinde einen erheblichen Widerwillen gegen Drogen und sei während dieser langen Haftstrafe gereift; bisher habe er nur einmal Anfang der 2000er Jahre etwa eineinhalb Jahre im Gefängnis verbracht. Seine erste Therapie habe er im Jahr 2000 nach wenigen Tagen, die zweite 2003 nach etwa fünf Monaten abgebrochen, während die dritte und vierte Therapie erfolgreich gewesen seien. Allerdings habe er anlässlich „persönlicher Niederlagen“ wieder einen Rückfall erlitten. Die letzte Verurteilung zu einer zweijährigen Haftstrafe beruhe auf einem auf Anraten seines Strafverteidigers abgegebenen falschen Geständnis, als er im Glauben, eine niedrigere Haftstrafe zu erhalten, angegeben habe, von den aufgefundenen 34,4 g Heroin habe er die Hälfte weiterverkaufen wollen, obwohl die gesamte Menge zum Eigenverbrauch gedacht gewesen sei. Schließlich sei zu rügen, dass die Ausländerbehörde der Beklagten die maßgeblichen Strafakten des Klägers nicht beigezogen habe. Ergänzend verweist der Kläger darauf, dass die unzureichende Berücksichtigung der Integrationsleistungen des Klägers bei der Ermessensausübung auch bei die Anwendung des ab 1. Januar 2016 geltenden Ausweisungsrechts zur Rechtswidrigkeit der Ausweisung führen müssten.

2. Mit diesem Vorbringen wird aber die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger dürfe grundsätzlich wegen des Vorliegens schwerwiegender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden, gemessen an den nunmehr maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386), zuletzt geändert durch das am 17. März 2016 in Kraft getretene Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 (BGBl I S. 394), im Ergebnis nicht ernsthaft in Zweifel gezogen.

2.1 Die Beurteilung, ob ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsge-richts. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist daher nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12), also hier der Entscheidung über den Zulassungsantrag. Rechtsänderungen während des Zulassungsverfahrens sind zu beachten; allerdings sind Änderungen der Sach- und Rechtslage grundsätzlich nur in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen relevant (Seibert in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2014, § 124a Rn. 57; vgl. a. BVerwG, B. v. 15.12.2003 - 7 AV 2.03 - NVwZ 2004, 744; BayVGH, B. v. 16.3.2016 - 10 ZB 15.2109 - juris).

2.2 Der Senat hat daher die streitbefangene Ausweisungsverfügung (und das diese als rechtmäßig bestätigende verwaltungsgerichtliche Urteil) unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens mangels entgegenstehender Übergangsregelung anhand der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 17. März 2016 gültigen Fassung des Aufenthaltsgesetzes zu überprüfen. Seit dem ab 1. Januar 2016 geltenden Rechtszustand differenziert das Aufenthaltsgesetz nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessensausweisung, sondern verlangt für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang nachprüfbar (Welte, InfAuslR 2015, 426; Cziersky-Reis in Hoffmann, Kommentar zum Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 30; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 11. Aufl. 2016, Vorb §§ 53 - 56 Rn. 13 und § 53 Rn. 5 ff.; a.A. Marx, ZAR 2015, 245/246). Eine nach altem Recht nach Ausübung von Ermessen verfügte Ausweisung wird nicht infolge des Inkrafttretens der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung am 1. Januar 2016 rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG (als Grundtatbestand; vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.) der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (BayVGH, B. v. 24.2.2016 - 10 ZB 15.2080 - juris Rn. 8).

2.3 Steht dem Ausländer - wie hier dem Kläger als türkischem Staatsangehörigen - ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu, sind an die Qualität der erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhöhte Anforderungen zu stellen, denn er darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und wenn die Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Damit gibt die Neufassung von § 53 Abs. 3 AufenthG exakt die Voraussetzungen wieder, die nach ständiger Rechtsprechung (z. B. EuGH, U. v. 8.12.2011 -Rs. C - 371/08 Ziebell -, juris Rn. 80; BayVGH‚ U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris) für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen erfüllt sein mussten.

Weil dem Kläger ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 zustand, kommt er grundsätzlich in den Genuss der ihn gegenüber anderen Drittstaaten privilegierenden Vorschriften des Assoziationsratsbeschlusses, also auch des in Art. 13 ARB 1/80 enthaltenen Verschlechterungsverbots (sog. Stillhalteklausel). Danach dürfen die Mitgliedstaaten keine neuen innerstaatlichen Maßnahmen einführen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen unterworfen wird als denjenigen, die bei Inkrafttreten der Bestimmung am 1. Dezember 1980 in dem Mitgliedstaat galten (vgl. BVerwG, U. v. 28.4.2015 - 1 C 21. 14 - InfAuslR 2015, 327). Allerdings bestehen auch mit Blick auf diese Bestimmung keine Bedenken gegen die Anwendung der ab 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsvorschriften auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige. Geht man davon aus, dass Art. 13 ARB 1/80 auch im Zusammenhang mit der Änderung nationaler Ausweisungsvorschriften Gültigkeit beansprucht, obwohl diese keinen unmittelbaren Bezug zur Regelung des Arbeitsmarktzugangs aufweisen (vgl. hierzu Hailbronner, AuslR, Stand: Januar 2016, D 5.2, Art. 13 Rn. 10 f.), geht mit der Einführung des zum 1. Januar 2016 anwendbaren Ausweisungsrechts keine grundsätzliche Verschlechterung der Rechtsposition eines unter dem Schutz von Art. 14 ARB 1/80 stehenden türkischen Staatsangehörigen einher. Denn er kann auch künftig ausschließlich aus spezialpräventiven Gründen und nur dann ausgewiesen werden, wenn sein Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt (vgl. § 53 Abs. 3 AufenthG); außerdem ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, wie sich aus § 53 Abs. 3 letzter Halbsatz AufenthG und dem System von § 53 Abs. 2, §§ 54, 55 AufenthG ergibt. Dabei sind unter Abwägung der gegenläufigen Interessen alle Umstände und Besonderheiten des konkreten Einzelfalls einzustellen (Bauer in Bergmann/Dienelt, 11. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 56 f.; bisher schon: BVerwG, U. v. 2.9.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3), so dass sich die materiellen Anforderungen, unter denen ein assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger ausgewiesen werden darf, nicht zu seinen Lasten geändert haben. Dass nach dem neuen Recht eine Ausweisung nach Betätigung des ausländerbehördlichen Ermessens nicht mehr in Betracht kommt, ist für einen betroffenen Ausländer nicht ungünstiger (Bauer in Bergmann/Dienelt, a. a. O., Rn. 59; a.A. Cziersky-Reis in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 42), denn es lässt sich schon nicht feststellen, dass es in der Vergangenheit tatsächlich Fälle gab, in denen die Ausländerbehörde von einer eigentlich möglichen Ausweisung aus Ermessensgründen Abstand genommen hat. Im Übrigen ermöglicht das neue Ausweisungsrecht eine volle gerichtliche Kontrolle der Ausweisungsentscheidung, so dass jedenfalls in der Gesamtschau eine Verschlechterung der Rechtspositionen eines durch Art. 13, 14 ARB 1/80 geschützten türkischen Staatsangehörigen nicht feststellbar ist (vgl. BayVGH, U. v. 8.3.2016 - 10 B 15.180 - juris Rn. 28).

2.4 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 33 m. w. N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (st. Rspr.; vgl. z. B. BayVGH, U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris Rn. 34; BVerwG, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - Rn. 18).

3. Gemessen an diesen Grundsätzen lassen die vom Kläger zu seinen Gunsten geltend gemachten Umstände, insbesondere seine beanstandungsfreie und grundsätzlich positiv zu bewertende Entwicklung während der Strafhaft und die Tatsache der erstmaligen Verbüßung einer langen Haftstrafe, die vom Verwaltungsgericht angenommene Wiederholungsgefahr nicht als ernstlich zweifelhaft erscheinen; vielmehr muss nach dem Verhalten des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, dass von ihm auch künftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, ausgeht und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (§ 53 Abs. 1, 3 AufenthG). Seine diesbezüglichen Einwendungen im Zulassungsvorbringen vermögen keine ernstlichen Zweifel an der vom Verwaltungsgericht nachvollzogenen Gefahrenprognose des Beklagten hervorzurufen.

Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BayVGH‚ B. v. 26.11.2015 - 10 ZB 14.1800 - ; B. v. 18.7.2014 - 10 ZB 13.2440 - juris; B. v. 14.11.2012 -10 ZB 12.1172 - jeweils juris) kann von einem Fortfall der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden‚ solange der Kläger seine (letzte) Drogentherapie nicht erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende nicht glaubhaft gemacht hat. Hiervon kann im für die maßgeblichen Umstände grundsätzlich relevanten Zeitpunkt des Ablaufs der Begründungsfrist für die Zulassung der Berufung (17. April 2015) nicht ausgegangen werden; auch zum Zeitpunkt des vorliegenden Beschlusses sind keine neuen Erkenntnisse, die die Aussicht auf ein dauerhaft drogenfreies Leben des Klägers begründen könnten, bekannt geworden, zumal die vom Bevollmächtigten angekündigte Bestätigung der Therapieeinrichtung (vgl. Schriftsatz vom 9.4.2015, S. 8) nicht nachgereicht wurde. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet‚ dass der Kläger bereits im Alter von 14 Jahren begonnen hat, illegale Betäubungsmittel - seit dem 16. Lebensjahr auch Heroin - zu konsumieren. Die mit seiner Drogensucht einhergehende Kriminalität hat sich nicht nur auf den Erwerb und den Besitz von Betäubungsmitteln sowie das Handeltreiben bezogen, sondern bestand wiederholt in Körperverletzungsdelikten. Auch wenn man den nun fast 40-jährigen Kläger als therapiewillig und -einsichtig ansehen wollte, ist damit ein in die Zukunft gerichteter anhaltender Erfolg der letzten Therapiebemühungen in keiner Weise wahrscheinlicher geworden, wenn man bedenkt, dass er neben zahlreichen stationären Entgiftungen schon vier erfolglose Therapien hinter sich gebracht hat. Selbst wenn man die beiden in den Jahren 2002 und 2003 bereits nach kurzer Zeit abgebrochenen Therapien ausblendet, lebte er in den Zeiträumen nach den am 30. November 2005 bzw. 14. Juni 2010 abgeschlossenen Therapien für höchstens drei Jahre bzw. ein Jahr ohne Drogen. Der Vortrag, er habe ja immerhin von 2005 bis 2009 ein drogenfreies bürgerliches Leben geführt, ist zum einen unrichtig, denn der Verurteilung durch das Amtsgericht Augsburg zu einer Bewährungsstrafe mit Urteil vom 29. September 2011 lag eine bereits am 17. August 2008 begangene Gewaltstraftat zugrunde, bei der die Steuerungsfähigkeit des Klägers ausweislich der strafrichterlichen Feststellungen durch vorangegangenen Drogen- und Alkoholkonsum in erheblichem Umfang gemindert war; insbesondere aber beweisen beide Rückfalle, dass von einer dauerhaften Drogenabstinenz noch nicht ausgegangen werden kann. Hieran ändern auch nichts die für die Rückfälle gegebenen Begründungen des Klägers (aussichtslos erscheinende Lebenssituation nach Verlust des Arbeitsplatzes bzw. Trennung von der Freundin). Weil derartige Situationen auch in Zukunft wieder eintreten können, erscheint ein neuerlicher Rückfall in der entsprechenden Situation sehr wahrscheinlich. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger die längste Haftstrafe (mehr als drei Jahre) seines bisherigen Lebens verbüßt, dabei seine Therapiewilligkeit und -fähigkeit unter Beweis gestellt und keinen Drogenrückfall erlitten hat.

Auch die die bislang nicht geglückte dauerhafte Integration des Klägers, der keine abgeschlossene Ausbildung aufweist, in die Berufswelt spricht ungeachtet der ihm vorliegenden Arbeitsangebote dafür, dass er doch wieder zu Drogen greifen könnte, sollten sich etwa im Rahmen einer Erwerbstätigkeit problematische Situationen ergeben. Vor dem dargestellten Hintergrund sieht der Senat eine nach wie vor vom Kläger ausgehende ernsthafte Gefahr für bedeutsame Schutzgüter durch die Begehung schwerwiegender, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührender Straftaten, zu dessen Wahrung die Ausweisung unerlässlich ist (§ 53 Abs. 1, 3 AufenthG).

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat auch unter Hinweis auf die Eigenschaft des Klägers als faktischer Inländer, dessen Integrationsleistungen nicht ausreichend gewürdigt worden seien, keinen Erfolg. Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet anhand sämtlicher Umstände des Einzelfalls ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (vgl. § 53 Abs. 2, § 54 Abs. 1 Nr. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG).

Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresses (i. S. v. § 53 Abs. 1 AufenthG) ergibt sich aus der rechtskräftigen Verurteilung des Klägers durch das Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 21. November 2012 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Allerdings besteht demgegenüber auch ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, weil der Kläger eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Liegen nach der durch die §§ 54, 55 AufenthG vorgegebenen typisierenden Betrachtung besonders schwerwiegende Gründe vor, die sowohl für die Ausreise des Klägers aus dem Bundesgebiet als auch für seinen weiteren Verbleib sprechen, fällt die in jedem Fall auch im Rahmen des § 53 AufenthG vorzunehmende umfassende Abwägung der gegenläufigen Interessen (§ 53 Abs. 1, 2 AufenthG; vgl. BayVGH, U. v. 8.3.2016 - 10 ZB 15.180 - juris) hier zu seinen Ungunsten aus.

Bei der Abwägungsentscheidung sind sämtliche nach den Umständen des Einzelfalls maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, in erster Linie die Dauer des Aufenthalts, die Bindungen persönlicher, wirtschaftlicher und sonstiger Art im Bundesgebiet und im Land der Staatsangehörigkeit sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige. Danach hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger zwar als faktischer Inländer seine wesentliche Prägung und Entwicklung in Deutschland erfahren hat und seit langem ein Daueraufenthaltsrecht im Bundesgebiet besitzt, wo auch seine nächsten Familienangehörigen - seine Mutter und Schwester, während der Vater 2010 verstorben ist - leben, wenn er auch keine Ehe führt oder Kinder hat. Demgegenüber sind jedoch zulasten des Klägers seine jahrzehntelang andauernde Straffälligkeit (vgl. im einzelnen: Strafurteil des AG Augsburg v. 21.11.2012, S. 3 bis 11), die nur vor dem Hintergrund einer zwar immer wieder bekämpften, aber letztlich nicht erfolgreich überwundenen Drogenabhängigkeit zu verstehen und zu würdigen ist. Drogenfreiheit während der Inhaftierung oder laufender Therapiemaßnahmen lässt angesichts der langjährigen Abhängigkeit ebenso wenig Rückschlüsse auf ein drogenfreie Zukunft außerhalb eines „überwachten“ Lebens zu wie der insoweit behauptete positive Wille. Zu beachten ist auch, dass der Kläger große Lücken in seiner Erwerbsbiographie aufweist, so dass von einer nachhaltigen Eingliederung in den Arbeitsmarkt trotz erfolgversprechender Ansätze nicht ausgegangen werden kann. Es ist weiter nicht ersichtlich, dass er kein Auskommen in der Türkei finden wird, auch wenn gewisse Anfangsschwierigkeiten nicht in Abrede gestellt werden können. Der Senat geht jedenfalls nicht davon aus, dass der Kläger - wie er vorträgt - „in der Türkei weder wirtschaftlich noch sozial noch emotional Fuß fassen könnte“, zumal er dort offenbar bereits 1999/2000 sechs Monate mit dem Ziel zugebracht hat, seine Drogensucht zu überwinden. Ohne Belang im Rahmen der abzuwägenden Umstände bleibt der von ihm geltend gemachte Umstand, die letzte strafrechtliche Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln beruhe auf einem unrichtigen Geständnis; zum einen ist nämlich das entsprechende Strafurteil rechtskräftig geworden, zum anderen vermag auch die Annahme, die gesamte aufgefundene Menge an Heroin sei ausschließlich zum Eigenverbrauch und nicht zur Hälfte zum Weiterverkauf gedacht gewesen, zu keiner entscheidenden Änderung der Gesamtwürdigung der maßgeblichen Umstände zu führen.

Die Kostenentscheidung für den Zulassungsantrag des Klägers beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Kostenentscheidung für das Zulassungsverfahren der Beklagten bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1 und 3, § 39 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Satz 2 sowie § 52 Abs. 2 GKG. Das Verwaltungsgericht hat auch über den vom Kläger hilfsweise gestellten, nach § 88 VwGO ermittelten Klageantrag, der auf Aufhebung der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gerichtet war, soweit mit ihr eine längere Frist als angemessen festgesetzt wurde, entschieden (vgl. BayVGH B. v. 8.10.2014 - 10 ZB 12.2742 - juris Rn. 59). Somit war der Wert des hilfsweise geltend gemachten Streitgegenstandes nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG hinzuzurechnen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf die Ausweisung und die Regelungen zur Abschiebung (Nr. 1 und 2 des

angefochtenen Bescheids) und im Hinblick auf den Ausschluss einer eineinhalb Jahre noch unterschreitenden Länge der Befristung (Nr. 3) rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Belehrung

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Wegen der Verpflichtung, sich im Berufungsverfahren vertreten zu lassen, wird auf die einschlägigen, jeweils geltenden Vorschriften Bezug genommen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

Hinsichtlich der im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung kann auf die Begründung des Zulassungsantrags Bezug genommen werden.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 19. November 2014 weiter. Mit diesem Bescheid wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, seine Abschiebung aus der Haft in die Türkei angeordnet und die Wirkungen von Ausweisung und Abschiebung auf zehn Jahre befristet.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor. Die Berufung ist weder wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; 1.) noch wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; 2.) zuzulassen.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen könnten, lägen nur vor, wenn der Kläger einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (vgl. BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch nicht der Fall.

1.1 Das Verwaltungsgericht hat die Ausweisung des Klägers, der vom Landgericht M. mit Urteil vom 27. September 2012 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten wegen schweren sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen in zwei Fällen verurteilt wurde, auf der Grundlage der §§ 53 ff. AufenthG in der bis 31. Dezember 2015 geltenden Fassung (a. F.) in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 bei Vorliegen eines zwingenden Ausweisungsgrundes nach § 53 Nr. 1 AufenthG und unter der Annahme eines assoziationsrechtlich begründeten Aufenthaltsrechts nach Ausübung von Ermessen als rechtmäßig erachtet. Der Beklagte sei zutreffend von einer konkreten Wiederholungsgefahr ausgegangen, die er zum Anlass für die ausschließlich spezialpräventiv motivierte Ausweisung genommen habe. Die Ausweisung erweise sich auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der 2001 geborene Sohn des Klägers im Bundesgebiet lebe, als verhältnismäßig, zumal dessen Mutter schon seit 2004 vom Kläger geschieden sei und das alleinige Sorgerecht besitze.

Im Zulassungsverfahren trägt der Kläger vor, das Verwaltungsgericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass er erstmals eine Haftstrafe verbüße und die bisherige Führung in der Haft sowie seine persönliche Entwicklung die Annahme zuließen, dass ein Rückfallrisiko des Klägers als gering einzustufen sei. Das Urteil verletze auch das Recht des Klägers auf Achtung seines Familien- und Privatlebens, da er Vater eines deutschen Kindes sei, dessen Wohl im Hinblick auf die bestehende starke emotionale Bindung die weitere Anwesenheit des Klägers im Bundesgebiet erfordere; zwar bestehe derzeit nur postalischer Kontakt zwischen Vater und Sohn, was jedoch auf die Ablehnung entsprechender Besuchsanträge zurückzuführen sei. Das Verwaltungsgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass bei einer Haftentlassung nach 2/3 der Haftzeit das Kind immer noch minderjährig sein werde. Die Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung ergebe sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) auch daraus, dass der Kläger schon seit 2001 im Bundesgebiet lebe und in der Türkei keinerlei Perspektive habe. So seien in einem Fall einem im Alter von 23 Jahren eingereisten Ausländer nach einem Aufenthalt von lediglich zehn Jahren zur Unverhältnismäßigkeit einer Ausweisung führende gefestigte Bindungen zugebilligt worden. Auch das Bundesverwaltungsgericht stelle bei Ausländern, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inländern geworden seien und denen ein Leben im Land ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug mehr hätten, nicht zugemutet werden könne, eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes fest. Das Verwaltungsgericht habe die besonderen Umstände in der Person des Klägers und das Allgemeininteresse im Ergebnis fehlerhaft abgewogen; dies folge bereits aus dem Umstand, dass weder die Mutter des deutschen Sohnes des Klägers als Zeugin vom Verwaltungsgericht vernommen worden sei noch das Gutachten des Landratsamts N. - Amt für Jugend und Familie - vom 8. September 2014 hinreichend gewürdigt worden sei.

1.2 Diese Ausführungen begründen aber - gemessen an den nunmehr maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff.. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386), zuletzt geändert durch das Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 (BGBl I S. 394), - keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.

1.2.1 Die Beurteilung, ob ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt, richtet sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts. Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ist daher zu berücksichtigen. Die Änderung der Sach- und Rechtslage ist allerdings grundsätzlich nur in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen relevant (BayVGH, B. v. 24.2.2016 - 10 ZB 15.2080 - juris; Seibert in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2014, § 124a Rn. 57). Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12), also hier der Entscheidung über den Zulassungsantrag.

Der Senat hat daher die streitbefangene Ausweisung (und das angefochtene verwaltungsgerichtliche Urteil) unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens in Ermangelung einer entgegenstehenden Übergangsregelung anhand der §§ 53 ff. AufenthG in der aktuell gültigen Fassung (s. 1.2) zu überprüfen. Seit der Rechtsänderung zum 1. Januar 2016 differenziert das Aufenthaltsgesetz nicht mehr zwischen der zwingenden Ausweisung, der Ausweisung im Regelfall und der Ermessensausweisung, sondern verlangt für eine Ausweisung eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die für ein Ermessen der Ausländerbehörde keinen Raum mehr lässt. Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang nachprüfbar (Welte, InfAuslR 2015, 426; Cziersky-Reis in Hofmann, Kommentar zum Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 53 Rn. 30; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 11. Aufl. 2016, Vorb §§ 53 - 56 Rn. 13 und § 53 Rn. 5 ff.; a.A. Marx, ZAR 2015, 245/246). Eine - wie hier - nach altem Recht verfügte Ermessensausweisung wird nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer Neufassung am1. Januar 2016 nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG (als Grundtatbestand; vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.) der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Steht dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) zu, sind an die Qualität der erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhöhte Anforderungen zu stellen, denn er darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und wenn die Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Damit gibt die Neufassung von § 53 Abs. 3 AufenthG exakt die Voraussetzungen wieder, die nach ständiger Rechtsprechung (z. B. EuGH, U. v. 8.12.2011 - Rs. C-371/08 Ziebell -, juris Rn. 80; BayVGH‚ U. v. 30.10.2012 - 10 B 11.2744 - juris) für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen erfüllt sein mussten.

Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass dem Kläger im Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 ARB 1/80 zustand. Er kommt damit grundsätzlich in den Genuss der ihn gegenüber anderen Drittstaaten privilegierenden Vorschriften des Assoziationsratsbeschlusses, also auch des Verschlechterungsverbots (sog. Stillhalte-Klausel) nach Art. 13 ARB 1/80. Danach dürfen die Mitgliedstaaten keine neuen innerstaatlichen Maßnahmen einführen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen unterworfen wird als denjenigen, die bei Inkrafttreten der Bestimmung am 1. Dezember 1980 in dem Mitgliedstaat galten (vgl. BVerwG, U. v. 28.4.2015 - 1 C 21. 14 - InfAuslR 2015, 327).

Allerdings bestehen auch mit Blick auf diese Bestimmung keine Bedenken gegen die Anwendung der ab 1. Januar 2016 geltenden neuen Ausweisungsvorschriften auf den Kläger als assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen. Geht man davon aus, dass Art. 13 ARB 1/80 auch im Zusammenhang mit der Änderung nationaler Ausweisungsvorschriften Gültigkeit beansprucht, obwohl diese keinen unmittelbaren Bezug zur Regelung des Arbeitsmarktzugangs aufweisen (vgl. hierzu Hailbronner, AuslR, Stand: Januar 2016, D 5.2, Art. 13 Rn. 10 f.), geht mit der Einführung des zum 1. Januar 2016 anwendbaren Ausweisungsrechts keine grundsätzliche Verschlechterung der Rechtsposition eines unter dem Schutz von Art. 14 ARB 1/80 stehenden türkischen Staatsangehörigen einher. Denn er kann auch künftig ausschließlich aus spezialpräventiven Gründen und nur dann ausgewiesen werden, wenn sein Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt (vgl. § 53 Abs. 3 AufenthG); außerdem ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, wie sich aus § 53 Abs. 3 letzter Halbsatz AufenthG und dem System von § 53 Abs. 2, §§ 54, 55 AufenthG ergibt. Dabei sind unter Abwägung der gegenläufigen Interessen alle Umstände und Besonderheiten des konkreten Einzelfalls einzustellen (Bauer in Bergmann/Dienelt, 11. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 56 f.; bisher schon: BVerwG, U. v. 2.9.2009 - 1 C 2.09 - InfAuslR 2010, 3), so dass sich die materiellen Anforderungen, unter denen ein assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger ausgewiesen werden darf, nicht zu seinen Lasten geändert haben. Dass nach dem neuen Recht eine Ausweisung nach Betätigung des ausländerbehördlichen Ermessens nicht mehr in Betracht kommt, ist für einen betroffenen Ausländer nicht ungünstiger (Bauer in Bergmann/Dienelt, a. a. O., Rn. 59; a.A. Cziersky-Reis in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 42), denn es lässt sich schon nicht feststellen, dass es in der Vergangenheit tatsächlich Fälle gab, in denen die Ausländerbehörde von einer eigentlich möglichen Ausweisung aus Ermessensgründen Abstand genommen hat. Im Übrigen ermöglicht das neue Ausweisungsrecht eine volle gerichtliche Kontrolle der Ausweisungsentscheidung, so dass jedenfalls in der Gesamtschau eine Verschlechterung der Rechtspositionen eines durch Art. 13, 14 ARB 1/80 geschützten türkischen Staatsangehörigen nicht feststellbar ist (vgl. BayVGH, U. v. 8.3.2014 - 10 B 15.180 - juris Rn. 28).

1.2.2 Die Ausweisung des Klägers ist unter Berücksichtigung des dargelegten Maßstabs rechtmäßig, weil die vom Verwaltungsgericht angenommene Wiederholungsgefahr nach wie vor gegenwärtig besteht und nach der erforderlichen Interessenabwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (§ 53 Abs. 1, 2 AufenthG) die Ausweisung für die Wahrung dieses Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist (§ 53 Abs. 3 AufenthG).

Der Senat sieht auch unter Anwendung des § 53 Abs. 1 AufenthG eine erhebliche Gefahr der Begehung weiterer Straftaten durch den Kläger. Bei der insoweit zutreffenden Prognose sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. zuletzt: BayVGH, B. v. 16.3.2016 - 10 ZB 15. 2.1.2009 - juris). Gemessen hieran hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass der Kläger sich schwerster, planvoll durchgeführter Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung schuldig gemacht hat und deshalb zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde; unter den gravierenden Tatfolgen haben die beiden Opfer bis heute zu leiden. Der Kläger, dessen Revision gegen das Strafurteil vor dem Bundesgerichtshof erfolglos geblieben ist, leugnet bis heute trotz eindeutiger gegenteiliger Beweislage seine Taten; zuletzt beteuerte er in der mündlichen Verhandlung vor dem Erstgericht am 11. März 2015 seine Unschuld. Vor dem Hintergrund dieses auf die den Ausweisungsanlass bildenden Straftaten bezogenen Verhaltens kann schlechterdings nicht davon die Rede sein, dass der Kläger in der Haft eine persönliche Entwicklung in eine positive Richtung durchgemacht habe, nach der das Rückfallrisiko als „gering und klar unterdurchschnittlich einzustufen“ sei; ebensowenig kann der Gefahrenprognose entgegengehalten werden, der Kläger sei als „Erstverbüßer“ besonders beeindruckt und stelle daher keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit mehr dar. Insbesondere die in der Strafhaft begangenen Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit lassen nicht den Schluss zu, der Kläger werde nach seiner Haftentlassung keine Straftaten mehr begehen; der Kläger ging im Jahr 2012 gegen einen Psychologen der Justizvollzugsanstalt tätlich vor und beleidigte ihn, was zu einer Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen durch Strafbefehl des Amtsgerichts Kempten vom 27. Mai 2013 wegen Beleidigung in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung geführt hat. Mit Urteil des Amtsgerichts Straubing vom 31. Juli 2014 wurde er des Weiteren zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt; Hintergrund war dabei eine Auseinandersetzung mit einem Justizvollzugsbeamten. Angesichts dieser Sachlage bedarf es keiner weiteren Begründung der Gefahrenprognose.

Soweit im Zulassungsantrag behauptet wird, es müsse ein Prognosegutachten zur konkreten Gefahr der Begehung weiterer Straftaten durch den Kläger eingeholt werden, führt dieser Vortrag nicht zur Zulassung der Berufung. Bei der gerichtlichen Überprüfung der Ausweisung eines strafgerichtlich verurteilten Ausländers ist hinsichtlich der gebotenen Gefahrenprognose nicht alleine auf das Strafurteil und die diesem zugrundeliegende Straftat, sondern auf die Gesamtpersönlichkeit des Täters abzustellen. Dabei sind auch nachträgliche Entwicklungen einzubeziehen. Bei dieser Prognoseentscheidung bewegt sich das Gericht regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die den Richtern allgemein zugänglich sind. Die inmitten stehende Frage der Wiederholungsgefahr nach strafrechtlichen Verurteilungen kann daher grundsätzlich von den Gerichten regelmäßig ohne Zuziehung eines Sachverständigen beurteilt werden (vgl. BayVGH, B. v. 18.3.2015 - 10 C 14.2655 - juris Rn. 22 m. w. N.). Ein Sachverständigengutachten kann die eigene Prognoseentscheidung des Tatrichters nicht ersetzen, sondern hierfür allenfalls eine Hilfestellung bieten (BVerwG, B. v. 13.3.2009 - 1 B 20.08 - juris Rn. 5). Der Zuziehung eines Sachverständigen bedarf es nur ausnahmsweise, wenn die Prognose aufgrund besonderer Umstände - etwa bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen - nicht ohne spezielle, dem Gericht nicht zur Verfügung stehende fachliche Kenntnisse erstellt werden kann (vgl. BVerwG, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 11). Ein solcher Ausnahmefall liegt beim Kläger nicht vor. Vielmehr war es dem Erstgericht möglich, eine durch das Zulassungsvorbringen nicht erschütterte Prognoseentscheidung zur Wiederholungsgefahr auch ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens zu treffen.

Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 AufenthG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausreise überwiegt. Entgegen dem Zulassungsvorbringen ist die Ausweisung weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG - allerdings nicht abschließend - aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznorm des Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 8 EMRK unverhältnismäßig. Das Verwaltungsgericht hat sämtliche entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte berücksichtigt, die auch in diese Interessenabwägung einzustellen sind, und sie in nicht zu beanstandender Weise gewichtet.

Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinn von § 53 Abs. 1 AufenthG liegt beim Kläger als Folge der rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) vor. Allerdings wiegt auch sein Bleibeinteresse im Sinn von § 53 Abs. 1 AufenthG wegen des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis im Zeitpunkt der Ausweisung und seines mehr als fünf Jahre andauernden rechtmäßigen Aufenthalts besonders schwer. Im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung kommt jedoch dem Ausweisungsinteresse überwiegendes Gewicht zu, das sich insbesondere aus der (bereits dargestellten) erheblichen Gefahr, die der Kläger durch die drohende Begehung weiterer Straftaten im Bundesgebiet darstellt, ergibt. Die Ausweisung entspricht daher auch der ab 1. Januar 2016 geltenden neuen Rechtslage.

Hieran ändern auch die Ausführungen des Klägers zur Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung nichts, die keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils rechtfertigen. Der bloße Verweis auf die Urteile des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), die in Sachen Beldjoudi (U. v. 26.3.1992 - 55/1990/246/317 - InfAuslR 1994, 86), Moustaquim (U. v. 18.2.1991 - 31/1989/191/291 - InfAuslR 1991, 149), Amrollahi (U. v. 11.7.2002 - 56811/00 - Inf-AuslR 2004, 180) sowie auf den Bericht der Europäischen Kommission für Menschenrechte in Sachen Lamguindaz (InfAusR 1995, 133) reicht nicht aus, um die Feststellungen des Erstgerichts zur Bindung des Klägers an die Bundesrepublik, zur Schwere seiner Straftat und zu seinen Beziehungen in die Türkei und die darauf beruhende Abwägungsentscheidung ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Insbesondere fehlt es an einer substantiierten Darlegung, inwieweit die vom Kläger angeführten Beispiele aus der Rechtsprechung des EGMR mit der Situation des Klägers vergleichbar sind. Im Fall Beldjoudi war der ausgewiesene Ausländer mit einer Staatsangehörigen des Aufnahmestaates verheiratet, der nicht zugemutet werden konnte, mit ihm ins Ausland zu ziehen. Auch im Fall Amrollahi hatte der Beschwerdeführer eine Staatsangehörige des Aufnahmestaates geheiratet und mit ihr gemeinsame Kinder. Der Kläger hat demgegenüber schon seit langem keine eigene Kernfamilie in der Bundesrepublik mehr. Die Entscheidung im Fall Moustaquim beruht darauf, dass der Beschwerdeführer die Straftaten als Jugendlicher begangen hatte; der Kläger hingegen war bei Begehung seiner Straftaten schon mehr als 40 Jahre alt. Im Fall Lamguindaz konnte der Beschwerdeführer die Sprache seines Heimatlandes kaum verstehen und nicht lesen und schreiben (vgl. zu den vorstehend angeführten Urteilen des EGMR: BayVGH, B. v. 26.1.2015 - 10 ZB 13.898 - juris). Der Kläger dagegen spricht fließend türkisch, nachdem er mehr als die ersten 30 Jahre seines Lebens in der Türkei zugebracht und demnach seine gesamte Sozialisation dort erfahren hat. Angesichts dieses Umstandes vermag der Senat die Behauptung, er habe keinerlei Perspektiven in der Türkei, nicht nachzuvollziehen. Im Übrigen kann auch nicht davon die Rede sein, dass dem Kläger „eine Trennung von seiner Familie“ zugemutet würde; schließlich ist er bereits seit dem Jahr 2004 von seiner damaligen Ehefrau geschieden, ohne dass er seither eine familiäre Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet - auch nicht mit seinem Sohn - geführt hätte.

Unzutreffend ist auch das Zulassungsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe das Gutachten des Landratsamts N. - Jugend und Familie - vom 8. September 2014 in seiner Entscheidung nicht ausreichend gewürdigt. Vielmehr gibt das angefochtene Urteil (UA, Rn. 31) die wesentlichen Aussagen der genannten Stellungnahme wieder, und folgert daraus in nachvollziehbarere Weise, dass der Sohn für seine Entwicklung nicht auf den Vater angewiesen sei, zumal sich die Beziehung auch künftig während der Haftzeit vor allem auf telefonische und postalische Kontakte sowie auf gelegentliche Besuche beschränken werde. Der Frage, ob der Sohn zum voraussichtlichen Zeitpunkt der Haftentlassung des Klägers noch minderjährig oder bereits volljährig sein wird, kommt nicht die ihr im Zulassungsvorbringen zugemessene Bedeutung zu, weil der derzeit bereits fast 15-jährige Sohn auch bei frühester möglicher Entlassung des Klägers zum 2/3-Zeitpunkt seine persönliche Entwicklung ohne maßgeblichen Beistand seines Vaters weitestgehend abgeschlossen haben würde. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, muss die Ausweisung des Klägers zum heutigen Zeitpunkt als „unerlässlich“ zur Wahrung eines Grundinteresses der Gesellschaft im Hinblick auf die von ihm ausgehende Gefahr der neuerlichen Begehung schwerer und schwerster Straftaten nach Haftentlassung angesehen werden.

Schließlich führt auch der Vorwurf, das Erstgericht habe die Einvernahme der Mutter des Sohns des Klägers als Zeugin „rechtsfehlerhaft“ versäumt, nicht zur Annahme ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger die Stellung eines entsprechenden Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung (§ 86 Abs. 2 VwGO) unterlassen hat, wird schon nicht vorgetragen, welche besonderen, bisher nicht bekannten Umstände die Mutter als Zeugin vorgetragen hätte, die für die Annahme des Bestehens einer für das Kindeswohl bedeutsamen Beziehung zwischen dem Kläger und seinem Sohn sprechen könnten. Allein der (angebliche) Wunsch von Mutter und Sohn, den Kläger künftig häufig in der Haft zu besuchen, reicht hierfür nicht aus.

Auch zeigt das Zulassungsvorbringen keine ernstlichen Zweifel hinsichtlich der Länge (10 Jahre) der im Ausweisungsbescheid festgesetzten und durch das angefochtene Urteil gebilligten Befristung der Wirkungen der Ausweisung und der (geplanten) Abschiebung auf. Der pauschale Verweis auf die bereits im Zusammenhang mit der Ausweisung gemachten Umstände, die zugunsten des Klägers sprechen, reicht hierfür nicht aus.

2. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ( § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist schon nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend hinreichend dargelegt. Um einen auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die vorformulierte Frage klärungsbedürftig ist und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.

Der Kläger hat zwar eine Rechtsfrage formuliert, indem er als klärungsbedürftig erachtet, ob die Einführung der Zulassungsberufung gegen die Stillhalte-Klausel des Art. 13 ARB 1/80 verstößt. Allerdings ist diese Frage bereits durch den Senat entschieden (BayVGH, B. v. 26.1.2015 - 10 ZB 13.898 - juris Rn. 21 ff.; zuletzt: B. v. 19. Mai 2015 - 10 ZB 15.331 - juris). Auch hat der Kläger nicht dargelegt, dass diese Frage für den konkreten Rechtsstreit überhaupt entscheidungserheblich ist. Insbesondere zeigt er nicht auf, dass die Beurteilung der Sach- und Rechtslage zu unterschiedlichen Beurteilungszeitpunkten in seinem konkreten Ausweisungsfall zu einem unterschiedlichen Ergebnis geführt hätte, er insbesondere durch die Entscheidung im Zulassungsverfahren schlechter gestellt wäre als in einem Berufungsverfahren. Der Kläger unterstellt mit seinem Zulassungsvorbringen lediglich, die Berücksichtigung der „noch zu erzielenden Ergebnisse…bezüglich der Persönlichkeit und der Gefährlichkeit“ führe in einem Berufungsverfahren dazu, dass zum dann maßgeblichen Zeitpunkt die Gefahrenprognose für ihn vorteilhafter ausfallen werde.

Schließlich hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen seiner Entscheidungen vom 13. Dezember 2012 und vom 14. Mai 2013 (U. v. 13.12.2012 - 1 C 20.11 - und U. v. 14.5.2013 - 1 C 13.12 - beide juris Rn. 34 bzw. 23) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U. v. 19.2.2009 - Rs. C-228/06, Soysal; U. v. 17.9.2009 - Rs. C-242/06, Sahin - beide juris Rn. 61 bzw. 67). bereits zu verfahrensrechtlichen Regelungen, die sowohl ARB-berechtigte türkische Staatsangehörige als auch Unionsbürger in gleicher Weise betreffen, entschieden, dass der Erlass oder Wegfall von solchen Regelungen nicht im Widerspruch zu den Stillhalteklauseln in Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 Abs. 1 ZP stehe.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tatbestand

1

Der im Jahr 1981 in Deutschland geborene Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen seine unbefristete Ausweisung.

2

Der Vater des Klägers war 1973 in das Bundesgebiet eingereist und hier als Arbeitnehmer tätig. Er ist mittlerweile verstorben. Der Kläger hat vier ältere Brüder, die alle in Deutschland leben. Auch seine pflegebedürftige Mutter lebt hier. Der Kläger wuchs bei seinen Eltern auf und war seit Oktober 1997 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. 1998 schloss er die Hauptschule und 2001 eine Lehre als Verpackungsmittelmechaniker ab.

3

Am 8. April 2004 ordnete das Amtsgericht S. gegen den Kläger Untersuchungshaft an, weil er dringend verdächtig war, als Mitglied einer Bande mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben. Der Aufenthalt des Klägers war zum damaligen Zeitpunkt unbekannt. Tatsächlich war er in die Niederlande geflohen. Dort hielt er sich 14 Monate auf, bis er am 2. Juni 2005 verhaftet und am 12. August 2005 an die Bundesrepublik Deutschland überstellt wurde.

4

Mit Urteil des Landgerichts S. vom 24. November 2005 wurde der Kläger wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 12 tatmehrheitlichen Fällen sowie unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 16 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 9 Jahren verurteilt. Der Verfall eines Wertersatzes in Höhe von 857 300 € wurde angeordnet. Der Verurteilung lag ein Handeltreiben mit etwas mehr als 200 kg Marihuana sowie 500 g Kokain zugrunde. Tatsächlich war jedoch unter führender Beteiligung des Klägers nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs von Januar 2002 bis zu seiner Verhaftung im Juni 2005 mit insgesamt 2 Tonnen Marihuana, mindestens 5 kg Kokain und mit Ecstasy-Tabletten gehandelt worden (UA S. 33), davon 1,5 Tonnen Marihuana vor seiner Flucht in die Niederlande (UA S. 20) und 500 kg nach der Flucht. Das war der Staatsanwaltschaft bei Anklageerhebung nicht bekannt.

5

Der Beklagte wies den Kläger mit Bescheid vom 4. Oktober 2006 aus, ohne die Wirkungen der Ausweisung zu befristen, und drohte ihm für den Fall nicht fristgerechter Ausreise die Abschiebung in die Türkei an. Zur Begründung der Ausweisung stützte sich der Beklagte darauf, dass der Kläger trotz der von ihm erworbenen assoziationsrechtlichen Rechtsposition nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 und Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 im Ermessenswege ausgewiesen werden könne, weil die Voraussetzungen des Art. 14 ARB 1/80 erfüllt seien. Mit den Drogenstraftaten habe der Kläger ein persönliches Verhalten an den Tag gelegt, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstelle. Zudem liege eine konkrete Wiederholungsgefahr vor. Der Kläger sei wegen zahlreicher Einzeltaten verurteilt worden, die sich über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt hätten. Auch wenn er seit seiner Geburt in Deutschland lebe, sei er doch nicht ohne Bindungen in die Türkei. Das Interesse der Gesellschaft an der Verhinderung weiterer Straftaten sei aber höher zu bewerten als das Interesse des Klägers am Zusammenleben mit seinen Eltern und seinen Brüdern. Die Ausweisung wurde ohne Beteiligung einer weiteren Verwaltungsbehörde erlassen.

6

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 12. März 2008 ab. Während des Berufungsverfahrens ordnete die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 26. Oktober 2010 die Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe an und setzte eine Bewährungszeit von drei Jahren fest. Die bedingte Entlassung erfolgte etwa ein halbes Jahr vor der Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe. Zur Begründung der Entscheidung stützte sich die Strafvollstreckungskammer im Wesentlichen auf ein kriminalprognostisches Gutachten und eine eigene Anhörung des Klägers.

7

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Kläger eingehend zu den Tathintergründen und seinem Verhalten nach der Tat befragt worden. Weiter wurde Kriminalhauptkommissar K., der die Ermittlungen gegen den Kläger und die Drogenbande geleitet hatte, als Zeuge vernommen. Schließlich wurde die Gutachterin aus dem Strafvollstreckungsverfahren zur Erläuterung ihres Gutachtens angehört.

8

Der Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung die Abschiebungsandrohung aus dem Bescheid vom 4. Oktober 2006 aufgehoben. Der Rechtsstreit wurde insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.

9

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 15. April 2011 die Berufung hinsichtlich der Ausweisung zurückgewiesen: Der Kläger habe nur bis zum April 2004 ein Aufenthaltsrecht aus Art. 7 ARB 1/80 besessen. Er sei als Sohn eines in der Vergangenheit dem deutschen Arbeitsmarkt angehörenden türkischen Arbeitnehmers geboren, was nach fünf Jahren zum Erwerb einer Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 geführt habe. Mit dem Abschluss seiner Lehre habe er auch eine Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 erworben. Diese Rechte habe er aber durch seine Flucht aus dem Bundesgebiet vor der ihm drohenden Strafverfolgung verloren, weil er sich auf unabsehbare Zeit außerhalb Deutschlands habe aufhalten wollen. Insbesondere die Beschaffung eines fremden türkischen Reisepasses und die Fortsetzung der Betäubungsmittelkriminalität von den Niederlanden aus verdeutlichten, dass er sich nicht nur vorübergehend auf ein Leben in einem anderen Land eingestellt gehabt habe.

10

Damit sei § 53 Nr. 1 und 2 AufenthG Rechtsgrundlage für die Ausweisung. Besonderen Ausweisungsschutz genieße der Kläger nicht, weil seine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 44 Abs. 1 AuslG 1990 erloschen sei, als er mit seiner Flucht in die Niederlande aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund ausgereist sei. Die spezialpräventive Ausweisung des Klägers erweise sich aufgrund der von ihm nach wie vor ausgehenden Wiederholungsgefahr auch nach Art. 8 EMRK als verhältnismäßig. Der Kläger habe als junger Erwachsener bis zu seiner Festnahme Straftaten verübt, die ihn als Intensivtäter auf dem Gebiet der Rauschgiftkriminalität auswiesen. Er habe ohne durchgreifende Skrupel die Sucht anderer als Mittel für seine persönliche Bereicherung eingesetzt. Auch aufgrund des persönlichen Eindrucks vom Kläger sei der Senat davon überzeugt, dass vom Kläger nach wie vor die in den Taten angelegte Wiederholungsgefahr ausgehe. Dem kriminalprognostischen Gutachten werde keine entscheidungserhebliche Bedeutung zugemessen, weil es auf unzutreffenden tatsächlichen Annahmen beruhe und in zentralen Punkten nicht schlüssig sei. Diese Mängel hätten nicht ausgeräumt werden können. Die Gutachterin habe u.a. nicht in den Blick genommen, dass der Kläger mehr als 800 000 € Schulden habe.

11

Die Aussetzung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung noch vor Ablauf des Zweidritteltermins führe nicht dazu, dass die Frage der Wiederholungsgefahr günstiger zu sehen sei. Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer sei auf das mangelhafte Gutachten gestützt. Auch sei der Senat aufgrund des gewonnenen Eindrucks vom Kläger überzeugt, dass dieser keine nachhaltige Persönlichkeitswandlung und Verhaltensänderung durchlaufen habe. Die beanstandungsfreie Führung und Weiterbildung des Klägers im Vollzug lasse nicht auf einen dauerhaften Wandel schließen. Gleiches gelte dafür, dass er in seiner bisherigen kurzen Bewährungszeit nicht negativ aufgefallen sei. Die Lebensumstände unterschieden sich nach der Haftentlassung nicht grundlegend von denen, die vor dem Einstieg in die Kriminalität vorgelegen hätten; die immense Schuldenbelastung sei sogar ein zusätzlicher negativer Faktor. Die Ausweisung sei auch unter Zugrundelegung der Maßstäbe des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verhältnismäßig.

12

Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Kläger weiterhin die Aufhebung der Ausweisung. Hilfsweise erstrebt er ihre sofortige Befristung. Er rügt, er habe seine Rechtsposition aus Art. 7 ARB 1/80 mit der Flucht in die Niederlande entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht verloren. Insoweit komme es nicht auf den subjektiven Willen an, sondern auf das objektive Geschehen. Ein Auslandsaufenthalt von etwas mehr als einem Jahr genüge nicht, um die Rechtsposition zum Erlöschen zu bringen. Einer zwingenden Ausweisung stehe weiter entgegen, dass der Kläger im Februar 2011 eine kosovarische Staatsangehörige nach islamischem Ritus geheiratet habe und mit ihr und ihren Kindern nunmehr in familiärer Gemeinschaft zusammenlebe. Die Ausweisung sei darüber hinaus verfahrensfehlerhaft ergangen, weil das Gebot zur Einschaltung einer unabhängigen Stelle im einstufigen Verwaltungsverfahren aus Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG verletzt worden sei. Im Übrigen müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger nach Abschluss des Berufungsverfahrens seine Lebensgefährtin standesamtlich geheiratet habe. Diese sei im November 2012 eingebürgert worden. Die Eheleute seien seit dem 5. Januar 2012 auch Eltern einer deutschen Tochter. Diese neuen Tatsachen seien im Revisionsverfahren jedenfalls insoweit zu berücksichtigen, als sie sich aus Urkunden ergäben.

13

Der Beklagte tritt der Revision entgegen. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich am Verfahren beteiligt und hält die Revision für unbegründet.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision des Klägers hat nur in geringem Umfang Erfolg. Das Berufungsgericht hat jedenfalls im Ergebnis zu Recht die Ausweisung als rechtmäßig angesehen (1.). Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG i.d.F. des während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 ist der Beklagte jedoch zu verpflichten, die in Satz 1 und 2 der Vorschrift genannten Wirkungen der Ausweisung auf die Dauer von neun Jahren zu befristen (2.).

15

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung und des Befristungsbegehrens ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts, hier also des Berufungsgerichts am 15. April 2011 (Urteil vom 15. November 2007 - BVerwG 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 Rn. 12). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (Urteil vom 11. Januar 2011 - BVerwG 1 C 1.10 - BVerwGE 138, 371 Rn. 10 = Buchholz 451.902 Europ. Ausl. u. Asylrecht Nr. 47 m.w.N.). Maßgeblich sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union vom 1. Juni 2012 (BGBl I S. 1224). Damit sind insbesondere auch die Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258) - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 - zu beachten.

16

1. Die Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig. Dabei kann offenbleiben, ob der Kläger in dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung maßgeblichen Zeitpunkt eine Rechtsstellung nach Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19. September 1980 (ANBA 1981, 4 = InfAuslR 1982, 33) - ARB 1/80 - besaß oder ob - wovon das Berufungsgericht ausgeht - diese Rechtsstellung erloschen ist und sich die Ausweisung daher allein nach nationalem Aufenthaltsrecht beurteilt. Für den Fall des Erlöschens des assoziationsrechtlich begründeten Aufenthaltsrechts ist das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die verfügte Ausweisung den Voraussetzungen des § 53 Nr. 1 und 2 AufenthG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Aber selbst wenn die Ausweisung an den Maßstäben des ARB 1/80 zu messen ist, erweist sie sich als rechtmäßig.

17

1.1 Der Kläger hat eine Rechtsposition nach Art. 7 ARB 1/80 erworben. Er ist in Deutschland als Sohn eines nach Deutschland gezogenen türkischen Arbeitnehmers geboren und aufgewachsen. Damit erfüllt er - ungeachtet des Umstands, dass er nicht zu seinem Vater nachgezogen ist - die Voraussetzungen des Art. 7 Satz 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 (vgl. Urteil vom 6. Oktober 2005 - BVerwG 1 C 5.04 - BVerwGE 124, 243 <246> = Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 45). Er hat im Bundesgebiet zudem eine Berufsausbildung abgeschlossen, so dass er auch nach Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 privilegiert ist.

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Geht man davon aus, dass der Kläger seine Rechtsstellung nach Art. 7 ARB 1/80 nicht verloren hat, bestimmt sich die Rechtmäßigkeit der gegen ihn verfügten Ausweisung nach § 55 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80. Besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besitzt der Kläger nicht, da sein nationaler Aufenthaltstitel infolge der Ausreise in die Niederlande im April 2004 erloschen ist (vgl. § 44 Abs. 1 Nr. 2 AuslG 1990). Gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 kann der Kläger nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt und die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - Rs. C-371/08, Ziebell - NVwZ 2012, 422 Rn. 86). Das ist hier der Fall.

19

1.2 Die Gefahren, die vom gewerbsmäßigen illegalen Handel mit Betäubungsmitteln ausgehen, sind schwerwiegend und berühren ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die betroffenen Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit der Bürger nehmen in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Wertordnung einen hohen Rang ein. Der Gerichtshof der Europäischen Union sieht in der Rauschgiftsucht ein "großes Übel für den Einzelnen und eine soziale und wirtschaftliche Gefahr für die Menschheit" (vgl. EuGH, Urteil vom 23. November 2010 - Rs. C-145/09, Tsakouridis - NVwZ 2011, 221 Rn. 47). Er verweist auf die "verheerenden Folgen" gerade des bandenmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln für die Gesundheit, Sicherheit und Lebensqualität der Unionsbürger sowie der legalen Wirtschaftstätigkeit, der Stabilität und der Sicherheit der Mitgliedstaaten (a.a.O. Rn. 46). Die Mitgliedstaaten dürfen daher die Verwendung von Betäubungsmitteln als eine Gefahr für die Gesellschaft ansehen, die besondere Maßnahmen gegen Ausländer rechtfertigt, die gegen Vorschriften über Betäubungsmittel verstoßen (a.a.O. Rn. 54). Im Übrigen zählt der illegale Drogenhandel zu den Straftaten, die in Art. 83 Abs. 1 UAbs. 2 AEUV als Bereiche besonders schwerer Kriminalität genannt werden. Diese können als schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses angesehen werden und die Ausweisung von Personen rechtfertigen, die entsprechende Straftaten begangen haben (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Mai 2012 - Rs. C-348/09, P.I. - NVwZ 2012, 1095 Rn. 28). Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieht den Handel mit Betäubungsmitteln, selbst wenn er nicht bandenmäßig begangen wird, als schwerwiegende Beeinträchtigung der gesellschaftlichen Interessen an (vgl. Urteile vom 3. November 2011 - Nr. 28770/05, Arvelo Aponte/Niederlande - Rn. 58 und vom 12. Januar 2010 - Nr. 47486/06, Khan/Vereinigtes Königreich - InfAuslR 2010, 369 Rn. 40 m.w.N.).

20

Nach diesen Maßstäben stellt das persönliche Verhalten des Klägers eine schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft im Sinne des Art. 14 ARB 1/80 dar. Er hat aus reinem Gewinnstreben bandenmäßig mit Betäubungsmitteln gehandelt, und zwar in führender Position innerhalb der Bande. Der illegale Handel erfolgte über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren und bezog sich auf eine sehr große Menge Marihuana (2 Tonnen) sowie eine erhebliche Menge Kokain (mindestens 5 kg). Der Kläger hat den Drogenhandel auch nach Aufdeckung seines strafbaren Verhaltens vom Ausland aus fortgesetzt.

21

1.3 Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise für den Kläger die Gefahr der Wiederholung seines strafbaren Verhaltens im Bereich der Drogenkriminalität bejaht. Es hat die Tatumstände, die Persönlichkeitsstruktur des Klägers, bei dem die gebotene Einsicht, Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit dem Geschehenen fehlen, seine hohe Schuldenbelastung, aber auch seine beanstandungsfreie Führung im Strafvollzug sowie in der anschließenden Bewährungszeit und die vom Kläger im Vollzug genutzte Möglichkeit zur Weiterbildung umfassend gewürdigt. Nach der Überzeugung des Gerichts lässt sich eine erhebliche Wiederholungsgefahr vor allem aus dem Ausmaß der vom Kläger begangenen Taten und der diesen zugrunde liegenden Motivation ableiten. Das Berufungsgericht kam nach ausführlicher Anhörung des Klägers in der mehrstündigen mündlichen Verhandlung zu dem Ergebnis, dass der Kläger in den Jahren nach Beendigung seiner Taten keinen grundlegenden Persönlichkeitswandel vollzogen hat, der verlässlich den Schluss auf ein zukünftig straffreies Leben zulässt.

22

Dabei hat sich das Gericht eingehend mit dem kriminalprognostischen Gutachten vom September 2010 auseinandergesetzt, das zur Aussetzung der Restfreiheitsstrafe durch die Strafvollstreckungskammer führte. Darin ist die Gutachterin zu dem Ergebnis gekommen, dass die durch die Taten zutage tretende Gefährlichkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr fortbesteht. Das Berufungsgericht ist dem Gutachten nicht gefolgt, weil es nach seiner Auffassung in wesentlichen Punkten auf unzutreffenden tatsächlichen Annahmen beruht, in zentralen Punkten nicht schlüssig ist und die Mängel auch nicht durch die Erklärungen der Gutachterin in der mündlichen Verhandlung ausgeräumt werden konnten. So hat sich die Gutachterin als Beleg dafür, dass der Kläger nunmehr andere Ziele im Leben verfolge, auf seine enge Beziehung zu einer türkischstämmigen Frau bezogen, mit der er sich verloben wolle. Tatsächlich hatte er zum Zeitpunkt der Begutachtung schon Kontakt zu seiner heutigen Ehefrau aufgenommen, was er der Gutachterin verschwiegen hatte. Ferner hatte der Kläger gegenüber der Gutachterin angegeben, zu seinen früheren Freunden keinen Kontakt mehr zu haben. Tatsächlich war aber sein langjähriger Freund M., der ebenfalls der Drogenbande angehörte, Trauzeuge bei der Heirat nach islamischem Ritus mit seiner heutigen Ehefrau, und zwar wenige Monate nach der Begutachtung. Ferner ist die Gutachterin davon ausgegangen, dass der Kläger mit Marihuana im Kilogrammbereich gehandelt habe, während sich das Volumen des Handels mit diesem Betäubungsmittel auf 2 Tonnen bezog und dazu noch der Handel mit mindestens 5 kg Kokain und mit Ecstasy-Tabletten kam. Schließlich hatte die Gutachterin die hohe verbliebene Schuldenbelastung des Klägers von mehr als 800 000 € nicht berücksichtigt. Die Einschätzung, dass die Inhaftierung beim Kläger offenkundig zu einem Gesinnungswandel geführt habe, hatte die Gutachterin nach einer lediglich eineinhalbstündigen Exploration gewonnen, während das Berufungsgericht aufgrund seiner mehrstündigen Verhandlung, in der auch der Kläger eingehend angehört und befragt wurde, zu dem gegenteiligen Ergebnis kam.

23

Das Berufungsgericht war bei seiner Gefahrenprognose nicht an die Einschätzung der Strafvollstreckungskammer bei deren Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gebunden. Zwar sind die Entscheidungen der Strafgerichte nach § 57 StGB von tatsächlichem Gewicht und stellen bei der Prognose ein wesentliches Indiz dar. Eine Bindungswirkung geht von den strafvollstreckungsrechtlichen Entscheidungen jedoch nicht aus. Die sich nach Unionsrecht bestimmende Prognose, ob der Ausländer eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt, bestimmt sich nämlich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten, auch nicht nach dem Gedanken der Resozialisierung. Vielmehr haben die zuständigen Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte eine eigenständige Prognose über die Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. Urteile vom 28. Januar 1997 - BVerwG 1 C 17.94 - Buchholz 402.240 § 48 AuslG 1990 Nr. 10 = NVwZ 1997, 1119<1120> und vom 16. November 2000 - BVerwG 9 C 6.00 - BVerwGE 112, 185 <193> = Buchholz 402.240 § 51 AuslG Nr. 40; Discher, in: GK-AufenthG, Stand: Juni 2009, vor §§ 53 ff. Rn. 1241 ff.). Dabei haben sie auch sonstige, den Strafgerichten möglicherweise nicht bekannte oder von ihnen nicht beachtete Umstände des Einzelfalles heranzuziehen. Sie können deshalb sowohl aufgrund einer anderen Tatsachengrundlage als auch aufgrund einer anderen Würdigung zu einer abweichenden Prognoseentscheidung gelangen. Im vorliegenden Fall erscheint ein Abweichen des Berufungsgerichts von der positiven Sozialprognose der Strafvollstreckungskammer schon deshalb nachvollziehbar, weil die strafrichterliche Entscheidung auf einem als mangelhaft bewerteten kriminalprognostischen Gutachten beruhte und sich das Berufungsgericht zudem auf neuere Erkenntnisse aus der Zeit nach Haftentlassung (z.B. erneuter Kontakt zu einem Mitglied der früheren Drogenbande) und insbesondere auf eine aktuelle ausführliche Befragung des Klägers, der Gutachterin und des ermittelnden Polizeibeamten stützen konnte. Damit ergibt sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts, dass das persönliche Verhalten des Klägers gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland im Sinne von Art. 14 ARB 1/80 darstellt. Dem steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht seine Gefahrenprognose im Rahmen der Prüfung von § 53 AufenthG getroffen hat. Denn die getroffenen Feststellungen und deren tatrichterliche Würdigung ermöglichen dem Revisionsgericht die rechtliche Beurteilung, dass die Gefahrenschwelle des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 überschritten ist.

24

1.4 Die Ausweisung des Klägers erweist sich auch unter Würdigung seiner schützenswerten Belange als unerlässlich, um das oben näher beschriebene Grundinteresse der Gesellschaft zu wahren (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 86). Das Berufungsgericht hat die schützenswerten Belange des Klägers, die sich auf sein Privat- und Familienleben beziehen, unter Zugrundelegung der in der Rechtsprechung des EGMR entwickelten Kriterien umfassend gewürdigt (vgl. Urteile vom 2. August 2001 - Nr. 54273/00, Boultif/Schweiz - InfAuslR 2001, 476 und vom 18. Oktober 2006 - Nr. 46410/99, Üner/Niederlande - NVwZ 2007, 1279). Es hat in den Blick genommen, dass der Kläger in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, die deutsche Sprache beherrscht und seine gesamte Erziehung und Sozialisation in Deutschland erfahren hat. Das Gericht hat auch die familiären Bindungen des Klägers an seine in Deutschland lebende Mutter und seine Geschwister sowie deren Familien berücksichtigt. Die zunächst erfolgreiche Integration in den deutschen Arbeitsmarkt hat der Kläger allerdings von sich aus gelöst, indem er sich nur noch im illegalen Drogenhandel betätigte. Zugleich hat das Berufungsgericht die in der Haftzeit begonnene und zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits weit fortgeschrittene berufliche Weiterbildung des Klägers zum Mediengestalter positiv gewürdigt. In die Verhältnismäßigkeitsprüfung hat das Gericht auch die Tatsache einbezogen, dass der Kläger nunmehr in einer Lebensgemeinschaft mit Frau D. und deren minderjährigen Kindern lebt, die Eheschließung mit Frau D. anstrebt und mit ihr einen Kinderwunsch verwirklichen möchte. Die Ausweisung des Klägers ist aber auch unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls aufgrund der besonderen Schwere des Ausweisungsanlasses und der nach wie vor von ihm ausgehenden Gefahr sowie der Zumutbarkeit der Verweisung auf ein Leben in der Türkei verhältnismäßig; sie ist im Hinblick auf die Vorgaben des Unionsrechts und der EMRK nicht zu beanstanden.

25

Entgegen der Auffassung des Klägers kann die Tatsache, dass der Kläger im Verlauf des Revisionsverfahrens standesamtlich geheiratet hat, seine Ehefrau und deren Kinder deutsche Staatsangehörige geworden sind und der Kläger Vater eines eigenen Kindes mit deutscher Staatsangehörigkeit geworden ist, der Entscheidung des Senats nicht zugrunde gelegt werden. Das Bundesverwaltungsgericht ist - abgesehen von Fällen begründeter Verfahrensrügen - entsprechend seiner vornehmlich auf die Rechtsprüfung beschränkten Aufgabenstellung nach § 137 Abs. 2 VwGO an die vom Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Diese das Rechtsmittel der Revision kennzeichnende Beschränkung führt dazu, dass das Revisionsgericht - im Gegensatz zum Berufungsgericht (§ 128 VwGO) - neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel nicht berücksichtigt. Die in § 137 Abs. 2 VwGO enthaltene revisionsrechtliche Sperre für die Berücksichtigung neuer tatsächlicher Umstände wird nicht dadurch überwunden, dass Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen das Vorliegen einer gegenwärtigen, d.h. aktuellen Gefahr verlangt (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 80, 82 und insbesondere Rn. 84). Damit wird der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sachlage angesprochen, der infolge der der Verwaltungsgerichtsordnung zu entnehmenden Trennung zwischen Tatsacheninstanzen und Revisionsinstanz nur für Entscheidungen der Tatsachengerichte maßgeblich ist. Denn nur ihnen obliegt gemäß § 86 Abs. 1 §§ 108 und 128 VwGO die Erforschung des Sachverhalts und die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen im Wege freier richterlicher Beweiswürdigung. Diese Trennung der Funktionen von Tatsachen- und Revisionsinstanz wird durch das Unionsrecht nicht modifiziert, da es nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich Aufgabe des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten ist, das gerichtliche Verfahrensrecht auch insoweit zu regeln, als es den Schutz von aus dem Unionsrecht erwachsenden individuellen Rechten gewährleisten soll (vgl. hierzu im Einzelnen: Urteil vom 10. Juli 2012 - BVerwG 1 C 19.11 - zur Aufnahme in die Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen - Rn. 19). Die Eröffnung der auf eine reine Rechtskontrolle beschränkten dritten Instanz widerspricht auch nicht dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf aus Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) und Art. 13 EMRK. Denn der dort niedergelegte Grundsatz effektiven gerichtlichen Rechtschutzes eröffnet dem Einzelnen den Zugang zu einem Gericht und nicht zu mehreren Gerichtsinstanzen (EuGH, Urteil vom 28. Juli 2011 - Rs. C-69/10, Samba Diouf - NVwZ 2011, 1380 Rn. 69; EGMR, Urteil vom 17. Januar 1970 - Nr. 2689/65, Delcourt - EGMR-E 1, 100 Rn. 25). Er verlangt nicht, dass ein nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats eröffnetes Rechtsmittel wie die Revision eine Überprüfung der Tatsachen auf aktuellem Sachstand ermöglicht. Vielmehr hängt die Anwendung der Garantie eines effektiven Rechtsschutzes von den ersichtlichen Besonderheiten des jeweiligen Verfahrens - hier des Revisionsverfahrens - ab (vgl. EGMR, Urteil vom 17. Januar 1970 a.a.O. Rn. 26). Soweit der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei der Überprüfung von Ausweisungsentscheidungen Tatsachen berücksichtigt, die nach der abschließenden nationalen Entscheidung eingetreten sind, ergibt sich daraus keine entsprechende Verpflichtung für die nationalen Gerichte in einem Revisionsverfahren (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011 - Nr. 41548/06, Trabelsi/Deutschland - EUGRZ 2012, 11 Rn. 60 f.). Nach nationalem Recht verbleibt die Möglichkeit, nach der Berufungsentscheidung eingetretene Umstände zugunsten des Ausländers zu berücksichtigen, indem dieser eine Verkürzung der Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 Satz 3 - 5 AufenthG beantragt (dazu unter 2.).

26

1.5 Besitzt der Kläger ein assoziationsrechtlich begründetes Aufenthaltsrecht, darf er nur auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden. Bei deren gerichtlicher Überprüfung ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen (EuGH, Urteil vom Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 84; so bereits BVerwG, Urteil vom 3. August 2004 - BVerwG 1 C 29.02 - BVerwGE 121, 315 <320 f.>). Die Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde über den Erlass einer Ausweisung erfordert eine sachgerechte Abwägung der öffentlichen Interessen an der Ausreise mit den privaten Interessen an einem weiteren Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet. Zugunsten des Ausländers sind die Dauer seines rechtmäßigen Aufenthalts und seine schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet zu berücksichtigen. Außerdem sind die Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft leben, in die Abwägung einzustellen (§ 55 Abs. 3 AufenthG). Die von Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 6 Abs. 1 und 2 GG und Art. 8 EMRK geschützten Belange auf Achtung des Privat- und Familienlebens sind dabei entsprechend ihrem Gewicht und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in der Gesamtabwägung zu berücksichtigen. Das gilt insbesondere bei im Bundesgebiet geborenen und aufgewachsenen Ausländern, zumal wenn sie über keine Bindungen an das Land ihrer Staatsangehörigkeit verfügen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 20).

27

Mit Blick auf diese Vorgaben ist die Ermessensausübung des Beklagten im Ausweisungsbescheid vom 4. Oktober 2006 nicht zu beanstanden. Der Beklagte geht von einem aus dem Assoziationsrecht abgeleiteten Aufenthaltsrecht des Klägers nach Art. 7 ARB 1/80 aus und misst die Rechtmäßigkeit der Ausweisung am Maßstab des Art. 14 ARB 1/80. Er erkennt die Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung und beachtet deren gesetzliche Grenzen. In die Ermessensentscheidung sind alle relevanten Gesichtspunkte eingestellt worden. Die erfolgte Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Abwehr der vom Kläger ausgehenden konkreten Gefahr für die hochrangigen Rechtsgüter Leben und Gesundheit im Fall der Fortsetzung des illegalen Drogenhandels gegen das Interesse des Klägers an einem Verbleib in Deutschland ist rechtlich nicht zu beanstanden. Bei der Begründung des öffentlichen Interesses stützt sich der Beklagte ausschließlich auf Gefahren, die vom Kläger selbst ausgehen und nicht auf generalpräventive Gründe. Ausführungen, die der Beklagte schriftsätzlich im Berufungsverfahren zu Fragen der Generalprävention gemacht hat, sind nicht Bestandteil der behördlichen Ermessensentscheidung geworden. Denn für eine Ergänzung von Ermessensentscheidungen gelten nach der Rechtsprechung des Senats strenge Maßstäbe an Form und Handhabung, damit der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2011 - BVerwG 1 C 14.10 - BVerwGE 141, 253 Rn. 18). Diese sind hier nicht erfüllt. Denn der Beklagte hat in seinen Schriftsätzen vom 12. Januar 2011, 16. März 2011 und 7. April 2011 jedenfalls nicht hinreichend deutlich getrennt zwischen neuen Begründungselementen, die den Inhalt seiner Entscheidung betreffen, und Ausführungen, mit denen er lediglich als Prozesspartei seine Entscheidung verteidigt. Etwaige Zweifel und Unklarheiten über Inhalt und Umfang nachträglicher Ergänzungen gehen aber zulasten der Behörde (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 18). Die behördliche Entscheidung verstößt auch nicht gegen das Gebot der Aktualität der Ermessenserwägungen. Denn der Beklagte hat ausweislich seines Schriftsatzes vom 7. April 2011 die neue Entwicklung in den persönlichen Verhältnissen des Klägers erkannt und gewürdigt, insbesondere seine Haftentlassung, seine Heirat von Frau D. nach islamischem Ritus und die Betreuungsbedürftigkeit seiner Mutter. Er hat dies aber nicht zum Anlass für eine Ergänzung seiner Ermessensentscheidung genommen. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden, da die Änderungen in dem vorliegenden Fall (noch) kein solches Gewicht hatten, dass sie angesichts der Größe der vom Kläger weiterhin ausgehenden Gefahr einen Anlass für eine Ermessensergänzung gaben. Anders hätte sich die Lage dargestellt, wenn der Kläger im April 2011 bereits mit einer Deutschen verheiratet gewesen und mit ihr ein deutsches Kind gehabt hätte, wie das heute der Fall ist. Dann hätte die Änderung der persönlichen Verhältnisse des Klägers eine Qualität erreicht, die eine Ergänzung der Ermessensentscheidung erfordert hätte, ohne dass deshalb von einer Ausweisung hätte abgesehen werden müssen.

28

1.6 Die weiteren Rügen der Revision sind unbegründet; insbesondere ist das Ausweisungsverfahren fehlerfrei durchgeführt worden. Zwar war das in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG enthaltene "Vier-Augen-Prinzip" auf assoziationsrechtlich begünstigte türkische Staatsangehörige zu übertragen (Urteil vom 13. September 2005 - BVerwG 1 C 7.04 - BVerwGE 124, 217 <221 f.> im Anschluss an EuGH, Urteil vom 2. Juni 2005 - Rs. C-136/03, Dörr und Ünal - Slg. 2005, I-4759 = NVwZ 2006, 72). In dem hier vorliegenden Fall hat der Beklagte den angefochtenen Bescheid aber am 4. Oktober 2006 und damit erst nach Aufhebung der Richtlinie 64/221/EWG zum 30. April 2006 (Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG) erlassen. Zu diesem Zeitpunkt galt Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG nicht mehr.

29

Es kann offenbleiben, ob sich für assoziationsrechtlich begünstigte türkische Staatsangehörige die unionsrechtlichen Anforderungen an den Rechtsschutz gegen Ausweisungsentscheidungen nunmehr nach Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG (betreffend langfristig Aufenthaltsberechtigte) oder nach Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG (betreffend Unionsbürger) bestimmen. Denn in keiner dieser Vorschriften ist die Beteiligung einer unabhängigen Stelle im Ausweisungsverfahren zur Prüfung der Zweckmäßigkeit der Maßnahme vorgeschrieben. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 8. Dezember 2011 für die Auslegung von Art. 14 ARB 1/80 als neuen unionsrechtlichen Bezugsrahmen Art. 12 der Richtlinie 2003/109/EG herangezogen (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 74 und 78 f.). Nach Absatz 4 dieser Vorschrift steht langfristig Aufenthaltsberechtigten zur Überprüfung einer Ausweisung der Rechtsweg offen. Noch nicht ausdrücklich entschieden wurde, ob die maßgebliche Vorschrift der Richtlinie 2004/38/EG für den Rechtsschutz gegen Ausweisungsentscheidungen (Art. 31) auf assoziationsrechtlich begünstigte türkische Staatsangehörige entsprechend angewendet werden kann. Selbst wenn das geboten wäre, ergäbe sich daraus nicht die Verpflichtung zur Beteiligung einer unabhängigen Stelle, denn Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG sieht eine solche Beteiligung nicht vor. Vielmehr bestimmt Art. 31 Abs. 1, dass gegen Ausweisungsentscheidungen ein Rechtsbehelf eingelegt werden kann. Im Rechtsbehelfsverfahren sind gemäß Art. 31 Abs. 3 die Rechtmäßigkeit der Entscheidung sowie die Tatsachen und Umstände, auf denen die Entscheidung beruht, zu überprüfen. Das Rechtsbehelfsverfahren gewährleistet, dass die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf den in Art. 28 geregelten Schutz vor Ausweisung nicht unverhältnismäßig ist (Art. 31 Abs. 3 Satz 2). Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG kompensiert den Wegfall der Beteiligung einer unabhängigen Stelle im Verwaltungsverfahren, wie sie noch in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG vorgeschrieben war, durch einen erhöhten Rechtsschutz im gerichtlichen Verfahren. Die angefochtene Entscheidung unterliegt nunmehr nicht nur einer Rechtskontrolle, sondern das Gericht hat auch die der Entscheidung zugrunde liegenden Tatsachen zu überprüfen.

30

Nicht gefolgt werden kann der Auffassung, Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG sehe weiter die Beteiligung einer unabhängigen Stelle vor, was sich zum einen daraus ergebe, dass der Rechtsbehelf nach Art. 31 Abs. 1 "gegebenenfalls" auch bei einer Behörde eingelegt werden könne und sich die Überprüfung im Rechtsbehelfsverfahren gemäß Art. 31 Abs. 3 nicht nur auf Tatsachen, sondern auch auf "Umstände" zu beziehen habe. Denn der Verweis in Art. 31 Abs. 1 auf die Möglichkeit, einen Rechtsbehelf gegebenenfalls bei einer Behörde einzulegen (englische Fassung: "where appropriate"), bezieht sich erkennbar auf die Fälle, in denen das nationale Recht das so vorsieht, etwa wenn der gerichtlichen Überprüfung noch ein behördliches Widerspruchsverfahren vorgeschaltet ist. Eine unionsrechtliche Verpflichtung zur Beteiligung einer zweiten Stelle im Verwaltungsverfahren ergibt sich daraus jedoch nicht. Entsprechendes gilt für die in Art. 31 Abs. 3 vorgeschriebene Überprüfung der Tatsachen und Umstände, auf denen die Entscheidung beruht. Aus dem Begriff der "Umstände" (englische Fassung: "circumstances") lässt sich eine Zweckmäßigkeitsprüfung - wie sie in Deutschland einer Behörde vorbehalten wäre - nicht ableiten. Die Formulierung ist vielmehr im Zusammenhang mit Art. 31 Abs. 3 Satz 2 zu sehen, der die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Entscheidung im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Art. 28 vorschreibt. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind alle "Umstände" zu berücksichtigen, die Art. 28 bezeichnet.

31

Bereits in seinem Urteil vom 10. Juli 2012 - BVerwG 1 C 19.11 - hat der Senat ausgeführt (juris Rn. 23), dass assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige nach der Rechtsprechung des EuGH keine bessere verfahrensrechtliche Rechtsstellung beanspruchen können als Unionsbürger. Für Unionsbürger wurde die behördliche Kontrolle von Ausweisungsentscheidungen nach dem "Vier-Augen-Prinzip", wie sie Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG vorsah, abgeschafft. Dann steht aber auch den Inhabern eines aus dem ARB 1/80 abgeleiteten Aufenthaltsrechts kein solcher erweiterter behördlicher Rechtsschutz mehr zu.

32

Demgegenüber beruft sich der Kläger auf die Stillhalteklauseln in Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BGBl 1972 II S. 385) - ZP. Gemäß Art. 13 ARB 1/80 dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Gemäß Art. 41 Abs. 1 ZP werden die Vertragsparteien untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen. Aus diesen Stand-Still-Klauseln ergibt sich nach Auffassung des Klägers, dass Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG bei der Ausweisung assoziationsrechtlich privilegierter türkischer Staatsangehöriger weiterhin anzuwenden sei. Dem folgt der Senat nicht.

33

Wie bereits im Urteil vom 10. Juli 2012 ausgeführt (a.a.O. Rn. 25), spricht gegen die Auffassung des Klägers bereits die Tatsache, dass Art. 13 ARB 1/80 seinem Wortlaut nach nur die Mitgliedstaaten, nicht aber die Europäische Union verpflichtet. Art. 41 Abs. 1 ZP betrifft sachlich nur Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs, nicht aber die der Arbeitnehmerfreizügigkeit zuzurechnende aufenthaltsrechtliche Stellung aus Art. 7 ARB 1/80. Des Weiteren erscheint fraglich, ob die auf den Zugang zum Arbeits- bzw. Binnenmarkt zugeschnittenen Stand-Still-Klauseln überhaupt Verfahrensregelungen bei der Aufenthaltsbeendigung erfassen (vgl. Urteil vom 30. April 2009 - BVerwG 1 C 6.08 - BVerwGE 134, 27 Rn. 20 zu den gesetzlichen Erlöschenstatbeständen für Aufenthaltstitel) und ob die Aufhebung des "Vier-Augen-Prinzips" mit Blick auf die gerichtliche Überprüfbarkeit nach Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2003/109/EG oder Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG eine Verschlechterung der Rechtsposition darstellt. Das kann aber dahinstehen, da die weitere Anwendung des Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG auf assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige selbst bei Annahme einer rechtserheblichen Verschlechterung gegen Art. 59 ZP verstoßen würde. Nach dieser Vorschrift darf der Türkei in den von diesem Protokoll erfassten Bereichen keine günstigere Behandlung gewährt werden als diejenige, die sich die Mitgliedstaaten untereinander aufgrund des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft einräumen. Das wäre aber bei weiterer Anwendung des "Vier-Augen-Prinzips" im Vergleich zu den Verfahrensrechten von Unionsbürgern aus Art. 31 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2004/38/EG - wie oben dargelegt - der Fall.

34

Ohne Erfolg rügt der Kläger einen nationalen Verstoß gegen die Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 durch das Entfallen des Widerspruchsverfahrens für Ausweisungsentscheidungen in Baden-Württemberg seit 1. Juli 1999. Zum einen stellte die Durchführung des Widerspruchsverfahrens nach §§ 68 ff. VwGO keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Ausweisung dar, sondern - anders als Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG - lediglich eine Prozessvoraussetzung für die Erhebung einer Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht. Zum anderen betrifft der Wegfall des Widerspruchsverfahrens türkische Assoziationsberechtigte und Unionsbürger in gleicher Weise. Nach der Rechtsprechung des EuGH steht der Erlass oder Wegfall von Regelungen, die - wie hier - in gleicher Weise auf türkische Staatsangehörige und auf Gemeinschaftsangehörige Anwendung finden, nicht im Widerspruch zu den Stillhalteklauseln in Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 Abs. 1 ZP (vgl. Urteile vom 19. Februar 2009 - Rs. C-228/06, Soysal u.a. - InfAuslR 2009, 135 Rn. 61 zu Art. 41 ZP und vom 17. September 2009 - Rs. C-242/06, Sahin - Rn. 67 zu Art. 13 ARB 1/80). Demzufolge kann die generelle Abschaffung des Widerspruchsverfahrens in Baden-Württemberg nicht gegen Art. 13 ARB 1/80 verstoßen, da sie auch in Fällen der Verlustfeststellung des Rechts auf Einreise und Aufenthalt von Unionsbürgern (§ 6 FreizügG/EU) gilt. Im Übrigen wäre die Aufrechterhaltung des Widerspruchsverfahrens nur für türkische Staatsangehörige nicht mit dem Besserstellungsverbot des Art. 59 ZP vereinbar.

35

2. Auf den Hilfsantrag des Klägers, mit dem dieser die Befristung der Wirkungen der Ausweisung mit sofortiger Wirkung begehrt, ist die Beklagte zu verpflichten, die in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung auf die Dauer von neun Jahren zu befristen. Im Übrigen ist der Antrag unbegründet.

36

2.1 Der erst in der Revisionsinstanz gestellte Hilfsantrag ist zulässig. Das Verbot der Klageänderung im Revisionsverfahren in § 142 VwGO steht dem nicht entgegen. Während des Revisionsverfahrens ist § 11 AufenthG durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 in der Weise geändert worden, dass der Kläger nunmehr einen Anspruch auf gleichzeitige Befristung der in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG genannten Wirkungen der Ausweisung hat (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 28). Dieser Änderung des materiellen Rechts trägt der gestellte Hilfsantrag Rechnung.

37

2.2 Der Hilfsantrag ist nur in geringem Umfang begründet. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG n.F. darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ihm wird nach Satz 2 der Vorschrift auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Satz 3 der Vorschrift ordnet an, dass diese kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen auf Antrag befristet werden. Die Frist ist gemäß Satz 4 unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist (Satz 5). Die Frist beginnt nach Satz 6 mit der Ausreise. Nach Satz 7 erfolgt keine Befristung, wenn ein Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder aufgrund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG aus dem Bundesgebiet abgeschoben wurde.

38

2.2.1 Seit Inkrafttreten des § 11 AufenthG in der Neufassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 haben Ausländer grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde mit einer Ausweisung zugleich das daran geknüpfte gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot sowie die Titelerteilungssperre befristet. Das hat der Senat mit Urteil vom 10. Juli 2012 entschieden (a.a.O. Rn. 30 ff.). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest; zur Begründung wird auf das vorgenannte Urteil verwiesen. Fehlt die notwendige Befristung der Wirkungen der Ausweisung, hat das aber auch nach Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 nicht zur Folge, dass die - als solche rechtmäßige - Ausweisung aufzuheben ist. Vielmehr kann der Ausländer zugleich mit Anfechtung der Ausweisung seinen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG gerichtlich durchsetzen (Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 39 f.). Damit wird dem sich aus dem materiellen Recht ergebenden Anspruch des Betroffenen auf gleichzeitige Entscheidung über die Ausweisung und die Befristung ihrer Wirkungen Rechnung getragen und die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung im Ergebnis gewährleistet. Prozessual wird dieses Ergebnis dadurch sichergestellt, dass in der Anfechtung der Ausweisung zugleich - als minus - für den Fall der Bestätigung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung ein (Hilfs-)Antrag auf Verpflichtung der Ausländerbehörde zu einer angemessenen Befristung ihrer Wirkungen gesehen wird, sofern eine solche nicht bereits von der Ausländerbehörde verfügt worden ist. Daher ist im Fall der gerichtlichen Bestätigung der Ausweisung auf den Hilfsantrag zugleich eine Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung zu treffen.

39

2.2.2 Der Senat hält im vorliegenden Fall - bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts und auf der Grundlage von dessen tatsächlichen Feststellungen - eine Frist von neun Jahren für angemessen.

40

Die allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (zu der zuletzt genannten Voraussetzung vgl. Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2008/115/EG). Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Zunächst bedarf es der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Selbst wenn die Voraussetzungen für ein Überschreiten der zeitlichen Grenze von fünf Jahren gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG vorliegen, geht der Senat davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischerweise noch gestellt werden kann. Weiter in die Zukunft lässt sich die Persönlichkeitsentwicklung - insbesondere jüngerer Menschen - kaum abschätzen, ohne spekulativ zu werden. Leitet sich diese regelmäßige Höchstdauer für die Befristung von zehn Jahren aus dem Umstand ab, dass mit zunehmender Zeit die Fähigkeit zur Vorhersage zukünftiger persönlicher Entwicklungen abnimmt, bedeutet ihr Ablauf nicht, dass bei einem Fortbestehen des Ausweisungsgrundes oder der Verwirklichung neuer Ausweisungsgründe eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden müsste (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG).

41

Die auf diese Weise ermittelte Frist muss sich aber an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK, messen lassen und ist daher gegebenenfalls in einem zweiten Schritt zu relativieren. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie gegebenenfalls seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 42 m.w.N.). Dabei sind insbesondere die in § 55 Abs. 3 Nr. 1 und 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen. Die Abwägung ist nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles im Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorzunehmen bzw. von den Verwaltungsgerichten zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung des Gerichts vollumfänglich zu überprüfen oder bei fehlender behördlicher Befristungsentscheidung - wie hier - durch eine eigene Abwägung als Grundlage des Verpflichtungsausspruchs zu ersetzen.

42

Die in § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG genannte Höchstfrist von fünf Jahren ist im vorliegenden Fall ohne Bedeutung, da von dem Kläger - im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts - eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht; das ergibt sich aus den Ausführungen zu den Ausweisungsvoraussetzungen. Bei der Bemessung der Frist hatte der Senat in einem ersten Schritt zu berücksichtigen, dass beim Kläger die Gefahr der Wiederholung schwerwiegender Drogenstraftaten besteht. Trotz seiner erfolgreichen Fortbildungsanstrengungen im Strafvollzug und in den Folgemonaten sowie erster Ansätze für eine erfolgreiche Integrationsprognose wäre wegen des Gewichts der gefährdeten Rechtsgüter und der vom Berufungsgericht festgestellten hohen Wiederholungsgefahr unter Berücksichtigung der fortbestehenden Verbindungen des Klägers zu einzelnen Mitgliedern seiner früheren Drogenbande sowie seines Alters eine Befristung für einen Zeitraum von zehn Jahren erforderlich, um dem hohen Gefahrenpotential in seiner Person Rechnung zu tragen. Diese Frist hat der Senat um ein Jahr reduziert und damit den persönlichen Bindungen des Klägers an Deutschland als Land, in dem er geboren und aufgewachsen ist und in dem seine Familie lebt, Rechnung zu tragen. Zu den vom Senat berücksichtigten Bindungen zählen auch die an Frau D. und deren minderjährige Kinder, wobei die Lebensgemeinschaft allerdings zum maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung erst wenige Monate bestand und in Kenntnis der ergangenen Ausweisungsverfügung eingegangen worden war.

43

Der Senat hat bereits in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Verkürzung der Frist stellen kann. Bei der Bescheidung dieses Antrags sind von der Beklagten dann die Änderungen in den persönlichen Verhältnissen des Klägers zu berücksichtigen, die seit dem Berufungsurteil vom April 2011 eingetreten sind, insbesondere seine standesamtliche Eheschließung mit Frau D., die mittlerweile die deutsche Staatsangehörigkeit hat, sowie die Geburt einer gemeinsamen Tochter, die ebenfalls deutsche Staatsbürgerin ist. Weiter wird die Beklagte im Fall eines Verkürzungsantrags des Klägers zu prüfen haben, ob auch solche neuen Tatsachen vorliegen, aus denen sich eine Verminderung der Wiederholungsgefahr ableiten lässt.

44

3. Die Frage, ob die Ausweisung und die Befristung ihrer Wirkungen an den Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie zu messen sind, kann im vorliegenden Fall offenbleiben (vgl. dazu Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 45). Denn selbst wenn man die intertemporale Geltung und die sachliche Anwendbarkeit der Rückführungsrichtlinie auf die (Wirkungen der) Ausweisung unterstellt, verhilft das der Revision im vorliegenden Fall nicht in weitergehendem Umfang zum Erfolg. Da der Kläger mit seinem Hilfsantrag die gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. gebotene Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung zusammen mit deren gerichtlicher Prüfung durchsetzen kann, wird den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie im Ergebnis Genüge getan. In dem hier vorliegenden Fall konnte die Dauer des Einreiseverbots auch die Regelfrist von fünf Jahren überschreiten, da der Kläger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne des Art. 11 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2008/115/EG darstellt.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2015 - 1 K 102/12 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und wurde am ... 1973 in ... (Türkei) geboren. Er ist verheiratet, reiste mit seiner Frau und seinen damals drei Kindern am ... 1997 in die Bundesrepublik ein und beantragte am folgenden Tag Asyl. Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 9. Oktober 1997 wurden die Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt und zugleich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 4 AuslG festgestellt. Inzwischen hat der Kläger mit seiner Frau, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist, sieben Kinder, von denen sechs die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Vier der Kinder studieren, zwei besuchen das Gymnasium und eines die Grundschule.
Der Kläger war zunächst im Besitz von Aufenthaltsbefugnissen bis Mitte 2005. Ein Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis vom März 2006 nahm der Kläger mit Blick auf den Bezug von öffentlichen Leistungen zurück. Ende März 2009 beantragte er erneut die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. In diesem Zuge erfolgte eine Regelanfrage nach § 73 Abs. 2 und 3 AufenthG, die zu der Mitteilung führte, dass Erkenntnisse vorlägen. Der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers erbat am 4. Juni 2009 von der Stadt ... die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG, nachdem das Bundesamt am 13. März 2009 mitgeteilt hatte, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme nach § 73 Abs. 1 bzw. 2 AsylG nicht vorliegen würden. Unter dem 9. Juni 2009 teilte die Stadt ... dem Kläger mit, dass die Ermittlungen des Landeskriminalamts noch nicht abgeschlossen seien. Ausweislich eines in der Akte der Stadt ... befindlichen Vermerks vom 19. November 2009 ging die Stadt sodann davon aus, dass auf eine Rückantwort des Landeskriminalamts und auf die Regelanfrage verzichtet werden könne. Die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG wurde dem Kläger schließlich am 4. Dezember 2009 erteilt.
Das in der Akte der Stadt befindliche Schreiben des Regierungspräsidiums ... an die Stadt vom 22. September 2009, das per Mail an diese gegangen sein soll, findet sich in der Akte erstmals als Anhang einer Mail des Regierungspräsidiums, datierend vom 22. Mai 2010. In diesem bittet das Regierungspräsidium die Stadt um Durchführung einer Sicherheitsbefragung. Die Stadt teilte dem Regierungspräsidium mit, dass die Aufforderung zur Durchführung einer Sicherheitsbefragung nicht zu den Akten gekommen sei, was eventuell mit einer längeren Krankheitszeit der früheren Sachbearbeiterin zusammenhängen könne. Sie informierte das Regierungspräsidium darin im weiteren über die Erteilung der Niederlassungserlaubnis an den Kläger.
Mit Schreiben vom 11. Juni 2010 informierte die Stadt dem Kläger darüber, dass das Regierungspräsidium sie aufgefordert habe, mit ihm eine Sicherheitsbefragung durchzuführen. Das Regierungspräsidium teilte dem Kläger mit Schreiben vom 23. Juli 2010 mit, dass die Niederlassungserlaubnis in Unkenntnis von Bedenken seitens der Sicherheitsbehörden gegen den weiteren Aufenthalt des Klägers in Deutschland erteilt worden sei. Es prüfe derzeit eine Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. eine Ausweisung. Hierzu werde dem Kläger die Möglichkeit eines Sicherheitsgesprächs zur weiteren Aufklärung gegeben. Am 23. Februar 2011 fand eine Sicherheitsbefragung des Klägers statt. Am anschließenden Sicherheitsgespräch nahm der Kläger nicht teil.
Mit hier angegriffener Verfügung vom 10. Januar 2012 wurde der Kläger durch das Regierungspräsidium ausgewiesen und verpflichtet, sich zweimal wöchentlich unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt ... begrenzt und die sofortige Vollziehung der Verfügung wurde angeordnet.
In der Verfügung wurde im Wesentlichen zunächst in tatsächlicher Hinsicht auf Erkenntnisse über sicherheitsrelevante Aktivitäten des Klägers ab 2001 und bis Dezember 2010 abgestellt und im Übrigen darauf, dass er unverändert Vorstandsmitglied (nunmehr 2. Vorsitzender) der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ (YEK-KOM) sei. Die Ausweisung beruhe auf § 55 AufenthG in Verbindung mit § 54 Nr. 5 AufenthG. Besonderer Ausweisungsschutz nach Art. 14 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei bestehe nicht, da der Kläger nur über wenige Monate hinweg abhängig beschäftigt gewesen sei. Seit Januar 2005 stehe er mit seiner Familie im Leistungsbezug nach dem SGB II. Die vorliegenden Erkenntnisse wiesen ausreichend Tatsachen für die gerechtfertigte Annahme nach, dass der Kläger entsprechende Unterstützungshandlungen gegenüber einer Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, vorgenommen habe. Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle sich um Vereinigungen im Sinne dieser Vorschrift. Die vom Kläger genannten Veranstaltungen, an denen dieser teilweise maßgeblich mitgewirkt habe, hätten erkennbar dazu gedient, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, sondern jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung der inkriminierten Bestrebungen zu fördern. Insoweit sei die Freiheit der Meinungsäußerung beschränkt. Entscheidend sei zudem, dass der Kläger nicht bloß passiver Teilnehmer an denen vom Landesamt für Verfassungsschutz benannten Veranstaltungen der unterstützenden Vereinigung gewesen sei, sondern in hervorgehobener Funktion, beispielsweise als Redner, diese tragend mitgestaltet und er sich auch nicht distanziert habe, wenn durch andere Teilnehmer der PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen gehuldigt worden sei. Er habe damit auch durch den Anschein der Billigung den Terrorismus gefördert. Das Engagement des Klägers als Vorsitzender im kurdischen Kulturverein e.V. ... sei ebenfalls als Unterstützungshandlung zu werten, da dieser nach Erkenntnissen und Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz als KONGRA-GEL-nah einzustufen sei. In der Vergangenheit habe der Vereinssitz mehrfach zwischen ... und ... gewechselt, wobei die Vereine auch unter verschiedenen Namen im Vereinsregister eingetragen worden seien. Nach Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz könne davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesen Vereinen um die Vorgängervereine des heutigen kurdischen Kulturvereins e.V. ... handle. Zum einen bestehe zwischen diesen Vereinen Personengleichheit der Vereinsbesucher und auch von einigen Vorstandsmitgliedern, die im Großraum .../... wohnhaft seien. Zum anderen hätten in allen Vereinen Vereinsfeierlichkeiten anlässlich bestimmter PKK-Gedenktage sowie „Märtyrergedenkveranstaltungen“ und „Volksversammlungen“ stattgefunden. Der Verein sei auch Mitglied in der YEK-KOM, die ein Dachverband von überwiegend KONGRA-GEL-nahen örtlichen Kurdenvereinen sei. Als 2. Vorstandsvorsitzendem seien dem Kläger deren Aktivitäten zuzurechnen. Von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit des Klägers sei auszugehen. Die Ausweisung sei danach aus spezialpräventiven Gründen gerechtfertigt. Die Ausweisung des Klägers sei auch nicht unverhältnismäßig mit Blick auf Art. 8 EMRK. Hinsichtlich der Integrationsleistung des Klägers sei zu beachten, dass er seinen Lebensunterhalt für sich und seine Familie nicht selbst sichern könne und weitere Verwurzelungserfolge des Klägers nicht ersichtlich seien. Das öffentliche Ausweisungsinteresse überwiege hier sein Bleibeinteresse, dem im Übrigen durch seine Duldung Rechnung getragen werden könne. Es sei ihm daher zuzumuten, seinen weiteren Aufenthalt auf Grundlage der Aussetzung der Abschiebung auszugestalten. Auch sei einzustellen, dass die Ausweisung auf Antrag befristet werde.
Der Umstand, dass die Stadt ... als untere Ausländerbehörde am 4. Dezember 2009 eine Niederlassungserlaubnis erteilt habe, obwohl die Sicherheitsbehörden auch schon zu diesem Zeitpunkt Erkenntnisse über den Kläger gehabt hätten, welche zu Bedenken gegen seinen weiteren Aufenthalt führen könnten, sei hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung unschädlich. Insbesondere handele es sich nicht um ein rechtsmissbräuchliches, widersprüchliches Behördenverhalten. Der Stadt ... sei lediglich ein Wissen dahingehend zurechenbar, dass überhaupt Erkenntnisse seitens der Sicherheitsbehörden vorgelegen hätten. Über deren Inhalt und Gegenstand sowie den Umstand, dass diese geeignet gewesen seien, Bedenken gegen den weiteren Aufenthalt des Klägers zu begründen, habe die Stadt ... keine Kenntnis gehabt. Vor der Mitteilung der Sicherheitsbehörden seien entsprechende Ausweisungsgründe der Ausländerbehörde noch nicht bekannt gewesen und könnten daher auch nicht verbraucht sein. Es genüge nicht, dass die Ausländerbehörde Kenntnis darüber habe, dass die Sicherheitsbehörden entsprechende Erkenntnisse hätten. Entscheidend sei, dass weitere maßgebliche Erkenntnisse auch nach dem 4. Dezember 2009 erlangt worden seien, wie der Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 17. Juli 2011 sie darstelle.
Die angeordnete zweimalige wöchentliche Meldepflicht und die räumliche Beschränkung auf den Stadtbezirk ... beruhten auf §§ 54a Absatz 1 Satz 1 AufenthG. Die Auflagen seien auch verhältnismäßig. Die Anordnung des Sofortvollzuges sei zum Schutz der öffentlichen Sicherheit geboten, dies insbesondere mit Blick auf die notwendige Kontrolle des Verhaltens des Klägers. Dies gelte insbesondere auch mit Blick darauf, dass die tatsächliche Beendigung des Aufenthalt des Klägers nicht möglich sei.
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Mit Schriftsatz vom 16. Januar 2012 erhob der Kläger Klage, mit dem Antrag, die Verfügung vom 10. Januar 2012 aufzuheben.
11 
Das Verwaltungsgericht hörte den Kläger in der mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren persönlich zu den ihm vorgeworfenen Aktivitäten und seiner derzeitigen Funktion in der NAV-DEM und deren Zielrichtung an. Er räumte dabei die ihm vorgehaltenen Teilnahmen an den genannten Veranstaltungen in tatsächlicher Hinsicht vollumfänglich ein. Insbesondere treffe es zu, dass er am 8. September 2012 Versammlungsleiter des kurdischen Kulturfestivals 2012 in ... gewesen und dort eine Videobotschaft von Murat Karayilan ausgestrahlt worden sei. Derzeit sei er 2. Vorsitzender der NAV-DEM. Diese sei durch eine Namens- und Satzungsänderung der YEK-KOM im Juni 2014 entstanden. Ein Antrag auf Löschung im Vereinsregister oder ein Auflösungsbeschluss bezüglich des Vereins YEK-KOM sei nicht erfolgt. Neben ihm und dem 1. Vorsitzenden, die bereits bei der YEK-KOM im Vorstand gewesen seien, seien drei neue Mitglieder in den fünfköpfigen Vorstand gewählt worden. Die NAV-DEM halte, wie die YEK-KOM zuvor, jedes Jahr zwei große Veranstaltungen ab. Er gehe auch weiterhin zu genehmigten Veranstaltungen anderer kurdischer Organisationen, auch in seiner Funktion als 2. Vorsitzender der NAV-DEM trete er als Redner auf. Das Verwaltungsgericht hörte des Weiteren Frau ... als Mitarbeiterin des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg informatorisch zu den Aktivitäten des Klägers und den Erkenntnissen des Landesamtes zu den Organisationen YEK-KOM und NAV-DEM an. Sie führte aus, dass sie die in den vorliegenden Berichten des Landesamtes zum Ausdruck gebrachte Einschätzung der eindeutigen Nähe des Vereins YEK-KOM zur KONGRA-GEL, in dem der Verein der PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen Raum zur Verbreitung ihrer Erklärungen und Äußerungen biete, teile. Dies gelte auch für die NAV-DEM, wie etwa eine Veranstaltung im Dezember 2014 gezeigt habe. Dem Landesamt lägen noch keine konkreten Erkenntnisse vor, dass zwischen YEK-KOM und NAV-DEM insoweit Unterschiede bestünden.
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Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 27. Januar 2015 den Beklagten verpflichtet, die Wirkungen der Ausweisung auf acht Jahre nach Ausreise des Klägers zu befristen und im Übrigen die Klage abgewiesen.
13 
Es hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei nur teilweise begründet, soweit der Beklagte verpflichtet sei, die Wirkungen der Ausweisungsverfügung auf acht Jahre nach Ausreise des Klägers zu befristen. Im Übrigen verletze diese den Kläger nicht in seinen Rechten. Ein erhöhter Ausweisungsschutz nach Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei (ARB 1/80) bestehe nicht, da der Kläger keine assoziationsrechtliche Rechtsposition erworben habe. Dies, da er selbst in der mündlichen Verhandlung angegeben habe, bei seinen Beschäftigungsverhältnissen jeweils kürzer als ein Jahr angestellt gewesen zu sein. Etwaige Rechtspositionen nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 wären daher durch den jeweils nächstfolgenden Arbeitgeberwechsel erloschen.
14 
Der Kläger sei in den Jahren von 2001 bis 2003 Vorsitzender des kurdischen Kulturvereins e.V. ... gewesen. Zwischen 2004 und Mitte 2014 sei er mit einer kurzen Unterbrechung Anfang des Jahres 2012 durchgehend Mitglied im Vorstand, zeitweise 2. Vorsitzender, der YEK-KOM gewesen. Im Mai 2012 sei er erneut in den Vorstand der YEK-KOM gewählt worden, die inzwischen in die NAV-DEM übergegangen sei.
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Der Kläger erfülle die Tatbestandsvoraussetzung einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen seien nach ständiger Rechtsprechung terroristische Vereinigungen im Sinne dieser Vorschrift. Die PKK werde nach wie vor auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen geführt. Soweit sich der Kläger darauf berufe, die PKK habe nunmehr eine geänderte Ausrichtung mit Blick auf die Verteidigung der kurdischen Bevölkerung und der Jesiden im Nordirak gegen den IS, handele es sich um ein temporäres Phänomen, das nicht mit einem dauerhaften Gewaltverzicht und Friedenskurs gegenüber der Türkei einhergehe. Dies ergebe sich auch aus einem Interview des stellvertretenden PKK-Chefs Cemil Bayik vom 10. Oktober 2014, in dem dieser damit gedroht habe, dass sie den Verteidigungskrieg zum Schutze des Volkes auch wieder aufnehmen könnten. Entsprechende Stellungnahmen gebe es auch vom Oberkommandierenden des bewaffneten Arms der PKK „Volksverteidigungskräfte“, der erklärt habe, dass der Friedensprozess mit der Türkei hinfällig sei und die gemeinsamen Übergriffe des türkischen Staates mit dem islamischen Staat einer Kriegserklärung gleichkämen, wie sich aus der Bundestagsdrucksache 18/3491, Seite 4, entnehmen lasse. Zu berücksichtigen sei auch, dass in der Vergangenheit entsprechende Kursänderungen nicht von Dauer gewesen seien.
16 
Der Kläger unterstütze die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen durch seine langjährige Tätigkeit als Vorstandsmitglied der YEK-KOM bzw. nunmehr der NAV-DEM. Er sei nahezu ununterbrochen seit 2004 im Vorstand beider Vereine gewesen, was er in der mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich eingeräumt habe. Er habe seine Vorstandstätigkeit aktiv ausgeübt, sei selbst auch als Redner und Versammlungsleiter aufgetreten und habe die Interessen des Dachverbandes gegenüber den Mitgliedsvereinen vertreten. Damit seien dem Kläger die von diesen Organisationen ausgehenden Unterstützungshandlungen zuzurechnen.
17 
YEK-KOM bzw. NAV-DEM unterstützten wiederum die PKK und deren Nachfolgeorganisationen. Die Vereinigungen schafften insbesondere eine Plattform für Botschaften und Propaganda der PKK und gewährleisteten eine ständige Präsenz der PKK im gesellschaftlichen Leben der Kurden im Bundesgebiet. Sie sicherten der PKK auf diesem Wege einen Raum für die Ansprache und die Sicherung von Unterstützung durch im Bundesgebiet lebende Kurden. Diese Einschätzung werde sowohl durch die Selbstdarstellung der YEK-KOM wie auch von der Gestaltung und dem Ablauf ihrer Veranstaltungen sowie der Veranstaltungen ihrer Mitgliedsvereine getragen. Im nach wie vor auf der Internetpräsenz der YEK-KOM abrufbaren Arbeitsprogramm werde auf das Selbstverständnis der in Europa lebenden Kurden als „logistische UnterstützerInnen des nationalen Befreiungskampfes“ verwiesen. Die Pressemitteilung der YEK-KOM zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen auf dem kurdischen Kulturfestival im Jahr 2012 greife dies ebenfalls auf und spreche davon, dass die PKK für Millionen Kurdinnen und Kurden eine legitime Vertretung sei und einen „gerechten Kampf gegen Krieg und Unterdrückung“ führe. Deswegen lasse sich die kurdische Bevölkerung nicht verbieten, die Symbole der PKK öffentlich zu zeigen und sich zu ihr zu bekennen. Bei diesem Selbstverständnis der Kurden handle es sich letztlich um das Selbstverständnis der YEK-KOM selbst. Denn zum einen begreife sich diese gerade als Dachorganisation der Kurden in Deutschland und als deren Interessenvertretung. Zum anderen werde auf dieses Selbstverständnis ohne jegliche Distanzierung und im Gesamtkontext der Forderung nach einer Aufhebung des PKK-Verbots Bezug genommen. Die YEK-KOM biete zudem eine Plattform für Äußerungen von Funktionären der PKK. Auf ihren Großveranstaltungen würden regelmäßig Grußbotschaften führender PKK-Funktionäre verlesen und als Videobotschaft gezeigt. Auf dem genannten Kulturfestival 2012, dessen Versammlungsleiter der Kläger gewesen sei, sei eine Videobotschaft des oben genannten Murat Karayilan und im Jahr 2013 eine solche des ebenfalls schon genannten Cemal Bayik gezeigt worden. Gleiches sei auf den jährlichen Newroz-Festivals geschehen. Die Veranstaltungen der Mitgliedsvereine der YEK-KOM, an denen der Kläger in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied teilgenommen habe, seien jeweils durch die zeitliche Nähe zu für die PKK bedeutsamen Daten (PKK-Gründungsjahrestag; Tag der Festnahme Öcalans) und das regelmäßig stattfindende Märtyrergedenken gekennzeichnet, wie sich aus den Einschätzungen des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 14. Januar 2015, 29. Januar 2014, 17. Oktober 2013 und 27. August 2012 ergebe. Das Gedenken an Märtyrer möge Teil der kurdischen Kultur sein, wie der Kläger meine, zugleich komme jedoch zum Ausdruck, dass der Einsatz von Gewalt als politisches Mittel im „Befreiungskampf Kurdistans“ grundsätzlich gebilligt werde. Denn ein Gedenken an Märtyrer schließe eine positive Bewertung der mit den Märtyrertod verbundenen Überzeugung ein. Dies gelte erst recht, weil auf den Veranstaltungen von YEK-KOM und ihren Mitgliedsvereinen soweit ersichtlich keine entsprechende Distanzierung von diesem bewaffneten Kampf erfolgt sei. Es handele sich gerade nicht, wie der Kläger wohl geltend machen wolle, um ein bloßes Gedenken an die verstorbenen des eigenen Volkes, sondern um Verstorbene im „Befreiungskampf“ der kurdischen Bevölkerung und zwar insbesondere derer, die bewaffnete Auseinandersetzungen, beispielsweise als Guerillakämpfer, geführt hätten. Durch die Umbenennung der YEK-KOM in NAV-DEM sowie die damit einhergehenden Satzungsänderungen habe sich die Ausrichtung des Vereins nicht verändert. Bereits aus vereinsrechtlicher Sicht liege keine Neugründung sondern eine bloße Umfirmierung vor. Dies ergebe sich aus dem vom Kläger vorgelegten Protokoll der Delegiertenversammlung vom 22. Juni 2014. In der Pressemitteilung zu Umbenennung vom 18. Juli 2014 spreche die Organisation selbst davon, dass „die Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland YEK-KOM e.V. […] ihre Arbeit fortan unter dem Namen NAV-DEM e.V. fortsetzen [wird]“. Dabei sei nicht in Abrede zu stellen, dass die NAV-DEM auf eine umfassendere Organisation kurdischer Vereine ausgerichtet sein möge und ihre satzungsmäßigen Ziele grundsätzlich legitime politische Anliegen beträfen. § 54 Nr. 5 AufenthG stelle jedoch auf tatsächliche Unterstützungshandlungen ab. Es gebe keine Anhaltspunkte für eine wesentliche Veränderung des Aktivitätsspektrums der NAV-DEM gegenüber der YEK-KOM. Die NAV-DEM führe nach dem übereinstimmenden Bekunden des Klägers und des Landesamtes für Verfassungsschutz die beiden zentralen Großveranstaltungen (Newroz-Feier und kurdisches Kulturfestival) fort. Eine Änderung des Arbeitsprogramms sei bislang nicht erfolgt. Auch eine Distanzierung von den bisherigen Aktivitäten der YEK-KOM bzw. der Aktivitäten der PKK habe es nicht gegeben und gebe es auch jetzt nicht. Im Gegenteil führe die NAV-DEM die politischen Aktivitäten zur Aufhebung des PKK-Verbots fort. So führe eine Presseerklärung vom 24. November 2014 anlässlich des 21. Jahrestages des Verbots der PKK aus, dass das Betätigungsverbot für die PKK dazu geführt habe, dass „jegliches Engagement gegen den Krieg in Kurdistan und für die Rechte des kurdischen Volkes […] Repressionen und Kriminalisierung ausgesetzt [war]“.
18 
Der Kläger könne sich für seine Tätigkeit bei der YEK-KOM bzw. der NAV-DEM nicht auf den Verbrauch der Ausweisungsgründe durch Erteilung der Niederlassungserlaubnis im Jahr 2009 berufen. Aus Gründen des Vertrauensschutzes könne eine Ausweisung in der Regel nicht mehr auf solche Tatbestände gestützt werden, in deren Kenntnis die Ausländerbehörde zuvor vorbehaltlos eine Aufenthaltserlaubnis erteilt habe. Für den Vertrauensschutz des Ausländers sei maßgeblich, wie dieser bei verständiger Würdigung die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis verstehen durfte. Insofern dürfe eine Ausweisung nicht mehr allein auf die Betätigung des Klägers vor der Erteilung der Niederlassungserlaubnis im Jahr 2009 gestützt werden, da er insoweit davon habe ausgehen dürfen, dass diese Betätigung im Verfahren zur Erteilung der Niederlassungserlaubnis überprüft worden sei. Jedenfalls für den Zeitraum ab Erlass der angegriffenen Ausweisungsverfügung bis zum Tag der mündlichen Verhandlung, dem entscheidungserheblichen Zeitpunkt, könne der Kläger jedoch keinen Vertrauensschutz geltend machen. Mit der Anhörung durch die Beklagte am 3. März 2011, spätestens jedoch mit Zustellung der Ausweisungsverfügung am 12. Januar 2012, habe dem Kläger die unterbliebene Prüfung von Ausweisungsgründen nach § 54 Nr. 5 AufenthG durch die Stadt... bewusst sein müssen. Schutzwürdiges Vertrauen auf seine weitere Betätigung für die YEK-KOM ohne entsprechende ausländerrechtliche Konsequenzen habe der Kläger ab diesem Zeitpunkt nicht mehr entwickeln können. Der bis dahin bestehende Vertrauensschutz hindere aber nur die Neubewertung vergangener Ereignisse, nicht jedoch die Bewertung der fortgesetzten Tätigkeit des Klägers. Die erneute Wahl des Klägers in den Vorstand der YEK-KOM im Mai 2012 stelle die entscheidende Zäsur dar. Dieser habe sich in Kenntnis der Tatsachen, auf die der Beklagte seine Ausweisungsverfügung gestützt habe, dazu entschlossen, seine Tätigkeit im Vorstand von YEK-KOM bzw. NAV-DEM fortzusetzen und er habe damit zum Ausdruck gebracht, dass er von einer weiteren Betätigung nicht Abstand nehme.
19 
Als anerkannter Flüchtling und Besitzer einer Niederlassungserlaubnis, der sich länger als fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, dürfe der Kläger nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Solche lägen insbesondere in den Fällen des §§ 54 Nr. 5 AufenthG vor. Ein Ausnahmefall von dieser Regel sei hier nicht gegeben. Der Kläger habe trotz der im Raum stehenden Ausweisung nunmehr erneut über einen Zeitraum von knapp drei Jahren aktiv die Aktivitäten der PKK über seine Vorstandstätigkeit unterstützt. Dabei habe er durch die Übernahme der Versammlungsleitung beim 20. kurdischen Kulturfestival in ... und seine Rednertätigkeit eine besonders exponierte Rolle eingenommen. Es lägen daher die Voraussetzungen für eine Ausweisung des Klägers im Ermessenswege vor. Die Ermessensausübung sei nicht zu beanstanden.
20 
Die Ausweisung sei auch gemessen an Art. 21 und Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie rechtmäßig. Auf die Frage, ob die Anforderungen für die Beendigung oder Ablehnung eines Aufenthaltstitels Art. 21 Abs. 1 und 2 der Qualifikationsrichtlinie geringer seien als die aus Art. 24 Abs. 1 komme es nicht an. Denn die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie seien erfüllt. Danach dürfe die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, jedenfalls wenn sie ein unbefristetes Aufenthaltsrechts ersatzlos zum Erlöschen bringe, nur erfolgen, wenn der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen sei. Dabei sei eine individuelle Prüfung des Einzelfalls erforderlich. In Anlehnung an das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK reiche die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG noch nicht aus. Vielmehr müsse sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Die Gründe müssten so gravierend sein, dass sie es rechtfertigten, dass Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das setze eine qualifizierte Unterstützung des Terrorismus voraus, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als aktiver Funktionär. Dies setze eine wertende Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles voraus, unter anderem auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und eine Gewaltbereitschaft bestimmt werde. Eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sei auch durch Unterstützung einer Organisation gegeben, die im Bundesgebiet selbst keine Terrorakte verübe, denn es sei grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass sie die Gewalt auch als Mittel zur Lösung politischer Konflikte außerhalb ihres eigentlichen militärischen Aktionsgebiets einsetze. Zudem hätten Funktionäre der PKK auch Kurden in Deutschland zum bewaffneten Kampf in Syrien aufgerufen. Die Rückkehr solcher Kämpfer nach Deutschland stelle sich, wie bei Kämpfern anderer Organisation auch, als unkalkulierbares Sicherheitsrisiko dar. Eine Gefährdung der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch die Aktivitäten der PKK bestehe aber auch dann, wenn die Verübung terroristischer Akte auf dem Bundesgebiet durch die PKK ausgeschlossen wäre und sich alleine auf die Türkei beschränkten. Denn die Türkei und Deutschland seien NATO-Bündnispartner und in ein System kollektiver Verteidigung im Sinne von Art. 24 GG eingebunden. Diese Sicherheitspartnerschaft wäre in Frage gestellt, würde ein Bündnispartner die Unterstützung terroristischer Vereinigungen im Gebiet eines anderen Bündnispartners dulden. Die Duldung solcher Aktivitäten könne zu einer in Stabilisierung der Sicherheitslage im betroffenen Staat führen, die wiederum dessen Handlungs- und Beistandsfunktion gegenüber sein Bündnispartner beeinträchtigen könne.
21 
Der Kläger habe durch seine aktive Funktionärstätigkeit die PKK in diesem Sinne qualifiziert unterstützt. Die aktive Tätigkeit im Vorstand der Vereine sei einer direkten Einbindung in die PKK-Funktionärsebene gleichzusetzen. Ohne die entsprechenden Veranstaltungen der YEK-KOM bzw. NAV-DEM wäre die Organisation und die Sicherung des Zusammenhalts der Anhängerschaft der PKK in Deutschland nicht oder nur unter erheblich erschwerten Bedingungen möglich. Die Aufrechterhaltung eines jahrelangen, bewaffneten Guerillakampfes könne nur aufrechterhalten werden, wenn im Hintergrund der kämpfenden Einheiten ein stabiles und ideologisch gefestigtes Umfeld der Unterstützung, sei es in finanzieller oder politischer Hinsicht, bestehe. Die Bedeutung der YEK-KOM bzw. NAV-DEM für die Aktivitäten der PKK sei als sehr hoch zu bewerten. Besonders deutlich werde dies an den organisierten Veranstaltungen der Vereinigungen. Sie ermöglichten der PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen, unter dem Schirm der Vereine die jeweilige Parteilinie an eine große Zahl von Personen zu vermitteln und dabei das auf den Großveranstaltungen erzeugte Gemeinschaftsgefühl für ihr Anliegen zu nutzen. Eine stärkere Identifikation und Unterstützung der Anliegen einer verbotenen Organisation als die Präsentation der Videobotschaften ihrer Führer vor einem Massenpublikum sei schwerlich vorstellbar. Dies rechtfertige es, die Vorstandstätigkeit in diesen Vereinen, zumal wenn sie im Fall des Klägers ohne jegliche Distanzierung zu den Aktivitäten der PKK erfolge, einer Funktionärstätigkeit in der PKK gleichzusetzen.
22 
Die Anordnung der Meldepflichten und der Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54 a AufenthG sei ebenfalls rechtmäßig. Der Kläger habe einen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf eine Dauer von acht Jahren.
23 
Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen, da die Frage grundsätzliche Bedeutung habe, ob die Tätigkeit im Vorstand eines nicht verbotenen Vereins, der eine Vereinigung unterstütze, die den Terrorismus unterstützt, die Voraussetzung des Art. 21 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 und Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllen könne.
24 
Gegen das dem Kläger am 31. März 2015 zugestellte Urteil hat dieser mit Schriftsatz vom 20. April 2015, eingegangen am selben Tag, beim Verwaltungsgericht Berufung eingelegt.
25 
Er führt im Wesentlichen aus: Dem Verwaltungsgericht fehle die Sachkunde für die Feststellung, dass die Umbenennung der YEK-KOM in NAV-DEM nicht zu einer wesentlichen Änderung des Aktivitätenspektrums der NAV-DEM gegenüber der YEK-KOM geführt habe. Zudem könne aufgrund einer veränderten internationalen Entwicklung nicht mehr ohne weiteres mit Blick auf die PKK von einer terroristischen Vereinigung ausgegangen werden. Einheiten der PKK hätten insbesondere ab August 2014 verfolgte Jesiden im Norden des Iraks vor dem IS geschützt, dies, nachdem die Peschmergas den Schutz verweigert hätten. Auch bei der Verteidigung von Kobane habe die PKK eine wichtige militärische Schutzfunktion für die schutzlose Zivilbevölkerung über ihren syrischen Zweig YPG übernommen. Diese sei dabei von der US-Luftwaffe unterstützt worden. Die PKK müsse nach Einschätzung westlicher Beobachter in den politischen Prozess eingebunden werden. Die US-Regierung weise ausdrücklich darauf hin, dass die YPG ungeachtet ihrer engen Verbindung zur PKK nicht als terroristische Organisation angesehen werde. Dies habe zu einer Überprüfung der Position der USA und westlicher Staaten im Hinblick auf ihre Einstellung gegenüber der PKK geführt. Haupthindernis bei den Bemühungen um eine gemeinsame internationale Strategie gegen den IS sei die türkische Regierung, die völlig eigene Interessen verfolge. Jedenfalls bedürfe es einer sorgfältigen Aufklärung der aufgezeigten Entwicklung und der darauf beruhenden Einschätzung. Das von den Verfassungsschutzbehörden unterstellte separatistische Ziel bezogen auf die Türkei sei seit langem überholt. Von der PKK gebilligte und koordinierte militärische Einsätze gegen die Türkei würden seit zwei Jahren nicht mehr geführt. Entgegenstehende Äußerungen hochrangiger Funktionäre der PKK müssten dem nicht zwingend entgegenstehen, sondern könnten auch als Teil der Propaganda zwischen der PKK und dem türkischen Staat bewertet werden. Terroristische Aktionen in europäischen Ländern seien seit 2005 nicht mehr unternommen worden. Die politische und militärische Strategie der PKK habe sich seit dem Aufkommen des IS nahezu ausschließlich auf eine Schutzfunktion zu Gunsten der jesidischen und kurdischen Bevölkerung in Syrien verändert. Es entspreche jedenfalls dem Willen der jetzigen Führung der PKK, den Kampf der Einheiten vollständig auf den Schutz der bedrohten Zivilbevölkerung in den bezeichneten Ländern zu konzentrieren.
26 
Das Verwaltungsgericht stelle auf die Vorstandstätigkeit des Klägers bei der YEK-KOM bzw. der NAV-DEM ab, bezeichne jedoch keine einzige Aktivität des Klägers, die als individuelle Unterstützung der PKK ausgelegt werden könne. Der Unterstützungsbegriff werde unzutreffend ausgelegt, insbesondere soweit auf Aktivitäten „im Interessenbereich der PKK“, namentlich der Forderung nach Aufhebung des PKK-Verbots unter Freilassung Öcalans abgestellt werde. Von derartigen, politisch neutralen Forderungen könne nicht auf Unterstützung einer terroristischen Vereinigung bzw. eines bewaffneten Kampfes der PKK geschlossen werden. Es handele sich nicht um den Aufruf zur Begehung terroristischer Taten. Soweit das Verwaltungsgericht anführe, dass in dem „Denken an Märtyrer“ zugleich zum Ausdruck komme, dass der Einsatz von Gewalt als politisches Mittel im Befreiungskampf Kurdistans grundsätzlich gebilligt werde, habe der Kläger darauf hingewiesen, dass er insgesamt 13 nahestehenden Angehörigen in dem Kurdenkonflikt in der Türkei gedacht habe, die durch das türkische Militär getötet worden seien. Er sei gläubiger Muslim und bekunde so seine Trauer und seinen Respekt vor den Toten. Damit habe sich das Verwaltungsgericht in seiner Bewertung nicht auseinandergesetzt.
27 
Das Bundesverwaltungsgericht verlange für eine Unterstützung des Terrorismus aus rechtsstaatlichen Gründen eine engere Verbindung zu den terroristischen Aktivitäten, da dem Einzelnen anderenfalls ein Verhalten zugerechnet werde, dass weder von seinem Willen noch von der durch ihn unterstützten Vereinigung getragen werde. Lediglich die Befürwortung bestimmter spezifischer Ideologien oder Weltanschauungen, sofern daraus nicht Handlungsanleitungen zur Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung politischer oder religiöser Ziele abgeleitet würden, reichten danach nicht aus. Eine Vereinigung könne nur dann als den Terrorismus unterstützende Vereinigung angesehen werden, wenn sie Dritte mit einer entsprechenden Einstellung für die militante Durchsetzung der Ideologie gewinnen wolle. Das Verwaltungsgericht wende § 54 Nr. 5 AufenthG indessen bereits dann an, wenn z.B. die Aufhebung des Vereinsverbots der PKK oder eine friedliche Lösung des Kurdenkonflikts in der Türkei gefordert werde. Es lasse bereits bloße Sympathiebekundungen für eine Organisation, die durch die Sicherheitsbehörden als terroristische eingestuft werde, für den Unterstützungsbegriff ausreichen, ohne dass zusätzliche Tatsachen festgestellt würden, dass die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung auch auf die Unterstützung des Terrorismus gerichtet seien, etwa dadurch, dass gezielt bei Veranstaltungen Jugendliche für den bewaffneten Kampf in kurdischen Siedlungsgebieten angeworben oder durch konkrete Aktionen Kämpfer der PKK in diesen Gebieten unterstützt würden.
28 
Das Verwaltungsgericht verletze § 54 Nr. 5 AufenthG auch, indem es keinen subjektiven Tatbestand voraussetze. Es stelle auf die Vorstandsfunktionen des Klägers in PKK-nahen Vereinigungen ab, berücksichtige aber nicht, dass dieser an seine 13 verstorbenen Verwandten gedacht habe. Im Übrigen fehlten Feststellungen dazu, dass der Kläger bei seinen Aktivitäten bewusst und gewollt den internationalen Terrorismus unterstütze.
29 
Die Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts zum Unterstützungsbegriff werde zudem verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht gerecht. Schon im objektiven Tatbestand sei darauf zu achten, dass der Unterstützungsbegriff nicht unverhältnismäßig namentlich in das Recht auf freie Meinungsäußerung eingreife. Der Organisationsbezug sei daher nicht schon immer dann zu bejahen, wenn in irgendeiner Form auf den verbotenen Verein und seine Aktivitäten hingewiesen werde, ohne dass nach dem deutlich erkennbaren Sinn der Äußerungen die Tätigkeit des Vereins gefördert werden solle. Aus dem Spannungsverhältnis zwischen Grundrechtsschutz und Gefahrenabwehr folge das Erfordernis einer restriktiven Auslegung des Unterstützungsbegriffs. Unterstützungshandlungen müssten auf die Festigung vorhandener terroristischer Strukturen abzielen und der Ausländer selbst müsse einen den Unterstützungsbegriff gerecht werdenden Beitrag zur Unterstützung der Vereinigung leisten. Das Bundesverfassungsgericht weise ausdrücklich darauf hin, dass dem Einzelnen nicht verboten werde, selbst bestimmte politische Ziele anzustreben und zu vertreten, wohl aber, dies durch Förderung der verbotenen Tätigkeit des Vereins zu tun. Die Abwehr richte sich nicht gegen die Handlung des Einzelnen als solche, sondern gegen die mit ihr verbundene Stärkung der Organisation. Es reiche nicht aus, wenn der Außenstehende gleiche Ansichten wie die verbotene Partei vertrete. Einer Meinungsäußerung sei daher nur dann eine objektive Gefahr immanent, wenn zusätzlich äußere, sich nicht nur aus der Willensrichtung des Äußernden ergebende Umstände hinzuträten, die der Äußerung einen unmittelbaren Förderungseffekt geben. Es bedürfe einer auf die terroristische Tätigkeit der Vereinigung bezogene Zweckgerichtetheit und insoweit gelte auch das Regelbeweismaß für Tatsachenfeststellungen. Engagierte Sympathisanten im Umfeld einer terroristischen Organisation, die wie hier der Kläger nicht strukturell in diese eingebunden seien, erfüllten daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht den Begriff der Unterstützung einer Vereinigung, die ihrerseits den Terrorismus unterstütze.
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Es müssten die gleichen Maßstäbe gelten wie für den strafrechtlichen Unterstützungsbegriff. Daran fehle es regelmäßig, wenn die Betätigung sich auf Geldspenden, Verteilung von Zeitungen und Flugblättern, die Teilnahme an friedlichen Demonstrationen, Hungerstreiks oder nicht gewalttätigen Besetzungsaktionen beschränke. Von terroristischem Aktivitäten im Einzelfall sei auszugehen, wenn der Betreffende aufgrund seiner hochrangigen Funktionärstätigkeit für die PKK eine qualifizierte Mitverantwortung für deren kriminelle und terroristische Aktivitäten in Deutschland trage. Dies werde auch durch die Rechtsprechung zur Anwendung von Art. 1 GFK, Art. 12 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 2004/83/EG, § 3 Abs. 2 Nr. 2 AsylG bestätigt. Auch dort gehe es um eine Zurechnung nach verwaltungsrechtlichen und nicht strafrechtlichen Grundsätzen, wobei dort der Beweisstandard hinsichtlich der materiellen Zurechnungskriterien gegenüber dem Strafrecht nicht herabgesenkt sei. Hier wie dort gehe es um die Gefährdung wichtiger öffentlicher Schutzgüter durch terroristische Gefahren. Verlangt werde dort ein vorsätzlicher Beitrag mit dem Ziel, die kriminelle Tätigkeit oder die strafbare Absicht der Gruppe zu fördern. Die Beiträge müssten also ausreichend sein, die Fähigkeit der Organisation, terroristische Anschläge zu verüben, zu fördern. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union fordere in diesem Zusammenhang eine individuelle Prüfung der genauen tatsächlichen Umstände. Er gehe davon aus, dass bei einer hervorgehobenen Position eine individuelle Verantwortlichkeit vermutet werden könne. Ob diese Vermutung gerechtfertigt sei, erfordere nach seiner Rechtsprechung aber eine Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände.
31 
In vorliegendem Fall sei zur Entlastung des Klägers zu berücksichtigen, dass er nicht in eine Organisation eingebunden sei, die sich terroristischer Mittel bediene. Zwar gehe das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass für den präventiven Gefahrenabwehrschutz gegenüber dem strafrechtlichen Maßstab der Begriff der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung erweitert werden dürfe. Aus verfassungsrechtlichen Gründen setze aber eine präventive Gefahrenabwehrmaßnahme voraus, dass durch das individuelle mit der Ausweisung bekämpfte Verhalten des Einzelnen eine konkrete Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter hervorgerufen werde. Es bedürfe stets einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die auf konkret umrissenen Tatsachen beruhe. Dass Sympathiebekundungen für eine terroristische Organisation, selbst Sympathiebekundungen für terroristische Aktivitäten, eine Gefahr begründeten, sei eher fern liegend, sofern keine konkreten Anhaltspunkte dafür geliefert werden könnten, dass durch diese die öffentliche Sicherheit gefährdet werde. Die Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad dürften nicht beliebig abgesenkt werden. Aufgrund des prognostischen Charakters des Gefahrenbegriffs und der Tatsache, dass nahezu jedes Gut mehr oder weniger risikogeneigt sei und mit Blick auf das Recht auf Inanspruchnahme grundrechtlicher Freiheiten müsse der Gesetzgeber in abstrakter Weise einen Ausgleich dieser widerstreitenden Interessen erreichen. Dies könne dazu führen, dass Grundrechtseingriffe einer bestimmten Eingriffsintensität erst von bestimmten Verdachts- oder Gefahrenstufen an vorgesehen werden dürften. Dies gelte auch für § 54 Nr. 5 AufenthG. Es genüge nicht, dass in irgendeiner Form auf die terroristische Organisation und deren Aktivitäten hingewiesen werde, ohne dass nach dem deutlich erkennbaren Sinn der Äußerung deren terroristische geprägten Tätigkeiten im objektiven Sinne gefördert werden sollten. Gemessen hieran habe der Kläger durch seine Vereinsaktivitäten nicht den internationalen Terrorismus unterstützt. Für § 54 Nr. 5 AufenthG seien ein kognitives und ein voluntatives Element erforderlich. Hinsichtlich des voluntativen Elements des subjektiven Unterstützungsbegriffs fehle es indes an der verfassungsrechtlich gebotenen Eindeutigkeit. Nach der Rechtsprechung genüge es, dass der Einzelne in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst stehe, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringe und damit deren Stellung in der Gesellschaft, vor allem unter Landsleuten, begünstigend beeinflusse, deren Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitere und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefährdungspotenzials beitrage. Dies reiche aus verfassungsrechtlicher Sicht jedoch nicht aus. Auch eine bloße Stärkung eines latenten Gefährdungspotenzials genüge nicht den Anforderungen, die für die Eingriffsverwaltung an das Bestehen einer konkreten Gefahr zu fordern seien. Bei Äußerungen müsse eine vereinsfördernde Zielrichtung eindeutig erkennbar sein. Ob der Betroffene die Grenzen einer erlaubten Tätigkeit überschreite, sei davon abhängig, wie weit der grundrechtlich geschützte Freiheitsbereich reiche. Dies könne ohne voluntative Elemente nicht bestimmt werden. Es sei daher zu verlangen, dass der Einzelne sich mit den Zielvorstellungen und terroristischen Aktivitäten einer Organisation identifiziere. Dementsprechend genüge eine bloße politische Sympathiebekundung des Einzelnen für eine terroristische Organisation nicht. Die Schwelle sei erst überschritten, wenn Sympathie in Form der Verherrlichung des Guerillakampfes bekundet werde. Zwar könne danach auch der Personenkult für Öcalan berücksichtigt werden, weil diesem nach wie vor ein Symbolgehalt für den bewaffneten Kampf der PKK zukomme, es bedürfe aber zusätzlicher tatsächlicher Feststellungen für die Identifikation Einzelner mit dem Terrorismus, in dem Sinne, dass diese mit der Sympathiebekundungen für Personen oder Organisationen zugleich auch deren terroristisch geführten bewaffneten Kampf unterstützen wollten.
32 
Das Verwaltungsgericht habe auch keine schwerwiegenden Gründe im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz der Qualifikationsrichtlinie festgestellt. Eine Regelvermutung, wie das nationale Recht, kenne das Unionsrecht nicht. Es sei eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles erforderlich. Das Refoulementverbot des Art. 33 Abs. 1 GFK müsse hierbei beachtet werden. Daher sei eine eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder Bereitschaft hierzu oder eine strukturelle Einbindung in diese, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, erforderlich. Die bloße Mitgliedschaft des Klägers im Vorstand von YEK-KOM bzw. NAV-DEM sowie dessen Redebeiträge, die im Übrigen nicht dahingehend bewertet worden seien, ob der Kläger in diesen zu Gewaltanwendung aufgerufen habe, genügten nicht.
33 
Aus der Teilnahme an rechtmäßigen Versammlungen und an Veranstaltungen, in der sich die kulturelle Identität als Kurde manifestiert habe, folge nicht automatisch, dass der Betroffene selbst terroristische Handlungen unterstützt habe. Solche Veranstaltung seien auch nicht automatisch terroristische Handlungen.
34 
Zudem sei durch das neue Ausweisungsrecht dem bisherigen Automatismus eine klare Absage erteilt worden. Es sei danach eine ergebnisoffene Abwägung auf Tatbestandsseite erforderlich, die gerichtlich voll überprüfbar sei. Hier fehle es schon an einer konkreten Gefahr als Grundlage einer solchen Abwägung. Generalpräventiv motiviert sei die Ausweisung im Rahmen des § 53 Abs. 3 AufenthG, dessen Voraussetzungen auch im Übrigen nicht vorlägen, nicht zulässig. Es fehle an der Unerlässlichkeit der Maßnahme. Auch bei Annahme einer vom Kläger ausgehenden Gefahr gehe die Abwägung zu dessen Gunsten aus, da besonders schwerwiegende Ausweisungsinteressen nicht bestünden und zugleich besonders schwerwiegende und schwerwiegende Bleibeinteressen vorlägen. Der langjährige rechtmäßige Aufenthalt des Klägers in Deutschland und die Interessen seiner Familie, mit der er zusammen lebe, seien umfassend zu berücksichtigen. Eine Nachreisen der Familie in die Türkei sei dieser nicht zuzumuten. Auch sei zu beachten, dass eine Beendigung des Aufenthalts des Klägers aufgrund seines Flüchtlingsstatus nicht zulässig sei.
35 
Das Verhalten des Klägers erfülle auch deshalb nicht die Voraussetzungen der Art. 21 Abs. 2 und 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, da er selbst weder terroristische Handlungen begangen habe, noch solche geplant, entschieden oder andere dazu angeleitet bzw. finanziert oder er Mittel dazu beschafft habe. Eine dieser abschließend zu verstehenden Handlungen verlange der Gerichtshof der Europäischen in seiner Entscheidung in der Rechtssache „T.“ (Urteil vom 24. Juni 2015 - C-373/13 -, juris) jedoch. Auch betone dieser, dass eine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen keine solche Handlung sei und sich daraus nicht zwingend die Unterstützung solcher Taten ergebe.
36 
Der Kläger beantragt,
37 
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 27. Januar 2015 - 1 K 102/12 - die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 10. Januar 2012 aufzuheben.
38 
Der Beklagte beantragt,
39 
die Berufung zurückzuweisen.
40 
Er führt im Wesentlichen aus: Die PKK sei auch nach wie vor als terroristische Organisation zu sehen. Sie sei weiterhin in der Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 sowie im bindenden Anhang zur Verordnung (EG) 2850/2001, zuletzt aktualisiert durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/513 vom 26. März 2015, aufgeführt. Zudem sei auf die Bundestagsdrucksache 18/3702 vom 7. Januar 2015 zu verweisen, in der die Bundesregierung deutlich mache, weshalb sie am Vereinsverbot bezüglich der PKK festhalte und diese als terroristische Organisation einstufe. Diese halte weiter an ihrem Standpunkt fest, nicht zwischen „guten“ und „bösen“ Terroristen zu unterscheiden. Zwar gehe die Bundesregierung nicht von Angriffen der PKK in Deutschland oder gegen deutsche Ziele aus, dennoch stünden Angriffe gegen Ziele des Nato-Partners Türkei unverändert auf dem Plan der PKK. Dies werde weiterhin von der Bundesregierung missbilligt und im Rahmen der Möglichkeiten deutscher Sicherheitsbehörden verhindert. Die Bundesregierung weise zudem darauf hin, dass die PKK Europa als Rückzugsraum für finanzielle und politische Aktivitäten betrachte. Weiterhin sei der Friedenprozess zwischen der Türkei und den Kurden seit Juli 2015 beendet, da die Waffenruhe zerbrochen und es zu neuen Kämpfen und Anschlägen gekommen sei. Am 22. Juli 2015 seien in Ceylanpinar im Südosten der Türkei zwei Polizisten ermordet worden. Die PKK habe sich hierzu bekannt. Am 10. August 2015 seien mehrere Anschläge in Istanbul erfolgt, darunter einer auf eine Polizeiwache, zu denen sich die PKK ebenfalls bekannt habe. Am 11. August 2015 habe es einen weiteren Anschlag in Südost-Anatolien gegeben, bei dem ein türkischer Soldat ums Leben gekommen sei.
41 
YEK-KOM und NAV-DEM unterstützten die PKK und deren Nachfolgeorganisationen insbesondere durch eine Plattform für Botschaften und Propaganda der PKK; sie gewährleisteten eine ständige Präsenz der PKK im gesellschaftlichen Leben der Kurden im Bundesgebiet. Die bloße Umbenennung der YEK-KOM in die NAV-DEM habe das Verwaltungsgericht zutreffend bewertet, dies werde auch durch den Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 24. August 2015 aufgezeigt. Eine Änderung des Arbeitsprogramms sei nicht erfolgt, es gebe auch keine Distanzierung der NAV-DEM von den Aktivitäten der YEK-KOM. Auf beiden Internetpräsenzen werde jeweils das Logo der NAV-DEM abgebildet, es werde das nahezu identische Layout verwendet, wie die Screenshots vom 20. August 2015 zeigten. Die NAV-DEM sei nach eigenen Angaben Mitglied der KON-KURD-Nachfolgeorganisation (europäischer Dachverband PKK-naher Vereine) und der Vorsitzende der NAV-DEM habe im März 2014 erklärt, dass man die deutsche Demokratie nicht akzeptieren könne, wie sich aus dem Verfassungsschutzbericht des Bundes 2014, Seite 131, ergebe. YEK-KOM bzw. NAV-DEM verträten entgegen der Darstellung des Klägers auch nicht lediglich die selben politischen Forderungen wie die PKK. Vielmehr würden die von der PKK gewählten Mittel der Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele öffentlich unterstützt, zumindest aber gebilligt. Die im verwaltungsgerichtlichen Urteil erwähnte Pressemitteilung der YEK-KOM zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen im Jahre 2012, in der ausgeführt werde, dass sich die kurdische Bevölkerung nicht verbieten lasse, die Symbole der PKK öffentlich zu zeigen und sich zu ihr zu bekennen, zeige das klare Bekenntnis zur PKK. Von der Gewaltanwendung der PKK habe sich die YEK-KOM auch nicht distanziert.
42 
§ 54 Nr. 5 AufenthG sei im Zusammenhang mit der UN-Resolution 1373 vom 28. September 2001 zu sehen, in der die Staaten dazu aufgefordert würden, die Nutzung ihres Staatsgebietes für die Vorbereitung, Durchführung und Finanzierung internationaler terroristischer Akte zu verhindern. Daher setze § 54 Nr. 5 AufenthG nicht voraus, dass von dem betroffenen Ausländer bereits eine konkrete Gefahr ausgehe. Angesichts der außerordentlichen Gefahren des internationalen Terrorismus sei es gesetzgeberischer Wille, dass die Voraussetzungen dieses Ausweisungsgrundes deutlich niedriger anzusetzen sei.
43 
Erforderlich sei eine wertende Gesamtbetrachtung der Aktivitäten und des Verhaltens des Ausländers. Einzelne belegbare Unterstützungshandlungen müssten vorliegen, die nach vernünftiger Wertung den Schluss zuließen, dass der Ausländer in nicht völlig unerheblicher Weise eine terroristische Organisation unterstütze. Zur Sicherung vor unverhältnismäßigen Eingriffen, etwa in die Meinungsfreiheit, müsse die Tätigkeit für den Ausländer erkennbar geeignet sein, sich auf die unterstützte Vereinigung positiv auszuwirken. Lediglich politische, humanitäre oder sonstige Ziele genügten nicht, das sei auch berücksichtigt worden. Die zahlreichen Aktivitäten des Klägers auch in herausgehobener Funktion könnten nicht als bloßes Gedenken an verstorbene Verwandte gewertet werden, da zugleich der Einsatz von Gewalt als politisches Mittel gebilligt worden sei. Der Kläger in seinen herausgehobenen Funktionen habe auch gewusst, dass Märtyrergedenkveranstaltungen für die Sache der PKK instrumentalisiert würden. Zurechenbar seien ihm die Unterstützungshandlungen auch mangels klarer Distanzierung durch ihn oder die Organisationen, für die er tätig gewesen sei und ist.
44 
Die Ausweisungsverfügung sei auch nach neuem Recht rechtmäßig. Die Voraussetzungen des Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie lägen vor, nachdem sogar jene des Art. 21 der Qualifikationsrichtlinie vom Verwaltungsgericht zu Recht bejaht worden seien. Der Kläger irre, wenn er meine, der Gerichtshof der Europäischen Union habe in seiner Entscheidung in der Rechtssache „T.“ zwingend eine Unterstützung in Form von eigenen terroristischen Tätigkeiten oder eine herausgehobene Stellung in der terroristischen Vereinigung selbst zur Voraussetzung gemacht. Stets sei der Einzelfall zu untersuchen und es gebe danach auch andere Formen der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung.
45 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger den Beweisantrag gestellt: „Es soll eine Auskunft zu den Tatsachen, dass die NAV-DEM insbesondere das Ziel verfolgt, die Interessen aller Kurden aus den Staaten Syrien, Irak und Türkei und die Integration der in Deutschland lebenden Kurden zu fördern sowie die Öffentlichkeit auf die Situation der bedrohten kurdischen Minderheiten im Irak und in Syrien hinzuweisen und für die Leistung humanitärer Hilfe für diese Personengruppe zu werden, eingeholt werden durch eine Auskunft durch den Sachverständigen A. I., Steindamm 39, 20099 Hamburg“. Diesen hat der Senat abgelehnt.
46 
Dem Senat liegen die verfahrensbezogenen Akten der Behörde vor. Es hat im weiteren die sich aus Blatt 165 der Gerichtsakten ergebenden weiteren Erkenntnismittel erhoben, die den Parteien zuvor zugänglich gemacht wurden. Wegen des weiteren Vortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
47 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht und ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 6 und Abs. 3 Satz 4 VwGO) Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2015 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Ausweisungsverfügung den Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO) (I.). Nicht streitgegenständlich ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung, gegen die sich der Kläger mit seinem Berufungsantrag nicht wendet (II.).
I.
48 
Die Ausweisungsverfügung ist auf § 53 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung (Art. 9 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BGBl. I, S. 1386 <1399>) zu stützen; maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der der mündlichen Verhandlung des Senats (BVerwG, Urteil vom 04. Oktober 2012 - 1 C 13.11 -, Rn. 16, BVerwGE 144, 230, Rn. 16 und vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 -, BVerwGE 143, 277, Rn. 12).
49 
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dieser Grundtatbestand des neuen Ausweisungsrechts umreißt die Ausweisungszwecke auf tatbestandlicher Ebene, die in § 54 AufenthG in vertypter und zugleich gewichteter Form als Ausweisungsinteressen ausdifferenziert werden. Nicht mehr entscheidungserheblich ist danach, ob der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren seine Ermessenserwägungen in hinreichender Form nachgebessert hat (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 1 C 20.11 -, juris). Denn ein Ermessen ist der Ausländerbehörde aufgrund des gesetzlichen Systemwechsels, hin zu einer gebundenen Entscheidung auf Tatbestandsseite, nicht mehr eingeräumt (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Ausweisung, Überblick, Stand: 18.01.2016, Rn. 1; terminologisch unzutreffend daher: Marx, Aufenthalts- Asyl- und Flüchtlingsrecht, 5. Aufl. 2015, § 7, Rn. 163).
50 
Hier erfüllt das Verhalten des Klägers das danach besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (1.). § 53 Abs. 3 AufenthG modifiziert den Ausweisungsmaßstab im Sinne erhöhter Anforderungen an das Gewicht der drohenden Rechtsgutsverletzung, sofern die in dieser Vorschrift aufgeführten Personengruppen betroffen sind. Der Kläger unterfällt als anerkannter Flüchtling dieser Regelung (2.). Dem Ausweisungsinteresse gegenüberzustellen ist das Bleibeinteresse des Ausländers nach § 55 AufenthG, das der Gesetzgeber ebenfalls vertypt und zugleich gewichtet, aber nicht abschließend aufgeführt hat (3.). § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, im konkreten Fall in Form des Interesses an der Beendigung des weiteren rechtmäßigen Aufenthalts, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende umfassende und abschließende Abwägung des Ausweisungsinteresses mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände einzubeziehen sind (4.). Aus all dem folgt auch, dass die Ausweisung vorliegend nicht gegen die assoziationsrechtlichen Stand-Still-Klauseln verstößt (5.).
51 
1. Im Fall des Klägers liegt ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, der bestimmt, dass ein solches im Sinne von § 53 Absatz 1 AufenthG besonders schwer wiegt, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wovon - unter anderem dann - auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
52 
Der Kläger unterstützt seit längerem und auch aktuell die PKK, eine terroristische bzw. den Terrorismus unterstützende Vereinigung (a.), und dies überwiegend in herausgehobener Funktion (b.).
53 
a.) Das Aufenthaltsgesetz selbst enthält keine eigene Definition des Terrorismus. Da die - insoweit - tatbestandlich deckungsgleichen Vorgängervorschriften des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; § 54 Nr. 5 AufenthG a. F.) auf die UN-Sicherheitsratsresolution 1373 (2001) vom 28. September 2001 zurückgehen (Art. 11 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 09.01.2002, BGBl I, Nr. 3, S. 361; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 1. Aufl., 2012, S. 187) und diese das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl 2003 II, S. 1923) in Bezug nimmt, wird in der Rechtsprechung zunächst auf die Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 lit. b des Internationalen Übereinkommens abgestellt (BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, BVerwGE 147, 261 und vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, BVerwGE 123, 114; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris). Danach ist eine terroristische Straftat als eine Handlung definiert,
54 
„die den Tod oder eine schwere Körperverletzung einer Zivilperson oder einer anderen Person, die bei einem bewaffneten Konflikt nicht aktiv an den Feindseligkeiten teilnimmt, herbeiführen soll, wenn diese Handlung aufgrund ihres Wesens oder der Umstände darauf abzielt, die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen“.
55 
Im Weiteren wird auf den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (2001/931/GASP) Bezug genommen (ABl. L 344 vom 28.12.2001, S. 93, juris), der in seinem Artikel 1 Abs. 3 terroristische Handlungen wie folgt definiert:
56 
„Im Sinne dieses Gemeinsamen Standpunkts bezeichnet der Ausdruck "terroristische Handlung" eine der nachstehend aufgeführten vorsätzlichen Handlungen, die durch ihre Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen kann und im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert ist, wenn sie mit dem Ziel begangen wird,
57 
i) die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder
58 
ii) eine Regierung oder eine internationale Organisation unberechtigterweise zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder
59 
iii) die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören:
60 
a) Anschläge auf das Leben einer Person, die zum Tode führen können;
61 
b) Anschläge auf die körperliche Unversehrtheit einer Person;
62 
c) Entführung oder Geiselnahme;
63 
d) weit reichende Zerstörungen an einer Regierungseinrichtung oder einer öffentlichen Einrichtung, einem Verkehrssystem, einer Infrastruktur, einschließlich eines Informatiksystems, einer festen Plattform, die sich auf dem Festlandsockel befindet, einem allgemein zugänglichen Ort oder einem Privateigentum, die Menschenleben gefährden oder zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen können;
64 
e) Kapern von Luft- und Wasserfahrzeugen oder von anderen öffentlichen Verkehrsmitteln oder Güterverkehrsmitteln;
65 
f) Herstellung, Besitz, Erwerb, Beförderung oder Bereitstellung oder Verwendung von Schusswaffen, Sprengstoffen, Kernwaffen, biologischen und chemischen Waffen sowie die Forschung und Entwicklung in Bezug auf biologische und chemische Waffen;
66 
g) Freisetzung gefährlicher Stoffe oder Herbeiführen eines Brandes, einer Explosion oder einer Überschwemmung, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;
67 
h) Manipulation oder Störung der Versorgung mit Wasser, Strom oder anderen lebenswichtigen natürlichen Ressourcen, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;
68 
i) Drohung mit der Begehung einer der unter den Buchstaben a) bis h) genannten Straftaten;
69 
j) Anführen einer terroristischen Vereinigung;
70 
k) Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung einschließlich durch Bereitstellung von Informationen oder materiellen Mitteln oder durch jegliche Art der Finanzierung ihrer Aktivitäten in dem Wissen, dass diese Beteiligung zu den kriminellen Aktivitäten der Gruppe beiträgt.
71 
Im Sinne dieses Absatzes bezeichnet der Ausdruck "terroristische Vereinigung" einen auf längere Dauer angelegten organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, die in Verabredung handeln, um terroristische Handlungen zu begehen. Der Ausdruck "organisierter Zusammenschluss" bezeichnet einen Zusammenschluss, der nicht zufällig zur unmittelbaren Begehung einer terroristischen Handlung gebildet wird und der nicht notwendigerweise förmlich festgelegte Rollen für seine Mitglieder, eine kontinuierliche Mitgliedschaft oder eine ausgeprägte Struktur hat.“
72 
Bei der hiernach erforderlichen wertenden Gesamtschau sind insbesondere die Ausübung von Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung als auch der Einsatz gemeingefährlicher Waffen zur Durchsetzung politischer Ziele für terroristische Handlungen kennzeichnend, daneben aber auch Tötungen von abtrünnigen Mitgliedern der eigenen Organisation oder von Sicherheitskräften, sofern die Merkmale eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des Art. 8 Abs. 2 lit. d und f des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 nicht erfüllt sind (OVG NRW, Urteil vom 02.07.2013 - 8 A 5118/05.A -, juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285; BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 -, juris und vom 04.09.2012 - 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230; jew. zum Ausschluss der Asylberechtigung wegen Unterstützung terroristischer Aktivitäten der PKK) bzw. eine Rechtfertigung über Art. 43 i. V. m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 08. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551) nicht in Betracht kommt (so: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, verneinend zur PKK), Der Senat ist sich danach bewusst, dass für die Definition des Terrorismus nicht schlicht auf die Anwendung von Gewalt abgestellt werden kann und auch Konstellationen denkbar sind, bei denen sich eine Gewaltanwendung als legitimes Mittel zur Wiederherstellung eines völkerrechtsgemäßen Zustands darstellt.
73 
Davon ausgehend gibt der vorliegende Fall dem Senat keinen Anlass, seine bisherige Bewertung zu revidieren, dass es sich bei der PKK um eine terroristische bzw. eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung handelt (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris; Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, NVwZ-RR 2012, 412).
74 
Die PKK ist auch weiterhin auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP -, ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2015/2430 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 337 vom 22.12.2012, S. 18 und die Durchführungsverordnung 2015/2425 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 334 vom 22.12.2015, S. 1), was nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Feststellung erlaubt, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285). Folgt man der Auffassung der Generalanwältin Sharpston, die in der Aufnahme einer Organisation in die Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 „auf den ersten Blick“ einen „deutlichen Anhaltspunkt dafür“ sieht, „dass die Organisation entweder eine terroristische Organisation ist oder (gestützt auf Beweise, die ihrerseits rechtlich angegriffen werden können) im Verdacht steht, eine solche Organisation zu sein“ (EuGH, Schlussanträge vom 11.09.2014, C- 373/13 -, juris, Rn. 95), führt dies in Bezug auf die PKK zu keiner anderen Bewertung. Der Senat geht unbeschadet der Listung der PKK davon aus, dass von dieser keine Bindungswirkung ausgeht und daher eine eigenständige gerichtliche Prüfung der vorliegenden Erkenntnismittel nicht entbehrlich ist (so auch: BayVGH, Beschluss vom 08.05.2009 - 19 CS 09.268 -, juris; a. A.: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 83), gleichwohl handelt es sich um ein gewichtiges Indiz, zumal gegen eine Listung effektiver gerichtlicher Rechtsschutz gewährt wird (Bauer, in: Sinn/Zöller, Neujustierung des Strafrechts durch Terrorismus und Organisierte Kriminalität, 2013, 103 <111>, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2012 - C-539/10 P, 550/10 P -, juris).
75 
Der Senat legt in tatsächlicher Hinsicht zunächst die im bisherigen Verfahren vom Beklagten und dem Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu den Aktivitäten der PKK zu Grunde, die der Kläger auch nicht in Frage stellt (Ziffer 2.1.1. der Ausweisungsverfügung, Blatt 25 bis 27 der Akte des Verwaltungsgerichts; Ziffer 1. a) des Urteils des Verwaltungsgerichts, Seite 8, unten, letzter Absatz bis Seite 10, Blatt 8 bis 10 der Gerichtsakte).
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Hiervon ausgehend ist zunächst festzustellen, dass die PKK, wie in den in Bezug genommenen Entscheidungen des Senats und in dem angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts schon ausgeführt, zu keinem Zeitpunkt ernst- und dauerhaft von terroristischen Aktionen Abstand genommen hat, da von ihr ausgerufene Waffenruhen stets wieder beendet wurden. Selbst während solcher Waffenruhen kam es weiterhin zu terroristischen Aktivitäten. Die Global Terrorism Database der University of Maryland (start.umd.edu unter dem Stichwort PKK) listet in ihrer aktuell bis Ende 2014 reichenden Datensammlung zahlreiche terroristische Aktivitäten in der Türkei auf, die der PKK bzw. deren militärischen Arm, der HPG, zugerechnet werden. In zwei - im Übrigen gravierenden - Fällen aus dem Jahr 2014 hat diese sogar ausdrücklich die Verantwortung für Anschläge übernommen, und zwar für einen Angriff am 26. September 2014 auf Verkehrspolizisten zwischen Diyarbakir und Bitlis, bei der drei Polizisten getötet und zwei verwundet wurden und einen weiteren „Granatenangriff“ auf eine Fabrikanlage am 24. Oktober 2014 in Kagizman, in der Provinz Kars, bei der drei der Angreifer getötet wurden. Wie sich der aktuellen Tagespresse und den weiteren Erkenntnismitteln des Gerichts entnehmen lässt, hat die PKK zuletzt Ende Juli 2015 die zuvor etwa zwei Jahre währende (relative) Waffenruhe ausdrücklich aufgekündigt. Es kam in der Folge, als Reaktion auf einen Anschlag in der türkischen Stadt Suruc, zur Ermordung zweier türkischer Polizisten in Ceylanpinar, zu der sich die PKK bekannt hat, und in der Folge zudem zu Auseinandersetzungen von pro-türkischen und pro-kurdischen Gruppen auch in Deutschland (Deutscher Bundestag, „Konflikt zwischen der Türkei und PKK“, Parlamentsnachrichten vom 22.10.2015; tagessschau.de, „PKK bekennt sich zu Anschlag auf Polizisten“, 22.07.2015, 15:29 Uhr; Deutschlandfunk.de, „PKK fühlt sich nicht mehr an erklärten Gewaltverzicht gebunden“, 05.11.2015; Wladimir van Wilgenburg, jamestown.org, TerrorismMonitor, Vol. XIII, Issue 19, 17.09.2015, „Turkey`s New Syria Policy: Preventing Islamic State an Kurdish Expansion“, S. 6 f.). Die Australian National Security weist in einer aktuellen Stellungnahme zur PKK darauf hin, dass diese zwar im Zuge der Waffenruhe mit dem türkischen Staat ihre terroristischen Aktivitäten heruntergefahren habe, gleichwohl aber seit dem 20. August 2012 über 50 Menschen durch Attacken der PKK ums Leben gekommen und über 300 gekidnappte Kinder zwischen Dezember 2013 und Mai 2014 zu verzeichnen gewesen seien (nationalsecurity.gov.au/listedterrororganisations/pages/kurdistanworkersparty). Entführungen von Kindern zur Erpressung von Geldzahlungen werden auch durch eine weitere seriöse Quelle bestätigt: M. M. berichtet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 31. Oktober 2015 in einem ausführlichen Hintergrundbericht („Die heimlichen Herrscher von Diyarbakir“, S. 7) von einer größer werdenden Abhängigkeit gewählter Politiker der HDP von der PKK in den kurdischen Gebieten der Türkei mit nach Auskunft von kurdischen Menschenrechtlern, wie etwa S. B., fatalen Folgen für jene Kurden, die bei der PKK nicht wohlgelitten seien: „Die PKK sieht sich keinen moralischen oder rechtlichen Werten unterworfen“, so B.. Wer ins Fadenkreuz der PKK gerate, könne auf niemanden hoffen. Die PKK treibe ihre eigenen Steuern ein und entführe Kinder von Leuten, die nicht zahlten. Er, B., sei überrascht, dass man im Ausland so wenig darüber wisse. Und weiter: In Diyarbakir sei es leichter, Erdogan oder den türkischen Staat anzugreifen als die PKK. „Der Preis für Kritik an der PKK kann der Tod sein, das Verbrennen von Autos, Häusern, Büros. Ich habe viele Drohungen bekommen.“, so B..
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Angesichts dieser Erkenntnislage kann keine Rede davon sein, die PKK hätte sich zu einer den Menschenrechten und der Demokratie verpflichteten Organisation gewandelt. Die Erschießung von Verkehrspolizisten, der Angriff auf eine Fabrikanlage mit Granaten sowie die Entführung von Kindern zur Finanzierung der eigenen Aktivitäten lassen sich nach Auffassung des Senats nicht als Kampfhandlungen in einem innerstaatlichen Konflikt oder gar als ein völkerrechtlich gerechtfertigtes Handeln in einem solchen bewerten (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274).
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Der Senat sieht sich hier auch in Übereinstimmung mit den aktuellen Bewertungen der PKK und deren Teilorganisationen durch den Bundesgerichtshof, (Beschluss vom 03.09.2015 - AK 27/15 -, BeckRS 2015, 16318; vom 19.03.2015 - AK 2/15 -, juris; vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, auch zur Zurechnung von Taten der TAK zur PKK; vom 16.02.2012 - AK 1/12 und AK 2/12 -, juris, zur KCK und der HPG; Urteil vom 28.10.2010 - 3 StR 179/10 -, NJW 2011, 542; vgl. auch Haverkamp, ZStW 2011, 92 <96>, Fn. 25, die bezüglich der PKK von einer Allianz von Terrorismus mit organisierter Kriminalität ausgeht).
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Soweit der Kläger daher auf veränderte politische Umstände und dabei insbesondere darauf abstellen will, dass die PKK sich nunmehr dem Kampf gegen den IS, dem Schutz der Zivilbevölkerung im Norden Syriens verpflichtet fühle, den bewaffneten Kampf gegen die Türkei aufgegeben habe und entgegenstehende Äußerungen hochrangiger Funktionäre der PKK als Teil der Propaganda zwischen der PKK und dem türkischen Staat zu bewerten seien, ist dies auch durch das aktuelle Vorgehen der PKK eindrucksvoll widerlegt. Selbst wenn man mit dem Kläger einmal unterstellt, die PKK sei mit der YPG gleichzusetzen und in Syrien dem Schutz der Kurden und Jesiden verpflichtet, ändert dies nichts an den in der Türkei verübten terroristischen Taten.
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b.) Davon ausgehend stellen sich die vom Kläger unbestritten entfalteten Aktivitäten ab Dezember 2010 als Unterstützungshandlungen zu Gunsten der PKK dar, die ihm als Ausweisungsinteresse auch vorgehalten werden dürfen.
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Im konkreten Fall können allerdings nur noch diejenigen Aktivitäten des Klägers ein solches begründen, die dieser nach erfolgter Mitteilung im Juli 2010 an ihn, dass wegen seiner Aktivitäten die Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. seine Ausweisung geprüft werde, entfaltet hat. Davor liegende sind aus Gründen des Vertrauensschutzes verbraucht. Denn ein Ausweisungsinteresse ist, wie auch bislang schon ein Ausweisungsgrund, verbraucht, wenn ein Aufenthaltstitel in Kenntnis bzw. in der Sphäre des Staates zuzurechnender Unkenntnis desselben erteilt bzw. verlängert wurde (Discher, in: GK-AufenthG, Juni 2009, Vor §§ 53. ff. AufenthG, Rn. 382 ff., m. w. N.). So liegt der Fall hier. Darauf, ob solche Aktivitäten der den Titel erteilenden Ausländerbehörde tatsächlich selbst bekannt waren, kommt es mit Blick auf den damit bezweckten Vertrauensschutz, der sich aus der Perspektive des betroffenen Ausländers bestimmt, nicht entscheidend an. Vielmehr genügt es, wenn solche Aktivitäten der Ausländerbehörde hätten bekannt sein können, was hier der Fall ist, nachdem diese selbst eine Sicherheitsüberprüfung mit Blick auf vorliegende Erkenntnisse eingeleitet und sodann die Niederlassungserlaubnis erteilt hat, ohne das Ergebnis der Überprüfung abzuwarten. Dass dies unter der - irrigen - Annahme erfolgte, eine Überprüfung sei vorliegend rechtlich nicht erforderlich, ändert hieran nichts.
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Diese Aktivitäten des Klägers sind auch überwiegend als Unterstützungshandlungen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu werten, insoweit gelten die Maßstäbe des § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl I, S. 1950) - AufenthG a. F. und die hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze - weiterhin. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist hiernach jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein, nicht vorausgesetzt wird, dass diese ihm auch bekannt ist und er sich dessen bewusst sein muss. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern soll durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) gefördert werden, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. bzw. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, InfAuslR 2005, 374, zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -, juris, m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 -, InfAuslR 2011, 105; Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris, vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -, DVBl 2010, 797; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris; vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris; BayVGH, Urteil vom 29.11.2010 - 11 K 1763/10 -, juris).
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Soweit der Kläger die dargestellten rechtlichen Maßstäbe in grundsätzlicher Art angreift, überzeugt dies den Senat nicht.
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Der Senat folgt nicht seiner Auffassung, Verfassungs- bzw. Unionsrecht verlangten, dass das individuelle mit der Ausweisung bekämpfte Verhalten des Einzelnen eine konkrete mit der jeweiligen Einzelhandlung verbundene Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter hervorrufe. Ein verfassungs- oder unionsrechtlicher Rechtssatz, der dazu zwingen würde, nur konkrete terroristische Gefahren mit der Ausweisung zu bekämpfen, ist nicht ersichtlich. Die dahingehende Argumentation des Klägers bleibt daher auch gänzlich unspezifisch. Es ist nichts Grundsätzliches dagegen einzuwenden, wenn der Gesetzgeber mit Blick auf die spezifischen Gefahren terroristischer Aktivitäten unter Berücksichtigung der Bedeutung der davon betroffenen hochrangigen Rechtsgüter (Leib, Leben, Freiheit der Bevölkerung, hohe Sachwerte sowie die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik) und des zumeist konspirativen (Beweisnot), ideologisch motivierten Vorgehens solcher Vereinigungen (Gruppendynamik), aus denen sich gravierende Nachweisschwierigkeiten und deren erschwerte Bekämpfbarkeit ergeben, mit einer Absenkung des Gefahrenmaßstabs reagiert. Dies entspricht anerkannten Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts.
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Soweit der Kläger meint, es sei stets ein Vollbeweis zu führen, gilt nichts anderes. Der gesetzlich normierte abgesenkte Beweismaßstab der Regelung ist dem Grunde nach, insbesondere mit Blick auf die bereichstypische Beweisnot und die Hochwertigkeit der zu schützenden Rechtsgüter, rechtlich unbedenklich, weil sachangemessen. Die Grenzen sind gegebenenfalls von der Rechtsprechung anhand konkreter Fälle zu präzisieren, was auch geschieht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -, NVwZ 2012, 701; vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, NVwZ 2005, 1091; VGH Bad.-Württ, Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 09.11.2005 - 24 CS 05.2621 -, NVwZ 2006, 1306; siehe auch: Berlit, NVwZ 2013, 327, m. w. N; Kirsch, NVwZ 2012, 677; Eckertz-Höfer, in: Barwig u. a., Perspektivwechsel im Ausländerrecht?, 2007, 105 <114>; Marx, ZAR 2004, 275). Auch ist sich der Senat durchaus der Problematik von Beweisketten bewusst, bei denen “sich die Beweiskraft […] umso mehr verringert, je länger die Kette ist, und umso schneller vermindert, je geringer die jeweilige Beweiskraft der je einzelnen Indizien ist“ (so schon: Bender/Röder/Nack, Tatsachenfeststellungen vor Gericht, Band I, 1. Aufl., 1981, S. 181 f.). Daraus erwächst in vorliegendem Fall allerdings schon deshalb kein entscheidungserhebliches Problem, weil weder die dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten in tatsächlicher Hinsicht im Streit stehen, noch die der Vereinigungen, in denen er tätig war und ist und letztlich auch nicht die der PKK, sondern jeweils nur deren Bewertung.
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Zudem ist inzwischen geklärt, dass eine gleichlaufende Auslegung von straf- und ausweisungsrechtlichem Unterstützungsbegriff nicht geboten ist (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -, NVwZ 2012, 701). Die nicht deckungsgleichen Ziele des Strafrechts einerseits und des Rechts der Gefahrenabwehr andererseits schließen die Möglichkeit einer effektiven Abwehr terroristischer Gefahren einzig über das Strafecht oder auf der Grundlage der dieses Rechtsgebiet prägenden Begrenzungen aus. Strafe im verfassungsrechtlichen Sinne, verstanden als auch „sozialethisches Unwerturteil“ (so: BVerfG, Beschluss vom 09.07.1997 - 2 BvR 1371/96 -, BVerfGE 96, 245) dient als reaktive Maßnahme vornehmlich dem Schuldausgleich, die Prävention ist nur ein Teilaspekt der Strafzumessung und diese ist wiederum begrenzt durch die individuelle Schuld des Täters (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB). Damit ist sie im Kern auf die Aufarbeitung schon geschehener oder versuchter Taten (§ 22 StGB) begrenzt. Ihre daher nur punktuell zulässige Erstreckung auf Vorfeldaktivitäten steht, wie die §§ 89a, 129a, 129b StGB und die dazu ergangene Rechtsprechung deutlich machen, in einem verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnis, das es ausschließt, eine hinreichend effektive, insbesondere aktive und rechtzeitige Abwehr künftiger Gefahren nach Opportunitätsgesichtspunkten über Strafvorschriften oder unter Bindung an deren Begrenzungen zu gewährleisten.
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Wenn der Kläger sich schließlich darauf beruft, stets nur an erlaubten (präziser: nicht verbotenen) Veranstaltungen teilgenommen zu haben bzw. teilzunehmen und stets nur für nicht verbotene Vereine tätig zu sein, greift dies aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht durch: Aus rechtlichen nicht, da § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Gegensatz zu Nr. 3 der Vorschrift gerade nicht auf ein Verbot abstellt und ein solches deren Mitglieder vermehrt zu konspirativem Verhalten veranlassen kann, ohne dass damit für die Gefahrenabwehr viel gewonnen wäre. Es kann daher aus Gründen der Gefahrenabwehr opportun sein, von einem solchen abzusehen. Aus tatsächlichen nicht, da es fern liegt, annehmen zu wollen, dem Kläger sei das auch terroristische Verhalten der PKK in der Türkei entgangen und er sei sich im Unklaren über die Bedeutung seines eigenen Tuns, zumal er sich augenscheinlich fast ausschließlich mit der Kurdenthematik zu beschäftigen scheint und er die vom Gericht mitgeteilten Erkenntnisse zur PKK sowie der YEK-KOM bzw. NAV-DEM noch nicht einmal ansatzweise in Abrede gestellt hat (dazu sogleich unten).
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Nach den dargelegten Maßstäben stehen zur Überzeugung des Senats hier eine Vielzahl von Tatsachen fest, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt, so die Mitgliedschaft und die Übernahme von Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen, weitere herausgehobene Tätigkeiten als Redner und Organisator von PKK-nahen Veranstaltungen und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an den unterschiedlichsten Aktionen und Veranstaltungen solcher Vereinigungen.
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Im Einzelnen sind dem Kläger zunächst die sich aus der Ausweisungsverfügung ergebenden Aktivitäten bis zur Erteilung der Niederlassungserlaubnis an ihn vorgehalten worden, auf die hier verwiesen wird (Ziffer 1.2. der Ausweisungsverfügung, Seite 3 bis 9; Blatt 16, unten, bis einschl. Blatt 23, erster Absatz oben, der Akte des Verwaltungsgerichts) und die von diesem ebenso wenig in Abrede gestellt werden, wie die weiteren, die der Kläger nach Mitteilung des Beklagten an ihn im Juli 2010, dass eine Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. eine Ausweisung mit Blick auf seine Aktivitäten zu Gunsten der PKK geprüft werde, entfaltet hat:
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- Am 5. Dezember 2010 nahm er an einer PKK-Gründungsfeier in Lampertheim in der Siedlerhalle teil. Dort waren eine KCK-Fahne und ein Öcalan-Porträt angebracht. Ein in Guerillauniform auftretender Redner lobte die eigene Partei als wichtige und modern ausgerichtete Organisation, die den kurdischen Freiheitskampf auf die internationale Bühne gebracht habe. Dies habe man dem großen Führer Apo und den Parteimärtyrern zu verdanken. Man dürfe auch die Kämpfer an der Front nicht vergessen, die man von hier aus grüße. Ein weiterer Redner referierte über die Geschichte der PKK.
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- Am 20. Februar 2011 nahm der Kläger an einer Mitgliederversammlung der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. (KG HN) teil. Nach einer Schweigeminute für die Märtyrer Kurdistans und der ganzen Welt referierte er über die unzureichende Vorstandstätigkeit des Vereins und forderte dazu auf, verstärkt Mitglieder zu werben. Er wisse, dass im Raum Heilbronn 500 bis 600 kurdische Familien lebten, die meisten von ihnen hätten aber nur deswegen keinen Kontakt zum Verein, weil sie Angst vor den deutschen Behörden hätten. Es bestünde kein Grund zur Furcht, da alles angemeldet und der Verein absolut legal sei. Der Kläger bat die Anwesenden, auf die Kurden zuzugehen, mit ihnen zu reden und ihnen die Angst zu nehmen.
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Nach Durchführung der Sicherheitsbefragung am 23. Februar 2011:
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- Am 5. August 2011 war der Kläger in der Yeni Özgür Politika (YÖP) abgebildet, dies anlässlich einer Kampagne zur Anerkennung der kurdischen Identität, organisiert von der YEK-KOM. Laut der Berichterstattung hat er im Heilbronner Verein über die Ziele der Kampagne informiert.
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- Laut Mitteilung des Polizeipräsidiums Mannheim vom 30. Januar 2012 war der Kläger am 4. November 2011 Teilnehmer und Redner bei einem Aufzug mit Kundgebung in Mannheim zum Thema „türkische Regierung verwendet Napalmgas und chemische Waffen gegen die türkische Bevölkerung/Schluss mit der Isolationshaft von Öcalan/Schluss mit den Verhaftungswellen in der Türkei gegen die kurdischen Politiker“. Der Redebeitrag des Klägers habe den Eindruck hoher Emotionalität vermittelt.
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- Am 2. Dezember 2011 nahm er an einer Gedenkfeier zum 33. Partei-gründungs-Jahrestag, dem 27. November 1978, in Heilbronn teil. Auch dort hingen Bilder von Öcalan und Parteifahnen, auch der ERNK, der früheren Propagandaorganisation der PKK. Nach einer Gedenkminute für die kurdischen Märtyrer und der Begrüßung schilderte ein Redner die Parteigründung durch Öcalan und dessen Genossen. Die Erfolgsgeschichte der Partei dauere bis heute an, leider aber auch ihre Schwierigkeiten, bedauerlicherweise auch in Europa. Es sei erforderlich, die Partei zu unterstützen. Es wurden mehrfach Parolen wie „Es lebe Öcalan“ und „Unsere Märtyrer sind nicht gestorben“ skandiert. Auch dort waren fast ausschließlich PKK-Unterstützer zugegen.
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- Am 13. Dezember 2011 wurde der Kläger erneut in der YÖP anlässlich eines Vereinskongresses in Stuttgart erwähnt. Er forderte dort die hier lebenden Kurden auf, stärker für ihre Identität einzutreten.
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Nach Verfügung der Ausweisung am 10. Januar 2012:
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- In der YÖP vom 14. Februar 2012 wurde er als Teilnehmer des 3. Kongresses der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. abgebildet. Er führte dort in seiner Rede aus, dass die Kurden in der Türkei und in Europa unter Beschuss stünden, da ihnen die Existenz ihrer eigenen Kultur abgesprochen werde.
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- Aus dem Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden Württemberg vom 19. Dezember 2012 ergibt sich, dass der Kläger zwar das Amt des 2. Vorsitzenden der YEK-KOM seit Ende 2011 nicht mehr ausübt, er jedoch bereits im Mai 2012 erneut in den Vorstand der YEK-KOM gewählt wurde.
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- In dieser Funktion ist er ausweislich des weiteren Berichts des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg vom 17. Oktober 2013 beispielsweise als Versammlungsleiter des 20. kurdischen Kulturfestivals am 8. September 2012 in Mannheim in Erscheinung getreten. Bei dieser Veranstaltung kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen Polizeibeamte.
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- Er ergriff am 16. Januar 2013 in Mannheim im Rahmen einer Solidaritätsdemonstration für die drei in Paris ermordeten PKK-Aktivistinnen das Wort und verurteilte das Attentat scharf. Er vertrat die Meinung, dass die Morde nicht nur in den Personen der Aktivistinnen angesiedelt seien, sondern auch auf politische Überlegungen zurückzuführen seien, die einen Fortbestand der kriegerischen Auseinandersetzungen der Heimat zum Ziel hätten. Die Geheimdienste stünden hinter diesem Anschlag. Der französische Staat könne diesen problemlos aufklären, wenn er dies nur wolle. Folglich müssten die Kurden einen legitimen demokratischen Druck auf den französischen Staat ausüben. Der Kläger rief zu Sitzstreiks in allen Städten mit französischen Botschaften und ähnlichen Einrichtungen auf, bis eine Aufklärung des Attentats erfolgt sei.
102 
- Am 21. Mai 2013 war der Kläger im Namen der YEK-KOM bei den Vorstandswahlen der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. anwesend.
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- Am 8. September 2013 fungierte der Kläger als Versammlungsleiter bei einer Mitgliederversammlung mit Vorstandswahl des PKK-nahen mesopotamischen Anadolu Kulturvereins e.V. (MAK). Zur PKK-Nähe des MAK Lahr sei auf den Bericht des Landesamtes vom 9. März 2010 an das Innenministerium zu verweisen.
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- Am 29. April 2014 war der Kläger in der YÖP als Teilnehmer des Gründungskongresses des kurdischen-demokratischen Gesellschaftszentrums am 27. April 2014 in den Räumlichkeiten des PKK-nahen kurdischen Kulturvereins e.V. in ... abgebildet.
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- Am 10. Oktober 2015 hielt der Kläger anlässlich einer Protestaktion in Frankfurt im Namen der NAV-DEM eine Rede.
106 
Nach „Auflösung“ der YEK-KOM am 22. Juni 2014 ließ sich der Kläger am selben Tag in gleicher Sitzung, zusammen mit einem weiteren Vorstandsmitglied der YEK-KOM, in den fünfköpfigen Vorstand der NAV-DEM wählen. Diese Vorstandstätigkeit übt er bis heute aus, und er ist in dieser Funktion seitdem auch als Redner und Versammlungsleiter auf zahlreichen Veranstaltungen aufgetreten, die erkennbar der Propaganda für die PKK dienten. Der Kläger engagiert sich damit seit langem ohne Zäsur in herausgehobener Position unterstützend für die PKK.
107 
Daran, dass die YEK-KOM die PKK unterstützt hat, bestehen weiterhin keine vernünftigen Zweifel. Hierzu hat der Senat schon in seinem Urteil vom 7. Dezember 2011 - 11 S 897/11 -, juris Rn. 47, das vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 -, InfAuslR 2013, 418, bestätigt wurde, ausgeführt:
108 
„Für eine PKK-Nähe des Vereins spricht schon der Umstand, dass dieser Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ war. Dies lässt sich dem vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 entnehmen, in welcher die Vereinsmitglieder - nach Darstellung der Arbeit und der Bedeutung der YEK-KOM - für eine Mitgliedschaft des Vereins in dieser Dachorganisation gestimmt haben. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010 im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.“
109 
Für die NAV-DEM gilt insoweit nicht anderes. Soweit der Kläger unter Verweis auf schriftliche Erklärungen der NAV-DEM meint, dass diese eine andere Ausrichtung als die YEK-KOM habe, nämlich den Kampf gegen den IS, die Förderung der Integration der in Deutschland lebenden Kurden und die Gleichstellung und die Gleichberechtigung der Frauen, überzeugt dies den Senat nicht. Das Verwaltungsgericht hat schon zu Recht auf die fehlende tatsächliche Veränderung der Aktivitäten des Vereins abgestellt, der zudem nicht neu gegründet, sondern nur umbenannt wurde. Es verweist zutreffend auf die Pressemitteilung des Vereins vom 18. Juli 2014, aus der sich ergibt, dass die NAV-DEM selbst nach eigenem Verständnis die Arbeit der YEK-KOM fortführt. Die vom Senat eingesehene Internetpräsenz (navdem.com) bestätigt dies, die Überschrift der Pressemitteilung vom 18. Juli 2014 lautet:
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„YEK-COM heißt jetzt NAV-DEM“
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Die weiteren dort aufgeführten Pressemitteilungen verdeutlichen im Übrigen die Fortführung der Veranstaltungen und Kundgebungen mit gleichem Ablauf und gleichen Themen wie zuvor schon unter dem Namen YEK-KOM:
112 
- Eintrag vom 7. September 2014, Interview mit Yüksel Koc „Das Verbot kriminalisiert die Kurden“, anlässlich einer Festnahme eines Mannes durch die Generalbundesanwaltschaft, der Geld für die PKK gesammelt haben soll, was, nach Koc, eine Kriminalisierung politischer Arbeit bedeute, da dieser selbst keine Gewalt ausgeübt habe.
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- Eintrag zur Kundgebung am 13. September 2014 in Düsseldorf unter dem Motto „Freiheit für Öcalan - Status für die Kurden“.
114 
- Eintrag vom 6. März 2015: Aufruf zur Newroz-Demonstration am 21. März 2015 in Bonn.
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Der Beklagte hat zudem unwidersprochen und zutreffend darauf hingewiesen, dass NAV-DEM und YEK-KOM identische Logos auf ihren Internetpräsenzen verwenden und der Vorsitzende der NAV-DEM im März 2014 erklärt habe, man könne die deutsche Demokratie nicht akzeptieren. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz geht in seiner Broschüre zur „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)“ vom Juli 2015, dort S. 18, davon aus, dass die NAV-DEM in Nachfolge der YEK-KOM wie diese auch als Dachverband von örtlichen Vereinen diene, in denen die PKK Informationen steuere und Vorgaben umsetze und dass sich die NAV-DEM durch eine aktive Öffentlichkeits- und Kampagnenarbeit sowie den Aufbau von Kontakten zu politischen Entscheidungsträgern bemühe, weitere Unterstützung für deren Anliegen zu erhalten. Diese Einschätzung teilt der Senat aufgrund der dargestellten tatsächlichen Umstände und sieht sich dabei auch die Aktivitäten des Klägers selbst bestätigt.
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Soweit der Kläger meint, dass es dem Verwaltungsgericht an ausreichender Sachkunde gefehlt habe, um eine Änderung des Aufgabenspektrums zu verneinen, erschöpft sich dies in einer schlichten Behauptung, die auf nichts gestützt wird. Sämtliche vom Verwaltungsgericht und dem Beklagten ausführlich dargelegten tatsächlichen Aktivitäten der YEK-KOM und nachfolgend der NAV-DEM sowie der Redner und Teilnehmer an deren Veranstaltungen lässt der Kläger gänzlich unkommentiert, obwohl es ihm als 2. Vorstandsmitglied der NAV-DEM ein Leichtes sein müsste, Tatsächliches zum Verein vorzubringen, das die Wertungen des Verwaltungsgerichts und des Beklagten diesbezüglich erschüttern würde. Es spricht hier daher auch nach Überzeugung des Senats nichts dafür, dass sich an der Ausrichtung oder dem Aktivitätenspektrum etwas geändert haben könnte, zumal es seitens des Vereins zu keinem Zeitpunkt zu eine Distanzierung von der PKK oder auch nur der YEK-KOM gekommen ist.
117 
Dem Beweisantrag des Klägers war vor diesem Hintergrund nicht nachzugehen, zumal etwaige weitere Vereinsziele, die unter Beweis gestellt worden sind, die dargelegten Aktivitäten und Zielrichtungen nicht neutralisieren. Überdies konnte der Kläger nicht dartun, weshalb der von ihm benannte Sachverständige hinreichende Sachkunde haben könnte. Dies hätte ihm oblegen, weil der auf die Bestrebungen und Ziele der NAV-DEM gerichtete Beweisantrag die Benennung eines Sachverständigen erforderte, der über eine spezielle Sachkunde, nämlich über interne Kenntnisse über die NAV-DEM, verfügt, die nicht von jedem Sachverständigen gleichermaßen reproduzierbar ist (vgl. Krehl, in: Karlsruher Kommentar StPO, 7. Aufl., 2013, § 244 StPO, Rn. 80).
118 
Bereits aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied sind dem Kläger sämtliche Aktionen der YEK-KOM und der NAV-DEM zuzurechnen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris, Rn. 50, m. w. N.). Soweit der Kläger dies bezweifelt, ist dies nicht nachvollziehbar, da er selbst darauf hinweist, dass die von ihm insoweit in Bezug genommene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union darauf abstellt, dass bei einer hervorgehobenen Position eine individuelle Verantwortlichkeit unter Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände vermutet werden könne. Unbeschadet dessen bestehen für den Senat aber auch keine vernünftigen Zweifel daran, dass die vom Kläger entfalteten Aktivitäten von diesem in dem Bewusstsein und mit dem Willen erfolgt sind und erfolgen, die PKK aktiv und vorbehaltlos zu unterstützen. Das wird deutlich, wenn man das Verhalten des Klägers seit 2004 und auch nach Juli 2010 in der gebotenen Gesamtschau in den Blick nimmt, wie es der Beklagte - vom Kläger unwidersprochen - geschildert hat. Der Aspekt des Vertrauensschutzes gebietet es nicht, bei der Würdigung des Verhaltens des Klägers dessen früheres Verhaltes insgesamt auszublenden. Ein schützenswertes Vertrauen besteht nur insoweit, als die zuvor entfalteten Aktivitäten für sich genommen keine Ausweisung mehr rechtfertigen können. Bei der notwendigen Bewertung neuer, nachfolgender Aktivitäten kann weiterhin auf das gesamte Verhalten des Ausländers zurückgegriffen werden (Discher, a.a.O., Rn. 391; BVerfG, Beschluss vom 19.08.1983 - 2 BvR 1284/83 -, NVwZ 1983, 667; OVG Bln.-Bbg., Beschluss vom 24.10.2013 - OVG 3 N 169.12 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris).
119 
Nach wie vor engagiert sich der Kläger unbeschadet des Ausweisungsverfahrens im Rahmen des Vereins als Vorstandsmitglied, Versammlungsleiter und Redner an Veranstaltungen, die angesichts deren Ablaufs, der dort gehaltenen Reden und der klaren Ausrichtung auf den Führerkult um Öcalan und gefallene Märtyrer auch für den Senat keinen Zweifel aufkommen lassen, dass der Kläger sich, wie auch die NAV-DEM, den Zielen der PKK verpflichtet fühlt, diese mit ihrem Tun unterstützen will und dabei deren Mittel umfassend zumindest billigt, insbesondere auch deren spezifisch als terroristisch zu qualifizierendes Handeln. Seine Teilnahme an Veranstaltungen, wie der am 5. Dezember 2010 an einer PKK-Gründungsfeier in Lampertheim, bei der eine KCK-Fahne und ein Öcalan-Porträt angebracht waren und in der ein in Guerillauniform auftretender Redner die eigene Partei als wichtige und modern ausgerichtete Organisation lobte, die den kurdischen Freiheitskampf auf die internationale Bühne gebracht habe und in der ausgeführt wurde, dass man dies dem großen Führer „Apo“ (gemeint ist Öcalan) und den Parteimärtyrern zu verdanken habe und man die Kämpfer an der Front nicht vergessen dürfe, die man von hier aus grüße, verdeutlichen dies in aller Klarheit. Für seine Teilnahme an einer Gedenkfeier zum 33. Parteigründungs-Jahrestag in Heilbronn am 2. Dezember 2011, bei der zur Unterstützung der PKK aufgefordert und Parolen wie „Es lebe Öcalan“ und „Unsere Märtyrer sind nicht gestorben“ skandiert wurden, gilt nichts anderes. Soweit man aus den weiteren dargestellten Aktivitäten des Klägers ableiten wollte, dass dieser sich nach Erlass der Ausweisungsverfügung gemäßigter verhält, ist dies nach Überzeugung des Senats mit Blick auf das laufende Verfahren taktisch motiviert und lässt nicht den Schluss zu, dass der Kläger, der weiterhin eine führende Rolle in der NAV-DEM spielt, von seinem bisherigen Verhalten glaubhaft Abstand nimmt (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz AufenthG). Sein beredtes Schweigen zu sämtlichen vom Beklagten zusammengetragenen Tatsachen macht dies deutlich.
120 
Das gegenteilige Bild, das der Kläger von seiner Motivation und Haltung zeichnet, ohne hierfür nachvollziehbare Fakten zu benennen, steht daher in offenem Widerspruch zu seinem tatsächlichen Verhalten. Im Übrigen erschöpft sich sein Vortrag hierzu in dem Versuch einer Umdeutung seines Verhaltens, die schon im Ansatz nicht überzeugt. Es ist das eine, um Verstorbene zu trauern oder ihrer zu gedenken, aber etwas gänzlich anderes, Veranstaltungen als Redner oder in Vereinsfunktion zu gestalten oder vorbehaltlos an solchen teilzunehmen, die etwa von in Guerillauniform auftretenden Rednern geprägt werden und in denen der Kampf der PKK in der Türkei glorifiziert wird. Erkennbar geht es auf den vom Kläger mitgestalteten und besuchten Veranstaltungen nicht einfach um die legitime Kundgabe von Meinungen, sondern immer auch um die gezielte moralische, finanzielle und personelle Unterstützung des für legitim gehaltenen und auch terroristische Mittel einsetzenden Kampfes der PKK. Dass damit die PKK auch in der Wahl ihrer Mittel vorbehaltlos unterstützt wird, kann dem Kläger nicht entgangen sein, nachdem dort Auftritte in Guerillauniform stattfinden, den „Märtyrern“ gedacht wird und den Kämpfern an der Front Grußbotschaften gesandt werden. Es greift daher auch viel zu kurz, wenn der Kläger meint, dass es hier um einen ungerechtfertigten Eingriff in sein Recht auf freie Meinungsäußerung gehe. Soweit er daher darauf abstellen will, dass der Sinn von Äußerungen einen deutlich erkennbaren Bezug zur Förderung der PKK aufweisen müsse, mag man dem zustimmen, ein solcher Bezug wird hier aber entgegen der Auffassung des Klägers auch in seinem Handeln deutlich.
121 
Liegt ein Unterstützen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - wie hier - vor, ist von einer Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung bzw. der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen, es sei denn der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, wie die gesetzliche Legaldefinition deutlich macht („…Hiervon ist auszugehen…“). Insoweit hebt sich die Regelung von den übrigen Ausweisungsinteressen ab, bei denen die Gefahr in jedem Einzelfall aus dem - dem jeweiligen Ausweisungsinteresse zugrunde liegenden - Verhalten des Ausländers konkret abzuleiten ist und unterscheidet sich auch von der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. Die gesetzliche Legaldefinition bzw. widerlegbare Vermutung (so: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 45 ff.) der Gefahr begegnet nach Auffassung des Senats in diesem Kontext keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die schon dargestellten spezifischen Gefahren des Terrorismus, zu deren Bekämpfung sich die internationale Staatengemeinschaft und dabei auch die Bundesrepublik in Bezug auf internationale, grenzüberschreitende Gefahren, völkerrechtlich verpflichtet hat (UN-Sicherheits-resolution 1373 (2001) vom 28.09.2001; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 2012, S. 188 f.), rechtfertigen diese gesetzliche Festlegung, auch soweit davon terroristische Vereinigungen erfasst werden, die in der Bundesrepublik selbst keine terroristischen Gewalttaten verüben. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass terroristische Vereinigungen nur allzu schnell ihren Kampf über Ländergrenzen hinweg führen. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise von dieser gesetzlichen Festlegung einer Gefahr in besonderen Fallkonstellationen abgewichen werden kann oder ob insoweit allein auf den Gesichtspunkt des erkennbaren und glaubhaften Abstandnehmens abzustellen ist, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, da das konsequent fortgesetzte Handeln des Klägers die gesetzliche Festlegung bestätigt.
122 
2. Die Ausweisungsverfügung genügt davon ausgehend auch § 53 Abs. 3 AufenthG, der bestimmt, dass ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt, der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559) besitzt, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt, nur ausgewiesen werden darf, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
123 
Mit dieser Vorschrift will der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung unionsrechtlichen Vorgaben für besonders privilegierte Personengruppen Rechnung tragen (BT-Drs. 18/4097, S. 50). Soweit die Vorgaben in ihrer Reichweite vor dem Hintergrund der jeweils betroffenen Personengruppe autonom unionsrechtlich und insbesondere bereichsspezifisch eigenständig auszulegen sind, wovon nach dieser Gesetzesbegründung auszugehen ist (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Abs. 3, Stand: 18.01.2016, Rn. 27, geht von der Notwendigkeit einer ergänzenden Heranziehung zu den angehobenen gesetzlichen Voraussetzungen einer Ausweisung aus), kann daher aus der Formulierung des Ausweisungsmaßstabs in § 53 Abs. 3 AufenthG nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber, losgelöst von den jeweiligen unionsrechtlichen Maßstäben, einen eigenen nationalen und völlig identischen Maßstab festlegen wollte, der für sämtliche der Norm unterfallenden Personengruppen Geltung beansprucht. Daher soll auch nationalrechtlich kein höheres Schutzniveau versprochen werden, als dieses unionsrechtlich geboten ist. Das wäre mit Blick auf die verschiedenen Geltungsgründe und die Heterogenität der erfassten Personengruppen sowie der sich daraus ergebenden unterschiedlichen Schutzrichtungen und -niveaus auch nicht begründbar, zumal ein einheitlicher unionsrechtlicher Ausweisungsmaßstab gerade nicht existiert (VGH Bad.-Württ., Vorlagebeschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris, Rn. 154, m. w. N.; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 88, m. w. N; a. A.: Welte, InfAuslR 2015, 426, der auf den unionsrechtlichen Maßstab des § 6 FreizügG/EU verweist). Festzuhalten ist allerdings, dass sämtlichen unionsrechtlich fundierten Ausweisungsmaßstäben gemeinsam ist, dass stets nur auf das persönliche Verhalten des Betroffenen und damit nur auf spezialpräventive Gründe abgestellt werden darf, aus denen sich eine gegenwärtige Gefahr ergeben muss (EuGH, Urteil vom 19.01.1999 - C-348/96 -, InfAuslR 1999, 165 und vom 08.12.2011 - C-371/08 -, InfAuslR 2012, 43; Neidhardt, a. a. O., Rn. 7 f.). Dem entsprechend kann eine an § 53 Abs. 3 AufenthG zu messende Ausweisung nur dann rechtmäßig sein, wenn sie ausschließlich spezialpräventiv motiviert ist.
124 
Davon ausgehend folgt für den Kläger ein besonderer unionsrechtlich fundierter Ausweisungsmaßstab zunächst nicht aus dem Assoziationsrecht. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger weder Arbeitnehmer im Sinne des Art. 6 ARB 1/80 noch Familienangehöriger eines solchen Arbeitnehmers nach Art. 7 ARB 1/80 ist, nachdem er in der Vergangenheit nur sporadisch und jeweils nur in kurzen Zeiträumen abhängig beschäftigt gewesen war. Für seine Ehefrau gilt nichts anderes, so dass diese ihm ein solches Recht auch nicht vermitteln kann. Das wird vom Kläger auch nicht in Frage gestellt.
125 
Erhöhter Schutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG kommt dem Kläger aber als anerkannter Flüchtling zu. Für diese aufgrund ihres Verfolgungsschicksals gerade in Bezug auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen besonders vulnerable Personengruppe sind Inhalt und Reichweite des Ausweisungsmaßstabs aus der einschlägigen Regelungen der Richtlinie 2004/83, neu gefasst durch Richtlinie 2011/95/EU (ABl. L 337 S. 9, nachfolgend: Qualifikationsrichtlinie), abzuleiten.
126 
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats hin (Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris), betreffend die Unterstützung der PKK durch einen anerkannten Flüchtling, die entscheidungserheblichen Rechtsfragen mit Urteil vom 24. Juni 2015 (- C-373/13 -, juris) geklärt. Der Gerichtshof hat, davon ausgehend, dass Art. 21 der Qualifikationsrichtlinie engere Voraussetzungen statuiert als Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie (a.a.O., Rn. 44, 71: Art. 21 als „ultima ratio“; so auch schon der Senat in seinem Vorlagebeschluss, a.a.O., Rn. 154; a. A.: BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 -, juris), klargestellt, dass die Qualifikationsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein einem Flüchtling erteilter Aufenthaltstitel entweder nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerrufen werden kann, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne dieser Bestimmung vorliegen, oder nach Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie, wenn Gründe für die Anwendung der in Art. 21 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtzurückweisung vorliegen (a.a.O., Rn. 55).
127 
Da die Ausweisung des Klägers verfügt wurde, um dessen Niederlassungserlaubnis zum Erlöschen zu bringen und eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf seinen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, ist vorliegend auch nur Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie maßstäblich. Dies zugrunde gelegt ist die Ausweisung als Widerruf im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu qualifizieren und am Maßstab dieser Vorschrift zu messen, die insoweit den Ausweisungsmaßstab des § 53 Abs. 3 AufenthG ausfüllt und konkretisiert. Es müssen daher „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vorliegen, um die Ausweisung zu rechtfertigen.
128 
Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang im Anschluss an die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston (Schlussanträge vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 68) zunächst betont, dass für die dargelegte Auslegung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie spreche, dass den Mitgliedstaaten mit dieser Regelung die Möglichkeit gegeben werden sollte, unter spezifischen Voraussetzungen die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen im Schengen-Raum zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a. a. O, Rn. 52). Er definiert im weiteren (a.a.O., Rn. 78 ff.) unter Bezugnahme auf die Richtlinie 2004/38 „zwingende Gründe“ als Beeinträchtigungen, die einen besonders hohen Schweregrad aufweisen müssten und fasst unter die „öffentliche Sicherheit“ sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats und somit auch die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen (unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -, InfAuslR 2011, 45). Der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ sei dahin auszulegen dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstelle, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Mit Blick auf die die Richtlinie 2004/83 und deren 28. Erwägungsgrund gelte der Begriff der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ auch für Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehöre, die den internationalen Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze. Der Gerichtshof verweist darauf, dass die PKK in der Liste im Anhang dieses Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344, S. 93) aufgeführt sei und nach alledem die Unterstützung, die ein Flüchtling einer Organisation zuteil werden lasse, welche Handlungen begehe, die in den Anwendungsbereich des Gemeinsamen Standpunkts fallen, grundsätzlich einen Umstand darstelle, der belegen könne, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllt seien. Die Aufnahme einer Organisation in die Liste sei daher ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass sie entweder eine terroristische Organisation sei oder in diesem Verdacht stehe. Ein solcher Umstand sei daher von der zuständigen Behörde notwendig zu berücksichtigen, wenn sie in einem ersten Schritt zu prüfen habe, ob die fragliche Organisation terroristische Handlungen begangen habe. Es sei somit von Fall zu Fall zu prüfen, ob die Handlungen der fraglichen Organisation die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie bedrohen könnten. Der Gerichtshof habe schon entschieden, dass terroristische Handlungen, die durch ihre Gewalt gegenüber Zivilbevölkerungen gekennzeichnet seien, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt würden, als schwere nichtpolitische Straftaten im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden müssten (unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 -, NVwZ 2011, 285).
129 
In einem zweiten Schritt müssten die genauen tatsächlichen Umstände einer Würdigung unterzogen werden, um zu ermitteln, ob die Unterstützung der fraglichen Organisation durch eine Mitwirkung beim Sammeln von Geldern und eine regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen dieser Organisation in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie falle. Allein der Umstand, dass die betreffende Person diese Organisation unterstützt habe, könne nicht die automatische Aufhebung ihres Aufenthaltstitels gemäß dieser Vorschrift zur Folge haben. Denn zwischen dem Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 und der Richtlinie 2004/83 bestehe hinsichtlich der verfolgten Ziele kein unmittelbarer Zusammenhang, und es sei nicht gerechtfertigt, dass die zuständige Stelle, wenn sie in Betracht ziehe, einem Flüchtling seinen Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu entziehen, sich nur auf dessen Unterstützung einer Organisation stütze, die in einer Liste aufgeführt sei, die außerhalb des Rahmens erlassen wurde, den die Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention geschaffen habe. Es bedürfe daher einer individuellen Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände insbesondere dazu, welche Rolle der Betroffene im Rahmen seiner Unterstützung dieser Organisation tatsächlich gespielt habe, ob dieser etwa selbst terroristische Handlungen begangen habe, ob und in welchem Maße er an der Planung, an Entscheidungen oder an der Anleitung anderer Personen zum Zweck der Begehung solcher Handlungen beteiligt gewesen sei und ob und in welchem Umfang er solche Handlungen finanziert oder anderen Personen die Mittel zu ihrer Begehung verschafft habe. Soweit dieser an legalen Versammlungen und an Veranstaltungen wie dem kurdischen Neujahrsfest teilgenommen und sich am Sammeln von Spenden für diese Organisation beteiligt habe, bedeute dies nicht notwendig, dass der Betroffene die Auffassung vertreten habe, terroristische Handlungen seien legitim. Erst recht seien derartige Handlungen als solche keine terroristischen Handlungen. In diesem Zusammenhang müsse auch der Schweregrad der Gefahr beurteilt werden, die von den Handlungen für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehe. Es sei insbesondere zu prüfen, ob dem Betroffenen eine individuelle Verantwortung bei der Durchführung von Aktionen der PKK zugerechnet werden könne. In Anbetracht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, den die zu ergreifende Maßnahme zu wahren habe, sei zu untersuchen, ob die Gefahr, die die betreffende Person gegebenenfalls in der Vergangenheit für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland dargestellt habe, noch immer bestehe. Mit Blick auf das Erfordernis zwingender Gründe müsse etwa, soweit ein Betroffener zu einer Geldstrafe und nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, in Anbetracht dieses Umstands und gegebenenfalls der Art der von ihm begangenen Handlungen geprüft werden, ob eine Aufhebung des Aufenthaltstitels zu rechtfertigen sei.
130 
Dies zugrunde gelegt, genügt die Ausweisungsverfügung den Maßstäben des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie in Verbindung mit § 53 Abs. 3 AufenthG. Die Konkretisierung der Maßstäbe hat durch das erkennende nationale Gericht anhand des jeweiligen Falles und den diesen prägenden tatsächlichen Umstände entsprechend deren Gewicht zu erfolgen. Soweit der Gerichtshof in beispielhafter Form einzelne dem im Vorlageverfahren betroffenen Ausländer vorgehaltene Handlungen herausgreift und diese in eher abstrakter Form bewertet und gewichtet, ist dies dem abstrahierenden Charakter der Vorlagefragen in einem Vorabentscheidungsersuchen geschuldet und entbindet den Senat als Tatsachengericht nicht von seiner Verpflichtung, solche Umstände im konkreten Fall umfassend zu bewerten. Nichts anderes gilt, soweit Reichweite und Grenzen der dem Kläger zustehenden weiteren Rechte nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie durch die Ausweisung in Rede stehen.
131 
Danach bestehen für den Senat auch vor dem Maßstab des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der Einstufung der PKK als eine den Terrorismus jedenfalls unterstützende Vereinigung, deren Unterstützung durch die YEK-KOM bzw. NAV-DEM „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ begründet. Daran anschließend sind die vom Kläger geleisteten Unterstützungshandlungen aufgrund dessen, dass diese von ihm in herausgehobener Funktion für YEK-KOM und NAV-DEM, auf zahlreichen Veranstaltungen seit über zwölf Jahren, unter Beteiligung von offen für die PKK werbenden und deren Kurs vorbehaltlos befürwortenden Akteuren (Auftreten in Guerillauniform, Märtyrergedenken, Grußbotschaften an die Kämpfer an der Front usw.) geleistet wurden und weiter geleistet werden, nicht anders zu bewerten, zumal der Kläger nach Überzeugung des Senats in vollem Bewusstsein um deren Bedeutung für den ideologischen Zusammenhalt der PKK und in dem Willen, diese vorbehaltlos auch in Bezug auf deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen, gehandelt hat und weiterhin handelt. Diese Bewertung des eine Gefahr für die nationale Sicherheit und öffentliche Ordnung begründenden Verhaltens des Klägers ist vor diesem Hintergrund auch nicht deshalb zu relativieren, weil die NAV-DEM nicht verboten ist und der Kläger sich im Rahmen von ebenfalls nicht verbotenen Veranstaltungen betätigt hat. Weder entfällt deswegen das Gewicht seiner Unterstützungshandlungen für die PKK noch ergibt sich daraus, dass sich der Kläger über sein Tun im Unklaren gewesen wäre. Dass es gerade aus Gründen einer effektiven Gefahrenabwehr geboten sein kann, von einem Vereinsverbot abzusehen, wurde schon dargelegt. Da nach den Feststellungen des Senats das Verhalten des Klägers gefahrbegründend ist und er die tatbestandlichen Festlegungen des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bestätigt, kann der Senat offen lassen, ob jedenfalls im Kontext des § 53 Abs. 3 AufenthG i. V. m. Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie hier ausnahmsweise und ungeachtet der Fallkonstellation des endgültigen und glaubhaften Abstandnehmens gewissermaßen als „Zwischenstufe“ eine konkrete Widerlegungsmöglichkeit der gesetzlichen Gefahrenannahme zugelassen werden muss.
132 
Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner in Bezug genommen Entscheidung im weiteren auf das Fortbestehen des Flüchtlingsstatus hinweist, wenn ein Mitgliedstaat das Aufenthaltsrecht aufgrund des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerruft (a.a.O., Rn. 94 f.; so auch schon der Senat in seinem Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff. m. w. N.) und er daraus ableitet, dass dieser sich bei deshalb weiterhin gestattetem Aufenthalt auch ungeschmälert (a.a.O., Rn. 96) auf die sozialen Vergünstigungen nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie berufen kann, steht dies in vorliegendem Fall der Ausweisung nicht entgegen.
133 
Kapitel VII der Richtlinie gewährleistet jedem Flüchtling Schutz vor Zurückweisung, das Recht auf Information, Wahrung des Familienverbands, Ausstellung von Reisedokumenten, Zugang zur Beschäftigung, zu Bildung, zu Sozialhilfeleistungen, zu medizinischer Versorgung und zu Wohnraum, auf Freizügigkeit innerhalb des fraglichen Mitgliedstaats sowie Zugang zu Integrationsmaßnahmen. Einschränkungen dieser Rechte sind bei einem anerkannten Flüchtling nur nach Maßgabe dieses Kapitels der Qualifikationsrichtlinie zulässig (a.a.O., Rn. 97).
134 
Die die Ausweisung tragenden „zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ stellen, soweit sie diese Rechte nach Kapitel VII berühren, zulässige Beschränkungen im Sinne der Richtlinie dar.
135 
Wird mit der Ausweisung das Erlöschen der Niederlassungserlaubnis (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) bezweckt und ist zugleich eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung nicht beabsichtigt, wovon hier mit Blick auf den Flüchtlingsstatus des Klägers auszugehen ist, werden der Schutz vor Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, das Informationsrecht aus Art. 22 der Qualifikationsrichtlinie sowie der Anspruch auf Wahrung des Familienverbandes nach Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie schon nicht tangiert. Dafür, dass vorliegend das Recht auf Bildung nach Art. 27der Qualifikationsrichtlinie, der Zugang zu Wohnraum nach Art. 32 der Qualifikationsrichtlinie oder zu Integrationsmaßnahmen nach Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie betroffen sein könnte, ist gleichfalls nichts ersichtlich.
136 
Soweit durch den Duldungsstatus des Klägers dessen Recht auf Aufnahme einer (selbstständigen oder unselbstständigen) Erwerbstätigkeit nach Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie zunächst kraft Gesetzes mit einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt belegt ist, ist dieser für sich genommen unbedenklich, zumal sich aus § 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ergibt, dass dieser nicht gilt, wenn dem Ausländer auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung, eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung die Erwerbstätigkeit gestattet ist, ohne dass er hierzu durch einen Aufenthaltstitel berechtigt sein muss. So liegt der Fall hier, da diese Vorschrift mit Blick auf den vorrangigen Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie auszulegen ist. Unbeschadet dessen ist für den Senat im konkreten Fall aber auch nicht ersichtlich, dass der Kläger durch Einschränkungen seiner rechtlichen Möglichkeiten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, in tatsächlicher Hinsicht unzumutbar belastet wäre, nachdem er trotz seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland nur für jeweils kurze und länger zurückliegende Zeiträume überhaupt einer solchen nachgegangen ist.
137 
Aufgrund der Ausweisung greifen im konkreten Fall jedoch die angeordneten Maßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG (Meldepflichten, Aufenthaltsbeschränkung auf den Stadtbezirk...). Diese dienen unmittelbar der Abwehr bzw. Eindämmung der von Kläger ausgehenden Gefahren und schränken insoweit das Recht des Betroffenen auf ein Reisedokument nach Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie sowie das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Bundesrepublik nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie in sachangemessener Weise ein. Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie verpflichtet zur Erteilung eines Reisedokumentes auch für Reisen ins Ausland, es sei denn, Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung stehen dem entgegen. Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, Bewegungsfreiheit in ihrem Hoheitsgebiet zu gestatten „unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen wie für andere Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten“. Nachdem im persönlichen Verhalten des Klägers „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gegeben sind, liegt ein Versagungsgrund im Sinne des Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vor, da die Einschränkung seiner Reisemöglichkeiten gerade dazu dient, sein die PKK unterstützendes Verhalten zumindest deutlich zu erschweren. Daraus rechtfertigt sich auch die Einschränkung seiner Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebietes nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie. Das hat der Senat schon unter Zugrundelegung der Vergleichsgruppe von Drittstaatsangehörigen, die sich nach nationalem Recht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, festgestellt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff., m. w. N.).
138 
Da der Gerichtshof eine Ausweisung unter Berücksichtigung des Maßstabs des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie auch dann für zulässig erachtet, wenn dadurch der Aufenthalt zwar rein tatsächlich nicht beendet werden soll, es aber dennoch notwendig erscheint, zumindest die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentlichen Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a.a.O., Rn. 52), ist es nach Auffassung des Senats aus systematischen Gründen und zur Effektivierung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie angezeigt, dessen Wertungen auch insoweit zu berücksichtigen, als Reichweite und Grenzen der weiteren in Kapitel VII aufgeführten Rechte in entscheidungserheblicher Weise in Rede stehen. Denn eine Ausweisung, deren Folge sich im Erlöschen des Titels erschöpfen würde, ohne daran anknüpfend verhaltenssteuernde Wirkungen zu entfalten, die geeignet und erforderlich sind, die Gefahr wirksam einzudämmen, wäre letztlich wegen Zweckverfehlung unverhältnismäßig. Dies würde Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, in Fällen wie dem vorliegenden, die praktische Wirksamkeit nehmen und damit dessen Bedeutung, wie er auch in den Erwägungsgründen 31 und 37 der Richtlinie zum Ausdruck kommt, verfehlen.
139 
Nach all ist es für den Senat auch folgerichtig, auf den Fall des Klägers nicht Art. 29 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, sondern dessen Absatz 2 entsprechend anzuwenden, nachdem die Mitgliedstaaten abweichend von Absatz 1 die Sozialhilfe für Personen, denen (nur) der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken kann. Dies gilt hier umso mehr, als es der Kläger im Gegensatz zu subsidiär Schutzberechtigten selbst in der Hand hat, durch eine Abkehr von seinen den Terrorismus unterstützenden Handlungen die Ursachen für diese Einschränkungen zu beseitigen und es gerade in der Logik des Duldungsstatus liegt, den Kläger zu einer dahingehenden Verhaltensänderung zu bewegen. Soweit sich demnach ergeben sollte, dass der Kläger aufgrund seines Duldungsstatus und mangels anderweitiger Regelungen, die ihm, etwa als Familienangehöriger aus abgeleitetem Recht, einen vollen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach dem SGB II verschaffen könnten, auf die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes beschränkt ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG), steht dies nicht in Widerspruch zu Art. 29 der Qualifikationsrichtlinie. Für Leistungsbeschränkungen in Bezug auf die medizinische Versorgung (§ 4 AsylbLG) im Sinne des Art. 30 der Qualifikationsrichtlinie gilt nichts anderes.
140 
3. Dem dargestellten und nach gesetzlicher Wertung besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht ein gleichfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gegenüber, da dieser eine Niederlassungserlaubnis besessen hat, die gerade durch die Ausweisungsverfügung betroffen ist, er mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und er sein Personensorgerecht für minderjährige ledige Deutsche ausübt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG). Insoweit geht der Senat aufgrund der nicht weiter spezifizierten Angabe des Klägers, wonach sechs seiner sieben Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, davon aus, dass jedenfalls auch die noch in seinem Haushalt lebenden minderjährigen Kinder diese besitzen. § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG tritt vorliegend hinter die insoweit speziellere Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG zurück (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 55 AufenthG, zu Abs. 2 Nr. 5, Stand: 18.01.2016, Rn. 3: Auffangnorm).
141 
4. § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Diese sind, nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner, wobei die in Absatz 2 aufgezählten Umstände weder abschließend zu verstehen sind, noch nur zu Gunsten des Ausländers ausfallen müssen. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Umstände im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG prägen den Einzelfall insoweit, als sie über die den vertypten Interessen zugrunde liegenden Wertungen hinausgehen oder diesen entgegenstehen. Insbesondere in an dieser Stelle der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die konkreten Umstände des Einzelfalles von vertypten gesetzlichen Wertungen abweichen (Bsp.: § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren; § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: 30-jähriger rechtmäßiger Aufenthalt). Sind im konkreten Fall keine Gründe - etwa auch solche rechtlicher Art - ersichtlich, die den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG entgegenstehen, wird regelmäßig kein Anlass bestehen, diese Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren.
142 
Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso (BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946) wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen.
143 
Davon ausgehend erweist sich die Ausweisung des Klägers als verhältnismäßig, da hier das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers unter Berücksichtigung sämtlicher den Fall prägenden Umstände überwiegt.
144 
Vorliegend ist zunächst die dem Flüchtlingsstatus des Klägers geschuldete Besonderheit in Rechnung zu stellen, nach der im konkreten Fall eine tatsächliche Beendigung des Aufenthalts des Klägers wegen dessen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, obgleich gewichtige Gründe für eine Ausweisung bestehen. Daher ist Bezugspunkt für die Verhältnismäßigkeitsfrage auch nur die Ausweisung in der hier erfolgten Form mit ihrer Folge einer ggf. auch langfristigen Duldung des Klägers im Bundesgebiet und seiner Überwachung nach § 56 AufenthG sowie der schon dargestellten Einschränkungen der verschiedenen Folgerechte.
145 
Dem Ausweisungsinteresse, wie es sich im konkreten Fall darstellt, steht ein nach der gesetzlichen Wertungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG ebenfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gegenüber. Hinzu treten auf Seiten des Klägers dessen Anspruch auf Achtung seiner familiären Bindungen nach Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 6 GG. Im weiteren ist sein mit über 17 Jahren über den in § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verlangten mindestens fünfjährigen rechtmäßigen Inlandsaufenthalt hinausgehender rechtmäßiger Aufenthalt zu berücksichtigen. Das Gewicht dieser Umstände ist, soweit es nicht schon über § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG erfasst wird, aus § 53 Abs. 2 AufenthG (über fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet) und den grund- und konventionsrechtlichen Wertungen mit Blick auf die Folgen der Ausweisung auf diese Umstände zu ermitteln.
146 
Wegen der familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet folgt aus Art. 6 GG zwar unmittelbar kein Aufenthaltsrecht, dieses Grundrecht gebietet aber die Berücksichtigung der in Art. 6 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat (vgl. hierzu ausf.: Hoppe/Samel in: Rensen/Brink (Hrsg.) Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2009, S. 137 ff.). Diese verpflichtet dazu, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84 313/84 -, NJW 1988, 626 und vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195; Beschluss vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682). Daraus kann sich die Unverhältnismäßigkeit einer Ausweisung ergeben, wenn ein gemeinsames Familienleben in Deutschland durch diese unmöglich gemacht würde und es den Familienmitgliedern nicht zumutbar wäre, die Familiengemeinschaft im Ausland herzustellen (BVerfG, Beschluss vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195). Für das Recht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt sich nichts anderes (zu den Kriterien vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 18.10.2006 - 46410/99 <Üner> -, NVwZ 2007, 1279; Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 -, InfAuslR 2001, 476 -; ausführlich Mayer, VerwArch 2010, 482 <530 ff.>, m. w. N.).
147 
Soweit sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bei langjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ergibt, dass die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, die Integration in die deutsche Gesellschaft, auch soweit sie keinen familiären Bezug hat, und das Fehlen tatsächlicher Bindungen an den Staat seiner Staatsangehörigkeit bei einer Ausweisung angemessen zu gewichten sind (BVerfG, Beschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300), ist ein Gleichlauf zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festzustellen, der unter dem Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK das Netz an persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen fasst, die für das Privatleben eines jeden Menschen schlechthin konstitutiv sind (EGMR, Urteil vom 09.10.2003 - 48321/99 -, EuGRZ 2006, 560). Diesen Beziehungen kommt bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zu (so BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; Thym, EuGRZ 2006, 541 <544>; Hoppe, ZAR 2006, 125 <130>; Hofmann, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Art. 8 EMRK, Stand: 01.11.2015, Rn. 20 ff., m. w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl., 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 14 ff.). Daraus folgt auch für Ausweisungen von Ausländern, die über keine schützenswerten familiären Bindungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 6 GG verfügen, eine Verpflichtung zur einzelfallbezogenen Abwägung unter angemessener Berücksichtigung dieser das Recht auf Privatleben konstituierenden Bindungen. Fehlen Bindungen an den Herkunftsstaat kann sich daraus eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung - selbst bei langjährigen Freiheitsstrafen und zahlreichen Verurteilungen - ergeben (vgl. die Nachweise bei Mayer, a. a. O.).
148 
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Denn die Ausweisung des Klägers führt nicht zur Beendigung seines tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland. Vorliegend sind die tatsächlichen Bindungen des Klägers durch die Ausweisung allerdings dadurch betroffen, dass ihn die Überwachungsmaßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG in seiner Bewegungsfreiheit beschränken. Soweit ihm diese seine Möglichkeiten zur Fortführung gerade der streitgegenständlichen Aktivitäten erschweren, ist dadurch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers schon nicht berührt. Die Einschränkungen seiner Rechte aus Art. 29 und 30 der Qualifikationsrichtlinie (Sozialhilfe und medizinische Versorgung) sind objektiv betrachtet geeignet und erforderlich, um den Kläger zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Die für ihn eintretenden Einschränkungen seiner Bewegungsmöglichkeiten sind aus den schon dargelegten Gründen erforderlich und auch zumutbar. Die für seine Familienmitglieder mit den Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten des Klägers und seiner genannten Rechte verbundenen Folgen sind allenfalls mittelbarer Art und als solche auch verhältnismäßig, zumal sie - als mildere Mittel zur tatsächlichen Beendigung des Aufenthalts - einzig dem Umstand geschuldet sind, dass der Beklagte gerade auf den Flüchtlingsstatus des Klägers Rücksicht nimmt, obwohl dieser Gründe setzt, die gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter erforderlich machen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, juris, Rn. 24). Darüber hinaus sind weitere schützens- und nennenswerte Bindungen des Klägers in die hiesige Gesellschaft, die durch die Ausweisung in unzumutbarer Weise beschränkt würden, trotz des langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Der Kläger spricht kaum Deutsch, er war nur sporadisch und für kürzere Zeiträume überhaupt erwerbstätig und ist seit längerem von Sozialleistungen abhängig. Diese Umstände relativieren das Gewicht seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Abwägung entscheidend. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass es der Kläger in der Hand hat, durch eine glaubhafte Abkehr von seinem bisherigen Verhalten eine Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu erreichen. Aus all dem ergibt sich bei wertender Betrachtung der widerstreitenden Interessen im konkreten Fall ein Überwiegen des Ausweisungsinteresses.
149 
5. Soweit sich, ungeachtet der Rechtsstellung des Klägers, aus den Stand-Still-Klauseln des Art. 7 ARB 2/76, des Art. 13 ARB 1/80 bzw. des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei (ZP) ein Verbot ergibt, ohne zwingende Gründe neue Beschränkungen für sich ordnungsgemäß (vgl. EuGH, Urteil vom 07.11.2013 - C-225/12 -, InfAuslR 2014, 1) im Inland aufhaltende türkische Staatsangehörige einzuführen, die deren Möglichkeiten zur Aufnahme einer (abhängigen oder selbstständigen) Beschäftigung im Verhältnis zur Rechtslage bei Inkrafttreten dieser Regelungen stärker begrenzen würden (vgl. etwa: EuGH, Urteile vom 10.07.2014 - C-138/13 -, NVwZ 2014, 1081 und vom 17.09.2009 - C-242/06 -, InfAuslR 2009, 413), führt dies nicht dazu, dass die §§ 53 ff. AufenthG in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung außer Anwendung zu bleiben hätten.
150 
Mit der Neukonzeption des Ausweisungsrechts im Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, S. 1386) will der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung der Entwicklung Rechnung tragen, „wonach das bisherige dreistufige Ausweisungsrecht durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ohnehin mehr und mehr zu einer Ermessensausweisung mit umfassender Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit modifiziert worden ist.“ (BT-Drs. 18/4097). Die Änderungen des Ausweisungsrechts dienen danach der Anpassung an die Entwicklung dieser Rechtsprechung und sie sollen Rechtsunsicherheiten im Ausweisungsrecht beseitigen und die Arbeit der Ausländerbehörden erleichtern. Aus dem mit der Neuregelung einhergehenden Systemwechsel, weg von einer Ausweisung im Ermessenswege, hin zu einer zwar gebundenen, dafür aber anhand des Maßstabes der Verhältnismäßigkeit zu messenden, folgt daher bei der gebotenen Gesamtbetrachtung keine neue Beschränkung in Sinne der Stand-Still-Klauseln.
151 
Im Vergleich zu den Ausweisungsregelungen der Ausländergesetze seit 1965 und dem Aufenthaltsgesetz a. F. lässt sich feststellen, dass das neue Ausweisungsrecht sich weitgehend von einer in Bezug auf die Interessen des Ausländers auf bloßen Verwaltungsvorgaben beruhenden Ermessensentscheidung des Ausländergesetzes 1965 (vgl. Kanein, Ausländerrecht, 4. Aufl., 1988, § 10 AuslG) ebenso gelöst hat, wie von schematisierenden und insoweit bindenden gesetzlichen Vorgaben des Ausländergesetzes 1990 und des Aufenthaltsgesetzes a. F., die einer umfassenden Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls entsprechend deren Gewicht entgegenstehen konnten. Schematisierungen dieser Art und Wirkung waren auch der Anlass für die Gerichte, das bisherige Recht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, teilweise entgegen seinem Wortlaut, auszulegen und anzuwenden (vgl. Mayer, VerwArch 2010, 482 <483 ff.>, m . w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl. 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 19 ff.). Während eine Ausweisung im Ermessenswege gerichtlich bislang nur eingeschränkt überprüfbar war (§ 114 Satz 1 VwGO), stellt das neue Recht eine vollumfassende gerichtliche Überprüfung sicher. Das durch die neuen Regelungen aufgestellte Prüfprogramm garantiert, wie die bisherigen Ausführungen deutlich machen, eine umfassende Berücksichtigung der den Fall prägenden Umstände. Der Verlust der Ermessensebene wird durch die nunmehr umfassende gerichtliche Kontrollpflicht in Bezug auf die Frage der Verhältnismäßigkeit aufgewogen (so auch: Neidhardt, a. a. O., Rn. 31; a. A.: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 42, der davon ausgeht, dass eine Ausweisung nach Ermessen immer günstiger für den Betroffenen sei als eine gebundene nach § 53 Abs. 1 AufenthG n. F.). Es wäre daher verfehlt, für die Frage einer neuen Beschränkung isoliert darauf abzustellen, dass es sich nunmehr bei der Ausweisungsentscheidung um eine gebundene handelt. Weder Unions- noch Assoziationsrecht gebieten eine Ermessensentscheidung, sondern (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 -, InfAuslR 2010, 3; vgl. zum Erfordernis einer wertenden Gesamtbetrachtung: BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492).
152 
Soweit § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nunmehr, wie ebenfalls schon dargelegt, die Gefahr gesetzlich aus der Erfüllung des Tatbestandes ableitet, führt auch dies jedenfalls im konkreten Fall zu keiner Verschlechterung der Rechtsstellung des Klägers, nachdem dessen tatsächliches Verhalten die gesetzliche Festlegung gerade bestätigt.
153 
Dass mit § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG im Falle einer Ausweisung die kraft Gesetzes geltenden Überwachungsmaßnahmen - in Abweichung zur früheren Rechtslage - nicht mehr die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisung voraussetzen, stellt gleichfalls keine neue Beschränkung in diesem Sinne dar. Die Stillhalteverpflichtung bedeutet nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens und des Prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492). Lässt eine Änderung des Verfahrens - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor. Es kann nicht ernsthaft in Frage stehen, dass insoweit effektiver gerichtlicher Rechtsschutz über eine einstweilige gerichtliche Regelung nach § 123 VwGO erreicht werden kann. Vorliegend kommt es hierauf auch nicht an, da der Beklagte solche Maßnahmen modifizierend und durch Verwaltungsakt erlassen hat und insoweit Rechtsschutz nach §§ 80 ff. VwGO gegeben ist.
154 
Selbst wenn man den Rechtsfolgenwechsel - weg von der Einräumung von Ermessen, hin zu einer gebundenen Entscheidung - bzw. die weiteren dargestellten Änderungen des Ausweisungsrechts grundsätzlich als Maßnahmen ansehen wollte, die bezweckten oder bewirkten, dass die Ausübung der Freizügigkeitsrechte durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen in dem Mitgliedstaat gelten, wären diese Maßnahmen hier rechtlich zulässig. Denn die Einführung dieser - unterstellt - strengeren Voraussetzungen wäre durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, gerade weil der vorgenommene Systemwechsel dazu dient, das ursprüngliche, durch die Anforderungen der Rechtsprechung erheblich - teils gegen den Wortlaut - modifizierte Ausweisungsrecht wieder handhabbar und in sich schlüssig und nachvollziehbar zu machen. Die nunmehr gesetzliche Festlegung der Gefahr nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist mit Blick auf die vom Terrorismus ausgehenden Gefahren sicherlich gerechtfertigt, zumal sich aus praktischer Sicht kaum Fallkonstellationen denken lassen, bei denen eine solche Gefahr zu verneinen sein könnte, obwohl ein Unterstützen einer terroristischen Vereinigung tatbestandlich vorliegt und eine glaubhafte Abwendung hiervon - die das Gesetz ausdrücklich zulässt - nicht erfolgt ist.
II.
155 
Nicht verfahrensgegenständlich ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung, nachdem der Kläger mit seinem Berufungsantrag, der gemäß § 124a Abs. 3 VwGO nicht nur begründende sondern auch begrenzende Wirkung hat, alleine die Aufhebung der Ausweisungsverfügung des Beklagten beantragt und er auch in seiner Berufungsbegründung auf die Befristungsfrage nicht abgestellt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2011 - 2 B 37.10 -, juris).
156 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
157 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
158 
Beschluss vom 13. Januar 2016
159 
Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
160 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
47 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht und ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 6 und Abs. 3 Satz 4 VwGO) Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2015 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Ausweisungsverfügung den Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO) (I.). Nicht streitgegenständlich ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung, gegen die sich der Kläger mit seinem Berufungsantrag nicht wendet (II.).
I.
48 
Die Ausweisungsverfügung ist auf § 53 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung (Art. 9 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BGBl. I, S. 1386 <1399>) zu stützen; maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der der mündlichen Verhandlung des Senats (BVerwG, Urteil vom 04. Oktober 2012 - 1 C 13.11 -, Rn. 16, BVerwGE 144, 230, Rn. 16 und vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 -, BVerwGE 143, 277, Rn. 12).
49 
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dieser Grundtatbestand des neuen Ausweisungsrechts umreißt die Ausweisungszwecke auf tatbestandlicher Ebene, die in § 54 AufenthG in vertypter und zugleich gewichteter Form als Ausweisungsinteressen ausdifferenziert werden. Nicht mehr entscheidungserheblich ist danach, ob der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren seine Ermessenserwägungen in hinreichender Form nachgebessert hat (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 1 C 20.11 -, juris). Denn ein Ermessen ist der Ausländerbehörde aufgrund des gesetzlichen Systemwechsels, hin zu einer gebundenen Entscheidung auf Tatbestandsseite, nicht mehr eingeräumt (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Ausweisung, Überblick, Stand: 18.01.2016, Rn. 1; terminologisch unzutreffend daher: Marx, Aufenthalts- Asyl- und Flüchtlingsrecht, 5. Aufl. 2015, § 7, Rn. 163).
50 
Hier erfüllt das Verhalten des Klägers das danach besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (1.). § 53 Abs. 3 AufenthG modifiziert den Ausweisungsmaßstab im Sinne erhöhter Anforderungen an das Gewicht der drohenden Rechtsgutsverletzung, sofern die in dieser Vorschrift aufgeführten Personengruppen betroffen sind. Der Kläger unterfällt als anerkannter Flüchtling dieser Regelung (2.). Dem Ausweisungsinteresse gegenüberzustellen ist das Bleibeinteresse des Ausländers nach § 55 AufenthG, das der Gesetzgeber ebenfalls vertypt und zugleich gewichtet, aber nicht abschließend aufgeführt hat (3.). § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, im konkreten Fall in Form des Interesses an der Beendigung des weiteren rechtmäßigen Aufenthalts, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende umfassende und abschließende Abwägung des Ausweisungsinteresses mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände einzubeziehen sind (4.). Aus all dem folgt auch, dass die Ausweisung vorliegend nicht gegen die assoziationsrechtlichen Stand-Still-Klauseln verstößt (5.).
51 
1. Im Fall des Klägers liegt ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, der bestimmt, dass ein solches im Sinne von § 53 Absatz 1 AufenthG besonders schwer wiegt, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wovon - unter anderem dann - auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
52 
Der Kläger unterstützt seit längerem und auch aktuell die PKK, eine terroristische bzw. den Terrorismus unterstützende Vereinigung (a.), und dies überwiegend in herausgehobener Funktion (b.).
53 
a.) Das Aufenthaltsgesetz selbst enthält keine eigene Definition des Terrorismus. Da die - insoweit - tatbestandlich deckungsgleichen Vorgängervorschriften des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; § 54 Nr. 5 AufenthG a. F.) auf die UN-Sicherheitsratsresolution 1373 (2001) vom 28. September 2001 zurückgehen (Art. 11 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 09.01.2002, BGBl I, Nr. 3, S. 361; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 1. Aufl., 2012, S. 187) und diese das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl 2003 II, S. 1923) in Bezug nimmt, wird in der Rechtsprechung zunächst auf die Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 lit. b des Internationalen Übereinkommens abgestellt (BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, BVerwGE 147, 261 und vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, BVerwGE 123, 114; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris). Danach ist eine terroristische Straftat als eine Handlung definiert,
54 
„die den Tod oder eine schwere Körperverletzung einer Zivilperson oder einer anderen Person, die bei einem bewaffneten Konflikt nicht aktiv an den Feindseligkeiten teilnimmt, herbeiführen soll, wenn diese Handlung aufgrund ihres Wesens oder der Umstände darauf abzielt, die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen“.
55 
Im Weiteren wird auf den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (2001/931/GASP) Bezug genommen (ABl. L 344 vom 28.12.2001, S. 93, juris), der in seinem Artikel 1 Abs. 3 terroristische Handlungen wie folgt definiert:
56 
„Im Sinne dieses Gemeinsamen Standpunkts bezeichnet der Ausdruck "terroristische Handlung" eine der nachstehend aufgeführten vorsätzlichen Handlungen, die durch ihre Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen kann und im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert ist, wenn sie mit dem Ziel begangen wird,
57 
i) die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder
58 
ii) eine Regierung oder eine internationale Organisation unberechtigterweise zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder
59 
iii) die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören:
60 
a) Anschläge auf das Leben einer Person, die zum Tode führen können;
61 
b) Anschläge auf die körperliche Unversehrtheit einer Person;
62 
c) Entführung oder Geiselnahme;
63 
d) weit reichende Zerstörungen an einer Regierungseinrichtung oder einer öffentlichen Einrichtung, einem Verkehrssystem, einer Infrastruktur, einschließlich eines Informatiksystems, einer festen Plattform, die sich auf dem Festlandsockel befindet, einem allgemein zugänglichen Ort oder einem Privateigentum, die Menschenleben gefährden oder zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen können;
64 
e) Kapern von Luft- und Wasserfahrzeugen oder von anderen öffentlichen Verkehrsmitteln oder Güterverkehrsmitteln;
65 
f) Herstellung, Besitz, Erwerb, Beförderung oder Bereitstellung oder Verwendung von Schusswaffen, Sprengstoffen, Kernwaffen, biologischen und chemischen Waffen sowie die Forschung und Entwicklung in Bezug auf biologische und chemische Waffen;
66 
g) Freisetzung gefährlicher Stoffe oder Herbeiführen eines Brandes, einer Explosion oder einer Überschwemmung, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;
67 
h) Manipulation oder Störung der Versorgung mit Wasser, Strom oder anderen lebenswichtigen natürlichen Ressourcen, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;
68 
i) Drohung mit der Begehung einer der unter den Buchstaben a) bis h) genannten Straftaten;
69 
j) Anführen einer terroristischen Vereinigung;
70 
k) Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung einschließlich durch Bereitstellung von Informationen oder materiellen Mitteln oder durch jegliche Art der Finanzierung ihrer Aktivitäten in dem Wissen, dass diese Beteiligung zu den kriminellen Aktivitäten der Gruppe beiträgt.
71 
Im Sinne dieses Absatzes bezeichnet der Ausdruck "terroristische Vereinigung" einen auf längere Dauer angelegten organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, die in Verabredung handeln, um terroristische Handlungen zu begehen. Der Ausdruck "organisierter Zusammenschluss" bezeichnet einen Zusammenschluss, der nicht zufällig zur unmittelbaren Begehung einer terroristischen Handlung gebildet wird und der nicht notwendigerweise förmlich festgelegte Rollen für seine Mitglieder, eine kontinuierliche Mitgliedschaft oder eine ausgeprägte Struktur hat.“
72 
Bei der hiernach erforderlichen wertenden Gesamtschau sind insbesondere die Ausübung von Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung als auch der Einsatz gemeingefährlicher Waffen zur Durchsetzung politischer Ziele für terroristische Handlungen kennzeichnend, daneben aber auch Tötungen von abtrünnigen Mitgliedern der eigenen Organisation oder von Sicherheitskräften, sofern die Merkmale eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des Art. 8 Abs. 2 lit. d und f des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 nicht erfüllt sind (OVG NRW, Urteil vom 02.07.2013 - 8 A 5118/05.A -, juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285; BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 -, juris und vom 04.09.2012 - 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230; jew. zum Ausschluss der Asylberechtigung wegen Unterstützung terroristischer Aktivitäten der PKK) bzw. eine Rechtfertigung über Art. 43 i. V. m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 08. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551) nicht in Betracht kommt (so: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, verneinend zur PKK), Der Senat ist sich danach bewusst, dass für die Definition des Terrorismus nicht schlicht auf die Anwendung von Gewalt abgestellt werden kann und auch Konstellationen denkbar sind, bei denen sich eine Gewaltanwendung als legitimes Mittel zur Wiederherstellung eines völkerrechtsgemäßen Zustands darstellt.
73 
Davon ausgehend gibt der vorliegende Fall dem Senat keinen Anlass, seine bisherige Bewertung zu revidieren, dass es sich bei der PKK um eine terroristische bzw. eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung handelt (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris; Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, NVwZ-RR 2012, 412).
74 
Die PKK ist auch weiterhin auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP -, ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2015/2430 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 337 vom 22.12.2012, S. 18 und die Durchführungsverordnung 2015/2425 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 334 vom 22.12.2015, S. 1), was nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Feststellung erlaubt, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285). Folgt man der Auffassung der Generalanwältin Sharpston, die in der Aufnahme einer Organisation in die Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 „auf den ersten Blick“ einen „deutlichen Anhaltspunkt dafür“ sieht, „dass die Organisation entweder eine terroristische Organisation ist oder (gestützt auf Beweise, die ihrerseits rechtlich angegriffen werden können) im Verdacht steht, eine solche Organisation zu sein“ (EuGH, Schlussanträge vom 11.09.2014, C- 373/13 -, juris, Rn. 95), führt dies in Bezug auf die PKK zu keiner anderen Bewertung. Der Senat geht unbeschadet der Listung der PKK davon aus, dass von dieser keine Bindungswirkung ausgeht und daher eine eigenständige gerichtliche Prüfung der vorliegenden Erkenntnismittel nicht entbehrlich ist (so auch: BayVGH, Beschluss vom 08.05.2009 - 19 CS 09.268 -, juris; a. A.: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 83), gleichwohl handelt es sich um ein gewichtiges Indiz, zumal gegen eine Listung effektiver gerichtlicher Rechtsschutz gewährt wird (Bauer, in: Sinn/Zöller, Neujustierung des Strafrechts durch Terrorismus und Organisierte Kriminalität, 2013, 103 <111>, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2012 - C-539/10 P, 550/10 P -, juris).
75 
Der Senat legt in tatsächlicher Hinsicht zunächst die im bisherigen Verfahren vom Beklagten und dem Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu den Aktivitäten der PKK zu Grunde, die der Kläger auch nicht in Frage stellt (Ziffer 2.1.1. der Ausweisungsverfügung, Blatt 25 bis 27 der Akte des Verwaltungsgerichts; Ziffer 1. a) des Urteils des Verwaltungsgerichts, Seite 8, unten, letzter Absatz bis Seite 10, Blatt 8 bis 10 der Gerichtsakte).
76 
Hiervon ausgehend ist zunächst festzustellen, dass die PKK, wie in den in Bezug genommenen Entscheidungen des Senats und in dem angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts schon ausgeführt, zu keinem Zeitpunkt ernst- und dauerhaft von terroristischen Aktionen Abstand genommen hat, da von ihr ausgerufene Waffenruhen stets wieder beendet wurden. Selbst während solcher Waffenruhen kam es weiterhin zu terroristischen Aktivitäten. Die Global Terrorism Database der University of Maryland (start.umd.edu unter dem Stichwort PKK) listet in ihrer aktuell bis Ende 2014 reichenden Datensammlung zahlreiche terroristische Aktivitäten in der Türkei auf, die der PKK bzw. deren militärischen Arm, der HPG, zugerechnet werden. In zwei - im Übrigen gravierenden - Fällen aus dem Jahr 2014 hat diese sogar ausdrücklich die Verantwortung für Anschläge übernommen, und zwar für einen Angriff am 26. September 2014 auf Verkehrspolizisten zwischen Diyarbakir und Bitlis, bei der drei Polizisten getötet und zwei verwundet wurden und einen weiteren „Granatenangriff“ auf eine Fabrikanlage am 24. Oktober 2014 in Kagizman, in der Provinz Kars, bei der drei der Angreifer getötet wurden. Wie sich der aktuellen Tagespresse und den weiteren Erkenntnismitteln des Gerichts entnehmen lässt, hat die PKK zuletzt Ende Juli 2015 die zuvor etwa zwei Jahre währende (relative) Waffenruhe ausdrücklich aufgekündigt. Es kam in der Folge, als Reaktion auf einen Anschlag in der türkischen Stadt Suruc, zur Ermordung zweier türkischer Polizisten in Ceylanpinar, zu der sich die PKK bekannt hat, und in der Folge zudem zu Auseinandersetzungen von pro-türkischen und pro-kurdischen Gruppen auch in Deutschland (Deutscher Bundestag, „Konflikt zwischen der Türkei und PKK“, Parlamentsnachrichten vom 22.10.2015; tagessschau.de, „PKK bekennt sich zu Anschlag auf Polizisten“, 22.07.2015, 15:29 Uhr; Deutschlandfunk.de, „PKK fühlt sich nicht mehr an erklärten Gewaltverzicht gebunden“, 05.11.2015; Wladimir van Wilgenburg, jamestown.org, TerrorismMonitor, Vol. XIII, Issue 19, 17.09.2015, „Turkey`s New Syria Policy: Preventing Islamic State an Kurdish Expansion“, S. 6 f.). Die Australian National Security weist in einer aktuellen Stellungnahme zur PKK darauf hin, dass diese zwar im Zuge der Waffenruhe mit dem türkischen Staat ihre terroristischen Aktivitäten heruntergefahren habe, gleichwohl aber seit dem 20. August 2012 über 50 Menschen durch Attacken der PKK ums Leben gekommen und über 300 gekidnappte Kinder zwischen Dezember 2013 und Mai 2014 zu verzeichnen gewesen seien (nationalsecurity.gov.au/listedterrororganisations/pages/kurdistanworkersparty). Entführungen von Kindern zur Erpressung von Geldzahlungen werden auch durch eine weitere seriöse Quelle bestätigt: M. M. berichtet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 31. Oktober 2015 in einem ausführlichen Hintergrundbericht („Die heimlichen Herrscher von Diyarbakir“, S. 7) von einer größer werdenden Abhängigkeit gewählter Politiker der HDP von der PKK in den kurdischen Gebieten der Türkei mit nach Auskunft von kurdischen Menschenrechtlern, wie etwa S. B., fatalen Folgen für jene Kurden, die bei der PKK nicht wohlgelitten seien: „Die PKK sieht sich keinen moralischen oder rechtlichen Werten unterworfen“, so B.. Wer ins Fadenkreuz der PKK gerate, könne auf niemanden hoffen. Die PKK treibe ihre eigenen Steuern ein und entführe Kinder von Leuten, die nicht zahlten. Er, B., sei überrascht, dass man im Ausland so wenig darüber wisse. Und weiter: In Diyarbakir sei es leichter, Erdogan oder den türkischen Staat anzugreifen als die PKK. „Der Preis für Kritik an der PKK kann der Tod sein, das Verbrennen von Autos, Häusern, Büros. Ich habe viele Drohungen bekommen.“, so B..
77 
Angesichts dieser Erkenntnislage kann keine Rede davon sein, die PKK hätte sich zu einer den Menschenrechten und der Demokratie verpflichteten Organisation gewandelt. Die Erschießung von Verkehrspolizisten, der Angriff auf eine Fabrikanlage mit Granaten sowie die Entführung von Kindern zur Finanzierung der eigenen Aktivitäten lassen sich nach Auffassung des Senats nicht als Kampfhandlungen in einem innerstaatlichen Konflikt oder gar als ein völkerrechtlich gerechtfertigtes Handeln in einem solchen bewerten (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274).
78 
Der Senat sieht sich hier auch in Übereinstimmung mit den aktuellen Bewertungen der PKK und deren Teilorganisationen durch den Bundesgerichtshof, (Beschluss vom 03.09.2015 - AK 27/15 -, BeckRS 2015, 16318; vom 19.03.2015 - AK 2/15 -, juris; vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, auch zur Zurechnung von Taten der TAK zur PKK; vom 16.02.2012 - AK 1/12 und AK 2/12 -, juris, zur KCK und der HPG; Urteil vom 28.10.2010 - 3 StR 179/10 -, NJW 2011, 542; vgl. auch Haverkamp, ZStW 2011, 92 <96>, Fn. 25, die bezüglich der PKK von einer Allianz von Terrorismus mit organisierter Kriminalität ausgeht).
79 
Soweit der Kläger daher auf veränderte politische Umstände und dabei insbesondere darauf abstellen will, dass die PKK sich nunmehr dem Kampf gegen den IS, dem Schutz der Zivilbevölkerung im Norden Syriens verpflichtet fühle, den bewaffneten Kampf gegen die Türkei aufgegeben habe und entgegenstehende Äußerungen hochrangiger Funktionäre der PKK als Teil der Propaganda zwischen der PKK und dem türkischen Staat zu bewerten seien, ist dies auch durch das aktuelle Vorgehen der PKK eindrucksvoll widerlegt. Selbst wenn man mit dem Kläger einmal unterstellt, die PKK sei mit der YPG gleichzusetzen und in Syrien dem Schutz der Kurden und Jesiden verpflichtet, ändert dies nichts an den in der Türkei verübten terroristischen Taten.
80 
b.) Davon ausgehend stellen sich die vom Kläger unbestritten entfalteten Aktivitäten ab Dezember 2010 als Unterstützungshandlungen zu Gunsten der PKK dar, die ihm als Ausweisungsinteresse auch vorgehalten werden dürfen.
81 
Im konkreten Fall können allerdings nur noch diejenigen Aktivitäten des Klägers ein solches begründen, die dieser nach erfolgter Mitteilung im Juli 2010 an ihn, dass wegen seiner Aktivitäten die Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. seine Ausweisung geprüft werde, entfaltet hat. Davor liegende sind aus Gründen des Vertrauensschutzes verbraucht. Denn ein Ausweisungsinteresse ist, wie auch bislang schon ein Ausweisungsgrund, verbraucht, wenn ein Aufenthaltstitel in Kenntnis bzw. in der Sphäre des Staates zuzurechnender Unkenntnis desselben erteilt bzw. verlängert wurde (Discher, in: GK-AufenthG, Juni 2009, Vor §§ 53. ff. AufenthG, Rn. 382 ff., m. w. N.). So liegt der Fall hier. Darauf, ob solche Aktivitäten der den Titel erteilenden Ausländerbehörde tatsächlich selbst bekannt waren, kommt es mit Blick auf den damit bezweckten Vertrauensschutz, der sich aus der Perspektive des betroffenen Ausländers bestimmt, nicht entscheidend an. Vielmehr genügt es, wenn solche Aktivitäten der Ausländerbehörde hätten bekannt sein können, was hier der Fall ist, nachdem diese selbst eine Sicherheitsüberprüfung mit Blick auf vorliegende Erkenntnisse eingeleitet und sodann die Niederlassungserlaubnis erteilt hat, ohne das Ergebnis der Überprüfung abzuwarten. Dass dies unter der - irrigen - Annahme erfolgte, eine Überprüfung sei vorliegend rechtlich nicht erforderlich, ändert hieran nichts.
82 
Diese Aktivitäten des Klägers sind auch überwiegend als Unterstützungshandlungen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu werten, insoweit gelten die Maßstäbe des § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl I, S. 1950) - AufenthG a. F. und die hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze - weiterhin. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist hiernach jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein, nicht vorausgesetzt wird, dass diese ihm auch bekannt ist und er sich dessen bewusst sein muss. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern soll durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) gefördert werden, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. bzw. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, InfAuslR 2005, 374, zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -, juris, m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 -, InfAuslR 2011, 105; Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris, vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -, DVBl 2010, 797; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris; vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris; BayVGH, Urteil vom 29.11.2010 - 11 K 1763/10 -, juris).
83 
Soweit der Kläger die dargestellten rechtlichen Maßstäbe in grundsätzlicher Art angreift, überzeugt dies den Senat nicht.
84 
Der Senat folgt nicht seiner Auffassung, Verfassungs- bzw. Unionsrecht verlangten, dass das individuelle mit der Ausweisung bekämpfte Verhalten des Einzelnen eine konkrete mit der jeweiligen Einzelhandlung verbundene Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter hervorrufe. Ein verfassungs- oder unionsrechtlicher Rechtssatz, der dazu zwingen würde, nur konkrete terroristische Gefahren mit der Ausweisung zu bekämpfen, ist nicht ersichtlich. Die dahingehende Argumentation des Klägers bleibt daher auch gänzlich unspezifisch. Es ist nichts Grundsätzliches dagegen einzuwenden, wenn der Gesetzgeber mit Blick auf die spezifischen Gefahren terroristischer Aktivitäten unter Berücksichtigung der Bedeutung der davon betroffenen hochrangigen Rechtsgüter (Leib, Leben, Freiheit der Bevölkerung, hohe Sachwerte sowie die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik) und des zumeist konspirativen (Beweisnot), ideologisch motivierten Vorgehens solcher Vereinigungen (Gruppendynamik), aus denen sich gravierende Nachweisschwierigkeiten und deren erschwerte Bekämpfbarkeit ergeben, mit einer Absenkung des Gefahrenmaßstabs reagiert. Dies entspricht anerkannten Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts.
85 
Soweit der Kläger meint, es sei stets ein Vollbeweis zu führen, gilt nichts anderes. Der gesetzlich normierte abgesenkte Beweismaßstab der Regelung ist dem Grunde nach, insbesondere mit Blick auf die bereichstypische Beweisnot und die Hochwertigkeit der zu schützenden Rechtsgüter, rechtlich unbedenklich, weil sachangemessen. Die Grenzen sind gegebenenfalls von der Rechtsprechung anhand konkreter Fälle zu präzisieren, was auch geschieht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -, NVwZ 2012, 701; vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, NVwZ 2005, 1091; VGH Bad.-Württ, Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 09.11.2005 - 24 CS 05.2621 -, NVwZ 2006, 1306; siehe auch: Berlit, NVwZ 2013, 327, m. w. N; Kirsch, NVwZ 2012, 677; Eckertz-Höfer, in: Barwig u. a., Perspektivwechsel im Ausländerrecht?, 2007, 105 <114>; Marx, ZAR 2004, 275). Auch ist sich der Senat durchaus der Problematik von Beweisketten bewusst, bei denen “sich die Beweiskraft […] umso mehr verringert, je länger die Kette ist, und umso schneller vermindert, je geringer die jeweilige Beweiskraft der je einzelnen Indizien ist“ (so schon: Bender/Röder/Nack, Tatsachenfeststellungen vor Gericht, Band I, 1. Aufl., 1981, S. 181 f.). Daraus erwächst in vorliegendem Fall allerdings schon deshalb kein entscheidungserhebliches Problem, weil weder die dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten in tatsächlicher Hinsicht im Streit stehen, noch die der Vereinigungen, in denen er tätig war und ist und letztlich auch nicht die der PKK, sondern jeweils nur deren Bewertung.
86 
Zudem ist inzwischen geklärt, dass eine gleichlaufende Auslegung von straf- und ausweisungsrechtlichem Unterstützungsbegriff nicht geboten ist (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -, NVwZ 2012, 701). Die nicht deckungsgleichen Ziele des Strafrechts einerseits und des Rechts der Gefahrenabwehr andererseits schließen die Möglichkeit einer effektiven Abwehr terroristischer Gefahren einzig über das Strafecht oder auf der Grundlage der dieses Rechtsgebiet prägenden Begrenzungen aus. Strafe im verfassungsrechtlichen Sinne, verstanden als auch „sozialethisches Unwerturteil“ (so: BVerfG, Beschluss vom 09.07.1997 - 2 BvR 1371/96 -, BVerfGE 96, 245) dient als reaktive Maßnahme vornehmlich dem Schuldausgleich, die Prävention ist nur ein Teilaspekt der Strafzumessung und diese ist wiederum begrenzt durch die individuelle Schuld des Täters (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB). Damit ist sie im Kern auf die Aufarbeitung schon geschehener oder versuchter Taten (§ 22 StGB) begrenzt. Ihre daher nur punktuell zulässige Erstreckung auf Vorfeldaktivitäten steht, wie die §§ 89a, 129a, 129b StGB und die dazu ergangene Rechtsprechung deutlich machen, in einem verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnis, das es ausschließt, eine hinreichend effektive, insbesondere aktive und rechtzeitige Abwehr künftiger Gefahren nach Opportunitätsgesichtspunkten über Strafvorschriften oder unter Bindung an deren Begrenzungen zu gewährleisten.
87 
Wenn der Kläger sich schließlich darauf beruft, stets nur an erlaubten (präziser: nicht verbotenen) Veranstaltungen teilgenommen zu haben bzw. teilzunehmen und stets nur für nicht verbotene Vereine tätig zu sein, greift dies aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht durch: Aus rechtlichen nicht, da § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Gegensatz zu Nr. 3 der Vorschrift gerade nicht auf ein Verbot abstellt und ein solches deren Mitglieder vermehrt zu konspirativem Verhalten veranlassen kann, ohne dass damit für die Gefahrenabwehr viel gewonnen wäre. Es kann daher aus Gründen der Gefahrenabwehr opportun sein, von einem solchen abzusehen. Aus tatsächlichen nicht, da es fern liegt, annehmen zu wollen, dem Kläger sei das auch terroristische Verhalten der PKK in der Türkei entgangen und er sei sich im Unklaren über die Bedeutung seines eigenen Tuns, zumal er sich augenscheinlich fast ausschließlich mit der Kurdenthematik zu beschäftigen scheint und er die vom Gericht mitgeteilten Erkenntnisse zur PKK sowie der YEK-KOM bzw. NAV-DEM noch nicht einmal ansatzweise in Abrede gestellt hat (dazu sogleich unten).
88 
Nach den dargelegten Maßstäben stehen zur Überzeugung des Senats hier eine Vielzahl von Tatsachen fest, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt, so die Mitgliedschaft und die Übernahme von Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen, weitere herausgehobene Tätigkeiten als Redner und Organisator von PKK-nahen Veranstaltungen und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an den unterschiedlichsten Aktionen und Veranstaltungen solcher Vereinigungen.
89 
Im Einzelnen sind dem Kläger zunächst die sich aus der Ausweisungsverfügung ergebenden Aktivitäten bis zur Erteilung der Niederlassungserlaubnis an ihn vorgehalten worden, auf die hier verwiesen wird (Ziffer 1.2. der Ausweisungsverfügung, Seite 3 bis 9; Blatt 16, unten, bis einschl. Blatt 23, erster Absatz oben, der Akte des Verwaltungsgerichts) und die von diesem ebenso wenig in Abrede gestellt werden, wie die weiteren, die der Kläger nach Mitteilung des Beklagten an ihn im Juli 2010, dass eine Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. eine Ausweisung mit Blick auf seine Aktivitäten zu Gunsten der PKK geprüft werde, entfaltet hat:
90 
- Am 5. Dezember 2010 nahm er an einer PKK-Gründungsfeier in Lampertheim in der Siedlerhalle teil. Dort waren eine KCK-Fahne und ein Öcalan-Porträt angebracht. Ein in Guerillauniform auftretender Redner lobte die eigene Partei als wichtige und modern ausgerichtete Organisation, die den kurdischen Freiheitskampf auf die internationale Bühne gebracht habe. Dies habe man dem großen Führer Apo und den Parteimärtyrern zu verdanken. Man dürfe auch die Kämpfer an der Front nicht vergessen, die man von hier aus grüße. Ein weiterer Redner referierte über die Geschichte der PKK.
91 
- Am 20. Februar 2011 nahm der Kläger an einer Mitgliederversammlung der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. (KG HN) teil. Nach einer Schweigeminute für die Märtyrer Kurdistans und der ganzen Welt referierte er über die unzureichende Vorstandstätigkeit des Vereins und forderte dazu auf, verstärkt Mitglieder zu werben. Er wisse, dass im Raum Heilbronn 500 bis 600 kurdische Familien lebten, die meisten von ihnen hätten aber nur deswegen keinen Kontakt zum Verein, weil sie Angst vor den deutschen Behörden hätten. Es bestünde kein Grund zur Furcht, da alles angemeldet und der Verein absolut legal sei. Der Kläger bat die Anwesenden, auf die Kurden zuzugehen, mit ihnen zu reden und ihnen die Angst zu nehmen.
92 
Nach Durchführung der Sicherheitsbefragung am 23. Februar 2011:
93 
- Am 5. August 2011 war der Kläger in der Yeni Özgür Politika (YÖP) abgebildet, dies anlässlich einer Kampagne zur Anerkennung der kurdischen Identität, organisiert von der YEK-KOM. Laut der Berichterstattung hat er im Heilbronner Verein über die Ziele der Kampagne informiert.
94 
- Laut Mitteilung des Polizeipräsidiums Mannheim vom 30. Januar 2012 war der Kläger am 4. November 2011 Teilnehmer und Redner bei einem Aufzug mit Kundgebung in Mannheim zum Thema „türkische Regierung verwendet Napalmgas und chemische Waffen gegen die türkische Bevölkerung/Schluss mit der Isolationshaft von Öcalan/Schluss mit den Verhaftungswellen in der Türkei gegen die kurdischen Politiker“. Der Redebeitrag des Klägers habe den Eindruck hoher Emotionalität vermittelt.
95 
- Am 2. Dezember 2011 nahm er an einer Gedenkfeier zum 33. Partei-gründungs-Jahrestag, dem 27. November 1978, in Heilbronn teil. Auch dort hingen Bilder von Öcalan und Parteifahnen, auch der ERNK, der früheren Propagandaorganisation der PKK. Nach einer Gedenkminute für die kurdischen Märtyrer und der Begrüßung schilderte ein Redner die Parteigründung durch Öcalan und dessen Genossen. Die Erfolgsgeschichte der Partei dauere bis heute an, leider aber auch ihre Schwierigkeiten, bedauerlicherweise auch in Europa. Es sei erforderlich, die Partei zu unterstützen. Es wurden mehrfach Parolen wie „Es lebe Öcalan“ und „Unsere Märtyrer sind nicht gestorben“ skandiert. Auch dort waren fast ausschließlich PKK-Unterstützer zugegen.
96 
- Am 13. Dezember 2011 wurde der Kläger erneut in der YÖP anlässlich eines Vereinskongresses in Stuttgart erwähnt. Er forderte dort die hier lebenden Kurden auf, stärker für ihre Identität einzutreten.
97 
Nach Verfügung der Ausweisung am 10. Januar 2012:
98 
- In der YÖP vom 14. Februar 2012 wurde er als Teilnehmer des 3. Kongresses der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. abgebildet. Er führte dort in seiner Rede aus, dass die Kurden in der Türkei und in Europa unter Beschuss stünden, da ihnen die Existenz ihrer eigenen Kultur abgesprochen werde.
99 
- Aus dem Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden Württemberg vom 19. Dezember 2012 ergibt sich, dass der Kläger zwar das Amt des 2. Vorsitzenden der YEK-KOM seit Ende 2011 nicht mehr ausübt, er jedoch bereits im Mai 2012 erneut in den Vorstand der YEK-KOM gewählt wurde.
100 
- In dieser Funktion ist er ausweislich des weiteren Berichts des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg vom 17. Oktober 2013 beispielsweise als Versammlungsleiter des 20. kurdischen Kulturfestivals am 8. September 2012 in Mannheim in Erscheinung getreten. Bei dieser Veranstaltung kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen Polizeibeamte.
101 
- Er ergriff am 16. Januar 2013 in Mannheim im Rahmen einer Solidaritätsdemonstration für die drei in Paris ermordeten PKK-Aktivistinnen das Wort und verurteilte das Attentat scharf. Er vertrat die Meinung, dass die Morde nicht nur in den Personen der Aktivistinnen angesiedelt seien, sondern auch auf politische Überlegungen zurückzuführen seien, die einen Fortbestand der kriegerischen Auseinandersetzungen der Heimat zum Ziel hätten. Die Geheimdienste stünden hinter diesem Anschlag. Der französische Staat könne diesen problemlos aufklären, wenn er dies nur wolle. Folglich müssten die Kurden einen legitimen demokratischen Druck auf den französischen Staat ausüben. Der Kläger rief zu Sitzstreiks in allen Städten mit französischen Botschaften und ähnlichen Einrichtungen auf, bis eine Aufklärung des Attentats erfolgt sei.
102 
- Am 21. Mai 2013 war der Kläger im Namen der YEK-KOM bei den Vorstandswahlen der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. anwesend.
103 
- Am 8. September 2013 fungierte der Kläger als Versammlungsleiter bei einer Mitgliederversammlung mit Vorstandswahl des PKK-nahen mesopotamischen Anadolu Kulturvereins e.V. (MAK). Zur PKK-Nähe des MAK Lahr sei auf den Bericht des Landesamtes vom 9. März 2010 an das Innenministerium zu verweisen.
104 
- Am 29. April 2014 war der Kläger in der YÖP als Teilnehmer des Gründungskongresses des kurdischen-demokratischen Gesellschaftszentrums am 27. April 2014 in den Räumlichkeiten des PKK-nahen kurdischen Kulturvereins e.V. in ... abgebildet.
105 
- Am 10. Oktober 2015 hielt der Kläger anlässlich einer Protestaktion in Frankfurt im Namen der NAV-DEM eine Rede.
106 
Nach „Auflösung“ der YEK-KOM am 22. Juni 2014 ließ sich der Kläger am selben Tag in gleicher Sitzung, zusammen mit einem weiteren Vorstandsmitglied der YEK-KOM, in den fünfköpfigen Vorstand der NAV-DEM wählen. Diese Vorstandstätigkeit übt er bis heute aus, und er ist in dieser Funktion seitdem auch als Redner und Versammlungsleiter auf zahlreichen Veranstaltungen aufgetreten, die erkennbar der Propaganda für die PKK dienten. Der Kläger engagiert sich damit seit langem ohne Zäsur in herausgehobener Position unterstützend für die PKK.
107 
Daran, dass die YEK-KOM die PKK unterstützt hat, bestehen weiterhin keine vernünftigen Zweifel. Hierzu hat der Senat schon in seinem Urteil vom 7. Dezember 2011 - 11 S 897/11 -, juris Rn. 47, das vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 -, InfAuslR 2013, 418, bestätigt wurde, ausgeführt:
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„Für eine PKK-Nähe des Vereins spricht schon der Umstand, dass dieser Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ war. Dies lässt sich dem vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 entnehmen, in welcher die Vereinsmitglieder - nach Darstellung der Arbeit und der Bedeutung der YEK-KOM - für eine Mitgliedschaft des Vereins in dieser Dachorganisation gestimmt haben. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010 im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.“
109 
Für die NAV-DEM gilt insoweit nicht anderes. Soweit der Kläger unter Verweis auf schriftliche Erklärungen der NAV-DEM meint, dass diese eine andere Ausrichtung als die YEK-KOM habe, nämlich den Kampf gegen den IS, die Förderung der Integration der in Deutschland lebenden Kurden und die Gleichstellung und die Gleichberechtigung der Frauen, überzeugt dies den Senat nicht. Das Verwaltungsgericht hat schon zu Recht auf die fehlende tatsächliche Veränderung der Aktivitäten des Vereins abgestellt, der zudem nicht neu gegründet, sondern nur umbenannt wurde. Es verweist zutreffend auf die Pressemitteilung des Vereins vom 18. Juli 2014, aus der sich ergibt, dass die NAV-DEM selbst nach eigenem Verständnis die Arbeit der YEK-KOM fortführt. Die vom Senat eingesehene Internetpräsenz (navdem.com) bestätigt dies, die Überschrift der Pressemitteilung vom 18. Juli 2014 lautet:
110 
„YEK-COM heißt jetzt NAV-DEM“
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Die weiteren dort aufgeführten Pressemitteilungen verdeutlichen im Übrigen die Fortführung der Veranstaltungen und Kundgebungen mit gleichem Ablauf und gleichen Themen wie zuvor schon unter dem Namen YEK-KOM:
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- Eintrag vom 7. September 2014, Interview mit Yüksel Koc „Das Verbot kriminalisiert die Kurden“, anlässlich einer Festnahme eines Mannes durch die Generalbundesanwaltschaft, der Geld für die PKK gesammelt haben soll, was, nach Koc, eine Kriminalisierung politischer Arbeit bedeute, da dieser selbst keine Gewalt ausgeübt habe.
113 
- Eintrag zur Kundgebung am 13. September 2014 in Düsseldorf unter dem Motto „Freiheit für Öcalan - Status für die Kurden“.
114 
- Eintrag vom 6. März 2015: Aufruf zur Newroz-Demonstration am 21. März 2015 in Bonn.
115 
Der Beklagte hat zudem unwidersprochen und zutreffend darauf hingewiesen, dass NAV-DEM und YEK-KOM identische Logos auf ihren Internetpräsenzen verwenden und der Vorsitzende der NAV-DEM im März 2014 erklärt habe, man könne die deutsche Demokratie nicht akzeptieren. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz geht in seiner Broschüre zur „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)“ vom Juli 2015, dort S. 18, davon aus, dass die NAV-DEM in Nachfolge der YEK-KOM wie diese auch als Dachverband von örtlichen Vereinen diene, in denen die PKK Informationen steuere und Vorgaben umsetze und dass sich die NAV-DEM durch eine aktive Öffentlichkeits- und Kampagnenarbeit sowie den Aufbau von Kontakten zu politischen Entscheidungsträgern bemühe, weitere Unterstützung für deren Anliegen zu erhalten. Diese Einschätzung teilt der Senat aufgrund der dargestellten tatsächlichen Umstände und sieht sich dabei auch die Aktivitäten des Klägers selbst bestätigt.
116 
Soweit der Kläger meint, dass es dem Verwaltungsgericht an ausreichender Sachkunde gefehlt habe, um eine Änderung des Aufgabenspektrums zu verneinen, erschöpft sich dies in einer schlichten Behauptung, die auf nichts gestützt wird. Sämtliche vom Verwaltungsgericht und dem Beklagten ausführlich dargelegten tatsächlichen Aktivitäten der YEK-KOM und nachfolgend der NAV-DEM sowie der Redner und Teilnehmer an deren Veranstaltungen lässt der Kläger gänzlich unkommentiert, obwohl es ihm als 2. Vorstandsmitglied der NAV-DEM ein Leichtes sein müsste, Tatsächliches zum Verein vorzubringen, das die Wertungen des Verwaltungsgerichts und des Beklagten diesbezüglich erschüttern würde. Es spricht hier daher auch nach Überzeugung des Senats nichts dafür, dass sich an der Ausrichtung oder dem Aktivitätenspektrum etwas geändert haben könnte, zumal es seitens des Vereins zu keinem Zeitpunkt zu eine Distanzierung von der PKK oder auch nur der YEK-KOM gekommen ist.
117 
Dem Beweisantrag des Klägers war vor diesem Hintergrund nicht nachzugehen, zumal etwaige weitere Vereinsziele, die unter Beweis gestellt worden sind, die dargelegten Aktivitäten und Zielrichtungen nicht neutralisieren. Überdies konnte der Kläger nicht dartun, weshalb der von ihm benannte Sachverständige hinreichende Sachkunde haben könnte. Dies hätte ihm oblegen, weil der auf die Bestrebungen und Ziele der NAV-DEM gerichtete Beweisantrag die Benennung eines Sachverständigen erforderte, der über eine spezielle Sachkunde, nämlich über interne Kenntnisse über die NAV-DEM, verfügt, die nicht von jedem Sachverständigen gleichermaßen reproduzierbar ist (vgl. Krehl, in: Karlsruher Kommentar StPO, 7. Aufl., 2013, § 244 StPO, Rn. 80).
118 
Bereits aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied sind dem Kläger sämtliche Aktionen der YEK-KOM und der NAV-DEM zuzurechnen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris, Rn. 50, m. w. N.). Soweit der Kläger dies bezweifelt, ist dies nicht nachvollziehbar, da er selbst darauf hinweist, dass die von ihm insoweit in Bezug genommene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union darauf abstellt, dass bei einer hervorgehobenen Position eine individuelle Verantwortlichkeit unter Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände vermutet werden könne. Unbeschadet dessen bestehen für den Senat aber auch keine vernünftigen Zweifel daran, dass die vom Kläger entfalteten Aktivitäten von diesem in dem Bewusstsein und mit dem Willen erfolgt sind und erfolgen, die PKK aktiv und vorbehaltlos zu unterstützen. Das wird deutlich, wenn man das Verhalten des Klägers seit 2004 und auch nach Juli 2010 in der gebotenen Gesamtschau in den Blick nimmt, wie es der Beklagte - vom Kläger unwidersprochen - geschildert hat. Der Aspekt des Vertrauensschutzes gebietet es nicht, bei der Würdigung des Verhaltens des Klägers dessen früheres Verhaltes insgesamt auszublenden. Ein schützenswertes Vertrauen besteht nur insoweit, als die zuvor entfalteten Aktivitäten für sich genommen keine Ausweisung mehr rechtfertigen können. Bei der notwendigen Bewertung neuer, nachfolgender Aktivitäten kann weiterhin auf das gesamte Verhalten des Ausländers zurückgegriffen werden (Discher, a.a.O., Rn. 391; BVerfG, Beschluss vom 19.08.1983 - 2 BvR 1284/83 -, NVwZ 1983, 667; OVG Bln.-Bbg., Beschluss vom 24.10.2013 - OVG 3 N 169.12 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris).
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Nach wie vor engagiert sich der Kläger unbeschadet des Ausweisungsverfahrens im Rahmen des Vereins als Vorstandsmitglied, Versammlungsleiter und Redner an Veranstaltungen, die angesichts deren Ablaufs, der dort gehaltenen Reden und der klaren Ausrichtung auf den Führerkult um Öcalan und gefallene Märtyrer auch für den Senat keinen Zweifel aufkommen lassen, dass der Kläger sich, wie auch die NAV-DEM, den Zielen der PKK verpflichtet fühlt, diese mit ihrem Tun unterstützen will und dabei deren Mittel umfassend zumindest billigt, insbesondere auch deren spezifisch als terroristisch zu qualifizierendes Handeln. Seine Teilnahme an Veranstaltungen, wie der am 5. Dezember 2010 an einer PKK-Gründungsfeier in Lampertheim, bei der eine KCK-Fahne und ein Öcalan-Porträt angebracht waren und in der ein in Guerillauniform auftretender Redner die eigene Partei als wichtige und modern ausgerichtete Organisation lobte, die den kurdischen Freiheitskampf auf die internationale Bühne gebracht habe und in der ausgeführt wurde, dass man dies dem großen Führer „Apo“ (gemeint ist Öcalan) und den Parteimärtyrern zu verdanken habe und man die Kämpfer an der Front nicht vergessen dürfe, die man von hier aus grüße, verdeutlichen dies in aller Klarheit. Für seine Teilnahme an einer Gedenkfeier zum 33. Parteigründungs-Jahrestag in Heilbronn am 2. Dezember 2011, bei der zur Unterstützung der PKK aufgefordert und Parolen wie „Es lebe Öcalan“ und „Unsere Märtyrer sind nicht gestorben“ skandiert wurden, gilt nichts anderes. Soweit man aus den weiteren dargestellten Aktivitäten des Klägers ableiten wollte, dass dieser sich nach Erlass der Ausweisungsverfügung gemäßigter verhält, ist dies nach Überzeugung des Senats mit Blick auf das laufende Verfahren taktisch motiviert und lässt nicht den Schluss zu, dass der Kläger, der weiterhin eine führende Rolle in der NAV-DEM spielt, von seinem bisherigen Verhalten glaubhaft Abstand nimmt (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz AufenthG). Sein beredtes Schweigen zu sämtlichen vom Beklagten zusammengetragenen Tatsachen macht dies deutlich.
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Das gegenteilige Bild, das der Kläger von seiner Motivation und Haltung zeichnet, ohne hierfür nachvollziehbare Fakten zu benennen, steht daher in offenem Widerspruch zu seinem tatsächlichen Verhalten. Im Übrigen erschöpft sich sein Vortrag hierzu in dem Versuch einer Umdeutung seines Verhaltens, die schon im Ansatz nicht überzeugt. Es ist das eine, um Verstorbene zu trauern oder ihrer zu gedenken, aber etwas gänzlich anderes, Veranstaltungen als Redner oder in Vereinsfunktion zu gestalten oder vorbehaltlos an solchen teilzunehmen, die etwa von in Guerillauniform auftretenden Rednern geprägt werden und in denen der Kampf der PKK in der Türkei glorifiziert wird. Erkennbar geht es auf den vom Kläger mitgestalteten und besuchten Veranstaltungen nicht einfach um die legitime Kundgabe von Meinungen, sondern immer auch um die gezielte moralische, finanzielle und personelle Unterstützung des für legitim gehaltenen und auch terroristische Mittel einsetzenden Kampfes der PKK. Dass damit die PKK auch in der Wahl ihrer Mittel vorbehaltlos unterstützt wird, kann dem Kläger nicht entgangen sein, nachdem dort Auftritte in Guerillauniform stattfinden, den „Märtyrern“ gedacht wird und den Kämpfern an der Front Grußbotschaften gesandt werden. Es greift daher auch viel zu kurz, wenn der Kläger meint, dass es hier um einen ungerechtfertigten Eingriff in sein Recht auf freie Meinungsäußerung gehe. Soweit er daher darauf abstellen will, dass der Sinn von Äußerungen einen deutlich erkennbaren Bezug zur Förderung der PKK aufweisen müsse, mag man dem zustimmen, ein solcher Bezug wird hier aber entgegen der Auffassung des Klägers auch in seinem Handeln deutlich.
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Liegt ein Unterstützen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - wie hier - vor, ist von einer Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung bzw. der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen, es sei denn der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, wie die gesetzliche Legaldefinition deutlich macht („…Hiervon ist auszugehen…“). Insoweit hebt sich die Regelung von den übrigen Ausweisungsinteressen ab, bei denen die Gefahr in jedem Einzelfall aus dem - dem jeweiligen Ausweisungsinteresse zugrunde liegenden - Verhalten des Ausländers konkret abzuleiten ist und unterscheidet sich auch von der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. Die gesetzliche Legaldefinition bzw. widerlegbare Vermutung (so: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 45 ff.) der Gefahr begegnet nach Auffassung des Senats in diesem Kontext keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die schon dargestellten spezifischen Gefahren des Terrorismus, zu deren Bekämpfung sich die internationale Staatengemeinschaft und dabei auch die Bundesrepublik in Bezug auf internationale, grenzüberschreitende Gefahren, völkerrechtlich verpflichtet hat (UN-Sicherheits-resolution 1373 (2001) vom 28.09.2001; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 2012, S. 188 f.), rechtfertigen diese gesetzliche Festlegung, auch soweit davon terroristische Vereinigungen erfasst werden, die in der Bundesrepublik selbst keine terroristischen Gewalttaten verüben. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass terroristische Vereinigungen nur allzu schnell ihren Kampf über Ländergrenzen hinweg führen. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise von dieser gesetzlichen Festlegung einer Gefahr in besonderen Fallkonstellationen abgewichen werden kann oder ob insoweit allein auf den Gesichtspunkt des erkennbaren und glaubhaften Abstandnehmens abzustellen ist, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, da das konsequent fortgesetzte Handeln des Klägers die gesetzliche Festlegung bestätigt.
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2. Die Ausweisungsverfügung genügt davon ausgehend auch § 53 Abs. 3 AufenthG, der bestimmt, dass ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt, der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559) besitzt, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt, nur ausgewiesen werden darf, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
123 
Mit dieser Vorschrift will der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung unionsrechtlichen Vorgaben für besonders privilegierte Personengruppen Rechnung tragen (BT-Drs. 18/4097, S. 50). Soweit die Vorgaben in ihrer Reichweite vor dem Hintergrund der jeweils betroffenen Personengruppe autonom unionsrechtlich und insbesondere bereichsspezifisch eigenständig auszulegen sind, wovon nach dieser Gesetzesbegründung auszugehen ist (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Abs. 3, Stand: 18.01.2016, Rn. 27, geht von der Notwendigkeit einer ergänzenden Heranziehung zu den angehobenen gesetzlichen Voraussetzungen einer Ausweisung aus), kann daher aus der Formulierung des Ausweisungsmaßstabs in § 53 Abs. 3 AufenthG nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber, losgelöst von den jeweiligen unionsrechtlichen Maßstäben, einen eigenen nationalen und völlig identischen Maßstab festlegen wollte, der für sämtliche der Norm unterfallenden Personengruppen Geltung beansprucht. Daher soll auch nationalrechtlich kein höheres Schutzniveau versprochen werden, als dieses unionsrechtlich geboten ist. Das wäre mit Blick auf die verschiedenen Geltungsgründe und die Heterogenität der erfassten Personengruppen sowie der sich daraus ergebenden unterschiedlichen Schutzrichtungen und -niveaus auch nicht begründbar, zumal ein einheitlicher unionsrechtlicher Ausweisungsmaßstab gerade nicht existiert (VGH Bad.-Württ., Vorlagebeschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris, Rn. 154, m. w. N.; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 88, m. w. N; a. A.: Welte, InfAuslR 2015, 426, der auf den unionsrechtlichen Maßstab des § 6 FreizügG/EU verweist). Festzuhalten ist allerdings, dass sämtlichen unionsrechtlich fundierten Ausweisungsmaßstäben gemeinsam ist, dass stets nur auf das persönliche Verhalten des Betroffenen und damit nur auf spezialpräventive Gründe abgestellt werden darf, aus denen sich eine gegenwärtige Gefahr ergeben muss (EuGH, Urteil vom 19.01.1999 - C-348/96 -, InfAuslR 1999, 165 und vom 08.12.2011 - C-371/08 -, InfAuslR 2012, 43; Neidhardt, a. a. O., Rn. 7 f.). Dem entsprechend kann eine an § 53 Abs. 3 AufenthG zu messende Ausweisung nur dann rechtmäßig sein, wenn sie ausschließlich spezialpräventiv motiviert ist.
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Davon ausgehend folgt für den Kläger ein besonderer unionsrechtlich fundierter Ausweisungsmaßstab zunächst nicht aus dem Assoziationsrecht. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger weder Arbeitnehmer im Sinne des Art. 6 ARB 1/80 noch Familienangehöriger eines solchen Arbeitnehmers nach Art. 7 ARB 1/80 ist, nachdem er in der Vergangenheit nur sporadisch und jeweils nur in kurzen Zeiträumen abhängig beschäftigt gewesen war. Für seine Ehefrau gilt nichts anderes, so dass diese ihm ein solches Recht auch nicht vermitteln kann. Das wird vom Kläger auch nicht in Frage gestellt.
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Erhöhter Schutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG kommt dem Kläger aber als anerkannter Flüchtling zu. Für diese aufgrund ihres Verfolgungsschicksals gerade in Bezug auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen besonders vulnerable Personengruppe sind Inhalt und Reichweite des Ausweisungsmaßstabs aus der einschlägigen Regelungen der Richtlinie 2004/83, neu gefasst durch Richtlinie 2011/95/EU (ABl. L 337 S. 9, nachfolgend: Qualifikationsrichtlinie), abzuleiten.
126 
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats hin (Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris), betreffend die Unterstützung der PKK durch einen anerkannten Flüchtling, die entscheidungserheblichen Rechtsfragen mit Urteil vom 24. Juni 2015 (- C-373/13 -, juris) geklärt. Der Gerichtshof hat, davon ausgehend, dass Art. 21 der Qualifikationsrichtlinie engere Voraussetzungen statuiert als Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie (a.a.O., Rn. 44, 71: Art. 21 als „ultima ratio“; so auch schon der Senat in seinem Vorlagebeschluss, a.a.O., Rn. 154; a. A.: BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 -, juris), klargestellt, dass die Qualifikationsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein einem Flüchtling erteilter Aufenthaltstitel entweder nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerrufen werden kann, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne dieser Bestimmung vorliegen, oder nach Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie, wenn Gründe für die Anwendung der in Art. 21 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtzurückweisung vorliegen (a.a.O., Rn. 55).
127 
Da die Ausweisung des Klägers verfügt wurde, um dessen Niederlassungserlaubnis zum Erlöschen zu bringen und eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf seinen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, ist vorliegend auch nur Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie maßstäblich. Dies zugrunde gelegt ist die Ausweisung als Widerruf im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu qualifizieren und am Maßstab dieser Vorschrift zu messen, die insoweit den Ausweisungsmaßstab des § 53 Abs. 3 AufenthG ausfüllt und konkretisiert. Es müssen daher „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vorliegen, um die Ausweisung zu rechtfertigen.
128 
Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang im Anschluss an die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston (Schlussanträge vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 68) zunächst betont, dass für die dargelegte Auslegung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie spreche, dass den Mitgliedstaaten mit dieser Regelung die Möglichkeit gegeben werden sollte, unter spezifischen Voraussetzungen die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen im Schengen-Raum zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a. a. O, Rn. 52). Er definiert im weiteren (a.a.O., Rn. 78 ff.) unter Bezugnahme auf die Richtlinie 2004/38 „zwingende Gründe“ als Beeinträchtigungen, die einen besonders hohen Schweregrad aufweisen müssten und fasst unter die „öffentliche Sicherheit“ sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats und somit auch die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen (unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -, InfAuslR 2011, 45). Der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ sei dahin auszulegen dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstelle, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Mit Blick auf die die Richtlinie 2004/83 und deren 28. Erwägungsgrund gelte der Begriff der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ auch für Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehöre, die den internationalen Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze. Der Gerichtshof verweist darauf, dass die PKK in der Liste im Anhang dieses Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344, S. 93) aufgeführt sei und nach alledem die Unterstützung, die ein Flüchtling einer Organisation zuteil werden lasse, welche Handlungen begehe, die in den Anwendungsbereich des Gemeinsamen Standpunkts fallen, grundsätzlich einen Umstand darstelle, der belegen könne, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllt seien. Die Aufnahme einer Organisation in die Liste sei daher ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass sie entweder eine terroristische Organisation sei oder in diesem Verdacht stehe. Ein solcher Umstand sei daher von der zuständigen Behörde notwendig zu berücksichtigen, wenn sie in einem ersten Schritt zu prüfen habe, ob die fragliche Organisation terroristische Handlungen begangen habe. Es sei somit von Fall zu Fall zu prüfen, ob die Handlungen der fraglichen Organisation die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie bedrohen könnten. Der Gerichtshof habe schon entschieden, dass terroristische Handlungen, die durch ihre Gewalt gegenüber Zivilbevölkerungen gekennzeichnet seien, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt würden, als schwere nichtpolitische Straftaten im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden müssten (unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 -, NVwZ 2011, 285).
129 
In einem zweiten Schritt müssten die genauen tatsächlichen Umstände einer Würdigung unterzogen werden, um zu ermitteln, ob die Unterstützung der fraglichen Organisation durch eine Mitwirkung beim Sammeln von Geldern und eine regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen dieser Organisation in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie falle. Allein der Umstand, dass die betreffende Person diese Organisation unterstützt habe, könne nicht die automatische Aufhebung ihres Aufenthaltstitels gemäß dieser Vorschrift zur Folge haben. Denn zwischen dem Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 und der Richtlinie 2004/83 bestehe hinsichtlich der verfolgten Ziele kein unmittelbarer Zusammenhang, und es sei nicht gerechtfertigt, dass die zuständige Stelle, wenn sie in Betracht ziehe, einem Flüchtling seinen Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu entziehen, sich nur auf dessen Unterstützung einer Organisation stütze, die in einer Liste aufgeführt sei, die außerhalb des Rahmens erlassen wurde, den die Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention geschaffen habe. Es bedürfe daher einer individuellen Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände insbesondere dazu, welche Rolle der Betroffene im Rahmen seiner Unterstützung dieser Organisation tatsächlich gespielt habe, ob dieser etwa selbst terroristische Handlungen begangen habe, ob und in welchem Maße er an der Planung, an Entscheidungen oder an der Anleitung anderer Personen zum Zweck der Begehung solcher Handlungen beteiligt gewesen sei und ob und in welchem Umfang er solche Handlungen finanziert oder anderen Personen die Mittel zu ihrer Begehung verschafft habe. Soweit dieser an legalen Versammlungen und an Veranstaltungen wie dem kurdischen Neujahrsfest teilgenommen und sich am Sammeln von Spenden für diese Organisation beteiligt habe, bedeute dies nicht notwendig, dass der Betroffene die Auffassung vertreten habe, terroristische Handlungen seien legitim. Erst recht seien derartige Handlungen als solche keine terroristischen Handlungen. In diesem Zusammenhang müsse auch der Schweregrad der Gefahr beurteilt werden, die von den Handlungen für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehe. Es sei insbesondere zu prüfen, ob dem Betroffenen eine individuelle Verantwortung bei der Durchführung von Aktionen der PKK zugerechnet werden könne. In Anbetracht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, den die zu ergreifende Maßnahme zu wahren habe, sei zu untersuchen, ob die Gefahr, die die betreffende Person gegebenenfalls in der Vergangenheit für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland dargestellt habe, noch immer bestehe. Mit Blick auf das Erfordernis zwingender Gründe müsse etwa, soweit ein Betroffener zu einer Geldstrafe und nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, in Anbetracht dieses Umstands und gegebenenfalls der Art der von ihm begangenen Handlungen geprüft werden, ob eine Aufhebung des Aufenthaltstitels zu rechtfertigen sei.
130 
Dies zugrunde gelegt, genügt die Ausweisungsverfügung den Maßstäben des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie in Verbindung mit § 53 Abs. 3 AufenthG. Die Konkretisierung der Maßstäbe hat durch das erkennende nationale Gericht anhand des jeweiligen Falles und den diesen prägenden tatsächlichen Umstände entsprechend deren Gewicht zu erfolgen. Soweit der Gerichtshof in beispielhafter Form einzelne dem im Vorlageverfahren betroffenen Ausländer vorgehaltene Handlungen herausgreift und diese in eher abstrakter Form bewertet und gewichtet, ist dies dem abstrahierenden Charakter der Vorlagefragen in einem Vorabentscheidungsersuchen geschuldet und entbindet den Senat als Tatsachengericht nicht von seiner Verpflichtung, solche Umstände im konkreten Fall umfassend zu bewerten. Nichts anderes gilt, soweit Reichweite und Grenzen der dem Kläger zustehenden weiteren Rechte nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie durch die Ausweisung in Rede stehen.
131 
Danach bestehen für den Senat auch vor dem Maßstab des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der Einstufung der PKK als eine den Terrorismus jedenfalls unterstützende Vereinigung, deren Unterstützung durch die YEK-KOM bzw. NAV-DEM „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ begründet. Daran anschließend sind die vom Kläger geleisteten Unterstützungshandlungen aufgrund dessen, dass diese von ihm in herausgehobener Funktion für YEK-KOM und NAV-DEM, auf zahlreichen Veranstaltungen seit über zwölf Jahren, unter Beteiligung von offen für die PKK werbenden und deren Kurs vorbehaltlos befürwortenden Akteuren (Auftreten in Guerillauniform, Märtyrergedenken, Grußbotschaften an die Kämpfer an der Front usw.) geleistet wurden und weiter geleistet werden, nicht anders zu bewerten, zumal der Kläger nach Überzeugung des Senats in vollem Bewusstsein um deren Bedeutung für den ideologischen Zusammenhalt der PKK und in dem Willen, diese vorbehaltlos auch in Bezug auf deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen, gehandelt hat und weiterhin handelt. Diese Bewertung des eine Gefahr für die nationale Sicherheit und öffentliche Ordnung begründenden Verhaltens des Klägers ist vor diesem Hintergrund auch nicht deshalb zu relativieren, weil die NAV-DEM nicht verboten ist und der Kläger sich im Rahmen von ebenfalls nicht verbotenen Veranstaltungen betätigt hat. Weder entfällt deswegen das Gewicht seiner Unterstützungshandlungen für die PKK noch ergibt sich daraus, dass sich der Kläger über sein Tun im Unklaren gewesen wäre. Dass es gerade aus Gründen einer effektiven Gefahrenabwehr geboten sein kann, von einem Vereinsverbot abzusehen, wurde schon dargelegt. Da nach den Feststellungen des Senats das Verhalten des Klägers gefahrbegründend ist und er die tatbestandlichen Festlegungen des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bestätigt, kann der Senat offen lassen, ob jedenfalls im Kontext des § 53 Abs. 3 AufenthG i. V. m. Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie hier ausnahmsweise und ungeachtet der Fallkonstellation des endgültigen und glaubhaften Abstandnehmens gewissermaßen als „Zwischenstufe“ eine konkrete Widerlegungsmöglichkeit der gesetzlichen Gefahrenannahme zugelassen werden muss.
132 
Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner in Bezug genommen Entscheidung im weiteren auf das Fortbestehen des Flüchtlingsstatus hinweist, wenn ein Mitgliedstaat das Aufenthaltsrecht aufgrund des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerruft (a.a.O., Rn. 94 f.; so auch schon der Senat in seinem Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff. m. w. N.) und er daraus ableitet, dass dieser sich bei deshalb weiterhin gestattetem Aufenthalt auch ungeschmälert (a.a.O., Rn. 96) auf die sozialen Vergünstigungen nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie berufen kann, steht dies in vorliegendem Fall der Ausweisung nicht entgegen.
133 
Kapitel VII der Richtlinie gewährleistet jedem Flüchtling Schutz vor Zurückweisung, das Recht auf Information, Wahrung des Familienverbands, Ausstellung von Reisedokumenten, Zugang zur Beschäftigung, zu Bildung, zu Sozialhilfeleistungen, zu medizinischer Versorgung und zu Wohnraum, auf Freizügigkeit innerhalb des fraglichen Mitgliedstaats sowie Zugang zu Integrationsmaßnahmen. Einschränkungen dieser Rechte sind bei einem anerkannten Flüchtling nur nach Maßgabe dieses Kapitels der Qualifikationsrichtlinie zulässig (a.a.O., Rn. 97).
134 
Die die Ausweisung tragenden „zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ stellen, soweit sie diese Rechte nach Kapitel VII berühren, zulässige Beschränkungen im Sinne der Richtlinie dar.
135 
Wird mit der Ausweisung das Erlöschen der Niederlassungserlaubnis (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) bezweckt und ist zugleich eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung nicht beabsichtigt, wovon hier mit Blick auf den Flüchtlingsstatus des Klägers auszugehen ist, werden der Schutz vor Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, das Informationsrecht aus Art. 22 der Qualifikationsrichtlinie sowie der Anspruch auf Wahrung des Familienverbandes nach Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie schon nicht tangiert. Dafür, dass vorliegend das Recht auf Bildung nach Art. 27der Qualifikationsrichtlinie, der Zugang zu Wohnraum nach Art. 32 der Qualifikationsrichtlinie oder zu Integrationsmaßnahmen nach Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie betroffen sein könnte, ist gleichfalls nichts ersichtlich.
136 
Soweit durch den Duldungsstatus des Klägers dessen Recht auf Aufnahme einer (selbstständigen oder unselbstständigen) Erwerbstätigkeit nach Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie zunächst kraft Gesetzes mit einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt belegt ist, ist dieser für sich genommen unbedenklich, zumal sich aus § 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ergibt, dass dieser nicht gilt, wenn dem Ausländer auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung, eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung die Erwerbstätigkeit gestattet ist, ohne dass er hierzu durch einen Aufenthaltstitel berechtigt sein muss. So liegt der Fall hier, da diese Vorschrift mit Blick auf den vorrangigen Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie auszulegen ist. Unbeschadet dessen ist für den Senat im konkreten Fall aber auch nicht ersichtlich, dass der Kläger durch Einschränkungen seiner rechtlichen Möglichkeiten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, in tatsächlicher Hinsicht unzumutbar belastet wäre, nachdem er trotz seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland nur für jeweils kurze und länger zurückliegende Zeiträume überhaupt einer solchen nachgegangen ist.
137 
Aufgrund der Ausweisung greifen im konkreten Fall jedoch die angeordneten Maßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG (Meldepflichten, Aufenthaltsbeschränkung auf den Stadtbezirk...). Diese dienen unmittelbar der Abwehr bzw. Eindämmung der von Kläger ausgehenden Gefahren und schränken insoweit das Recht des Betroffenen auf ein Reisedokument nach Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie sowie das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Bundesrepublik nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie in sachangemessener Weise ein. Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie verpflichtet zur Erteilung eines Reisedokumentes auch für Reisen ins Ausland, es sei denn, Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung stehen dem entgegen. Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, Bewegungsfreiheit in ihrem Hoheitsgebiet zu gestatten „unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen wie für andere Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten“. Nachdem im persönlichen Verhalten des Klägers „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gegeben sind, liegt ein Versagungsgrund im Sinne des Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vor, da die Einschränkung seiner Reisemöglichkeiten gerade dazu dient, sein die PKK unterstützendes Verhalten zumindest deutlich zu erschweren. Daraus rechtfertigt sich auch die Einschränkung seiner Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebietes nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie. Das hat der Senat schon unter Zugrundelegung der Vergleichsgruppe von Drittstaatsangehörigen, die sich nach nationalem Recht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, festgestellt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff., m. w. N.).
138 
Da der Gerichtshof eine Ausweisung unter Berücksichtigung des Maßstabs des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie auch dann für zulässig erachtet, wenn dadurch der Aufenthalt zwar rein tatsächlich nicht beendet werden soll, es aber dennoch notwendig erscheint, zumindest die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentlichen Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a.a.O., Rn. 52), ist es nach Auffassung des Senats aus systematischen Gründen und zur Effektivierung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie angezeigt, dessen Wertungen auch insoweit zu berücksichtigen, als Reichweite und Grenzen der weiteren in Kapitel VII aufgeführten Rechte in entscheidungserheblicher Weise in Rede stehen. Denn eine Ausweisung, deren Folge sich im Erlöschen des Titels erschöpfen würde, ohne daran anknüpfend verhaltenssteuernde Wirkungen zu entfalten, die geeignet und erforderlich sind, die Gefahr wirksam einzudämmen, wäre letztlich wegen Zweckverfehlung unverhältnismäßig. Dies würde Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, in Fällen wie dem vorliegenden, die praktische Wirksamkeit nehmen und damit dessen Bedeutung, wie er auch in den Erwägungsgründen 31 und 37 der Richtlinie zum Ausdruck kommt, verfehlen.
139 
Nach all ist es für den Senat auch folgerichtig, auf den Fall des Klägers nicht Art. 29 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, sondern dessen Absatz 2 entsprechend anzuwenden, nachdem die Mitgliedstaaten abweichend von Absatz 1 die Sozialhilfe für Personen, denen (nur) der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken kann. Dies gilt hier umso mehr, als es der Kläger im Gegensatz zu subsidiär Schutzberechtigten selbst in der Hand hat, durch eine Abkehr von seinen den Terrorismus unterstützenden Handlungen die Ursachen für diese Einschränkungen zu beseitigen und es gerade in der Logik des Duldungsstatus liegt, den Kläger zu einer dahingehenden Verhaltensänderung zu bewegen. Soweit sich demnach ergeben sollte, dass der Kläger aufgrund seines Duldungsstatus und mangels anderweitiger Regelungen, die ihm, etwa als Familienangehöriger aus abgeleitetem Recht, einen vollen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach dem SGB II verschaffen könnten, auf die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes beschränkt ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG), steht dies nicht in Widerspruch zu Art. 29 der Qualifikationsrichtlinie. Für Leistungsbeschränkungen in Bezug auf die medizinische Versorgung (§ 4 AsylbLG) im Sinne des Art. 30 der Qualifikationsrichtlinie gilt nichts anderes.
140 
3. Dem dargestellten und nach gesetzlicher Wertung besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht ein gleichfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gegenüber, da dieser eine Niederlassungserlaubnis besessen hat, die gerade durch die Ausweisungsverfügung betroffen ist, er mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und er sein Personensorgerecht für minderjährige ledige Deutsche ausübt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG). Insoweit geht der Senat aufgrund der nicht weiter spezifizierten Angabe des Klägers, wonach sechs seiner sieben Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, davon aus, dass jedenfalls auch die noch in seinem Haushalt lebenden minderjährigen Kinder diese besitzen. § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG tritt vorliegend hinter die insoweit speziellere Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG zurück (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 55 AufenthG, zu Abs. 2 Nr. 5, Stand: 18.01.2016, Rn. 3: Auffangnorm).
141 
4. § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Diese sind, nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner, wobei die in Absatz 2 aufgezählten Umstände weder abschließend zu verstehen sind, noch nur zu Gunsten des Ausländers ausfallen müssen. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Umstände im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG prägen den Einzelfall insoweit, als sie über die den vertypten Interessen zugrunde liegenden Wertungen hinausgehen oder diesen entgegenstehen. Insbesondere in an dieser Stelle der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die konkreten Umstände des Einzelfalles von vertypten gesetzlichen Wertungen abweichen (Bsp.: § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren; § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: 30-jähriger rechtmäßiger Aufenthalt). Sind im konkreten Fall keine Gründe - etwa auch solche rechtlicher Art - ersichtlich, die den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG entgegenstehen, wird regelmäßig kein Anlass bestehen, diese Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren.
142 
Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso (BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946) wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen.
143 
Davon ausgehend erweist sich die Ausweisung des Klägers als verhältnismäßig, da hier das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers unter Berücksichtigung sämtlicher den Fall prägenden Umstände überwiegt.
144 
Vorliegend ist zunächst die dem Flüchtlingsstatus des Klägers geschuldete Besonderheit in Rechnung zu stellen, nach der im konkreten Fall eine tatsächliche Beendigung des Aufenthalts des Klägers wegen dessen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, obgleich gewichtige Gründe für eine Ausweisung bestehen. Daher ist Bezugspunkt für die Verhältnismäßigkeitsfrage auch nur die Ausweisung in der hier erfolgten Form mit ihrer Folge einer ggf. auch langfristigen Duldung des Klägers im Bundesgebiet und seiner Überwachung nach § 56 AufenthG sowie der schon dargestellten Einschränkungen der verschiedenen Folgerechte.
145 
Dem Ausweisungsinteresse, wie es sich im konkreten Fall darstellt, steht ein nach der gesetzlichen Wertungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG ebenfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gegenüber. Hinzu treten auf Seiten des Klägers dessen Anspruch auf Achtung seiner familiären Bindungen nach Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 6 GG. Im weiteren ist sein mit über 17 Jahren über den in § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verlangten mindestens fünfjährigen rechtmäßigen Inlandsaufenthalt hinausgehender rechtmäßiger Aufenthalt zu berücksichtigen. Das Gewicht dieser Umstände ist, soweit es nicht schon über § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG erfasst wird, aus § 53 Abs. 2 AufenthG (über fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet) und den grund- und konventionsrechtlichen Wertungen mit Blick auf die Folgen der Ausweisung auf diese Umstände zu ermitteln.
146 
Wegen der familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet folgt aus Art. 6 GG zwar unmittelbar kein Aufenthaltsrecht, dieses Grundrecht gebietet aber die Berücksichtigung der in Art. 6 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat (vgl. hierzu ausf.: Hoppe/Samel in: Rensen/Brink (Hrsg.) Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2009, S. 137 ff.). Diese verpflichtet dazu, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84 313/84 -, NJW 1988, 626 und vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195; Beschluss vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682). Daraus kann sich die Unverhältnismäßigkeit einer Ausweisung ergeben, wenn ein gemeinsames Familienleben in Deutschland durch diese unmöglich gemacht würde und es den Familienmitgliedern nicht zumutbar wäre, die Familiengemeinschaft im Ausland herzustellen (BVerfG, Beschluss vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195). Für das Recht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt sich nichts anderes (zu den Kriterien vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 18.10.2006 - 46410/99 <Üner> -, NVwZ 2007, 1279; Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 -, InfAuslR 2001, 476 -; ausführlich Mayer, VerwArch 2010, 482 <530 ff.>, m. w. N.).
147 
Soweit sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bei langjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ergibt, dass die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, die Integration in die deutsche Gesellschaft, auch soweit sie keinen familiären Bezug hat, und das Fehlen tatsächlicher Bindungen an den Staat seiner Staatsangehörigkeit bei einer Ausweisung angemessen zu gewichten sind (BVerfG, Beschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300), ist ein Gleichlauf zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festzustellen, der unter dem Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK das Netz an persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen fasst, die für das Privatleben eines jeden Menschen schlechthin konstitutiv sind (EGMR, Urteil vom 09.10.2003 - 48321/99 -, EuGRZ 2006, 560). Diesen Beziehungen kommt bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zu (so BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; Thym, EuGRZ 2006, 541 <544>; Hoppe, ZAR 2006, 125 <130>; Hofmann, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Art. 8 EMRK, Stand: 01.11.2015, Rn. 20 ff., m. w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl., 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 14 ff.). Daraus folgt auch für Ausweisungen von Ausländern, die über keine schützenswerten familiären Bindungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 6 GG verfügen, eine Verpflichtung zur einzelfallbezogenen Abwägung unter angemessener Berücksichtigung dieser das Recht auf Privatleben konstituierenden Bindungen. Fehlen Bindungen an den Herkunftsstaat kann sich daraus eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung - selbst bei langjährigen Freiheitsstrafen und zahlreichen Verurteilungen - ergeben (vgl. die Nachweise bei Mayer, a. a. O.).
148 
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Denn die Ausweisung des Klägers führt nicht zur Beendigung seines tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland. Vorliegend sind die tatsächlichen Bindungen des Klägers durch die Ausweisung allerdings dadurch betroffen, dass ihn die Überwachungsmaßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG in seiner Bewegungsfreiheit beschränken. Soweit ihm diese seine Möglichkeiten zur Fortführung gerade der streitgegenständlichen Aktivitäten erschweren, ist dadurch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers schon nicht berührt. Die Einschränkungen seiner Rechte aus Art. 29 und 30 der Qualifikationsrichtlinie (Sozialhilfe und medizinische Versorgung) sind objektiv betrachtet geeignet und erforderlich, um den Kläger zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Die für ihn eintretenden Einschränkungen seiner Bewegungsmöglichkeiten sind aus den schon dargelegten Gründen erforderlich und auch zumutbar. Die für seine Familienmitglieder mit den Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten des Klägers und seiner genannten Rechte verbundenen Folgen sind allenfalls mittelbarer Art und als solche auch verhältnismäßig, zumal sie - als mildere Mittel zur tatsächlichen Beendigung des Aufenthalts - einzig dem Umstand geschuldet sind, dass der Beklagte gerade auf den Flüchtlingsstatus des Klägers Rücksicht nimmt, obwohl dieser Gründe setzt, die gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter erforderlich machen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, juris, Rn. 24). Darüber hinaus sind weitere schützens- und nennenswerte Bindungen des Klägers in die hiesige Gesellschaft, die durch die Ausweisung in unzumutbarer Weise beschränkt würden, trotz des langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Der Kläger spricht kaum Deutsch, er war nur sporadisch und für kürzere Zeiträume überhaupt erwerbstätig und ist seit längerem von Sozialleistungen abhängig. Diese Umstände relativieren das Gewicht seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Abwägung entscheidend. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass es der Kläger in der Hand hat, durch eine glaubhafte Abkehr von seinem bisherigen Verhalten eine Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu erreichen. Aus all dem ergibt sich bei wertender Betrachtung der widerstreitenden Interessen im konkreten Fall ein Überwiegen des Ausweisungsinteresses.
149 
5. Soweit sich, ungeachtet der Rechtsstellung des Klägers, aus den Stand-Still-Klauseln des Art. 7 ARB 2/76, des Art. 13 ARB 1/80 bzw. des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei (ZP) ein Verbot ergibt, ohne zwingende Gründe neue Beschränkungen für sich ordnungsgemäß (vgl. EuGH, Urteil vom 07.11.2013 - C-225/12 -, InfAuslR 2014, 1) im Inland aufhaltende türkische Staatsangehörige einzuführen, die deren Möglichkeiten zur Aufnahme einer (abhängigen oder selbstständigen) Beschäftigung im Verhältnis zur Rechtslage bei Inkrafttreten dieser Regelungen stärker begrenzen würden (vgl. etwa: EuGH, Urteile vom 10.07.2014 - C-138/13 -, NVwZ 2014, 1081 und vom 17.09.2009 - C-242/06 -, InfAuslR 2009, 413), führt dies nicht dazu, dass die §§ 53 ff. AufenthG in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung außer Anwendung zu bleiben hätten.
150 
Mit der Neukonzeption des Ausweisungsrechts im Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, S. 1386) will der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung der Entwicklung Rechnung tragen, „wonach das bisherige dreistufige Ausweisungsrecht durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ohnehin mehr und mehr zu einer Ermessensausweisung mit umfassender Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit modifiziert worden ist.“ (BT-Drs. 18/4097). Die Änderungen des Ausweisungsrechts dienen danach der Anpassung an die Entwicklung dieser Rechtsprechung und sie sollen Rechtsunsicherheiten im Ausweisungsrecht beseitigen und die Arbeit der Ausländerbehörden erleichtern. Aus dem mit der Neuregelung einhergehenden Systemwechsel, weg von einer Ausweisung im Ermessenswege, hin zu einer zwar gebundenen, dafür aber anhand des Maßstabes der Verhältnismäßigkeit zu messenden, folgt daher bei der gebotenen Gesamtbetrachtung keine neue Beschränkung in Sinne der Stand-Still-Klauseln.
151 
Im Vergleich zu den Ausweisungsregelungen der Ausländergesetze seit 1965 und dem Aufenthaltsgesetz a. F. lässt sich feststellen, dass das neue Ausweisungsrecht sich weitgehend von einer in Bezug auf die Interessen des Ausländers auf bloßen Verwaltungsvorgaben beruhenden Ermessensentscheidung des Ausländergesetzes 1965 (vgl. Kanein, Ausländerrecht, 4. Aufl., 1988, § 10 AuslG) ebenso gelöst hat, wie von schematisierenden und insoweit bindenden gesetzlichen Vorgaben des Ausländergesetzes 1990 und des Aufenthaltsgesetzes a. F., die einer umfassenden Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls entsprechend deren Gewicht entgegenstehen konnten. Schematisierungen dieser Art und Wirkung waren auch der Anlass für die Gerichte, das bisherige Recht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, teilweise entgegen seinem Wortlaut, auszulegen und anzuwenden (vgl. Mayer, VerwArch 2010, 482 <483 ff.>, m . w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl. 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 19 ff.). Während eine Ausweisung im Ermessenswege gerichtlich bislang nur eingeschränkt überprüfbar war (§ 114 Satz 1 VwGO), stellt das neue Recht eine vollumfassende gerichtliche Überprüfung sicher. Das durch die neuen Regelungen aufgestellte Prüfprogramm garantiert, wie die bisherigen Ausführungen deutlich machen, eine umfassende Berücksichtigung der den Fall prägenden Umstände. Der Verlust der Ermessensebene wird durch die nunmehr umfassende gerichtliche Kontrollpflicht in Bezug auf die Frage der Verhältnismäßigkeit aufgewogen (so auch: Neidhardt, a. a. O., Rn. 31; a. A.: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 42, der davon ausgeht, dass eine Ausweisung nach Ermessen immer günstiger für den Betroffenen sei als eine gebundene nach § 53 Abs. 1 AufenthG n. F.). Es wäre daher verfehlt, für die Frage einer neuen Beschränkung isoliert darauf abzustellen, dass es sich nunmehr bei der Ausweisungsentscheidung um eine gebundene handelt. Weder Unions- noch Assoziationsrecht gebieten eine Ermessensentscheidung, sondern (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 -, InfAuslR 2010, 3; vgl. zum Erfordernis einer wertenden Gesamtbetrachtung: BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492).
152 
Soweit § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nunmehr, wie ebenfalls schon dargelegt, die Gefahr gesetzlich aus der Erfüllung des Tatbestandes ableitet, führt auch dies jedenfalls im konkreten Fall zu keiner Verschlechterung der Rechtsstellung des Klägers, nachdem dessen tatsächliches Verhalten die gesetzliche Festlegung gerade bestätigt.
153 
Dass mit § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG im Falle einer Ausweisung die kraft Gesetzes geltenden Überwachungsmaßnahmen - in Abweichung zur früheren Rechtslage - nicht mehr die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisung voraussetzen, stellt gleichfalls keine neue Beschränkung in diesem Sinne dar. Die Stillhalteverpflichtung bedeutet nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens und des Prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492). Lässt eine Änderung des Verfahrens - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor. Es kann nicht ernsthaft in Frage stehen, dass insoweit effektiver gerichtlicher Rechtsschutz über eine einstweilige gerichtliche Regelung nach § 123 VwGO erreicht werden kann. Vorliegend kommt es hierauf auch nicht an, da der Beklagte solche Maßnahmen modifizierend und durch Verwaltungsakt erlassen hat und insoweit Rechtsschutz nach §§ 80 ff. VwGO gegeben ist.
154 
Selbst wenn man den Rechtsfolgenwechsel - weg von der Einräumung von Ermessen, hin zu einer gebundenen Entscheidung - bzw. die weiteren dargestellten Änderungen des Ausweisungsrechts grundsätzlich als Maßnahmen ansehen wollte, die bezweckten oder bewirkten, dass die Ausübung der Freizügigkeitsrechte durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen in dem Mitgliedstaat gelten, wären diese Maßnahmen hier rechtlich zulässig. Denn die Einführung dieser - unterstellt - strengeren Voraussetzungen wäre durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, gerade weil der vorgenommene Systemwechsel dazu dient, das ursprüngliche, durch die Anforderungen der Rechtsprechung erheblich - teils gegen den Wortlaut - modifizierte Ausweisungsrecht wieder handhabbar und in sich schlüssig und nachvollziehbar zu machen. Die nunmehr gesetzliche Festlegung der Gefahr nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist mit Blick auf die vom Terrorismus ausgehenden Gefahren sicherlich gerechtfertigt, zumal sich aus praktischer Sicht kaum Fallkonstellationen denken lassen, bei denen eine solche Gefahr zu verneinen sein könnte, obwohl ein Unterstützen einer terroristischen Vereinigung tatbestandlich vorliegt und eine glaubhafte Abwendung hiervon - die das Gesetz ausdrücklich zulässt - nicht erfolgt ist.
II.
155 
Nicht verfahrensgegenständlich ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung, nachdem der Kläger mit seinem Berufungsantrag, der gemäß § 124a Abs. 3 VwGO nicht nur begründende sondern auch begrenzende Wirkung hat, alleine die Aufhebung der Ausweisungsverfügung des Beklagten beantragt und er auch in seiner Berufungsbegründung auf die Befristungsfrage nicht abgestellt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2011 - 2 B 37.10 -, juris).
156 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
157 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
158 
Beschluss vom 13. Januar 2016
159 
Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
160 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:

1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung,
2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes,
4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt,
5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung,
6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.

(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung

1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis,
2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung,
3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle,
4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder
5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
gestattet war. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 ist der Umfang der Befugnis zu registrieren und im Rechtsdienstleistungsregister bekanntzumachen.

(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.