Arbeitsrecht: Falsche Beantwortung der Frage nach einer Schwerbehinderung
Das setzt aber voraus, dass die Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertrags ursächlich war. Wirkt sich die Täuschung im Arbeitsverhältnis weiterhin aus, kann zudem eine Kündigung gerechtfertigt sein.
Auf dieser Grundlage hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass die von einem größeren Softwareunternehmen erklärte Anfechtung und Kündigung des Arbeitsvertrags einer Außendienstmitarbeiterin unwirksam sei. Die Arbeitnehmerin hatte zwar bei der Einstellung die Frage nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung unzutreffend verneint. Die Täuschung war jedoch nicht ursächlich für den Abschluss des Arbeitsvertrags. Die Arbeitgeberin hat ausdrücklich erklärt, sie hätte die Frau auch dann eingestellt, wenn diese die Frage wahrheitsgemäß beantwortet hätte. Die Arbeitgeberin vermochte Anfechtung und Kündigung auch nicht darauf zu stützen, dass die Frau sie zugleich über ihre Ehrlichkeit getäuscht habe. Die Annahme der Arbeitgeberin, die Arbeitnehmerin sei ehrlich, beruhte nicht auf deren falscher Antwort. Auf die umstrittene Frage, ob sich ein Arbeitgeber vor der Einstellung nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung erkundigen darf, kam es nicht an (BAG, 2 AZR 396/10).
Urteile
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Tenor
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1. Die Revisionen der Parteien gegen das Teilurteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 24. März 2010 - 6/7 Sa 1373/09 - werden zurückgewiesen.
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2. Die Kosten des Revisionsverfahrens fallen zu 7/9 der Klägerin, zu 2/9 der Beklagten zur Last.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Anfechtung und einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung. Sie streiten ferner über einen Anspruch der Klägerin auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.
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Die Beklagte ist ein Softwareunternehmen mit Sitz in D. Sie beschäftigt bundesweit mehr als 1200 Arbeitnehmer. Sie unterhält ua. eine Niederlassung in B. Dort war die Klägerin seit dem 1. März 2007 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 31. Januar 2007 als Angestellte im Außendienst (Vertrieb) tätig. Ihr durchschnittliches Bruttomonatseinkommen betrug 7.082,67 Euro. Die Klägerin war seit Juli 1998 als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt.
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Vor Unterzeichnung des Arbeitsvertrags der Parteien im Januar 2007 hatte die Beklagte der Klägerin einen Personalfragebogen vorgelegt. Die Frage, ob sie anerkannte Schwerbehinderte oder Gleichgestellte sei, hatte die Klägerin verneint.
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Am 7. Oktober 2008 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie als Schwerbehinderte anerkannt sei. Die Beklagte hatte ihr zuvor unter Hinweis auf betriebsbedingte Gründe nahegelegt, gegen eine Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden.
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Noch am Abend des 7. Oktober 2008 stellte die Beklagte die Klägerin von der Erbringung der Arbeitsleistung frei. Sie forderte sie auf, ihre persönlichen Sachen aus ihrem Büro zu entfernen und die Firmenkreditkarte sowie den Computer abzugeben. Zudem sperrte sie ihre Zugangsberechtigungen zu den betrieblichen Kommunikationsmitteln, der EDV, den Kundendatenbanken und dem Firmenkonto. Die Beklagte hat behauptet, dabei habe es sich wie bei jeder streitigen Trennung von Mitarbeitern, insbesondere von solchen aus dem Vertrieb, um eine völlig normale und unbedingt angezeigte Maßnahme gehandelt.
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Mit Schreiben vom 8. Oktober 2008 erklärte die Beklagte die Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung. Sie warf der Klägerin vor, die Frage nach einer anerkannten Schwerbehinderung in dem Personalfragebogen unwahr beantwortet zu haben. Zudem kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Zustimmung des Integrationsamts mit Schreiben vom 22. Oktober 2008 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin.
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Die Klägerin hat rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, weder Anfechtung noch Kündigung hätten das Arbeitsverhältnis aufgelöst. Die Frage nach dem Bestehen einer anerkannten Schwerbehinderung habe sie wegen der darin liegenden Diskriminierung falsch beantworten dürfen. Ein Anfechtungsgrund wegen arglistiger Täuschung liege nicht vor. Die auf die falsche Antwort gestützte Kündigung sei gleichermaßen diskriminierend und deshalb unwirksam. Zudem stehe ihr ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zu. Die Anfechtungserklärung vom 8. Oktober 2008 und die Kündigungserklärung vom 22. Oktober 2008 beruhten auf ihrer falschen Antwort im Personalfragebogen. Die Diskriminierung ergebe sich außerdem aus der Art und Weise, in der sie am 7. Oktober 2008 ihren Arbeitsplatz habe verlassen müssen, sowie aus dem Prozessverhalten der Beklagten. Diese versuche, ihr eine Behinderung aus psychischen Gründen zu unterstellen.
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Die Klägerin hat - soweit im Revisionsverfahren unter diversen weiteren Anträgen von Interesse - beantragt
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1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Anfechtungserklärung der Beklagten vom 8. Oktober 2008 nicht aufgelöst worden ist;
2.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. Oktober 2008 aufgelöst worden ist;
3.
die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Entschädigung in einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Höhe, welche einen Betrag von 96.000,00 Euro nicht unterschreiten möge, nebst Zinsen zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Frage nach einer anerkannten Schwerbehinderung sei auch unter Geltung des AGG zulässig. Sie habe die Frage in erster Linie gestellt, weil sie die Anzahl schwerbehinderter Menschen im Betrieb habe erhöhen wollen. Mit einer wahrheitsgemäßen Antwort wären die Einstellungschancen der Klägerin noch größer gewesen. Sie wäre genauso eingestellt worden. Die Klägerin habe eine zulässige Frage bewusst unwahr beantwortet. Sie habe damit zugleich über ihre Ehrlichkeit getäuscht. Dies rechtfertige die Anfechtung und auch die außerordentliche Kündigung. Die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch der Klägerin lägen nicht vor. Die Frage sei nicht diskriminierend gewesen. Der Grund für Anfechtung und Kündigung sei nicht die Behinderung der Klägerin gewesen, sondern der mit der Lüge hervorgerufene Vertrauensbruch. Offenheit und Ehrlichkeit im Umgang miteinander zählten zu den festen Bestandteilen ihrer „Unternehmenskultur“. Bei einer falschen Antwort auf eine andere, gleich bedeutsame Frage hätte sie in gleicher Weise reagiert.
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Das Arbeitsgericht hat den Feststellungsanträgen der Klägerin stattgegeben und den Zahlungsantrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit die Berufungen beider Parteien durch Teilurteil zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung auch der Feststellungsanträge, die Klägerin verfolgt mit ihrer Revision den Zahlungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revisionen haben keinen Erfolg. Der Erlass eines Teilurteils verstieß nicht gegen § 301 ZPO(I.). Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die Anfechtung der Beklagten vom 8. Oktober 2008 noch durch die Kündigung vom 22. Oktober 2008 aufgelöst worden (II.). Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG besteht nicht(III.).
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I. Das angefochtene Teilurteil ist nicht bereits deswegen von Amts wegen aufzuheben, weil sein Erlass gegen § 301 ZPO verstoßen hätte. Die Streitgegenstände waren teilbar. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, Entscheidungsreife habe nur hinsichtlich der mit dem Teilurteil beschiedenen Anträge vorgelegen. Die über sie ergangene Entscheidung hing nicht von der Entscheidung über die übrigen Streitgegenstände ab. Eine mögliche Vorgreiflichkeit des entschiedenen Teils für den Rest-Streit steht dem Erlass eines Teilurteils nicht entgegen. Der Gefahr einer Widersprüchlichkeit der Entscheidungen kann ggf. durch eine Aussetzung des Rest-Streits nach § 148 ZPO begegnet werden.
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II. Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die Anfechtungserklärung der Beklagten noch durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung aufgelöst worden.
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1. Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe den nicht entschiedenen Teil des Rechtsstreits nicht nach § 148 ZPO aussetzen dürfen, geht als Verfahrensrüge gegen das Teilurteil ins Leere. Der Aussetzungsbeschluss betrifft den durch dieses nicht entschiedenen Teil des Rechtsstreits. Die Frage, ob dem Verfahren hinsichtlich dieses Teils Fortgang hätte gegeben werden müssen, berührt nicht die in die Revision gelangten Streitgegenstände. Das Teilurteil teilt den Rechtsstreit in zwei selbständige Verfahren (BGH 30. Oktober 1997 - VII ZR 299/95 - zu II 3 a der Gründe, NJW 1998, 686).
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2. Die Anfechtung vom 8. Oktober 2008 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Eine arglistige Täuschung iSv. § 123 Abs. 1 BGB liegt nicht vor. Die Beklagte ist nicht durch die falsche Antwort der Klägerin zum Abschluss des Arbeitsvertrags bestimmt worden. Auf einen Irrtum nach § 119 Abs. 2 BGB stützt sie die Anfechtung nicht.
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a) Die falsche Beantwortung einer dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage kann den Arbeitgeber nach § 123 Abs. 1 BGB dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten(BAG 18. Oktober 2000 - 2 AZR 380/99 - zu II 1 der Gründe, BAGE 96, 123; 5. Oktober 1995 - 2 AZR 923/94 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 81, 120). Das setzt voraus, dass die Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertrags ursächlich war (vgl. für die widerrechtliche Drohung BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 544/08 - Rn. 41, AP BGB § 123 Nr. 68 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 9; 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 59, BAGE 125, 70).
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b) Im Streitfall bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob sich der Arbeitgeber weiterhin nach einer Anerkennung als Schwerbehinderter auch dann erkundigen darf, wenn die Behinderung für die Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit ohne Bedeutung ist (vgl. dazu bisher BAG 18. Oktober 2000 - 2 AZR 380/99 - BAGE 96, 123; 3. Dezember 1998 - 2 AZR 754/97 - zu II 2 der Gründe, BAGE 90, 251; 5. Oktober 1995 - 2 AZR 923/94 - BAGE 81, 120). Dies ist seit Inkrafttreten des § 81 Abs. 2 SGB IX zum 1. Juli 2001 und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zum 18. August 2006, insbesondere im Hinblick auf Art. 1, Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Satz 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates, umstritten(verneinend Deinert in Deinert/Neumann Handbuch SGB IX 2. Aufl. § 17 Rn. 17; LPK-SGB IX/Düwell 3. Aufl. § 85 Rn. 16 f., 20; ders. BB 2001, 1527, 1529 und BB 2006, 1741, 1743; KR/Etzel 9. Aufl. §§ 85 - 90 SGB IX Rn. 32; HaKo/Fiebig 3. Aufl. §§ 85-92 SGB IX Rn. 19; Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. Rn. 36; Knittel SGB IX Kommentar 5. Aufl. § 68 Rn. 43; Messingschlager NZA 2003, 301, 303; Nollert-Borasio/Perreng AGG 2. Aufl. § 2 Rn. 17 f.; ErfK/Preis 11. Aufl. § 611 BGB Rn. 272, 274; Rolfs/Paschke BB 2002, 1260, 1261; Thüsing/Lambrich BB 2002, 1046, 1049; SPV/Vossen 10. Aufl. Rn. 1522; Wisskirchen/Bissels NZA 2007, 169, 173; bejahend Schaub NZA 2003, 299, 300; differenzierend Joussen NZA 2007, 174, 176 ff.). Selbst wenn die Frage der Beklagten zulässig gewesen wäre und die Klägerin sie wahrheitsgemäß hätte beantworten müssen, wäre der durch die Täuschung erregte Irrtum für den Abschluss des Arbeitsvertrags auf Seiten der Beklagten nicht ursächlich gewesen. Die Beklagte hat ausdrücklich erklärt, sie hätte die Klägerin auch dann eingestellt, wenn diese die Frage wahrheitsgemäß beantwortet hätte.
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c) Die Beklagte vermag die Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB nicht darauf zu stützen, die Klägerin habe sie über ihre Ehrlichkeit getäuscht. Ihre Annahme, die Klägerin sei ehrlich, beruhte nicht auf deren falscher Antwort. Hätte die Klägerin die Frage richtig beantwortet, wäre die Beklagte ebenso von ihrer Ehrlichkeit ausgegangen.
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3. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 22. Oktober 2008 beendet worden. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.
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a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung wird durch eine Möglichkeit zur Anfechtung ebenso wenig ausgeschlossen wie umgekehrt. Beide Gestaltungsrechte bestehen nebeneinander (BAG 28. März 1974 - 2 AZR 92/73 - zu 1 der Gründe, AP BGB § 119 Nr. 3 = EzA BGB § 119 Nr. 5). Die Anfechtung setzt zwar einen Grund voraus, der schon bei Abschluss des Arbeitsvertrags vorgelegen hat, während die Kündigung dazu dient, ein durch nachträgliche Umstände belastetes oder sinnlos gewordenes Arbeitsverhältnis zu beenden (BAG 28. März 1974 - 2 AZR 92/73 - aaO). Denkbar ist aber, dass ein Anfechtungsgrund im zustande gekommenen Arbeitsverhältnis so stark nachwirkt, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist (BAG 28. März 1974 - 2 AZR 92/73 - aaO; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 45; APS/Preis 3. Aufl. Grundlagen K Rn. 23; MünchArbR/Wank 2. Aufl. § 120 Rn. 12).
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b) Es kann auch in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob die Klägerin verpflichtet war, die Frage nach einer Anerkennung als Schwerbehinderte wahrheitsgemäß zu beantworten. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, läge ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB nicht vor. Die Täuschung wirkte nicht in einer Weise nach, dass der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar gewesen wäre. Die Klägerin war mehr als eineinhalb Jahre im Arbeitsverhältnis tätig, ohne dass es Beanstandungen gegeben hätte.
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4. Die ordentliche Kündigung ist ebenfalls unwirksam. Sie ist sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1 KSchG. Auf das Arbeitsverhältnis fand im Zeitpunkt der Kündigung das Kündigungsschutzgesetz Anwendung (§ 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 KSchG). Ein Kündigungsgrund iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist nicht gegeben. Die Täuschung der Klägerin wirkte auch nicht in der Weise fort, dass der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls über die Kündigungsfrist hinaus unzumutbar gewesen wäre.
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III. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX.
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1. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
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a) § 15 Abs. 2 AGG eröffnet die Möglichkeit, die Höhe der begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts zu stellen. Den Gerichten wird insoweit ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Hängt die Bestimmung eines Betrags vom billigen Ermessen des Gerichts ab, ist ein unbezifferter Zahlungsantrag zulässig. Der Kläger muss allerdings Tatsachen benennen, die zur Bestimmung des Betrags herangezogen werden können, und muss die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angeben (BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - Rn. 19, EzA AGG § 15 Nr. 11; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 16, EzA SGB IX § 81 Nr. 21; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 18, BAGE 127, 367).
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b) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Klägerin hat einen Sachverhalt dargelegt, der grundsätzlich die Bestimmung einer Entschädigung ermöglicht, und hat den Mindestbetrag einer aus ihrer Sicht angemessenen Entschädigung mit 96.000,00 Euro beziffert.
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2. Die Klage auf Entschädigung ist unbegründet. Die Klägerin wurde von der Beklagten nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligt. Es bedarf deshalb keiner Klärung, ob § 15 Abs. 2 AGG nach § 2 Abs. 4 AGG auf Benachteiligungen durch Kündigungen überhaupt anwendbar ist(offen gelassen auch durch BAG 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 20, NJW 2011, 2458).
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a) Die Klägerin hat den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG innerhalb der Frist des § 15 Abs. 4 AGG schriftlich geltend gemacht und die Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG eingehalten.
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aa) Sie hat den Anspruch zwar nicht unmittelbar gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Die schriftliche Erhebung kann aber durch die Klageerhebung ersetzt werden, sofern die Klage innerhalb der Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG dem Arbeitgeber zugestellt worden ist(Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 15 Rn. 55). Die Klageerweiterung mit dem Entschädigungsantrag wurde der Beklagten am 25. November 2008 zugestellt. Die Klägerin stützt den Anspruch auf Umstände, die ihr nicht länger als zwei Monate zuvor zur Kenntnis gelangt waren, nämlich die Art und Weise, in der sie am 7. Oktober 2008 ihren Arbeitsplatz habe verlassen müssen, die Anfechtungserklärung vom 8. Oktober 2008, die Kündigung vom 22. Oktober 2008 und den Prozessvortrag der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit.
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bb) Durch die am 25. November 2008 zugestellte Klageerweiterung ist auch die Dreimonatsfrist gem. § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt.
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b) Die Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung sind aber nicht gegeben.
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aa) Nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX in der ab 18. August 2006 geltenden Fassung dürfen Arbeitgeber schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Gemäß § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX gelten hierzu die Regelungen des ebenfalls am 18. August 2006 in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot begründet nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung in Geld auch wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist. § 15 Abs. 2 AGG regelt zwar nicht ausdrücklich, dass der Entschädigungsanspruch einen Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot gem. § 7 Abs. 1 AGG voraussetzt(BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - Rn. 29, EzA AGG § 15 Nr. 11; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 28, BAGE 129, 181). Dies ergibt sich aber aus dem Zusammenhang mit § 15 Abs. 1 AGG(vgl. BAG 24. September 2009 - 8 AZR 705/08 - Rn. 24, AP AGG § 3 Nr. 2 = EzA AGG § 3 Nr. 1). Der Verstoß braucht nicht schuldhaft erfolgt zu sein (BAG 18. März 2010 - 8 AZR 1044/08 - Rn. 36, AP AGG § 15 Nr. 3 = EzA AGG § 15 Nr. 7).
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bb) Ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gem. § 7 Abs. 1 AGG liegt vor, wenn Beschäftigte wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Der Kausalzusammenhang ist gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BT-Drucks. 16/1780 S. 32). Ausreichend ist, dass ein in § 1 AGG genannter Grund jedenfalls mitursächlich war(BAG 18. März 2010 - 8 AZR 1044/08 - Rn. 33, AP AGG § 15 Nr. 3 = EzA AGG § 15 Nr. 7; 22. Oktober 2009 - 8 AZR 642/08 - Rn. 27, AP AGG § 15 Nr. 2 = EzA AGG § 15 Nr. 4; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 40, BAGE 131, 232). Für den Begriff der Benachteiligung gilt § 3 AGG.
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cc) Die Beweislastregel des § 22 AGG für eine Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale wirkt sich auf die Verteilung der Darlegungslast aus. Der Beschäftigte genügt seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Es genügt, Indizien vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber die Annahme rechtfertigen, dass sie gegeben ist (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 29, NZA 2011, 737; 20. Mai 2010 - 8 AZR 287/08 (A) - AP AGG § 22 Nr. 1 = EzA AGG § 22 Nr. 1). Dabei ist kein zu strenger Maßstab an die Vermutungswirkung der Hilfstatsachen anzulegen (BAG 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 40, AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6 zu § 611a BGB). Werden vom Arbeitnehmer Tatsachen vorgetragen, die je für sich genommen nicht zur Begründung der Kausalität ausreichen, ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Zu prüfen ist, ob die Hilfstatsachen, werden sie im Zusammenhang gesehen, geeignet sind, die Vermutungswirkung zu begründen (vgl. zu § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB aF BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 483/09 - Rn. 25, EzA BGB 2002 § 611a Nr. 7).
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dd) Danach hat die Beklagte die Klägerin nicht iSv. § 7 Abs. 1 AGG bzw. § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX benachteiligt.
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(1) Das Landesarbeitsgericht hat unterstellt, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 2 AGG seien erfüllt. Es hat angenommen, ein Entschädigungsanspruch bestehe selbst dann nicht, weil die Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin bereits durch den materiellen Schadensersatz ausgeglichen sei.
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(2) Dies hält jedenfalls im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Ungeachtet der Erwägungen des Landesarbeitsgerichts fehlt es an hinreichenden Indiztatsachen iSv. § 22 AGG für die Annahme, die Beklagte habe die Klägerin wegen ihrer Behinderung benachteiligt.
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(a) Allerdings bestand ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Anzeige ihrer Schwerbehinderung durch die Klägerin und den Umständen, auf die sie ihren Entschädigungsanspruch stützt. Ob schon ein solcher zeitlicher Zusammenhang geeignet sein kann, die Vermutungswirkung des § 22 AGG auszulösen, bedarf keiner Entscheidung(offen gelassen zu § 611a BGB in BAG 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 37, AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6). Er reicht dafür jedenfalls im Streitfall nicht aus. Das Landesarbeitsgericht ist von der Richtigkeit der Einlassung der Beklagten ausgegangen, nicht der Umstand, dass die Klägerin anerkannte Schwerbehinderte sei, sondern deren falsche Antwort auf die entsprechende Frage sei der Grund für die Anfechtung und die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gewesen.
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Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Durch den Hinweis der Klägerin auf ihre seit Juli 1998 bestehende Anerkennung als Schwerbehinderte hatte die Beklagte nicht nur erstmalig Kenntnis von diesem Umstand erlangt. Vielmehr wurde damit zugleich offenbar, dass die Klägerin vor der Einstellung eine falsche Auskunft gegeben hatte. Die Beklagte hat durchgängig vorgetragen, ausschließlich darauf und auf eine durch die falsche Auskunft bewirkte Zerstörung des Vertrauensverhältnisses und nicht auf die Schwerbehinderung als solche reagiert zu haben. Dem entspricht die Formulierung im Schreiben vom 8. Oktober 2008, die Anfechtung erfolge wegen der Lüge im Personalfragebogen. Auch aus dem weiteren Vortrag der Beklagten ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass Anfechtung oder Kündigung wegen der Behinderung der Klägerin ausgesprochen worden wären.
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(b) Eine Benachteiligung der Klägerin ergibt sich auch nicht aus den Maßnahmen, welche die Beklagte im Zusammenhang mit der Freistellung am 7. Oktober 2008 anordnete. Diese waren nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auf das beschränkt, was mit der sofortigen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten auch in anderen Fällen einherging.
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(c) Die Mutmaßung der Beklagten im Schriftsatz vom 20. Februar 2009, die Schwerbehinderung der Klägerin habe „psychologische Ursachen“, und die sich daran anschließenden Ausführungen lassen keine Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Behinderung vermuten. Aus diesem Vorbringen lässt sich nicht darauf schließen, Freistellung, Anfechtung oder Kündigung seien eben deshalb erfolgt. Die Beklagte hatte lediglich auf den Vortrag reagiert, die Klägerin weise keine körperlichen Defizite auf.
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(d) Die Klägerin beruft sich nicht darauf, bereits die Frage nach einer Schwerbehinderung als solche habe eine unzulässige Benachteiligung dargestellt. Es kann daher dahinstehen, ob insoweit die Fristen gem. § 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt wären.
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Die Frage ist auch als Indiztatsache für eine spätere Benachteiligung durch die Freistellung und die diese begleitenden Maßnahmen oder durch die Anfechtung und Kündigung nicht geeignet. Aus ihr lässt sich auf eine Benachteiligungsabsicht der Beklagten nicht mit hinreichender Sicherheit schließen. Die Beklagte kann die Frage - so wie sie geltend macht - auch aus dem Grund gestellt haben, bevorzugt Schwerbehinderte einstellen zu wollen.
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(e) Auch aus den Gesamtumständen folgen keine hinreichenden Indizien für eine Benachteiligung der Klägerin. Die zeitliche Nähe von Freistellung, Anfechtung und Kündigung zur Anzeige der Schwerbehinderung genügt selbst unter Berücksichtigung der vor der Einstellung gestellten Frage nicht, um die Vermutungswirkung des § 22 AGG auszulösen. Die Beklagte hat sich - plausibel - darauf berufen, sie habe allein den Umstand, dass die Klägerin unehrlich gewesen sei, zum Anlass für die fraglichen Maßnahmen genommen. Das wird nicht dadurch widerlegt, dass sie die Klägerin vor der Einstellung nach einer Anerkennung als Schwerbehinderte gefragt hatte.
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IV. Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Parteien gem. § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO nach dem Verhältnis ihres Obsiegens und Unterliegens zu tragen.
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Kreft
Berger
Rachor
Eulen
Sieg